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4 | Samstagsgespräch Wirtschaftregional | 10. März 2018 | 5 MIT JENNIFER RHEINBERGER UND RUTH HASLER SPRACH DOROTHEA ALBER Auf welche Alarmzeichen sollten Ar- beitnehmer achten, die sich sehr ge- stresst fühlen? Ruth Hasler: Ein guter Sensor ist unser Bauchgefühl, was Achtsamkeit mit sich selbst bedingt. Stress, Unruhe und Un- sicherheiten, Schlafstörungen, etc. sind Alarmzeichen, wobei wir oftmals diese verspätet wahrnehmen, da wir einfach funktionieren. Wie äussert sich dies konkret? Ruth Hasler: Nehmen wir mal ein Bei- spiel: Ein Arbeitnehmer findet keine Ruhe, da er Tag und Nacht sowie auch im Urlaub jederzeit für seinen Arbeitge- ber erreichbar ist. Oftmals ist es nicht der Arbeitgeber, der auf diese ständige Erreichbarkeit besteht, sondern der Ar- beitnehmer selbst, sieht sich in der Ver- antwortung. Durch die Wertereflexion kann erkannt werden, dass er selbst der Treiber für Druck und Stress ist und somit sind Möglichkeiten für neue Lö- sungsansätze gegeben. Was ist der grösste Fehler, den Arbeit- nehmer im Berufsall- tag machen können? Jennifer Rheinberger: Stressauslöser sind sehr individuell. Wenn man von einem gröss- ten Fehler überhaupt sprechen kann, dann wäre es vielleicht jener, dass man zu wenig auf sich hört und die Reaktionen des Körpers auf Stress nicht wahrnimmt oder zu spät etwas dagegen unternimmt. Manchmal lässt sich der Stress nicht eliminieren, man kann jedoch lernen, besser damit umzugehen. Ruth Hasler: … und wer sich gut kennt, kann Stress reduzieren. Hierbei ist die Selbstreflexion das Mittel zum Zweck. «Denn je besser wir uns selbst kennen, desto besser wird unser Leben» wie schon der US-amerikanische Pschothe- rapeut Irvin Yalom sagt. Wenn die Gesundheit leidet, kann das zu mehr Fehlzeiten und zu Leistungs- einbussen führen, die Arbeitgebern schätzungsweise in der Schweiz rund 5,7 Milliarden Franken pro Jahr kosten. Ruth Hasler: Wenn man die Fehlzeiten betrachtet, dann ist klar: Jeder Arbeit- geber hat ein grosses Interesse, dass seine Mitarbeitenden gesund bleiben. Hierbei denke ich, dass viele Arbeitge- ber auch in das Gesundheitsmanage- ment investieren, denn Fehlzeiten ge- nerieren enorme Kosten. Wichtig er- scheint mir auch, dass prophylaktisch sehr viel Gutes getan werden kann und hier bietet sich das Resilienz-Thema an. D.h. Menschen zu stärken, damit diese auf wechselnde Situationen flexibel rea- gieren können. Heute sind wir ja immer mehr gefordert – schneller, höher und weiter. Jeder Mensch geht auch anders mit Stresssituationen um. Der eine kann das gut «wegste- cken» und andere drehen ihre Runden im Hamsterrad, was unter Umständen auch zu Burnout füh- ren könnte. Manchmal liegt die Arbeitsbelastung über den Ressourcen. Was ist, wenn der Chef ein «Nein» nicht akzeptiert? Jennifer Rheinberger: Eine Aufstellung der eigenen Aufgaben im Betrieb zu machen und diese nach Priorität und Deadlines zu ordnen ist oft hilfreich. Ständige Unterbrechungen z.B. durch eingehende Anrufe oder E-Mails kosten uns zudem viel Zeit. Produktives Multi- tasking ist entgegen landläufiger Mei- nung nicht möglich – auch wenn man gerne sagt, dass dies besonders Frauen gut können (lacht). Es ist wichtig, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren, um sich nicht zu verzetteln. Ist es nicht möglich, alle Aufgaben in seinem Pen- sum zu bewältigen, dann wird es nötig, das Gespräch zu suchen. Vielleicht gibt es im Unternehmen nebst dem Vorge- setzten weitere Personen, die einen un- terstützen können. Das soziale Umfeld ist ein grosser Schutzfaktor. Haben viele Arbeitnehmer Angst, um Hilfe zu bitten beziehungsweise ist das ein Zeichen von Schwäche? Jennifer Rheinberger: Ich finde nicht, dass dies eine Schwäche ist, sondern eine Stärke, wenn man sich mitteilt. Chefs sind sehr interessiert daran, dass ihre Mitarbeiter gesund bleiben, denn die Arbeitnehmenden sind das grösste Kapital einer Firma. Sie beraten Unternehmen und Arbeit- nehmer. Kommen Sie manchmal zu einem Punkt, an dem ihr Arbeitneh- mern den Rat gebt, besser den Job zu wechseln? Ruth Hasler: Nein, überhaupt nicht. Wenn jemand zu uns kommt, der sei- nen Job wechseln möchten, dann un- terstützen wir ihn natürlich. Jedoch geben wir keine Ratschläge. Wir arbei- ten mit einem Methoden-Set, das Men- schen dabei unterstützt, ressourcenori- entiert Lösungen zu finden, denn die Lösungen liegen in jedem einzelnen selbst. Sie stärken Menschen dabei wider- standsfähiger zu werden. Wie funktio- niert das? Jennifer Rheinberger: Die Stärkung der Resilienz ist ein Prozess. Wir arbeiten mit einem breiten, wissenschaftlich fundierten Methodenset. Bspw. ist eine unterstützende Grundhaltung bei He- rausforderungen und Rückschlägen wichtig. Sehen wir unbekannte oder schwierige Situationen als Chance oder sagen wir uns "das schaffe ich sowieso nicht"? Wir unterstützen Menschen dabei, zu einer positiven Grundhaltung zu finden oder diese zu stärken. Ruth Hasler: Das kann im Einzelcoa- ching oder auch im Training passieren. Hierbei geht es um Selbstreflexion und das Erkennen der eigenen Ressourcen im Umgang mit Herausforderungen / Stresssituationen, die Überprüfung der Denk- und Verhaltensweisen und gege- benenfalls deren Anpassung bzw. Wei- terentwicklung. Wir arbeiten prozess- und lösungsorientiert und unterstützen Menschen bei der eigenen Lösungsfin- dung. Für mich bringt es Sabine Asgo- dom auf den Punkt. In einer Talksen- dung brachte sie folgendes Beispiel mit ein: «Das Leben ist wie ein Tennisspiel. Wie der Ball auf uns zukommt, das kön- nen wir nicht beeinflussen, jedoch wie wir ihn nehmen und die Returns gestal- ten, da können wir Einfluss nehmen». Jennifer Rheinberger: Nebst der Unter- stützung bei der Lösungsfindung stär- ken wir auch die Motivation zur Zieler- reichung. Motivation – muss das nicht von der Person selbst ausgehen? Was können Sie hier beitragen? Jennifer Rheinberger: Es gibt zwei Fak- toren, die bei der Erreichung von Zielen und der Motivation entscheidend sind. Der Kopf, also das Rationale und das Bauchgefühl. Ersteres können wir ana- lysieren und durchdenken – bspw. indem wir "smart"-Ziele definieren. Die somatischen Marker melden sich hinge- gen automatisch und unbewusst. Wir haben bspw. ein mulmiges Gefühl, wis- sen aber oft gar nicht, warum. Nur wenn Kopf und Bauch am selben "Strang" zie- hen, gelingt es uns, unsere Wünsche und Ziele aktiv und erfolgreich anzuge- hen. Wie bringt man nun die beiden Pole zu- sammen? Ruth Hasler: Wir erarbeiten zum Bei- spiel ein eigenes Motto-Ziel – wie ein Mantra, das uns im Alltag Motivation gibt. Gerne gebe ein Beispiel aus mei- nem Leben: Ich habe mir vor einigen Jahren überlegt, eine Weiterbildung im Bereich BWL zu machen, aber festge- stellt, dass mein Gefühl / Herz da nicht mitzieht. Nach einiger Zeit bin ich auf das Thema Resilienz gestossen und habe „Feuer“ gefangen. Verstand und Gefühl waren sich einig. Innerhalb von 2 Tagen erfolgte die Anmeldung zur Re- silienztrainer-Ausbildung. Mein Ziel habe ich dann auch erfolgreich umge- setzt. Das hört sich natürlich sehr ein- fach an, bedarf jedoch der Auseinander- setzung im positiven Sinne mit sich selbst. Hierbei können wir natürlich un- terstützend einwirken, so dass Men- schen ihre persönlichen Motivatoren finden, welche zum Erfolg führen. Ist das ein Appell von Ihrer Seite, dass Menschen im Beruf zu wenig auf Ihr Bauchgefühl hören? Ruth Hasler: Ja, auf jeden Fall sollten wir mehr auf unser Bauchgefühl hören. Nicht nur beruflich, sondern allgemein im Leben. Oftmals bleibt dieses auf der Strecke da wir z.B. durch die Flut an E- Mails und die Fülle an Terminen, durch Druck und Stress keine Zeit mehr fin- den, unsere Wahrnehmung nach innen zu richten. Wenn Menschen mehr auf ihr Bauchge- fühl hören, können sie dann stressbe- dingte Erkrankungen verhindern? Oder anders gefragt: Schützt sie das vor einem Burnout? Jennifer Rheinberger: Ich würde sagen Ja. Wenn man frühzeitig merkt, dass die Belastung zu gross wird und man recht- zeitig Massnahmen einleitet, dann för- dert und erhält man seine Gesundheit. Wenn die Belastung gross ist, dann un- terstützt ihr mit Resilienztraining. Wie kann der Begriff «Resilienz» erklärt wer- den? Jennifer Rheinberger: Für viele ist der Begriff Resilienz nicht fassbar. Er be- zeichnet allgemein die psychische Wi- derstandsfähigkeit. Es lässt sich viel- leicht mit dem Immunsystem verglei- chen. Jeder Mensch hat ein Immunsys- tem – ein Grundgerüst. Bei dem einen ist dieses mehr, bei dem anderen weni- ger ausgeprägt. Umso häufiger es mit Krankheitserregern konfrontiert wird und diese erfolgreich bekämpfen konn- te, umso besser kann es neue Angriffe abwehren. In einer klinischen Umge- bung ohne Keime kann sich das Ab- wehrsystem des Körpers gar nicht erst richtig entwickeln. So ist es auch mit der Resilienz: mit jeder Herausforderung oder Schwierigkeit, die wir im Leben po- sitiv meistern konnten, werden wir stär- ker. Es gibt aber auch Situationen im Leben, die können einen einfach um- hauen – egal wie widerstandsfähig man ist. Aber mit einem guten Fundament kann man schneller wieder auf die Beine kommen und Herausforderungen meis- tern. Unsere Abwehrkräfte können wir gezielt stärken. So auch unsere psy- chische Widerstandsfähigkeit, bspw. mit einem Resilienz-Training. «Es ist keine Schwäche,bei starker Arbeitsbelastung um Hilfe zu bitten» Jennifer Rheinberger und Ruth Hasler sind überzeugt: Multitasking ist – entgegen der landläufigen Meinung – nicht möglich und erhöht das Stresslevel. Bilder: Daniel Schwendener «Wer frühzeitig merkt, dass die Belastung zu gross wird und dann rechtzeitig Massnahmen einleitet, erhält und fördert seine Gesundheit.» Ruth Hasler, Geschäftsführerin von HR-Managemnt Est in Vaduz STECKBRIEF Name: Jennifer Rheinberger Funktion: Psychologin Jahrgang: 1986 Karriere: Die Psychologin (MSc) absolvierte eine Ausbildung zur Resilienztrainerin. Sie war bisher in der Gesundheitsförderung und Prävention tätig. Seit März 2018 arbeitet sie beim Amt für Soziale Dienste in Schaan. Privates: Sie wohnt in Vaduz und ist verheiratet. Ihre Freizeit ver- bringt sie mit ihren Tiere, einem guten Buch, Serien oder Filme oder sie entspannt beim Wellness. Name: Ruth Hasler Funktion: Geschäftsführerin und Inhaberin von HR Management Establ., Vaduz Jahrgang: 1962 Karriere: Hasler war als Personal- assistentin, Abteilungsleiterin (Personal) und stv. Leiterin in er Personalentwicklung bis hin zur HR-Leiterin in Liechtenstein und der Schweiz tätig. Die Personal- fachfrau absolvierte eine Ausbil- dung zur Resilienztrainierin. Privates: Ruth Hasler sind Familie und Freunde wichtig. Sie wohnt in Vaduz, liebt die Berge, Wandern und Trekking. Das Unternehmen: Ruth Hasler und Jennifer Rheinberger beraten Unternehmen, Arbeitnehmer und Teams, aber auch Privatpersonen speziell in den Bereichen Resi- lienz, Teambildung- und Entwick- lung, Coaching, Persönlichkeits- entwicklung und alles rund um den Arbeitsmarkt. «Arbeitnehmer hören zu wenig auf ihr Bauchgefühl» Stress Ruth Hasler und Jennifer Rheinberger beraten Arbeitnehmer, damit jene lernen, besser mit Druck und Stress umzugehen. Die HR-Managerin und die Psychologin sind überzeugt: Wer mehr auf sein Bauchgefühl hört, kann sich vor Erkrankungen wie einem Burnout schützen.

«Arbeitnehmer hören zu wenig auf ihr Bauchgefühl» · 2018-03-12 · 4|Samstagsgespräch Wirtschaft regiona l| 10.März2 8 |5 MIT RJENNIFER RHEINBERGER UND RUTH HASLER SPRACH DOROTHEA

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Page 1: «Arbeitnehmer hören zu wenig auf ihr Bauchgefühl» · 2018-03-12 · 4|Samstagsgespräch Wirtschaft regiona l| 10.März2 8 |5 MIT RJENNIFER RHEINBERGER UND RUTH HASLER SPRACH DOROTHEA

4|Samstagsgespräch Wirtschaftregional|10. März 2018|5

MIT JENNIFER RHEINBERGER UND RUTHHASLER SPRACH DOROTHEA ALBER

Auf welche Alarmzeichen sollten Ar-beitnehmer achten, die sich sehr ge-stresst fühlen?Ruth Hasler: Ein guter Sensor ist unserBauchgefühl, was Achtsamkeit mit sichselbst bedingt. Stress, Unruhe und Un-sicherheiten, Schlafstörungen, etc. sindAlarmzeichen, wobei wir oftmals dieseverspätet wahrnehmen, da wir einfachfunktionieren.

Wie äussert sich dies konkret?Ruth Hasler: Nehmen wir mal ein Bei-spiel: Ein Arbeitnehmer findet keineRuhe, da er Tag und Nacht sowie auchim Urlaub jederzeit für seinen Arbeitge-ber erreichbar ist. Oftmals ist es nichtder Arbeitgeber, der auf diese ständigeErreichbarkeit besteht, sondern der Ar-beitnehmer selbst, sieht sich in der Ver-antwortung. Durch die Wertereflexionkann erkannt werden, dass er selbst derTreiber für Druck und Stress ist undsomit sind Möglichkeiten für neue Lö-sungsansätze gegeben.

Was ist der grösste Fehler, den Arbeit-nehmer im Berufsall-tag machen können?Jennifer Rheinberger:Stressauslöser sindsehr individuell. Wennman von einem gröss-ten Fehler überhauptsprechen kann, dann wäre es vielleichtjener, dass man zu wenig auf sich hörtund die Reaktionen des Körpers aufStress nicht wahrnimmt oder zu spätetwas dagegen unternimmt. Manchmallässt sich der Stress nicht eliminieren,man kann jedoch lernen, besser damitumzugehen.

Ruth Hasler:… und wer sich gut kennt,kann Stress reduzieren. Hierbei ist dieSelbstreflexion das Mittel zum Zweck.«Denn je besser wir uns selbst kennen,desto besser wird unser Leben» wieschon der US-amerikanische Pschothe-rapeut Irvin Yalom sagt.

Wenn die Gesundheit leidet, kann daszu mehr Fehlzeiten und zu Leistungs-einbussen führen, die Arbeitgebernschätzungsweise in der Schweiz rund5,7 Milliarden Franken pro Jahr kosten.Ruth Hasler:Wenn man die Fehlzeitenbetrachtet, dann ist klar: Jeder Arbeit-geber hat ein grosses Interesse, dassseine Mitarbeitenden gesund bleiben.Hierbei denke ich, dass viele Arbeitge-ber auch in das Gesundheitsmanage-ment investieren, denn Fehlzeiten ge-nerieren enorme Kosten. Wichtig er-scheint mir auch, dass prophylaktischsehr viel Gutes getan werden kann undhier bietet sich das Resilienz-Thema an.D.h. Menschen zu stärken, damit dieseauf wechselnde Situationen flexibel rea-gieren können. Heute sind wir ja immermehr gefordert – schneller, höher undweiter. Jeder Mensch geht auch andersmit Stresssituationen um. Der eine

kann das gut «wegste-cken» und anderedrehen ihre Rundenim Hamsterrad, wasunter Umständenauch zu Burnout füh-ren könnte.

Manchmal liegt die Arbeitsbelastungüber den Ressourcen. Was ist, wenn derChef ein «Nein» nicht akzeptiert?Jennifer Rheinberger: Eine Aufstellungder eigenen Aufgaben im Betrieb zumachen und diese nach Priorität undDeadlines zu ordnen ist oft hilfreich.

Ständige Unterbrechungen z.B. durcheingehende Anrufe oder E-Mails kostenuns zudem viel Zeit. Produktives Multi-tasking ist entgegen landläufiger Mei-nung nicht möglich – auch wenn mangerne sagt, dass dies besonders Frauengut können (lacht). Es ist wichtig, sichauf eine Aufgabe zu fokussieren, umsich nicht zu verzetteln. Ist es nichtmöglich, alle Aufgaben in seinem Pen-sum zu bewältigen, dann wird es nötig,das Gespräch zu suchen. Vielleicht gibtes im Unternehmen nebst dem Vorge-setzten weitere Personen, die einen un-terstützen können. Das soziale Umfeldist ein grosser Schutzfaktor.

Haben viele Arbeitnehmer Angst, umHilfe zu bitten beziehungsweise ist dasein Zeichen von Schwäche?Jennifer Rheinberger: Ich finde nicht,dass dies eine Schwäche ist, sonderneine Stärke, wenn man sich mitteilt.Chefs sind sehr interessiert daran, dassihre Mitarbeiter gesund bleiben, denndie Arbeitnehmenden sind das grössteKapital einer Firma.

Sie beraten Unternehmen und Arbeit-nehmer. Kommen Sie manchmal zueinem Punkt, an dem ihr Arbeitneh-mern den Rat gebt, besser den Job zuwechseln?Ruth Hasler: Nein, überhaupt nicht.Wenn jemand zu uns kommt, der sei-nen Job wechseln möchten, dann un-terstützen wir ihn natürlich. Jedochgeben wir keine Ratschläge. Wir arbei-ten mit einem Methoden-Set, das Men-schen dabei unterstützt, ressourcenori-entiert Lösungen zu finden, denn dieLösungen liegen in jedem einzelnenselbst.

Sie stärken Menschen dabei wider-standsfähiger zu werden. Wie funktio-niert das?Jennifer Rheinberger: Die Stärkung derResilienz ist ein Prozess. Wir arbeitenmit einem breiten, wissenschaftlichfundierten Methodenset. Bspw. ist eineunterstützende Grundhaltung bei He-rausforderungen und Rückschlägenwichtig. Sehen wir unbekannte oderschwierige Situationen als Chance odersagen wir uns "das schaffe ich sowiesonicht"? Wir unterstützen Menschendabei, zu einer positiven Grundhaltungzu finden oder diese zu stärken.

Ruth Hasler: Das kann im Einzelcoa-ching oder auch im Training passieren.Hierbei geht es um Selbstreflexion unddas Erkennen der eigenen Ressourcenim Umgang mit Herausforderungen /Stresssituationen, die Überprüfung derDenk- und Verhaltensweisen und gege-benenfalls deren Anpassung bzw. Wei-

terentwicklung. Wir arbeiten prozess-und lösungsorientiert und unterstützenMenschen bei der eigenen Lösungsfin-dung. Für mich bringt es Sabine Asgo-dom auf den Punkt. In einer Talksen-dung brachte sie folgendes Beispiel mitein: «Das Leben ist wie ein Tennisspiel.Wie der Ball auf uns zukommt, das kön-nen wir nicht beeinflussen, jedoch wiewir ihn nehmen und die Returns gestal-ten, da können wir Einfluss nehmen».

Jennifer Rheinberger: Nebst der Unter-stützung bei der Lösungsfindung stär-ken wir auch die Motivation zur Zieler-reichung.

Motivation – muss das nicht von derPerson selbst ausgehen? Was können Siehier beitragen?Jennifer Rheinberger: Es gibt zwei Fak-toren, die bei der Erreichung von Zielenund der Motivation entscheidend sind.Der Kopf, also das Rationale und dasBauchgefühl. Ersteres können wir ana-lysieren und durchdenken – bspw.indem wir "smart"-Ziele definieren. Diesomatischen Marker melden sich hinge-gen automatisch und unbewusst. Wirhaben bspw. ein mulmiges Gefühl, wis-sen aber oft gar nicht, warum. Nur wennKopf und Bauch am selben "Strang" zie-hen, gelingt es uns, unsere Wünscheund Ziele aktiv und erfolgreich anzuge-hen.

Wie bringt man nun die beiden Pole zu-sammen? Ruth Hasler: Wir erarbeiten zum Bei-spiel ein eigenes Motto-Ziel – wie einMantra, das uns im Alltag Motivationgibt. Gerne gebe ein Beispiel aus mei-nem Leben: Ich habe mir vor einigenJahren überlegt, eine Weiterbildung imBereich BWL zu machen, aber festge-stellt, dass mein Gefühl / Herz da nichtmitzieht. Nach einiger Zeit bin ich aufdas Thema Resilienz gestossen undhabe „Feuer“ gefangen. Verstand undGefühl waren sich einig. Innerhalb von2 Tagen erfolgte die Anmeldung zur Re-silienztrainer-Ausbildung. Mein Zielhabe ich dann auch erfolgreich umge-setzt. Das hört sich natürlich sehr ein-fach an, bedarf jedoch der Auseinander-setzung im positiven Sinne mit sichselbst. Hierbei können wir natürlich un-terstützend einwirken, so dass Men-schen ihre persönlichen Motivatorenfinden, welche zum Erfolg führen.

Ist das ein Appell von Ihrer Seite, dassMenschen im Beruf zu wenig auf IhrBauchgefühl hören?Ruth Hasler: Ja, auf jeden Fall sollten wirmehr auf unser Bauchgefühl hören.Nicht nur beruflich, sondern allgemeinim Leben. Oftmals bleibt dieses auf derStrecke da wir z.B. durch die Flut an E-Mails und die Fülle an Terminen, durchDruck und Stress keine Zeit mehr fin-den, unsere Wahrnehmung nach innenzu richten.

Wenn Menschen mehr auf ihr Bauchge-fühl hören, können sie dann stressbe-dingte Erkrankungen verhindern? Oderanders gefragt: Schützt sie das voreinem Burnout?Jennifer Rheinberger: Ich würde sagenJa. Wenn man frühzeitig merkt, dass dieBelastung zu gross wird und man recht-zeitig Massnahmen einleitet, dann för-dert und erhält man seine Gesundheit.

Wenn die Belastung gross ist, dann un-terstützt ihr mit Resilienztraining. Wiekann der Begriff «Resilienz» erklärt wer-den?Jennifer Rheinberger: Für viele ist derBegriff Resilienz nicht fassbar. Er be-zeichnet allgemein die psychische Wi-derstandsfähigkeit. Es lässt sich viel-leicht mit dem Immunsystem verglei-chen. Jeder Mensch hat ein Immunsys-tem – ein Grundgerüst. Bei dem einenist dieses mehr, bei dem anderen weni-ger ausgeprägt. Umso häufiger es mitKrankheitserregern konfrontiert wirdund diese erfolgreich bekämpfen konn-te, umso besser kann es neue Angriffeabwehren. In einer klinischen Umge-bung ohne Keime kann sich das Ab-wehrsystem des Körpers gar nicht erstrichtig entwickeln. So ist es auch mit derResilienz: mit jeder Herausforderungoder Schwierigkeit, die wir im Leben po-sitiv meistern konnten, werden wir stär-ker. Es gibt aber auch Situationen imLeben, die können einen einfach um-hauen – egal wie widerstandsfähig manist. Aber mit einem guten Fundamentkann man schneller wieder auf die Beinekommen und Herausforderungen meis-tern. Unsere Abwehrkräfte können wirgezielt stärken. So auch unsere psy-chische Widerstandsfähigkeit, bspw. miteinem Resilienz-Training.

«Es ist keineSchwäche,bei starker Arbeitsbelastung um

Hilfe zu bitten»

Jennifer Rheinberger und Ruth Hasler sind überzeugt:

Multitasking ist – entgegen der landläufigen Meinung – nicht

möglich und erhöht das Stresslevel.Bilder: Daniel Schwendener

«Wer frühzeitig merkt,dass die Belastung zugross wird und dannrechtzeitig Massnahmeneinleitet, erhält und fördert seine Gesundheit.»

Ruth Hasler, Geschäftsführerinvon HR-Managemnt Est in Vaduz

STECKBRIEFName: Jennifer RheinbergerFunktion: PsychologinJahrgang: 1986 Karriere: Die Psychologin (MSc)absolvierte eine Ausbildung zurResilienztrainerin. Sie war bisherin der Gesundheitsförderung undPrävention tätig. Seit März 2018arbeitet sie beim Amt für SozialeDienste in Schaan. Privates: Sie wohnt in Vaduz undist verheiratet. Ihre Freizeit ver-bringt sie mit ihren Tiere, einemguten Buch, Serien oder Filmeoder sie entspannt beim Wellness.

Name: Ruth Hasler Funktion: Geschäftsführerin undInhaberin von HR ManagementEstabl., Vaduz Jahrgang: 1962 Karriere: Hasler war als Personal-assistentin, Abteilungsleiterin(Personal) und stv. Leiterin in erPersonalentwicklung bis hin zurHR-Leiterin in Liechtenstein undder Schweiz tätig. Die Personal-fachfrau absolvierte eine Ausbil-dung zur Resilienztrainierin.Privates: Ruth Hasler sind Familieund Freunde wichtig. Sie wohnt inVaduz, liebt die Berge, Wandernund Trekking.

Das Unternehmen: Ruth Haslerund Jennifer Rheinberger beratenUnternehmen, Arbeitnehmer undTeams, aber auch Privatpersonenspeziell in den Bereichen Resi-lienz, Teambildung- und Entwick-lung, Coaching, Persönlichkeits-entwicklung und alles rund umden Arbeitsmarkt.

«Arbeitnehmerhören zu wenigauf ihr Bauchgefühl»Stress Ruth Hasler und Jennifer Rheinberger beraten Arbeitnehmer, damit jene lernen, besser mitDruck und Stress umzugehen. Die HR-Managerin und die Psychologin sind überzeugt: Wer mehr auf sein Bauchgefühl hört, kann sich vor Erkrankungen wie einem Burnout schützen.