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353 CME Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362 Fast alle Mikroorganismen können eine Endokarditis verursachen – besonders grampositive Bakterienspezies wie Streptokokken, Enterokokken und Staphylokokken. Wenn diese im Zuge einer Bakteriämie das Endokard besiedeln, entsteht eine infektiöse Endokarditis. Erfahren Sie hier mehr über die Pathogenese, Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung. Aortenklappenendokarditis: Diagnostik und Therapie Cornelia Piper, Lothar Faber, Dieter Horstkotte Der konkrete Fall Ein 53-jähriger Mann wird wegen eines akuten zerebralen Insults mit armbetonter Hemiparese rechts und Fieber bis 39° C in eine neurologische Klinik aufgenommen. Er berichtet über rezidivierende Fieberschübe bis 39° C, seit 10 Tagen neu aufgetretene Rückenschmer- zen im Lendenwirbelbereich, Abgeschlagenheit und zunehmende Luftnot beim Treppensteigen. Bekannt sind ein metabolisches Syndrom (BMI 32 kg / m 2 ) bei bisher nicht mit Insulin behandel- tem Diabetes mellitus Typ 2 (HbA1c 9,2 %) und eine medikamentös befriedigend eingestellte ar- terielle Hypertonie. Amoxicillin und Moxifloxacin | Aufgrund des un- klaren Fiebers behandelte die Hausärztin den Pa- tienten 5 Tage lang mit 2 × 1000 mg Amoxicillin. Nach Entfieberung trat 3 Tage nach Absetzen des Antibiotikums erneut Fieber auf. Es folgte eine zweite antibiotische Behandlung mit 1 × 400 mg Moxifloxacin über 5 Tage. Wieder entfieberte der Patient, fühlte sich aber schlapp und litt zuneh- mend unter Luftnot. 3 Tage später erlitt er einen Insult. Aufnahmeuntersuchung | In der neurologischen Klinik fällt bei der Auskultation ein Diastolikum auf. Außerdem besteht eine Sinustachykardie mit 100 Schlägen / min. Der Blutdruck beträgt 120 / 50 mmHg. Der pulmonale und abdominelle Untersuchungsbefund ist unauffällig. Im krania- len CT zeigt sich eine kleine hypodense Raum- forderung im Stromgebiet der linken A. cerebri media. Laborchemisch bestehen: eine Leukozytose: 14 500 / µl CRP: 8 mg / dl Fibrinogen: 480 mg / dl Transthorakale Echokardiografie | Die transtho- rakale Echokardiografie (TTE) zeigt eine höher- gradige Aortenklappeninsuffizienz und eine klei- ne flottierende Auflagerung an der akoronaren Ta- schenklappe. Der Patient wird uns zur weiteren Behandlung zuverlegt – es besteht der Verdacht einer Aortenklappenendokarditis mit konsekuti- ver zerebraler Embolie. Bei Aufnahme ist er tachy- kard (HF 105–138 / min) und hypoton (Blutdruck 95 / 50 mmHg). Unter Infusion mit 4 µg / min / kg KG Dobutamin gelingt es uns, seinen Kreislauf zu stabilisieren. Periphere Stigmata (Osler Knötchen, Janeway Effloreszenzen) finden sich nicht. In der TTE bestätigt sich der Befund einer kleinen, ca. 5 mm großen vegetationsverdächtigen Struktur an der akoronaren Tasche und einer höhergradi- gen Aortenklappeninsuffizienz bei bikuspider Klappe. Der linke Ventrikel ist enddiastolisch auf 65 mm dilatiert, die linksventrikuläre Ejektions- fraktion mit 50 % angesichts der LV-Volumenbe- lastung deutlich eingeschränkt (▶ Abb. 1). Transösophageale Echokardiografie | Die transö- sophageale Echokardiografie (TEE) zeigt, dass die Vegetation mit 12 mm Durchmesser erheblich grö- Abb. 1 Transthorakale Echokardiografie (TTE): Die bikuspide Aortenklappe ist eine für eine infektiöse Endokarditis prädisponierende Klappenläsion (A: Querschnitt, B: vergrößerter Längsschnitt). An der dorsal gelegenen Tasche findet sich eine von transthorakal ca. 5 mm messende, flottierende, knötchenförmige Läsion (Pfeile in A und B). Die Mitralklappe erscheint per TTE nicht betroffen (Pfeilspitzen in B, D: Längsachse und in C: Vierkammerblick). LA, RA = linker bzw. rechter Vorhof; LV, RV = linker bzw. rechter Ventrikel; Ao = Aorta Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.

Aortenklappenendokarditis: Diagnostik und Therapie€¦ ·  · 2017-05-30CME 353 Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362

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Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362

Fast alle Mikroorganismen können eine Endokarditis verursachen – besonders grampositive Bakterienspezies wie Streptokokken, Enterokokken und Staphylokokken. Wenn diese im Zuge einer Bakteriämie das Endokard besiedeln, entsteht eine infektiöse Endokarditis. Erfahren Sie hier mehr über die Pathogenese, Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung.

Aortenklappenendokarditis: Diagnostik und Therapie

Cornelia Piper, Lothar Faber, Dieter Horstkotte

Der konkrete Fall

Ein 53-jähriger Mann wird wegen eines akuten zerebralen Insults mit armbetonter Hemiparese rechts und Fieber bis 39° C in eine neurologische Klinik aufgenommen. Er berichtet über

▶ rezidivierende Fieberschübe bis 39° C, ▶ seit 10 Tagen neu aufgetretene Rückenschmer-zen im Lendenwirbelbereich,

▶ Abgeschlagenheit und ▶ zunehmende Luftnot beim Treppensteigen.

Bekannt sind ein metabolisches Syndrom (BMI 32 kg / m2) bei bisher nicht mit Insulin behandel-tem Diabetes mellitus Typ 2 (HbA1c 9,2 %) und eine medikamentös befriedigend eingestellte ar-terielle Hypertonie.

Amoxicillin und Moxifloxacin | Aufgrund des un-klaren Fiebers behandelte die Hausärztin den Pa-tienten 5 Tage lang mit 2 × 1000 mg Amoxicillin. Nach Entfieberung trat 3 Tage nach Absetzen des Antibiotikums erneut Fieber auf. Es folgte eine zweite antibiotische Behandlung mit 1 × 400 mg Moxifloxacin über 5 Tage. Wieder entfieberte der Patient, fühlte sich aber schlapp und litt zuneh-mend unter Luftnot. 3 Tage später erlitt er einen Insult.

Aufnahmeuntersuchung | In der neurologischen Klinik fällt bei der Auskultation ein Diastolikum auf. Außerdem besteht eine Sinustachykardie mit 100 Schlägen / min. Der Blutdruck beträgt 120 / 50 mmHg. Der pulmonale und abdominelle Untersuchungsbefund ist unauffällig. Im krania-len CT zeigt sich eine kleine hypodense Raum-forderung im Stromgebiet der linken A. cerebri media. Laborchemisch bestehen:

▶ eine Leukozytose: 14 500 / µl ▶ CRP: 8 mg / dl ▶ Fibrinogen: 480 mg / dl

Transthorakale Echokardiografie | Die transtho-rakale Echokardiografie (TTE) zeigt eine höher-gradige Aortenklappeninsuffizienz und eine klei-ne flottierende Auflagerung an der akoronaren Ta-schenklappe. Der Patient wird uns zur weiteren

Behandlung zuverlegt – es besteht der Verdacht einer Aortenklappenendokarditis mit konsekuti-ver zerebraler Embolie. Bei Aufnahme ist er tachy-kard (HF 105–138 / min) und hypoton (Blutdruck 95 / 50 mmHg). Unter Infusion mit 4 µg / min / kg KG Dobutamin gelingt es uns, seinen Kreislauf zu stabilisieren. Periphere Stigmata (Osler Knötchen, Janeway Effloreszenzen) finden sich nicht. In der TTE bestätigt sich der Befund einer kleinen, ca. 5 mm großen vegetationsverdächtigen Struktur an der akoronaren Tasche und einer höhergradi-gen Aortenklappeninsuffizienz bei bikuspider Klappe. Der linke Ventrikel ist enddiastolisch auf 65 mm dilatiert, die linksventrikuläre Ejektions-fraktion mit 50 % angesichts der LV-Volumenbe-lastung deutlich eingeschränkt (▶ Abb. 1).

Transösophageale Echokardiografie | Die transö-sophageale Echokardiografie (TEE) zeigt, dass die Vegetation mit 12 mm Durchmesser erheblich grö-

Abb. 1 Transthorakale Echokardiografie (TTE): Die bikuspide Aortenklappe ist eine für eine infektiöse Endokarditis prädisponierende Klappenläsion (A: Querschnitt, B: vergrößerter Längsschnitt). An der dorsal gelegenen Tasche findet sich eine von transthorakal ca. 5 mm messende, flottierende, knötchenförmige Läsion (Pfeile in A und B). Die Mitralklappe erscheint per TTE nicht betroffen (Pfeilspitzen in B, D: Längsachse und in C: Vierkammerblick). LA, RA = linker bzw. rechter Vorhof; LV, RV = linker bzw. rechter Ventrikel; Ao = Aorta H

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zeigt sich zudem ein Aortenwurzelabszess – die-ser war auch bei retrospektiver Nachbefundung im präoperativen TEE nicht erkennbar. Zur Sanie-rung der Endokarditis müssen neben der Aorten-klappe Teile der Aortenwurzel reseziert werden. Nach Aortenwurzelrekonstruktion wird eine me-chanische Doppelflügelprothese (SJM A 29 mm) implantiert. Die Abklatschvegetation am vorde-ren Mitralklappensegel kann mechanisch ent-fernt werden.

Weiterer Verlauf | Der Keim (Staphylococcus au-reus) erweist sich als oxacillinempfindlich (MHKOxa < 1 mg / L), sodass wir die intravenöse Antibiotikatherapie auf 3 × 4 g Oxacillin und 3 × 1 mg / kg KG Gentamicin umstellen. Gentami-cin verabreichen wir über 3 Tage und Oxacillin über 4 Wochen intravenös. 5 Tage nach dem Aor-tenklappenersatz entwickelt der Patient einen AV-Block III. Grades. Dadurch wird eine Vorhof- und Ventrikelstimulation über die epikardialen Schrittmacherdrähte erforderlich, die intraopera-tiv bei Aortenklappenendokarditis mit Abszess routinemäßig angelegt werden. Der Mann entfie-bert, Leukozyten und CRP normalisieren sich. Auch die linksventrikuläre Dilatation ist rückläu-fig und die linksventrikuläre Funktion verbessert sich. Eine Woche nach Ende der antibiotischen Therapie ist der Patient anhaltend fieberfrei und der CRP-Wert liegt weiterhin im Normbereich, so-dass bei fortbestehendem AV-Block III. Grades jetzt ein DDD-Schrittmacher implantiert wird. Er-freulicherweise hat sich zwischenzeitlich die rechtsseitige Hemiparese bis auf eine Sensibili-tätsstörung des rechten Arms zurückgebildet.

Pathogenese und Prädisposition

Nahezu alle Mikroorganismen können eine Endo-karditis verursachen. Jedoch dominieren grampo-sitive Bakterienspezies wie Streptokokken, Ente-rokokken und Staphylokokken. Voraussetzung für die Entstehung einer infektiösen Endokarditis (IE) ist die Besiedlung des Endokards durch vermeh-rungsfähige Mikroorganismen im Zuge einer Bak-teriämie. Prädisponierende Faktoren sind

▶ Diabetes mellitus (Hautläsionen, diabetisches Fußsyndrom),

▶ terminale Niereninsuffizienz (Dialyse), ▶ Leberzirrhose, ▶ Virushepatitis, ▶ Alkoholabusus, ▶ immunsuppressive Therapie, ▶ Bestrahlung, ▶ angeborene und erworbene Immundefekte, ▶ Malignome, ▶ Drogenabusus (intravenöse Injektionen), ▶ Verbrennungen, ▶ Polytraumata (erhöhte Bakteriämiefrequen-zen) und

▶ Klappenveränderungen (wie bikuspide Aorten-klappe) [1, 2].

ßer ist als mittels TTE bestimmt. Zudem weist eine der Taschenklappen eine Perforation auf. Am vor-deren Mitralklappensegel können wir eine 3 mm große Abklatschvegetation nachweisen (▶ Abb. 2).

Antiobiotikatherapie | Die präoperative Koronar-angiografie schließt eine koronare Herzkrankheit aus. Nach Abnahme von 3 × 2 Blutkulturen im Ab-stand von je einer Stunde beginnen wir nach zwei Stunden mit einer kalkulierten antibiotischen Be-handlung: 2 × 1500 mg Vancomycin und 3 × 100 mg Gentamicin intravenös, da bei Diabetes mellitus häufig auftretende Erreger wie Staphylokokken und Enterokokken bei der Wahl der Antibiotika zu berücksichtigen sind. Angesichts des destruieren-den Verlaufs der Endokarditis ist eine gramnega-tive Endokarditis unwahrscheinlich. Deshalb er-hält der Patient kein Ciprofloxacin – obwohl dies die Leitlinien bei unklaren Endokarditisfällen und Betalactamunverträglichkeit vorsehen.

Aortenklappenersatz | Nachdem wir mittels er-neuter kranialer CT-Untersuchung eine zerebrale Reperfusionsblutung ausschließen konnten, wird der Patient notfallmäßig operiert.

Ein Aortenklappenersatz ist schnell vorzunehmen: Der Patient ist bei hochgradiger Aortenklappenin-suffizienz hämodynamisch instabil und katechola-minpflichtig.

Zudem hat er aufgrund der 42 h zuvor stattgeha-bten zerebralen Embolie und einer nach wie vor großen Vegetation (> 10 mm) an der Aortenklappe ein deutlich erhöhtes Risiko für eine erneute thromboembolische Komplikation. Intraoperativ

Abb. 2 Transösophageale Echokardiografie (TEE): Die Aortenklappen-Vegetation wird deutlich größer dargestellt (Pfeil in B). Man erkennt auch die kleine Abklatschvegetation im proximalen Bereich des anterioren Mitralsegels (Pfeil in A). Die Pfeilspitzen in C weisen auf den breiten, nahezu den gesamten LV-Ausflusstrakt füllenden Regurgitationsjet durch die endokarditisch destruierte Aortenklappe. D: unbehinderter antegrader Fluss durch die Klappe in der Systole.

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Daneben finden sich häufig subunguale Blutun-gen (Splinter-Blutungen) und Petechien, die je-doch unspezifisch sind.

Krankheitsverlauf | Während der letzten 30 Jahre hat sich das klinische Erscheinungsbild der Endo-karditis verändert: Die Zahl von Streptokokken-Endokarditiden war rückläufig, gleichzeitig ha-ben Staphylokokken und Enterokokken als Endo-karditiserreger zugenommen. Dies hat wesentlich zum Anstieg akuter, zum Teil foudroyanter Krank-heitsverläufe beigetragen [2, 3–5].

Anamnese

Allgemein | Bei der Anamnese fragt man gezielt nach

▶ der Dauer und dem Verlauf von Fieber, ▶ Unwohlsein, ▶ Blässe, ▶ Leistungsminderung, ▶ Luftnot, ▶ Arthralgien und ▶ Hautveränderungen.

Aus den Antworten lässt sich abschätzen, seit wann die Infektionssymptomatik besteht und ob es bereits Hinweise für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz auf dem Boden zunehmender Herzklappendestruktionen gibt.

Speziell | Die spezielle Anamnese dient der Erfra-gung vorbekannter Herzgeräusche, zur Endokar-ditis prädisponierender Herzfehler und von Um-ständen, die mit einer Bakteriämie einhergegan-gen sein könnten [1–3, 6].

Laborbefunde

Leukozytose, BSG- und CRP-Erhöhungen gehen re-gelhaft mit einer akuten IE einher, sind wegen den vielen möglichen Ursachen aber von geringer dif-ferenzialdiagnostischer Bedeutung. Bei subakuten Krankheitsverläufen kann eine Leukozytose feh-len. Leukopenien können durch gramnegative Er-reger oder eine antibiotische Therapie bedingt sein. Allerdings schließt ein normales CRP eine En-dokarditis praktisch aus. Bei Verdacht auf Sepsis ist der Procalcitoninspiegel hilfreich [1, 3–5].

Echokardiografie

Besteht ein dringlicher Verdacht auf eine Endo-karditis, muss man leitliniengerecht unverzüglich eine transthorakale Echokardiografie (TTE) vor-nehmen [3, 7]. Eine transösophageale Echokar-diografie (TEE) ist unverzichtbar bei

▶ möglicher Beteiligung intrakardialer Implanta-te (Herzklappenprothesen, Schrittmacher, De-fibrillatoren, etc.),

▶ unzureichender Bildqualität der TTE,

Allgemeinsymptomatik

Allgemeine Krankheitssymptome wie ▶ Abgeschlagenheit, ▶ Mattigkeit, ▶ rezidivierende Schweißausbrüche und ▶ Leistungsknick

bestehen bei nahezu allen Patienten. Etwa 90 % der Patienten weisen kontinuierliches oder remit-tierendes Fieber auf.

Fehlen kann das Fieber bei älteren Patienten mit subakuten Verlaufsformen, bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz, zerebralen Blutungen oder medikamentenbedingt.

Ein neu aufgetretenes Geräusch infolge der Herz-klappeninsuffizienz ist diagnostisch verwertbar – man muss es jedoch gegen systolische Geräusche bei Patienten mit akuten (erhöhtes Herzminuten-volumen) oder chronischen Infekten (Anämie) ab-grenzen.

Dringender Verdacht | Folgende Konstellationen legen den dringenden Verdacht auf eine Endo-karditis nahe [3]:

▶ Fieber plus ▶ intrakardiales Polymermaterial ▶ andere Hochrisiko-Prädisposition ▶ neue Arrhythmien oder Überleitungsstörun-gen

▶ Erstmanifestation einer Herzinsuffizienz ▶ positive Blutkultur (mit „typischen“ Endo-karditiserregern)

▶ Haut- und Retinamanifestationen ▶ multifokale / wechselnde Lungeninfiltrate ▶ periphere Abszesse ungeklärter Ätiologie ▶ Prädisposition und stattgehabte Interventio-nen / Diagnostik (Bakteriämie)

▶ „neuer“ Klappenfehler / (Insuffizienz-) Geräusch ▶ Embolien ungeklärter Ätiologie ▶ Sepsis ungeklärter Ätiologie ▶ Hämaturie, Glomerulonephritis, V. a. Nierenin-farkt

Manifestationen an Haut und Augen

Klassische Haut- und Augenmanifestationen sind: ▶ Osler-Knötchen: druckschmerzhafte, steckna-delkopf- bis erbsengroße, blau-rote oder bläu-liche Schwellungen, meist an den Finger- und Zehenkuppen; sie sind Folge peripherer Mikro-embolien und einer konsekutiven Vaskulitis

▶ Janeway-Effloreszenzen: schmerzlose, unter Druck abblassende, makulöse, 1–5 mm große, unregelmäßig begrenzte, hämorrhagische Ef-floreszenzen an Handflächen und Fußsohlen, gelegentlich auch an Armen, Beinen und Bauch

▶ Roth-Flecken in der Retina: Sie zeigen sich als Cotton-Wool-Herde, denen perivasale Lympho-zytenaggregate, Ödeme und Blutungen zugrun-de liegen.

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Mikrobiologische Befunde

Obligate Bestandteile der mikrobiologischen Dia-gnostik sind

▶ die Erregeridentifikation bis zur Spezies und ▶ die Testung der minimalen inhibitorischen Konzentration (MHK) der Antibiotika im quan-titativen Reihenverdünnungstest.

Eine antimikrobielle Therapie aufgrund des Er-gebnisses im Agardiffusionstest geht mit erhöhter Morbidität und Mortalität einher und ist nicht leitliniengerecht [3].

Erregerspezies | Grampositive Erregerspezies wie Streptokokken, Staphylokokken und Enterokok-ken dominieren, weil sie besonders gut an endo-kardständigen Thromben haften. Staphylokokkus epidermidis verursachen häufig Polymer-assozi-ierte Endokarditiden (Elektroden, Klappenpro-thesen), da ein Teil dieser Erreger irreversibel an Polymeroberflächen haften und eine Matrix bil-den kann [4]. Weitere Verursacher sind grampo-sitive und gramnegative Stäbchenbakterien, ins-besondere

▶ solche der HACEK-Gruppe (Haemophilus, Acti-nobazillus, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens, Kingella kingae),

▶ gramnegative Kokken, ▶ Mykobakterien, ▶ Rikettsien, ▶ Chlamydien und ▶ Anaerobier (insbesondere Peptostreptokok-ken).

Endokarditiden infolge einer Infektion mit Barto-nellen, Brucellen und Coxiella spp. lassen sich nur mit serologischen Untersuchungen sichern [14].

Der Streptococcus bovis Biotyp I ist regelhaft mit gastrointestinalen Tumoren assoziiert. Bei diesen Patienten ist rasch eine Gastro- und Koloskopie durchzuführen [6].

Allgemeine Therapieprinzipien

Flüssigkeit und Elektrolyte | Die konservative Therapie umfasst den Ausgleich der Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz. Auf Verweilkatheter sollte man möglichst verzichten – andernfalls sollten sie alle 8 Tage gewechselt werden.

Gezielte Sanierung | Während der Antibiotikathe-rapie soll eine kausale Infektionsquelle (Erreger-übereinstimmung) gezielt saniert werden. Eine ungezielte Elimination möglicher Infektionsquel-len ist nicht sinnvoll. Die früher gefürchteten en-dogenen Rezidivinfektionen – d. h. neuerliche In-fektionen aus einer Bakteriämiequelle, die bereits die ursprüngliche IE verursachte – ist klinisch bedeutungslos: Ihre Inzidenz ist mit und ohne systematische Sanierung gleichermaßen niedrig (unter 1 %).

▶ unbestätigtem Endokarditisverdacht oder ▶ Notwendigkeit einer chirurgischen Interventi-on während florider IE [1, 3, 8–11] (▶ Abb. 3).

Blutkulturen

Abnahme und Lagerung | Den Leitlinien entspre-chend soll man – unabhängig vom Fieberverlauf – mindestens drei Blutkulturen jeweils aerob und anaerob zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus peripheren Venen abnehmen [3]. Arteriell gewon-nene Blutkulturen sind venösen unterlegen. Blut-kulturen, die in Fieberspitzen abgenommen wur-den, verringern die Erfolgsaussichten [1]. Die Pro-ben sollen den Mikrobiologen rasch erreichen – müssen sie zwischengelagert werden, dürfen sie keiner übermäßigen Wärme (Brutschrank) oder Kälte (Kühlschrank) ausgesetzt werden. Vielmehr soll man sie bei Zimmertemperatur lagern. Ist ein rascher Therapiebeginn zwingend, ist es sinnvoll, vor Einleitung der antimikrobiellen Therapie drei Blutkulturpaare im Abstand von je einer Stunde abzunehmen.

Kulturnegative Endokarditiden | Der nach wie vor hohe Anteil kulturnegativer Endokarditiden (KNE) belegt diagnostische Mängel: Bei einem Teil der Patienten bleiben positive Kulturen aus, da ungezielt antibiotische Therapien begonnen wurden. Diese sind prognostisch ungünstig und sollten bei allen nicht kritisch kranken Patienten mit KNE abgesetzt werden. Nach Abklingen der antibiotischen Wirkung (3–7 Tage) sind die Er-folgsaussichten für einen Erregernachweis höher. Bei KNE stehen moderne PCR-Methoden zur Ver-fügung [12, 13]. Eingesetzt werden die 23S rDNA real-time PCR oder16S rDNA PCR für Bakterien, sowie 28S rDNA PCR für Pilze [12].

Abb. 3 Indikationen zur transthorakalen und transösophagealen Echokardiografie bei vermuteter IE (gemäß [3]). IE = infektiöse Endokarditis; TEE = transösophageale Echokardiografie; TTE = transthorakale Echokardiografie

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selbst dann erzielt, wenn der Erreger gegen Ami-noglykoside allein wenig empfindlich ist.

Enterokokken | In den letzten Jahren haben Ente-rokokken (insbesondere E. faecalis) eine Toleranz gegen zahlreiche zellwandaktive Antibiotika (β-Laktam-Antibiotika und Vancomycin) erwor-ben. Die MHK und die minimale bakterizide Kon-zentration (MBK) unterscheiden sich meist um mehrere Titerstufen. Hohe Penicillindosen ver-schlechtern die Bakterizidie oft (Eagle-Effekt).

Eine synergistisch wirksame Kombination z. B. von Penicillin mit einem Aminoglykosid potenziert die bakterizide Wirkung und verbessert die Heilungs-aussichten.

Für die Auswahl des Aminoglykosids ist wesent-lich, dass bei bis zu 80 % der E.-faecalis-Stämme eine „High Level Resistance (HLR)“ gegen Strepto-mycin besteht. Eine HLR gegenüber Gentamicin liegt in Deutschland dagegen bislang nur selten vor. Bei E.-faecium-Stämmen ist die Therapie mit Gen-tamicin nicht sinnvoll, da deren Aminoglykosid-Azetyltransferase auch Gentamicin inaktiviert.

In jedem Fall muss man die synergistische Wirk-samkeit verschiedener Aminoglykoside mikro-biologisch prüfen. In Kombination mit Gentami-cin können prinzipiell Vancomycin oder Ampicil-linderivate eingesetzt werden. Tierexperimentell und in vitro besitzt das Ampicillinderivat Mezlo-cillin die günstigste Aktivität. Die 4-wöchige Kombination von Amoxicillin oder Ampicillin und Gentamicin gilt als Therapie der Wahl. Bei kom-plizierten Verläufen ist eine 6-wöchige Therapie zu empfehlen.

Für Patienten mit Penicillinunverträglichkeit sind Vancomycin, in Einzelfällen und in beschränktem Umfang auch Daptomycin und Linezolid (cave Toxizität) erprobt [15, 16]. Bei vanA / vanB-Resis-tenzen (vanA, vanB = Vancomycinresistenz-Gene) wurde in Einzelfällen mit Erfolg Imipenem plus Ampicillin oder Ceftriaxon plus Ampicillin einge-setzt [17, 18].

Staphylokokken | Mehr als 80 % der Staphylo-kokken produzieren Penicillin-β-Laktamase (Pe-nicillinresistenz). Staphylococcus-aureus-Stämme sind jedoch sensibel auf Isoxazolylpenicilline und Cephalosporine (MHKOxa < 1 mg / L). In Tierexperi-menten resultiert die Kombination mit einem Aminoglykosid in einer rascheren Sterilisierung der Vegetation und einer günstigen Prognose. Ist die Nephrotoxizität deutlich erhöht und der Über-lebensvorteil unsicher, empfiehlt man die zusätz-liche Therapie einer nativen Herzklappen-IE mit Gentamicin nur noch optional für 3 Tage – bei Po-lymer-assoziierter IE jedoch für 14 Tage [3]. Bei der Antibiotikawahl muss man zudem berück-sichtigen, dass die Raten an oxacillinresistenten

Therapiedauer | Eine unzureichende Therapie-dauer erhöht die Gefahr von Rezidivinfektion.

Man soll deshalb auch bei unkomplizierten Krankheitsverläufen eine 4-wöchige intravenöse Therapie im Regelfall nicht unterschreiten.

Bei Prothesenendokarditiden sind meist 6-wöchi-ge Therapien erforderlich. Ist zur Behandlung ei-ner floriden Endokarditis ein dringlicher Herz-klappenersatz erforderlich, zählt der Operations-tag als Tag 1 der Antibiotikabehandlung [3].

Antikoagulation | Antikoagulanzien und Heparin haben keinen Einfluss auf die Inzidenz thrombo-embolischer Komplikationen. Klinisch und tierex-perimentell gehen sie jedoch mit einer erhöhten Rate von Blutungskomplikationen einher [1, 3].

Antibiotische Therapie

Parenterale Applikation | Bei fehlender Vaskula-risierung des Endokards und der Vegetation ist ein hoher Diffusionsgradient des Antibiotikums bzw. der Antibiotikakombination notwendig, um den Expositionsschutz zu überwinden. Es ist deshalb unerlässlich, bakterizid wirksame Antibiotika auszuwählen und hohe Serumspiegel zu errei-chen. Dies ist nur mit parenteraler Gabe möglich. Eine Übersicht über die antibiotischen Thera-pieschemata gibt ▶ Tab. 1.

Keim identifizieren | Ist der Patient nicht kritisch krank, soll immer versucht werden, den Keim vor der antibiotischen Therapie zu identifizieren. In zahlreichen Fällen haben wir bei fehlendem Erre-gernachweis auswärts begonnene antibiotische Behandlungen bis zu einer Woche pausiert, um danach den Keim aus Blutkulturen zu isolieren und den Patienten gezielt antibiotisch zu behan-deln. Gelingt der Keimnachweis nicht oder ist eine unverzügliche Behandlung mit Antibiotika erfor-derlich, ist ein Spezialist für Infektionskrankhei-ten zu kontaktieren – die Datenlage zu den in den Leitlinien empfohlenen Antibiotika-Regimen hat einen niedrigen Evidenzgrad von IIbC [3].

Monitoring der antibiotischen Therapie | Wäh-rend einer Endokarditis-Therapie ist es besonders wichtig, die Wirkspiegel zu kontrollieren: Die re-nalen und hepatischen Exkretionsmechanismen werden auch durch die Begleitmedikation häufig gestört. Bei IE ist die Nierenfunktion in mehr als der Hälfte der Fälle beeinträchtet. Vancomycin-Talspiegel sollen bei 10–15 mg / l und Gentamicin-Talspiegel unter 1 mg / l liegen.

Penicillinsensible Streptokokken | Die Standard-therapie besteht in der Kombination von Penicil-lin G und einem Aminoglykosid – eine synergisti-sche Wirkung beider Substanzen wird meist

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Erreger sonstige Bedingungen Antibiotika, Antimykotika Dosierung Therapiedauer EvidenzgradPenicillin-empfindliche Streptokokken (MHKPen < 0,125 mg / L)

Penicillinverträglichkeit Penicillin Ga,b oderAmpicillin

nur bei verkürzter Therapie: plusGentamicinc,d,e

12–18 Mio E / 24 h in 6 ED100–200 mg / kg / 24 h in 4–6 Dosen

3 mg / kg / 24 h als ED

mindestens 4 Wochenc,o

2 Wochen

I B

Penicillinunverträglich-keit und / oder Nierenin-suffizienz (nicht stationäre Patienten)

Ceftriaxonnur bei verkürzter Therapie:plusGentamicinc,d,e

2 g / 24 h als ED

3 mg / kg / 24 h

4 Wochen c,o

2 Wochen

I B

Penicillin- und Cephalo-sporinunverträglichkdeit

Vancomycinf 2-mal 15 mg / kg / 24 h 4 Wocheno I C

mäßig empfindliche Streptokokken (MHKPen 0,125–2 mg / L)

Penicillinverträglichkeit Penicillin G oderAmpicillinplusGentamicind

24 Mio E / 24 h in 6 ED200 mg / kg / 24 h in 4-6 ED

3 mg / kg / 24 h als ED

4 Wocheno

4 Wocheno

2 Wochen

I B

Penicillinunverträglich-keit

Vancomycinf plusGentamicind

2-mal 15 mg / kg / 24 h3 mg / kg / 24 h als ED

4 Wocheno I C

Enterokokken und Penicillin-resistente Streptokokken (MHKPen 2–8 mg / LMHKGenta < 500 mg / L)

Penicillinverträglichkeit Ampicillin oderPenicillin G plusGentamicind,i

200 mg / kg / 24 h in 4–6 ED24 Mio E / 24 h in 6 ED3-mal 1 mg / kg / 24 h

4-6 Wochen4-6 Wocheni

4-6 Wocheni

I B

Penicillinunverträglich-keit

Vancomycinf,i plusGentamicind,g, i

2-mal 15 mg / kg / 24 h3-mal 1 mg / kg / 24 h

6 Wocheni,k

6 Wocheni,kI C

Oxacillin-empfindliche Staphylokokken (MSSA)(MHKOxa < 1 mg / L)

Penicillinverträglichkeit Di- oderFlucloxacillina plus Gentamicind,g,m

12 g / 24 h in 4–6 ED

3-mal 1 mg / kg / 24 h

4–6 Wochenk,o

3–5 Tage

I B

Penicillinunverträglich-keit

Vancomycinf,p plusGentamicind,g,m

2-mal 15 mg/kg/24 h3-mal 1 mg / kg / 24 h

4–6 Wochenk,o

3–5 TageI B

Oxacillin-resistente Staphylokokken(MHKOxa> 1 mg / L)

Empfindlichkeitsprüfung in vitro

Vancomycinf,m,p plusGentamicind,g,m

2-mal 15 mg / kg / 24 h3-mal 1 mg / kg / 24 h

6 Wochen3–5 Tage, 2 Wochen bei PVE

I B

Pseudomonas aeruginosa

Piperacillina plusTobramycind

3-mal 100 mg / kg / 24 h3 mg / kg / 24 h in 2–3 ED

mind. 6 Wochen mind. 6 Wochen

E. coli, Klebsiellen, Serratia, Proteus, Enterobakter

Cefotaxim plusGentamicin

4-mal 2 g / 24 h3 mg / kg / 24 h in 2–3 ED

4–6 Wochenk

4–6 Wochenk

Hämophilus, Actinoba-cillus, Cardiobacterium hominis, Eikenella, Kingella (HACEK)o

Penicillinempfindlichkeit CeftriaxonAmpicillin plusGentamicind

2 g / 24 h in einer ED12 g / 24 h in 3–4 ED3 mg / kg / 24 h in 2–3 ED

4 Wochen4–6 Wochen4–6 Wochen

Candida und andere Pilze

Amphotericin B plusFlucytosinCaspofungin

1 mg / kg / 24 h 3-bis 4-mal50 mg / kg / 24 h1. Tag 70 mg als ED, ab 2. Tag 50 mg als ED (> 80 kg KG 70 mg als ED)

6–8 Wochen6–8 Wochen

Dies liegt daran, dass Rifampicin auch auf phago-zytierte Staphylokokken wirkt und in vitro die Sterilisierung von Abszessen beschleunigt.

Gramnegative Erreger und Pilze | Endokarditiden durch gramnegative Bakterien und Pilze machen in Zentraleuropa weniger als 10 % aller IE aus. Standardisierte Empfehlungen zur Behandlung sind nicht sinnvoll, da die Sensibilität gegenüber Antibiotika / Antimykotika stark differiert. Die Therapiestrategie ist von der Empfindlichkeits-prüfung in vitro abhängig und sollte mit einem Kompetenzzentrum abgesprochen werden.

S.-aureus- und S.-epidermidis-Stämmen zuneh-men. Hier bietet sich neben Vancomycin nach Rücksprache mit einem Kompetenzzentrum der Einsatz von hochdosiertem Daptomycin an (1 × 8–12 mg / kg KG / Tag i. v.) [15, 16, 19].

Rifampicin wirkt in Kombination mit Isoxazolyl-penicillin prinzipiell antagonistisch. Dennoch ist die zusätzliche Behandlung mit Rifampicin rat-sam bei

▶ Nachweis von Abszessen, ▶ intrakardialen Fisteln oder ▶ polymerassoziierter infektiöser Endokarditis.

Tab. 1 Empfehlungen zur Antibiotikatherapie bei infektiösen Endokarditiden (nach [4]). Fußnoten s. nächste Seite

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dokarditis höher als bei einer isolierten Aorten-klappenendokarditis und in gewissem Umfang abhängig vom Erreger: Bei Streptokokken ist die Inzidenz geringer als bei Staphylokokken und En-terokokken [1, 3]. Die TTE unterschätzt im Ver-gleich zur TEE die Vegetationsgröße regelhaft [9, 20]. Große Vegetationen neigen eher zu thrombo-embolischen Komplikationen als solche, die klei-ner als 10 mm sind. Dies gilt insbesondere für Ve-getationen, die an den sehr mobilen Segelanteilen der Mitralklappe haften und deshalb hohen Be-schleunigungen ausgesetzt sind.

Nach erstmaliger Thromboembolie ist das Rezi-divrisiko sowohl bei Mitral- als auch bei Aorten-klappen-IE beträchtlich, wenn nach Komplikati-onseintritt mit TEE weiterhin flottierende Vegeta-tionen oder spontaner Echokontrast nachweisbar

Kulturnegative Endokarditiden | Die Therapie be-rücksichtigt die klinische Symptomatik: Bei sub-akutem Beginn richtet sich die Behandlung pri-mär gegen penicillinempfindliche Streptokokken. Bei akuten Verläufen empfiehlt sich die Kombina-tionsbehandlung mit Vancomycin und Gentami-cin, die auch gegen oxacillin- und methicillinre-sistente Staphylokokken wirksam und bei Penicil-linallergien einsetzbar ist. Kommen gram-negati-ve Bakterien in Betracht, wird zusätzlich Ciproflo-xacin empfohlen.

Management typischer Komplikationen

Wenn typische Komplikationen auftreten, ver-schlechtert sich die Prognose der akuten IE.

Im Fall einer Komplikation ist individuell zu prüfen, ob zusätzlich zur medikamentösen Therapie eine dringliche chirurgische Intervention indiziert ist.

Sowohl mechanische als auch biologische Herz-klappenprothesen sind geeignet – gelegentlich können auch Klappenrekonstruktionen erfolgen. Bei besonders ausgedehnten Infektionen werden Homografts oder klappentragende Conduits ein-gesetzt. Bei zahlreichen Komplikationen führt die chirurgische Intervention zu einer deutlichen Prognoseverbesserung [2, 3, 5, 20–22] .

Akute Klappeninsuffizienzen | Tritt im Gefolge ei-ner Endokarditis eine akute Klappeninsuffizienz auf, ist die Prognose besonders schlecht: Das Myo-kard ist nicht an die akute Volumenbelastung adaptiert. Die ansteigenden Wandspannungspara-meter führen schnell zur Erschöpfung der myokar-dialen Adaptationsmechanismen – insbesondere bei akuter Aortenklappeninsuffizienz gibt es kaum Möglichkeiten einer medikamentösen Interventi-on. Bei schwerer Aortenklappeninsuffizienz ist eine Herzfrequenz von 120–125 / min optimal, um die Diastolendauer zu verkürzen und die Regurgi-tationsfraktion zu senken. Wird diese Frequenz spontan deutlich verfehlt – z. B. wegen entzündlich bedingter AV-Blockierungen – ist die passagere Schrittmachertherapie sinnvoll. Negativ-chrono-trope und bradykardisierende Medikamente sind kontraindiziert. Dobutamin kann kurzfristig zum Anstieg des Herzindex genutzt werden [5].

Mitrale Abklatschvegetationen | Abklatschvege-tationen einer primären Aortenklappen-IE auf das anteriore Mitralsegel, sog. „Kissing“ Vegetati-on, sind mit der Gefahr verbunden, dass auch die-se Klappe zerstört wird. In der Mehrzahl der Fälle ist es möglich, die Klappe mit einer frühzeitigen Operation zu erhalten [23].

Systemische Thromboembolien | Das Risiko einer Thromboembolie ist bei einer Mitralklappenen-

a Kurzinfusion über 30 minb bevorzugt bei Patienten > 65 Jahre oder eingeschränkter Nierenfuntionc Bei unkompliziertem Erkrankungsverlauf und kurzer Erkrankungsdauer (< 3

Monate) kann nur bei Nativklappen-IE die Therapiedauer insgesamt auf 2 Wochen reduziert werden, wenn Gentamicin zusätzlich gegeben wird.

d Kurzinfusionüber30minnachApplikationdesβ-Laktam-Antibiotikums.Serum-spiegelkontrollen erforderlich: Gentamicinspiegel < 1 mg / L, maximale Tagesge-samtdosis für Gentamicin 240 mg, Serumspitzenspiegel für Tobramycin > 12 mg / L

e bei empfindlichen Erregern alternativ Netilmicin (1-mal 4–5 mg / kg / 24 h)f Kurzinfusion über mindestens 60 min; liegt der Vancomycinserumspiegel unter

25 mg / ml, kann die ED erhöht werden; maximale Tagesgesamtdosis 2 g, Vancomy-cintalspiegel 15-20 mg / L

g der klinische Benefit von Gentamicin konnte nicht sicher gezeigt werden, daher optional bei Nativ-IE, empfohlen bei Prothesen-IE

h identische Therapiedauer für die Einzelkomponenten einer kombinierten Antibiotikatherapie, da nur die Kombination mit dem Aminoglykosid bakterizid wirksam ist; bei komplizierten Verläufen, echokardiografischem Nachweis großer Vegetationen (> 5 mm), einer mehr als 3-monatigen Erkrankungsdauer und Prothesen-IE ist eine 6-wöchige Therapie vorzuziehen

i bei „high-level“ Gentamicin-Resistenz (MHK > 500 mg / L) sofern empfindlich durch Streptomycin 15 mg / kg 24 h in Einzeldosen (I A) oder verlängerte Betalactam-Therapie ersetzen; alternativ Ampicillin plus Ceftriaxon bei E. faecalis (IIa B) bei Betalactam-Resistenz: durch Betalactamase-Ampicillin-Sulbactam (I C), durch PBP5-Alteration Vancomycin-Schema bei Multiresistenz gegen Aminoglykoside, Betalactam-Therapie und Vancomycin wird alternativ empfohlen: Daptomycin 6 mg / kg / 24 h (ggf. 8–12 mg / kg) als Einmaldosis, Linezolid 2-mal 600 mg / 24 h (cave: hämatologische Toxizität), Quinupristin-Dalfopristin 3-mal 7,5 mg / kg / 24 h oder Imipinen 3–4-mal 1 g / 24 h plus Ampicillin oder Ceftriaxon plus Ampicillin jeweils 8 Wochen

k Lediglich bei unkomplizierten Erkrankungsverläufen ist eine nur 4-wöchige Therapiedauer vertretbar.

l Mehr als die Hälfte der koagulasenegativen Staphylokokken sind Oxacillin-resis-tent.

m bei Koagulase-negativen Staphylokokken und gezielter Indikation (Abszesse, intrakardiale Fisteln, Implantation prothetischen Materials) zusätzlich 2-mal 600 mg Rifampicin während der gesamten Therapiedauer

n überwiegend Ampicillin-resistento 6 Wochen bei Prothesenendokarditis p bei intermediärer Vancomycin-Resistenz (MHKVanco 4–16 mg / L) oder „high-level“

Vancomycin-Resistenz wird empfohlen: Daptomycin 1-mal 6 mg / kg / 24 h (ggf. 8–12 mg / kg), Quinopristin-Dalfopristin (Synerid) mit / ohne Betalactam-Antibioti-kum, Betalactam-Antibiotikum plus Oxazolidinone oder plus Vancomycin

Erläuterung der Fußnoten zu Tab. 1.

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sind [1, 2, 3, 5] . In mehr als der Hälfte dieser Fälle tritt innerhalb von 30 Tagen ein Embolierezidiv auf.

Eine effektive Antikoagulation vermindert das Embolierisiko bei florider Endokarditis nicht, erhöht aber das Risiko für Blutungen erheblich – insbesondere für zerebrale Blutungen. Die Antikoagulationsbehandlung ist deshalb bei allen Patienten obsolet, die nicht aus anderen Gründen (mechanischer Herzklappenersatz, Vorhofflimmern, etc.) eine Indikation dazu haben [3].

ZNS-Beteiligung bei IE | Sowohl bei Nativklappen- als auch bei Prothesenendokarditiden treten in etwa einem Drittel der Krankheitsverläufe neuro-logische Komplikationen auf. Dazu gehören z. B.:

▶ intrakranielle, okkludierende Embolien ▶ zerebrale Blutungen bei mykotischem Aneu-rysma

▶ Hirnabszess ▶ Meningitis ▶ Meningoenzephalitis

Die Mortalität der IE mit ZNS-Beteiligung beträgt 41 %, ohne neurologische Komplikationen dage-gen nur 15 % [24].

Nach zerebralen Embolien ist bei fortbestehen-dem Thromboembolierisiko möglichst innerhalb der ersten 48 h zu operieren. Die nach Ablauf von etwa 72 h progrediente Störung der Blut-Hirn-Schranke verschlechtert die Prognose. Sie ist indi-rekt auch dafür verantwortlich, dass eine Opera-tion mehr als 8 Tage nach dem Ereignis – im Ver-gleich zur konservativen Behandlung – nicht mehr zu einer Prognoseverbesserung führt. Bei späten Operationen nimmt die Rate sekundärer zerebra-ler Blutungen stark zu. Vor der Operation ist ein CCT zum Ausschluss einer zerebralen Reperfusi-onsblutung zwingend [2, 3, 25]

Besonderheiten der Kunstklappenendokarditis | Da die Infektionen ihren Ausgang vom Nah-tring oder von nahtringnahen Thromben neh-men, sind periprothetische Dehiszenzen und Abszesse häufig. Prothesenendokarditiden, die durch koagulasenegative Staphylokokken oder Enterokokken verursacht werden, sind schwie-rig zu sanieren. Trotz höchstdosierter Kombina-tionstherapien synergistisch oder additiv wirk-samer Antibiotika gelingt dies selten. Patienten mit Kunstklappen-IE sind zusätzlich mit Rifam-picin zu behandeln, da Rifampicin aktiv in Gra-nulozyten angereichert wird und die Sterilisati-on von Abszessen beschleunigt. In den meisten Fällen empfiehlt sich ein primär kombiniertes, chirurgisches und antimikrobielles Manage-ment. Die antibiotische Kombinationstherapie ist in diesen Fällen nach dem operativen Herz-klappenersatz intravenös für 6 Wochen fortzu-setzen [2, 3, 5, 22].

Primär chirurgische Therapie

Bei folgenden Befunden bzw. Komplikationen empfiehlt sich ein primär kombiniertes chirurgi-sches und antimikrobielles Management [22]:

▶ progrediente therapierefraktäre Herzinsuffizi-enz bei schwerer Aortenklappeninsuffizienz

▶ progrediente therapierefraktäre Herzinsuffizi-enz bei schwerer Mitralklappeninsuffizienz

▶ persistierende Sepsis über > 48 h trotz adäqua-ter antibiotischer Therapie

▶ nach Embolie weiterhin Nachweis einer großen (> 10 mm) flottierenden Vegetation

▶ große flottierende Vegetation (> 10 mm an der Mitralklappe, > 15–20 mm an der Aortenklappe)

▶ Abklatschvegetation an der Mitralklappe bei primärer Aortenklappen-IE

▶ akutes Nierenversagen ▶ Polymerinfektion (Kunstklappenprothesen, Ka-theter, Schrittmacherkabel) durch Staphylokok-ken oder resistente Enterokokken

▶ Kunstklappenprothesen-IE mit paraprotheti-schen Abszessen

▶ Infektionen mit antimikrobiell schwer zu be-handelnden oder resistenten Mikroorganis-men, inkl. Pilze

Fazit ▶ Voraussetzungen für die Entstehung einer

infektiösen Endokarditis (IE) ist die Besiedlung des Endokards durch vermehrungsfähige Mikroorganismen im Zuge einer Bakteriämie.

▶ Die IE wird zu 90 % von grampositiven Kokken (Streptokokken, Staphylokokken, Enterokok-ken) verursacht, wobei eine Staphylokokken-IE häufig einen foudroyanten Verlauf nimmt.

▶ Bei IE-Verdacht ist immer eine transthorakale und meist eine transösophageale Echokardio-grafie unverzüglich erforderlich; auch müssen mind. 3 Blutkultursets unabhängig vom Fieberverlauf entnommen werden.

▶ Die antibiogrammgerechte antibiotische Therapie erfolgt in aller Regel als intravenöse Kombinationstherapie über 4–6 Wochen.

▶ Treten typische Komplikationen auf, ist meist eine dringliche chirurgische Intervention indiziert.

▶ Polymerassoziierte IE (Kunstklappe, Elektro-denkabel etc.) sind komplikationsträchtig und erfordern meist die komplette Entfernung des gesamten Polymermaterials.

Literatur1 Horstkotte D. Mikrobielle verursachte Endokarditis:

Klinische und tierexperimentelle Untersuchungen. Darmstadt: Steinkopff; 1995

2 Murdoch DR, Corey GR, Hoen B et al. Clinical presentation, etiology, and outcome of infective endocarditis in the 21st century: the International Collaboration on Endocarditis-Prospective Cohort Study. Arch Intern Med 2009; 169: 463–473

Vollständiges Literaturverzeichnis unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-100499

InteressenkonfliktDie Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

DOI 10.1055/s-0041-100499VNR 2760512015147121764Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362© Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472

Prof. Dr. med. Cornelia Piperist stellvertr. Direktorin der Klinik für Kardiologie des Herz- und Diabeteszentrum NRW der Ruhr-Universität [email protected]

Univ.-Prof. Dr. med. Dieter Horstkotte ist Direktor der Klinik für Kardiologie und stellvertreten-der ärztlicher Direktor des Herz- und Diabeteszentrum NRW der Ruhr-Universität [email protected]

Prof. Dr. med. Lothar Faber ist Oberarzt der Klinik für Kardiologie und Leiter des Echolabors am Herz- und Diabeteszentrum NRW der Ruhr-Universität [email protected]

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15 Levine DP, Lamp KC. Daptomycin in the treatment of patients with infective endocarditis: experience from a registry. Am J Med 2007; 120: S28–33

16 Kullar R, Davis SL, Levine DP et al. High-dose daptomy-cin for treatment of complicated gram-positive infections: a large, multicenter, retrospective study. Pharmacotherapy 2011; 31: 527–536

17 Jacqueline C, Navas D, Batard E et al. In vitro and in vivo synergistic activities of linezolid combined with subinhibitory concentrations of imipenem against methicillin-resistant Staphylococcus aureus. Antimicrob Agents Chemother 2005; 49: 45–51

18 Perichon B, Courvalin P. Synergism between beta-lactams and glycopeptides against VanA-type methicillin-resistant Staphylococcus aureus and heterologous expression of the vanA operon. Antimicrob Agents Chemother 2006; 50: 3622–3630

19 Fowler VG, Jr., Boucher HW, Corey GR et al. Daptomycin versus standard therapy for bacteremia and endocardi-tis caused by Staphylococcus aureus. N Engl J Med 2006; 355: 653–665

20 Mügge A, Daniel WG, Frank G et al. Echocardiography in infective endocarditis: reassessment of prognostic implications of vegetation size determined by the transthoracic and the transesophageal approach. J Am Coll Cardiol 1989; 14: 631–638

21 Horstkotte D, Bircks W, Loogen F. Infective endocarditis of native and prosthetic valves – the case for prompt surgical intervention? A retrospective analysis of factors affecting survival. Z Kardiol 1986; 75 Suppl 2: 168–182

22 Mirabel M, Sonneville R, Hajage D et al. Long-term outcomes and cardiac surgery in critically ill patients with infective endocarditis. Eur Heart J 2014; 35: 1195–1204

23 Piper C, Hetzer R, Körfer R et al. The importance of secondary mitral valve involvement in primary aortic valve endocarditis; the mitral kissing vegetation. Eur Heart J 2002; 23: 79–86

24 Horstkotte D, Piper C, Wiemer M. ZNS-Beteiligung bei akuter Endokarditis. In: Prange H, Bitsch A, Hrsg. Bakterielle ZNS-Erkrankungen bei systemischen Infektionen. Darmstadt: Steinkopff, 1997; 45–63

25 Piper C, Wiemer M, Schulte HD et al. Stroke is not a contraindication for urgent valve replacement in acute infective endocarditis. J Heart Valve Dis 2001; 10: 703–711

3 Habib G, Hoen B, Tornos P et al. Guidelines on the prevention, diagnosis, and treatment of infective endocarditis (new version 2009): the Task Force on the Prevention, Diagnosis, and Treatment of Infective Endocarditis of the European Society of Cardiology (ESC). Endorsed by the European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) and the International Society of Chemotherapy (ISC) for Infection and Cancer. Eur Heart J 2009; 30: 2369–2413

4 Horstkotte D, Weist K, Rüden H. Better understanding of the pathogenesis of prosthetic valve endocarditis--recent perspectives for prevention strategies. J Heart Valve Dis 1998; 7: 313–315

5 Horstkotte D, Wagener J, Piper C. Endokarditis. In: Paumgartner G, Hrsg. Therapie Innerer Krankheiten. Berlin: Springer, 2005; 137–153

6 Kreuzpaintner G, Horstkotte D, Heyll A et al. Increased risk of bacterial endocarditis in inflammatory bowel disease. Am J Med 1992; 92: 391–395

7 Evangelista A, Gonzalez-Alujas MT. Echocardiography in infective endocarditis. Heart 2004; 90: 614–617

8 Cormier B, Vitoux B, Starkman C et al. Value of transesophageal echocardiography. From a preliminary experience of 532 cases. Arch Mal Coeur Vaiss 1990; 83: 23–29

9 Rasmussen RV, Hoest U, Arpi M et al. Prevalence of infective endocarditis in patients with Staphylococcus aureus bacteraemia: the value of screening with echocardiography. Eur J Echocardiogr 2011;12: 414–420

10 Erbel R, Rohmann S, Drexler M et al. Improved diagnostic value of echocardiography in patients with infective endocarditis by transoesophageal approach. A prospective study. Eur Heart J 1988; 9: 43–53

11 Durack DT, Lukes AS, Bright DK. New criteria for diagnosis of infective endocarditis: utilization of specific echocardiographic findings. Duke Endocarditis Service. Am J Med 1994; 96: 200–209

12 Vollmer T, Piper C, Horstkotte D et al. 23S rDNA real-time polymerase chain reaction of heart valves: a decisive tool in the diagnosis of infective endocarditis. Eur Heart J 2010; 31: 1105–1113

13 Burnie JP, Clark I. Diagnosing endocarditis with the cloned 112 kDA antigen of Enterococcus faecalis. J Immunol Methods 1989; 123: 217–225

14 Raoult D, Casalta JP, Richet H et al. Contribution of systematic serological testing in diagnosis of infective endocarditis. J Clin Microbiol 2005; 43: 5238–5242

Der Beitrag wurde am 26.06.2015 gemäß folgendem Erratum korrigiert:Im Beitrag „Aortenklappenendokarditis: Diagnostik und Therapie“ (Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362) muss es auf S. 358, Tab. 1 richtig heißen: „Oxacillin-empfindliche Staphylokokken (MSSA): MHKOxa < 1 mg / L“.

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Piper C, Faber L, Horstkotte D. Aortenklappenendokarditis Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 353–362

1. Welche Erreger können keine infektiöse Endokarditis verursachen?

a. Candida albicansb. Staphylococcus aureusc. E. coli d. Chlamydiene. Adenoviren

2. Das Risiko für einen Patienten mit einem angeborenen oder erworbenen Herzklappenfehler, an einer Endokarditis zu erkranken, wird nicht begünstigt durch

a. terminale Niereninsuffizienzb. Diabetes mellitus c. arterielle Hypertonied. immunsuppressive Therapiee. Alkoholabusus

3. Bei welchem Endokarditiserreger finden sich gehäuft gastrointestinale Tumore?

a. Streptococcus bovisb. Chlamydienc. Candida albicans d. Staphylococcus aureuse. Staphylococcus epidermidis

4. Welches dieser Symptome legt einen dringenden Verdacht auf eine Endokarditis nahe?

a. Leistungsknickb. Übelkeit und Erbrechenc. Abgeschlagenheit und Mattigkeitd. Fieber plus Haut- und Retinamanifestationene. anhaltende Kopfschmerzen

5. Welche Aussage bezüglich der Entnahme von Blutkulturen (BK) bei Verdacht auf Endokarditis ist korrekt?

a. BK sollten während einer Fieberspitze abgenommen werden.b. BK sollten in einem Brutschrank aufbewahrt werden.c. Es sollte arterielles Blut entnommen werden.d. Nur selten sind Endokarditiden kulturnegativ.e. Leitliniengerecht sollten mindestens 3 Blutkultursets abgenommen

werden.

6. Wie lange wird ein Patient mit nativer Aortenklappen-IE mit blutkulturell nachgewiesenen oxazillinempfindlichen (MHKOxa < 0,1 mg / L) Staphylokokken und einer Vegetations-größe von 8 mm in aller Regel intravenös behandelt?

a. 1 Wocheb. 2 Wochenc. 3 Wochend. 4 Wochene. 8 Wochen

7. Mit welcher antibiotischen Kombinationstherapie wird ein Patient mit penicillinempfindlicher (MHKPen 4 mg / L) Enterococcus faecalis-Aortenklappen-IE über 4–6 Wochen behandelt?

a. Metronidazol plus Gentamicin b. Ampicillin oder Penicillin G plus Gentamicin c. Imipenem plus Metronidazold. Avalox plus Ciprobaye. Avalox plus Gentamicin

8. Wie nennt man die Abklatschvegetation am vorderen Mitralklappensegel bei Aortenklappen-IE?

a. „Kissing“ Vegetation b. „Ablagerung“c. „Smile“d. Prolapse. Flail

9. Welche Aussage zur antibiotischen Therapie der Endokarditis ist richtig?

a. Das Monitoring der Wirkspiegel von Aminoglykosiden und Vancomycin sollte engmaschig durchgeführt werden, um eine Akkumulation der nephrotoxischen Substanzen zu verhindern. b. Auch kritisch kranke Patienten dürfen nur antibiotisch therapiert

werden, wenn zuvor der Keim eindeutig identifiziert wurde.c. Die Antibiotikatherapie ist immer mit einem Antimykotikum zu

kombinieren.d. Die Antibiotika werden bei IE oral verabreicht.e. „High Level Resistance (HLR)“ gegen Gentamicin gibt es bei

Enterococcus-Stämmen nicht.

10. Welche Aussage zu Komplikationen einer Aortenklappenen-dokarditis ist korrekt?

a. Zu chirurgischen Intervention sind nur mechanische Herzklappen geeignet.

b. Bei Staphylokokken ist die Inzidenz von Thromboembolien geringer als bei Streptokokken.

c. Bei schwerer Aortenklappeninsuffizienz ist eine Herzfrequenz von 120–125 / min optimal.

d. Eine Antikoagulation erhöht zwar das Risiko für Blutungen, senkt aber gleichzeitig das Embolierisiko bei florider Endokarditis.

e. Nach operativem Herzklappenersatz muss man die antibiotische Kombinationstherapie intravenös für 2 Wochen fortsetzen.

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Name, Vorname, Titel:

Straße, Hausnr.:

PLZ, Ort:

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Ich bin Mitglied der Ärztekammer (bitte Namen der Kammer eintragen):

Jahr meiner Approbation:

IchbefindemichinderWeiterbildungzum:

Ich habe eine abgeschlossene Weiterbildung in … (bitte Fach eintragen):

Ich bin tätig als: Assistenzarzt Oberarzt Chefarzt niedergelassener Arzt Sonstiges

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Lernerfolgskontrolle (Eine Antwort pro Frage ankreuzen)

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2. A B C D E

3. A B C D E

4. A B C D E

5. A B C D E

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Wild W et al. Akute Pankreatitis bei ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 42–45

Eine Hypertriglyzeridämie ist die dritthäufigste Ursache einer akuten Pankreatitis. Wir berichten über zwei Patienten mit Hypertriglyzeridämie, deren klinische, laborchemische und radiologische Aufnahmebefunde den ernsten Verlauf ihrer akuten Pankreatitis nicht voraussagten.

Akute Pankreatitis bei Hypertriglyzeridämie – ein unterschätztes Krankheitsbild?Wolfgang Wild, Morad Tajjiou, Melanie Ferschke, Fabian Bormann, Pius Dörr, Matthias Schwarzbach

Prognose | Einige Studien sprechen dafür, dass eine Hyper triglyzeridämie bei akuter Pankreati-tis zu einem höheren Schweregrad und vermehr-ten Komplikationen führt [8, 10, 11]. In anderen Publikationen wird die prognostische Bedeu-tung erhöhter Blutfette als eher unklar diskutiert [4, 12].

Empfohlene Scores | Zur Einschätzung der Prog-nose der akuten Pankreatitis werden nach der Atlanta-Klassifikation verschiedene Scores emp-fohlen [3, 6, 15]:

▶ Ranson-Score ▶ APACHE-II-Score ▶ Glasgow-Kriterien ▶ Balthazar-Score

Der APACHE-II-Score und die Glasgow-Kriterien fassen klinische und Laborparameter wertend zusammen. Der Balthazar-Score hingegen nimmt die Computertomografie als Grundlage für die Pro-gnose der akuten Pankreatitis. In keinem dieser Scores geht die Hypertriglyzeridämie als Faktor ein (▶ Tab.  1). In der Klassifikation der PANCREA-Arbeitsgruppe wird die Prognose auf das Zusam-menwirken der beiden Determinanten Nekrose (lokal) und Organversagen (systemisch) reduziert. Andere Faktoren werden als nicht kausal und bedeutungslos, als statistische Interaktionen und Artefakte klassifiziert [9].

Patient 1

Anamnese | Patient 1 (47 Jahre) kommt mit star-ken diffusen Abdominalschmerzen und nach mehrfachem Erbrechen in unsere Notaufnahme. Seinen Alkoholkonsum gibt er als regelmäßig, aber nicht massiv an.

Laborbefunde | Initial: ▶ Serumlipase: 9924 U / L (73–393 U / l) ▶ Amylase: 462 U / l (25–115 U / l) ▶ Milchiger Überstand in der Blutprobe ▶ Triglyzeride: 906 mg / dl (< 200 mg / dl) ▶ Blutzucker: 205 mg / dl (60–100 mg / dl) ▶ Laktat-Dehydrogenase: 436 U / L (< 241 U / l)

Nach 48 Stunden: ▶ Serumkalzium: gefallen auf 1,5 mmol / L (2,1–2,5 mmol / l)

▶ Harnstoff: gestiegen von 6 auf 17 mg / dl (7–18 mg / dl)

Die übrigen Laborparameter sind nicht relevant erhöht, wodurch sich ein Ranson-Score von 4 er-gibt.

Einfacher Verlauf vermutet | Aufgrund der starken Beschwerden führen wir am Aufnahmetag eine computertomografische Untersuchung durch. Diese ergibt das Bild einer akuten Pankreatitis mit perifokaler Entzündungsstraße. Eine Pankreas-

Abb. 1 Patient 1 bei Aufnahme und Beschwerdebe-ginn: Umschriebene Pankreatitis und Nekrose im Bereich des Pankreasschwanzes. CT mit Kontrastmittel, venöse Phase, 5 mm Schicht, Somatom 64 Fa. Siemens.

Abb. 2 Patient 1, 19 Tage nach Beginn der Pankreatitis: Ausgedehnte peripankreatische Flüssigkeitsstraßen. CT mit Kontrastmittel, venöse Phase, 5 mm Schicht, Somatom 64 Fa. Siemens.

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Verschlechterung und steigendem intraabdo-minellem Druck intubiert. Bei zunehmender Besserung kann er am 12. Tag wieder extubiert werden, benötigt aber am 19. Tag wegen eines Pleura ergusses eine Thorax drainage (▶ Abb.  2). 62 Tage nach der stationären Aufnahme wird der Patient entlassen.

Wiederaufnahme | Im weiteren Verlauf wird der Patient aufgrund von Schmerzen und nahrungs-abhängigen Schwellungszuständen im Bereich der linken Flanke wieder stationär aufgenommen. Ikteruszeichen bestehen nicht. Während sonogra-fisch eine Zyste oder ein Abszess ausgeschlossen werden können, diagnostizieren wir endosko-pisch eine Fistelöffnung im Magen. Diese behan-deln wir konservativ und antibiotisch. Dadurch heilt sie aus.

Nach einem halben Jahr beschwerdefrei | 6 Mona-te nach der intensivmedizinischen Behandlung ist der Patient unter der Pankreasenzymsubstitution mit Kreon® und der Lipidsenkungsbehandlung mit Simvastatin beschwerdefrei. Bei normwertigem HbA1c ist eine antidiabetische Behandlung nicht notwendig. Das Gewicht ist stabil. Der Patient gibt keine Schmerzen, Fettstühle oder Flatulenz an und geht seiner Arbeit nach. Seine Ernährung hat er angepasst. Dabei achtet er auf eine fettmodi-fizierte Nahrung. Zur ausreichenden Vitamin-versorgung wird ihm ein Multivitaminpräparat gegeben.

schwanzhypodensität von 2,7 × 2,9 cm werten wir als beginnende Nekrose (▶ Abb. 1). Der Balthazar-Score beträgt damit 5 Punkte. Da das als Nekrose angesehene Areal im Pankreasschwanz weniger als 20 % des Organs ausmacht und der Balthazar-Score erst ab einer Nekrose von 30 % des Pankreas ernsthafte Komplikationen vorhersagt, erwarten wir einen einfachen Verlauf.

Therapie  | Der Patient wird auf unserer Inter-mediate Care Station aufgenommen und konserva-tiv therapiert (zentralvenöser Katheter, Volumen-management, Hämodilution, Harndauerkatheter). Wegen des vom Patienten angegebenen mehrfa-chen Erbrechens legen wir eine Magensonde.

Zustand verschlechtert sich | Das CRP war am Aufnahmetag mit einem Wert von 2,39 mg / dl (Norm < 3) nicht relevant erhöht. Am 2. Tag steigt es auf 26,7 und am 3. Tag auf 35,5. Wegen zuneh-mender klinischer Verschlechterung und neu einsetzenden supraventrikulären Tachykardien wird der Patient auf die interdisziplinäre Intensiv station verlegt. Am 4. Tag nach seiner Auf nahme klagt er über zunehmende Schmerzen im linken Arm, der stark angeschwollen war. Sonografisch weisen wir eine Thrombose der V. subclavia sowie der V. jugularis interna links nach. Deshalb be ginnen wir mit einer thera-peutischen Heparinisierung und umwickeln den Arm mit einem Kompressionsverband. Am 6. Tag wird der Patient bei respiratorischer

Glasgow-Kriterien [10] Ransom-Score [9]Für nicht-biliäre Pankreatitis

Balthazar-Score in Graden [11] PANCREA-Klassifikation [12]

▶ PaO2 < 8kPa ▶ Alter > 55 Jahre ▶ Leukozyten

> 15 × 106 / l ▶ Blutzucker > 10 mmol / l ▶ LDH > 600 IU / l ▶ AST > 200 IU / l ▶ Albumin < 32 g / l ▶ Kalzium < 2 mmol / l ▶ Harnstoff > 16 mmol / l

> 3 Kriterien erfüllt:Schwere Pankreatitis

Bei Aufnahme: ▶ Alter > 55 Jahre ▶ Leukozyten > 16 000 / mm3

▶ Blutzucker > 10 mmol / l ▶ LDH > 350 IU / l ▶ AST > 250 IU / l

Nach 48 Stunden: ▶ Kalzium < 2,0 mmol / l ▶ Hämatokrit-Abfall > 10 % ▶ Hypoxie PO2 < 60 mmHg ▶ Blut-Harnstoff-Stickstoff

> 1,8 mmol / l ▶ Base excess > 4 mmol / l ▶ Sequestration > 6 l

Mortalität bei erfüllten Kriterien: ▶ 0–2: minimal (1 %) ▶ 3–5: 10–20 % ▶ 5–6: 40–50 % ▶ > 6: 100 %

▶ A: Normales CT: 0 Punkte

▶ B: Fokale oder diffuse Schwellung des Pankreas: 1 Punkt

▶ C: Pankreasabnormalitäten oder peripankreatische Inflammation: 2 Punkte

▶ D: Flüssigkeit an einer Lokalisation: 3 Punkte

▶ E: > eine Flüssigkeitsansammlung und / oder Lufteinschlüsse: 4 Punkte

Nekrose: ▶ keine: 0 Punkte ▶ bis 30 %: 2 Punkte ▶ 30–50 %: 4 Punkte ▶ mehr als 50 %: 6 Punkte

Morbidität und Mortalität bei erfüllten Kriterien:

▶ 0–3: Morb. 8 %, Mort. 3 % ▶ 4–6: 35 % bzw. 6 % ▶ 7–10: 92 % bzw. 17 %

▶ Milde Pankreatitis:Keine Nekrose und kein Organversagen

▶ Mäßige Pankreatitis:Sterile Nekrose und / oder vorübergehendes Organversagen

▶ Ernsthafte Pankreatitis:Infizierte Nekrose oder persistierendes Organver-sagen

▶ Kritische Pankreatitis:Infizierte Nekrose und persistierendes Organver-sagen

Tab. 1 Prognoseparameter von Pankreatitis-Scores

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liegt eine klinische Verschlechterung einschließ-lich Tachykardie und Hypotonie vor und wir beobachten eine gummiartige Resistenz des Abdomens mit ubiquitärer Abwehrspannung. Erst dann macht sich ein Anstieg des CRP-Wertes von initial 0,25 mg / dl (Norm < 3) auf 24,8 bemerkbar. Trotz continuous positive airway pressure / assis-ted spontaneous breathing, intermittierendem Absaugen und Inhalation muss der Patient am 2. Tag nach Aufnahme intubiert werden. Inner-halb von 24 h verschlechtert sich der pulmonale Befund weiter. Am 3. Tag wird der Patient zur kon-tinuierlichen lateralen Lagerungstherapie in ein Rotorestbett umgebettet. Hierunter bessert sich die pulmonale Situation nur kurzfristig, sodass er am 4. Tag nach Aufnahme zur extrakorporalen Membranoxygenierung verlegt werden muss (▶ Abb.  4). Diese führen wir 7 Tage lang durch, bis der Patient am 12. Tag nach Aufnahme wieder extubiert werden kann. Am 44. Tag kann der Pati-ent in die weitere ambulante Behandlung entlas-sen werden.

Im weiteren Verlauf nur noch Analgesie | 19 Mo-nate nach der Entlassung aus der stationären Behandlung beklagt der Patient noch tägliche Schmerzen. Deshalb muss er regelmäßig Anal-getika einnehmen. Die Ernährungsanamnese ergibt, dass eine angepasste Pankreasenzym-substitution notwendig ist. Aufgrund der er-niedrigten Elastase im Stuhl therapieren wir den Patienten mit Kreon®. Daraufhin hat er keine klinischen Zeichen einer exokrinen Pankreas-insuffizienz wie Flatulenz und Fettstühle mehr. Stattdessen normalisiert sich sein Stuhlgang und sein Gewicht nimmt zu. Ein Diabetes entwickelt sich im weiteren Verlauf nicht. Eine Intervention wird nicht notwendig. Das Ernährungsteam emp-fielt dem Patienten eine Alkoholkarenz und eine bedarfsgerechte Energiezufuhr mit erhöhter Mahlzeitenfrequenz. Zudem werden eine Niko-tinabstinenz und die Einnahme hochkonzen-trierter Omega-3-Fettsäuren geraten. Darüber hi-naus wird eine Normalisierung des Vitamin status angestrebt.

Patient 2 

Anamnese | Patient 2 (33 Jahre) kommt mit unklaren epigastrischen und gürtelförmigen Beschwerden im Oberbauch in unsere Notauf-nahme. Seinen Alkoholkonsum gibt er als un-regelmäßig an.

Laborbefunde | Bei Aufnahme: ▶ Serumlipase: 1650 U / l ▶ Amylase: 115 U / l (noch im Normbereich).

Nach 48 Stunden: ▶ Kalzium: 1,7 mmol / l ▶ Base Excess: 4,9 mmol / l (– 2,0–3,0 mmol / l).

Anhand des Serumlipase-Wertes wird eine akute Pankreatitis diagnostiziert. Eine biliäre Genese wird sonografisch ausgeschlossen. Die übrigen Laborparameter sind nicht relevant erhöht, so-dass Patient 2 auf lediglich 2 Punkte im Ranson-Score kommt. Dies entspricht einer minimalen Letalität (1 %). Auffällig ist auch bei ihm ein trü-ber Überstand in der Blutprobe. In unserem La-bor können die Triglyzeride erst nach einer automatischen Verdünnung der Probe bei der dritten Abnahme bestimmt werden. Sie betragen 1225 mg / dl.

Computertomografie | Wegen der ausgeprägten Beschwerden und zum sicheren Ausschluss einer Hohlorganperforation bei bekanntem Ulcus ven-triculi et duodeni wird eine CT des Abdomens bei Aufnahme durchgeführt, welche eine ödematöse Pankreatitis des Pankreasschwanzes mit perifo-kaler Flüssigkeitsimbibierung sowie eine Flüssig-keitsstraße entlang der Gerotafaszie zeigt. Eine Nekrose stellt sich hier nicht dar (▶ Abb. 3). Der Balthazar-Score beträgt 3. Nach dieser Klassifizie-rung wird die Mortalität mit 0 %, die Morbidität mit 6 % erwartet.

Rapide Beeinträchtigung der Lungenfunktion | Am Aufnahmetag wird der Patient auf unsere Intermediate Care Station übernommen. Im Laufe des Tages erschöpft er sich respiratorisch und wird auf unsere Intensivstation verlegt. Am 2. Tag

Abb. 3 Patient 2 bei Aufnahme. Ödematöse Pankreatitis des Pankreasschwanzes ohne Nekrose. CT mit Kontrastmittel, venöse Phase, 5 mm Schicht, Somatom 64 Fa. Siemens.

Abb. 4 Patient 2: Kontroll-CT venöse Phase 5 Tage später. Nekrotisch zerfallender Schwanzbereich und Flüssigkeitsstraßen v. a. entlang der linken Flanke (5 mm Schichten, Somatom 64 Fa. Siemens).

Dr. med. Wolfgang Wild ist leitender Oberarzt in der Klinik für Chirurgie in Frankfurt Höchst. wolfgang.wild@ KlinikumFrankfurt.de

Morad Tajjiouist Assistenzarzt in der Klinik für Chirurgie in Frankfurt Höchst. morad.tajjiou@ KlinikumFrankfurt.de

Dr. rer. nat.  Melanie Ferschkeist Oecotrophologin und leitet die Ernährungswissen-schaftliche Sprechstunde der Klinik für Chirurgie in Frankfurt Höchst. [email protected]

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cheldrüse. Er wäre in der Einteilung der PANCREA-Klassifikation in der Gruppe mit der besten Prog-nose geführt worden. Dennoch entwickelte sich ein dramatischer Verlauf einschließlich eines schweren acute respiratory distress syndrome mit der Notwendigkeit einer extrakorporalen Oxyge-nierung. Dabei wird von der PANCREA-Arbeits-gruppe gefordert, dass die Prognose der Erkran-kung durch die Klassifika tion zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung eingeschätzt werden kann [9].

Hypertriglyzeridämie als Prognosefaktor | Wir sind daher der Meinung, dass die Rolle der Hyper-triglyzeridämie im Hinblick auf die Prognose der akuten Pankreatitis weiter geprüft werden sollte. Ein Einbringen der Hypertriglyzeridämie als un-abhängiger Faktor für die Prognose der akuten Pankreatitis in neue Scores scheint sinnvoll und sollte in weiteren Studien untersucht werden.

Konsequenz für Klinik und Praxis ▶ Eine Hypertriglyzeridämie kann trotz initial

geringer klinischer und bildgebender Befunde mit einem schweren Verlauf einer Pankreatitis einhergehen.

▶ Eine bereits bei Aufnahme des Patienten erkannte Hypertriglyzeridämie sollte als Warnsignal aufgefasst und notwendige intensivmedizinische Maßnahmen frühzeitig eingeleitet werden.

▶ Zur Rezidivprophylaxe sollte eine medika-mentöse Senkung der Hypertriglyzeridämie ebenso erfolgen wie eine Ernährungsbera-tung und eine Langzeitkontrolle der Patienten.

Literatur 1 Athyros VG, Giouleme OI, Nikolaidis NL et al.

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6 Ewald N, Kloer HU. Treatment options for severe hypertriglyceridemia (SHTG): the role of apheresis. Clin Res Cardiol Suppl 2012; 7: 31–35

Diskussion

Hypertriglyzeridämie als Ursache | Im Zusam-menhang mit der akuten Pankreatitis ist die Bedeutung der Hypertriglyzeridämie schon lange bekannt [17]. Oft trägt sie zu einer ethyltoxischen Genese bei. Die Serumwerte der Pankreas enzyme können bei der Pankreatitis in Verbindung mit Triglyzeridämie normal oder nur gering erhöht sein [7]. Die Hypertriglyzeridämie ist ätiologi-scher Ko-Fakor bei der akuten Pankreatitis. Dies wird unter anderem auf einen toxischen Schaden der azinären Zellen und des kapillären Endothels zurückgeführt [5, 14]. Neben weiteren Erklärun-gen vermutet man, dass der Zellschaden des Pankreas durch Lipidperoxydation der Zellmem-branen aufgrund freier Fettsäuren entsteht [1]. Erhöhte Cholesterinspiegel sind hingegen nicht mit einer Pankreatitis assoziiert [16].

Behandlung | Eine konsequente medikamentöse und diätetische Therapie kann auch nach einer Hypertriglyzeridämie-assoziierten Pankreatitis ein Rezidiv verhindern. Athyros et al. berichten über 17 Patienten mit einem Nachbeobachtungs-zeitraum von 42 Monaten, von denen lediglich ein Patient ein Rezidiv erlitt. Dieser Patient hatte Diät und Medikation nicht eingehalten [13]. In der akuten Situation kann die Behandlung eine Plas-mapherese notwendig machen [2].

Unauffällige  Laborbefunde  |  In den beiden von uns vorgestellten Fällen waren die Laborwerte bei Aufnahme der Patienten – außer der Erhöhung der Serumlipase – wenig auffällig. Dies spiegelt sich auch in einem Ranson-Score von 4 bzw. 2 wider. Auch der Balthazar-Score war bei beiden gering und bei Patient 2 sogar nur 2. Auffällig wa-ren bei Aufnahme bei beiden Patienten lediglich der hohe Triglyzeridgehalt des Blutes, der den Blutproben bereits ohne weitere Untersuchung durch den Überstand an Fett anzusehen war sowie die umschriebene Lokalisation der Pankreatitis im Schwanzbereich des Organs.

Klassifikation  anhand  von  nur  2  Parametern  | Nach den Einteilungen des Ranson-Score, des Bal-thazar-Scores und auch der neuen PANCREA-Klassifikation [9] war initial bei beiden Pa-tienten ein unkomplizierter Verlauf zu erwarten (▶ Tab. 1). Die PANCREA-Klassifikation reduziert die Parameter für die Evaluierung der Schwere der Pankreatitis auf zwei Determinaten: Nekrosen und Organversagen. Damit wird der Schweregrad ausschließlich durch die beiden lokalen und systemischen Faktoren definiert, die allein pa-thogenetische und prognostische Bedeutung hätten.

Gute  Prognose  nach  PANCREA-Klassifikation  | Patient 2 hatte initial keine Nekrose in der bildge-benden CT-Diagnostik und nur eine umschriebene Pankreatitis im Schwanzbereich der Bauchspei-

Vollständiges Literaturverzeichnis unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-106459

InteressenkonfliktDie Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

DOI 10.1055/s-0041-106459Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 42–45© Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472

Dr. med. Fabian Bormannist Assistenzarzt in der Klinik für Chirurgie in Frankfurt Höchst. fabian.bormann@ KlinikumFrankfurt.de

Prof. Dr. med.  Matthias Schwarzbachist Leiter des Darmzentrums und Chefarzt der Klinik für Chirurgie in Frankfurt Höchst. matthias.schwarzbach@ KlinikumFrankfurt.de

Dr. med. Pius Dörrist Oberarzt am Institut für Radiologie des Klinikums Frankfurt Höchst. pius.doerr@ KlinikumFrankfurt.de

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Kasuistik

Wild W et al. Akute Pankreatitis bei ... Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 42–45

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12 Ranson JH, Rifkind KM, Roses DF et al. Prognostic signs and the role of operative management in acute pancreatitis. Surg Gynecol Obstet 1974; 139: 69–81

13 Saharia P, Margolis S. Acute pancreatitis with hyperlipemia: studies with an isolated perfused canine pancreas. Surgery 1977; 82: 60–67

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1606 So wirdʼs gemacht

Kaneko T, Heinz W. Notfallsonografie - Patient mit... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609

Notfallsonografie – Patient mit Bauchschmerzen

Tanja Kaneko, Wolfgang Heinz

Bei Patienten mit akuten Bauchschmerzen sind die Anforderungen an den Notfall-Ultraschall hoch: Der Untersucher muss rasch die Anzahl möglicher Differenzialdiagnosen reduzieren und im Idealfall die richtige Diagnose stellen. Der Beitrag stellt die häufigsten Krankheits bilder in der Notfallsonografie vor und gibt praktische Tipps, die den Einstieg erleichtern.

Voraussetzungen

Geräteeinstellungen | Der Untersucher muss sein Ultraschallgerät so gut kennen, dass er ggf. not­wendige Einstellungen zur Geräteoptimierung vornehmen kann. Dazu gehört

▶ die sichere Wahl des geeigneten Schallkopfs und der Untersuchungsvoreinstellungen und

▶ die permanente Anpassung der Eindringtiefe, der Verstärkung und die Fokusoptimierung.

Lagerung | Abseits der Technik kann die Führung des Patienten (z. B. Umlagerung oder Atemmanö­ver) die Untersuchungsqualität essenziell verbes­sern.

Rechter Unterbauch

Appendizitis | Bei akuten Schmerzen im rechten Unterbauch muss man differenzialdiagnostisch stets an die akute Appendizitis denken. Da die Ap­pendix normalerweise direkt unterhalb der Bauchdecke liegt, sollte für eine bessere Detail­auflösung ein hochauflösender, höherfrequenter Schallkopf mit mindestens 5 MHz eingesetzt wer­den. Bei nicht allzu adipösen Patienten liegt der Wurmfortsatz meist in 3–4 cm Tiefe (▶ Abb. 1). Der Appendixloge kann man sich entweder über das Verfolgen des Colon ascendens von kranial

nach kaudal bis zum Ileozökalpol im Längsschnitt nähern, oder man beginnt am Punctum maxi­mum des Schmerzes.

Pathologie | Durch die Entzündung (▶ Abb. 2) kommt es zur Wandverdickung der Appendix. Ein Querdurchmesser (Gesamtdurchmesser) von über 6 mm gilt dabei als Grenzwert. Legt man den Cut­off bei über 8 mm, dann steigt dadurch die Spezi­fität bei niedriger Sensitivität. Weitere hilfreiche Zusatzkriterien sind

▶ die sogenannte echoreiche Netzkappe (die Re­gion um die entzündete Appendix ist echorei­cher) sowie

▶ eine schmerzhafte Sonopalpation (umschrie­bener Druckschmerz als Ausdruck einer loka­len Peritonitis).

Auch bei retrozökaler Lage gelingt der sonografi­sche Nachweis häufig. Bei der Ultraschalluntersu­chung wird der Schallkopf nie ausschließlich von ventral aufgesetzt, sondern auch nach lateral (am Zökum vorbei) geführt.

Dass eine entzündete Appendix sonografisch nicht detektiert wird, liegt meist daran, dass nicht auf den Nahfeldbereich fokussiert wird.

Als Korrelat für die Entzündung lässt sich mittels Farbdoppler eine verstärkte Durchblutung nach­weisen. Die Sonografie erreicht bei akuter Appen­

Abb. 1 Normale Appendix im Längsschnitt.Abb. 2 Kokarde im Querschnitt mit echoreicher Netz-kappe.

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1607So wirdʼs gemacht

Kaneko T, Heinz W. Notfallsonografie - Patient mit... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609

Pathologie | Pathognomonische Zeichen der aku­ten Cholezystitis sind

▶ eine ödematöse Wandverdickung über 3 mm mit Aufsplitterung der Wandschichten („Drei­schichtenphänomen“),

▶ gegebenenfalls ein echoarmer Saum im Gallen­blasenbett zur angrenzenden Leber („Pericho­lezystitis“) sowie

▶ der Nachweis von Steinen oder Sludge (▶ Abb. 5).

Eine akalkulöse Cholezystitis ist selten, kommt aber vor, sodass ein Steinnachweis keine Conditio sine qua non ist.

Freie Flüssigkeit kann Folge einer (seltenen) freien Perforation sein. Das wichtigste sonogra­fisch-klinische Zeichen ist das sogenannte Mur­phy-Zeichen: Unter sonografischer Sicht wird der Schallkopf direkt über der Gallenblase posi­tioniert, um gezielt zu komprimieren. Führt dies nicht zu Schmerzen, ist eine akute Cholezystitis unwahrscheinlich. Der Nachweis von Konkre­menten bei gleichzeitig sonografischem Mur­phy­Zeichen hat einen positiv prädiktiven Wert von 92,2 % für die Diagnose akute Cholezystitis [2].

dizitis einen positiv prädiktiven Wert von 86 % und einen negativ prädiktiven Wert von 91 % [1].

Differenzialdiagnose | Außerdem sollten in Be­tracht gezogen werden:

▶ bakterielle Ileozökitis (v. a. bei Yersinien­Infek­tion)

▶ M. Crohn ▶ Adnexitis oder andere gynäkologische Ursachen ▶ Harnleiterkonkrement ▶ Meckel­Divertikel ▶ Neoplasie

Rechter Oberbauch

Akute Cholezystitis | Der Klassiker bei akuten rechtsseitigen Oberbauchschmerzen ist die akute Cholezystitis. Es gibt verschiedene Möglichkei­ten, die Gallenblase darzustellen (▶ Abb. 3). Beim Aufsuchen der Gallenblase ist es hilfreich, den Pa­tienten tief einatmen zu lassen. So kann man den Schallkopf z. B. gut am Leberunterrand entlang im Longitudinalschnitt von epigastrisch kom­mend in Richtung Medioklavikularlinie verschie­ben, bis die Gallenblase in ca. 4–7 cm Tiefe er­scheint (▶ Abb. 4).

Abb. 5 Akute Cholezystitis mit typischen Zeichen (Pfeile: Konkremente).Abb. 4 Normale Gallenblase mit Solitärstein.

Abb. 3 Aufsuchen der Gallenblase. (A) longitudinal entlang des Rippenbogens, (B) Subkostalschnitt, (C) von lateral / interkostal.

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1608 So wirdʼs gemacht

Kaneko T, Heinz W. Notfallsonografie - Patient mit... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609

▶ inkarzerierte Hernien ▶ chronisch entzündliche Darmerkrankungen ▶ Harnleitersteine ▶ bei Frauen: gynäkologische Ursachen

Linker Oberbauch

Urolithiasis | Bei starken, krampfartigen Flanken­schmerzen drängt sich der Verdacht auf eine Nephro­ bzw. Urolithiasis auf. Insbesondere die linke Niere lässt sich meist nur von lateral bis zur hinteren Axillarlinie, gelegentlich nur von dorso­lateral nach Umlagern schallen.

Harnstau | Die sonografische Fragestellung lautet dabei: Harnstau? Wenn ja, wo steckt das Abfluss­hindernis? Entwickelt sich die Abflussstörung akut, staut es sich zunächst in das Nierenbecken. Der sonst sehr echoreiche Sinusreflex wird durch echofreie Flüssigkeit ersetzt (Harnstau 1. Gra­des). Bei zunehmendem Druck staut sich der Urin bis in das Kelchsystem zurück, ohne dabei das Parenchym zu verschmälern (Harnstau 2. Gra­des). Höhergradige Staus (3. Grad mit Paren­chymverschmälerung, 4. Grad „hydronephroti­sche Sackniere“) entstehen fast ausschließlich durch chronische Obstruktionen.

Differenzialdiagnose | Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind:

▶ ampulläre Nierenbecken ▶ Sinuslipomatose ▶ zystische Raumforderungen ▶ weite Nierenvenen

Auch eine verstärkte Diurese kann auf physiologi­sche Art eine Harnstauung 1. Grades kurzfristig imitieren. Hinter linksseitigen Oberbauchschmer­zen können sich u. a. auch verbergen:

▶ Niereninfarkt ▶ Pyelitis oder Pyelonephritis ▶ Magenulkus ▶ Milzruptur oder Milzinfarkt ▶ subphrenischer Abszess ▶ Pneumonie bzw. Pleuritis

Differenzialdiagnose | Schmerzen im rechten Oberbauch können u. a. auch Ausdruck sein für:

▶ Gallengangsaffektion ▶ Duodenalulkus ▶ Hepatitis ▶ Pyelonephritis ▶ Appendizitis ▶ Pneumonie

Linker Unterbauch

Sigmadivertikulitis | Die Sigmadivertikulitis zeigt viele Parallelen zur Appendizitis. Der Patient kann üblicherweise oft punktgenau den Entzündungs­herd lokalisieren. Auch hier spielt sich das Gesche­hen direkt unterhalb der Bauchdecke ab (▶ Abb. 6). Somit eignet sich zur besseren Auflösung ein hö­herfrequenter Schallkopf.

Pathologie | Die Kolonwand ist um mehr als 5 mm verdickt, die Wandschichtung ist – typisch für ei­nen entzündlichen Prozess – akzentuiert (diffe­nenzialdiagnostisch führt ein maligner Prozess zur Zerstörung der Wandarchitektur). Die entzün­deten Divertikel sind echoarm und ähnlich wie bei der Appenditizis kommt es zu einer echoreichen Umgebungsreaktion (Peridivertikulitis), manch­mal mit kleinem Flüssigkeitssaum (▶ Abb. 7). Bei Abszessbildung kann man sonografisch größere echoarme / echofreie Bezirke erkennen. Nachteilig ist, dass Komplikationen, die sich an der schall­kopffernen Kolonwand entwickeln, bei Luftüber­lagerung nicht erkannt werden. Hier bleibt der Einsatz der Computertomografie unverzichtbar.

Bei Stenose mit eingeengtem Lumen und prästenotischer Dilatation ist eine Nahrungs-karenz sinnvoll. Bei Abszessen, die größer als 3 bis 5 cm sind, sollte zeitnah eine Drainage angelegt werden.

Differenzialdiagnose | Bei fehlendem Hinweis auf eine Divertikulitis kommen in Betracht:

Abb. 6 Normales Sigmadivertikel gefüllt mit Luft. Abb. 7 Sigmadivertikulitits.

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1609So wirdʼs gemacht

Kaneko T, Heinz W. Notfallsonografie - Patient mit... Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609

Mittelbauch

Akute Pankreatitis | Eine Herausforderung für den unerfahrenen Ultraschaller ist die akute Pan­kreatitis. Die Schwierigkeit besteht darin, die Bauchspeicheldrüse (▶ Abb. 8) im entzündeten Zustand entlang der anatomischen Leitstruktur darzustellen: Denn der Patient ist in diesem Be­reich sehr druckempfindlich und durch die Para­lyse des Darms bilden sich vemehrt Darmgase.

Die anatomische Leitstruktur für das Pankreas ist die Vena lienalis.

Pathologie | Führendes Ultraschall­Zeichen der milden Pankreatitis (▶ Abb. 9) ist – als Korrelat für das entzündliche Ödem – eine Volumenzunahme mit schlechter Organabgrenzung zur Umgebung. Dem entsprechend wird die Organtextur echoär­mer und inhomogener. Leider bietet die Bauch­speicheldrüse eine große interindividuelle For­menvarianz und unterschiedliche Echogenität. Somit fällt die Interpretation eines Pankreasbe­funds schwer, wenn man den „individuellen Nor­malbefund“ nicht kennt.

Ein gutes sonografisches Kriterium ist der sogenannte Trauerrand – ein Flüssigkeitssaum um das Pankreas, insbesondere in der Bursa omentalis.

Wenn sich Nekrosestraßen entwickeln, lässt sich die Diagnose mittels Ultraschall leichter stellen. Die Abgrenzung zur hämorrhagisch­nekrotisie­renden Pankreatitis ist mittels Kontrastmittel­sonografie einfach möglich (Nekrosen nehmen kein Ultraschallkontrastmittel auf). Nativsono­grafisch können Einblutungen und Nekrosen in­nerhalb der Bauchspeicheldrüse ein unruhiges Muster erzeugen. Besonderes Augenmerk sollte auch auf die benachbarten Gefäße gelegt werden, denn Thrombosen im Bereich der V. lienalis oder V. portae sind nicht selten. Auch der linksseitige

Pleuraerguss durch Fistelbildung gehört zu den klassischen Komplikationen.

Differenzialdiagnose | Akute Schmerzen im obe­ren Mittelbauch und periumbilikal werden au­ßerdem verursacht durch:

▶ abdominelles Aortenaneurysma ▶ Magen­ oder Duodenalulkus ▶ beginnende Appendizitis ▶ Nabelhernie

Wichtiges in Kürze ▶ Atemmanöver und Umlagerung sind oft

notwendig, um Organe / Regionen besser schallbar zu machen.

▶ Sendefrequenz, Fokus, Eindringtiefe und Verstärkung (gain) müssen immer optimiert werden.

▶ Die Sonopalpation ist eine hervorragende Methode zur Lokalisation einer umschrie-benen peritonealen Reizung.

▶ Entzündliche Prozesse im Abdomen führen häufig zu einer Umgebungsreaktion (echoreiche Netzkappe).

▶ Akute Harnabflussbehinderungen führen „nur“ zu einem Harnaufstau 1. oder 2. Grades.

Literatur1 van Randen A, Laméris W, van Es HW et al. A

comparison of the Accuracy of Ultrasound and Computed Tomography in common diagnoses causing acute abdominal pain. Eur Radiol 2011; 21: 1535–1545

2 Ralls PW, Colletti PM, Lapin SA et al. Real-time sonography in suspected acute cholecystitis. Prospective evaluation of primary and secondary signs. Radiology 1985; 155: 767–771

Abb. 8 Normales Pankreas im Längsschnitt. Abb. 9 Ödematöse Pankreaskopfpankreatitis.

DOI 10.1055/s-0041-106448 Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1606–1609© Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472

Dr. med. Tanja Kanekoist Assistenzärztin für Innere Medizin in den Ruppiner Kliniken, Medizinische Klinik B in [email protected]

Dr. med. Wolfgang Heinzist Chefarzt der Inneren Klinik I, Karl-Olga Kranken-haus in Stuttgart. [email protected]

InteressenkonfliktWH gibt an, Vortragshonorare von GE erhalten zu haben. TK gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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