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12.08.2010 | Nr. 32 Uni-Porträt Das Institut für Pharmazie der Christian-Albrechts- Universität in Kiel gehört zur mathematisch-natur- wissenschaftlichen Fakultät und bildet in ihr eine eigene Sektion. Es ist in vier Abteilungen für Highlight im Norden – die Pharmazie an der Universität Kiel Kiel ist der nördlichste Studienort für Phar- mazie in Deutschland. Durch seine geogra- fische Randlage gerät es manchmal aus dem Blickfeld, doch die Phar- mazie in der schleswig- holsteinischen Landes- hauptstadt hat viel zu bieten und glänzt in Hochschulvergleichen mit hervorragenden Be- wertungen. Nach der grundlegenden Moderni- sierung einiger Gebäude und mit vergrößerter Zahl an Studienplätzen präsentiert sich Kiel seit einigen Jahren als noch attraktiverer Studienort für Pharmazie. Eine Reportage von Thomas Müller-Bohn Pharmazeutische und Medizinische Chemie, Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Pharmazeutische Biologie und neuerdings auch Klinische Pharmazie gegliedert. Die Pharmakolo- gie ist hingegen Teil der Medizinischen Fakultät – von diesem lange bewährten „Kieler Modell“ wird noch die Rede sein. Pharmazeutischer Mini-Campus Das Pharmazeutische Institut hat sich in den 1930er Jahren von der damals in der Altstadt an- gesiedelten Chemie abgespalten und ist seitdem in einer Stadtrandlage angesiedelt, die nur wenige Busstationen von der Innenstadt entfernt liegt und eine gute Infrastruktur bietet. An diesem Standort ist inzwischen ein pharmazeutischer „Mini-Cam- pus“ mit einem sehr guten Raumangebot entstan- den. Alle Abteilungsgebäude sind um den zentral gelegenen, großen Arzneipflanzengarten herum an- gesiedelt. Das alte Hauptgebäude, der Hörsaaltrakt und das Laborgebäude aus den 1960er Jahren Innenhof des Hörsaalgebäudes An sonnigen Tagen ist er ein beliebter Platz für eine kurze Pause. Fotos: DAZ/tmb 46 | 3624 | Deutsche Apotheker Zeitung | 150. J ahrgang

Highlight im Norden – die Pharmazie an der Universität Kiel · Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Pharmazeutische Biologie und neuerdings auch Klinische Pharmazie gegliedert

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Page 1: Highlight im Norden – die Pharmazie an der Universität Kiel · Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Pharmazeutische Biologie und neuerdings auch Klinische Pharmazie gegliedert

12.08.2010 | Nr. 32

Uni-Porträt

Das Institut für Pharmazie der Christian-Albrechts-Universität in Kiel gehört zur mathematisch-natur-wissenschaftlichen Fakultät und bildet in ihr eine eigene Sektion. Es ist in vier Abteilungen für

Highlight im Norden – die Pharmazie an der Universität Kiel

Kiel ist der nördlichste Studienort für Phar-mazie in Deutschland. Durch seine geogra-fische Randlage gerät es manchmal aus dem

Blickfeld, doch die Phar-mazie in der schleswig-holsteinischen Landes-

hauptstadt hat viel zu bieten und glänzt in Hochschulvergleichen mit hervorragenden Be-wertungen. Nach der grundlegenden Moderni-sierung einiger Gebäude und mit vergrößerter Zahl an Studienplätzen präsentiert sich Kiel seit einigen Jahren als noch attraktiverer Studienort für Pharmazie.

Eine Reportage von Thomas Müller-Bohn

Pharmazeutische und Medizinische Chemie, Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Pharmazeutische Biologie und neuerdings auch Klinische Pharmazie gegliedert. Die Pharmakolo-gie ist hingegen Teil der Medizinischen Fakultät – von diesem lange bewährten „Kieler Modell“ wird noch die Rede sein.

Pharmazeutischer Mini-Campus

Das Pharmazeutische Institut hat sich in den 1930er Jahren von der damals in der Altstadt an-gesiedelten Chemie abgespalten und ist seitdem in einer Stadtrandlage angesiedelt, die nur wenige Busstationen von der Innenstadt entfernt liegt und eine gute Infrastruktur bietet. An diesem Standort ist inzwischen ein pharmazeutischer „Mini-Cam-pus“ mit einem sehr guten Raumangebot entstan-den. Alle Abteilungsgebäude sind um den zentral gelegenen, großen Arzneipflanzengarten herum an-gesiedelt. Das alte Hauptgebäude, der Hörsaaltrakt und das Laborgebäude aus den 1960er Jahren

Innenhof des Hörsaalgebäudes An sonnigen Tagen ist er ein beliebter Platz für eine kurze Pause.

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wurden 2006 grundlegend modernisiert und an moderne Sicherheitsanforderungen angepasst. Die modernen Praktikumssäle sind großzügig gestaltet und bieten breite Abzugsplätze für alle Studieren-den. Das Technologiegebäude von 1989 entspricht weiterhin dem neuesten Stand. Ein weiteres Ge-bäude des Pharmaziezentrums beherbergt die Pharmazeutische Biologie.

Erfolgreich im Ranking

Mit 422 Studierenden (Stand: Wintersemester 2009/10) und jeweils 55 Erstsemester-Studienplät-zen im Sommer- und Wintersemester gehört Kiel hinsichtlich der Größe zu den Pharmaziestandor-ten im oberen Mittelfeld. Die Aufnahmekapazität wurde erst vor wenigen Jahren um 20 Prozent erhöht. Dies war das Ergebnis des sogenannten „Hochschulpaktes 2020“ und einer hervorragen-den Evaluation im Verbund Norddeutscher Uni-versitäten, berichtet Prof. Dr. Bernd Clement, Vor-sitzender des Vorstandes des Pharmazeutischen In-stituts in Kiel. In der Evaluation wurden die Lehre und die räumlichen Bedingungen der Universitäten in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen verglichen. Das besonders erfolgreiche Abschneiden der Kieler Pharmazie ebnete den Weg für die Vergrößerung und die zu-sätzlichen Mittelzuweisungen für Stellen, Ver-brauchsmaterial und Geräte. Die Kieler Pharmazie erreicht auch in bundeswei-ten Vergleichen immer wieder ausgezeichnete Er-gebnisse. Sie wurde 2003 beim ersten bundeswei-ten Ranking des Centrums für Hochschulentwick-lung (CHE) neben Regensburg und Jena als „Stu-dientipp“ genannt und besonders für zielstrebige Studenten empfohlen, die gut beraten werden und in kurzer Zeit ihr Studium abschließen wollen. Als einziger Pharmaziestandort wurde Kiel in allen drei Rankings, also auch 2006 und 2009, jeweils zum „Studientipp“ gekürt. Im Ranking von 2009 wurde Kiel neben Basel, Berlin, Freiburg, Halle, Jena und Marburg für die insgesamt überdurch-schnittlich gute Studiensituation gelobt, außerdem wurde es neben Berlin, Freiburg und Jena hin-sichtlich der Betreuung und Laborausstattung her-

vorgehoben. Im neuesten Ranking im „Zeit“-Stu-dienführer für 2010/11 erhalten nur Freiburg, Jena und Kiel in vier von fünf Kategorien die Bestnoten. Clement ist über das hervorragende Abschneiden sehr erfreut und erklärt: „Kiel muss besser sein als andere, denn es hat nur ein kleines Einzugs-gebiet.“ Die Studiensituation in Kiel habe auch Folgen: „Die Nachfrage nach Kiel ist größer ge-worden“, meint Clement, „das spürt man.“

Pluspunkte neben dem Studium

Neben den fachlichen Qualitäten sprechen für Kiel sicher auch die außergewöhnlich guten Freizeit-möglichkeiten einer Stadt, die unmittelbar an der Ostsee liegt. Zudem verweist Clement auf die große Zahl studentischer Riten und Veranstaltun-gen, die an der Kieler Pharmazie bewusst gepflegt werden – von der Erstsemesterfete über Fußball-turniere, das „Kittelaufhängen“ nach dem Prakti-kum des achten Semesters und den Examensball bis zu den Veranstaltungen der Jungdoktoranden.

Der Garten verbindet die Abteilungen: links das Gewächs­haus, hinten die Pharmazeutische Biologie, rechts das Labor­gebäude der Pharmazeutischen Chemie.

Diese Ereignisse seien für alle Beteiligten sehr wichtig. Dabei lobt Clement auch den „guten Draht“ zur Fachschaft und die kurzen Kommuni-kationswege bei einer noch überschaubaren Insti-tutsgröße.

Ergänzung und Vernetzung

Zusätzlich zum Staatsexamensstudiengang Phar-mazie ist in Kiel ein Abschluss in Diplom-Phar-mazie etabliert, der nach dem zweiten Teil des Staatsexamens im günstigsten Fall in sechs Mo-naten mit einer Diplomarbeit und einem Diplom-kolloquium erreicht werden kann. Vielleicht ist auch diese Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten eine Erklärung für die Promotionsquote der Kieler Pharmazie, die mit 20 Prozent als hoch gilt. Als Ersatz für das Diplom soll demnächst ein nicht-grundständiger Master-Abschluss mit eben-falls individuellem Arbeitsschwerpunkt angeboten werden.

Das Institut aus der Dschungelperspektive: links die Pharma­zeutische Biologie, hinten das Hauptgebäude der Pharmazeutischen Chemie und rechts das Gewächshaus.

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Außerdem ist die Pharmazie seit Einführung eines Biochemie-Studienganges in Kiel auch an dieser Ausbildung beteiligt, indem sie ein Grundprakti-kum anbietet. „Denn man muss sehen, dass man sich vernetzt, das ist ganz wichtig“, erklärt Cle-ment. Angebote aus der Pharmazie können daher auch als Nebenfach von Studierenden der Bio-chemie, Chemie und Biologie gewählt werden. Hinsichtlich der Vernetzung steht die Pharmazie grundsätzlich vor einem Dilemma, erläutert Cle-ment, der auch Vorsitzender des Verbandes der Pharmazieprofessoren in Deutschland ist. Einerseits sollte das Fach sich nicht isolieren, sondern Lehre in andere Fächer exportieren. Denn dann wären immer auch andere Studiengänge betroffen, wenn Kapazitäten in der Pharmazie vor einer möglichen Streichung stehen. Doch andererseits dürfen Nume-rus-clausus-Fächer keine Angebote machen, die zu-lasten der eigenen Studienplätze gehen, außer wenn sich das Angebot ebenfalls an ein Numerus-clausus-Fach richtet. Möglich seien allerdings freiwillige Leistungen, die zusätzlich zur festgelegten Kapazi-tät in der Pharmazie erbracht werden.

Pharmazeutische Chemie – Prodrugs und AquaporineEin Schwerpunkt der Forschung des Pharmazeuti-schen Chemikers Prof. Dr. Bernd Clement ist die Entwicklung von Prodrugs, also von oral biover-fügbaren Stoffen, die erst durch Biotransformation in die Wirkform überführt werden, die selbst aber nicht oder nur unzureichend oral verfügbar wäre. Die Grundlagenforschung auf diesem Gebiet hat sogar zur Entdeckung eines Enzyms geführt, das in allen menschlichen Organen zu finden ist und dessen Funktion bisher unbekannt war. Das Mo-lybdän-haltige Enzym wird nach seiner Funktion und Lokalisation als mitochondriale Amidoxim- reduzierende Komponente bezeichnet. Die Über-tragung dieser Erkenntnisse auf Arzneistoffkandi-daten mit Amidin- oder Amidoxim-Struktur hat bereits zur Zusammenarbeit mit mehreren pharma-zeutischen Herstellern geführt. Viele Verbindungen befinden sich in klinischen Studien zum Einsatz gegen Herz-Kreislauf- oder Tumor-Erkrankungen. Die Patente wurden von der Patentverwertungs-

agentur der Universität an die Deutsche Bank ver-kauft, die nun weitere Entwicklungen finanziert. Dies sichert die nötigen Mittel für die Forschung, sorgt aber auch für zeitlichen Druck. Daneben wer-den im Arbeitskreis von Clement Phenanthridine als potenzielle Zytostatika und Hemmstoffe für Enzyme des Stickstoffmonoxid-Stoffwechsels synthetisiert, getestet und optimiert.Die Forschung von Clement ist insbesondere der Biochemie und der Analytik zuzuordnen, denn eine ausgefeilte Analytik ist notwendig, um die Umwandlung der Prodrugs nachzuweisen. Ein Nachfolger für Prof. Dr. Dieter Heber, der im vori-gen Jahr in den Ruhestand getreten ist, soll zum bevorstehenden Wintersemester seine Arbeit auf-nehmen und mit der Synthese einen anderen wich-tigen Teilbereich der Chemie abdecken. Als weiterer Professor in der Pharmazeutischen und Medizinischen Chemie vertritt Prof. Dr. Eric Beitz vorrangig die Molekularbiologie. Dabei geht es um große Moleküle wie Proteine oder die DNA als Zielstrukturen, und doch steht für Beitz ein ganz kleines Molekül im Mittelpunkt – das Wasser. Denn Beitz forscht hauptsächlich über Aquaporine.

Prof. Dr. Eric Beitz (links) und Prof. Dr. Bernd Clement, Abteilung für Pharmazeutische und Medizinische Chemie.

Durch diese Mitte der 1990er Jahre entdeckten Ka-nalproteine der Zellmembran werden Wasser und andere kleine Moleküle transportiert. Dies ist für den Wassergehalt fast aller Organe entscheidend. Die Aquaporine haben Beitz in seinem bisherigen Lebenslauf in besonderer Weise begleitet, denn er arbeitete als Postdoktorand an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore im Labor von Peter Agre, der für die Arbeit an den Aquaporinen 2003 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Inzwischen forscht Beitz im Rahmen eines EU-Projektes in ei-nem Netzwerk mit über 20 Forschergruppen aus ganz Europa. Dabei geht es bisher um Grundlagen-forschung wie die Charakterisierung der Proteine, mögliche Hemmstoffe und die Selektivität der Ka-näle für unterschiedliche kleine Moleküle. Doch zeichnen sich bereits einige potenzielle künftige Einsatzgebiete ab. Die Industrie ist besonders an Aquaporinen im Gehirn interessiert, die ein Target zur Verhinderung von Hirnödemen darstellen könnten. Außerdem könnten Aquaporine in

Die Praktikumssäle der Pharmazeutischen Chemie wurden 2006 neu ausgebaut und großzügig gestaltet.

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Parasiten, beispielsweise in den Erregern der Ma-laria, mit Arzneimitteln blockiert werden. Kanal-proteine, durch die nicht Wasser, sondern Glycerol transportiert wird, könnten für den Fettabbau inter-essant sein.

Klinische Pharmazie – die jüngste AbteilungDie neu geschaffene Abteilung für Klinische Phar-mazie wurde von der Pharmazeutischen Chemie abgespalten, hängt hinsichtlich des Budgets aber noch mit ihr zusammen. Sie verfügt über die Stelle für einen Hochschuldozenten auf Lebenszeit, die mit Prof. Dr. Thomas Kunze besetzt ist, der aus der Pharmazeutischen Chemie stammt. Wegen der Stellensituation erklärt Kunze zur Klinischen Phar-mazie: „Forschung ist nur interdisziplinär möglich, dafür sind Kooperationspartner nötig.“ In seiner Forschung untersucht er Signaltransduktionswege im Zusammenhang mit der Metastasierung von Krebszellen, außerdem arbeitet er mit 3-D-Zell-kulturen zur Erforschung des Mammakarzinoms. Ein weiterer Themenkreis betrifft die Arzneimittel-sicherheit in der Intensivmedizin. Dabei geht es sowohl um die Kompatibilität parenteral verabreich-

ter Arzneimittel als auch um die Vorteile, die ein Apotheker auf Station für die Versorgung bie-tet.In der Lehre der Klinischen Phar-mazie setzt das Kieler Institut auf ein breites Angebot mit vie-len Beteiligten. Außer Kunze selbst überneh-men die anderen Abteilungen

Im Hauptgebäude der Pharmazeutischen Chemie begann die Entwicklung der Pharmazie am heutigen Standort.

Prof. Dr. Thomas Kunze, Abteilung für Klinische Pharmazie.

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des Instituts und die Pharmakologie jeweils einzel-ne Lehrveranstaltungen. Hinzu kommen fünf exter-ne Lehrbeauftragte für spezielle Themen. Kunze hat mit dieser breiten Aufteilung sehr gute Erfahrungen gemacht. Entscheidend sei, dass alle Veranstaltun-gen kontrolliert und strukturiert ablaufen und dass einer alle vermittelten Inhalte detailliert überblickt und auch auf die Lehrenden einwirken kann. In der Evaluation der Lehrveranstaltungen werde deutlich, dass die Studierenden den Kontakt zu den jewei-ligen Spezialisten positiv bewerten. Das Interesse der Studierenden an der Klinischen Pharmazie schätzt Kunze hoch ein. Es sei bedauerlich, dass er nicht genügend Kapazität habe, um die Nachfrage nach Plätzen im Wahlpflichtfach zu befriedigen.

Pharmazeutische Biologie – Zuckerforschung und ein Garten für alleDie Ausbildung in Pharmazeutischer Biologie findet fast ausschließlich in der diesbezüglichen Abteilung statt. Eine Ausnahme bildet die humane Zytologie, die das Physiologische Institut der Medizinischen Fakultät übernimmt. Im Wahlpflichtbereich wird als Besonderheit ein Kurs in Molekularbiologie an-geboten. Die Wahlpflichtaufgaben stellen jeweils kleine abgeschlossene forschungsassoziierte Pro-jekte mit fest definierten Aufgaben dar, die nicht immer so funktionieren müssen, wie es bei einer Praktikumsaufgabe vorhersehbar ist. „Denn dies soll eine forschungsnahe Arbeit sein“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Blaschek. Weitere Zusatzangebote sind eine Vorlesung in Biotechnologie sowie bota-nische Exkursionen und Betriebsbesichtigungen. Einige Lehrveranstaltungen können auch als Modu-le im Rahmen von Bachelor-Master-Studiengängen der Biologie besucht werden. Vernetzungen mit der Biologie und der Medizin bestehen auch in der Forschung und werden bewusst gefördert. Als Be-sonderheit in der Vorlesung geht Prof. Dr. Susanne Alban auch auf regulatorische Aspekte und die Abgrenzung von Arzneimitteln zu Nahrungsergän-zungsmitteln und Medizinprodukten ein, wobei sie als Mitglied der zuständigen Kommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro-dukte jeweils aktuelle Beispiele einbringen kann.

Außerdem ist Alban eine der Vizepräsidentinnen der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft.Das äußerlich auffälligste Angebot der Pharma-zeutischen Biologie in Kiel ist der Arzneipflanzen-garten, der das Innere des „Mini-Campus“ ausfüllt und die Gebäude der pharmazeutischen Abteilun-gen verbindet. Hinzu kommt das Gewächshaus mit Räumen für verschiedene Klimazonen. Insgesamt werden fast 450 Pflanzenarten kultiviert, die nicht nur den Studierenden als Anschauungsobjekte die-nen. Denn der Garten wird auch in der ärztlichen Weiterbildung für Naturheilkunde und bei beson-deren Veranstaltungen für die Öffentlichkeit genutzt.Das verbindende Element in der Forschung der beiden Professoren der Pharmazeutischen Biologie sind die Zucker. Prof. Dr. Susanne Alban erklärt, ihre Arbeit habe sich aus der „Trias von Hämosta-se, Immunsystem und Tumormetastasierung“ ent-wickelt. In stofflicher Hinsicht beschäftigt sie sich insbesondere mit sulfatierten Glykanen. Sie entwi-ckelt Testsysteme für die direkte Qualitäts- und Reinheitsprüfung mithilfe von Fluoreszenzsensor-molekülen, um den Umweg über Aktivitätstests vermeiden zu können. Durch den jüngsten Hepa-rinskandal ist das Interesse an solchen Verfahren deutlich gewachsen. Außerdem ist Alban am EU-Projekt „Riff Nienhagen“ in Mecklenburg-Vorpom-mern beteiligt. An dem künstlichen Riff in der Ost-see sollte die Vermehrung von Dorschen untersucht werden, doch erweist es sich auch als idealer Le-bensraum für die Rotalge Delesseria sanguinea. Zu den wichtigsten Inhaltsstoffen dieser Alge gehören wiederum sulfatierte Glykane, die in Zellkulturen auf mögliche pharmakologische Effekte getestet werden. Weitere Algen werden im Rahmen eines Kieler Algenprojektes untersucht.Auch in der Forschung von Prof. Dr. Wolfgang Blaschek geht es um Zucker, bei ihm stehen Poly-saccharidstrukturen mit biologischer Aktivität im Mittelpunkt. Während der Zuckeranteil von Glyko-proteinen früher wenig beachtet wurde, interessie-ren sich Forscher jetzt zunehmend dafür, erklärt

Zwischen den Gebäuden des Pharmazie-Campus liegt der Arzneipflanzengarten. Auf dem Weg zwischen den Abteilungen können die Studierenden den Anblick des Grüns genießen und buchstäblich im Vorbeigehen ihr botanisches Wissen auffrischen. Im Hintergrund das Gewächshaus.

Prof. Dr. Susanne Alban und Prof. Dr. Wolfgang Blaschek, Abteilung für Pharmazeutische Biologie.

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Blaschek. Daher untersucht er gemeinsam mit Priv.-Doz. Dr. Birgit Classen Arabinogalaktan- Proteine, die einen Proteinanteil von weniger als zehn Prozent haben. Solche Glykoproteine aus Echinacea, Getreide und Misteln kommen als Modulatoren für das Immunsystem in Betracht. Die Feinstruktur dieser Glykoproteine aufzuklären, ist „viel Fummelkram“, meint Blaschek – dafür ist eine aufwändige Analytik erforderlich. Die Lokali-sation in den Pflanzen, aber auch in den Zielgewe-ben wird mit markierten Antikörpern über die Fluo-reszenzmikroskopie nachgewiesen. Außerdem un-tersucht Blaschek extrazelluläre Polysaccharide von Cyanobakterien, die beispielsweise auf das Komplementsystem wirken. Ein weiterer Arbeits-schwerpunkt ist dem Zuckertransport mithilfe des sodium-dependent glucose transporter (SGLT) ge-widmet. Verschiedene Formen des SGLT bewirken den Zuckertransport bei der Resorption aus dem Darm und bei der Rückresorption in der Niere. Blaschek untersucht Naturstoffe, die diese Trans-porter beeinflussen.

Pharmazeutische Technologie – reichhaltig ausgestattet und industrienahDie Abteilung für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie in Kiel fällt bereits auf den ers-ten Blick durch ihr großes modernes Gebäude auf.

In der Evaluation im Verbund Norddeutscher Uni-versitäten werden die „überdurchschnittlich gute Ausstattung und Ausbildung“ in der Technologie hervorgehoben. Die räumlich und instrumentell hervorragende Ausstattung geht insbesondere auf die Arbeit des mittlerweile emeritierten Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd W. Müller zurück. So können die Studierenden zahlreiche Maschinen kennen-lernen, die in der Industrie verwendet werden. „Damit können sie besonders gut auf eine Arbeit in der pharmazeutischen Industrie vorbereitet wer-den“, erklärt der heutige Abteilungsdirektor Prof. Dr. Hartwig Steckel. Wegen seiner eigenen Indus-trieerfahrung hat für ihn die Lehrveranstaltung zur Qualitätssicherung in der Pharmazeutischen Tech-nologie einen besonders hohen Stellenwert. Außer-dem bietet Steckel freiwillige Seminare über die Entwicklung innovativer Darreichungsformen und über die industrielle Pharmazie an, Letzteres mit Referenten aus der Industrie. Eine weitere Besonderheit der Lehre bilden die Veranstaltungen in Mikrobiologie. Für Steckel ist es wichtig, dass dabei eine arzneiformenbezogene Mikrobiologie vermittelt wird, während bei mikro-biologischen Veranstaltungen in der Medizin der Bezug zum Arzneimittel fehle.Auch bei der Wahl der Forschungsthemen wird Steckels Industrieerfahrung deutlich. Sein größtes Forschungsgebiet bilden die Aerosole. Aufgrund

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der Ausstattung und der Zahl der Arbeiten betrach-tet er die Kieler Abteilung als ersten Ansprechpart-ner in Deutschland, wenn es um pharmazeutische Aerosole geht. Forschungsgegenstände sind die Pul-veragglomeration und die Aerosolmesstechnik, es werden aber auch weiterhin neue Herstellungsvari-anten für Dosieraerosole erforscht. Ein weiteres Arbeitsgebiet sind halbfeste Darreichungsformen. Steckel untersucht insbesondere flüssig-kristalline Systeme, mit denen Wirkstoffe durch die Haut transportiert werden. Dies berührt auch das Thema Nanopartikel, die sowohl hinsichtlich des Nutzens als auch möglicher Risiken betrachtet werden. Außerdem werden wirkstoffbeladene und wirkstoff-beschichtete Medizinprodukte entwickelt. In den Projekten zu diesem Thema geht es um Implantate mit Wirkstoffen zur Beeinflussung des Knochen-wachstums, antimikrobiell beschichtete Implantate und einen selbstaushärtenden Knochenschaum, der eine offenporige Struktur ausbildet. So soll der be-handelte Knochen belastbar bleiben und weiterhin am Knochenstoffwechsel teilnehmen. Das vierte große Forschungsgebiet der Pharma-zeutischen Technologie in Kiel bearbeitet insbe-sondere die Habilitandin Dr. Regina Westmeier. Sie erforscht Impfstoffe, die über die Mukosa der Nase oder der Bronchien appliziert werden. Gegenüber herkömmlichen Impfungen würden Pulvernasensprays Vorteile in der Handhabung, Akzeptanz und Stabilität bieten. Westmeier sieht

die zentrale Herausforderung darin, das Antigen stabil genug zu „verpacken“ und doch eine Immun-reaktion zu erzielen. Westmeier ist auch in die Lehre eingebunden, doch hofft Steckel langfristig auf eine zusätzliche Professorenstelle für die Phar-mazeutische Technologie, um die Lehraufgaben mehr verteilen zu können.

Pharmakologie – erfolgreiche Zusammen-arbeit mit der MedizinDie Lehre in Pharmakologie übernehmen in Kiel Prof. Dr. Thomas Herdegen und Prof. Dr. Ingolf Cascorbi vom Institut für Experimentelle und Kli-nische Pharmakologie sowie Prof. Dr. Edmund Maser vom Institut für Toxikologie und Pharmako-logie für Naturwissenschaftler. Herdegen und Ma-ser halten die Staatsexamensprüfungen in Pharma-kologie ab. Die pharmakologischen Institute gehö-ren zur Medizin und sind daher auch mit der üb-rigen Medizinischen Fakultät vernetzt. Dies sehen alle Beteiligten als großen Vorteil für das schon

Dr. Regina Westmeier und Prof. Dr. Hartwig Steckel, Abteilung für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie.

Maschine neben dem Eingang Das Gebäude der Abteilung für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie.

Prof. Dr. Thomas Herdegen vor dem Eingang des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie.

seit Jahrzehnten erfolgreich etablierte „Kieler Mo-dell“. Nach Einschätzung des Pharmazeutischen Chemikers Prof. Dr. Bernd Clement sollten die Pharmaziestudenten Patienten zu sehen bekommen und „nicht im eigenen Saft schmoren“. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen werde besser, wenn sie schon im Studium eingeübt wird. Nach der Pensionierung des früheren Pharmakolo-gen Prof. Dr. Albrecht Ziegler habe sich aber ge-zeigt, dass man aufpassen müsse, dass solche Stel-len und Strukturen langfristig erhalten bleiben.Auch der Pharmakologe Prof. Dr. Thomas Herde-gen betrachtet die Einbindung der Pharmakologie in die Medizin als entscheidenden Vorteil. Aus dem Kontakt mit den anderen medizinischen Instituten und den komplexen Fragen der Patientenversor-gung entstehe immer wieder neuer Input für die Pharmakologie, auch mit ausgefallenen „Kolibri-Konstellationen“, die in keinem Lehrbuch stehen. Dies sei auch gut für die Pharmazeuten, sodass sie gerne in die Pharmakologie kommen. So entsteht eine „Win-win-Situation“. Zudem ist es sehr pro-duktiv, pharmakologische Zusammenhänge an Pa-tientenfällen zu erklären, meint Herdegen. Eine freiwillige Lehrveranstaltung, in der Fälle vorge-stellt werden, sei bei den Studierenden sehr beliebt.

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Er vermittelt gerne auch praktische Beispiele für den Apothekenalltag. „Der Apotheker hat eine sehr wich-tige Rolle“, meint Herdegen. Dort, wo der Patient sonst alleine wäre, könne der Apotheker viel Gutes tun. Arzt und Apotheker betrachtet Herdegen als Teil einer freien Medizin, die viele leider „wegorganisieren“ möchten.Als Wahlpflichtangebote vermittelt Herdegen eine brei-te Mischung an Aufgaben, dazu gehören auch Einbli-cke in DNA-Analysen, die Mitarbeit an Tierversuchen und die Arbeit mit Zellkulturen. Seine eigene Arbeit als Forscher begann in der Schmerzphysiologie, im Mittel-punkt seiner Forschung steht die Neurodegeneration. Dabei geht es insbesondere um die Fragen, warum Ner-venzellen absterben und wie neuropathischer Schmerz entsteht. Aus dieser Arbeit sind Modelle für Schlagan-fälle, Morbus Parkinson und andere Erkrankungen mit Nervenschädigungen entstanden. An diesen Modellen werden zahlreiche Arzneimittel getestet, vielfach in Zusammenarbeit mit den Herstellern. Bei der Behand-lung neuropathischer Schmerzen erweist es sich nach den Erfahrungen von Herdegen als entscheidendes Pro-blem, die geschädigten Nerven ausreichend stillzulegen und dabei die nicht geschädigten Nerven möglichst wenig zu beeinflussen. Dies sei oft eine Frage der sehr genauen Dosierung. Im Mittelpunkt seiner derzeitigen Forschung stehen Peptide, die gegen JNK-Stresskina-sen gerichtet sind. Diese Enzyme sind in die Signal-transduktion von Stresssignalen eingebunden und ha-ben daher große Bedeutung für viele pathologische Prozesse. Herdegen untersucht derzeit insbesondere den Einsatz von Hemmstoffen der Stresskinasen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Den DAZ-Lesern ist Herdegen als Autor der DAZ-Fortbildungsreihe „Pharmako-logisch!“ bekannt. In den Folgen stellt er jeweils die Arzneimittel für ein großes Indikationsgebiet mit ihren praktischen Einsatzmöglich-keiten ausführlich vor. Außer für die DAZ ist Herdegen auch im Auftrag der Apothekerkammer Schleswig-Hol-stein und neuerdings für die Apothekerkammer West-falen-Lippe aktiv in der Fortbildung der Apotheker tä-tig. Die Fortbildung ist damit zu einem großen Teil sei-ner Tätigkeit geworden. Herdegen freut sich über das große Interesse der Apotheker an der Pharmakologie und arbeitet daher besonders gerne mit Pharmazeuten zusammen – sowohl in der Fortbildung als auch mit den Studierenden an der Universität Kiel. <

Apothekenmuseum im Uniklinikum

Ein bundesweit einmaliges Beispiel der universitären Zu­sammenarbeit von Medizin und Pharmazie ist die Medizin­ und Pharmaziehistorische Sammlung Kiel im Universitäts­klinikum in der Brunswiker Straße 2. Die Dauerausstellung umfasst die historischen Einrichtungen schleswig­holstei­nischer Apotheken mit Mobiliar, Standgefäßen, Waagen, Geräten der vorindustriellen Arzneimittelherstellung und vielen Arzneidrogen, die heute teils obsolet sind. Beeindru­ckend ist die Inszenierung der Materialkammer aus der St. Jakobi­Apotheke in Lübeck mit zugehöriger Stoßkammer und Labor. Nostalgische Gefühle weckt die Praxis eines Internisten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zurzeit ist im Museum die Sonderausstellung „Durch Mark und Bein“ zu sehen, siehe Seite 58. Info: www.med­hist.uni­kiel.de

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