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02/06 Ö STERREICHISCHES F ORUM A A RBEITSMEDIZIN RBEITSMEDIZIN Ö STERREICHS U NIVERSITÄTEN OHNE A RBEITSMEDIZIN ? 02/06 02/06

Arbeitsmedizin 0206 bel - winker.at · 3 NEW WORK Die Arbeitswelt im 21. Jahrhundert ist durch einen rasanten Wandel gekennzeichnet. Die Arbeitswelt wird komplexer, anspruchsvoller,

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02/06

Ö S T E R R E I C H I S C H E S F O R U M

AARBEITSMEDIZINRBEITSMEDIZIN

ÖSTERREICHS UNIVERSITÄTEN

OHNE ARBEITSMEDIZIN?02/0602/06

ArbeitsMedizin 02 06 Cover 29.09.2006 6:36 Uhr Seite 1

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Inhalt

Editorial 3R. Winker

Das Auge in der ArbeitsmedizinVermeidung von Unfällen und Folgeschäden 4P. Heilig

Herausforderungen an die betriebliche Personalpolitik durch den demographischen Wandel 10H. Wächter

Forum Personalentwicklung – Plattform für PE im österreichischenGesundheitswesen 15P. Floquet

Der ältere Arbeitnehmer: Highlights vom 9. Wiener Forum Arbeitsmedizin, 20./21. 4. 2006 18H. W. Rüdiger

Die AUVA informiert

Rauchen und Hilfestellung 22E. Groman, M. Nikl

Die Arbeitsinspektion informiert

Die Grenzwerteverordnung 2006 – GKV 2006 26

Neuer Förderrahmen für den Arbeitsschutz von der InternationalenArbeitsorganisation (ILO) 26

EG-Richtlinie über (künstliche) optische Strahlung seit April in Kraft 27

„Schwere Arbeit – leicht gemacht“ Ein Leitfaden des BMWA für stationäre Altenpflege 27

Verhaltenskodex zur Vorbeugung von Muskel-Skelett-Erkrankungen im Telekommunikationssektor 28E. Huber

Aus der Klinischen Abteilung für Arbeitsmedizin

Österreich in Zukunft ohne Lehrkanzel für Arbeitsmedizin? 29H. W. Rüdiger

Titelbild: Alexander Pilger

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NEW WORK

Die Arbeitswelt im 21. Jahrhundert ist durch einen rasanten Wandel gekennzeichnet.Die Arbeitswelt wird komplexer, anspruchsvoller, unsicherer und insgesamt härter. Da-durch wird die arbeitsmedizinische Forschung ebenso vor neue Aufgaben gestellt wiedie arbeitsmedizinische Praxis. Umso überraschender erscheint es, dass in Österreichderzeit an eine Einsparung der wissenschaftlichen Tätigkeit auf diesem Gebiet gedachtwird. Die Medizinische Universität Wien plant den einzigen Lehrstuhl für Arbeitsmedi-zin in Österreich abzuschaffen. Der Beitrag auf Seite 29 dieses Heftes verfasst vomderzeitig einzigen Ordinarius für Arbeitsmedizin in Österreich widmet sich diesem unerfreulichen Thema („Österreich in Zukunft ohne Lehrkanzel für Arbeitsmedizin?“).Worin bestehen denn nun die Herausforderungen, die sich für die Arbeitsmedizin ausder Veränderung der Arbeitswelt ergeben?

In den meisten Industrie-Ländern der Welt nimmt der Anteil der älteren Bevölkerungdurch die steigende Lebenserwartung zu. In Österreich wird der Anteil der über 60-Jährigen bis zum Jahr 2050 von derzeit 22% auf 32% ansteigen (Quelle Statistik-Austria; ftp://www.statistik.at/pub/neuerscheinungen/bev21jhdt_web.pdf). Volkswirt-schaftlich bedeutet das stetig zunehmende Kosten für die Renten- und Gesundheits-versorgung. Es ist damit zu rechnen, dass dies in Zukunft zu einer Anhebung des Pensionsalters führen wird.

Diese Verschiebung der Altersverteilung der Bevölkerung trifft nun auf eine be-schleunigte Arbeitswelt, die in den nächsten Jahren den Abschied von der industriellenArbeitsorganisation bedingt. Globalisierung, Automatisierung sowie der Siegeszug derWissensgesellschaft und das Computerzeitalter trugen im entscheidenden Maße zudieser Entwicklung bei. Während flexible, mobile, teamwork- und projektorientierte Ar-beitsformen stark zunehmen, verlieren die starren Berufsbilder und regulierten Arbeits-formen an Bedeutung. Lebenslanges Lernen, „Ich-AG“ und Projektdenken stehen imZentrum eines neuen Arbeitsethos, das die Grundlagen unserer Erwerbsgesellschaftumgestaltet. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und die Dienst-leistungsgesellschaft formiert sich. Gravierende Auswirkungen zeichnen sich hier invielen Arbeitsbereichen ab. Der Trendforscher Matthias Horx sammelt sie in seiner„Zukunftsdatenbank“ (http://www.zukunftsinstitut.de) und prognostiziert „Selbst-Kompetenz“ als großes Thema der Zukunft. Lebensarbeitszeiten, die laut Horx, wie inJapan oder Skandinavien, bis tief in das 7. oder gar 8. Lebensjahrzehnt hineinreichen,erfordern fundamentalen gesellschaftlichen Wandel. Die sukzessive Ablösung körper-lich harter Industriearbeit durch fordernde und abwechslungsreiche Wissensarbeit istGrundlage und Bedingung dieser Entwicklung. Zeitlich und örtlich flexible Arbeitsstruk-turen sowie Investitionen der Unternehmen in die körperliche und geistige Fitness arbeitender Menschen sind Erfolgsfaktoren.

Neue Trends, die auch arbeitsmedizinisch große Bedeutung haben, sind vor allem: 1. Die Erosion von traditionellen Arbeitsformen, die einen Teil von ArbeitnehmerInnen

für die Arbeitsmedizin nicht mehr greifbar macht. 2. Psychomentale Probleme am Arbeitsplatz: Diese nehmen zu und die Belastungen

sind eher organisatorischer, ökonomischer und interkultureller Natur. 3. Die demographischen Veränderungen: Diese machen klar, dass die Arbeitsmedizin

zunehmend mit der Betreuung älterer ArbeitnehmerInnen konfrontiert ist. Im Rah-men des heurigen 9. Wiener Forum Arbeitsmedizin wurden Themen, die gerade denälteren Arbeitnehmer betreffen, aufgezeigt und kritisch diskutiert. Hierzu finden Siedie Highlights in dieser ÖFAM-Ausgabe auf Seite 18 sowie einen Beitrag über Aspek-te von Herausforderungen betrieblicher Personalpolitik.

Robert Winker

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Die gegenseitige Überlagerung von Den-ken und Erfahrung bei der Wahrnehmungwird von René Magritte in Frage gestellt.Die Wirklichkeit, welche vermeintlichwahrgenommen wird, ist manchmal eineIllusion. Eine Täuschung im Ablauf deskomplexen Prozesses der Wahrnehmung.Wie bei den verspielten Bildern der Il-lusionsmaler werden dem Auge und vorallem der Wahrnehmung auch im Arbeits-prozess gelegentlich Eindrücke vorgegau-kelt, welche vom objektiven Bild der Wirk-lichkeit abweichen.

Der Tränenfilm

Von Gegenständen reflektiertes Licht ge-langt auf die Oberfläche des praekornealenTränenfilms. Dort können die ersten Ab-bildungsfehler entstehen. Selbst geringeUnregelmäßigkeiten in diesem Bereich wir-ken sich wegen des hohen Brechkraft-Un-terschiedes zwischen Luft und Tränen-flüssigkeit entsprechend störend aus.Verringerte zentrale Sehschärfe, Beein-trächtigungen des Kontrast- und Farben-Sehens, Pseudoskotome, Doppelkonturenbis Doppelbilder, Obskurationen, Fremd-körper- und ‚Druck‘-Gefühl machen Perso-nen mit ‚trockenen‘ und gereizten Augenentsprechend zu schaffen. KonzentrierteAktivität (z. B. Autofahrten in der Nacht,Computerarbeit) bewirkt, dass sich die Lid-schlagfrequenz verringert. Die Lidspaltebleibt daher länger offen. Hornhaut und

Bindehaut sind trockener Luft ausgesetzt,die noch zusätzlich durch Staubpartikel,Keime und chemische Verbindungen ver-unreinigt sein kann. Im Extremfall reißt derTränenfilm auf. Dadurch entstandene Ab-bildungsfehler im Bereich des zentralenoder peripheren Gesichtsfeldes verursa-chen eine Zunahme von Fehlerhäufigkeitund Unfallgefahr im Arbeitsprozess. Durchunwillkürliche Manipulationen an den Lidern (Reiben, Wischen und dabei ent-stehender Druck auf Lider und Augapfel)nehmen bereits vorhandene Augenreizun-gen weiter zu. Ein Circulus Vitiosus be-ginnt. Nicht nur Reizungen, sondern auchschwerwiegendere Störungen im Bereichder Augen können entstehen. Das „Wisch-Ektropium“ und Hyposphagmata (Binde-hautblutungen) wären vergleichsweiseharmlose Beispiele. Post-„traumatische“Veränderungen des Augeninneren, wieGlaskörper- oder Netzhautblutungen (be-sonders bei brüchigen Gefäßen, bei diabe-tischen Retinopathien, bei Maculadegene-ration und Netzhautdefekten, cave Nervusopticus!), wären schwerwiegendere Folgendes ‚Augen-Reibens‘.

Aufzählungen ätiologischer Faktorendes „trockenen“ Auges, wie: altersabhän-gig, hormonell, medikamentös-toxisch,immunpathologisch, nutritiv (generelle Dysfunktion exokriner Drüsen) sowie dysgenetisch, entzündlich/infektiös, trau-matisch, neurologisch/psychisch und„tantalisch“ (Tränendrüsen/akzessorischeDrüsen), sollten immer den häufig verges-senen Hinweis auf regelmäßige und vorallem ausreichende Flüssigkeitszufuhrenthalten. Die Bezeichnung „tantalisch“beschreibt bildhaft und blumig das Vor-handensein eines ausreichenden Quan-tums an Tränenflüssigkeit bei mangelnderVerfügbarkeit für die austrocknenden Con-junctival- und Corneal-Oberflächen.

‚Outdoor‘- und ‚Indoor-Pollution‘, das‚Sick-Building‘-Syndrom, Zugluft, Zigaret-tenrauch und besonders die Trockenheitder Luft (in Flugzeugen wurde schon eine

DAS AUGE IN DER ARBEITSMEDIZIN

Vermeidung von Unfällen und Folgeschäden

Peter HeiligUniversitätsklinikfür Augenheilkun-de und Optometrie

Währinger Gürtel 18–20

A-1090 Wienpeter.heilig@

univie.ac.at

René Magritte. ‚Die Blankovollmacht‘, 1965.

National Gallery of Art, Washington Sammlung

Mr. and Mrs. Paul Mellon.

Das trockene Auge als Ursache

von Sehstörungen

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Luftfeuchte von ~5% gemessen!) sowie diereduzierte Lidschlag-Frequenz verursacheneine Zunahme von Intensität und Häufig-keit der Beschwerden. Der beeinträchtigteTränenfilm verursacht nicht nur gestörteWahrnehmungen durch verminderte Abbil-dungsqualität, sondern auch Irritationenvon Hornhaut und Bindehaut, welche häu-fig als „Müdigkeit“ interpretiert werden.„Die Augen fallen zu“ – „am liebsten wür-de ich meine „müden Augen“ schließen“ist oft zu hören. Betroffene Personen wis-sen sich nicht immer zu helfen, ihre Au-genbeschwerden und die Sehstörungennehmen daher zu. Kontaktlinsenträgersind zusätzlich speziellen Problemen undGefahren ausgesetzt. Wohlgemeinte Rat-schläge und damit verbundene inadäquateSelbst-Medikationen erweisen sich häufigals problematisch. Wegen des jeweils ge-ringfügigen Anlasses unterbleibt nicht sel-ten die Konsultation von Fachärztinnenund Fachärzten für Augenheilkunde.

Solche „ungeklärten“ Sehstörungenund Funktionsausfälle des visuellen Sys-tems (wechselnde zentrale Sehschärfe,Pseudoskotome des peripheren Gesichts-feldes) lösen gelegentlich nicht indizierte,womöglich kostspielige und zeitraubendeUntersuchung und deren therapeutischeFolgen aus. „Ex iuvantibus“ ließen sichmanche solcher Fragestellungen leichtbeantworten.

Der aus mehreren Lagen bestehendeTränenfilm, individuelle Unterschiede so-wie die Unzahl der Faktoren und Einflüsseverlangen eine angepasste, maßgeschnei-derte Therapie und Prophylaxe. AllergischeFaktoren, welche immer häufiger werden,gilt es zu berücksichtigen. Gefäßveren-gende Präparate (Sympathicomimetika)können auf Dauer bei regelmäßiger An-wendung mit zur Ursache von Bindehaut-Reizungen werden. Konservierungsmittel(meist Benzalkoniumchlorid) sollten beilang dauernder Tränen-Ersatz-„Therapie“vermieden werden, besonders bei pseudo-paken und aphaken Patienten (‚Preservati-ve Retinopathy‘). Zur Substitutions-Thera-pie im Bereich des Lipidfilms (‚Fettaugenauf der Suppe des Tränenfilms‘) bestehtein eher spärliches Angebot. Auch bei Pro-blemen der praecornealen Mucin-Schichteist die Auswahl an geeigneten Präparatennicht überwältigend.

Mittlerweile werden „alternative“ Me-thoden bis zu Augen-Übungen, Akupunk-

tur, Homöopathie, Hypnose, Entspan-nungsübungen, Psychotherapie und aus-gedehnten Arbeitspausen angeboten. AmNachweis der „evidence“ wird noch gear-beitet. Ernst zu nehmende Erkrankungen,wie z. B. Sjögren Syndrom, wurden ausden oben genannten Überlegungen aus-geklammert. KonservierungsmittelfreieAugensalben (über Nacht) haben sich beiden schwerwiegenderen Störungen desTränenfilms bewährt.

Hornhaut, Augeninneres, Sehnerv,visuelle Bahnen und Zentren,Wahrnehmungsprozesse, Psyche,Konzentration und Vigilanz, Erkrankungen und funktionelleStörungen des visuellen Systems

Pathophysiologische Veränderungen alldieser Strukturen und Funktionen könneneine Unzahl von diskreten bis massivenFunktionsstörungen und Ausfällen verur-sachen. Fehler und Arbeitsunfälle sindmöglicherweise die Folge. Diagnostik undDifferentialdiagnostik überfordern gele-gentlich auch die konsultierten Experten.Beispiel: Ein Arbeitnehmer verhielt sichauffällig. Statt verschiedene Schriftstückebei hellem Licht zu betrachten, zog ersich in den jeweils dunkelsten Winkel desRaumes zurück, um die Schriftzeichendort mühselig zu entziffern. Der Mannwurde zunächst der Simulation verdäch-tigt. (Der vordere Abschnitt und die Netz-haut beider Augen waren klinisch unauf-fällig.) Im Elektroretinogramm fehltejedoch die Zapfen-Antwort. Diagnose:Achromatopsia congenita (eine Form an-geborener totaler Farbenblindheit). R. G.Frey: persönliche Mitteilung.

Äußere Störfaktoren

Windschutzscheiben, Sichtscheiben und -gläser, Helme, Schweiß-Schirme, Schweiß-Schutzhelme, -Schutzbrillen, Lichtschutz-brillen (auch UV-Schutz), Brillen, Kon-taktlinsen und alle damit verbundenen Ab-bildungsstörungen sind ergiebige Quellen,Auslöser und Ursachen für Fehler und Ar-beitsunfälle. Leider hat die „Beschlagfrei“-Technologie bisher noch immer nicht dasgehalten, was versprochen wird. Nach wievor beschlagen Scheiben und Brillen.

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Folgen werden unterschätzt

Maßgeschneiderte Prophylaxe und

Therapie erforderlich

Niedrige Luftfeuchtig-keit und geringe

Lidschlagfrequenz verstärken die Beschwerden

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‚Lotus‘-Effekt (eine Art Vergütung) man-cher Produkte bewirkt klarere Sicht und er-leichtert das Reinigen.

Die optische Korrektur

Gestörter Tränenfilm vereitelt häufig dasGelingen von Refraktion und optimalerBrillen- oder Kontaktlinsenkorrektur. Nurbei intaktem oder (mit geeigneten Präpara-ten) stabilisiertem Tränenfilm können dieRefraktionsbestimmung und die darauf ba-sierende Korrektur von Ametropien (Fehl-sichtigkeit) zum Erfolg führen. Eine perfek-te Anpassung der verordneten Brille oderKontaktlinse und eine exakte Berücksichti-gung der jeweiligen Arbeitsabstände undArbeitsbedingungen sollte vorausgesetztwerden. Kontrast-Visus-Reduktionen durchspezielle Korrekturen (z. B. multifokale Lin-sen) können vor allem beim Autofahren inder Nacht und bei schlechter Sicht zumkaum lösbaren Problem werden. Jede Artvon optischem Filter beeinträchtigt dasSehvermögen in der Dämmerung und beinächtlichen Fahrten. Die Brille für Nacht-fahrten soll klar und entspiegelt sein. „Phototrope“ Brillengläser sind nicht alsAutobrillen geeignet, da sie sich hinter derWindschutzscheibe kaum verfärben.

Lichtschutz- und Sonnenschutz-brillen

müssen an die jeweilige Helligkeit ange-passt, ausreichend dimensioniert, neu-tralgrau oder bräunlich getönt sein. Nichtimmer werden sie regelmäßig von denengetragen, welche dem häufig zu intensi-vem Licht (natürliche oder künstlicheLichtquelle) ausgesetzt sind. (Bau- undStraßenarbeiter, Tennisspieler, Surfer …).Blendungen, häufig als schmerzhaft emp-funden, signalisieren dem Körper, ebensowie beim Überstrecken eines Gelenkes,dass Gefahr drohen könnte.

Gelbfilter

Gelb hat keine „aufhellende“ Wirkung,wie in gewissen „Fachzeitschriften“ im-mer wieder behauptet wird. Gelb filtertden sogenannten „blue blur“, einen chro-matischen Aberrations-Hof (um jedes

Objekt) und verbessert dadurch das Kon-trast-Sehen (Nebel-, Schieß-, Pilotenbrille,Brille für Sehbehinderte, gelbe Intraoku-larlinsen). Bei Tunnelfahrten empfehlensich für Brillenträger „Flip Ups“ (hoch-klappbare Filterscheiben). Brillenwechselvor oder im Tunnel kann problematischwerden.

Arbeitsschutzbrillen

sollten mit „unzerstörbaren“ Rahmenund Scheiben (z. B. Polycarbonat) ausge-stattet sein. Dies gilt auch für Sportbril-len. Die Vorschriften der Normen-Aus-schüsse (Kugelfalltest etc.) sind zum Teiletwas wirklichkeitsfremd und berücksich-tigen nicht immer die möglicherweise ho-hen Kräfte, welche im Ernstfall auf einesolche Schutzbrille einwirken können.

Überbelichtungen

Blendungen, vor allem solche durch Lichtmit energiereichem hohem Blau-Anteil,sollten in Freizeit, Arbeit und vor allem imStraßenverkehr vermieden werden. Mitzunehmendem Alter der Verkehrsteilneh-mer, Arbeiter und aller „Licht-Hungrigen“steigt die Licht-Empfindlichkeit. Die Netz-haut braucht immer länger, um sich voneinem Macula(Licht-)„Stress“ zu erholen(HID-glare, disability glare). Immer öfterund immer länger fahren Verkehrsteil-nehmer im sprichwörtlichen ‚schwarzenLoch‘. Neuere Forschungsergebnisse wei-sen darauf hin, dass unter Umständenhochempfindliche Personen (genetischoder erworben) durch kurze, scheinbarharmlose Lichtbelastungen irreversibleNetzhautschäden davontragen können(Cideciyan, Osborne). Retinale Elementebekämen somit durch sichtbares Licht(zeitliche Summation) den letzten Anstoßfür die Apoptose (Glaukom, Dystrophien,Degeneration, unspezifische Vorschä-den). Schon der Blitz einer Kamera könneunter solch besonders ungünstigen Vor-aussetzungen ein „Zuviel“ für die Netz-haut bedeuten.

Klinische Beispiele für eine erworbenemonokulare „Maculadegeneration“ findensich (zum Glück selten) bei histologischoder endoskopisch intensiv tätigen (auchjungen) Kolleginnen und Kollegen (der

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Der gestörte Tränen-film ermöglicht keineoptimale Anpassung

von Brille und Kontaktlinse

Blendungen vermeiden!

Irreversible Netzhaut-schäden auch durchscheinbar harmlose

Lichtexposition

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Ausdruck „altersbedingt“ wäre hier fehl amPlatz), welche ausschließlich ihr führen-des Auge zum Betrachten histologischerPräparate oder bei der endoskopischenUntersuchung verwenden. Vorläufige Diag-nose: ‚trockene Maculadegeneration‘; End-gültige Diagnose: retinaler Lichtschaden.(Partnerauge: Netzhaut o. B.). Das Lichtder verwendeten (monokularen) Mikrosko-pe oder Endoskope wird subjektiv nie alszu hell empfunden. Die Störung entwickeltsich unbemerkt und schleichend. Vorstufezu klinisch erfassbaren und biomikrosko-pisch erkennbaren Störungen wäre einediskrete „Entsättigung“ der Farbwahrneh-mung des führenden Auges (so als wäreetwas Weiß beigemischt, wobei der Sti-mulus Weiß etwas grau imponiert). DieNeuritis nervi optici kann im Anfangssta-dium oder bei Defekt-Heilung ähnlicheFunktionsstörungen verursachen. Das (ge-schonte) Partner-Auge nimmt die Testfar-be (Bild) „kräftiger“, leuchtender, „gesät-tigter“ wahr. Diese Farbentsättigung desSeheindruckes des führenden Auges – ingeringerem Ausmaß – findet sich auchohne spezielle zusätzliche (berufliche)Lichtbelastung bei vielen Patienten („thehabit to close one eye in the sunlight“ –Pinguecula, Pterygium, Cataract des domi-nanten Auges).

Ultraviolett und Infrarot

Ultraviolett: Ergebnisse umfangreicherStudien ließen erkennen, dass durch daskonsequente Tragen von Schweiß-Schutz-Einrichtungen messbare und klinisch er-kennbare Augenschäden vermieden wer-den. Nicht alle Arbeitnehmer betreibenausreichend Prophylaxe. Bei „Polymerisie-rungen“ in zahnärztlichen Ordinationenkommt es (z. B.) zu (subjektiv unbemerk-

ten) hohen UV-Belastungen. Infolge zeit-licher Summation könnten Linsentrübun-gen entstehen.

Infrarot: Beipiel: Glasbläser-Star (Hit-ze-Arbeiter am Hochofen etc.) – klinischeher bedeutungslos geworden, weil of-fenbar die vorgeschriebenen Schutzvor-richtungen konsequent eingesetzt werden.

Arbeitsplatz Lenkrad –Sicherheit im Straßenverkehr

Ungestörte optimierte visuelle Funktio-nen und Wahrnehmung haben für Berufemit hohem Fahrzeuglenker-Anteil eine besondere Bedeutung. Sinnesphysiolo-gische und kognitionspsychologische Er-kenntnisse auf diesem Gebiet sind auchin anderen Bereichen anwendbar undkönnen die Arbeitsicherheit erhöhen so-wie einen wertvollen Beitrag zur Unfall-verhütung leisten.

Beispiel Licht am Tag (LAT): Ein Mehran Licht wird unreflektiert und eher unkri-tisch undifferenziert mit einem Mehr anSicherheit gleichgesetzt.

Die Signalwirkung des „Tagfahrlichtes“soll die Auffälligkeit des jeweiligen LAT-Fahrzeuges erhöhen. Bewegte Lichtreizeim Gesichtsfeld lenken tatsächlich dieAufmerksamkeit auf sich. Daraus folgt,dass „LAT-Objekte“ besser wahrgenom-men werden, alle anderen „verkehrsrele-vanten“ Objekte sind dadurch im Ver-gleich weniger auffällig. Das bedeutetallerdings nur theoretisch, dass die Si-cherheit der LAT-Fahrzeuge und deren Insassen durch die Signalwirkung desTagfahrlichtes verbessert wird. Von denanderen Verkehrsteilnehmern und allen‚verkehrsrelevanten Objekten‘, wird dieAufmerksamkeit jedoch abgelenkt. Um-gekehrt proportional zur Umgebungs-helligkeit nimmt die Signalwirkung desTagfahrlichtes ab und ‚geht bei hellemSonnenschein gegen Null‘. Zusätzlichentsteht durch diese Maßnahme (LAT)eine relative und auch absolute Gefähr-dung aller anderen „verkehrsrelevanten“Objekte und der LAT-Fahrzeuge samt In-sassen. Das „Übersehen“ unbeleuchteterFußgänger, Radfahrer, Tiere und ruhenderObjekte auf den Verkehrsflächen (parken-de Fahrzeuge, abgebrochene Äste, Steine,verlorenes Ladegut, Verkehrsschilder etc.)kann fatale Folgen haben.

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Entsättigung der Farbwahrnehmung

am führenden Auge

Mehr Licht, mehr Sicherheit?

Schutzeinrichtungenwerden nicht

ausreichend verwendet

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,Change blindness‘

eine grobe Störung der visuellen Wahrneh-mung (‚Veränderungsblindheit‘). Auch auf-fallend große Veränderungen gesehenerSzenen werden nach Lidschlägen, Sakka-den, visuellen Distraktoren (z. B. LAT),Maskierungen etc. nicht wahrgenommen.

„Überakzentuierungen“ durch LAT ver-ursachen Phänomene, welche infolge vonWahrnehmungsstörungen Unfälle aus-lösen können. Sakkaden und andere Blick-zuwendungen (zum helleren Stimulushin), aber auch „Blanks“, Blendungen und Lidschläge können „inattentionalblindness“, „change blindness“ und ähnli-che Ausfälle bis zur „inattentional amne-sia“ (short term visual memory: STVM)auslösen. Die einfachste und am ehestenverständliche Erklärung für diese elektro-physiologisch und mit funktioneller Ma-gnetresonanz dokumentierten sowie mittranscranieller Magnetstimulation auslös-baren Störungen der Wahrnehmung, Ap-perzeption und Erkennung „verkehrsrele-vanter“ Objekte ist die Überforderung des„visuellen Gedächtnisses“ („crowding outof STVM-data“). Die Kapazität des visuel-len Kurzzeitgedächtnisses ist limitiert. Zuviele „Inputs“ führen dazu, dass visuelleGedächtnisinhalte „überschrieben“ wer-den. Das hellere, unreflektiert vorrangigeBild des LAT-Fahrzeuges löscht das En-gramm des Bildes, z. B. Kind am Zebra-streifen, sozusagen aus. Das Kind wird gesehen, aber nicht wahrgenommen, ver-gleichbar mit der „Hemineglect“-Sympto-matik. Rechtshirn-Schäden können das„Negieren“ von Objekten (linke Körper-hälfte, linksseitige visuelle Stimuli) verur-sachen. Mancher scheinbar unerklärlicheUnfall könnte mit „change blindness“, „in-attentional“ blindness etc. entschlüsseltwerden. Der am Zebrastreifen von einemLKW überrollte Rollstuhlfahrer, die „über-sehene“ Straßenbahn, die „nicht be-merkte“ rote Ampel, die zunehmendeZahl verunglückter Kinder und einspurigerVerkehrsteilnehmer sind untrügliche Indi-zien. Dem gefährdeten Behinderten nütztes wenig, dass er herannahende LAT-Fahr-zeuge besser wahrnehmen kann. Prinzipi-ell müssen derartige „Überakzentuierun-gen“ deswegen vermieden werden, weil

jedes „verkehrsrelevante“ Objekt das ge-nau gleiche Maß an Aufmerksamkeit ver-langt und verdient. „Gemischter Verkehr“*erhöht das Risiko von Verkehrsunfällen.Regionale LAT-Regelungen, d. h. LAT nurauf Freilandstraßen wären praktischundurchführbar und haben sich nicht be-währt. (*Bergisch Gladbach 2005). LAT istaus sinnesphysiologischen und kogniti-onspsychologischen Gründen kein geeig-netes Mittel, um die Verkehrssicherheit al-ler Verkehrsteilnehmer zu verbessern.

Statistik

Wegen unzähliger ständig wechselnder Va-rianten und Variablen sind statistischeAussagen auf diesem Gebiet (Verkehrs-sicherheit: Einfluss eines einzelnen Para-meters – LAT) nicht zulässig und signifi-kante Resultate nicht zu erwarten. SolcheStatistiken haben keine Beweiskraft unddürfen nicht als Grundlage für Novellenoder Gesetzesänderungen herangezogenwerden.

Über Blendungen durch Scheinwerferund Zusatzleuchten klagen in zunehmen-dem Maße auch junge Verkehrsteilneh-mer mit gesunden, noch nicht durchLicht und andere Faktoren geschädigtenAugen. Neuere Forschungen nähren denVerdacht, dass auch geringfügige schein-bar reversible Lichtschäden (Prädisposi-tion, genetische Faktoren, erworbene Augenkrankheiten) bisher unterschätztwurden (Cideciyan, Osborne etc). DerBlau-Anteil mancher Lichtquellen ließesich senken, auch der von verschiedenenStraßenbeleuchtungen (Mautstellen, rund-um abstrahlende blauweiße Straßenlam-pen mit hohem Energieverbrauch –schädlich für Nachtfalter, Zugvögel etc.und – vor allem – ganze Öko-Systeme).

Eine Renaissance von Autoscheinwer-fern mit geringerem Blau-Anteil im Ge-samtspektrum brächte eine Verringerungder für viele, auch jüngere Verkehrsteil-nehmer unangenehmen bis qualvollenBlendungen (‚HID‘-glare (High IntensityDischarge), Disability Glare etc.) samt de-ren Folgen durch retinale „Überbelichtun-gen“. Das Kontrastsehen ließe sich da-durch verbessern und möglicherweise dieVerkehrssicherheit erhöhen. Der Trend zuimmer helleren Abblendscheinwerfernmit hohem Blau-Anteil geht jedoch weiter.

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* Gemischter Verkehr lässt sich nicht vermeiden.Auch nicht auf Freilandstraßen.

Unfallursache „Überakzentuierung“

Überforderung des „visuellen

Gedächtnisses“

Sehen heißt nicht un-bedingt wahrnehmen

Der Blau-Anteil von künstlichen Licht-

quellen ist zu hoch

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Von serienreifer Entwicklung der „am-bient intelligent headlights“ (dynamischerNiveau-Ausgleich, „mitdenken“ bzgl. Hel-ligkeit, Kurvenfahrten, Infrarot-Technolo-gie etc.) ist die Scheinwerfer-Industrie of-fenbar noch weit entfernt.

Resumeé

Aus dem „Experimentierfeld“ Straße las-sen sich Schlüsse für die gesamte Ar-beitsmedizin ziehen. Das Vermeiden alleräußeren und inneren Störfaktoren kanndie Gefahr manch unvermeidlicher, wo-möglich unverschuldeter Fehlleistungund ihrer Folgen verringern. Optimierungder Sehleistung‚ Schutz der Augen undgute Bedingungen für eine jeweils fehler-freie Wahrnehmung sind auf alle Fälle zupostulieren. „Crowding“ – unübersicht-liche, überbordende Elemente, (Beispiel„Straßenverkehrstafel-Salat“), „Überak-zentuierungen“ und in der Folge „Inatten-tional Blindness“ und ähnliche Phänome-ne können Auslöser oder Ursachen vonStraßenverkehrs- und Arbeitsunfällensein. Vor allem darf Blendung samt allerunterschätzter Folgen solch unphysiolo-gisch überdosierter Lichtbelastungen we-der im Straßenverkehr noch in anderenBereichen toleriert werden.

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9

Unfallrisiko senkendurch: Optimierung

der Sehleistung, hinreichenden Augen-

schutz und bessere Bedingungen für

eine fehlerfreie Wahrnehmung

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10

Demographische Entwicklung und betriebliche Personalplanung

Die Folgen des demographischen Wandelshaben sich vor allem in der Diskussion umdie Heraufsetzung des Renteneintritts-alters und der Finanzierung der Gesund-heit niedergeschlagen. Die absehbaren Fol-gen für die betriebliche Personalpolitikhaben demgegenüber bisher weniger Be-achtung gefunden. Dies gilt weniger für dieLiteratur zu diesem Thema1 als für diepraktische Umsetzung von Maßnahmen inden Unternehmen. Aber spätestens ab2010 wird dieses große Problem nichtmehr zu ignorieren sein, und es wirft heuteschon seine Schatten auf die betrieblichePersonalplanung. Da nur wenige Unter-nehmen eine Personalplanung betreiben,die über drei Jahre hinausgeht, ist die Ver-drängung des Problems noch einfach.

Die demographische Situation allge-mein muss auch Ausgangspunkt aller betrieblichen Überlegungen sein. Am Bei-spiel Deutschland kann man hier folgen-de Tatbestände nennen; sie treffen mehroder weniger auch auf vergleichbare (vorallem alte EU-) Länder zu.

Die Altersstruktur der Gesellschaft ent-wickelt sich nach und nach von einer Py-ramide, wie sie sich Anfang des 20. Jahr-hunderts zeigte, über das Bild einerdickbauchigen Weinflasche heute hin zueiner Tannenform, die für das Jahr 2050prognostiziert wird.2 Ein wesentlicherGrund, dass sich an dieser Situation we-nig ändern wird, ist die in Deutschland –auch im europäischen Vergleich – beson-ders niedrige Fertilitätsrate. Sie liegt der-zeit bei 1,34 Geburten pro Frau. Für denzahlenmäßigen Bestandserhalt wäre eineGeburtenrate von 2,1 notwendig. Sie wirdvon keinem europäischen Land erreicht.3

Die Prognose von Bevölkerungszahlenberuht auf bestimmten Annahmen. Dieskann man an der Prognose der Erwerbs-personen verdeutlichen. Deren Rückgangin Deutschland ist z. B. u. a. davon abhän-gig, wie sich die Erwerbsbeteiligung derÄlteren in Zukunft entwickelt. Derzeitliegt die Quote der Erwerbstätigkeit der 55- bis 65-Jährigen in Deutschland bei ca.35% – im internationalen Vergleich eherniedrig. Ein weiterer Einflussfaktor auf diezukünftige Zahl der Erwerbspersonen istauch die Entwicklung der Frauenerwerbs-

HERAUSFORDERUNGEN AN DIE

BETRIEBLICHE PERSONALPOLITIK DURCH

DEN DEMOGRAPHISCHEN WANDEL

Hartmut Wächter, Universität Trier

Universitätsring 15,D-54286 Trier

Abb. 1: Rückgang derErwerbspersonen bis 2050

Quelle: Statistisches Landes-amt: Rheinland-Pfalz 2050,Zeitreihen, Strukturdaten,

Analysen – II Auswirkungendes demographischen

Wandels, Bad Ems 2004.

Kurzfristige Personal-planung ignoriert

die Folgen des demographischen

Wandels

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quote. Sie liegt in Deutschland bisherebenfalls mit 57,5% vergleichsweise nied-rig. Schließlich wirkt auf die zukünftigeZahl der Erwerbspersonen auch der Über-schuss der Einwanderungen gegenüberden Auswanderungen.4 Allein diese Bei-spiele zeigen schon, welcher gewaltigenAnstrengungen es bedarf, wenn man denderzeitigen Trend umkehren will. Dazubedarf es großer Änderungen der Renten-politik und Gesundheitsfinanzierung, ei-ner Änderung der Familienpolitik undneuer Ansätze der Ausländerintegration.

Am Beispiel des Landes Rheinland-Pfalz lassen sich die Wirkungen dieserFaktoren auf die Entwicklung der Erwerbs-personen bis 2050 wie folgt ausdrücken.5

Aus der Darstellung ist erkennbar, dasssich die Situation bis ca. 2010 nicht drama-tisch verändert, je nach Prognosevariantewird bis 2050 ein Rückgang der Erwerbs-personen um 16 bis 25% erwartet. Dabeiwird der Rückgang der 30- bis 45-Jährigenbesonders stark sein, während der Anteilder 45- bis 60-Jährigen erheblich ansteigt.Durchschnittlich wird der Anteil der über50-Jährigen um 3,3% Punkte steigen.6 Zuberücksichtigen ist bei solchen Prognosen(hier beispielhaft für ein Bundesland), dasses wahrscheinlich zu erheblichen regiona-len Disparitäten kommen wird. D. h. inmanchen Landesteilen wird die Situationnoch erheblich gravierender, während at-traktive Ballungszentren durch Zuzug kei-nen Rückgang verzeichnen werden.

Aus Sicht des einzelnen Unternehmenslassen sich an dieser Stelle bereits einigeallgemeine Schlüsse ziehen. Es wirdschwieriger werden, qualifiziertes Perso-nal zu beschaffen, selbst wenn dies der-zeit noch nicht so deutlich in Erscheinungtritt. Dabei wird es erhebliche Unterschie-de zwischen Unternehmen in Ballungs-gebieten und der Peripherie geben, undgleichzeitig werden einige Unternehmenmit einem positiven Image am Arbeits-markt ihren Personalbedarf decken kön-nen, während die große Zahl der anderen,meist kleineren Unternehmen gravieren-de Rekrutierungsprobleme haben werden.

Eine andere Schlussfolgerung beziehtsich auf die zu erwartende Lebensarbeits-zeit und die entsprechende Ausweitungdes Arbeitsangebots Älterer. Im Prinzipbedeutet diese Tendenz eine Reduzierungmöglicher Personalknappheit. Eine solchepositive Entwicklung ist aber von wichti-

gen Voraussetzungen abhängig, denn sieerfordert ein ausreichendes quantitativesAngebot an Arbeitsplätzen durch Unter-nehmen. Darüberhinaus wäre es erforder-lich, dass Arbeitsplätze qualitativ an dieBeschäftigung Älterer angepasst werden.Während des gesamten Arbeitslebensmuss darauf geachtet werden, dass Qua-lifikationen und Gesundheit so erhaltenbleiben, dass eine Erwerbsarbeit in einemAlter möglich wird, in dem heutige Arbeit-nehmer zum größten Teil schon aus demErwerbsleben ausgeschieden sind.

Die Herausforderungen, denen Unter-nehmen gegenüber stehen werden, sindheute also durchaus schon erkennbar. Esmüssen angepasste Rekrutierungsstrate-gien entwickelt werden, Bindung qualifi-zierter Mitarbeiter müsste hohe Prioritäthaben, altersgerechte Arbeitsgestaltungund lebenslange Weiterbildung erscheinenals neue Aufgaben, um nur einige zu nen-nen.7 Bis auf wenige Modellvorhaben und„Leuchtturmprojekte“ ist davon aber bishernoch wenig praktisch umgesetzt worden.8

Ältere Arbeitnehmer als Flexibilitätsreserve

Es wäre allerdings falsch zu konstatieren,dass Unternehmen sich bisher überhauptnicht mit ihren Altersstrukturen beschäf-tigt hätten – im Gegenteil. Die älteren Arbeitnehmer waren und sind Dreh- und Angelpunkt einer Personalplanung,die sich Flexibilität erhalten will. Mit den zahlreichen Vorruhestandsregelun-gen und dem Nicht-Ersetzen der sog.natürlichen Fluktuation wurden Instru-mente entwickelt und eingesetzt, diemögliche Konflikte der Personalreduzie-rung minderten und bei denen scheinbaralle Gewinner waren. Arbeitgeber und Ar-beitnehmer haben sich zu Lasten Dritter(dem Steuerzahler, der Solidargemein-schaft der Pflichtversicherten) geeinigtund den Personalabbau (scheinbar) „so-zialverträglich“ geregelt. Ältere waren undsind betriebliche Flexibilitätsreserve desUnternehmens und das Problem wirdexternalisiert, d. h. man einigt sich mitden Beschäftigten zu Lasten Dritter.

Angesichts der bisherigen personalpla-nerischen Möglichkeiten konnten es sichUnternehmen bisher leisten, Arbeitskräftefrühzeitig zu verschleißen, da sie ohnehin

11

Der Rückgang an Erwerbspersonen wird

vor allem unter den 30- bis 45-Jährigen

stark sein

Immer weniger qualifiziertes Personal

gerade bei kleinerenUnternehmen

Arbeitsplätze müssenqualitativ an den

älteren Arbeitnehmerangepasst werden

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vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Er-werbsleben ausscheiden. In diesem Sinnist Alter und Altern relativ. Durch frühzeiti-gen Verschleiß auf nicht altersgerechtenArbeitsplätzen, durch Entwertung der Qua-lifikationen bei Spezialisierung in veralte-ten Wissensbeständen und durch Entmuti-gung älterer Arbeitnehmer kann Personalganz schön „alt aussehen“9. Man ist alsonicht per se alt, sondern wird durch dieUmstände der Beschäftigung alt gemacht.

Die bisherige Berücksichtigung des Alters in der Personalplanung, die zu vor-zeitigem Verschleiß und zur Externalisie-rung führten, ist also überhaupt den neuentstehenden Problemen nicht angemes-sen; vielmehr trägt sie geradezu zu die-sen Problemen bei.

Das Problem ist umso gravierender, alsdie bisherige Politik der Frühverrentungzu inzwischen festsitzenden Einstellun-gen geführt hat, die nur schwer zu ändern sind. So werden Älteren ohne wei-tere Prüfung Lernunfähigkeit oder -unwil-ligkeit zugeschrieben, und Weiterbildungbietet man vorrangig nur Jüngeren an.Auch die Vorstellung, dass nur durch einejugendzentrierte Innovationspolitik dieWettbewerbsfähigkeit erhalten werdenkönne, ist eine nicht überprüfte Annah-me. Aber auch bei den Arbeitnehmern haben sich Erwartungen auf einen vorge-zogenen Ruhestand (bei gesichertemRentenniveau) so verfestigt, dass es sehrschwierig sein wird, die älteren Arbeitneh-mer zu längerem Verweilen im Erwerbs-leben zu veranlassen oder dies ihnen so-gar erstrebenswert erscheinen zu lassen.

Diese Erwartungen erweisen sich alszäh und sind durch die einfache Herauf-setzung des Rentenalters sicherlich nichtlösbar.

Lässt sich an der demographischen Si-tuation für die Gesellschaft und damitauch an den notwendigen Reformen derRentenpolitik, der Familienpolitik und derIntegration von Ausländern wenig deu-teln, so können die Verhältnisse in denUnternehmen höchst unterschiedlichsein. Ein Maschinenbauunternehmen mitfestem Facharbeiterstamm um und jen-seits von 55 Jahren sieht sich in einerganz anderen Situation als ein jüngeresUnternehmen der IT-Branche. Und auchein Unternehmen in den neuen Bundes-ländern, in dem sich ein Bruchteil der Be-schäftigten nach der Wende als eine ver-

schworene Mannschaft zwischen 40 und50 Jahren am Markt erfolgreich etablierthat, stellt einen ganz anderen Fall dar.Gleichwohl müssten sich alle diese unter-schiedlichen Unternehmen mit dem Alterihrer Belegschaft beschäftigen und die jespezifischen Probleme identifizieren.10

Das Alter muss folglich in alle personal-planerischen Überlegungen einbezogenwerden und wird zu unterschiedlichenMaßnahmen einer altersgerechten Perso-nalpolitik führen.

Maßnahmen einer alterns-gerechten Personalpolitik

Notwendige Voraussetzung, sich mit denje spezifischen Problemen einer alterns-gerechten Personalpolitik zu beschäfti-gen, ist die Ermittlung und Prognose derAltersstruktur eines Unternehmens undeinzelner Abteilungen. Denn eine Perso-nalpolitik bei alternder Belegschaft kannund darf nicht lediglich eine Personalpoli-tik für ältere Arbeitnehmer sein.

Eine Altersstrukturanalyse über 5 Jahrehinaus wird bisher von nur wenigen Unter-nehmen gemacht. Sie könnte neben derErfassung des Ist-Zustandes und dessenFortschreibung in die Zukunft auch Simu-lationen über mögliche zukünftige Zustän-de und Auswirkungen verschiedener per-sonalpolitischer Entscheidungen erhalten.Z. B. müsste man die Auswirkungen pro-gnostizieren, die durch das absehbare Aus-laufen der gesetzlich geregelten Altersteil-zeit entstehen. Modellartig müsste mandie Folgen simulieren, die unterschiedlicheEntscheidungen bezüglich Abfindungenfür ältere Mitarbeiter haben, oder Alternati-ven bei der Übernahme nach dem Ausbil-dungsverhältnis müssten geprüft werden11.

Wie kann das Erwerbspotential ältererArbeitnehmer ausgeschöpft werden? Einesolche Frage kann nicht nur bei den Älte-ren ansetzen – so wichtig es auch seinmag, die Bedingungen für ältere, wenigerleistungsfähige Arbeitnehmer zu verbes-sern. Vielmehr ist die gesamte Personal-politik vor dem Hintergrund des Alternsund der längeren Lebensarbeitszeit aufden Prüfstand zu stellen. Arbeitsgestal-tung und Karriereplanung sind ebensowichtig wie flexible Arbeitszeitgestaltung,altersgemischte Teams und kontinuier-liche Weiterbildung.12

12

Alter und Altern sind relativ

Personalplanung mussdas Alter

berücksichtigen

Etablierte Vorurteileund Erwartungen

verschärfen die Problematik

Die Frage nach derNutzung des Erwerbs-

potentials älterer Arbeitnehmer darfnicht nur bei den Älteren ansetzen

Altergemischte Teamsund kontinuierliche

Weiterbildung

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Dabei ist immer zu beachten, dassdurch ungeeignete Maßnahmen, Perso-nen erst alt gemacht werden. So wird z. B. der Verschleiß der Arbeitskraft er-höht, wenn die Tätigkeit monoton ist;Qualifikation veraltet umso schneller, alsältere Arbeitnehmer nicht an neue Wis-sensbereiche herangelassen werden, undÄltere werden entmutigt, wenn man ih-nen keine erkennbaren Neuanfänge eröff-net.13

Wenn man heute über mögliche betrieb-liche Maßnahmen zur Bewältigung desProblems und zu einem produktiven Um-gang mit älteren Arbeitnehmern als Res-source spricht, dann muss man tiefsitzen-den Einstellungen in Rechnung stellen, dieheute noch dagegen sprechen. Die Maß-nahmenkataloge, die vorgelegt wurden,14

stellen deshalb auch an den Anfang zuRecht die Bedeutung der Unternehmens-kultur und einen notwendigen Wandel derUnternehmensphilosophie. Das ist voll-kommen plausibel, aber natürlich auch be-sonders schwer zu verwirklichen. Es bedarfdeutlicher Signale, verbindlicher Handlun-gen und ein Vorleben durch die gesamteFührungsriege, um einen solchen Wandelglaubwürdig zu vollziehen.

Um das Erwerbspotential älterer Arbeit-nehmer auszuschöpfen, ist eine doppelteStoßrichtung vonnöten. Zum einen musses um den Erhalt und die Förderung derQualifikation und Motivation der älter wer-denden Belegschaft gehen, und dies mussin allen Altersklassen kontinuierlich ge-schehen. Zum anderen müssen Einsatz-möglichkeiten für ältere, weniger-leistungs-fähige Arbeitnehmer gefunden werden.Dies ist vor allem bedeutsam nicht nur beieiner Heraufsetzung des Renteneintrittsal-ters, sondern schon bei einem späterenfaktischen Übergang in den Ruhestand.

Der Arbeitszeitpolitik kommt auch hinsichtlich der Flexibilität eine neue Be-deutung zu, u. a. um eine bessere Ver-einbarung von Familie und Beruf zu gewährleisten. Der schon vor vielen Jahrendiskutierte und ansatzweise gleitendeÜbergang in den Ruhestand muss neueImpulse bekommen. Die im deutschen Al-tersteilzeitgesetz eingeräumte Wahlmög-lichkeit des sog. Blockmodells (von 6 Jah-ren Teilzeit werden 3 Jahre voll gearbeitetund 3 Jahre „abgefeiert“), das von den Ar-beitnehmern überwiegend präferiert wird,ist in dieser Hinsicht eine Fehlentwicklung.

Der Zusammenhang von Arbeiten undLernen oder die Entwicklung von Fähig-keiten in und durch die Tätigkeit ist auchzentral für das Problem „Altern im Be-trieb“. Der Dresdner ArbeitspsychologeWinfried Hacker hat auf diesem Gebietbahnbrechende Arbeit geleistet. SeineKonzepte und Analysemethoden lassensich ohne weiteres auch auf die Proble-me des Alterns im Betrieb übertragen.Hacker beschreibt die Ziele der Arbeits-gestaltung in einer Hierarchie von Aus-führbarkeit, Schädigungslosigkeit, Zu-mutbarkeit bis hin zur Persönlichkeits-förderlichkeit. Letztere ist dadurch cha-rakterisiert, dass die Arbeit so gestaltetsein sollte, dass sie vorhandenes Wissenabfordert und damit erhält und dass sieneue Kompetenzen – man könnte etwasvollmundig von persönlichem Wachstumsprechen – zu entwickeln erlaubt. Damitwird u. a. klar, dass Alterspolitik nicht(nur) bei den Alten ansetzt, sonderngleichsam in die Gestaltung jedes Ar-beitsplatzes eingebaut werden muss.

Nun liegt natürlich der Einwand nahe,dass sich lange nicht alle Arbeiten auchbeim besten Willen so gestalten lassen,dass sie diese Entwicklung ermöglichen.Viele Arbeiten weisen notwendigerweiseeine einseitige Belastung auf, wenn sieüberhaupt ausgeführt werden sollen.Denken wir an den Arbeitsplatz des Bus-fahrers oder des Börsenhändlers. Deshalbist es unerlässlich, im Hinblick auf einealternsgemäße Personalpolitik viel inten-siver und umfassender über Arbeits-platzwechsel und horizontale Brücken inden individuellen Karrieren nachzuden-ken. Es müssen Arbeitsplätze geschaffenwerden, die auch von Arbeitskräften be-setzt werden können, die in einer anderenTätigkeit „vernutzt“ wurden. BisherigePraxis der Anerkennung von Berufskrank-heiten und Frühinvalidität kommen hierauf den Prüfstand und auch das heiße Ei-sen einer senioritätsorientierten Entloh-nung muss angepackt werden. Das stelltjahrzehntelange Gewohnheiten in Frage.

Mit der größeren Bedeutung, die demAlter in der Personalpolitik zukommenmuss, und mit der zukünftigen größerenRepräsentanz älterer Mitarbeiter im Unter-nehmen stellen sich natürlich auch dieFragen des gedeihlichen Zusammenle-bens und -wirkens verschiedener Alters-gruppen neu. Altersgemischte Teams sind

13

Ungeeignete Maßnahmen machen

die Belegschaft alt

Arbeit soll die Entwicklung neuer

Kompetenzen unterstützen

Ein Wandel der Unter-nehmungsphilosophie

muss vorgelebt werden

Qualifikation der älterwerdenden Mitarbeiter

als auch adäquate Einsatzmöglichkeiten

für Weniger-Leistungs-fähige müssen

gefördert werden

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notwendig, um Wissensbestände zu erhal-ten und weiterzugeben. Dabei geht es vorallem um sog. „tacit knowledge“, alsoWissen, das man sich im Laufe einerTätigkeit aneignet und das schwer kodifi-zierbar ist (z. B. „Tricks“ bei der Meiste-rung einer Produktionsaufgabe, Wissenum Eigenarten bestimmter Kunden etc.).Der Transfer dieses äußerst wichtigenWissens geht selten ohne Teilhabe am Ge-schehen vonstatten und ist zeitaufwen-dig15. Altersgemischte Teams stellen auchbesondere Anforderungen an geeigneteKommunikationsformen der Beteiligtenund stellen eine Herausforderung anFührungskräfte dar, die mit den notwendi-gerweise auftretenden Konflikten umzuge-hen in der Lage sind. Solche Fragen sindin jüngster Zeit im Rahmen des „DiversityManagement“ thematisiert worden. Die-ses Konzept versucht, über die Tolerierungvon Unterschiedlichkeit, die sich z. B. ausdem Minderheitenschutz und aus Antidis-kriminierungsvorschriften ergibt, hinausUnterschiedlichkeit als Chance und Ge-winn zu sehen. So könnte z. B. die Be-schäftigung Älterer in bestimmten Märk-ten eine Verbesserung des Marktzutrittsund des Aufbaus von Vertrauen bewirken.Als Fernziel des Diversity Managementskönnte man Unterschiedlichkeit von Altund Jung, z. B. die unterschiedlichen Wis-sensbestände oder die verschiedene Artund Weise, mit Neuem umzugehen undErfahrungen einzubringen, nutzen, umdaraus gemeinsam zu lernen und eine Or-ganisation fortzuentwickeln.16

Der demographische Wandel stellt viel-fache neue Herausforderungen. Die Bereitschaft, sich in den Unternehmendamit ernsthaft und intensiv auseinander-setzen, entscheidet auch darüber, wie diezukünftige, alternde Gesellschaft ausse-hen wird und wie die Probleme bewältigtwerden. Das Altern ist menschlichesSchicksal, wie wir damit umgehen, hängtaber von uns selbst ab.

Anmerkungen

1 Ein Überblick findet sich auf www.demotrans.de

2 Vgl. Statistisches Bundesamt. Bevölkerung in Deutschland bis 2050 – 10. KoordinierteBevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden2003, S. 30.

13 Vgl. http://epp.eurostat.cec.eu.int/portal/page_pageid=0,1136184,0_45572592&_dad=portal&_ schema=PORTAL (Zugriff: 8.3.2006).

14 Alle Angaben nach Statistisches Landesamt:Rheinland-Pfalz 2050, Zeitreihen, Struktur-daten, Analysen. II. Auswirkungen des de-mographischen Wandels, Bad Ems 2004.

15 Vgl. ebenda.16 Vgl. http://www.statistik.rlp.de/verlag/sons-

tiges/flyerBevoelkerungsentwicklung_20501.pdf (Zugriff: 8.3.2006).

17 Vgl. z. B. Buck, Hartmut: Öffentlichkeits-und Marketingstrategie demographischerWandel – Ziele und Herausforderungen, in:Bullinger, Hans-Jörg (Hrsg.): Zukunft derArbeit in einer alternden Gesellschaft, in:Broschürenreihe: Demographie und Er-werbsarbeit, Stuttgart 2001, S. 11.

18 Vgl. aber die instruktiven Fallbeispiele beiBertelsmann Stiftung; Bundesvereinigungder Deutschen Arbeitgeber (Hrsg.): Morsch-häuser, Martina et al.: Erfolgreich mit älte-ren Arbeitnehmern – Strategien und Bei-spiele für die betriebliche Praxis, Gütersloh2003.

19 Behrens, Johann: Was uns vorzeitig „alt aus-sehen“ lässt, in: Aus Politik und Zeitge-schichte, B 3-4, 2001, S. 14.

10 Zu möglichen Problemen verschiedener Typen betrieblicher Altersstrukturen vgl.Köchling, Annegret: Altersstrukturen undPersonalpolitik unter den Bedingungen desdemographischen Wandels, in: Köchling,Annegret et al.: Innovation und Leistung mitälterwerdenden Belegschaften, Münchenund Mehring 2000, S. 54 ff.

11 Vgl. hierzu Blum, Carsten et al.: Altersstruk-turanalyse als Instrument zur Personalpla-nung bei alternder Belegschaft, in: Wächter,Hartmut; Sallet, Dorothee (Hrsg.): Perso-nalpolitik bei alternder Belegschaft, Mün-chen und Mering 2006, S. 36 ff.

12 Zu diesen und weiteren Maßnahmen vgl.Clemens, Wolfgang: Ältere Arbeitnehmer imsozialen Wandel – Von der geschmähtenzur gefragten Humanressource, Opladen2001.

13 Vgl. Behrens, Johann: Was uns vorzeitig „altaussehen“ lässt, in: Aus Politik und Zeitge-schichte, B 3–4, 2001, S. 19ff.

14 Vgl. z. B. Projektverbund Öffentlichkeits-und Marketingstrategie demographischerWandel (Hrsg.): Handlungsanleitungen füreine alternsgerechte Arbeits- und Personal-politik – Ergebnisse aus dem Transferpro-jekt, in: Broschürenreihe: Demographie undErwerbsarbeit, Stuttgart 2002.

15 Vgl. Wächter, Hartmut; Kerstin Bernhard: Si-cherung des Betriebswissens und Verbesse-rung des Wissenstransfers beim Ausschei-den älterer Arbeitnehmer am Beispiel derKSB AG, in: Wächter, Hartmut; Sallet, Doro-thee (Hrsg.): Personalpolitik bei alternderBelegschaft, München und Mering 2006, S. 99ff.

16 Vgl. Vedder, Günther: Diversity Mananage-ment; in Poth, L./Poth, G. (Hrag.): Marke-ting – Loseblattsamm.

14

Altersgemischte Teamssichern den

Wissensbestand

Diversity Management:Unterschiedlichkeit als

Chance

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Die berufliche Verweildauer im Ge-sundheitssektor liegt im europäischenDurchschnitt bei nur 6 Jahren. Der Perso-nalmangel, die schwierigen Arbeitsbedin-gungen und der Mangel an Weiterbildungsowie fehlende Karriereplanung zählen zuden wesentlichen Gründen für die hoheDropout-Quote. Einschlägige Untersu-chungen [vgl. z. B. NEXT-Studie, DAK-BGW-Report, u. a.] kommen überwiegendzu ähnlichen Ergebnissen:

Arbeitstempo, wahrgenommener Leis-tungsdruck und die Sorge um den Ar-beitsplatz haben deutlich zugenommen.Demgegenüber stehen Entwicklungen,die grundsätzlich als positiv zu bewertensind, wie z. B. die zunehmende Aufgaben-vielfalt. Unter Berücksichtigung der Tat-sache, dass ein Mehr an Aufgaben aucheinen erhöhten Weiterbildungsbedarf mitsich bringt, Zeitressourcen jedoch nichtunbegrenzt zur Verfügung stehen, ist al-lerdings auch dieses Ergebnis zu rela-tivieren. Eine aktuelle Umfrage unterÖsterreichs SpitalsärztInnen zeigt, dassAufgabenvielfalt und Arbeitszufriedenheitnicht unbedingt positiv korrelieren: 42%der Befragten gaben an, dass sie sichdurch die Zunahme an administrativenAufgaben in ihrem Beruf „sehr stark be-lastet“ fühlen.

Es ist mit großer Wahrscheinlichkeitanzunehmen, dass sich all diese Proble-me in den kommenden Jahren noch ver-schärfen.

Parallel dazu sind zwei Entwicklungenim Gesundheitswesen zu beachten:1. Längst wurden jene Dienstleistungen,

die in Zusammenhang mit der Ge-sundheit stehen, als der Wachstums-markt für die nächsten Jahren erkannt– es entsteht demnach akuter Hand-lungsbedarf, um entsprechend gut aus-

gebildetes und motiviertes Personal re-krutieren zu können.

2. Unter dem dominierenden Kostenaspektwerden hinkünftig verstärkt betriebswirt-schaftliche Überlegungen angestellt wer-den müssen. Es ist daher nahe liegend,Maßnahmen, die einen Beitrag zur Ver-ringerung der [sehr kostenintensiven!]Personalfluktuation leisten können, zusetzen. Nicht zuletzt aus diesem Grundhat ein gesamteuropäisches Umdenkenbezüglich einer breiten Gesundheits-förderung begonnen. Damit erhält nunauch im Gesundheitswesen das ThemaPrävention für MitarbeiterInnen einenhöheren Stellenwert.

Lösungen für die Zukunft

„Forum Personalentwicklung“ ist Partnerder Entwicklungspartnerschaft „Gesun-des Gesundheitswesen“, einer Initiativeder Europäischen Union. 20 Partnerorga-nisationen [Interessensvertretungen, Un-ternehmen und NPOs] haben sich imRahmen dieses Projektes1 gemeinsamentschlossen, Beiträge zu aktuellen Fra-gen der Personalentwicklung im öster-reichischen Gesundheitssektor zu leisten.Die Initiative wird im Rahmen des EU-Programms „Equal“ umgesetzt und zugleichen Teilen aus Mitteln des europäi-schen Sozialfonds und der Beschäfti-gungsoffensive der österreichischen Bun-desregierung finanziert. Strukturelementedieses Projekes sind u. a. die konkreteUmsetzung von fünf Lösungsansätzensowie, gemeinsam mit sieben andereneuropäischen Ländern, die Teilnahme amtransnationalen Netzwerk Cema-net. Dar-über hinaus gilt als wesentliches Ziel, dasThema und die Projektentwicklungen

15

FORUM PERSONALENTWICKLUNG –PLATTFORM FÜR PE IM ÖSTERREICHI-SCHEN GESUNDHEITSWESEN

Peter FloquetInstitut für

HumanistischesManagement

Fasangasse 20A-1030 Wien

Tel. +43/1/796 37 98Mail: p.floquet@

human.or.at

Höherer Stellenwertder Prävention

Augabenvielfalt korreliert nicht unbedingt mit

Arbeitszufriedenheit

Qualifiziertes Personalerforderlich

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möglichst öffentlichkeitswirksam zu plat-zieren und eine breite Diskussion anzu-regen.

Institut für HumanistischesManagement in Schlüsselfunktion

Das Institut für Humanistisches Manage-ment [HuMan] wurde im Rahmen der be-schriebenen EU-Initiative mit der Ge-samtkoordination des Projektes sowiemit dem Aufbau von „Forum Personalent-wicklung“ betraut. HuMan ist eine inter-disziplinäre Einrichtung, die seit vielenJahren Mittel- und Großbetriebe dahinge-hend unterstützt, aktuellen Herausforde-rungen der heutigen Arbeitswelt mit ethi-schen Prinzipien [z. B. im Umgang mitden Human-Ressourcen] zu begegnenund sie bei der erfolgreichen Umsetzungeiner humanen Personalpolitik begleitet.Das Institut HuMan ist also im Bereichder gesellschaftlichen Verantwortung vonUnternehmen [neudeutsch: Corporate So-cial Responsibility, CSR] tätig.

Vernetzung durch österreichweitePlattform

HuMan etabliert im Rahmen des be-schriebenen EU-Projektes unter dem Na-men „Forum Personalentwicklung“ [Fo-rum PE] eine österreichweite Plattform fürPersonal[mit]verantwortliche von Kran-kenhäusern sowie Alten- und Pflegehei-men. Durch eine Vielzahl von Dienstleis-tungen für PersonalistInnen zu aktuellenThemen der Personalentwicklung wird einklassischer Multi-Profit-Ansatz zum Nut-zen aller Beteiligten geschaffen. Ziel istes, den – oftmals im Verborgenen blühen-den Lösungen – ein Forum zu bieten undErkenntnisse bzw. Erfahrungen zu teilen.Die Dienstleistungen von Forum PE rei-chen dabei von Round-Table-Gesprächenüber ExpertInnenvorträge bis zur Präsen-tation von Beispielen guter Praxis. Darü-ber hinaus wird über den Entwicklungs-stand der anderen am Projekt „GesundesGesundheitwesen“ beteiligten Partner be-richtet.

Unter reger Beteiligung wurden bislangfünf Veranstaltungen zu HR-Themen durch-geführt. Beispielhaft seien hier genannt:

3. Forum Personalentwicklung [in Ko-operation mit der Ärztekammer NÖ]: 19. April 2006, Ärztekammer NÖ.

Titel: Arbeitsplatz Schreibtisch oder Ar-beitsplatz Krankenbett? Mögliche Lö-sungsansätze zum Dilemma zunehmen-der Verwaltungsaufgaben für ÖsterreichsÄrztInnen.

Hintergrund: Eine österreichweite Be-fragung ergab, dass sich 42% der Spitals-ärztinnen und Spitalsärzte durch admi-nistrative Aufgaben „sehr stark belas-tet“ fühlen. Und die Bürokratie scheintweiter zuzunehmen. Doch wie könnte Abhilfe geschaffen werden? Welche Lö-sungsansätze wären geeignet, den Doku-mentations- und Verwaltungsaufwand zureduzieren?

Veranstaltungsform: Podiumsdiskus-sion.

Folgende FachreferentInnen diskutier-ten mit den TeilnehmerInnen:Dr. Andrea Kdolsky, GF der NÖ Landes-kliniken HoldingDr. Cornelia Trimmel, Turnusärztin KHNeunkirchenDr. Gerhard Schuh, Obmann der Kurie derNÖ-SpitalsärztInnenDr. Lukas Stärker, Jurist und Arbeitsrechts-experte der Öst. ÄrztekammerEinführung und Moderation: Martin Rüm-mele, Wirtschaftsblatt

4. Forum Personalentwicklung [in Koope-ration mit der Goldenes Kreuz PrivatklinikBetriebsGmbH]: 13. Juni 2006, GoldenesKreuz Privatklinik.

Titel: CSR im Krankenhaus – Feigen-blatt für das gute Gewissen oder Manage-mentstrategie für zukünftige Herausfor-derungen?

Hintergrund: Corporate Social Respon-sibility [CSR], die gesellschaftliche Verant-wortung von Unternehmen, rückt immermehr in den Mittelpunkt des öffentlichenInteresses. Wirtschaftlicher Erfolg durchCSR basiert jedoch nicht auf ökologi-schen oder sozialen Einzelinitiativen, son-dern auf einer systematischen Integrationdes Themas in das Management undberücksichtigt im Rahmen dieses integra-tiven Ansatzes vor allem auch die ökono-mische Performance eines Unterneh-mens. Anhand eines konkreten Beispieleswurde an diesem Abend aufgezeigt, wieCSR als Strategie für Krankenanstalten er-folgreich implementiert werden kann. Be-

16

Zunehmende Verwaltungsaufgaben

für Österreichs ÄrztInnen

HuMan begleitet Betriebe bei der

Umsetzung einer humanen

Personalpolitik

Ziel der Plattform: Erfahrungs- und

Erkenntnisaustausch

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sondere Berücksichtigung fand dabei dieTatsache, dass die ISO für Herbst 2008die Einführung eines weltweit einheitli-chen CSR-Standards [ISO 26000] plant.Veranstaltungsform: Fachvortrag.

Vortragende: Markus Kalbhenn, GF Ins-titut für Humanistisches ManagementMag. Martin Neureiter, CSR-Experte undLeiter einer Task-Group der InternationalOrganization for Standardization zur Ent-wicklung des ISO 26000.

Einführung und Moderation: Mag. Pe-ter Floquet.

5. Forum Personalentwicklung [in Koope-ration mit der SALK, Gemeinnützige Salzburger Landeskliniken Betriebsgesell-schaft mbH, Servicebereich Bildungs-zentrum bzw. Servicebereich Personal]:20. Juni 2006, Fort- und Weiterbildungsa-kademie der SALK.

Titel: Meisterhafte Pflegekunst – ein al-ter[n]sgerechtes Karrieremodell im Pflege-beruf.

Hintergrund: Erfahrene und [zumeist]ältere Pflegende können im Rahmen desModells „Meisterhafte Pflegekunst“ stär-ker als bisher ihre Kompetenzen mit voll-er Zufriedenheit einbringen. Dies betrifftsowohl die unmittelbare PatientInnenbe-treuung als auch die Kompetenzentwick-lung von KollegInnen. „Meisterhafte Pfle-

gekunst“ bietet damit eine praktikableMöglichkeit, die Abwanderung in hierar-chisch vorteilhaftere Positionen oder denAusstieg aus dem Pflegeberuf aufgrundmangelnder Herausforderung oder zu ge-ringer Sichtbarkeit der Leistungen in derPatientenarbeit zu vermeiden.

Veranstaltungsform: Fachvortrag.Vortragende: Dir. Anna Danzinger,

MAS, Direktorin an der Schule für Ge-sundheits- und Krankenpflege am Allge-meinen Krankenhaus der Stadt Wien –Universitätskliniken.

DGKP Michael Glotter, Pflegeexpertefür Neurologische Fachpflege, Univer-sitätsklinik Wien.

Für Herbst dieses Jahr sind noch drei wei-tere Veranstaltungen in Planung. Für nähe-re Auskünfte bezüglich der konkreten Ter-mine kontaktieren Sie bitte Frau UlrikeAuracher, [email protected].

Anmerkung

1 Ein von Staatssekretär Sigisbert Dolinschekunterstütztes Projekt, finanziert aus Mittelnder Beschäftigungsoffensive der österreichi-schen Bundesregierung [Behindertenmilliar-de] für Menschen mit Behinderungen unddes Europäischen Sozialfonds.

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Einführung eines ISO-Standards für„Corporate Social

Responsibility“

Facultas MedizinFacultas UniversitätsbuchhandlungBerggasse 2, 1090 WienMo bis Fr 8.30-18.30 Uhr, Sa 9-12.30 UhrT 01-319 53 06F 01-310 56 66-14E [email protected]

Facultas Med-ShopBerggasse 4, 1090 WienMo bis Do 9-18 Uhr, Fr 9-16 UhrT 01-310 56 66-13F 01-310 56 66-34E [email protected]

Maudrich UniversitätsbuchhandlungSpitalgasse 21a, 1090 WienMo bis Fr 8.30-18 Uhr, Sa 9-12 UhrT 01-402 47 12F 01-408 50 80E [email protected]

Urban & SchwarzenbergFrankgasse 4, A-1096 WienMo bis Fr 9-18 Uhr, Sa 10-14 UhrT 01-405 27 31F 01-405 27 24-41E [email protected]

Facultas, Maudrich, Urban & Schwarzenberg

www.facultas.at

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Die Altersstruktur unserer Gesellschaft ver-schiebt sich in Richtung eines höheren Al-tersdurchschnitts. In unserer Arbeitsweltwerden die Jungen weniger und zwar abso-lut und relativ. Das bedeutet weniger Ren-tenzahler (das führt bereits jetzt zu einerbedrohlichen Finanzierungslücke bei denPensionskassen) und weniger junge Ar-beitskräfte (dies dürfte zumindest in dennächsten zehn Jahren noch nicht zu einemmerkbaren Mangel an jungen Arbeitskräf-ten führen). Die Lebensarbeitszeit wirdalso nicht deshalb verlängert, weil jugend-liche Arbeitskräfte fehlen, sondern weil diePensionen nicht mehr gesichert sind (Werlänger arbeitet, verbraucht nicht nur keinePension, sondern zahlt außerdem in dengemeinsamen Topf ein).

Prof. Dr. Werner Dostal vom Institut fürArbeitsmarkt- und Berufsforschung inNürnberg macht deutlich, dass Arbeitslo-sigkeit gegenwärtig fast ausschließlichungelernte und gering qualifizierte Ar-beitnehmer betrifft, sich aber kaum beiHochschulabsolventen findet. Statistikenzur Arbeitslosigkeit Älterer zeigen, dass enorme Unterschiede im Ländervergleichbestehen, die zum Teil aber auch einfachdadurch bedingt sind, dass Frühpensio-nierung unterschiedlich als Steuerungsin-strument gegen Arbeitslosigkeit einge-setzt wird. Generell, so Werner Dostal,sind angesichts des demographischenWandels in den Industrieländern die fol-genden Strategien empfehlenswert:• altersunabhängige Einkommensstruktu-

ren (d. h. keine automatische Einkom-menssteigerung mit dem Lebensalter)

• keine absolut definierte Altersgrenze fürden Ruhestand, eher Festschreiben derErwerbsdauer. Eine 40-jährige Erwerbs-dauer könnte beispielsweise bedeuten,dass ein Klempner, der mit 18 ins Be-rufsleben einsteigt, mit 58 ausscheidet,ein Akademiker, der mit 28 einsteigt,aber bis 68 arbeiten muss. In diesem

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DER ÄLTERE ARBEITNEHMER

Highlights vom 9. Wiener Forum Arbeitsmedizin20./21.4.2006

Hugo W. RüdigerMedizinische

Universität Wien,Klinische Abteilung

Arbeitsmedizin,Währinger

Gürtel 18–20, 1090 Wien

Programmübersicht

Der demographische Wandelder Altersstruktur in IndustrieländernWerner DOSTAL

Wandel des Anforderungsprofilsin der modernen ArbeitsweltRobert WINKER

Krankheitshäufigkeiten bei älteren Arbeitnehmern:Fakten und Folgerungen für die ArbeitsmedizinBernhard BADURA

Altersspezifische Probleme von Frauen am ArbeitsplatzAngela WROBLEWSKI

Altersgerechte Arbeitsorganisationsfor-men – auch außerhalb der Erwerbsarbeit?Susann MÜHLPFORDT

Der Work-Ability-Index (WAI) als Beurteilungsinstrument für die Arbeits-medizin unter besonderer Berücksichti-gung des älteren ArbeitnehmersRudolf KARAZMAN

Leistung und Leistungserhalt im Alteraus Sicht der PsychologieGerald GATTERER

Leistung und Leistungserhalt im Alteraus Sicht der SportmedizinPaul HABER

Ergonomische Ansätze zur Gesundheits-förderung des älteren ArbeitnehmersWalter HACKL-GRUBER

Entwicklung betrieblicher Alters-strukturen als Ausgangspunkt für Diversity ManagementHartmut WÄCHTER

Betriebliche Maßnahmen zur Bewälti-gung des demographischen WandelsStefanie WEIMER

Arbeitslosigkeit vorwiegend bei

ungelernten und geringqualifizierten

Arbeitnehmern

Erwerbsdauer statt Altersgrenze festlegen

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Falle hätten beide gleich lang in denRententopf eingezahlt.

• Aufwertung der Erwachsenenbildung(lebenslanges Lernen).

• Familienfreundliche Erwerbsstrukturenund soziale Sicherung, auch bei Er-werbspausen. Die innerhalb der eu-ropäischen Länder vergleichsweisehohe Kinderzahl in Dänemark, Finn-land, Frankreich, Irland, Luxemburgund Niederlande ist wesentlich daraufzurückzuführen, dass in diesen Län-dern das Kinderaufziehen mit finanziel-len und sozialen Erleichterungen stär-ker gefördert wird.

• Definition und Reservierung altersadä-quater Berufe könnten Instrumente fürtragfähige Spätperspektiven sein.

Der demographische Umbruch geht par-allel mit einem Strukturwandel in unsererArbeitswelt, wie Dr. Robert Winker dar-gestellt hat. Dieser Strukturwandel ist in erster Linie dadurch ausgelöst, dassdie Kosten für menschliche Arbeitskraftauf einem historischen Höchststand sindund Arbeitskräfte daher eingespart wer-den, wo immer das möglich ist.

Dieses führt zu zwei Konsequenzen:1. Personalabbau. Die gleiche Arbeit wird

auf immer weniger Leute verteilt, im-mer weniger müssen die gleiche odereine gesteigerte Produktivität bringen(job enlargement).

2. Automatisierung. Übrig bleiben dieTätigkeiten, die sich nicht (wirtschaft-lich) automatisieren lassen, daruntervor allem im Dienstleistungsbereich

und die qualitativ hochwertige Arbeit(job enrichment).

Insgesamt ist die Arbeitswelt härter ge-worden. Im Zusammentreffen der beidensäkularen Phänomene, demographischerStrukturwandel und Strukturwandel derArbeitswelt, liegt die Herausforderung fürdie Arbeitsmedizin.

Prof. Dr. Bernhard Badura von der Fakul-tät für Gesundheitswissenschaften derUniversität Bielefeld vertritt die (gelegent-lich auch provokative) These, dass es vorallem die Arbeit ist, die unter qualitativschlechteren Arbeitsbedingungen geleis-tet wird, die zu Krankheit und vorzeitigemVerschleiß führt.

Vorrangig sollte die Arbeitsqualität an-gehoben werden. Mit höherer Qualifi-kation nimmt auch das Interesse der Be-schäftigten an ihrer eigenen Gesundheitzu. Aus diesem Grunde setzt BernhardBadura vor allem auf solche Verbesserun-gen in Betrieben, welche Führungsstil,Organisation und Qualität der Arbeit be-treffen. Unter allen Krankheitsursachennehmen die psychischen Störungen amstärksten zu.

Mag. Dr. Angela Wroblewski vom IHS inWien analysiert die Arbeitsmarktinte-gration älterer Frauen in Österreich und betont besonders ein Detail, das auchschon bei den vorangegangenen Vortra-genden hervorgehoben wurde: Je höher dieBildung und je besser die Ausbildung ist,desto höher ist auch die Wahrscheinlich-keit, noch im höheren Lebensalter er-

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Abb. 1

Lebenslanges Lernen!

Familienfreundliche Erwerbsstrukturen

und soziale Sicherung schaffen

Steigerung der Arbeits-qualität fördert auchdas Interesse an der eigenen Gesundheit

Bessere Ausbildungverbessert die Chance

auf Erwerbstätigkeit im Alter

Lohnkosten auf historischem Höchststand

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werbstätig zu bleiben. Frauen in der gegen-wärtigen Arbeitswelt sind stärker von derGefahr der Dequalifikation durch Teilzeitar-beit und Karenzen aus familiären Verpflich-tungen bedroht. Eine gezielte betrieblicheWeiterbildung könnte stark dazu beitragen,diesen Nachteil auszugleichen.

Nicht monetierte Arbeit für ältere Arbeit-nehmer wird in Zukunft an Bedeutung ge-winnen, wie Dipl.-Psych. Susann Mühl-pfordt von der Technischen UniversitätDresden ausführte. Dies kann natürlich nurfunktionieren, wenn solche Programmedurch flankierende finanzielle Maßnahmenunterstützt und abgesichert werden. In je-dem Falle ist die nicht monetierte Tätigkeitvon Älteren von besonderer Bedeutung fürden Erhalt von körperlicher, geistiger undsozialer Fitness der so Tätigen.

Bei den gegenwärtig verfügbaren ar-beitsmedizinischen Instrumenten für dieBeurteilung der individuellen Leistungs-fähigkeit am Arbeitsplatz nimmt derWork-Ability-Index (WAI) ohne Zweifelden ersten Platz ein. Dieser Index, der voretwa 15 Jahren von Juuhani Ilmarinen inFinnland entwickelt wurde, ist mittlerwei-le in 34 Sprachen übersetzt worden undan unzähligen Kollektiven von Beschäftig-ten erprobt. Der WAI ist sehr wertvoll, einen drohenden „Absturz“ frühzeitig zuerkennen, und so diesen Absturz durchgeeignete präventive Maßnahmen recht-zeitig auffangen zu können. Dr. RudolfKarazman vom IBG merkt jedoch kritischan, dass der WAI ganz überwiegend aufdie körperliche Arbeitsbewältigung undden individuellen Gesundheitszustand

ausgerichtet ist (provokativ: WAI = WorkDis-ability Index?), während Stimmungen,Befinden, Motivation und soziale Kompe-tenz zu kurz kommen. Immerhin bleibtals Fazit festzustellen, dass ein ver-gleichsweise einfacher Fragebogentest,der anerkanntermaßen einen guten Beur-teilungsmaßstab darstellt für das, was einälterer Arbeitnehmer gegenwärtig und inZukunft noch leisten kann, ein unschätz-bares arbeitsmedizinisches Instrumenta-rium darstellt, vor allem zur Beurteilungder Frage, ob eine längere Lebensarbeits-zeit im konkreten Falle überhaupt mög-lich und zumutbar ist.

Altern führt physiologischerweise zu einem Rückgang von Gedächtnis, Kon-zentrationsfähigkeit, Flexibilität und derFähigkeit zur Neuorientierung. Dieser phy-siologische Abbau lässt sich durch regel-mäßiges Training geistiger Leistungenzum großen Teil kompensieren, dazugehört vor allem Gedächtnistraining, dieKombination mit körperlichen Übungen,Training von räumlichem Vorstellungsver-mögen und Koordination sowie Trainingder sozialen Interaktion, sagt Dr. GeraldGatterer vom Geriatriezentrum am Wie-nerwald. Wichtig ist der Gesichtspunkt,dass jede Aktivität sich selbst verstärkt,weil sie neue Motivation schafft. Wenig be-kannt, aber bedeutungsvoll, ist auch dieTatsache, dass körperliches Training diegeistige Leistungsfähigkeit verbessert undumgekehrt das geistige Training körper-liche Aktivität fördert. Der physiologischeVerlust an körperlicher Leistungsfähigkeitbeträgt ab etwa dem 30. Lebensjahr 1%

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Abb. 2

Nicht-monetierte Arbeit für Ältere

gewinnt an Bedeutung

Regelmäßiges geistigesTraining kompensiertden physiologischen

Abbau

Der Work-Ability-Indexals hilfreiches Instru-ment zur Beurteilung

der körperlichen Arbeitsbewältigung

und des individuellenGesundheitszustandes

Jährlich 1% Verlust an körperlicher

Leistungsfähigkeit ab dem 30. Lebensjahr

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pro Jahr. Dieser Abfall ist bei gut Trainier-ten sogar noch etwas steiler. Darüberbraucht man aber nicht unglücklich zusein, betont Prof. Dr. Paul Haber von derAbteilung Sport und Leistungsmedizin imAKH, denn ein Trainierter ist in jedem Fallund in jeder Lebensphase leistungsfähigerals ein Untrainierter, und der Mensch ist injedem Alter trainierbar. Regelmäßiges kör-perliches Training ist die sicherste umfas-sendste und wirkungsvollste Anti-Aging-Maßnahme. Training wirkt therapeutischund präventiv gegen Bluthochdruck, Fett-stoffwechselstörungen, Diabetes mellitus,koronare Herzkrankheit, Osteoporose undDepression. Wichtig ist die Kombinationvon Ausdauertraining und Krafttraining.

Ausdauertraining:1. 3x/Woche mit (mindestens) einem trai-

ningsfreien Tag dazwischen2. Beginn mit je 15´ Trainingsdauer, alle

6 Wochen um 5´ steigern bis 40–60´erreicht sind

Krafttraining:1. 2x/Woche mit (mindestens) einem trai-

ningsfreien Tag dazwischen2. 6–10 Übungen für ebensoviel Muskel-

gruppen3. 10–15 Wiederholungen pro Satz (bis

zur Ermüdung), optimal 2 Sätze proMuskelgruppe pro Training

Beides sollte in dieser Form lebenslangbeibehalten werden.

Prof. Dr. Walter Hackl-Gruber vom Insti-tut für Managementwissenschaften ander Technischen Universität Wien entwarfeine Vision von einem ganzheitlichen An-satz in der Ergonomie, bei dem es nichtum Beanspruchungsminimierung geht,sondern um Beanspruchungsoptimie-rung. So gibt es, beispielsweise, einegrundsätzliche Antinomie, die darin liegt,dass jede Erleichterung, Rationalisierung,verbesserte Fehlertoleranz und Ökono-misierung auch immer die Gefahr einesTrainingsverlustes und damit einer Ver-schlechterung von Gesundheit und Leis-tungsfähigkeit in sich trägt. Ergonomieheißt nicht einfach „alles bequemer undeinfacher machen“. Eine Verlängerungder Lebensarbeitszeit, so lautete eine wei-tere These von ihm, muss auch zu einerstrukturellen Veränderung im Arbeits-

spektrum des älteren Arbeitnehmersführen, beispielsweise Verwendung in derinnerbetrieblichen Aus- und Weiterbil-dung (Erfahrung weitergeben), Steuerungdes Arbeitsgeschehens, Berücksichtigungspezifischer Qualifikationsdefizite ältererArbeitnehmer, aber auch Abflachung bzw.Abschaffung des Senioritätsprinzips zu-gunsten einer leistungs- und qualitätsbe-zogenen, die Kreativität berücksichtigen-den Entlohnungsform.

Zu ähnlichen Aussagen kam auch Prof. Dr.Hartmut Wächter vom Fachbereich Be-triebswirtschaftslehre an der UniversitätTrier: Nicht den älteren Arbeitnehmer demArbeitsstil des jüngeren, sondern umge-kehrt, die Arbeit an den älteren Arbeitneh-mer anpassen. Gegenwärtig ist diese Ein-sicht in den Unternehmen leider nochgering verbreitet. So lange, wie es noch ge-nug Jugendliche auf dem Arbeitsmarktgibt, bleibt es bei einer jugendzentriertenInnovationspolitik. Betriebliche Weiterbil-dung gibt es vorrangig für Jüngere. Die Un-ternehmen können es sich leider noch leis-ten, Arbeitsfähigkeit früh zu verschleißen.Es fehlt auch die Zeit für eine Wissensüber-tragung von Älteren auf die Jüngeren. Einehomogene betriebliche Altersstruktur birgtaber langfristig auch die Gefahr von schwerschließbaren Generationslücken in der Be-legschaft. Systematische Untersuchungenhaben zudem gezeigt, dass bunte altersge-mischte Teams konfliktfreier und effizientersind als eine altershomogene Gruppierung.

Dr. Stephanie Weimer fasste zum Schlussdie betrieblichen Maßnahmen zur Bewäl-tigung des demographischen Wandelswie folgt zusammen:• Herstellen altersausgewogener Beleg-

schaftstrukturen;• Personalentwicklung auch für Arbeit-

nehmer über 50;• Institutionelle Verankerung und Orga-

nisation des Wissenstransfers;• Schaffung einer Unternehmenskultur

der Wertschätzung von Erfahrung, Wis-sen und Integration älterer Mitarbeiter;

• Differenzierte Ausstiegsmodelle prakti-zieren, vom Totalrückzug bis zum glei-tenden Übergang in den Ruhestand,flexible Arbeitszeitmodelle für Ältere;

• Lernkonzepte, die den Lernerfordernis-sen Älterer entgegenkommen (Lernenan konkreten Arbeitsaufgaben).

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Training zahlt sich injedem Alter aus

Innovationspolitik zustark auf jüngere

Mitarbeiter zentriert

Beanspruchungs-optimierung statt Beanspruchungs-

minimierung

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Interview Dr. Michael Nikl mit Univ.-Doz.Dr. Ernest Groman

NIKL: Welchen Stellenwert hat Nikotin inunserer Gesellschaft?

GROMAN: Nikotin ist eine sehr interes-sante Substanz und wirkt je nach der psy-chischen Ausgangslage. Das heißt, wennman aufgeregt ist, kann man sich, obwohldie eigentlich induzierten physischen Reak-tionen im Körper dagegen sprechen, beru-higen. Das kennt der Raucher. Auf der anderen Seite kann man sich, wenn manmüde ist, anregen. Man hat sozusageneine Substanz, die die Stimmung modu-liert und zumindest solange man körper-lich gesund ist, die Leistungsfähigkeit posi-tiv beeinflusst.

Ein wesentlicher Unterschied zum Al-kohol ist, dass Raucher sozial kaum auf-fällig sind. Die tabakverarbeitende In-dustrie hat ihrerseits immer beteuert,dass Raucher leistungsfähige Mitgliederder Gesellschaft wären. Wir haben immerhinzugefügt: „Solange sie nicht krankwerden.“ Denn dann kann es natürlich fürdie Betroffenen und für das soziale Um-feld ein Problem werden.

NIKL: Wie hat sich der Zigarettenkonsumin Österreich entwickelt?

GROMAN: In früheren Zeiten war das Zigarettenrauchen ein etabliertes Verhal-tensmuster der sogenannten gehobenenSchichten: Die Zigarette war relativ teuerund so konnten nur die Menschen rau-chen, für die es finanziell auch leistbar war.Die Verfügbarkeit war nicht so groß.

Geändert hat sich das durch die indus-trielle Revolution. Maschinen haben eineMassenproduktion ermöglicht, der Preisist gefallen und gleichzeitig sind die Ein-kommen der sogenannten „sozial nichtso begünstigten“ Schichten gestiegen.Der Tabakkonsum wurde für eine breiteMasse leistbar.

NIKL: In welchen Gesellschaftsschichtenfinden wir heute verstärkt die sogenann-ten schweren RaucherInnen?

GROMAN: Die wirklich schweren Rauche-rInnen, die 60 bis 80 Zigaretten am Tagrauchen, finden wir heute in den eher ein-kommensschwächeren Schichten. Diesbringt auch eine gewisse finanzielle Pro-blematik mit sich. Die Betroffenen verrau-chen einen nicht unbeträchtlichen Anteilihres Monatsbudgets, vor allem in denFamilien, wo beide Partner und vielleichtauch schon die Kinder rauchen.

60 bis 80 Zigaretten am Tag bei zweiLeuten, das sind rund € 25,– pro Tagbzw. etwa € 750,– im Monat. Diese Men-schen verzichten auf Vieles, um ihre „le-gale Droge“ konsumieren zu können.

NIKL: Gibt es Methoden um völlig freivom Rauchverlangen zu werden?

GROMAN: Nein, wenn man weiß, wieeine Zigarette „schmeckt“, dann kann dassehr lange anhalten. Allerdings rauchenviele unserer RaucherInnen unbewusstund denken eigentlich gar nicht darübernach. Eine Unterbrechung dieser automa-tisch ablaufenden Handlung, etwa durchProtokollführung, kann zu einer Reduk-tion von 20–30% führen.

Wichtig sind die Selbstbeobachtungund die Selbstkontrolle. Es gibt natürlichdiese klassischen Situationen, wo manes gewohnt ist zu rauchen: am Morgenzum Kaffee oder in Gesellschaft mitFreunden. Man kann natürlich auch rau-chen, um den Stress zu lindern. Entspre-chende Studien zeigen, dass sich dieMenschen in vielen Fällen in ihrer Arbeitam wohlsten fühlen, wenn sie Gewohn-tes tun.

Es gibt auch immer wieder Menschen,die im Urlaub aufhören wollen. Wir emp-fehlen, dass man es unter Alltagsbedin-gungen tut. Außer natürlich, der Raucherhat den unbedingten Vorsatz es im Ur-

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DIE AUVA INFORMIERT

Rauchen und Hilfestellung

Ernest GromanRechte Wienzei-

le 81/1, A-1050 WienTel.: +43/1/585 85 44

E-Mail: [email protected]

Internet: www.nicotineinstitute.com

Michael NiklArbeitsmedizinA U V A H U B

Adalbert-Stifter-Str. 65, A-1201 Wien

Tel.: +43/1/331 11 408E-Mail: Michael.

Nikl auva.atInternet

http://www.auva.at

Schwere Raucher finden sich vorwiegend

in einkommens-schwächeren Schichten

Selbsbeobachtung undSelbstkontrolle sind

wichtig

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laub zu versuchen, dann soll man auchnicht dagegen sein.

NIKL: Welche Hilfestellung kann das Ni-kotininstitut den RaucherInnen anbieten?

GROMAN: Wir bieten unterschiedlicheProgramme an. Unser größtes Programmführen wir mit der NÖ Gebietskranken-kasse durch. Es handelt sich um ein am-bulantes 5-Wochen-Programm. Ein ambu-lantes Programm deswegen, weil vieleunserer TeilnehmerInnen berufstätig sind.Die Betreuungsgespräche finden in denAbendstunden statt, um möglichst vieleneine Teilnahme zu ermöglichen.

Die Idee ist es, den Betroffenen eineHilfestellung zu geben. Das Umfeld sug-geriert häufig „aufzuhören ist ganzleicht“, denn man braucht das Packerlnur wegzulegen und nicht mehr zu rau-chen. Gerade NichtraucherInnen habenmanchmal wenig Verständnis für dieSchwierigkeiten der aufhörwilligen Rau-cherInnen.

Am Anfang ist auch wichtig, dass mandie Leute kennen lernt und mit ihnen be-spricht, warum sie da sind beziehungs-weise was sie eigentlich wollen.

Das Wichtigste ist nicht, was wir unswünschen, sondern was die RaucherIn-nen vorhaben oder zu unternehmen pla-nen, weil sie es für sich selbst umsetzenmüssen.

Wir erheben die entsprechenden medi-zinischen Basisdaten. Von essentieller Be-deutung ist die Bestimmung der Kohlen-monoxidwerte (CO-Werte), die direkteRückschlüsse auf das Rauchverhalten zu-lassen. Wir wollen den Leuten damit nichtsnachweisen, die Messung soll eine In-formation für den Betroffenen darstellen.Zusätzlich führen wir immer auch einenkurzen Abhängigkeitstest durch. Die wich-tigste Frage dieses Tests ist, wann am Morgen die erste Zigarette geraucht wird.Wenn eine starke Abhängigkeit besteht, ge-schieht dies oft schon innerhalb der erstenfünf Minuten nach dem Aufstehen. Man-che haben ihre Zigaretten am Nachtkäst-chen liegen und rauchen noch bevor sieaufstehen. Es kommt vor, dass stark ab-hängige Menschen sogar mehrmals in derNacht wach werden, um zu rauchen.

NIKL: Wie sieht also konkret die Umset-zung in Ihrem Programm aus?

GROMAN: Bei den ersten Terminen un-seres Programms gibt es Tipps, von de-nen man sich dann selber aussuchenkann, was zu einem passt.

Das Wichtigste ist, dass der Raucherfeststellt, dass wir ihm nichts verbieten,sondern nur helfen wollen. Weiters emp-fehlen wir medikamentöse Substitutiondes Nikotins für unsere Raucher. Sofernentsprechende Ärztemuster vorhandensind, kann der Raucher diese bei uns vorOrt ausprobieren oder zuhause schauen,ob er mit diesem Nikotinersatzprodukteinzelne Zigaretten substituieren kann.Die Erfahrungen werden beim nächstenTermin besprochen, um die optimale Therapie zu finden. Wesentlich ist auch,dass man sich einen Termin überlegt, ab dem man ohne Zigaretten auszukommenmöchte. Man soll einen Tag festlegen,diesen genau planen und einfach den Ver-such wagen. Es hat sich als günstig erwie-sen dies auch mit der Familie zu bespre-chen. Beim zweiten Termin sehen wirerst, ob der Raucher das Programm bzw.unsere Hilfe annimmt und ob er entspre-chende Handlungen gesetzt hat.

30–35% unserer Raucher versuchen esohne Medikamente. Empfehlen würdenwir eine Ersatztherapie trotzdem, weil wirwissen, dass mit Hilfsmitteln bessere Er-folgsraten erzielbar sind. Weiters erhebenwir, was sich am Rauchverhalten in der ei-nen Woche verändert hat. Wir führen wie-der wiederholte Kohlenmonoxidmessun-gen durch. Manche PatientInnen stellenda schon eine Reduktion des Wertes fest,was eine starke Motivation darstellt. Wei-ters wird das Körpergewicht kontrolliertund wir erkunden, wie die Betroffenenmit der Medikation zu Recht gekommensind, ob sie das Nikotinersatzprodukt ein-gesetzt haben und ob sie zufrieden oderunzufrieden damit waren. Wir wissen,dass gerade mit diesen Nikotinersatzpro-dukten viele Fehler geschehen. Eine Ziga-rette wirkt in 7 Sekunden, während diePräparate rund 20 Minuten brauchen, bissie eine entsprechende Wirkung zeigen.Mitunter ist das eine sehr lange Zeit,wenn der Patient eine sofortige Wirkungerwartet und gewohnt ist.

Weiters wird besprochen, ob das Emp-fohlene auch funktioniert hat und wirerörtern gemeinsam das genaue Stopp-datum. Es gibt unterschiedliche Systeme;manche versuchen den Rauchstopp vor-

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Keine Verbote, sondern Hilfestellung

Der persönlich gewählte Stichtag fürein rauchfreies Leben

Wünschen ist zu wenig

Bessere Erfolgsquotenmit Ersatztherapie

Abhängigkeitstest: Dieerste Zigarette am Tag

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zuschreiben, aber wir sind der Meinung,wenn der Vorsatz von den Rauchernselbst kommt, hat es eine viel größereWirkung. Die weiteren Termine dienender Erfolgskontrolle und der Rückfalls-prophylaxe.

NIKL: Führen Sie diese Betreuungspro-gramme für RaucherInnen auch in denFirmen durch?

GROMAN: Ja, wir haben zusätzlich einFirmenpaket im Programm, dass von vie-len Firmen bereits in Anspruch genom-men wurde. Beispielsweise wurden dieseProgramme bei den Firmen OMV, Elin,Borealis, NÖM, etc. sehr erfolgreich um-gesetzt.

NIKL: Wie läuft dieses Programm in einerFirma ab?

GROMAN: Der Schulungsablauf bestehtaus zwei Schritten.

Im ersten Schritt findet in der Firmaeine Informationsveranstaltung für alleMitarbeiterInnen statt. Dabei besteht fürdie TeilnehmerInnen die Möglichkeit zurMessung der Kohlenmonoxid-Belastungin der Ausatemluft, psychologische Ab-hängigkeitstests werden angeboten undInformationsmaterialien werden zur Ver-fügung gestellt. Im anschließenden Vor-trag werden die erhobenen Werte erklärt,eventuelle Fragen beantwortet und derAblauf des Betreuungsprogramms vorge-stellt.

Während der Informationsveranstal-tung findet auch die Anmeldung zum Be-treuungsprogramm mit Terminvereinba-rung statt.

Der zweite Schritt ist das eigentliche Be-treuungsprogramm. Dieses besteht ausfünf individuellen Beratungsgesprächeneinmal wöchentlich; die Einzelgesprächewerden von speziell dafür ausgebildetenÄrztInnen des Nikotininstitutes durchge-führt. Inkludiert sind weiters die Erstellungvon PatientInnenbögen mit Basisdatenzum Rauchverhalten sowie zur momenta-nen Befindlichkeit, CO-Messungen undGewichtskontrollen.

Die Festlegung eines STOPP-Datumswird bei Abstinenzwunsch beim zweitenTermin festgelegt. Weiters besteht dieMöglichkeit, die diversen Nikotinersatz-Produkte kostenfrei zu probieren.

Bisher haben bereits mehr als dreitau-send PatientInnen an diesem Programmerfolgreich teilgenommen.

NIKL: Für viele Menschen, die gerne mitdem Rauchen aufhören würden, bestehtdie Sorge der Gewichtszunahme nachRauch-Abstinenz. Was sagen Sie diesenBetroffenen?

GROMAN: Nikotin beschleunigt denStoffwechsel, das heißt, der Grundum-satz ist bei RaucherInnen leicht erhöht.Unsere TeilnehmerInnen nehmen imDurchschnitt über das Jahr 1,5 Kilo zu.Selbstverständlich gibt es vereinzelt Abs-tinente, die mehr zunehmen.

Bei den Raucherinnen kann es vorkom-men, dass Rauchen auch gezielt zur Lin-derung des Hungergefühls eingesetztwird. Mitunter handelt es sich dabei so-gar um äußerst niedriggewichtige Frauen.

Andererseits sehen wir manchmal auchstärkere Gewichtszunahmen bei über 65-jährigen Rauchern, die ein besonderesVerlangen nach Kohlenhydraten vorwei-sen und aus gesundheitlichen Gründennicht mehr rauchen dürfen. Hier bestehtein geringer Grundumsatz, der häufig mitgeringer körperlicher Aktivität sowie ge-steigerter Kohlenhydrataufnahme kombi-niert ist und logischerweise zu einer Zu-nahme des Körpergewichts führen muss.

Auch haben manche unserer Teilneh-merInnen, bevor sie zu uns kommen, imSinne einer allgemeinen Lebensumstel-lung eine „Radikal-Diät“ gemacht; habenkaum gegessen und so innerhalb einerviel zu kurzen Zeit massiv abgenommen.Wenn man dann das Rauchen einstelltund die normale „Nahrungszufuhr“ wie-der aufnimmt, ist eine Gewichtszunahmenachvollziehbar. Andererseits ist die Ge-wichtszunahme natürlich die beste Ausre-de nicht mit dem Rauchen aufzuhören.

NIKL: Wie gehen Sie mit Rückfällen um?

GROMAN: Wir sagen unseren PatientIn-nen immer wieder, dass Rückfälle nichtsAußergewöhnliches sind, sondern etwasganz Normales und somit auch immerwieder vorkommen können. Man muss eseben wieder und wieder versuchen. Diesist eine lange kontinuierliche Arbeit. Es istnicht so, dass man mit einem Finger-schnippen allein zum Nichtraucher wird.

24

Bisher mehr als 3000erfolgreiche Raucher-entwöhnungen durch

Betreuungsprogrammein Unternehmen

Gewichtszunahmedurch Abstinenz –

die beste Ausrede, umweiterzurauchen

Rückfälle sind normal

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NIKL: Auf EU-Ebene gibt es Übereinkünf-te über die Begrenzung von Nikotinkon-zentrationen in Zigaretten. Wie kommen-tieren Sie dies?

GROMAN: Die erforderliche Regulationund Standardisierung des Produktes Ta-bak ist in den letzten Jahren ein wesent-liches Thema geworden. Was die Nikotin-menge betrifft, so ist ihre Frage nicht soeinfach zu beantworten: Je mehr Nikotindie Zigarette enthält, desto schnellerkann Abhängigkeit entstehen. Anderer-seits kann die sogenannte „Lightzigaret-te“ den Jugendlichen einen Einstieg er-leichtern, da sie in der Regel besser„vertragen“ wird. Grundsätzlich ist dieFrage zu stellen, ob es nicht mehr Sinnmachen würde, das Zulieferungssystemzu modifizieren, sodass den hoch abhän-gigen RaucherInnen mit einer möglichstgeringen Schadstoffkonzentration einmöglichst hoher Nikotinspiegel zur Ver-fügung gestellt wird. Experten haben fest-gestellt, dass „Lightzigaretten“-Rauche-

rInnen dazu tendieren, die niedrigere Nikotinmenge zu kompensieren. Be-schrieben wurde auch eine Zunahme derStückzahl oder eine gesteigerte Inhala-tionstiefe. Man hat auch eine Zunahmeder peripheren Lungenkarzinome festge-stellt, was von einigen Experten auf diestärkere Inhalationstiefe zurückgeführtwird.

Begriffe wie „mild“ oder „leicht“ wur-den deshalb kürzlich untersagt, obwohles sich hierbei aus Sicht einiger Herstellernur um Geschmacksdefinitionen undnicht um gesundheitsrelevante Aussagenhandeln soll.

NIKL: Herr Dozent Gromann, herzlichenDank für dieses Gespräch.

Anmerkungen

Ein ausführliches Interview zum Thema Rau-chen und Gesundheit finden Sie im Buch „Dasgroße Buch vom Lebensstil“, Boehlau-Verlag.

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„Light“-Zigaretten erleichtern den

Einstieg und könnenden Konsum steigern

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Die Grenzwerteverordnung 2006 – GKV2006 wurde am 29. Juni 2006 im Bun-desgesetzblatt unter BGBl. II Nr. 242/2006 kundgemacht und ist somit seit 1. Juli 2006 in Kraft. Die GKV 2006 wurdeum zwei neue Abschnitte erweitert, näm-lich „Sonderbestimmungen für Asbest“und „Messungen“. Gleichzeitig sind dieBestimmungen der BauV über Asbest auf-gehoben worden.

Sonderbestimmungen für Asbestim 4. Abschnitt

In diesem Abschnitt sind die Melde-pflicht, die Erstellung und Inhalt einesschriftlichen Arbeitsplanes vor Beginn derArbeiten mit Asbest, die konkreten Anfor-derung an die verpflichtende Messungvon Asbestfasern am Arbeitsplatz, die In-halte der spezifischen Informations- undUnterweisungspflicht sowie die Verpflich-tung zur Minimierung der Exposition sowie erforderliche Maßnahmen bei be-sonderen Arbeiten (wie Abbruch-, Sanie-rungs-, Reparatur- oder Instandhaltungs-arbeiten) enthalten.

Bestimmungen zu Messungen im 5. Abschnitt

Neu ist in diesem Abschnitt die Unter-scheidung zwischen Grenzwert-Vergleichs-messung und Kontrollmessungen.

Grenzwert-Vergleichsmessungen sindMessungen an Arbeitsplätzen, an wel-chen die Exposition gegenüber einem Ar-beitsstoff für den ein MAK-Wert oderTRK-Wert festgelegt ist, nicht sicher aus-geschlossen werden kann. Diese Messun-gen sind repräsentative Messungen, diean repräsentativen Stellen unter repräsen-tativen Bedingungen durchgeführt wer-den sollen und bei denen Messpunkteund Referenz-Messergebnisse für etwaigeerforderliche Kontrollmessungen festge-legt werden sollten.

Kontrollmessungen sind Messungen,die auf Grundlage der Ermittlung und Beurteilung der ermittelten Gefahren inangemessenen Zeitabständen festgelegtund im Sicherheits- und Gesundheits-schutzdokument dokumentiert werden.Kontrollmessungen können auch mit ein-facheren Messverfahren durchgeführtwerden, können aber auch neuerlicheGrenzwert-Vergleichsmessungen sein.

Weitergehende Bestimmungen zur Un-terscheidung der Grenzwert-Vergleichs-messung von der Kontrollmessung, zuden aus den Messungen sich ergebendenMaßnahmen plus Zeitabstände der Mes-sungen sowie zu den Voraussetzungenwann kontinuierliche oder mobile Mes-sungen erforderlich und zur Prüfung vonAbsaug- und Belüftungsanlagen findensich ebenfalls im Abschnitt 5 der Verord-nung.

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DIE ARBEITSINSPEKTION INFORMIERT

Die Grenzwerteverordnung 2006 – GKV 2006

Neuer Förderrahmen für den Arbeitsschutz von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)

Vom 31. Mai bis 16. Juni 2006 fandwährend der österreichischen Präsident-schaft in Genf die 95. Sitzung der Inter-nationalen Arbeitskonferenz der ILOstatt, bei der heuer in zweiter Lesung der

„Förderrahmen für den Arbeitsschutz“verhandelt und angenommen wurde.Mit diesem ILO-Übereinkommen samtdazugehöriger Empfehlung schlägt die In-ternationale Arbeitsorganisation einen

Elsbeth Huber

Grenzwertverordnung2006 seit 1. Juli in Kraft

Neu ist die Unterscheidung

zwischen Grenzwert-Vergleichsmessungen

und Kontroll-messungen

Die ILO geht einenneuen Weg

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neuen Weg ein. Während in den bisheri-gen Übereinkommen der ILO-Einzelfra-gen detailliert geregelt wurden, zum Bei-spiel mit dem ILO-Übereinkommen Nr.81 über die Arbeitsaufsicht oder dem ILO-Übereinkommen Nr. 183 über denMutterschutz, verfolgt man hier einensystematischen Ansatz für den Arbeitneh-merschutz.

Das bedeutet konkret, dass jeder Staatein geeignetes Arbeitsschutzsystem auf-bauen soll mit einschlägigen Rechts-vorschriften, einer funktionierenden Ar-beitsinspektion, Vorkehrungen für dieZusammenarbeit mit Versicherungssyste-men und Sozialpartnern oder auch mitGrundlagen für die Bildung und Ausbil-dung. Um diese Ziele zu erreichen, soll

eine nationale Politik formuliert und ent-sprechende Programme durchgeführtwerden. Systeme und Programme sollenregelmäßig auf ihre Wirksamkeit über-prüft und dementsprechend angepasstwerden.

Das neue Übereinkommen richtet sichin erster Linie an Staaten, deren Arbeits-schutzsystem erst im Aufbau begriffenist, während diese Fragen für die Mit-gliedstaaten der EU grundsätzlich eineSelbstverständlichkeit darstellen. In denVerhandlungen setzte sich die EU unterösterreichischem Vorsitz vehement fürdie weltweite Verbesserung der Arbeitsbe-dingungen ein.

Nähere Informationen unter http://www.ilo.org

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EG-Richtlinie über (künstliche) optische Strahlung seit April in Kraft

Im April 2006 ist die Richtlinie 2006/25/EG über künstliche optische Strahlungin Kraft getreten. Die Richtlinie muss bis27. April 2010 in nationales Recht umge-setzt werden. Die Richtlinie legt Mindest-anforderungen für den Schutz der Arbeit-nehmerInnen gegen die Gefährdung vonGesundheit und Sicherheit durch die Ex-position gegenüber künstlicher optischerStrahlung während der Arbeit fest. Sie betrifft die Gefährdung der Gesundheitdurch die Schädigung von Augen undHaut. Es werden Expositionsgrenzwertefestgelegt, deren Einhaltung sicherstellt,dass ArbeitnehmerInnen, die künstlichenQuellen optischer Strahlung ausgesetzt

sind, vor allen bekannten gesundheits-schädlichen Auswirkungen geschütztsind. Die Richtlinie regelt Pflichten derArbeitgeberInnen und Maßnahmen zurVermeidung oder Verringerung der Risi-ken. Die Exposition gegenüber natür-lichen Strahlungsquellen (Sonne) wird in der Richtlinie nicht behandelt. Zur Er-leichterung der Durchführung dieserRichtlinie wird die EU-Kommission einenpraktischen Leitfaden veröffentlichen.

Weiter Informationen dazu unter http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/oj/2006/l_114/l_11420060427de00380059.pdf

„Schwere Arbeit – leicht gemacht“ ein Leitfaden des BMWA für stationäre Altenpflege

Dieser aktuelle Leitfaden des BMWA isteine Orientierungshilfe zur systema-tischen Umsetzung der Gefahrener-mittlung („Evaluierung“). Damit sollenArbeitsschutzdefizite in Altenpflegeein-richtungen effektiver erfasst und beseitigtwerden.

Die Arbeitsinspektion führte im Jahr2004 österreichweit eine Erhebung der

Arbeitsbedingungen in 348 Pensionisten-und Pflegeheimen durch.

Dabei zeigte sich, dass vorgefundeneMängel weniger in technischen als viel-mehr in organisatorischen Bereichen la-gen und die Evaluierung – Gefahrener-mittlung und Gefahrenbeurteilung unddarauf aufbauend die Festlegung inner-betrieblicher Schutzmaßnahmen – zwar

Systematischer Ansatzfür den Arbeit-

nehmerInnenschutz

Maßnahmen zur Vermeidung von

Gesundheitsschädendurch optische

Strahlung; natürlicheLichtexposition wirdnicht berücksichtigt

Mängel liegen wenigerin technischen als

vielmehr in organisatorischen

Bereichen

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meist vorhanden, aber nicht aktuell an diereale Situation angepasst war. SpezielleEvaluierungen nach dem Mutterschutzge-setz oder der Verordnung über biologi-sche Arbeitsstoffe fehlten des Öfteren.Insbesondere diese Problemfelder wer-den in dem vorliegenden Leitfaden ver-stärkt angesprochen.

Die Idee zu diesem Leitfaden entstandim Rahmen der NÖ-Plattform für betrieb-liche Prävention und Gesundheitsför-derung und wurde im Rahmen eines Projektes unter der Leitung der Arbeits-inspektion und unter Mitwirkung weitererExpertInnen der Arbeiterkammer NÖ,dem AMZ Mödling, der AUVA, der ARGEder NÖ Heime, dem Amt der Landes-regierung Abteilung Landesheime, demZentralbetriebsrat der NÖ Landeskran-kenhäuser und Landespensionistenheimeumgesetzt.

Dieser Leitfaden ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie die überbetrieblicheZusammenarbeit der verschiedenen amArbeitsschutz beteiligten Organisatio-nen mit Betrieben, in diesem Fall Alten- und Pflegeheime, positive Ergebnisse er-möglicht: Denn nur gemeinsam, im Zu-sammenwirken aller Betroffenen, kannpräventiver Arbeitsschutz effizient undnachhaltig erzielt werden.

Dieser Leitfaden wird auch bei der vonJuni bis Dezember 2006 neuerlich durch-geführten Schwerpunktaktion der Arbeits-inspektion in Alten- und Pflegeheimen inganz Österreich verteilt werden.

Weitere Informationen dazu erhältlich bei [email protected] [email protected]

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Verhaltenskodex zur Vorbeugung von Muskel-Skelett-Erkrankungen im Telekommunikationssektor

Mit finanzieller Unterstützung der Eu-ropäischen Kommission wurde ein For-schungsauftrag vergeben, um sowohl diewissenschaftliche Literatur über die Grün-de für Muskel-Skelett-Erkrankungen beiArbeitnehmerInnen im Telekommunika-tionssektor als auch die Arbeitsmethodenund erfolgreichen Bekämpfungsmaßnah-men der Unternehmen des Sektors zuuntersuchen. Die Forschung konzentrier-te sich vor allem auf die Tätigkeiten mithohem Risiko im Bereich der Fest-netzkommunikation, aber es wurde ins-besondere auch der Bereich der Mobil-netzkommunikation und der neuerenTechnologien berücksichtigt. Die For-schungsarbeit wurde separat veröffent-licht (siehe http://www.msdonline.org/)und liegt diesem Verhaltenskodex zuGrunde. Die Ergebnisse zeigen, dass es

allgemeine Prinzipien bewährter ergono-mischer Methoden gibt, die sowohl aufdie Tätigkeit im Telekommunikationssek-tor als auch in anderen Sektoren ange-wandt werden können. Die am häufigstenin der Branche vorkommenden Arten derMuskel-Skelett-Erkrankungen und die da-mit zusammenhängenden Tätigkeitenwerden aufgezeigt. Darüber hinaus wer-den einige Telekommunikationsaufgabenaufgelistet, Risiken der Muskel-Skelett-Er-krankungen quantifiziert und eine Reihevorbeugender Maßnahmen der Unterneh-men hervorgehoben.

Der Verhaltenscodex (Good PracticeGuide) kann von der Webseite http://www.msdonline.org/guidelines.htm auchin deutscher Sprache herunter geladenwerden.

Gefahrenbeurteilungund Schutzmaß-

nahmen sind nicht andie aktuelle Situation

angepasst

Der Leitfaden desBMWA als gutes

Beispiel für den Erfolgüberbetrieblicher Zusammenarbeit

Es gibt allgemeinePrinzipien bewährter

ergonomischer Methoden, die im Tele-kommunikationssektor

nützlich sind

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Nach dem Strukturplan des Rektorates derMedizinischen Universität Wien soll dieKlinische Abteilung für Arbeitsmedizinnach der Emeritierung des Leiters imSeptember 2007 nicht weitergeführt wer-den. Der Rektor Prof. Wolfgang Schütz be-gründet das mit der Notwendigkeit Geldzu sparen.

Bei diesem Beschluss kann unddarf es nicht bleiben

Durch diese „Sparmaßnahme“ würde dieeinzige Lehrkanzel für Arbeitsmedizinverloren gehen und Österreich wäre danndie einzige Industrienation, in der Ar-beitsmedizin in Forschung, Lehre undKrankenversorgung nicht mehr an derUniversität vertreten ist!

Ein verheerendes Signal: Da wird nunallenthalben von Prävention geredet; wiewichtig Prävention ist, besonders diePrävention arbeitsbedingter Erkrankun-gen, dass Prävention stärker in das allge-meine Bewusstsein gerückt, ausgebautund gefördert werden muss, und dass inBetrieben Gesundheitsförderung Teil derUnternehmenskultur sein muss, unddass überhaupt Prävention eine zentraleAufgabe von Medizin ist. – Und die Uni-versität? Die sieht das schlicht alsüberflüssigen Ballast?

Der Vorstand der Österreichischen Ge-sellschaft für Arbeitsmedizin hat in seinerSitzung am 13. Juli 2006 dazu einstimmigdie nachfolgend abgedruckte Resolutionverabschiedet:

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Hugo W. Rüdiger

Der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin wendet sich energisch gegen Pläne des Rektorates der Medizinischen Universität Wien, wo-nach im künftigen Organisationsplan zum klinischen Bereich eine Klinische Abtei-lung für Arbeitsmedizin nicht mehr enthalten sein soll, und lt. Entwicklungsplander MUW vom 2. Mai 2006 eine Nachbesetzung der Professorenstelle des Leitersnach dessen Emeritierung 9/2007 nicht vorgesehen ist.

Eine solche Entscheidung würde bewirken, dass Österreich in Zukunft die einzigeIndustrienation ohne Lehrkanzel für Arbeitsmedizin ist. Das ist unverständlich an-gesichts der großen medizinischen Herausforderungen durch den Strukturwandelin der Arbeitswelt, denen sich unser Fach gegenwärtig gegenüber sieht. DieseHerausforderungen erfordern selbstverständlich auch eine wissenschaftliche Durch-dringung und klinisch fundierte Lösungen, die zudem in internationaler Zusammen-arbeit entstehen müssen. Hier sehen wir eine für unser Fach unverzichtbare Aufgabeder Universität. Arbeitsmedizin hat an der Universität in Wien eine 70-jährige Tradi-tion als klinisches Fach, ist hier seit 1969 durch eine eigene Lehrkanzel und seit 1994in Österreich durch ein Sonderfach Arbeits- und Betriebsmedizin repräsentiert.

Klinische Arbeitsmedizin hat in der Präventivmedizin eine zentrale Bedeutung.Eine starke Arbeitsmedizin ist der beste Ansatz für eine vorausschauende Ge-sundheitspolitik. Mit einer Stärkung und einem Ausbau der Arbeitsmedizin schließtÖsterreich zu den Ländern in Europa auf, die auf diesem Wege schon gute Erfolgebei der Verbesserung der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger erzielt haben.

Der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin fordert daherdas Rektorat der Medizinischen Universität Wien dringend auf, sicher zu stellen,dass auch in der künftigen klinischen Struktur das Fach Arbeitsmedizin in vollemUmfang und durch eine Lehrkanzel vertreten ist.

AUS DER KLINISCHEN ABTEILUNG

FÜR ARBEITSMEDIZIN

Österreich in Zukunft ohne Lehrkanzel für Arbeitsmedizin?

Sparen statt Forschenund Lehren?

Österreich darf nichtdas einzige Industrie-land ohne Lehrkanzel

für Arbeitsmedizin werden

Klinische Arbeits-medizin hat eine

zentrale Bedeutung in der Präventiv-

medizin

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Arbeitsmedizin in Forschung, Lehre, medizinischer Vorsorgungund Öffentlichem Gesundheits-wesen

Arbeitsmedizin als Präventivmedizin istangesiedelt zwischen kurativer Medizineinerseits und patientenferner Medizinandererseits. Prävention kann nicht ab-gelöst von konkreten Krankheiten betrie-ben werden. 25% aller Krankheiten in derInneren Medizin, so wird geschätzt, ste-hen in einem ursächlichen Bezug zur Ar-beit. Bezieht man in diese Betrachtungnoch die vielfältigen Wechselwirkungenüberhaupt ein, die zwischen Gesundheitund Krankheit einerseits und Arbeits- undLeistungsfähigkeit andererseits bestehen,dann erkennt man schnell, dass Arbeits-medizin eine große Bedeutung für fastalle klinischen Fächer hat. Sie ist dennauch seit 12 Jahren in Österreich – wie inden allermeisten Ländern auch – eigenesklinisches Sonderfach.

Arbeitsmedizin ist aber mehr als nureine klinische Disziplin unter vielen ande-ren: Arbeitsmedizin ist als wichtige ge-sundheits- und sozialpolitische Errungen-schaft auch gesetzlich verankert, und siemuss als wissenschaftliche Disziplin auchin Lehre und Forschung an der Univer-sität repräsentiert sein. Die moderne Ar-beitswelt schafft ständig medizinische

Probleme, die nur mit wissenschaftlicherBegleitung gelöst werden können. Dazugehören gegenwärtig vor allem:• Die enorme Zunahme von quantitati-

ver und qualitativer Arbeitsbelastung(„Job enlargement“ und „Job enrich-ment“) besonders in Hinblick auf dieVerlängerung der Lebensarbeitszeit;

• Grundlagenforschung angesichts neuerRisiken und unbekannter Gefährdun-gen durch den Einsatz neuer Technolo-gien;

• arbeitsmedizinische Betreuung bei aty-pischen Beschäftigungsverhältnissen,im Dienstleistungssektor und bei nicht-versicherten Tätigkeiten (z. B. Hausar-beit, Sozialarbeit und andere nicht-mo-netierte Arbeit);

• Job-Unsicherheit und Arbeitslosigkeit;• starke Zunahme von psychoemotiona-

len Problemen am Arbeitsplatz;• unklare medizinische Probleme in Be-

trieben und schwierige Fragen zur be-ruflichen Eignung bei Gesundheits-störungen;

• Unterstützung und Beratung von Be-hörden bei neuen Verordnungen.

In unserem Nachbarland Deutschlandgibt es Arbeitsmedizin an 28 Universi-täten. Kämpfen wir dafür, dass uns inÖsterreich wenigstens die eine Lehrkan-zel in Wien erhalten bleibt.

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Die moderne Arbeits-welt schafft laufend

medizinische Probleme, die nur mit

wissenschaftlicherBegleitung gelöst

werden können

Etwa 25% aller Krank-heiten in der Inneren

Medizin stehen in einem ursächlichen

Bezug zur Arbeit

Arbeitsmedizin mussals wissenschaftliche

Disziplin auch in Lehreund Forschung an der

Universität repräsentiert sein

ImpressumMedieninhaber und Herausgeber:Klinische Abteilung Arbeitsmedizin der Med. Universität WienWähringergürtel 18–20, A-1090 WienÖsterr. Gesellschaft für Arbeitsmedizin, AMD LinzKaplanhofstraße 1, A-4020 Linz

Redaktion:Dipl.-Ing. Alexander Pilger (Chefredakteur)Doz. Dr. Robert Winker (Stv. Chefredakteur)

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Offenlegung nach § 25 Mediengesetz