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Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 1 Referate der Sitzung des Arbeitskreises “Ärzte und Juristen” am 07. und 08. Dezember 2001 in Dresden unter der Leitung von Prof. Dr. med. W. J. Bock Begrüßung und Einführung: Prof. Dr. med. W. J. Bock, Düsseldorf 1. Thema: Produkthaftung – Medizinproduktegesetz - Aufgaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Frau B. Porz-Krämer, BfArM), Bonn Manuskript lag zum Zeitpunkt der Drucklegung des Protokolls noch nicht vor und wird ggf. nachgereicht. - Gesetzentwurf zur Änderung des Medizinproduktegesetzes: Frau ORRin Reinert (BMG), Bonn Hintergründe und Konzeption des 2. MPG-ÄndG A. Umsetzung europäischen Rechts Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika, einschließlich der hierdurch erfolgten Änderungen der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte Richtlinie 2000/70/EG ... hinsichtlich Medizinprodukten, die stabile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthalten B. "Nachjustierung" des Medizinprodukterechts aufgrund der bisherigen Erfahrungen Korrekturen, Klarstellungen und Präzisierungen (z. B. bezüglich der klinischen Prüfung) Schließen von Regelungslücken (z. B. bezüglich der Aufbereitung von Medizinprodukten) C. Programm der Bundesregierung "Moderner Staat - Moderne Verwaltung" Straffung und Neustrukturierung der Vorschriften (z. B. bezüglich der behördlichen Überwachung) Deregulierung Aufbau und Struktur des 2. MPG-ÄndG, Folge- und Begleitregelungen Artikel des 2. MPG-ÄndG Artikel 1: Änderung des Medizinproduktegesetzes Artikel 2: Änderung des Heilmittelwerbegesetzes Artikel 3: Änderung des Arzneimittelgesetzes Artikel 4: Änderung des Chemikaliengesetzes (Umsetzung chemikalienrechtlicher Vorschriften) Artikel 5: Änderung des Atomgesetzes Artikel 6: Änderung (Aufhebung) der Medizingeräteverordnung Artikel 7: Änderung des Eichgesetzes Artikel 8: Änderung der Eichordnung Artikel 9: Änderung der MPVerschrV Artikel 10: Änderung der MPVertrV Artikel 11: Änderung der Medizinprodukte-Betreiberverordnung Artikel 12: Änderung des SGB V Artikel 13: Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang Artikel 14: Neufassung des Medizinproduktegesetzes Artikel 15: Inkrafttreten Ergänzende Verordnungsvorhaben Änderung / Neufassung der Medizinprodukteverordnung (MPV), zeitgleiches Inkrafttreten erforderlich Sicherheitsplan DIMDI-(Datenbanken-) Verordnung MPG-Kostenverordnung (Amtshandlungen der Bundesoberbehörden) Weitere Änderung der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (Qualitätssicherungssystem in medizinischen Laboratorien) Zu Folie 1 Anlass für das Gesetz war in erster Linie die Verpflichtung Deutschlands, die europäische Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika umzuset- zen. Mit dieser Richtlinie werden In-vitro-Diagnostika (IVD) in den Medizinproduktebereich einbezogen. In-vitro-Diagnostika sind im Wesentlichen Reagenzien und Geräte für medizinische Laboruntersuchungen, z.B. HIV-Tests, Gentests. Diese Produkte waren bislang dem Arzneimittelbereich und der Medizingeräte-Verordnung zuzuordnen. Mit den neuen Regelungen wird der Marktzugang für diese Produkte wesentlich erleichtert, da sie im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum verkehrsfähig werden, wenn die im Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen für das Inverkehrbringen erfüllt sind und die CE-Kennzeichnung angebracht wurde. Neben der Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika wird auch die Richtlinie 2000/70/EG zur Änderung der Richtlinie 93/42/EWG hinsichtlich Medizinprodukten umgesetzt. Mit ihr werden Medizinprodukte, die stabile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthalten, in den Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Association of the Scientific Medical Societies in Germany AWMF S Geschäftsstelle | office: Moorenstr. 5, Geb. 15.12 (Heinrich-Heine-Universität) D-40225 Düsseldorf Tel. (0211) 31 28 28 FAX (0211) 31 68 19 e-mail: [email protected] AWMF online: http://www.awmf-online.de/ Arbeitskreis "Ärzte und Juristen"

Arbeitsgemeinschaft der edizinischen issenschaftlichen ... · Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 2 Medizinproduktebereich einbezogen

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Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 1

Referate der Sitzung des

Arbeitskreises “Ärzte und Juristen” am 07. und 08. Dezember 2001 in Dresden

unter der Leitung von Prof. Dr. med. W. J. Bock

Begrüßung und Einführung: Prof. Dr. med. W. J. Bock, Düsseldorf 1. Thema: Produkthaftung – Medizinproduktegesetz - Aufgaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Frau B. Porz-Krämer, BfArM), Bonn Manuskript lag zum Zeitpunkt der Drucklegung des Protokolls noch nicht vor und wird ggf. nachgereicht. - Gesetzentwurf zur Änderung des Medizinproduktegesetzes: Frau ORRin Reinert (BMG), Bonn

Hintergründe und Konzeption des 2. MPG-ÄndG

A. Umsetzung europäischen Rechts

➨ Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika, einschließlich der hierdurch erfolgten Änderungen der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte

➨ Richtlinie 2000/70/EG ... hinsichtlich Medizinprodukten, die stabile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthalten

B. "Nachjustierung" des Medizinprodukterechts aufgrund der bisherigen Erfahrungen

➨ Korrekturen, Klarstellungen und Präzisierungen (z. B. bezüglich der klinischen Prüfung)

➨ Schließen von Regelungslücken (z. B. bezüglich der Aufbereitung von Medizinprodukten)

C. Programm der Bundesregierung "Moderner Staat - Moderne Verwaltung"

➨ Straffung und Neustrukturierung der Vorschriften (z. B. bezüglich der behördlichen Überwachung)

➨ Deregulierung

Aufbau und Struktur des 2. MPG-ÄndG, Folge- und Begleitregelungen

Artikel des 2. MPG-ÄndGArtikel 1: Änderung des MedizinproduktegesetzesArtikel 2: Änderung des HeilmittelwerbegesetzesArtikel 3: Änderung des ArzneimittelgesetzesArtikel 4: Änderung des Chemikaliengesetzes (Umsetzung chemikalienrechtlicher Vorschriften)Artikel 5: Änderung des AtomgesetzesArtikel 6: Änderung (Aufhebung) der MedizingeräteverordnungArtikel 7: Änderung des EichgesetzesArtikel 8: Änderung der EichordnungArtikel 9: Änderung der MPVerschrVArtikel 10: Änderung der MPVertrVArtikel 11: Änderung der Medizinprodukte-BetreiberverordnungArtikel 12: Änderung des SGB V Artikel 13: Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang Artikel 14: Neufassung des MedizinproduktegesetzesArtikel 15: Inkrafttreten

Ergänzende Verordnungsvorhaben➨ Änderung / Neufassung der Medizinprodukteverordnung (MPV), zeitgleiches Inkrafttreten erforderlich➨ Sicherheitsplan➨ DIMDI-(Datenbanken-) Verordnung➨ MPG-Kostenverordnung (Amtshandlungen der Bundesoberbehörden)➨ Weitere Änderung der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (Qualitätssicherungssystem in medizinischen Laboratorien)

Zu Folie 1 Anlass für das Gesetz war in erster Linie die Verpflichtung Deutschlands, die europäische Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika umzuset-zen. Mit dieser Richtlinie werden In-vitro-Diagnostika (IVD) in den Medizinproduktebereich einbezogen. In-vitro-Diagnostika sind im Wesentlichen Reagenzien und Geräte für medizinische Laboruntersuchungen, z.B. HIV-Tests, Gentests. Diese Produkte waren bislang dem Arzneimittelbereich und der Medizingeräte-Verordnung zuzuordnen. Mit den neuen Regelungen wird der Marktzugang für diese Produkte wesentlich erleichtert, da sie im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum verkehrsfähig werden, wenn die im Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen für das Inverkehrbringen erfüllt sind und die CE-Kennzeichnung angebracht wurde. Neben der Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika wird auch die Richtlinie 2000/70/EG zur Änderung der Richtlinie 93/42/EWG hinsichtlich Medizinprodukten umgesetzt. Mit ihr werden Medizinprodukte, die stabile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthalten, in den

Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

Association of the Scientific Medical Societies in Germany

AWMF S

Geschäftsstelle | office: Moorenstr. 5, Geb. 15.12

(Heinrich-Heine-Universität) D-40225 Düsseldorf Tel. (0211) 31 28 28 FAX (0211) 31 68 19

e-mail: [email protected] AWMF online: http://www.awmf-online.de/

Arbeitskreis "Ärzte und Juristen"

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 2

Medizinproduktebereich einbezogen. Zu diesen Medizinprodukten gehören z.B. mit Albumin beschichtete Katheter. Diese Richtlinie kann ab dem 13. Juni 2002 angewendet werden. Darüber hinaus erfolgte eine „Nachjustierung“ des Medizinprodukterechts aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem MPG. In diesem Zusam-menhang wurden Korrekturen, Klarstellungen, Präzisierungen vorgenommen (z.B. hinsichtlich der klinischen Prüfung) sowie Regelungslücken geschlossen (z.B. bezüglich der Aufbereitung von Medizinprodukten). Ebenso wurde das Programm der Bundesregierung „Moderner Staat-Moderne Verwaltung“ berücksichtigt. Im Rahmen dieses Programms beab-sichtigt die Bundesregierung, „die Wirksamkeit und Akzeptanz von Recht zu erhöhen und bei Gesetzentwürfen dort, wo es möglich ist, Rechtsvor-schriften selbst zu verbessern und die Regelungsdichte zu verringern.“ Außerdem sollen „Verwaltungsabläufe auf ihre Effizienz und Effektivität überprüft werden, um unnötige Bürokratien zu vermeiden.“ Zu Folie 2 Neben dem Medizinproduktegesetz wird eine Reihe weiterer Gesetze und Verordnungen geändert. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Folgeänderungen und Begleitregelungen zur Änderung des MPG.

Einbeziehung der In-vitro-Diagnostika in das Medizinprodukterecht

Umsetzung der Richtlinie über In-vitro-Diagnostika

Entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs des MPG

➨ Spezifische Regelungen

- Definitionen- Grundlegende Anforderungen- CTS (Common Technical Specifications)- Anzeigepflichten- Produkte für Leistungsbewertungszwecke- Konformitätsbewertungsverfahren (Regelung in der MPV)

➨ Übergangsvorschriften

Ergänzende nationale Regelungen

➨ Rolle des PEI

➨ Zusätzliche Bestimmungen zur Leistungsbewertung(sprüfung)

➨ Betreiber- und Anwendervorschriften

Medizinprodukte, die Plasmaderivate enthalten

Regelungsinhalte der Richtlinie 2000/70/EG

➨ Erfasste Produkte (ergänzende Wirkung ?)

➨ Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/42/EWG

➨ Spezielle Regelungen(Grundlegende Anforderungen, Klassifizierung, Konformitätsbewertungsverfahren)

➨ Termin der erstmöglichen Anwendung, Übergangsvorschriften

Umsetzung der Richtlinie 2000/70/EG durch das 2. MPG-ÄndG

➨ Definition der betroffenen Produkte

➨ Einbeziehung in den Anwendungsbereich des MPG

➨ Inkrafttretensregelung, Übergangsvorschriften

➨ Ansonsten kein spezifischer Regelungsbedarf ("selbsttätige" Umsetzung durch gleitende Verweisungen)

Zu Folie 3 Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie 98/79/EG wird der Anwendungsbereich des MPG entsprechend erweitert (§ 2). Bei den In-vitro-Diagnostika handelt es sich um eine Teilmenge der Medizinprodukte. Soweit nicht ausdrücklich differenziert wird, gelten die Vorschriften des MPG auch für In-vitro-Diagnostika. Eine Reihe spezifischer Regelungen für In-vitro-Diagnostika wird in das Gesetz aufgenommen: ! Definitionen: In-vitro-Diagnostikum, In-vitro-Diagnostikum zur Eigenanwendung, neues In-vitro-Diagnostikum, Kalibrier- und Kontrollmaterial

(§ 3). ! In der Regelung über die Grundlegende Anforderungen (§ 7) wird auf den entsprechenden Anhang der Richtlinie über In-vitro-Diagnostika

Bezug genommen. ! Regelungen über die Gemeinsamen Technischen Spezifikationen (CTS). Diese werden für In-vitro-Diagnostika mit hohem Risikopotential

festgelegt und entsprechen den harmonisierten Normen bei sonstigen Medizinprodukten. Das heißt, bei der Einhaltung der CTS ist von der Einhaltung der Grundlegenden Anforderungen auszugehen. Abweichend von den harmonisierten Normen besteht jedoch die Besonderheit, dass die CTS in der Regel einzuhalten sind; kommt der Hersteller in hinreichend begründeten Fällen den CTS nicht nach, muss er Lösungen wählen, die dem Niveau der CTS mindestens gleichwertig sind. Zur Zeit wird eine Entscheidung der KOM über die CTS unter Beteiligung insbesondere von Sachverständigen der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vorbereitet.

! Welches In-vitro-Diagnostika mit hohem Risikopotential sind, ist in Anhang II Liste A und B der Richtlinie 98/79/EG abschließend festgelegt. Dazu zählen Diagnostika in Verbindung mit Blut, HIV, gefährlichen Infektionserregern sowie dem Schutz von Mutter und Kind.

! Weitere spezifische Regelungen für In-vitro-Diagnostika sind besondere Anzeigepflichten, die Regelung der Voraussetzungen, unter denen Produkte für Leistungsbewertungszwecke, abgegeben werden dürfen, sowie die Konformitätsbewertungsverfahren.

! Aufgrund der Übergangsregelung können die betreffenden Produkte noch bis zum 7. Dezember 2003 nach dem alten Recht erstmalig in den Verkehr gebracht und bis zum 7. Dezember 2005 abverkauft werden.

Darüber hinaus enthält des MPG ergänzende nationale Regelungen zu In-vitro-Diagnostika: ! Für In-vitro-Diagnostika ist das BfArM nicht ausschließlich zuständige Bundesoberbehörde. Für In-vitro-Diagnostika mit hohem Risikopoten-

tial, also solche nach Anhang II der Richtlinie 98/79/EG, wird das PEI zuständige Bundesoberbehörde für die zentrale Erfassung und Bewer-tung von Risiken. Ausschlaggebend für die Zuweisung dieser Zuständigkeit an das PEI war, dass dieses bisher schon nach dem Arzneimit-telrecht für die Zulassung und Chargenprüfung dieser In-vitro-Diagnostika zuständig war. Das diesbezügliche spezifische Fachwissen und die umfangreichen Erfahrungen des PEI sowie dessen Prüf- und Bewertungskompetenz sollen jetzt auch im Medizinproduktebereich genutzt werden.

! Unabhängig von dieser Behördenzuständigkeit wird Paul-Ehrlich-Institut gestattet, ein in fachlicher Hinsicht nicht weisungsgebundenes Prüflabor einzurichten, das auf privatrechtlicher Grundlage als Unterauftragnehmer von Benannten Stellen im Rahmen der Konformitätsbe-

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wertung von bestimmten In-vitro-Diagnostika hinzugezogen werden kann. Eine entsprechende Akkreditierung ist erfolgt; das PEI ist diesbe-züglich seit ca. 1 Jahr tätig.

! Neu aufgenommen werden auch Regelungen zur Leistungsbewertung von In-vitro-Diagnostika und zu Leistungsbewertungsprüfungen. Die Regelung der Leistungsbewertung erfolgt analog den Regelungen zur klinischen Bewertung. Bezüglich der Leistungsbewertungsprüfung ent-hält das Gesetz jedoch von der klinischen Prüfung abweichende Regelungen. Denn anders als bei der klinischen Prüfung erfolgt bei In-vitro-Diagnostika die Erprobung naturgemäß an menschlichem Probenmaterial im Labor und nicht im oder am menschlichen Körper. Aus diesem Grund ergeben sich nicht in gleichem Maße ethische Probleme wie bei klinischen Prüfungen. Daher wird differenziert, ob unter bestimmten Umständen Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der betroffenen Personen gefährdet werden können. Soweit dies der Fall ist, z.B. bei zusätzlichen invasiven Probenahmen, gelten die Vorschriften über klinische Prüfungen entsprechend; im Übrigen ist die Zustimmung der Personen, von denen die Proben stammen, erforderlich, soweit deren Persönlichkeitsrecht oder kommerzielle Interessen berührt sind.

Betreiber- und Anwendervorschriften der MP-BetreibVO gelten auch für In-vitro-Diagnostika. Zu Folie 4 Von der Richtlinie 2000/70/EG sind die Produkte erfasst, die als Bestandteil einen Stoff enthalten, der - gesondert verwendet - als Arzneimittelbe-standteil oder Arzneimittel aus menschlichem Blut oder Blutplasma betrachtet werden kann und in Ergänzung zu dem Produkt eine Wirkung auf den menschlichen Körper entfalten kann. Diese Produkte werden in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte einbezogen. Spezielle Regelungen für diese Produkte erfolgen durch Änderung der entsprechenden Anhänge der Richtlinie 93/42 EWG, und zwar in Bezug auf ! zusätzliche Grundlegende Anforderungen, ! die Klassifizierung (generell Klasse III) und ! besondere Regelungen zur Konformitätsbewertung. Im Rahmen der Konformitätsbewertung wird insbesondere ein zentrales Konsultations-

verfahren bei der europäischen Arzneimittelagentur in London (EMEA) vorgeschrieben. Nach der Übergangsregelung können die betreffenden Produkte noch bis zum 13. Dezember 2005 nach dem bisherigen Recht erstmalig in den Verkehr gebracht und noch bis zum 13. Dezember 2007 abverkauft werden. Die Umsetzung der Richtlinie im 2. MPG-ÄndG erfolgt durch eine entsprechende Definition der betroffenen Produkte (§ 3 Nr. 3), eine Erweiterung des Anwendungsbereich des MPG (§ 2 Abs. 4 Nr. 3), eine Übergangsregelung (§ 44 Abs. 2). Infolge gleitender Verweisung im MPG auf die An-hänge der Richtlinie 93/42/EWG in Bezug auf Grundlegende Anforderungen, Klassifizierung und Konformitätsbewertungsverfahren besteht kein weiterer Umsetzungsbedarf.

Straffung der Vorschriften, Deregulierung

Streichungen / Kürzungen

➨ Vorschriften deklaratorischer Art

➨ Redundante Vorschriften

➨ Nicht zwingend erforderliche Verordnungsermächtigungen

➨ Streichung der Ausschüsse nach §§ 34 und 35 MPG

Neustrukturierung der Vorschriften

➨ Abbau von Verweisungsketten

➨ Zusammenfassung der Vorschriften zu klinischen Prüfungen / Leistungsbewertungsprüfungensowie zu Benannten Stellen im Gesetz

➨ Neuordnung der Überwachungsvorschriften

➨ Zusammenfassung der Verordnungsermächtigungen in einem Paragraphen

Klinische Bewertung und Prüfung / Leistungsbewertung(sprüfung)

Klinische Bewertung / klinische Prüfung (vorgesehene Neuregelungen)

➨ Erfordernis einer klinischen Bewertung, Verhältnis zur klinischen Prüfung

➨ Umgang mit personenbezogenen Daten

➨ Umfang der Probandenversicherung

➨ Anzeigepflicht der Prüfeinrichtungen

➨ Aufgaben der Ethikkommission (Erweiterung des Prüfumfangs)

➨ Übernahme der (meisten) einschlägigen Vorschriften der MPV in das MPG

➨ Einschränkung der Ausnahmeregelung des bisherigen § 19 MPG

Regelungen zur Leistungsbewertung(sprüfung) von In-vitro-Diagnostika

➨ Erfordernis einer Leistungsbewertung, Verhältnis zur Leistungsbewertungsprüfung

➨ Ethische Aspekte, Schutz der „Probanden“

➨ Anzeigepflichten

Zu Folie 5 Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzes sind die Straffung der Vorschriften, die Deregulierung und die Neustrukturierung des Gesetzes. In diesem Zusammenhang wurde eine Reihe von Vorschriften ganz gestrichen oder gekürzt, es wurden Verordnungsermächtigungen gestrichen und Verwei-sungsketten abgebaut. Beispiele:

- Aufhebung der Verordnungsermächtigung betreffend Anforderungen an Sachverständige: Der Bund sieht unter Aspekten des Gesund-heitsschutzes keine Notwendigkeit, speziell im Medizinprodukterecht bundeseinheitlich Anforderungen an Sachverständige und deren Zertifizierung in einer Rechtsverordnung zu stellen. Ohne konkrete Anforderungen können die Behörden zudem auf ein viel breiteres Spektrum an Sachverständigen zurückgreifen und so auch Detailsachverstand im Einzelfall heranziehen.

- Aufhebung der Verordnungsermächtigung betreffend der Grundlegenden Anforderungen: Nach den Vorgaben der europäischen Richtlinien müssen Medizinprodukte, damit sie in den Verkehr gebracht werden dürfen, u.a. die Grundlegenden Anforderungen erfüllen. Diese sind in den Anhängen der entsprechenden europäischen Richtlinien verbindlich vorge-schrieben. Bisher enthält des Gesetz die Regelung, dass Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten die Erfüllung der Grundlegenden Anforderungen ist. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, diese durch Rechtsverordnung bestim-men. In der Verordnung (Medizinprodukte-Verordnung) wird dann auf die einschlägigen Anhänge der Richtlinien verwiesen. Das neue Gesetz verweist nunmehr selbst auf die Anhänge der Richtlinien. Damit wird der „Umweg“ über die Verordnung gespart. Da eine glei-

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tende Verweisung auf die Anhänge erfolgt, werden Änderungen der Anhänge im deutschen MPG wirksam, ohne dass es einer Geset-zesänderung bedarf.

• Ebenso wie mit der Regelung der Grundlegenden Anforderungen wurde auch mit den Regelungen zur Klassifizierung von Medizinpro-dukten, zur klinischen Prüfung und zu den Benannten Stellen verfahren.

• Der Bund-Länder-Ausschuss (§ 34) sowie der Medizinprodukte-Ausschuss (§ 35) werden ebenfalls gestrichen, da es schnellere und flexiblere Wege gibt, notwendigen Beratungsbedarf zu befriedigen.

Zu Folie 6 Mit dem 2. MPG-ÄndG werden die Regelungen über die klinische Bewertung und ihr Verhältnis zur klinischen Prüfung im Gesetz zusammenge-fasst (§ 19). Eine weitere Regelung betrifft den Umgang mit persönlichen Gesundheitsdaten. Sie besagt, dass sich der Proband im Zusammenhang mit der Einwilligung ausdrücklich auch mit der Aufzeichnung solcher Daten und mit der Einsichtnahme durch Beauftrage des Auftraggeber sowie der zuständigen Behörde zu Überwachungszwecken einverstanden erklären muss. Bezüglich der Probandenversicherung wird eine Klarstellung vorgenommen. Die bisherige Regelung war missverständlich und führte häufig dazu, dass im Vollzug die erforderliche Gesamtversicherungssumme durch einfache Multiplikation der Anzahl der Probanden mit 1 Mio. DM ermittelt wurde; dies ergab in vielen Fällen völlig unrealistische und nicht mehr versicherbare Beträge. Nach der Neuregelung muss die Gesamtversiche-rungssumme auf der Grundlage einer Risikoabschätzung so festgelegt werden, dass - unter Berücksichtigung auch sonstiger möglicher Schäden - für jeden Fall des Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit einer von der Prüfung betroffenen Person mindestens 500.000 Euro zur Verfü-gung stehen. Die allgemeine Anzeigepflicht nach § 25 für Prüfeinrichtungen und Prüfärzte (Information der örtlich zuständigen Behörde über die Beteiligung an klinischen Prüfungen) entfällt und wird durch eine projektbezogene Anzeigeverpflichtung der Prüfeinrichtungen (einschließlich der beteiligten Prüfärzte) ersetzt. In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass auch der Auftraggeber der Prüfung diese Anzeige stellvertretend für die beteiligten Prüfeinrichtungen bei den für diese zuständigen Behörden vornehmen kann. Der Prüfauftrag der Ethikkommissionen erweitert. Bisher hatte sie nur den Prüfplan insbesondere unter ethischen und rechtlichen Gesichtspunk-ten zu prüfen. Künftig sind weitere Aspekte zu prüfen, nämlich die ! ärztliche Vertretbarkeit der jeweiligen Prüfung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1), ! Qualifikation des Leiters (§ 20 Abs. 1 Nr. 4), ! Durchführung der erforderlichen biologischen und technischen Sicherheitsprüfungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 und 6), ! die Information des Prüfleiters über die Ergebnisse (§ 20 Abs. 1 Nr. 7), ! die Angemessenheit der Probandenversicherung (um sicherzustellen, dass ein Auftraggeber eine klinische Studie nicht zu niedrig versichert)

(§ 20 Abs. 1 Nr. 9), ! das Vorliegen besonderer Voraussetzungen für Prüfungen an Minderjährigen und Schwangeren (§ 20 Abs. 4). Die Ausnahmeregelung des bisherigen § 19 wird restriktiver gefasst. Die Vorschriften zu klinischen Prüfung sollen auch dann Anwendung finden, wenn im Rahmen der klinischen Prüfung solcher Produkte zusätzlich invasive oder andere belastende Untersuchungen durchgeführt werden (§ 23). Zu Leistungsbewertung und Leistungsbewertungsprüfung von In-vitro-Diagnostika werden grundsätzlich entsprechende Regelungen in das Gesetz aufgenommen, aber mit den bereits erwähnten Besonderheiten, die berücksichtigen, dass die Leistungsbewertungsprüfungen im Labor stattfin-den.

Aufbereitung von Medizinprodukten

Derzeitige Situation

➨ Regelungen für Betreiber und Anwender in der MPBetreibV

➨ Keine unmittelbare Verpflichtung externer Dienstleister

Vorgesehene Neuregelungen

➨ Änderung der Definition „Inverkehrbringen“ im Hinblick auf die Aufbereitung

➨ Definition „Aufbereitung“

➨ Anzeigepflicht bei Aufbereitung für Dritte, Einbeziehung externer Dienstleister in die behördliche Überwachung

➨ Falls keine ausschließliche Rückgabe aufbereiteter (Steril-) Produkte an Auftraggeber: Reguläres Konformitätsbewertungsverfahren erforderlich

➨ Ergänzung der Ermächtigungsnorm für die Betreiberverordnung um Regelungen zur Instandhaltung / Aufbereitung

➨ Entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs der MPBetreibV

➨ Unmittelbare Verpflichtung auch externer Dienstleister in § 2 und § 4 MPBetreibV

➨ Verweisung auf „RKI-Richtlinie“ in der MPBetreibV

Zu Folie 7 Ein weiterer bedeutender Komplex ist die Wiederaufbereitung von Medizinprodukten. Diesbezüglich wird eine Reihe von Regelungen in das Ge-setz aufgenommen, auf die aber aufgrund des noch folgenden Vortrages zur Wiederverwendung von Einmalprodukten nicht näher eingegangen wird.

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 5

- Produkthaftung für Medizinprodukte aus juristischer Sicht: PD Dr. jur. F. Pflüger, Göttingen In unserem Rechtssystem liegt beim Umgang mit potentiell schadensträchtigen Gegenständen (also auch MPen) der Schwerpunkt der Gesetzge-bung und Rechtsanwendung auf der Seite der "prospektiven Schadensvermeidung" (oder zumindest auf der prospektiven Gefahrensteuerung)

Der Schwerpunkt liegt nicht ... (glücklicherweise - oder - aus Sicht des Haftungsrechtlers: ärgerlicherweise) auf der retrospektiven Zuweisung von bereits eingetreten Schäden.

Das zivile Haftungsrecht, das ja die Folgen solcher eingetretener Schäden - unter ganz verschiedenen rechtlichen Kautelen - dem Schadensver-ursacher bzw. dem Schadensverantwortlichen zuweisen will, ist daher nur eine Art zweiter juristischer Filter.

Der erste juristische Filter ist das öffentlich-rechtliche Überwachungsrecht, zuvorderst das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bzgl. der Inverkehrgabe von MP.

Die Beachtung dieses präventiven Verbotes wird im MPG und seine VOen durch ein recht komplexes Steuerungssystem sichergestellt, das mit z.T. mit neuen ordnungsrechtlichen Instrumenten arbeitet ...

...mit sog. "Grundlegenden Anforderungen", ...mit "Harmonisierten Normen",

...mit einer modularen Konformitätsbewertung durch privatrechtlich handelnde Benannte Stellen

...und mit einer Vielzahl von technisch ausgerichteten Quasi-Rechtsvorschriften in Gestalt von EN- und DIN-Normen.

Trotz dieses - im Einzelnen sehr komplexen - präventiven Sicherungssystems kommt es - und zwar mit naturgesetzlicher Gewissheit - immer wieder zu dramatischen Schadensereignissen,

... aus den Fällen der jüngsten Vergangenheit habe ich folgende 3 Beispiele herausgesucht, die ich im Laufe des Vortrages wiederaufgreifen werde.

- in diesem Jahr: der spektakuläre Massenschadensfall bei Sulzer-Medica: eine Schmiermittel-Verunreinigung von Hüftschalen-Implantaten, die hauptsächlich in den USA verwandt wurden, machte mehrere hundert RevisionsOPs notwendig; der Börsenwert von Sulzer-Medica halbierte sich innerhalb nur eines Handelstages.

- als nächstes ein Fall des OLG Düsseldorf aus 1999: bei der nach Niereninsuffizienz notwendigen Blutwäsche hatte sich die Schraubenverbin-dung zwischen arteriell liegendem Katheter und Infiltrationspatrone des Dialysegerätes gelöst. Der Patient verlor infolge Blutverlustes Bewusst-sein und verstarb nach fünftägigem Koma.

- und schließlich ...ebenfalls aus 1999... folgender Fall des OLG Hamm: Nach einer Herz-OP im Krankenhaus A wurde beim Patienten mittels einer Schlauchpumpe Wundsekret abgepumpt. Die Auffangflaschen waren mittels Schläuchen an eine spezielle Vakuumpumpe angeschlossen und mit einem besonderen Sicherungs-Mechanismus (einem sog. Wasserschloss) versehen; die Sicherung verhinderte das Einlaufen von Se-kret in die Pumpe.

Der Patient wurde mit noch liegendem Katheter ins Krankenhaus B verlegt, das keine speziell gesicherte Vakuumpumpe besaß und an die Auf-fangflaschen ersatzweise an ein ähnliches Gerät, einen sog. Ejektor, anschloss. Infolge einer Funktionsstörung des Ejektors (wahrscheinlich wegen Einsickerns von Sekreten) kehrte sich der Absaugeffekt in einen Ausblaseffekt um, der Patient fiel ein Dauerkoma.

In diesen Fällen soll also der zweite Filter des zivilen Haftungsrecht greifen, um das geschehene Unrecht zu korrigieren und den Schaden zu verteilen.

Nebenbei gesagt gibt es natürlich noch einen dritten Filter, nämlich das Strafrechts, hier § 230 StGB - fahrlässige Körperverletzung, ... damit wird jedoch im Bereich der Arzthaftung nur sehr zurückhaltend agiert ..(aktuelles Beispiel: Verfahren gegen den trotz eigner Hepatitis-B-Infektion operierenden Herzchirurgen Prof. Messmer im Aachener Klinikum).

Im Bereich der Produzentenhaftung gibt es Strafverfahren nur ganz ausnahmsweise; in spektakulären Massenschadensfällen (! Stichwort: der vielleicht bekannte Lederspray-Fall).

Für einen geschädigten Patienten bzw. Verbraucher stellen sich im Schadensfall nun zwei elementare Fragen:

I. Wer soll in Anspruch genommen, also ggfs. verklagt werden ?

II. Auf welcher rechtlichen Grundlage soll SE verlangt werden ?, wobei es vor allem darauf ankommt, ob aus der Haftungsvorschrift auch Schmer-zensgeld beansprucht werden kann.

Der geschädigte Patient klagt ja vor allem des Schmerzengeldes wegen, da der materielle Vermögensschaden fast vollständig von der Sozialver-sicherung getragen wird, auf die die Ansprüche des Patienten nach § 116 SGB X übergehen.

Die erste Frage - nämlich die nach dem Passivlegitimierten - ist leicht zu beantworten:

... je nach Schadensverursachung wird in Anspruch genommen ...

*zum einen der MP-Produzent;

* und zum anderen: Der MP-Betreiber bzw. -Anwender, also i.d.R. das Krankenhaus, die behandelnden Ärzte, ggfs. auch die Pflegekräfte oder das Assistenzpersonal.

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Bevor ich mich diesen zentralen Passivlegitimierten zuwende, möchte ich kurz einen weiteren möglichen Anspruchsgegners aufzeigen, der viel-leicht beim ersten Hinsehen nicht ins Auge springt:

Man könnte nämlich auf den Gedanken kommen, neben dem MP-Hersteller und dem MP-Anwender auch die "Benannte Stelle" zumindest mit zu verklagen. Soweit kein reiner Anwendungsfehler gegeben ist, kann im Schadensfall der Haftungsgrund darin liegen, dass die Bennante Stelle die Norm-Konformität MP festgestellt hat (... bei einer Konformitätsbewertung nach Anhang III oder VI - Baumusterprüfung oder Produktprüfung), das MP aber tatsächlich einen Produktfehler aufwies

-> das ist deshalb ein interessanter Ansatz, weil hier - anders als etwa bei Prüforganisationen, die als Beliehene hoheitlich handeln, keine Amts-haftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG vorläge.

Die Rechtsbeziehungen zwischen Benannter Stelle und Hersteller sind zivilrechtlicher (genauer: vertraglicher) Art; die Verbraucher bzw. Patienten sind wohl als "Dritte" in den Schutzbereich eines "Prüfvertrages" zwischen Benannter Stelle und MP-Hersteller einbezogen, so dass wir sowohl eine vertragliche, als auch eine deliktischer Haftung konstruieren könnten.

Praktisch wesentlich relevanter ist aber Haftung von MP-Betreibern und MP-Verwendern, also in erster Line von Krankenhauses und den dort tätigen Ärzten.

Die gesetzliche Anspruchsgrundlage hat die Rechtsprechung bisher fast stets im Deliktsrecht gesucht, also in den Vorschriften 823 Abs.1 und Abs.2 sowie in § 831 BGB, und nicht im Vertragsrecht, also in der positiven Vertragsverletzung.

Dies deshalb, weil es bisher nur bei unerlaubten Handlungen, also Delikten, in § 847 BGB einen Schmerzensgeldanspruch gab.

Dies wird sich freilich im nächsten Jahr ändern: Das zweite Schadensrechtsänderungsgesetz, (das ja etwas im Schatten der großen Schuld-rechtsreform steht) dehnt das Schmerzensgeld (dann geregelt in § 253 II BGB) auch auf Vertragsverletzungen aus; die Vertragverletzung selbst - bisher eine ungeschriebene, quasi-richterrechtliche Anspruchsgrundlage, wird im neuen § 280 BGB normiert;

Unabhängig davon, ob aus Vertrag oder aus Delikt geklagt wird, entscheidend für den Geschädigten ist die Frage der Beweislast, und zwar

*einmal: für das Verschulden des fehlerhaften MP-Einsatzes,

*aber auch: für die (haftungsbegründende) Kausalität zwischen MP-Fehler und eingetretener Gesundheitsverletzung.

Für beide Tatbestandsvoraussetzungen trägt im Falle der MP-Haftung ausnahmsweise nicht der klagende Patient sondern das verklagte Kran-kenhaus die Beweislast (ein Fall der echten Beweislastumkehr) ->

Die rechtlichen Begründungsansätze sind verschieden: Man kann auf den bisherigen § 282 BGB zurückgreifen (eine Regelung der BLU bei Un-möglichkeit), die ab 2002 durch § 280 Abs.1 S.2 BGB ersetzt wird und durch die negative Formulierung die Beweislast ausdrücklich umkehrt.

Man kann auch auf den sog. Anscheins-Beweis zurückgreifen (keine echte BLU, sondern eine Beweiserleichterung) oder auch mit der Rechtsfigur des voll beherrschbaren Risikos bzw. mit dem sog. Sphärengedanken argumentieren.

Die Überwälzung der Beweislast auf die Behandlungsseite ist jedenfalls billigkeitsrechtlich motiviert; die Rspr. argumentiert, dass der fehlerfreie Umgang mit Geräten und technischen Vorrichtungen ...- anders als das sonstige ärztliche Handeln - ...vom schicksalhaften Krankheitsverlauf unbeeinflusst und damit voll kontrollierbar sei.

Entsprechend hat das Gericht auch im geschilderten Infiltratations-Patronen-Fall entschieden, wo sich ja die Schraubenverbindung zwischen Patrone und Katheder gelöst hatte und der Patient daraufhin verblutet war.

Das Gericht führt aus: "Dem beklagten Krankenhausträger ist es nicht gelungen, die Verschuldensvermutung zu seinen Lasten zu entkräften. Er hat nicht dargetan, dass alle notwendigen Maßnahmen getroffen wurden, um die Lösung des Schraubverschlusses zu verhindern"

=> Gericht verlangte also die Einhaltung gesteigerter Sorgfaltspflichten:

*es hätte vor jeder Verwendung eine besondere Eingangsprüfung der Festigkeit des Schraubverschlusses vorgenommen werden müsse; und ...

*es hätte engmaschige Sichtkontrolle des Geräts organisiert werden müssen;

Die Nichteinhaltung dieser erforderlichen Sorgfalt (= gleichbedeutend mit Fahrlässigkeit) wird im Haftpflichtprozess in der Regel durch einen medizinsachverständigen Gutachter festgestellt.

Dieser Gutachter gibt Auskunft über den jeweiligen medizin-wissenschaftlichen Standard, z.B. ob vor dem Eingriff noch ein bestimmter Befund hätte erhoben werden müssen oder ob die Anwendung einer veralteten Operationsmethode noch vertretbar war.

Solche haftungserheblichen medizinischen Standards können jedoch nicht nur für den Einzelfall (retrospektiv) durch den Sachverständigen be-stimmt werden; sie können auch (von vornherein) normativ präjudiziert sein.

Das heißt: die Sorgfaltsstandards werden durch gesetzliche und untergesetzliche Rechtsvorschriften sowie durch anerkannte technische Regeln vorformuliert.

Soweit es sich bei solchen medizin-technischen Verhaltensregeln um Rechtsnormen handelt, ist deren Nichtbeachtung zugleich eine Schutzge-setzverletzung i.S.v. § 823 Abs.2 BGB, die wegen des verkürzten Verschuldensbezuges zu einer besonders strengen Haftung führt.

Eine solche positive Normierung von haftungserheblichen Verhaltenspflichten findet sich im MP-Recht in Gestalt des weitläufigen Pflichtenkanons der MP-BetreiberVO:

Beispielhaft sei nur genannt: *Erst-Einweisung durch den Hersteller; *bestimmte formale Qualifikationen des Anwenders; *regelmäßige Sicher-heitstechnische Kontrollen, z.T. auch messtechnische Kontrollen; *Führen von Dokumentationen (wie MP-Buch), *Meldung von Vorkommnissen (neue VO !) und vieles andere mehr.

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 7

Weiterhin finden wir - unterhalb der Ebene der eigentlichen Rechtsnormen - eine Vielzahl von DIN-Normen, technischer Standards, weiterhin Leitlinien und Empfehlung verschiedenster Gremien.

Ohne dem kommenden Referat über die Wiederverwendung von Einmal-Artikeln vorgreifen zu wollen,

nenne ich beispielhaft die allerneueste, immerhin 25-Seiten starke Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI über die "hygienischen Anforderung bei der Aufbereitung von Medizinprodukten".

Man muss indessen (juristisch bzw. dogmatisch) zunächst klarstellen, dass durch solche normierten Verhaltensregeln keine eigentlich neuen Haftungsgründe kreiert werden.

Die Rechsprechung hat auch schon vor Inkrafttreten der MP-BetreiberVO, die ja überdies viele Vorschriften aus MedGV von 1985 übernommen hat, für den Einzelfall Verkehrs- und Sorgfaltspflichten formuliert; z.B. die schon erwähnte Pflicht zur Sicht- und Funktionsprüfung eines Medizin-gerätes vor jeder Anwendung (heute positiv normiert in § 2 Abs. 5 MP-BetreiberVO).

Die führende Entscheidung des BGH dazu stammt aus dem Jahre 1978 und bezieht sich auf einen Schadensfall aus dem Jahre 1970, also lange vor Inkrafttreten der MedGV (1985): Es ging dort um einen eingeklemmten Schlauch eines Intubations-Narkose-Gerätes, der vor der fatalen Fehlfunktion hätte entdeckt werden müssen.

Die praktische Bedeutung der angesprochenen und mit großer Regelungsdichte normierten Betreiber- und Anwenderpflichten liegt jedoch darin, dass ein Verstoß gegen eine solche normierten Pflicht eine Sorgfaltspflichtverletzung und damit die medizinische Fahrlässigkeit "indiziert".

Dem Kläger bzw. seinem im Haftungsrecht hoffentlich versierten Anwalt werden nach Art einer Fehler-Checkliste wichtige Stichworte zur Klage-begründung an die Hand gegeben; der Richter bekommt genau das präsentiert, worauf er in seinem "Job" "konditioniert" ist, nämlich Rechtsvor-schriften, deren Einhaltung er prüfen kann.

Juristen als medizinische Laien können nur aufgrund dieses detaillierten Normengeflechts das ärztliche Handeln auf haftungsbegründende Pflicht-verletzungen "abklopfen".

Lassen Sie mich den Komplex "Haftung des Betreibers und Anwenders" mit einer besonderen Fragestellung abschließen, die in Haftungsfällen immer wieder auftaucht: Es geht um die Haftung für die Nicht-Bereithaltung neuester Medizintechnik.

Die führende Entscheidung des BGH stammt aus dem Jahre 1984, ...bezogen auf einen Vorfall im Jahre 1975: Bei einer sog "Pneumencephalo-graphie" (abgekürzt: PEG), also einer röntgenologischen Untersuchung des Gehirns mit Hilfe eines Luft-Gas-Gemisches, das in den Schädel des Patienten eingeführt wird, verlor der Patient das Bewusstsein und verstarb später. Ein ärztlich Behandlungsfehler bei Durchführung der PEG war nicht nachweisbar; fraglich war jetzt, ob eine Haftung damit begründet werden kann,

*dass (erstens) der Patient nicht in die benachbarte Uni-Klinik verlegt worden war, die im Jahre 1975 bereits über einen Computertomographen verfügte (also über eine non-invasive, risikolose Untersuchungsmethode),

*oder dass (zweitens) keine entsprechende Aufklärung über eben diese Möglichkeit erfolgt war.

Der BGH verneinte beide Fragen:

*im Jahre 1975 sei eine Untersuchung mittels PEG .noch standardgemäß gewesen, da erst ganz wenige CTGs zur Verfügung standen;

*und weiterhin habe es einer Aufklärung nicht bedurft, da keine echte Wahlmöglichkeit bestanden habe.

=> Bezüglich eines möglichen Aufklärungsfehlers muss man allerdings Einschränkungen machen; die neuere Rechtsprechung geht dahin, eine sog Qualitäts-Aufklärung immer dann zu verlangen, wenn der Einsatz des alten Geräts - wie immer wieder formuliert wird - "in der unter Bandbrei-te" des Standards liege.

# Ich komme nun zum zweiten Komplex der MP-Haftung, nämlich zur

Haftung des Produzenten bzw. Herstellers

Auch hier haben wir eine rechtliche Zweiteilung der Anspruchsgrundlagen; nicht - wie eben bei Betreiber- und Anwender-Haftung - zwischen Vertrag und Delikt,

sondern (innerhalb der deliktischer Haftung) zwischen der Verschuldenshaftung der §§ 823 ff. BGB und der erweiterten Gefährdungshaftung (...nach a.A.: Kausalhaftung) des ProdHaftG (PHG).

Zuerst ganz kurz zur verschuldensabhängigen Produzentenhaftung nach §§ 823 ff. BGB:

Die Rechtsprechung hat auch hier eine Beweislastumkehr (BLU) für das Verschulden entwickelt. Der geschädigte Verbraucher muss den Produkt-fehler , die Gesundheitsverletzung und die haftungsbegründende Kausalität beweisen; für Pflichtverletzung und Verschulden ist die Beweislast umgekehrt; an dieser BLU ändert auch das Führen eines CE-Kennzeichens bzw. eine erfolgreiche Konformitätsbewertung nichts; die Vermutung des § 5 MPG (bzw. nach § 8 MPG in der Fassung nach der 2. Novelle), wonach die Sicherheit eines MP vermutet wird, wenn es mit den Harmo-nisierten Normen übereinstimmt, gilt selbstverständlich nicht für das Haftungsrecht. Durch die "Innverkehrgabeerlaubnis" nach dem MPG (die ja das Substitut einer behördlichen Zulassung ist), kann sich der Hersteller - wie auch sonst durch behördlichen Zulassung - nicht gegen eine Haf-tung "immunisieren". In § 6 Abs. 4 MPG heißt es ausdrücklich: "Die Durchführung von Konformitätsbewertungsverfahren lässt die zivil- und straf-rechtliche Verantwortlichkeit des Verantwortlichen nach § 5 unberührt."

Der MP-Hersteller kann jedoch die Darlegung und Beweisführung für sein Nichtverschulden erleichtern.

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 8

Im Gegensatz zur Haftung nach dem PHG wird nach der Verschuldenshaftung des § 823 BGB nicht nur für die Fehlerhaftigkeit bzw. Unsicherheit eines MP gehaftet, sondern auch für dessen mangelnde Wirksamkeit.

Darin liegt ein - von den Geschädigten bisher kaum genutzter - Klagegrund, der geradezu zugeschnitten ist auf das Versagen von Labordiagnosti-ka, also von In-vitro-Diagnostika, die ja gem. § 1 Abs.5 Nr.4 MPG Medizinprodukte sind;

Labortestes versagen ziemlich oft: Bis Ende 1998 versagten so ziemlich alle GPT-Hepatitis C-Tests, mit denen ein bestimmtes Enzym gemessen wurde. In der Folge wurden eine große Zahl kontaminierter Plasmaprodukte ausgeliefert, die dann die entsprechenden Infektionen verursachten; in die Haftung genommen wurde in solchen Fällen in praxi aber nur der Blutprodukteproduzent, der ja - im Verhältnis zum Testhersteller - wesent-lich näher an der Schadensverursachung "dran" ist.

Ein Produktfehler kann durch Verschulden des Produzenten in vier Bereichen entstehen: dem der *Konstruktion, *Fabrikation, *Instruktion *und schließlich der *Produktbeobachtung

Wie auch bei Anwenderhaftung sind bei der Produzenten-Haftung viele einzuhaltende Verkehrs-Pflichten durch öffentlich-rechtliche Vorschriften konkretisiert bzw. präjudiziert:

(1) im Bereich der Konstruktion: durch die "Grundlegenden Anforderungen" gem. § 5 MPG bzw. gem. Anh I der EG RL, (die ihrerseits durch harmonisierten Normen, die in Deutschland als DIN EN-Normen gelten, technisch ausgefüllt werden);

(2) im Bereich der Fabrikation kann es dem Hersteller u.U. gelingen, sich dadurch zu entlasten, dass er auf sein von einer Benannten Stelle akzeptiertes Qualitätssicherungssystem verweist; sofern sich ein Herstellungsfehler nämlich als sog. "Produktionsausreißer" darstellen sollte, wird dafür nicht gehaftet;

Mit Produktionsausreißern hat man es natürlich nicht im Fall von Serienfehlern zu tun, die dann auch zu Serien- bzw. Massenschäden führen; so auch im anfangs erwähnten Fall "Sulzer-Medica", also der Schmiermittel-Verunreinigung gleich von mehreren Produktions-Chargen, die auch nach deutschem Recht natürlich ohne weiteres zu einer Produzentenhaftung führen würde.

(3) Um einen Instruktionsfehler zu vermeiden, muss der Hersteller dartun, dass er den Verwender ordnungsgemäß eingewiesen hat. Auch dann, wenn es sich bei den Instruktions-Adressaten (...wie zumeist...) um Fachleute handelt (also um Ärzte oder MTAs), muss auf einen naheliegenden Fehlgebrauch des MP hingewiesen werden.

=> Die Frage ist natürlich : welcher Fehlgebrauch naheliegend sein kann ?

Ein Beispiel dafür gibt der anfangs geschilderte Fall der Wundsekret-Absaugung, bei der anstelle einer speziell gesicherten Vakuumpumpe im Krankenhaus A, nach Verlegung ins Krankenhaus B, dort ein anderes (ungesichertes) Absauggerät (ein Ejektor) angeschlossen wurde.

Das OLG Hamm verurteilt den Hersteller der Absaugvorrichtung auf 200.000,- DM Schmerzensgeld und zwar wegen schuldhaftem Instruktions-fehlers. Auf Grundlage des im Jahre 1995 noch einschlägigen GerSiG verlangte das Gericht, dass an den Flaschen ein deutlicher Warnhinweis hätte angebracht werden müssen,

z.B. folgender Art: "Sonderanfertigung, nur zu verwenden im Krankenhaus A ...und mit der Vakuumpumpe xy !!".

Es gilt daher: Der Produzent haftet als mittelbarer Verursacher trotz unmittelbar schuldhafter Schadensverursachung durch den Anwender (hier durch das Pflegepersonals im Krankenhaus B) !!

(4) Schließlich ist eine Produzentenhaftung wegen Produktbeobachtungsfehlers möglich, also wegen Versäumnissen nach Inverkehrgabe des MP; dieser Bereich ist deshalb von Bedeutung, weil es hier keine Haftung nach dem PHG gibt.

Auch die Produnkbeobachtungspflichten sind im MP-Recht normativ konkretisiert, z.B. durch die institutionelle Organisationspflicht aus § 31 MPG (= § 30 der neuen Fassung) zur Bestellung eines Sicherheitsbeauftragten und insbesondere durch die neue Sicherheits-Plan-VO, die sowohl Meldpflichten für Vorkommnisse statuiert (Vorkommnisse sind auch "Beinahe-Unfälle"); als auch weitgehende Dokumentationspflichten und natürlich eine Rückrufpflicht enthält.

Zum Abschluss spreche ich nun die Haftung des Herstellers nach dem ProdHaftG (PHG) an (...die wesentlichen Vorschriften §§ 1 und 3 sind auf dem Hand-out abgedruckt...).

Ein Verschulden des Herstellers (bzw. des sonst verantwortlichen Importeurs) ist nicht erforderlich; die Haftung nach dem PHG ist eine erweiterte Gefährdungshaftung (andere sagen: Kausalhaftung), bei der schon der objektiver Produktfehler haftungsbegründend ist.

Trotz geringerer materieller Haftungs-Voraussetzungen (kein Verschulden erforderlich) hat das PHG bisher eher ein Schattendasein geführt, was daran lag, dass es bisher kein Schmerzensgeld gab.

Wie schon angedeutet ist 2002 das Jahr einer tiefgreifenden Umwälzung des Zivilrechts; durch den neugefassten § 253 BGB wird Schmerzens-geld nunmehr für jegliche Haftung auch außerhalb des BGB zugesprochen werden.

Man kann also ganz vorsichtig eine Art "Konjunkturbelebung" für das PHG prognostizieren.

Das PHG ist unumschränkt anwendbar auf MP - anders als bei Arzneimitteln -, wo außerhalb des BGB ausschließlich § 84 AMG einschlägig ist und das PHG ausdrücklich ausgeschlossen wird.

( § 84 AMG wird übrigens ebenfalls geradezu dramatisch verschärft werden:

*wie im PHG gibt es eine Ursachenvermutung für den Fehlerbereich [dass der Fehler bei Inverkehrbringen bereits vorlag und nicht später, z.B. durch Lagerschäden, entstanden ist],

*und vor allem: es gibt eine Art Anscheinsbeweis für die haftungsbegründende Kausalität, deren Nachweis bisher der entscheidende Fallstrick für eine erfolgreiche Klage war.

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 9

Damit haben wir vielleicht ein neues Einfallstor für Produkthaftungsprozesse, die vielleicht sogar ansatzweise amerikanische Ausmaße annehmen könnten. )

Doch zurück zum PHG und seinen TB-Merkmalen:

Haftungs-Voraussetzung im ProdHaftG ist ...wie gesagt ... ein Produkt-Fehler gem. § 3 PHG.

Im Unterschied zur Verschuldenshaftung nach § 823 BGB wird nicht zwischen verschiedenen Fehler-Bereichen unterschieden; es gilt ein einheit-licher Fehlerbegriff, der davon abhängt, dass das Produkt nicht die Sicherheitserwartungen erfüllt, die ein durchschnittlicher Verbraucher daran richtet.

=> Die Beurteilungsperspektive wird umgekehrt, es wird nicht gefragt:

*wie hätte ein ordentlicher Produzent das Produkt gefertigt, sondern...

*welche Sicherheit erwartet ein "ordentlicher" (durchschnittlicher) Abnehmer des Produkts ?

In § 1 Abs.2 sind Haftungs-Auschluss-Gründe enthalten, die freilich der Hersteller beweisen muss.

Der wichtigste Ausschlussgrund ist wohl Nr.5, wonach der Hersteller trotz vorhandenen Produktfehlers nicht haftet, wenn "der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt der Inverkehrgabe nicht erkannt werden konnte".

=> Ausgeschlossen ist damit die Haftung für das sog. Entwicklungsrisiko, weshalb die Produkthaftung vielleicht keine echte bzw. enge Gefähr-dungshaftung ist.

Im praktisch angewandten Haftungsrecht hilft indessen die Kenntnis / Definition und dogmatisch Kategorisierung der gesetzlichen Vorschriften nicht viel weiter.

Das Problem steckt, insbesondere bei relativ neuen und noch wenig gereiften Gesetzen wie dem PHG - in der jeweiligen Anwendung auf Fälle, die der Gesetzgeber nicht im einzelnen vorausbedacht hat, was er auch gar nicht konnte.

Ich will dieses Anwendungs-Problem zum Abschluss am Beispiel der Haftungs-Ausschlussgründe des § 1 Abs.2 Ziff.1 und Ziff.3 PHG verdeutli-chen:

Über die Auslegung dieser Haftungs-Ausschluss-Gründe hatte der EuGH jüngst im Rahmen einer Vorabentscheidung auf Antrag eines dänischen Gerichts befunden.

Dem Ganzen lag ein recht interessanter Schadensfall zugrunde:

Dem transplantationsbedürftigen Patienten war von seinem Bruder eine Niere gespendet worden. Kurz nach der Explantation wurde die Niere jedoch mit einer fehlerhaften Perfusionsflüssigkeit durchspült, so dass sie unbrauchbar wurde. Die Spülflüssigkeit war in der Krankenhaus-Apotheke der Transplantationsklinik hergestellt worden.

Der Transplantations-Patient verklagt nun das Krankenhaus, und zwar aus PHG (bzw. aus dessen dänischen Pendant, dem "Lov Nr. 371" , das genau wie das deutsch PHG aufgrund einer einheitlichen EG-Richtlinie erlassen wurde.

Das verklagte Krankenhaus argumentierte,

die Perfusions-Flüssigkeit sei nicht i.S.v. Ziff. 1 in Verkehr gebracht worden, weil

* der (auf dem OP-Tisch liegende) Patient die Flüssigkeit nicht bewusst gekauft habe,

*und die Flüssigkeit nur rein betriebsintern verwendet wurde, und zwar nicht im Rahmen eines Absatzgeschäfts, sondern im Rahmen einer reinen Dienstleistung, für die es keine Gefährdungshaftung gibt (was zutrifft: Der Entwurf einer Dienstleistungs-Haftungs-RL war im Jahre 1982 geschei-tert).

Der EuGH ist dem nicht gefolgt mit zwei m.E. ganz zutreffenden Argumenten :

Mit dem systematischen Argument, dass sich das Krankenhaus auf einen Haftungs-Befreiungs-TB berufe also auf eine Ausnahmevorschrift zum Regelfall der Haftung. Ausnahmen sind - wie jeder Jurist aus der Methodenlehre weiß - eng auszulegen, so dass die Interpretation der Beklagten nicht griff.

Des Weiteren könne man es nicht gegen den geschädigten Patienten verwenden, dass er ein MP nicht bewusst gekauft oder sich sonst beschafft hat; dazu war er ja als hilfebedürftiger Kranker im Krankenhaus gar nicht in der Lage.

Weiterhin hat das verklagte Krankenhaus sich auf § 1 Abs.2 Ziff.3 PHG berufen, wonach der Hersteller nicht haftet, wenn

"er das Produkt nicht mit wirtschaftlichem Zweck und auch nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat ".

Argument der beklagten Klinik: Die Krankenhausversorgung in Dänemark (gleiches gilt im Übrigen auch für Deutschland) sei Teil der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge, und daher keine wirtschaftlich Tätigkeit.

Das ist natürlich ... auch aus Sicht der EuGH ... ein Scheinargument:

In Zeiten von DRG's kann ein Krankenhaus den - auch - wirtschaftlichen Charakter seiner Tätigkeit - auch im Haftungsrecht - nicht mehr erfolg-reich bestreiten ...

Im Ergebnis musste das Krankenhaus also (zu Recht) für den Verlust der Niere haften !

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 10

Ich hoffe, ich konnte über die übliche Tour d'Horizon der haftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen hinaus einige Thesen zum Einfluss des Ordnungs- (sprich Verwaltungsrechts) auf das HaftungsR aufwerfen...

und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

- Aus Sicht des Versicherungsrechtlers: Prof. Dr. jur. E. Klingmüller, Köln Manuskript lag zum Zeitpunkt des Drucks dieses Protokolls noch nicht vor und wird ggf. nachgereicht. - Rechtliche Problematik der Wiederverwendung von Einmalartikteln in der Medizin: Dr. U. Baur, Düsseldorf 1. Einführung Obwohl die Wiederaufbereitung insbesondere teurerer Medizinprodukte, die vom Hersteller als ,,Einmalartikel" vertrieben werden, seit langem der allgemeinen Praxis im Krankenhaus entspricht, ist deren Zulässigkeit auch heute noch umstritten. Dies wird sich wohl im Rahmen der anstehen-den Novellierung des Medizinproduktegesetzes ändern. Zwar geht die Literatur ganz überwiegend von der Zulässigkeit einer Aufbereitung von Einmalprodukten aus, doch haben erst jüngst Haindel/Helle in der Zeitschrift Medizinrecht vom August ds.J. in einem umfangreichen Beitrag den Standpunkt vertreten, dass eine Wiederverwendung von Einmalartikeln gem. § 22 MPG unzulässig sei, da hierdurch gegen den bestim-mungsgemäßen Zweck verstoßen werde. Das Gesetz sehe zwar keine Sanktionen vor, doch könnten die Aufsichtsbehörden im Rahmen der ihnen obliegenden Überwachungsaufgabe einschreiten. Das Gebot in § 22 verschärfe die zivilrechtliche Haftung, da es Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB sei. Der Arzt sei außerdem verpflichtet, den Patienten über die beabsichtigte Wiederverwendung eines Einmalartikels aufzuklä-ren. Schließlich bejahen Haindel/Helle auch zivilrechtliche Ansprüche des Herstellers gegen Betreiber und Anwender unzulässig wiederverwende-ter Einmalprodukte nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (vgl. MedR 2001, Heft 8, 411, 418).

Aber nicht nur die Rechtswissenschaft ist gespalten, auch medizinische Kreise tragen seit Jahren einen heftigen Streit darüber aus, ob die Ver-wendung aufbereiteter Einmalartikel mit erhöhten Gefahren für den Patienten verbunden ist oder nicht. So hat z.B. jüngst der Radiologe Beck, Konstanz, erneut über die Gefahren der Wiederverwendung von Einmalartikeln berichtet ( chefarzt aktuell 2001, 28 ff). Eine zehnjährigen Studie, in der über 2000 Einmalartikel (Dilatationskatheter, Führungsdrähte, Einmalangioskope, etc.) nach der Aufbereitung auf ihre Wiederverwendbar-keit untersucht worden waren, habe deutliche mechanische Irritationen, zurückbleibende Verschmutzungen sowie thermische Oberflächenverän-derungen erwiesen. Demgegenüber verweisen Buchwalsky/Grove/Feldkamp auf ,,25 Jahre Erfahrung mit wiederaufbereiteten Herzkathetern", in denen fast 100.000 Herzkathetereingriffe mit Einschwemmkathetern durchgeführt wurden, wobei in über der Hälfte der Fälle wiederaufbereitete Katheter verwendet wurden (Zeitschrift für Kardiologie 2001, Band 90, Heft 8, 542). Hinter der Diskussion um die Wiederverwendung von Einmalprodukten in der Medizin stehen fraglos enorme ökonomische Interessen. So berich-ten Buchwalsky et al. über eine jährliche Kosteneinsparung von rd. DM 300.000.00 durch Aufbereitung und Wiederverwendung von Herzkathetern an der Schüchtermann-Klinik (a.a.O., S. 547). Angesichts der Kostendiskussion im Gesundheitswesen und der bestehenden Budgetierung im Krankenhausbereich mag es verständlich erscheinen, dass Krankenhausträger zu diesem Mittel der Kostendämpfung greifen. Inzwischen haben sich auf dem Markt Firmen etabliert, die zertifiziert sind (ISO 9001 und EN 46001) und für Krankenhäuser in einem validierten Verfahren Einmalar-tikel aufbereiten (z.B. remed, Vanguard). 2. Rechtsgrundlagen Angesichts der seit vielen Jahren praktizierten Wiederverwendung und der ebenso lang geführten Diskussion um die Zulässigkeit der Wiederauf-bereitung von Einmalartikeln ist das Fehlen einer gesetzlichen Regelung im geltenden Medizinprodukterecht überraschend. De lege lata fehlt sowohl eine Legaldefinition des Einmalartikels als auch eine Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Aufbereitung und Wiederver-wendung. Seit dem 01.01.1988 bestimmte das Arzneimittelgesetz (AMG) in § 2 Abs. 2 Nr. 1 a, dass ärztliche Instrumente, soweit sie nur zur einmaligen Anwendung bestimmt sind, als Arzneimittel gelten. § 8 Abs. 1 Nr. 1 AMG verbietet die Herstellung von Arzneimitteln, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind. In der Literatur hierzu wurde ganz überwiegend die Meinung vertreten, dass sich aus dem AMG ein Verbot der Wiederverwendung von Einmalartikeln nicht herleiten lasse (Kappstein, Das Kranken-haus 1990, 382 ff). Das Medizinproduktegesetz (MPG) vom 02. August 1994, das am 01.01.1995 in Kraft trat, hat die Diskussionen um die Zulässigkeit der Wieder-verwendung von Einmalartikeln neu entfacht. Hieran hat auch die Medizinprodukte-Betreiberverordnung - MPBetreibV - vom 29. Juni 1998 nichts geändert. Allerdings wurde stets ganz überwiegend die Rechtsauffassung vertreten, dass die Wiederaufbereitung oder Resterilisierung von Ein-mal-Medizinalprodukten erlaubt sei. Diese Auffassung kann sich auch auf Äußerungen aus dem Bundesgesundheitsministerium und dem seiner-zeit zuständigen Referenten berufen (z.B. Schreiben des BMG an die Deutsche Krankenhausgesellschaft vom 04.06.1998 mit Abdruck an die zuständigen Stellen der Bundesländer). Auch in den EG-Richtlinien vom 20.06.1990 und vom 14.06.1993, die für die Auslegung solcher innerstaatlichen Rechtsnormen maßgeblich sind, durch die die Richtlinien umgesetzt wurden (sog. richtlinienkonforme Auslegung) findet sich keine ausdrückliche Regelung zur Wiederaufberei-tung von Einmalprodukten. Die Vertreter der Unzulässigkeit einer Wiederaufbereitung stützen ihre Rechtsauffassung im wesentlichen auf folgende Argumentation. Die umfassende Bedeutung des dem Medizinprodukterecht zugrunde liegenden Sicherheitskonzepts und die systematische Interpretation des MPG führten zu dem Schluß, dass die Bestimmung zur einmaligen Verwendung eines Medizinprodukts durch den Hersteller ein Bestandteil der Zweck-bestimmung im Sinne von § 3 Nr.9 MPG sei (vgl. Haindel/Helle, MedR 2001, 411, 418).

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 11

Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 MPG dürften medizinische Produkte u.a. nur entsprechend ihrer Zweckbestimmung angewendet werden. Andererseits vertreten die Befürworter der Zulässigkeit einer Wiederverwendung den Standpunkt, dass die Bestimmung zur einmaligen Verwendung durch den Hersteller keine Zweckbestimmung im Sinne von § 3 Nr.9 MPG sei. Ich möchte an dieser Stelle die umfangreiche Diskussion um die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Wiederverwendung von Einmalprodukten nicht erweitern. Ich möchte mich zum einen auf den Hinweis beschränken, dass die Literatur ganz überwiegend von der Zulässigkeit ausgeht und diese Rechtsauffassung sicherlich als herrschende Meinung bezeichnet werden kann. Zum andern möchte ich anmerken, dass nach meinem Rechtsverständnis unter der Zweckbestimmung im Sinne von § 3 Nr. 9 MPG nur die Funktionsbestimmung gemeint ist, also die Festlegung, zu welchem Zweck das Medizinprodukt bei Menschen angewendet werden soll. Diese Beschränkung der Zweckbestimmung auf die Anwendungs-funktion ergibt sich insbesondere aus § 3 Nr.1 MPG, wonach Medizinprodukte solche Gegenstände sind, die

mittels ihrer Funktionen zum Zwecke a) der Erkennung, Verhütung, Überwachung und Behandlung oder Linderung von Krankheiten b) der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen c) der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder d) der Empfängnisregelung

zu dienen bestimmt sind (vgl. § 3 Nr.1 MPG). 3. Rechtliche Anforderungen an die Aufbereitung

Wenn das Medizinprodukterecht nicht zwischen Einmal- und Mehrfach-Artikeln unterscheidet, so gelten auch für Einmalprodukte die gesetz-lichen Anforderungen an die Anwendung und Instandhaltung. So bestimmt § 22 Abs. 1 Satz 2 MPG, dass Medizinprodukte nicht angewendet werden dürfen, wenn sie Mängel aufweisen, durch die Patienten, Beschäftigte oder Dritte gefährdet werden können. Und § 4 Abs. 2 Medizin-produkte-Betreiberverordnung bestimmt:

Reinigung, Desinfektion und Sterilisation von Medizinprodukten sind unter Beachtung der Angaben des Herstellers mit geeigneten vali-dierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird.

Die herrschende Meinung geht davon aus, dass unter der ,,Beachtung" der Angaben des Herstellers nur eine ,,Berücksichtigung" zu verste-hen ist, also nicht eine zwingende Befolgung, wobei sich die Vertreter dieser Rechtsauffassung insbesondere darauf berufen, dass die EG-Richtlinien an den entsprechenden Stellen nur den Begriff der ,,Berücksichtigung" verwenden. Eine ,,Befolgung" sei auch deshalb ausge-schlossen, weil andernfalls die Verwendung anderer Aufbereitungsverfahren als vom Hersteller empfohlen ausgeschlossen wäre, was jedoch nicht in der Absicht des Verordnungsgebers gelegen habe (vgl. Schneider, MedR 1999, 459). Diese Argumentation ist nach meiner Meinung überzeugend, weil andernfalls der Verordnungsgeber in § 4 Abs. 2 sicherlich davon gesprochen hätte, dass die Aufbereitung ,,nach dem vom Hersteller angegebenen Verfahren" durchzuführen sei. In dem bereits erwähnten Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums an die Deutsche Krankenhausgesellschaft heißt es u.a.:

,,Die Philosophie des Medizinproduktegesetzes ist darauf abgestellt, dass es dem Hersteller oder auch den betroffenen Kreisen freige-stellt ist, die Sicherheitsziele auch auf anderem Wege zu erfüllen."

Auch weist Bender zu Recht darauf hin, dass die eigentliche Bedeutung der Erklärung des Herstellers, sein Produkt sei ein Einmalprodukt, im Haftungsrecht zu suchen sei. Denn der Hersteller mache mit einer solchen Erklärung deutlich, dass er die Verantwortung nur im Hinblick auf die erstmalige Anwendung übernehme (vgl. MedR 2000, 365). Zulässigkeitsvoraussetzung für die Aufbereitung von Einmalartikeln ist demnach, dass die Aufbereitung mit einem validierten Verfahren so durch-geführt wird, dass der Erfolg dieses Verfahrens nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten nicht gefährdet wird. 4. Die Novellierung des Medizinprodukterechts Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Medizinproduktegesetzes (2. MPG-ÄndG) dient der Umsetzung der EG-Richtlinie 98/79/EG über in-vitro-Diagnostika, mit der Labordiagnostika in den Regelungsbereich des Medizinprodukterechts einbezogen werden, sowie der Umsetzung der EG-Richtlinie hinsichtlich Medizinprodukten, die stabile Derivate aus menschlichen Blut enthalten. Aus Anlass dieser Novelle werden ergänzende Änderungen vorgenommen, die der ,,Klarheit und Transparenz" dienen sollen. Im Rahmen dieser Novelle wird in den § 3 (Begriffsbestimmungen) eine neue Ziffer 14 eingefügt, in der der Begriff der Aufbereitung erstmals und wie folgt definiert wird:

Die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten ist die nach deren Inbe-triebnahme zum Zwecke der erneuten Anwendung durchgeführte Reinigung, Desinfektion und Sterilisation einschließlich der damit zu-sammenhängenden Arbeitsschritte sowie die Prüfung und Wiederherstellung der technisch-funktionellen Sicherheit.

In dem neu eingefügten § 10 Abs. 3 Satz 2 wird darüber hinaus klargestellt, dass die Voraussetzungen für das erstmalige lnverkehrbringen sowie für das Sterilisieren von Medizinprodukten entsprechend für solche Medizinprodukte gelten, die nach dem erstmaligen lnverkehrbringen aufberei-tet und an andere abgegeben werden.

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 12

Schließlich bestimmt der neu gefaßte § 26 (Durchführung der Überwachung), dass auch solche Betriebe der Überwachung durch die zuständige Behörde unterliegen, die Medizinprodukte für andere aufbereiten (vgl. Abs. 1). Die mit der Überwachung beauftragten Personen sind befugt, Unterlagen über die Aufbereitung einzuführen (vgl. Abs. 3 Nr.3). Im Rahmen der Novelle wird auch die Medizinprodukte-Betreiberverordnung geändert, insbesondere hinsichtlich der Aufbereitung von Medizinpro-dukten. Zunächst wird in § 4 Abs. 1 klargestellt, dass unter den Begriff des ,,Instandhaltens" nicht nur die Wartung, Inspektion und Instandsetzung, son-dern auch die Aufbereitung fällt. Und § 4 Abs. 2 schreibt nun speziell für die Aufbereitung von Medizinprodukten die Anwendung eines validierten Verfahrens vor. Der Entwurf der Bundesregierung vom 15.06.2001 hatte bei der Novellierung des § 4 Abs. 2 noch davon gesprochen, dass die Aufbereitung unter ,,Beachtung der Angaben des Herstellers" zu erfolgen habe. Eine Formulierung, die schon bisher die Gegner der Aufbereitung von Einmalartikeln zur Stützung ihrer Rechtsposition herangezogen hatten. Auf Grund einer Empfehlung des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) des Deutschen Bundestags wurde die Formulierung in § 4 Abs. 2 von der ,,Beachtung" ersetzt durch das Wort ,,Berücksichtigung". Damit wurde eine Formulierung aufgegriffen, die nach Meinung der Befür-worter der Wiederverwendung durch das EG-Recht vorgegeben wird. Der Deutsche Bundestag hat nun in seiner Sitzung vom 08. November 2001 den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der Vorschläge des Ausschusses zu § 4 Abs. 2 angenommen (vgl. Bundesrat-Drucksache 898/01, S.21, vom 09.11.2001>. Da nunmehr de lege lata klargestellt ist, dass bei der Aufbereitung von Medizinprodukten die Angaben des Herstellers lediglich zu berücksichtigen sind, die Entscheidungsfreiheit des Anwenders über die Art und Weise, wie die Sicherheitsziele zu erreichen sind, durch Vorgaben des Herstellers somit nicht eingeengt werden kann, darf davon ausgegangen werden, dass der Wiederverwendung aufbereiteter Medizinprodukte in der Zukunft keine ernsthaften Einwendungen entgegengebracht werden können. Es kommt hinzu, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen der anstehenden Novelle keine Aussage gegen die Wiederverwendung trifft, auch nicht in der amtlichen Begründung. Auf Grund der jahrelangen Diskussion um die Zulässigkeit hätte es nahegelegen, dass der Gesetzgeber die Novelle zum Anlass nimmt, sich zu dieser Streitfrage zu äußern, wenn er der Mei-nung wäre, dass eine Wiederverwendung unzulässig sein soll. 5. Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts Das Robert-Koch-Institut trägt im Rahmen der Aktualisierung seiner Empfehlungen zur Aufbereitung von Medizinprodukten der Klarstellung durch den Gesetzgeber Rechnung. Die ,,Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention" beim Robert-Koch-Institut (RKI) hat in Zusam-menarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) Empfehlungen herausgegeben zu den

Anforderungen an die Hvgiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten Diese zuletzt im Dezember 1992 im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichte Empfehlung wurde nunmehr aktualisiert und neu gefasst. Sie ist in der November-Ausgabe des Bundesgesundheitsblatts publiziert und kann außerdem von der Website des RKI - www.rki.de - abgerufen werden. Die Empfehlung enthält erstmals auch einen Abschnitt zur ,,Aufbereitung angewendeter Medizinprodukte" (vgl. Ziff. 2.2 der Empfehlungen). Allgemein weisen die Empfehlungen darauf hin, dass eine der wichtigsten Maßnahmen für die sachgerechte Durchführung der Aufbereitung die Risikobewertung und Einstufung der aufzubereitenden Medizinprodukte ist. Darauf basierend hat der für die Aufbereitung Verantwortliche unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers schriftlich festzulegen:

- ob - mit welchen Verfahren - und unter welchen Bedingungen

Medizinprodukte aufbereitet werden und bei der Aufbereitung durch Dritte wird empfohlen, die Rechte und Pflichten des Betreibers und des Auf-tragnehmers, und die Modalitäten der Übergabe und Rückgabe der Medizinprodukte schriftlich in einem Vertrag zu fixieren. Das auftragnehmende Unternehmen soll ein Qualifikationsmanagementsystem nachweisen, das zertifiziert ist. Voraussetzung für die Aufbereitung ist, dass die Eignung (Produktverträglichkeit) der zur Anwendung kommenden Aufbereitungsverfahren und deren Wirksamkeit im Rahmen einer Validierung belegt wurde. Für jedes Medizinprodukt ist durch den für die Aufbereitung Verantwortlichen schriftlich festzulegen, ob, wie oft und mit welchen Verfahren es aufbereitet werden soll. Für die Durchführung der Aufbereitung angewendeter Medizinprodukte sehen die Empfehlungen folgendes vor:

Bei angewendeten Medizinprodukten sind folgende Aufbereitungsschritte erforderlich:

-das sachgerechte Vorbereiten (Vorbehandeln, Sammeln, Vorreinigen und ggf. Zerlegen) der angewendeten Medizinprodukte und deren sicher umschlossenen und Beschädigungen vermeidenden Transport zum Ort der Aufbereitung,

-die ReinigunglDesinfektion, Spülung und Trocknung, -die Prüfung auf Sauberkeit und Unversehrtheit der Oberflächen (z.B. Korrosion, Materialbeschaffenheit) und ggf. Identifikation zum

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Zwecke der Entscheidung über eine erneute Aufbereitung, -die Pflege und Instandsetzung, -die Prüfung der technisch-funktionellen Sicherheit, und, je nach Erfordernis, -die Kennzeichnung sowie -das Verpacken und die Sterilisation.

Die Aufbereitung endet mit der dokumentierten Freigabe des Medizinproduktes zur erneuten Anwendung.

Das aufbereitende Unternehmen muss über die Gewährleistung der genannten Anforderungen hinaus sicherstellen, dass die angewendeten Medizinprodukte nach der Aufbereitung an das beauftragende Krankenhaus - und nur an dieses - zurückgegeben werden. Würden die Produkte an einen anderen Anwender abgegeben werden, so wäre dies ein ,,lnverkehrbringen", das nur dann zulässig ist, wenn das aufgearbeitete Produkt einem neuen Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen wurde (vgl. §§ 8,9,14 MPG). 6. Aufklärung des Patienten Haindel/Helle meinen, dass die Wiederverwendung aufbereiteter Einmalprodukte unzulässig sei, dass die Rechtsvorschriften jedoch keine Sank-tionen gegen einen Verstoß enthalten. Sie leiten aus § 823 Abs. 2 BGB die Pflicht des Arztes ab, den Patienten über die an ihm beabsichtigte Wiederanwendung eines nur zur einmaligen Verwendung bestimmten Medizinproduktes aufzuklären. Die Verfasser lassen allerdings offen, wie dies in der Praxis aussehen soll. Denn es ist kaum vorstellbar, dass ein Patient einer solchen Anwendung zustimmt. Diese Rechtsposition ist spätestens mit Inkrafttreten der vorstehend erwähnten Novelle nicht mehr haltbar. Bender weist in seinem sehr instruktiven Beitrag in MedR 2000, 365, darauf hin, dass die Wiederaufbereitung von Einmalartikeln kein Aufklä-rungsproblem ist. Soweit die Selbstbestimmungsaufklärung die Diagnose-, Verlaufs- sowie Risikoaufklärung umfasse, gelte folgendes. Im Rahmen der Verlaufsaufklärung müsse dem Patienten der Ablauf der geplanten Behandlungsmaßnahme ,,nur in groben Zügen verdeutlicht" werden. Spezielle medizinische Erläuterungen müsse der Arzt nicht von sich aus geben. Der Arzt sei also nicht verpflichtet, seinen Patienten über die spezielle medizinisch-technische Frage der Wiederverwendung aufbereiteter Einmalartikel anlässlich des Eingriffs aufzuklären. Auch die Pflicht zur Aufklärung über Behandlungsalternativen greife nicht, da es insoweit allein um das Behandlungskonzept, d.h. alternative Behandlungen mit gleichwertigen Chancen, aber andersartigen Risiken gehe. Die Auswahl zwischen einem wiederaufbereiteten Einmalartikel und der Verwendung eines neuen Produkts oder eines Mehrfachprodukts sei jedoch gerade keine therapeutische Entscheidung über verschiedene zur Wahl stehende Behandlungen, sondern eine nachgeordnete Entscheidung bei der Ausführung des zuvor festgelegten individuellen Behand-lungsplans. Aber auch ein Fall der Risikoaufklärung liegt nach Bender nicht vor. Im Rahmen dieser Aufklärung müssten dem Patienten die Gefahren des Eingriffs vor Augen geführt werden. Da die Wiederaufbereitung eines Einmalartikels nach dem Medizinprodukterecht nur dann zulässig sei, wenn die Qualität konstant bleibe, der Patient durch den Einsatz eines wiederaufbereiteten Artikels also keinem höheren Risiko als bei dessen einmali-ger Verwendung ausgesetzt sein dürfe, werde durch den Einsatz aufbereiteter Einmalprodukte kein neues aufklärungspflichtiges Risiko gesetzt. Eine Aufklärungspflicht hieße letztendlich, den Arzt zu verpflichten, den Patienten darüber aufzuklären, dass keine zusätzlichen Gefahren beste-hen. Zu Recht weist Bender darauf hin, dass die Verwendung eines aufbereiteten Einmalartikels ein Behandlungsfehler ist, der durch eine ärztliche Aufklärung nicht geheilt werden kann, wenn die Wiederaufbereitung nicht risikolos möglich ist. Da mit der Wiederverwendung von Einmalproduk-ten gerade keine Erhöhung des eingriffsspezifischen Risikos verbunden sein dürfe obliege dem Arzt auch keine Aufklärungspflicht. Das Haftungs-risiko des Arztes liege im Ergebnis nicht in der Aufklärungspflichtverletzung sondern ausschließlich im Bereich der Haftung für ärztliche Kunstfeh-ler, wenn das am Patienten verwendete wiederaufbereitete Einmalprodukt nicht mehr die ursprüngliche Qualität aufweist und dadurch für den Patienten ein zusätzliches Eingriffsrisiko gesetzt wird. 7. Wiederverwendung und BSE Nach derzeitigem Erkenntnisstand wird die BSE-Erkrankung durch Kontakt mit infektiösem Material übertragen. BSE-Erreger sind sog. Prionen, die sich durch eine ungewöhnliche Hitzeresistenz sowie dadurch auszeichnen, dass sie durch fast alle Desinfektionsmittel nicht inaktiviert werden können. Die Diagnostik dieser Erkrankung wird erschwert da bisher keine messbare Immunantwort auf den Erreger beobachtet worden ist. Es wird daher ein potentielles Risiko angenommen, dass BSE-Erreger iatrogen durch Kontakt von infizierten Materialien auf andere Patienten übertragen werden. Das Robert-Koch-Institut in Berlin hat in Anlehnung an eine Empfehlung in Großbritannien eine Tabelle mit der potentiellen BSE-infektiösität von Organen aufgestellt: Infektiosität 0 r g a n e

hoch Gehirn, Rückenmark, Auge,

Dura mater, Hypophyse mittel Appendix, Milz, Tonsillen, LK, NN niedrig Leber, Pankreas, Thymus keine Muskel, Herz, Blut, Schilddrüse,

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Daraus wird ersichtlich, dass besonders Organe des zentralen Nervensystems eine hohe Infektiösität aufweisen. Um die Gefahr einer iatrogenen Übertragung besser abschätzen zu können, wurde vom Robert-Koch-Institut zusätzlich zu der Benennung von Risikoorganen ein Rlslkoprofil für Patienten erstellt, differenziert nach hohem Risiko und erhöhtem Risiko.

Patienten mit hohem Risiko • Bestätigte Prionenerkrankung

• Klinisch wahrscheinliche CJK, vCJK

• Träger von Mutationen im Prion-Protein-Gen

• Familienmitglieder bei familiärer CJK

Patienten mit einem hohen Risiko einer iatrogenen Übertragung sind soIche, die bereits unter einer bestätigten Prionen-Erkrankung leiden oder klinische Merkmale der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung aufweisen.

Patienten mit erhöhtem Risiko • Patienten mit ungeklärter ZNS-Erkrankung oder Demenz

• Empfänger von Wachstumshormonpräparaten

• Empfänger von Dura mater-Transplantaten

Patienten mIt erhöhtem Risiko sind solche mit einer ungeklärten ZNS-Erkrankung oder Demenz sowie Empfänger von Wachstumshormonen oder Dura-Mater-Transplantaten. Auf dem 15. Chirurgentag in Hamburg am 27. Oktober 2001 wurden die Konsequenzen für den klinischen Alltag diskutiert und dabei folgende Empfehlungen ausgesprochen:

-Bei Patienten mit einer bekannten oder wahrscheinlichen CreutzfeldtJakob-Erkrankung bzw. deren Variante sollten bei allen klinischen Anwendungen lediglich Einmal-Instrumente benutzt werden, die anschließend verbrannt werden. -Patienten, bei denen der klinische Verdacht auf eine solche Erkrankung besteht, können ebenfalls durch Verwendung von Einmal-Instrumenten mit anschließender Verbrennung behandelt werden. Wegen der damit verbundenen Kosten wird alternativ die Verwendung von Instrumenten empfohlen, die gesondert gekennzeichnet und asserviert werden, bis die endgültige Diagnose vorliegt. -Eine generelle Verwendung von Einmal-Materialien mit anschließender Verbrennung wird bei den asymptomatisch Erkrankten nicht emp-fohlen. Es sei jedoch wichtig, die Aufmerksamkeit für dieses Risiko nicht aus den Augen zu verlieren und den Patienten anhand der auf-gezeigten Risikoorgane und der Risikoprofile im Vorfeld einer Operation einzuteilen.

2. Thema: Der „besondere Fall“ - Urteilsbesprechung: Dr. jur. H. Franzki, Celle Besprechung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 2001 (MedR 2001, 421) Eine neue Variante der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht (Grundaufklärung)? Das Urteil hat anscheinend eine gewisse Unsicherheit ausgelöst und die Frage aufgeworfen, ob der BGH in den Fällen, in denen sich ein Risiko verwirklicht hat, über das der Patient nicht aufgeklärt worden war, seine bisherige Rechtsprechung zur Grundaufklärung verlassen will. Diese Frage lässt sich nur beantworten, wenn man sich einen Überblick über die bisherige Rechtsprechung in den Fällen verschafft, in denen - sich ein anderes Risiko als dasjenige, über das aufgeklärt worden ist, oder - ein nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht hat, es aber schon an gehöriger Aufklärung über die näher liegenden und aufklärungspflichtigen Risiken mangelt. Es sind das die Fälle, in denen die Begriffe Haftungsbegrenzung, Schutzzweck der Norm, Zurechnungszusammenhang, Richtungs- und Grund- oder Basisaufklärung eine Rolle spielen. Im Jahre 1983 verneinte das OLG Karlsruhe (NJW 1983, 2643) eine Haftung im folgenden Fall: Bei einer Krampfaderverödung war es trotz Ver-wendung eines Dopplergerätes zu einem Arterienverschluss gekommen, den der Sachverständige darauf zurückführte, dass entweder bei der Injektion des Verödungsmittels ein kleiner Seitenast der Arterie getroffen worden war oder eine abnorme Verbindung zwischen Arterie und Vene

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bestand. Das Gericht hielt dieses Risiko wegen seiner extremen Seltenheit nicht für aufklärungspflichtig. Allerdings war auch eine Aufklärung über das näher liegende Risiko, dass bei der Injektion die Arterie direkt getroffen wird, unterblieben. Das OLG verneinte in diesem Fall eine Haftung, weil sich nicht das der Aufklärungspflicht unterliegende Risiko, sondern ein anderes, nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht hatte. Auch wenn davon auszugehen sei, dass die Patientin bei pflichtgemäßer Aufklärung über das näher liegende Risiko die Einwilligung in den Eingriff verweigert hätte, sei der Schaden dem Arzt doch nicht zuzurechnen, weil er außerhalb des durch den Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm gezogenen Rahmens liege. Dieser Rechtsprechung, der Kern (Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, 1983, S. 151 f.) ausdrücklich zugestimmt hat (a.A. Mertens, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 823 RdNr. 423 f und Schloßhauer-Selbach NJW 1985, 680), sind zunächst die OLG Hamm, Düsseldorf und München gefolgt, während das OLG Köln sich ihr nur für den Fall anschließen wollte, dass wenigstens eine Basisaufklärung erfolgt sei (Nachweise der zunächst unveröffentlichten Entscheidungen in BGH NJW 1989, 1533, 1534). Der BGH ließ diese Frage in seinem Urteil vom 7.2.1984 (NJW 1984, 1395) bewusst offen. In diesem Fall hatte der Patient einer Rektoskopie zugestimmt, ohne über die mögliche Schmerzhaftigkeit dieses Eingriffs aufgeklärt worden zu sein. Tatsächlich war es nicht zu dem schmerzhaf-ten Verlauf, wohl aber zu einer Dickdarmperforation gekommen. Auch dieses Risiko (nach Ansicht des Sachverständigen in einer Größenordnung von 1 : 10 000 bis 1 : 20 000) hielt der BGH grundsätzlich für aufklärungspflichtig, es sei denn, die Behauptung des beklagten Arztes treffe zu, er habe in den letzten drei Jahren solche Eingriffe in 8 000 Fällen ohne Komplikationen durchgeführt. Wegen der Unterschiedlichkeit der Risiken entschied der BGH hier, die Verwirklichung eines nicht aufklärungspflichtigen Risikos (Darmperforation) sei dem Arzt, der nur die gebotene Aufklä-rung über mögliche Schmerzen unterlassen habe, wegen eines fehlenden inneren Zurechnungszusammenhangs dieser Folgen haftungsrechtlich nicht zuzurechnen. Auch in seinem Urteil vom 1.10.1985 (NJW 1986, 1541) ließ der BGH die vom OLG Karlsruhe aufgeworfene Rechtsfrage nochmals offen. In diesem Fall war die Klägerin zwar über das allgemeine Risiko bei Kieferhöhlenoperation nach Caldwell-Luc, nicht aber über das erhöhte Risiko einer Trigeminusnervschädigung bei einer Rezidivoperation aufgeklärt worden. Falls die noch feststellungsbedürftigen Gesichtsschmerzen der Patientin gerade aus der Verwirklichung dieses Risikos folgten, bejahte der BGH einen haftungsrechtlichen Zusammenhang mit dem Aufklärungs-versäumnis. Deutlich nahm der BGH zu der Problematik erstmals in seinem Urteil vom 14.2.1989 (NJW 1989, 1533) Stellung. In diesem Fall hatte ein Ortho-päde zur Behebung einer Schultersteife ein cortisonhaltiges Präparat in die Gelenkkapsel gespritzt. Es kam zu einer Infektion des Gelenks und schließlich zu einer tödlich verlaufenden Sepsis. Der Patient war weder über das Risiko einer Gelenkinfektion noch die Möglichkeit einer tödlichen Sepsis aufgeklärt worden. Der BGH bejahte eine Aufklärungspflicht in Bezug auf die Infektionsgefahr, obwohl der Sachverständige das Risiko nur mit etwa 0,1 bis 0,7 % der Fälle bezeichnet hatte. Er verneinte jedoch die Aufklärungspflicht in Bezug auf das sehr seltene Risiko einer tödlichen Sepsis. Die Einwilligung eines Patienten beziehe sich nicht auf das eine oder andere Risiko, sondern werde nur insgesamt in den ärztlichen Eingriff erteilt oder verweigert. Sei davon auszugehen, dass der Patient schon bei Kenntnis des geringeren, aber aufklärungspflichtigen Risikos dem Eingriff nicht zugestimmt hätte, so sei dem Arzt auch der Schaden zuzurechnen, der durch Realisierung des ferneren, nicht mehr aufklä-rungspflichtigen Risikos eingetreten sei. Da hier beide Risiken in derselben Richtung gelegen hätten, fehle es nicht am Zurechnungszusammen-hang. Dieser könne allenfalls entfallen, wenn das nicht aufklärungspflichtige Risiko nach Bedeutung und Auswirkung für den Patienten mit den mitzuteilenden Risiken nicht vergleichbar sei und der Patient wenigstens Kenntnis vom allgemeinen Schweregrad des Eingriffs besessen habe. Deutlicher noch hat der BGH den Gedanken der erforderlichen Grundaufklärung in den beiden folgenden Entscheidungen herausgearbeitet. In seinem Urteil vom 12.3.1991 (NJW 1991, 2346) ging es um eine Bandscheibenoperation, vor der der Arzt die Patientin nur auf die Möglichkeit vorübergehender Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen hingewiesen hatte. Tatsächlich war es zu einer hochgradigen Paraparese der unteren Extremitäten sowie einer Blasen- und Mastdarmlähmung gekommen. Für aufklärungspflichtig wurde in diesem Fall das Risiko einer organisch bedingten Caudalähmung gehalten, nicht jedoch eine hier tatsächlich eingetretene psychogene Lähmung. Obwohl sich also das nicht aufklärungspflichtige Risiko verwirklicht hatte, bejahte der BGH die Haftung, weil es jedenfalls an der gebotenen Grundaufklärung über Art und Schweregrad des Eingriffs fehlte. Hierzu sei zwar nicht die exakte medizinische Beschreibung aller denkbaren Risiken geboten; wohl aber müsse er eine Vorstellung von Art und Schweregrad des Eingriffs erhalten, wozu der Hinweis auf das schwerste möglicherweise in Betracht kommende Risiko gehöre. Daran habe es hier gefehlt. Gleiche Überlegungen stellte der BGH in seinem Urteil vom 14.11.1995 (NJW 1996, 777) an. In diesem Fall war die Patientin einer Myelographie unterzogen worden und hatte auf dem Rücktransport auf einer Trage einen generalisierten Krampfanfall erlitten, bei dem es zu einer Humeruslu-xationsfraktur gekommen war. Der BGH hielt zwar nicht diesen Krampfanfall, wohl aber Lähmungserscheinungen bis hin zur Querschnittslähmung als Folge einer Myelographie für aufklärungspflichtig. Da es an dieser Aufklärung mangelte, wurden dem Arzt auch die Folgen des nicht aufklä-rungspflichtigen Krampfanfalls zugerechnet. Anders verhält sich der Sachverhalt, der dem Urteil des BGH vom 15.2.2000 (NJW 2000, 1784) zugrunde lag. Hier handelte es sich um eine Routineimpfung gegen Kinderlähmung, bei der die Mutter des Impflings durch ein Merkblatt darauf hingewiesen worden war, als Folge der Impfung könnten extrem selten Lähmungen (ein Fall auf fünf Millionen Impfungen) auftreten. Tatsächlich war es bei dem Kind zu einer Impf-Poliomyelitis gekommen. Der BGH ließ in diesem Fall die Aufklärung durch das Merkblatt für nur einen Elternteil genügen und hielt die Behauptung, die Aufklärung hätte sich auch auf zusätzliche Risiken (z.B. Menin-go-Encephalitis, Krampfanfälle etc.) erstrecken müssen, für bedeutungslos. Wenn sich gerade dasjenige Risiko verwirklicht habe, über das aufge-klärt werden musste und auch tatsächlich aufgeklärt worden sei, so spiele es regelmäßig keine Rolle, ob bei der Aufklärung auch andere Risiken der Erwähnung bedurft hätten. Der Patient habe jedenfalls in Kenntnis des verwirklichten Risikos seine Einwilligung gegeben. Überlegungen dazu, ob er die Zustimmung bei Hinweis auf ein anderes Risiko möglicherweise versagt hätte, seien notwendigerweise spekulativ und könnten deshalb nicht Grundlage für einen Schadensersatzanspruch sein.

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 16

Die jüngste Entscheidung zu diesem Problemkreis ist das Urteil des BGH vom 30.1.2001 (MedR 2001, 421). Hier hatte der Patient seit Jahren unter Bandscheibenbeschwerden gelitten, die erfolglos konservativ behandelt worden waren. Er wurde schließlich von einem Belegarzt in dessen Belegstation aufgenommen, um eine Diskographie sowie eine Laser-Nervenwurzeldekompression durchzuführen. Der Eingriff führte zu einer Peronaeusparese (Fußheberschwäche) sowie zur Impotenz des Patienten. Das OLG Hamm verurteilte den Arzt zum Schadensersatz, weil es ungeachtet der fehlenden Hinweise auf die tatsächlich eingetretenen Schäden auch in diesem Fall an der erforderlichen Grundaufklärung gefehlt habe, die bei einem solchen Eingriff das Risiko einer Querschnittslähmung hätte erfassen müssen. Der BGH ist dieser Begründung nicht gefolgt und hat ausgeführt, es gehe hier nicht um den Mangel der Grundaufklärung. Hierauf komme es an, wenn sich durch die Behandlung ein äußerst seltenes, nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht habe, dem Patienten aber nicht einmal ein Hinweis auf das schwerstmögliche Risiko gegeben worden sei, so dass er sich von der Schwere und Tragweite des Eingriffs keine Vorstellungen habe machen können. Hier aber gehe es gerade nicht um den Fall, dass sich ein nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht habe. Der Patient sei unstreitig nicht auf das Risiko einer Impotenz hingewiesen worden, was aufgrund des Sachverständigengutachtens als aufklärungspflichtig bezeichnet werden müsse und was den Patienten zur Verweigerung der Operationseinwilligung geführt hätte. Dann aber hafte der Arzt auch für die Peronaeusparese, ohne dass es noch darauf ankomme, ob auf dieses Risiko aufmerksam gemacht worden sei. Verwirkliche sich nämlich ein aufklärungspflichtiges Risiko, über das der Patient tatsächlich nicht aufgeklärt worden war, so hafte der Arzt, falls von einer Einwilligungsverweigerung des Patienten aus diesem Grunde auszugehen sei, auch für andere verwirklichte Risiken, über die der Patient aufgeklärt gewesen sei. M.E. sind jedenfalls die beiden letzten Entscheidungen des BGH zur Grundaufklärung, das Urteil zur Impfaufklärung und diese letzte Entschei-dung konsequent und frei von Widersprüchen. Namentlich lässt sich zwischen den beiden letzten Entscheidungen keine überraschende Wende erkennen. Will man versuchen, die aktuelle Rechtsprechung in vereinfachenden Thesen wiederzugeben, so ließe sich etwa folgendes sagen:

1. Hat trotz aufklärungspflichtiger Behandlung keine Aufklärung stattgefunden, sich aber auch kein Risiko verwirklicht (gewiss ein immer noch alltäglicher Fall!), so stellt sich mangels Schadens die Frage einer Haftung nicht (Fall der nicht schadensbelasteten Nichtaufklä-rung - "Reiter-über-den-Bodensee"-Syndrom).

2. Ist der Patient umfassend aufgeklärt worden und haben sich ein oder mehrere Risiken verwirklicht (Fall der Vollaufklärung), so kommt

eine Haftung ebenfalls nicht in Betracht. Das gilt auch dann, wenn sich ein anderes, nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht hat.

3. Ist der Patient nur über eines von mehreren Risiken aufgeklärt worden (Fall der Teilaufklärung) und hat sich gerade dieses Risiko reali-siert, kommt auch keine Haftung in Betracht, weil er dieses Risiko jedenfalls in Kauf genommen hat und sich nur spekulieren ließe, wie er sich bei der Nennung der weiteren Risiken verhalten hätte.

4. Ist der Patient überhaupt nicht aufgeklärt worden und haben sich eines oder mehrere aufklärungspflichtige Risiken verwirklicht, die er

bei Kenntnis nicht in Kauf genommen hätte, so wird für alle realisierten Risiken einschließlich derjenigen gehaftet, auf die sich die Auf-klärung nicht hätte erstrecken müssen, weil in diesem Fall die Behandlung insgesamt unterblieben wäre (Fall der schadensbelasteten Nichtaufklärung).

5. Ist der Patient nur zum Teil aufgeklärt worden, hat sich aber ein anderes, nicht erwähntes Risiko realisiert, ist zu unter-

scheiden:

a) Ist dieses Risiko unter voller Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Patienten von geringerem oder höchstens gleichem Gewicht wie das erwähnte Risiko, verdient die Behauptung des Patienten, bei Kenntnis auch des realisierten Risi-kos hätte er seine Einwilligung versagt, in der Regel keinen Glauben (Fall der Teilaufklärung mit Realisierung eines nicht er-wähnten, aber gleichwertigen oder geringeren Risikos - "Prinzessin-auf-der-Erbse"-Syndrom).

b) Ist das nicht erwähnte, aber ebenfalls aufklärungspflichtige Risiko von größerem Gewicht oder so andersartig, dass der Pati-

ent bei seiner Kenntnis neue Überlegungen hätte anstellen und zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können, greift die Haftung ein. Sie umfasst in diesem Fall auch den Schaden, der sich aus der Realisierung des erwähnten Risikos ergibt (Fall der Teilaufklärung mit Realisierung eines nicht erwähnten andersartigen und gravierenden Risikos).

6. Hat eine Teilaufklärung stattgefunden, sich aber ein fern liegendes, nicht mehr aufklärungspflichtiges Risiko realisiert, ist wiederum zu unterscheiden:

a) Hat die unvollständige Teilaufklärung dem Patienten immerhin ein ausreichendes Bild von Art und Schwere des Eingriffs

vermittelt (Fall der ausreichenden Grundaufklärung), wird nicht gehaftet, falls sich ausschließlich das nicht mehr aufklä-rungspflichtige Risiko verwirklicht hat.

b) Fehlt es schon an dieser Grundaufklärung, kann sich der Patient auf die Unwirksamkeit seiner Einwilligung berufen mit der

Folge, dass auch für einen Schaden gehaftet wird, der allein aus der Realisierung des nicht aufklärungspflichtigen Risikos resultiert (Fall der nicht ausreichenden Grundaufklärung).

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 17

3. Thema: Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit Juristische und medizinische Erörterung des Gutachtens des Sachverständigenrats für die Konzrtierte Aktion -Gutachten „Überversorgung, Unterversorgung, Fehlversorgung“ (Vorstellung des GA): Dr. med. A. Helou, Geschäftsstelle SVR, Bonn Folie 1 Folie 2

Gutachten 2000/2001 „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“

des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen

Band III: Über-, Unter- und Fehlversorgung

Dr. med. Antonius Helou MPHGeschäftstelle des Sachverständigenrates für die

Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen

Dr. A. Helou MPH 2

Gutachten 2000/2001Bedarfsgerechtigkeit und

Wirtschaftlichkeit-----------------------------------------------------------Band I: Zielbildung, Prävention, Nutzerorientierung

und Partizipation Band II: Qualitätsentwicklung in Medizin und Pflege

(März 2001)---------------------------------------------------------------------

Band III (4 Teilbände):Über-, Unter- und Fehlversorgung

(August 2001)--------------------------------------------------------------------

Addendum (Arzneimittelversorgung)(7. Dezember 2001)

Folie 3 Folie 4

Dr. A. Helou MPH 3

Vom Rat durchgeführte Befragung

Fachges. Betroff.Org.

KAiG u.sonstige

Insges.

Anzahl 129 69 102 300

Rücklauf(n)

84 43 74 201

Rücklauf-quote

65 % 62 % 72 % 67 %

Dr. A. Helou MPH 4

Stellungnahmen der Fachgesellschaften

• Beträchtliche Unterschiede hinsichtlich Umfang, Art der Aufarbeitung und Qualität

• (Zahn-)Ärztliche und psychologische Versorgung im Mittelpunkt (wenig Aussagen zu Heil- und Hilfsmittel sowie Pflege)

• Aussagen zu einem breiten Spektrum von Krankheiten

Folie 5 Folie 6

Dr. A. Helou MPH 5

Prioritätensetzung

1. ischämische Herzkrankheiten, inklusive Herzinfarkt 2. zerebrovaskuläre Erkrankungen, insbesondere

Schlaganfall 3. chronische, obstruktive Lungenkrankheiten, auch

Asthma bronchiale bei Kindern4. Rückenleiden 5. Lungenkarzinom, Mammakarzinom, Kolon- und

Rektumkarzinom 6. depressive Störungen

Dr. A. Helou MPH 6

Thematisierte Aspekte• Prävention• Diagnostik• Pharmakotherapie• operative und andere invasive Verfahren• Psychotherapie und psychosomatische

Grundversorgung• Heil- und Hilfsmittel• Rehabilitation, Pflege• Kapazitäten• Strukturprobleme (u. a. Aus-, Weiter- und Fortbildung;

horizontale und vertikale Verzahnung)

Folie 7 Folie 8

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 18

Dr. A. Helou MPH 7

Einschätzung der Versorgungslage durch die Fachgesellschaften

• Nebeneinander von bedarfsgerechter, Über-, Unter-und Fehlversorgung

• Aussagen zur Unterversorgung nahmen den größten Raum ein

• Zahlreiche Hinweise auf unzureichende Datenlage zur Bewertung der Versorgungsqualität

D r. A. H e lou M P H 8

Nebeneinander von bedarfsgerechter, Über-, Unter- und Fehlversorgung

Folie 9 Folie 10

Dr. A. Helou MPH 9

Grundlegende Paradigmenund Versorgungsgewohnheiten

Krankheitsartenübergreifende Muster von Über-, Unter- und Fehlversorgung

krankheitsspezifische Probleme derÜber-, Unter- Fehlversorgung

Dr. A. Helou MPH 10

− Dominanz der akutmedizinischen Versorgung.− Vernachlässigung von Prävention und

Rehabilitation chronisch Kranker.− Unzureichende Berücksichtigung der sozialen,

psychischen, lebensweltlichen und biographischen Bezüge (‚somatische/biomedizinische Fixierung‘).

Dysfunktionale „Paradigmen“

Folie 11 Folie 12

Dr. A. Helou MPH 11

− Unzureichende Schulung, Information und Partizipation des Patienten und seiner Bezugspersonen.

− Mangel an interdisziplinären und flexiblen Versorgungsstrukturen.

− Abweichen von Grundsätzen einer evidenzbasierten Versorgung.

Dr. A. Helou MPH 12

−Inadäquate Anreizsysteme, die chronisch Kranke für die Krankenkassen und Leistungserbringer zu einem ‚schlechten Risiko‘ machen.

−Unzureichende Berücksichtigung der speziellen Versorgungsbedürfnisse chronisch Kranker in der Qualifikation und Sozialisation der Gesundheitsberufe.

Folie 13 Folie 14

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 19

Dr. A. Helou MPH 13

Gesundheits-förderung Prävention Kuration Rehabilitation Pflege

Sequentieller Krankheitsverlauf

Dr. A. Helou MPH 14

Pflege

Rehabilitation

KurationGesund-

heits-förderung

Prävention

ChronischKranke

Folie 15 Folie 16

Dr. A. Helou MPH 15

Bewertungsstufen des Rates

Bewertungsstufe:Versorgungsproblem

Bewertungsstufe:Lösungsmaßnahmen

Empfehlung

A hinreichend sicher hinreichend sicher Intervention

B hinreichend sicher modellfähige Hinweise Entwicklung

C hinreichend sicher erscheinen möglich, abernoch keine modellfähigenHinweise

Entwicklung

D ernstzunehmendeHinweise

hinreichend sicher odermodellfähige Hinweise

Investigation

E ernstzunehmendeHinweise

möglich oder z. Z. nichtbeurteilbar

Investigation

F derzeit keineverwertbaren Hinweise

– –

Dr. A. Helou MPH 16

Ergebnisse des Gutachtens• Paralleles Vorliegen von bedarfsgerechter sowie Über-,

Unter- und Fehlversorgung (ÜUF)• Finanzielle Restriktionen allein können diese Defizite

nicht hinreichend erklären• Krankheitsartenübergreifende Muster von ÜUF• Überholte und dysfunktionale Modelle und Paradigmen

in Qualifikation, Gesundheitsversorgung und Versorgungsforschung

• keine oder bestenfalls partielle Umsetzung innovativer Versorgungskonzepte“ (Diabetes mellitus, Brustkrebs)

Folie 17 Folie 18

Dr. A. Helou MPH 17

• unzureichende Datenbasis zur Quantifizierung von ÜUF bzw. von Wirtschaftlichkeitsreserven

• erstaunlicher Mangel an aussagekräftigen Versorgungsdaten seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Kassen und der Länder

• regionalisierte Bewertung von UÜF nur eingeschränkt möglich

• „Qualitative Problemhaushalte“

Mangel an validen Versorgungsdaten

Dr. A. Helou MPH 18

Ausblick• Beurteilung der Versorgungssituation ist eine

Daueraufgabe (§ 142 SGB V)• Erweiterung des Versorgungsforschungsprogramms

von BMBF und Spitzenverbänden der Kassen• Ausreichend ausgestattetes, befristetes und

mehrgliedriges Versorgungsforschungsprogramm unter inhaltlicher und finanzieller Beteilung von BMG und BMBF

• Ausschreibung der Projekte sollte auf die Beteiligung der Fachgesellschaften zielen

Folie 19 Folie 20

Dr. A. Helou MPH 19

• Daten zur Versorgungssituation, Epidemiologie• Evaluation der Versorgung unter alltagsnahen

Bedingungen (effectiveness)• Entwicklung methodischer Standards („Charta“):

Studiendesign, Weiterentwicklung von Datenquellen und Indikatoren der Versorgungsqualität

• verstärkte Thematisierung von Über- und Fehlversorgung

Dr. A. Helou MPH 20

• Prävention• evidenzbasierte Leitlinien• Transparenz und Qualität des

Leistungsgeschehens (fachspezifische Modelle für Leistungsberichte

• Informationsmaterialien für Nutzer und Patienten• Zieldiskussion und Fortschrittsbewertung• Einrichtung einer übergeordneten

Beratungskommission (vergleichbar der Beratenden Kommmission für die Umsetzung des § 20 SGB V

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 20

- Anmerkungen aus medizinischer Sicht: Prof. Dr. med. H.-F. Kienzle, Köln Die Aufgabe, ein nahzu 1.000 Seiten umfassendes Gutachten auf 20 Minuten Referat zu kondensieren, ist sehr schwierig. Das Gurtachten wurde von Frau Ministerin Fischer am 08.02.2000 in Auftrag gegeben, als es am 20.03.2001 der Öffentlichkeit übergeben wurde (Bd. 1 u. 2), war sie längst nicht mehr im Amt. Da aber Ministerin Schmidt sich derselben Gutachter bedient, dürften Gutachten und Ergebnisse weiterhin in der Diskussion bleiben. Folie 1

Mitglieder Sachverständigenrat

• Prof. Dr. med. (Epidemiologie, Sozialmedizin, Gesundheitssystemforschung

• Prof. Dr. rer. pol. (Volkswirtschaftslehre) • Prof. Dr. phil. (Fachhochschule, Gesundheitswesen) • Prof. Dr. rer. pol. (Public Health, Wissenschaftszentrum für

Sozialforschung) • Prof. Dr. Dr. med. (Gesundheitsökonomie und klinische

Epidemiologie) • Prof. Dr. med. (Allgemeinmedizin) • Prof. Dr. med. em. (Innere Medizin)

Die Gutachterauswahl ist nicht selten bestimmend für das Ergebnis eines Gutachtens. Unter sieben Gutachtern sind gerade zwei praktisch tätige Ärzte, eine Kollgin für Allgemeinmedizin und eine Kollege für Innere Medizin. Vielleicht ist bezeichnend, dass der Kollege für Innere Medizin im Herbst 2000 emeritiert wurde. Emeritierung der Organmedizin? Folie 2

Frage-Aktion ( n=291)

• Fachgesellschaften 131 45 % - davon „psycho-„ 37 (28,2 %)

• Betroffenen-Organisationen 66 23 %

• Organisationen konertierte Aktion 94 32 %

- z. B. AG Verbraucherverände, Dt. Beamtenbund, Dt. Landkreistag, Dt. Städtetag, Zentralverband dt. Handwerk • Geantwortet, ohne gefragt zu sein 8

- Berufsverband dt. Chirurgen, Endometriose–Vereinigung, Verb. dt. Selbsthilfe

Schlafmedizin, Vereinigung Eltern chromosomal gesch. Kinder Es wurden zwar 131 Fachgesellschaften befragt (45 % der Gesamtbefragung), von den 131 befragten Fachgesellschaften trugen allerdings 37 (28,2 %) die Bezeichnung „Psycho“ im Titel. Betroffenenorganisationen waren zu 23 % beteiligt, zu 32 % Organisationen und Mitglieder der Konzertierten Aktion (so auch die Arbeitsgemeinschaft für Verbraucherverbände, der Deutsche Beamtenbund, der Deutsche Landkreistag etc. Folie 3

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 21

Es ergibt sich daraus, dass zu den bisherigen im Wettstreit um Beitragssatz-Stabilität konkurrierenden Gruppen (Ärzte, Kassen, Pharmaindustrie) eine weitere wichtige hinzugekommen ist, „Nutzer des Systems“ (Jargon des Gutachtens). Folie 4

Positiv-Liste

• Evidence based medicine (ebm) • Leitlinien als Behandlungskorridor • Verbesserung Aus-, Fort- und Weiterbildung • ABM-Maßnahmen • Wünsche – Vorschläge

Verbesserungsvorschläge, die sich auf die künftige Medizin und die Ergebnisse medizinischer Tätigkeit auswirken können: Positivliste. Die Grundlagen medizinischer Tätigkeit im Sinner einer evidence bases medicine zu verbessern, ist selbstverständlich sinnvoll. Auch die Leitlinien als Vorschlag eines Behandlungskorridors für ärztliche und pflegerische Tätigkeit sind wichtige künftige Entwicklungen, Leitlinien zur ökonomischen Steuerung allerdings erscheinen fragwürdig. Im Gutachten werden Leitlinien explizit zur ökonomischen Steuerung vorgestellt. Eine Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der im Gesundheitswesen Beteiligten, vor allen Dingen auch der Ärzte, kann nur vorteilhaft sein. Aus den im Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen resultieren sehr viele „ABM-Maßnahmen“: Wechsel ärztlicher Mitarbeiter in medizin-ökonomische Berufe, personeller Bedarf zur Leitlinienentwicklung, personeller Bedarf der Gesundheitssystemforschung, personeller Bedarf der Qualiltätskontrolleure, personeller Bedarf von Zetifizierern und Auditeuren, personeller Bedarf in Projekt-Geschäftsstellen, ärztlich und politisch (Beispiele). Folie 5

Wünsche – Vorschläge I

• Nutzerpartizipation • Nutzerorientierung med. Angebote • Präventive Leistungsangebote • „erfolgreiches Altern“ • „erfolgreiches Altern“ • Privatisierung v. Gesundheitsleistungen • Nationales Anti-Tabak-Programm • Raucherentwöhnungskurse in der Klinik Folie 6

Wünsche – Vorschläge II

• Beeinflussung von Werbung und Distribution von Tabak- u. Süßwaren • Supervid., strukt. Weiterbildung • „Einladungsverfahren zur gesetzlichen Früherkennung für Personengruppen,

die ein erhöhtes Risiko haben, an Gebärmutterkrebs oder Darmkrebs zu erkranken.“

Schlagwortartig werden hier die Wünsche und Vorschläge, wie sie im Gutachten zum Ausdruck kommen, vorgestellt. Folie 7

Vision

• Ziele ergebnisorientierter Q-sicherung - Verhinderung vermeidbarer Todesfälle - Heilung und Linderung von Krankheiten - Wiederherstellung körperlicher und psychischer Funktionen - Angstfreiheit durch Verfügbarkeit von Leistungen für den Eventualfall

• Gesundheitsfördernde Krankenhäuser Als „Ausblick nach vorne“ kommt im Gutachten eine Vision zum Ausdruck, bei der es schwerfällt, nicht zynisch oder sarkastisch zu werden. Man fragt sich, welchen Idealen die Ärzte bisher gefolgt sind. Bei 12- bis 14-stündiger Tätigkeit im Krankenhaus, viele Stunden auch am Wochenende, bleibt angesichts künftig zu fordernder „gesundheitsfördernder Krankenhäuser“ die Frage offen, welchen Zielen man im Krankenhaus bisher gefolgt ist. Folie 8

Zeitbedarf • Q-orientierte Organisationsentwicklung

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• Q-verbesserung (med. , pfleg., org., admin., ökonom., psychosoz. und zusätzliche Leistungsangebote

• Höhere Nutzerkompetenz durch Aufklärung • Rotation in Aus, Fort- u. Weiterbildung • Umsetzung ArbZG (Urteil EuGH)

Werden die Ziele des Gutachtens umgesetzt, resultiert ein enormer Zeitbedarf, der sich in materiellen Kosten, aber auch in einem enormen personellen Aufwand manifestiert. An der Klinik des Vortragenden existieren folgende Organisationsgruppen, die von gut aus-, fort- und weitergebildeten chirurgischen Kollegen wahrgenommen werden müssen: Krankenhausinformationssystem, DRG, Hygiene, Transfusion, Med GV, Arzneimittel, KTQ, Pflegestandards, Budget-Verantwortlichkeit. AiP’s können selbstverständlich an diesen Organisationsgruppen nicht beteiligt werden, da ihnen die fachlich-sachliche Übersicht und das entsprechende Problembewußtsein fehlen. So bedeutet die qualitätsorientierte Organisationsentwicklung erheblichen Zeit- und Personalbedarf, ebenso die in jeder Hinsicht selbstverständlich sinnvolle Qualitätsverbesserung. Eine höhere Nutzerkompetenz durch Aufklärung erfordert ebenfalls Zeit, die angesichts steigender Bürokratisierung und Dokumentationsaufgaben zumindest im Krankenhaus, wohl aber auch in ärztlichen Praxis mehr und mehr fehlt. Folie 9

Bürokratisierung

• Leitlinien - Entwickung, Kontrolle, Fortschreibung

• Harmonisierung der Leitlinien - Berufsverb., Fachges., Kostenträger

• Disease management • Konsequente QS, Zertifizierung (KTQ) • DRG und Gegenstrategien • Dokumentationsleistungen tgl. • Schriftwechsel (Kassen, MDK) tgl.

Folie 10

Zwangsmaßnahmen

• Rechtliche Verpflichtung zur Fortbildung • Pflicht zur Rezertifizierung von Fachärzten • Vergütung leitlinienkonkordant • Abrechnungsfähigkeit einer Leistung nach Mindestzahl erbrachter

Leistungen (Op) • Hausärztliche Dokumentation • Gegenstrategien bei vermuteten Dokumentationsfehlern (DRG) • Einbestellung von chronisch Kranken nach Plan

Um die Ziele mit Nachdruck zu erreichen, wird auch vor rechtlichen Zwängen nicht zurückgeschreckt; weitere Zwänge ergeben sich daraus, dass Leistungen nicht mehr vergütet werden, wenn sie nicht in der Weise erfolgen, wie sie seitens des Sachverständigenrates vorgeschlagen werden. Folie 11

Haftungsrecht

• Patientenrechte-Gesetz • Verschuldensunabhängige, schadensorientierte Versicherung

Bezüglich des Haftungsrechts werden gravierende Änderungen vorgeschlagen. Frau Ministerin Fischer irrte aber, wenn sie glaubte, das deutsche Haftungsrecht sei rückständig. Eine rechtsvergleichende Untersuchung in Malpractive-Verfahren (Ecclesia-Gruppe) hat ergeben, dass das deutsche Haftungsrecht und die sich daraus für die geschädigten Patienten ergebenden Möglichkeiten, Kompensation zu erlangen, durchaus sehr gut gelöst sind. In einem internationalen Vergleich rangiert Deutschland sehr weit oben, wie sich an einem im Herbst 2001 in Dortmund stattfindenden Symposium gezeigt hat. Folie 12

Kosten I

• Versorgungsforschung (unbek. Wesen) • Präventivmedizin (Ausbau vordringlich) • QS-Maßnahmen • Leitlinienentwicklung • Implementierung von ebm

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 23

• Einführung DRG (diagnosis related groups) • 5.-/Vers. Primäre Prävention (Kassen) • 1.-/Betr. für Aktion Selbsthilfegruppe

Folie 13

Kosten II

• Ombudsperson für Weiterbildung ÄK • Weiterbildungsaufwand der Kliniken • Ausbau Kassen-Info für Versicherte • Nutzerbeteiligung bei Hilfsmittellisten • Einrichtung von Gesundheitskonferenzen • Anti-Tabak-Kampagne • Logistik Mamma-Ca-Programm

Folie 14

Kosten – Finanzierung

?

Bezüglich der Kosten, die die Ziele des im Gutachten genannten Katalogs verursachen, und deren Finanzierung werden keine Vorschläge gemacht. Es wird nur mitgeteilt, dass im derzeitigen System kaum noch verwendbare Rationalisierungspotentiale vorhanden seien. Immerhin eine bemerkenswerte Feststellung! Auf die Punkte dieser Folien wurde im Vortrag mangels Zeit nicht eigens eingegangen. Es ist aber auch hier klar, dass die Leitlinienentwicklung, die Implementierung von EBM, die Einführung von DRG, sowie QS-Maßnahmen enorme Kosten verursachen. Auch der personelle Bedarf bezüglich Weiterbildungsaufwand in Kammern und an Kliniken, sowie der Ausbau einer Kasseninformation für Versicherte (Krankenkasse als Leistungserbringer) muss erst finanziert werden. Auch die Einrichtung von Gesundheitskonferenzen wird nicht kostenfrei erfolgen können. Folie 15

Systemwechsel • Patientenbehandlung contra Systemversorgung - disease management Programme) • Sektorale (amb./stat.) contra integrierte Versorg. • Leitlinien nicht nur für ärztl./pfleg. Handeln, sondern zur Steuerung des

disease management • Begrenzung Akut-Medizin zugunsten chronisch Kranker und allg.

Gesundheitsförderung sowie Prävention • Qualitätssicherung als Mittel zur Prozeßsteuerung

Zusammenfassend ergibt sich ein Systemwechsel, wenn die Ziele des Gutachtens erreicht werden. Besonders bedenklich erscheint der Übergang einer individuellen Patientenbehandlung zu einer Systemversorgung im Sinne von Disease-Management-Programmen. Der Patient beauftragt hier nicht mehr den einzelnen Arzt mit der Behandlung seiner Erkrankung, sondern die Gesellschaft nimmt den Arzt in Anspruch, bestimmte Ziele zu erreichen. Ein Gesundheitsnetz überzieht die Nation! Folie 16

Arztbild der Zukunft I • Prävention, Gesundheitsfürsorge • Partizipation der Bürger im Gesundheitswesen • Neue Qualitäts- und Kooperationsansprüche • Neue Berufsbilder für Mediziner • Vom nat.-wiss. krankheitsbezogenen Wissen zu bevölkerungsbezogenen

Inhalten (Ethik, Management, Bevölkerungsmedizin, gemeinwesenorientierte Basismedizin (chinesische Barfußärzte?)

Folie 17

Arztbild der Zukunft II

• Arzt als Gesundheitsarbeiter

Protokoll Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ – 07. und 08. Dezember 2001 - Seite 24

- systemkonform, sozialisiert - sektorübergreifend, vernetzt - zertifiziert aus-, fort- und weitergebildet, - umweltverträglich, - evidenzbasiert, - leitliniengesteuert ökonomisiert

Offensichtlich bewußt wird auf ein neues Arztbild hingearbeitet. Einzelne Aspekte werden in ihrer Qualität nicht in Frage gestellt. Sieht man aber das Arztbild der Zukunft im Kontext des Gutachtens, ist der einzelne Arzt dem Patienten gegenüber in einer einzigartigen, individuellen Arzt/Patientenbeziehung nicht mehr gefragt. Es wird im wesentlichen die Gruppe der Gesundheitsarbeiter in ihrer vielfältigen Ausprägung sein, die Disease-Management-Programme zu Nutzen und Frommen der Bürger in Anwendung bringt. Folie 18

Ergebnis I • Zunahme des Bedarfs von

- Zeit - -Personal - Bürokratisierung - Dokumentationsleistungen

Folie 19

Ergebnis II

• Arzt alter Prägung hat ausgedient • Neue Institutionen des Gesundheitswesens haben Zukunft, Organmedizin veliert • Überziehung des Bürgers mit Gesundheitsleistungen; ob er will oder nicht • Sozialisierung zu Lasten von Individualität • Transparenz zu Lasten der Schweigepflicht

Folie 20

Ergebnis III

• Antwort des Gutachtens auf Fragestellung

- Bedarf - ja - Gerechtigkeit - für wen - Wirtschaftlichkeit - neues GA erforderlich!

Folie 21 Kostprobe der Sprache, deren man sich im Gutachten „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit bedient (Kurzfassung Bd. I, S. 19): „Ein Benchmarking von Outcome-Indikatoren kann vor allem in speziellen Indikationsbereichen im Rahmen vertiefter Versorgungsforschung Hypothesen über die Effizienz und Effektivität der jeweilligen Gesundheitsversorgung liefern. Die Komplexität der gesundheitlichen Leistungserstellung sowie die exogenen Inputs, die als transsektorale Determinanten von außerhalb des Gesundheitswesens – zum Beispiel aus dem Verkehrs- und Bildungswesen, den Arbeits- und Wohnbedingungen – auf die gesundheitlichen Outcomes einwirken, lassen häufig keine deterministischen, sondern nur Tendenzaussagen zu“ -Anmerkungen aus juristischer Sicht: Prof. Dr. jur. B.-R. Kern. Leipzig Manuskript lag zum Zeitpunkt des Druckjs dieses Protokolls noch nicht vor und wird ggf. nachgereicht. _______________________________________________________________________________________________________________

Die nächste Sitzung des Arbeitskreises “Ärzte und Juristen” findet am 08. und 09. März 2002 in Würzburg statt.

Die Themen werden mit der Einladung bekanntgegeben.