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ARBEITEN 4.0 - WAS ERWARTET UNS? Dr. Martin Braun Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV | München, 9. März 2016

ARBEITEN 4.0 · 2019-12-10 · Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) Ergonomische Opti-mierung d. Montage Adaptive Assistenz Digital Travel Management Foto: dpa Integr. Buchungs- und

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 1

ARBEITEN 4.0 -WAS ERWARTET UNS?

Dr. Martin Braun Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Stuttgart

Arbeitsmedizinisches Kolloquium der DGUV | München, 9. März 2016

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 2

Industrielle Entwicklung im Überblick1

Die Vision der »Arbeitswelt 4.0«2

Arbeitsteilung Mensch-Maschine3

Agenda

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 3

Arbeitsteilung bezeichnet eine Zergliederung von Tätigkeits-abläufen in Teilaufgaben, die von funktional spezialisierten Arbeits-kräften ausgeführt werden.

Ihre produktivitätssteigernde Wirk-ung beruht auf Spezialisierungund Koordination.

Spezialisten konzentrieren sich auf jene Teilprozesse, bei denen sie komparative Vorteile besitzen.

Adam Smith (1723-1790), Moralphilosoph und Nationalökonom

Produktivitätssteigerung durch Arbeitsteilung (Smith 1776)

Neben einem Zugewinn an menschl. Fertigkeiten können Arbeitsschritte durch produktive Maschinen mechanisiert bzw. automatisiert werden.

Da sie mit Verlust an Eigenständigkeit und Fremdversorgung einhergeht, beschreibt Arbeitsteilung auch ein Konzept der Zusammenarbeit.

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 4

Die arbeitsteilige Organisation im gesunden Ausgleich von Spezialisierung und Koordination

Koordination:Einbindung, Initiative & Verantwortung

Spezialisierung:Abgrenzung, Handlungsspielraum & Vertrauen

Individualität,Unabhängigkeit,Diversität, Komplexität,Lernen, Veränderung

Zweckgemeinschaft,Abhängigkeit,

Verbindlichkeit,Normen, Standards,

Produktivität

Kultur der Arbeitsteilung

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 5

SpezialisierungKoordination

Arbeit 1.0 »Zentralisierung« Hierarchische Funktionen,

mechanisierte KraftmaschinenRäumliche Konzentrierung der

Arbeit ( Manufaktur)

Arbeit 2.0 »Modularisierung«

Verwissenschaftlichung der Technisierung u. Betriebsführung

Technische Standards durch Präzisierung, Prozessualisierung

Arbeit 3.0 »Informatisierung«

Großrechenmaschinen zur automat. Datenverarbeitung

Standardisierte Informations-systeme, Globalisierung

»Computer everywhere«, Multiagentensysteme, Big Data

»Internet der Dinge«, Cyber-physische Systeme

Ineffektive Datennutzung

Arbeitsteilung im Spannungsfeld von …

Arbeit 4.0 »Vernetzung digitaler Informationsmodule«

Unzureichender Kundenfokus

Dequalifizierende Arbeitsweisen

Industrielle Transformationsstufen wirken ausgleichend

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 6

Die Vision: »Industrie 4.0« als Teil einer vernetzen Welt

Unter dem Überbegriff »Industrie 4.0« wird die Digitalisierung der industriellen Wert-schöpfung vorangetrieben. Ziel ist eine echtzeitfähige, intelligente Vernetzung von Menschen, Maschinen und Objekten zum Management von Systemen.

Quelle: Plattform Industrie 4.0, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) 2013

Die Smart Factory bindet das Internet der Dinge und Dienste in die Welt der Produktion ein.

Mit den Schnittstellen zu Smart Logisticsund Smart Grid ist sie ein prägender Bestandteil intelligenter Infrastrukturen.

Die Produktion wird flexibel, produktiv, ressourceneffizient und selbstorganisiert.

Wertschöpfungsprozesse (bis »Losgröße 1«) werden bedarfsorientiert in Echtzeit optimiert.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird gestärkt.

Vor allem ältere Beschäftigte profitieren von adaptiven Assistenzsystemen.

© acatech

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 7

Netzwerk von intelligenten Objekten

»Big Data«

»Cyber-Physical Systems«

»Internet der Dinge«

»MAS«

@Cloud

»Big Data«Verknüpfung und Analyse von großen (un-)struktierten Datenbeständen für Prognose und Planung

»Internet der Dinge«,»Cyber-physische Systeme« Vernetzung von Maschinen und Produkten, Erfassung von Prozess- und Kontextdaten

Situatives Angebot von Diensten und Geschäftsmodellen

»Multi-Agenten-Systeme«Zielorientierte, koordinierte

Interaktion autonomer Agenten zur Aufgabenbewältigung

Fabrik 4.0

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Beispielhafte Anwendungsfelder digitalisierter Arbeit

Smart Logistics

Foto

: Am

azon

Connectivity (Lieferanten, Kunden)

Logistics Intelligence Warehouse Manage-

ment

Montage-unterstützung

Foto

: BM

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roup

Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK)

Ergonomische Opti-mierung d. Montage

Adaptive Assistenz

Digital Travel Management

Foto

: dpa

Integr. Buchungs- und Abrechnungsprozess

Real Time Information mittels Smart Devices

Effizienzsteigerung

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 9

Auswirkungen der »Industrie 4.0« auf die Beschäftigung

Wahrscheinlichkeit, dass Jobs innerhalb von 20 Jahren durch Maschinen ersetzt werden

Quelle: C. Frey, M. Osborne: »The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?«; Technology Review, 1/2014

9998

9692

7855

4840

178,4

4,73,8

0,40,40,02

TelefonverkäuferPacker

KochVersicherungsmakler

ComputertechnikerPilot

ComputerprogrammiererRichter

FeuerwehrmannErzieher

LandwirtSchriftsteller

Zahnarzt, AllgemeinarztPsychologe

Gesundheitsberater Angaben in %

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Dr. Martin Braun | »Arbeiten 4.0 – was erwartet uns?« | Seite 10

»Künftig gibt es zwei Kategorien von Menschen: jene, die Computern sagen, was sie tun sollen –und jene, die von Computern gesagt bekommen, was sie tun sollen.«

Marc AndreessenMitgründer von Netscape Communications Corporation

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IAO-Studie: Produktionsarbeit der Zukunft / Industrie 4.0

Ziele: Erwartungen an Produktionsarbeit aufzeigen und »Industrie 4.0« in diesen Kontext einordnen. Befragung von 661 betrieblichen Praktikern und 21 Fachexperten.

Zentrale Ergebnisse:

Flexibilität ist zielgerichtet und systematisch zu organisieren.

Dezentrale Steuerungsfunktionen nehmen zu; vollständige Autonomiedezentraler, sich selbst steuernder Objekte wird es absehbar nicht geben.

Menschliche Arbeit bleibt wichtiger Bestandteil der Produktion.

Aufgaben der Produktions- und Wissensarbeit wachsen zusammen.

Mitarbeiter müssen unzu-reichend planbare Arbeits-tätigkeiten situativ bewältigen und sind hierfür zu qualifizieren ( Störungsbeseitigung).

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»Intelligence Amplification« oder »Artificial Intelligence«?

Setzt sich eine human- o. technikzentrierte Perspektive durch? Welche Aufgaben über-nehmen Mensch bzw. Maschine, um Spezialisierung und Koordination zu ermöglichen?

Humanzentrierte Perspektive Technikzentrierte Perspektive

Intelligence Amplification, »Machines that make us smart«

Artificial Intelligence, »Smart machines«

Menschen nutzen Maschinen, Informationsmaschinen unterstützen und ersetzen Routinearbeit

Informationsmaschinen lenken Menschen (»Human Automation«) und ersetzen sie in der Produktion

Förderung von Flexibilität durch Erfah-rung, Reflektion, Initiative und Verantwortung

Flexibilität erwünscht, aber begrenzteAdaptivität der Systeme

Entfaltung von Handlungskompetenz (i. S. Intention, Zielorientierung)

Arbeitsvermögen wird nachgeahmt (i. S. Genese u. Anwendung von Wissen)

Stärkung der Facharbeit Stärkung weniger Hochqualifizierter, aber auch Tendenz zur Dequalfizierung

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Technologische Grenzen der »Arbeit 4.0«-Konzepte

Technische Systeme und soziale Akteure gelten als gleichermaßen vernetzte Aktanten, denen Intentio-nalität und Handlungsfähigkeit zugeschrieben wird.

Kontext- und sinnfreie Daten werden mit bedeut-ungsvoller Information aus kontextabhängiger Interpretation verwechselt.

Mit maschinellen Algorithmen gelang es bislang nicht, den Daten Bedeutung und Intentionalität beizumessen.

Daten sind oft nicht repräsentativ, fehlerhaft, obsolet oder inkonsistent.

Daten unterliegen Sicherheitsrisiken durch Datenverlust, Spionage, Sabotage.

Multiagentensysteme sind nicht-triviale, hoch komplexe Maschinen. Ihr Verhalten ist grundsätzlich undurchschaubar. Systeme mit derart unvorhersehbarem Verhal-ten sind letztlich weder produktiv noch zuverlässig einsetzbar.

Quelle: Brödner, 2014

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»4.0«-Technologien eignen sich menschliche Fähigkeiten an

Fazit: Technik unterstützt den den Mensch, ersetzt ihn aber nicht. Ohne den urteilsfäh-igen und eigenintentional handelnden Menschen sind »Industrie 4.0«-Anwendungen nicht zu verwirklichen.

Gedächtnisleistung

Kooperativ.Handeln

Erkennen und UrteilenPerzeption Kognition

Aktion Intention

Aktivieren

Wahr-nehmen

Beab-sichtigen

Mensch

Big Data-Massenspeicher

Mensch-Maschine-

Schnittstelle

AutomatischeSchluss-folgerung

Perzeption Kognition

Aktion

Aktorik

Hoch-auflösende

Sensorik

Cyber-physische Systeme

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Gestaltung der »Arbeit 4.0«

Nachhaltiger, produktiver Unternehmenserfolg beruht auf Ausgleichs- und Entwicklungsfähigkeit der Arbeitssysteme. Das gilt auch für die »Arbeit 4.0«.

Das bedeutet: Das arbeitsteilige Spannungsfeld von Spezialisierung von Koordination ist in einem gesunden Ausgleich zu halten.

Aufgrund seiner Ausgleichs- und Regulationsfähigkeit ist der urteilsfähige Mensch der erfolgskritische Faktor im cyber-physischen Arbeitssystem.

Eine humanzentrierte Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen orientiert sich an den arbeitswissenschaftlichen Gestaltungkriterien der

Schädigungslosigkeit, Ausführbarkeit, Zumutbarkeit, Persönlichkeitsförderlichkeit.

Arbeitsgestaltung und -schutz bleiben hoch relevante Unternehmensthemen.

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»Jede Erfindung muss dem Menschen dienen.«

Artur Fischer (1919-2016) | Erfinder und Unternehmer

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Kontakt

Dr. Martin BraunFraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation [email protected]ße 12, 70569 Stuttgart