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Ethnologisches Seminar der Universit¨ at Freiburg Armutsbek¨ ampfung bei indigenen V¨ olkern Eine Analyse der Strategien der Weltbank am Beispiel Bolivien Katharina Cerny Hauptfach, 9. Semester Route du Jura 45 Proseminar “Armutskonzepte” 1700 Fribourg Abgegeben bei: Monika Budowski 026 466 48 25 11. Juni 2003

Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

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Page 1: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

Ethnologisches Seminar der Universitat Freiburg

Armutsbekampfung bei indigenen VolkernEine Analyse der Strategien der Weltbank am Beispiel Bolivien

Katharina Cerny Hauptfach, 9. Semester

Route du Jura 45 Proseminar “Armutskonzepte”

1700 Fribourg Abgegeben bei: Monika Budowski

026 466 48 25 11. Juni 2003

Page 2: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3

2 Die Weltbank und indigene Volker 4

2.1 Erstes Operational Manual Statement (1982) . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2.2 Operational Directive on Indigenous Peoples OD 4.20 (1991) . . . . . . . 5

2.2.1 Definition von indigenen Volkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.2.2 Partizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.2.3 Indigenous Peoples Development Plan . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.3 OD 4.20 und Armutsbekampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

3 Indigene Volker und Armut in Bolivien 9

3.1 Wer gilt in Bolivien als indigen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3.2 Wie definiert und misst die Weltbank Armut? . . . . . . . . . . . . . . . 10

3.3 Ursachen der Armut bei indigenen Volkern in Bolivien . . . . . . . . . . 11

4 Beispiel: Das “Indigenous Peoples Development Project” in Bolivien 13

4.1 Vorstellung und Ziele des Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

4.2 Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

4.3 Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

5 Schlusswort 19

2

Page 3: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

1 Einleitung

In vielen Landern gehoren indigene Volker zu den armsten der Armen und haben nicht

die gleichen wirtschaftlichen und politischen Moglichkeiten wie die dominante Gesell-

schaft. In dieser Arbeit will ich nun der Frage nachgehen, welche Strategien in der Ar-

mutsbekampfung und Entwicklungshilfe verwendet werden, um den Bedurfnissen der

indigenen Bevolkerung gerecht zu werden und diesem am Beispiel der Weltbank illus-

trieren. Dazu werde ich die zuerst die allgemeinen Strategien der Weltbank in Bezug auf

Armutsbekampfung bei indigenen Volkern vorstellen. Danach werde ich die Definitionen

der Weltbank von Armut und indigenen Volkern liefern und kurz auf die Ursachen der

Armut bei indigenen Volkern in Bolivien eingehen. Und zuletzt werde das”Indigenous

Peoples Development Project“ in Bolivien welches von der Weltbank in Bolivien durch-

gefuhrt wird, analysieren, und an diesem Beispiel die Anwendung der vorher genannten

Strategien aufzeigen und kommentieren.

Die meisten Entwicklungsorganisationen haben mittlerweile speziell auf indigene Volker

ausgerichtete Programme. Ich habe die Weltbank gewahlt, weil sie zu den grossten Geld-

gebern fur Armutsbekampfungs- und Entwicklungsprojekte gehort und daher uber viel

Erfahrung mit der Problematik indigener Volker verfugt. Zudem existiert ein reicher Be-

stand an Dokumentation zum Thema, welchen die Weltbank per Internet zur Verfugung

stellt.

Das Beispiel Bolivien habe ich aus verschiedenen Grunden gewahlt: Bolivien gehort zu

den armsten Landern Sudamerikas, und mehr als die Halfte der Bevolkerung gehort zu

indigenen Volkern. Studien zeigen, dass in Bolivien die Wahrscheinlichkeit arm zu sein

fur Angehorige indigener Volker wesentlich grosser ist, als fur andere Bevolkerungsteile.

Die Weltbank finanziert in Bolivien etliche Projekte, welche auf die indigene Bevolkerung

ausgerichtet sind und hat einiges an Dokumentation dazu. Nicht zuletzt habe ich auch

personlich eine grosse Affinitat zu Bolivien und es interessiert mich daher besonders, die

3

Page 4: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

1 Einleitung

Probleme dieses Landes zu verstehen.

4

Page 5: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

2 Die Weltbank und indigene Volker

Bis in die spaten Siebziger Jahre ging die Weltbank davon aus, dass die von ihren Pro-

jekten betroffene landliche Bevolkerung uberall ahnliche Charakteristiken aufwies (un-

terentwickelt und arm) und es nicht notig war, ethnische und kulturelle Differenzen im

Projektdesign zu berucksichtigen. Indigene Volker wurden fur die Weltbank erst An-

fang der Achtziger Jahre explizit zum Thema. Erfahrungen aus vergangenen Projekten

hatten gezeigt, dass diese im Allgemeinen unter Entwicklungsprojekten litten, die nicht

spezifisch auf sie abgezielte Massnahmen enthielten.

Als Konsequenz daraus erarbeitete die Weltbank 1982 eine Direktive, auf deren revidier-

ten Version heute noch die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Volker basiert.

2.1 Erstes Operational Manual Statement (1982)

1982 publizierte die Weltbank zum ersten Mal Richtlinien zum Schutz indigener Volker

in von ihr finanzierten Projekten (Operational Manual Statement, OMS 2.34). Die Di-

rektive benutzte allerdings eine sehr enge Definition von indigenen Volkern: Stammes-

gesellschaften, die geographisch isoliert, nicht oder nur teilweise akkulturiert und vom

nationalen Wirtschaftssystem unabhangig sind, sich ethnisch und sprachlich von der

Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und Subsistenzwirtschaft betreiben. Ganz im Sin-

ne der damals herrschenden integrationistischen Tendenzen in der Entwicklungspolitik,

sollten Entwicklungsprojekte, die solche Volker betrafen, diesen genugend Zeit und an-

gemessene Umstande zur langsamen und schrittweisen Anpassung an die nationale Ge-

sellschaft bieten. Dies sollte durch die Integration von”tribalen Komponenten“ in die

Projekte gewahrleistet werden: Demarkation und Schutz von Stammesland, Sozialdiens-

te in Einklang mit dem Akkulturationsstand des Stammes (v.a. medizinische Dienstleis-

tungen), Wahrung der kulturellen Integritat bis zu einem vom Stamm bestimmten Grad

5

Page 6: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

2 Die Weltbank und indigene Volker

und ein Forum fur die Partizipation von Stammesangehorigen in Entscheidungen, die

sie betreffen.

2.2 Operational Directive on Indigenous Peoples OD 4.20 (1991)

Aufgrund einer Evaluation wurde die OMS 2.34 1991 durch eine revidierte Direktive

ersetzt (Operational Directive, OD 4.20), die einige Signifikante Anderungen beinhaltet.

Die OD 4.20 ist auch heute noch die Grundlage fur die Arbeit mit indigenen Volkern

im Rahmen der Weltbank. Deshalb werde ich nun auf einige Punkte der Direktive etwas

naher eingehen:

2.2.1 Definition von indigenen Volkern

Die Definition von indigenen Volkern wurde wesentlich erweitert zu:

Social groups with a social and cultural identity distinct from the dominant

society that makes them vulnerable to being disadvantaged in the develop-

ment process.(World Bank 1991:para. 3)

Zudem zeichnen sich indigene Gruppen in gewissen geographischen Regionen durch

das Vorhandensein (wenigstens teilweise) folgender Charakteristiken aus (World Bank

1991:para. 5):

1. Enge Beziehung zum angestammten Territorium und den darauf vorhandenen

naturlichen Ressourcen;

2. Selbst und Fremd-Identifikation als Angehorige einer eigenstandigen Gruppe;

3. Sprechen eine indigene Sprache, die sich meist von der Landessprache unterschei-

det;

4. Prasenz von althergebrachten sozialen und politischen Institutionen;

5. Primar subsistenzorientierte Produktion.

6

Page 7: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

2 Die Weltbank und indigene Volker

2.2.2 Partizipation

Die Direktive hat einerseits zum Ziel, die indigene Bevolkerung vor moglichen negati-

ven Effekten des Entwicklungsprozesses zu schutzen. Andererseits sollen Indigene auch

sozial und wirtschaftlich auf kulturell kompatible Weise davon profitieren konnen. Die

dazu notwendigen Massnahmen mussen in Zusammenarbeit und Konsultation mit der

betroffenen indigenen Bevolkerung erarbeitet werden. Indigene Volker sollen so selber

entscheiden konnen, inwieweit sie sich von der modernen Welt abgrenzen oder von deren

Moglichkeiten profitieren mochten.

2.2.3 Indigenous Peoples Development Plan

Die Direktive verlangt die Erarbeitung eines “Indigenous Peoples Development Plan”

(IPDP) als Voraussetzung fur die Finanzierung von Projekten, die indigene Volker be-

treffen. Dieser Plan hat zum Ziel, die Anliegen indigener Volker entsprechend den Richt-

linien der Direktive in angemessener Weise in die Projektplanung einfliessen zu lassen.

Ein IPDP kann als Basis fur eine Projekt dienen, welches Indigene indirekt betrifft oder

er kann direkt als Projekt gebraucht werden, in welchem indigene Volker die Haupt-

begunstigten sind. Fur die Durchfuhrung eines IPDP ist der Kreditnehmer verantwort-

lich.

Der zentrale Punkt des IPDP ist die Forderung, dass Entwicklungsprojekte die Wunsche

der Indigenen sowie deren soziale Organisationsformen, Religion und Ressourcenge-

brauch berucksichtigen mussen. Der Plan soll auch verhindern, dass Indigene Volker

zu sehr vom Projekt abhangig werden, was durch die Ausbildung von Indigenen in

Projektmanagement und der spateren Ubergabe des Projektmanagements an die lokale

Bevolkerung gewahrleistet werden soll. Die indigene Bevolkerung soll vom Projekt nicht

beeintrachtigt werden.

Ein IPDP enthalt verschiedene Elemente, welche die Gewahrleistung des zentralen Ziels

sicherstellen sollen. Es wurde zu weit fuhren, hier auf jedes einzelne dieser Elemente im

Detail einzugehen. Auf einzelne Punkte werde ich bei der Analyse des Projekts in Boli-

vien noch genauer eingehen. Einige Punkte sind trotzdem erwahnenswert (World Bank

1991:para. 15):

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Page 8: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

2 Die Weltbank und indigene Volker

• Rechtlicher Rahmen

Eine Beurteilung des rechtlichen Status der betroffenen Gruppen nach der Ver-

fassung und den Gesetzen des Landes. Welchen Zugang zum Rechtssystem haben

diese Gruppen und welche Moglichkeiten stehen ihnen in diesem Rahmen offen,

ihre Recht zu verteidigen?

• Basisdaten

Genaue und aktuelle Karten und Luftfotos der Region, Analyse der Sozialstruk-

turen und Einkommensquellen der Bevolkerung, Informationen uber Ressourcen-

gebrauch und Produktionssysteme der indigenen Bevolkerung und die Beziehung

der Indigenen zu anderen lokalen und nationalen Gruppen.

• Strategie fur lokale Partizipation

Entwicklung von Mechanismen zur Partizipation von indigenen Gruppen in der

Projektplanung, Implementation und Evaluation. Dazu sollten traditionelle Orga-

nisationsformen und Fuhrer einbezogen werden.

2.3 OD 4.20 und Armutsbekampfung

Es stellt sich nun die Frage, inwiefern die soeben vorgestellten Strategien Instrumente

zur Armutsbekampfung darstellen. Direkt sind sie das nicht. Sie schlagen lediglich good

practices vor, die dann im konkreten Projekt angewendet jedoch zu einer effizienteren

Armutsreduktion fuhren konnen. Das wichtigste dabei ist die aktive Partizipation der

Betroffenen, welche auch in der Theorie der Armutsreduktion als zentral angesehen wird

(Øyen et al. 2002:5). Die Indigenen werde hier vom Objekt zum Subjekt der Entwicklung

und bestimmen mit, in welche Richtung diese gehen soll. Dazu unterstreicht die Direktive

immer wieder die Rucksichtnahme auf kulturelle Eigenheiten und die Notwendigkeit der

Kompatibilitat der ergriffenen Massnahmen mit diesen.

Mit der OD 4.20 macht die Weltbank einen grossen Schritt in Richtung Wahrung indige-

ner Rechte und Mitsprache in Entwicklungsangelegenheiten. Eine Anfang 2003 publizier-

te Evaluation der OD 4.20 hat gezeigt, dass ihre Anwendung in vielen Fallen zu einer

Verbesserung der Resultate von Armutsbekampfungsprojekten gefuhrt hat. Trotzdem

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Page 9: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

2 Die Weltbank und indigene Volker

waren verschiedene Punkte in der praktischen Anwendung noch zu unklar oder nicht

streng genug durchgesetzt worden. Gerade die Definition, welche Gruppen als indigen

gelten, war trotz der in der Direktive erwahnten Punkte nicht immer klar, vor allem

dort, wo die betroffenen Lander diese Gruppen nicht als indigene Volker betrachten.

In einigen Fallen war die OD gar nicht umgesetzt worden, obwohl die Projekte indige-

ne Volker betrafen. Selbst in einigen Projekten, welche indigene Volker als Betroffene

identifizierten wurde kein IPDP ausgearbeitet oder dann nur in einer sehr rudimentaren

Form.

Die Direktive erwahnt die Wichtigkeit der Starkung von nationalen Institutionen, die

sich um die Belange der Indigenen kummern. Wenig Gewicht wird jedoch auf allge-

meine strukturelle Veranderungen in der dominanten Gesellschaft, in der die Indigenen

leben, gelegt. Dazu gehoren unter anderem die Anderung von Gesetzen, welche Indigene

benachteiligen, vielleicht sogar Verfassungsanderungen aber vor allem auch eine Sensi-

bilisierung der Bevolkerung zur Eindammung von Diskriminierung, welcher Indigene oft

in verschiedensten Bereichen ausgesetzt sind. Ein einziger kurzer Paragraph befasst sich

mit dieser Problematik und empfiehlt zwar, dass Indigene Belange in den Bank-Land

Dialog einfliessen sollen (World Bank 1991:para. 11), bleibt aber ansonsten sehr vage.

Ohne eine Starkung der indigenen Stimme und Rechte auf nationaler Ebene sowie einen

Abbau der Diskriminierung sind aber meiner Meinung nach alle Armutsreduktionsstra-

tegien nur Symptombekampfung und langfristig zum Scheitern verurteilt.

Im Moment ist die OD 4.20 erneut in Uberarbeitung, um die in der Umsetzung der sehr

ambitiosen Direktive entstandenen Unklarheiten auszumerzen.

Wie die Umsetzung der hoch gesteckten Ziele der OD 4.20 aussehen kann, werde ich im

Kapitel 3 an einem konkreten Beispiel erlautern.

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Page 10: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

3 Indigene Volker und Armut in Bolivien

Bevor ich mit der eigentlichen Analyse des Indigenous People Development Project

beginne, werde ich einige Definitionen liefern und kurz auf die Ursachen der Armut

bei indigenen Volkern in Bolivien eingehen. 1994 publizierte die Weltbank eine Studie

mit dem Titel Indigenous people and poverty in Latin America : an empirical analysis

(Psacharopoulos et al. 1994). Darin wurden die Ursachen der Armut bei Indigenen in

vier Lateinamerikanischen Landern - darunter auch Bolivien - beleuchtet und Ansatze fur

Strategien zur Armutsreduktion aufgezeigt. Die folgenden Definitionen und Erklarungen

basieren grosstenteils auf dieser Publikation.

Die oben erwahnte Studie der Weltbank liefert folgende wesentliche Daten zur indigenen

Armut in Bolivien:

• 56% der bolivianischen Bevolkerung ist indigen. Davon sind 2/3 arm oder extrem

arm.

• Indigen zu sein erhoht die Wahrscheinlichkeit arm zu sein um 16%. Allerdings ist

diese Wahrscheinlichkeit um 45% erhoht, wenn der Kopf der Familie arbeitslos ist,

bei indigenen sowie nicht indigenen. Das lasst darauf schliessen, dass Arbeitslosig-

keit ein wichtigerer Armutsfaktor ist, als Indigenitat. Allerdings sind Indigene bei

der Arbeitsbeschaffung benachteiligt.

• Indigene haben wesentlich weniger Schulbildung als nicht-indigene und. Die Stu-

die zeigt, dass eine Angleichung des Schulbildungsniveaus zwischen Indigenen und

Nicht-Indigenen die Einkommensdifferenzen signifikant verkleinern wurde. Aller-

dings mussten auch in der Schulbildung die kulturellen und sprachlichen Differen-

zen adaquat berucksichtigt werden, damit mehr Bildung nicht einen Kulturverlust

bedeutet.

• Viele Indigene sind “working poor”. Sie arbeiten selbstandig als Bauern (ca. 60%,

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Page 11: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

3 Indigene Volker und Armut in Bolivien

v.a. monolinguale). Offentliche Angestellte fallen weniger haufig unter die Armuts-

grenze als Selbstandige.

3.1 Wer gilt in Bolivien als indigen?

Zugehorigkeit zu indigenen Volkern wird in Bolivien vor allem durch die Sprache defi-

niert. Die Studie unterscheidet dabei zwischen monolingualen und bilingualen Sprechern

von indigenen Sprachen. Fur die Zwecke der Studie wurde die Sprache als Identifika-

tionsmerkmal gebraucht, da die ethnische Zugehorigkeit in der als Grundlage benutz-

ten Volkszahlung uber die Frage ¿Que idioma(s) habla habitualmente? (Welche Sprache

sprechen Sie normalerweise?) eruiert wurde. Zugehorigkeit uber die Sprache kann aber in

Bolivien zu verfalschten Resultaten fuhren. Viele Bolivianer, die eine westlich orientier-

te urbane Lebensweise fuhren, und sich nicht als indigen definieren, sprechen trotzdem

noch eine indigene Sprache, etwa Quechua. Andererseits deklarieren sich Spanisch spre-

chende Indigene vielleicht nicht als solche wegen der sozialen Diskriminierung die mit

diesem Status einhergeht. In anderen Studien wurde zusatzlich zur Sprache noch die

Selbstzuweisung als Kriterium benutzt, wodurch die Resultate etwas genauer ausfallen

sollten. Seit der Einfuhrung der Ley de Participacion Popular 1994 ist es indigenen Ge-

meinschaften moglich, sich als juristische Entitaten registrieren zu lassen. Damit ware

auch als Indigener definiert, wer einer solchen Gemeinschaft angehort. Diese Definition

wird vom Projekt verwendet, das ich im nachsten Kapitel vorstellen werde.

3.2 Wie definiert und misst die Weltbank Armut?

In ihrem World Development Report 2000/2001 definiert die Weltbank Armut als em-

phpronounced deprivation in well-being (World Bank 2001b:15). Mit Deprivation war

hier traditionellerweise materielle Deprivation gemeint. Aufgrund ihrer “Voices of the

poor” Studie wurde diese Definition aber erweitert und beinhaltet auch Machtlosigkeit,

Stimmlosigkeit, mangelnde Sicherheit sowie tiefes Bildungs- und Gesundheitsniveau.

Als Messinstrument fur Armut setzt die Weltbank vor allem die “Armutsgrenze” ein.

Sie unterscheidet dabei zwei verschiedene Armutsgrenzen (World Bank 2001b:17):

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Page 12: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

3 Indigene Volker und Armut in Bolivien

• Untere Armutsgrenze

Kosten eines Warenkorbs, welcher 50 zur Deckung der Ernahrungsgrundbedurfnisse

notige Artikel enthalt. Leute, deren Einkommen unter dieser Grenze liegt, gelten

als extrem arm. Als grobe Richtlinie gilt auch der Betrag von 1$ pro Kopf pro Tag.

• Obere Armutsgrenze

Diese Linie wird durch die Multiplikation der extremen Armutsgrenze mit einem

fixen Faktor berechnet. Deser Faktor ist von Region zu Region verschieden. Leute,

deren Einkommen zwischen dieser Grenze und der extremen Armutsgrenze liegt,

gelten als arm. Als grobe Richtlinie gilt auch der Betrag von 2$ pro Kopf pro Tag.

Diese Armutsgrenzen sind als Messinstrumente sicher praktisch wenn es darum geht,

etwa verschiedene Lander oder Regionen zu vergleichen. Sie berucksichtigen jedoch kul-

turelle Unterschiede nicht. Gerade im Fall von indigenen Volker weicht deren Definition

von erstrebenswertem Wohlstand und Armut oft signifikant von derjenigen der domi-

nanten Kultur ab.

3.3 Ursachen der Armut bei indigenen Volkern in Bolivien

Das Problem ihrer Armut fing bei den indigenen Volkern Boliviens mit der Kolonisa-

tion durch die Spanier an. Die Bauern der Anden wurden zur Abgabe hoher Steuern

und Zwangsarbeit gezwungen und immer mehr ihres Landes enteignet. Im Tiefland wur-

den die verstreut lebenden und oft zahlenmassig kleinen Volker versklavt oder zu ihrem

“Schutz” in jesuitische Reduktionen gesteckt. Dort entgingen sie zwar dem Sklavenda-

sein, wurden aber christianisiert und ihrer Kultur beraubt. Indigene wurden als Men-

schen zweiter Klasse betrachtet, die nach gutdunken ausgebeutet werden konnten und

in deren Ausbildung und Wohlergehen es sich nicht lohnte zu investieren. Der einzige

Ausweg aus dieser Situation bestand in der kulturellen Assimilation und dem Aufgehen

in der Klasse der Mestizen.

Nach der Revolution von 1952 wurde zwar die Zwangsarbeit offiziell verboten und einiges

an Land an indigene Individuen verkauft. Trotz der 1994 eingefuhrten Gesetze, welche in-

digenen Gruppen mehr Moglichkeiten zur Partizipation in der Politik sowie zur Sicherung

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Page 13: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

3 Indigene Volker und Armut in Bolivien

von Landrechten eroffnen sollen, verbesserte sich damit die Lage der Indigenen kaum. In

Politik, Gesellschaft, Bildung und Arbeitsmarkt herrscht nach wie vor eine mehr oder

weniger offene Diskriminierung der indigenen Bevolkerung. Zudem lebt ein Grossteil der

Indigenen auf dem Land vom Ackerbau und mit einer kaum entwickelten Infrastruktur

zum Transport und Vermarktung ihrer Ware. Klimatische Veranderungen, die zu langan-

haltender Durre oder Uberschwemmungen fuhrten, haben vielen die Existenzgrundlage

genommen und zwangen sie zur Abwanderung in die Stadte, wo sie aufgrund mangelnder

Ausbildung und Diskriminierung kaum oder hochstens schlecht bezahlte Arbeit finden.

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Page 14: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

4 Beispiel: Das “Indigenous Peoples Development

Project” in Bolivien

4.1 Vorstellung und Ziele des Projekts

In diesem Kapitel will ich an einem Beispiel zeigen, wie die in der OD 4.20 festgehal-

tenen Strategien in der Praxis umgesetzt werden und wie erfolgsversprechend sie sind.

Dazu werde ich die Elemente des Projekts nach dem in der Armutsbekampfung immer

mehr verbreiteten Ansatz der “Best Practices” analysieren. Dies bietet sich deshalb an,

weil dieses Projekt dazu dienen soll, erfolgreiche Ansatze fur die Durchfuhrung weite-

rer Projekte zu liefern. Die Informationen uber das Projekt sind dem Project Appraisal

Document entnommen. (World Bank 2001a)

Das “Indigenous People Development Project” wurde im April 2001 gestartet und lauft

noch bis Ende 2004 unter dem Namen LIL/Indıgena. Es handelt sich um ein Pilotprojekt

mit dem Ziel

to learn how culturally based productive initiatives of indigenous communi-

ties can contribute to income generation and poverty-reduction. The project

will finance on a pilot basis a number of demand-driven, community or small

producer initiatives which aim to improve the forms and conditions in which

indigenous peoples produce and sell their products or services. (...) By brin-

ging their own worldviews and cultural perspectives into the wider effort to

reduce poverty (...), it is expected, that indigenous peoples’ needs will be

met in a more appropriate manner. (World Bank 2001a:2)

Zielgruppe des Projekts sind offiziell registrierte indigene Gemeinschaften in ruralen

Gegenden. Sie konnen Projekte in den Bereichen Handwerk, Ethno-/Okotourismus und

Verarbeitung von pflanzlichen und tierischen Produkten vorschlagen. Finanziell ist das

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Page 15: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

4 Beispiel: Das “Indigenous Peoples Development Project” in Bolivien

Projekt ein Learning and Innovation Loan (LIL), also ein nicht ruckzahlbarer Kredit.

4.2 Strategien

Basis der LIL/Indıgena ist die aktive Partizipation indigener Gruppen. Diese halfen in

der Planungsphase des Projekts ihre Probleme und mogliche Losungsansatze zu identifi-

zieren und bringen dann ihre eigenen Projektideen ein. Auch in der Aufsicht und Leitung

des Projekts befinden sich Vertreter indigener Organisationen.

Das Projekt arbeitet mit drei Hauptkomponenten, welche auf die Hauptprobleme einge-

hen, die von den indigenen Vertretern in der Planungsphase identifiziert worden waren:

1. Wirtschaftlich

• Finanzierung von kleinen Projekten, die von indigenen Gruppen vorgeschla-

gen werden.

Dies ist eine Reaktion auf die Forderung indigener Organisationen, dass Res-

sourcen direkt an die Gemeinschaften gehen sollen, damit diese kleine Ent-

wicklungsprojekte selber verwalten konnen. Es ist auch ein Ausdruck des

Vertrauens in die indigenen Gemeinschaften, dass sie uber die dazu notigen

sozialen Kontrollmechanismen verfugen. Ein weiteres Problem ist die fehlen-

de Infrastruktur in den Gebieten indigener Gruppen und die Unmoglichkeit,

Kredite aufzunehmen. Dazu sind allerdings strukturelle Veranderungen notig,

die von diesem Projekt jedoch nicht angegangen werden.

• Marktanalyse

Den indigenen Organisationen mangelt es an Wissen uber Marktmechanismen

(ausserhalb ihrer eigenen Okonomie), das Marktpotential ihrer Produkte so-

wie etwaige Regulationen, die sie betreffen. Das Projekt soll zeigen, welcher

Mix von Subsistenzwirtschaft und Marktwirtschaft sich am erfolgreichsten

erweist und damit als Grundlage fur neue Projekte dienen kann.

2. Technisch

• Existierende Technologien sollen verbessert oder gegebenenfalls neue eingefuhrt

15

Page 16: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

4 Beispiel: Das “Indigenous Peoples Development Project” in Bolivien

werden. Dabei wird der Schwerpunkt auf den Gebrauch indigenen Wissens

und die Wiederbelebung alter Technologien gelegt.

3. Institutionell

• Starkung indigener Organisationen

Dieses Projekt bietet keine explizite Strategie zur Starkung indigener Organi-

sationen auf struktureller Ebene. Dies soll durch andere Projekte - zum Bei-

spiel das von der Weltbank finanzierte Participatory Rural Investment Pro-

ject und die Ley de Participation Popular gewahrleistet werden. Innerhalb

des LIL/Indıgena ist lediglich vorgesehen, die Funktion dieser Institutionen

genau zu beobachten. Dies bedeutet aber, dass das LIL/Indıgena vom Erfolg

dieser Projekte abhangig ist, da ohne strukturelle Veranderungen bei aller

Innovationsbereitschaft keine dauerhaft erfolgreiche Vermarktung indigener

Dienstleistungen und Produkte moglich ist.

• Ausbildung indigener Spezialisten

Indigene Organisationen haben einen Mangel an Organisationsfahigkeit und

weiblicher Mitarbeit bei indigenen Gemeinschaften diagnostiziert, der durch

Gleichgultigkeit, Pessimismus und Entzweiung hervorgerufen wird. Die Aus-

bildung von indigenen Spezialisten soll helfen, das Humankapital der Gemein-

schaften zu vergrossern. Zudem sind indigene Spezialisten fur das Projekt

zwingend notwendig, da es vorsieht, dass die indigenen Organisationen im

Sinne einer vollumfanglichen Partizipation die Implementation ihrer Projek-

te selber auswerten konnen.

• Positive Diskriminierung zugunsten indigener Frauen

Laut den Ergebnissen der Weltbank-Studie von 1994 (Psacharopoulos et al.

1994) gehoren insbesondere indigene Frauen zu den armsten und benachteilig-

testen Mitgliedern der bolivianischen Gesellschaft. Ausserdem haben indigene

Organisationen die tiefe Beteiligungsrate von Frauen an Gemeinschaftsange-

legenheiten als Problem identifiziert. Dem soll nun mit einer Bevorzugung

indigener Frauen in den Subprojekten des LIL/Indıgena abgeholfen werden.

Es bleibt allerdings zu sehen, wie diese Bevorzugung in den Gemeinschaften

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Page 17: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

4 Beispiel: Das “Indigenous Peoples Development Project” in Bolivien

aufgenommen wird und inwiefern diese mit ihrer Kultur vereinbar ist.

Zu diesen Hauptkomponenten kommen noch Evaluationen sozialer, rechtlicher sowie

okologischer Komponenten.

4.3 Kommentar

Das LIL/Indıgena ist eine ziemlich genaue Umsetzung der in der OD 4.20 festgehaltenen

Strategien. Die Partizipation der Indigenen in allen Projektphasen wird gross geschrie-

ben und ihre Bedurfnisse werden in das Projekt einbezogen. Die Ziele des Projekts sind

klar definiert und dennoch allgemein genug gefasst, um der grossen kulturellen Vielfalt

der indigenen Volker Boliviens gerecht zu werden, indem diese selber bestimmen konnen,

welche Aspekte ihrer Kultur und ihres Wissens sie vermarkten mochten. Mit der Ausbil-

dung indigener Spezialisten und der Ausnutzung des Innovationspotentials der indigenen

Gemeinschaften bietet das Projekt auch eine Hilfe zur weiteren Selbsthilfe.

Meiner Meinung nach gibt es aber auch einige problematische Punkte. So werden zum

Beispiel in Stadten lebende sowie nicht registrierte oder nicht reprasentierte Indigene

vom Projekt ausgeschlossen. Fur ein Pilotprojekt mag ja eine gewisse Beschrankung

legitim sein, aber um langfristig der gesamten indigenen Bevolkerung Boliviens einen

Ausweg aus der Armut zu bieten mussen auch fur diese Gruppen Losungen angeboten

werden. Zudem bietet das Projekt keine konkreten Ansatze zur Verbesserung der Situa-

tion der Indigenen auf struktureller Ebene. Es verlasst sich dabei auf andere Projekte,

macht aber so seinen Erfolg von deren Erfolg abhangig. Die Entwicklung marktfahiger

Produkte bringt den Indigenen nichts, wenn sie nicht uber die fur eine erfolgreiche Ver-

marktung notigen Voraussetzungen verfugen, also zum Beispiel anstandige Strassen,

Marketing- und finanzielles Knowhow und nicht zuletzt Markte und Nachfrage fur ihre

Produkte. Diese Punkte werden allerdings nur sehr vage, wenn uberhaupt, angesprochen.

Da ich meine Informationen jedoch aus einem Project Appraisal Document beziehe, ist

es moglich, dass danach noch genauere Richtlinien zur Durchfuhrung des Projekts for-

muliert worden sind, welche diese Punkte behandeln.

Der Projektplan lasst auch einige Fragen unbeantwortet, welche die moglichen Auswir-

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Page 18: Armutsbekämpfung bei indigenen Völkern

4 Beispiel: Das “Indigenous Peoples Development Project” in Bolivien

kungen des Projekts auf die mitwirkenden Gemeinschaften betreffen. Diese sind aber

gerade aus anthropologischer Sicht interessant.

• Forderung der Frauen

Einerseits ist die Frauenforderung eine Reaktion auf eines der Probleme, welches

von den Indigenen selbst genannt worden war sowie auf die Resultate der Weltbank

Studie, welche indigene Frauen als besonders benachteiligt identifizierte (Psacha-

ropoulos et al. 1994). Die Forderung der Frauen birgt aber das Potential in sich,

Spannungen und Konflikte zwischen den Geschlechtern hervorzurufen. Durch ei-

ne Starkung des weiblichen Einflusses konnte sich auch die Gemeinschaftsstruktur

verandern. Zudem existiert das Risiko, dass die Frauenforderung wegen der tradi-

tionellen Rollenverteilung zu einer Einseitigkeit fuhrt, was die Art der vorgeschla-

genen Projekte betrifft.

• Revitalisierung von traditionellen Technologien

Das LIL/Indıgena Projekt will in seinen Subprojekten gezielt traditionelle Tech-

nologien fordern und wenn notig revitalisieren. Damit besteht allerdings die Ge-

fahr, dass die Indigenen in einem “Museumszustand erhalten werden”. In diesem

konkreten Fall finde ich den Fokus auf der Forderung traditioneller Technologien

allerdings legitim. Denn es ist ja gerade das Hauptziel des Projekts, herauszufin-

den, ob sich diese Technologien dazu eignen, vermarktungsfahige Produkte herzu-

stellen. Damit wird der Weg zur Nutzung moderner Technologien in zukunftigen

Projekten nicht verbaut. Diejenigen traditionellen Technologien, welche sich aber

als produktiv erweisen, konnten in Zukunft gezielt gefordert und eventuell auch

etwas modernisiert werden, um langfristig den Lebensstandard der Indigenen zu

erhohen. Die Nutzung traditioneller Techniken und Produkte hat auch den Vorteil,

dass die Abhangigkeit von externen Produkten und Spezialisten gering bleibt und

okologische Gegebenheiten optimal genutzt werden konnen. Es ist aber klar, dass

Indigene Volker nicht ewig von der modernen Welt abgekapselt sein werden und

daher ist es auch wichtig, dass sie lernen, welche modernen Techologien existieren

und wie sie diese optimal fur sich nutzbar machen konnen. Alt und neu schliessen

sich nicht grundsatzlich aus. Schlussendlich sollte aber die Entscheidung, welche

alten Technologien sie beibehalten und welche neuen sie ubernehmen wollen, bei

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4 Beispiel: Das “Indigenous Peoples Development Project” in Bolivien

den Indigenen selber liegen.

• Know-How Transfer und Brain Drain

Das Projekt sieht vor, indigene Spezialisten auszubilden. Dies ist ein positiver

Schritt, weil damit neues Wissen einfliesst. Es ist aber wichtig, dass dieses Wissen

auf die Gemeinschaft ubergeht und nicht auf einige wenige Personen beschrankt

bleibt, denn schlussendlich bildet es die Grundlage fur Entscheidungen, die alle

angehen. Es mussen also auch konkrete Anreize fur die indigenen Spezialisten ge-

schaffen werden, in ihren Gemeinschaften zu bleiben, ihr Wissen weiter zu geben

und produktiv umzusetzen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ausgebildete Indi-

gene in die Stadte abwandern, wo sie besser verdienen, und somit die Investition

in ihre Ausbildung dem Rest der Gemeinschaft nichts bringt. Das LIL/Indıgena

Projekt nennt allerdings keine konkreten Massnahmen, um diesen Brain Drain

zu verhindern. Der Wissenstransfer von den Spezialisten auf die Gemeinschaft ist

auch daher von grosser Bedeutung, als dei Iindigenen moderne Technologien , deren

Konsequenzen und Alternativen kennen mussen, um eine wirkliche Wahl treffen zu

konnen. Nur dann ist es ihnen moglich, aus dem Vorhandenen das auszuwahlen,

was sie fur sich am besten finden. Damit sollen sie die Richtung ihrer Entwicklung

voll und ganz selbst bestimmen konnen und das neu erworbene Wissen so in ihre

Strukturen integrieren, dass es mit ihren Werten kompatibel bleibt.

Das LIL/Indıgena Projekt befindet sich im Moment in der Durchfuhrungsphase und es

ist deshalb noch schwer zu sagen, ob diese Art der indigenen Wirtschaftsforderung Erfolg

haben wird. Aber grundsatzlich ist der Ansatz, Indigene selbst uber die wirtschaftliche

Nutzbarmachung ihres kulturellen Potentials entscheiden zu lassen ein Schritt in die

richtige Richtung.

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5 Schlusswort

Die aktuellen Strategien der Weltbank zur Einbeziehung indigener Volker in den Ent-

wicklungsprozess stellen zweifellos einen Fortschritt dar, vor allem indem sie einen Schritt

weg machen von deren Bevormundung. Sicher waren diese Massnahmen auch eine Re-

aktion auf die Forderungen und das starke internationale Lobbying Indigener Organisa-

tionen. Die in der OD 4.20 sowie im LIL/Indıgena festgehaltenen Strategien enthalten

wichtige Elemente, die sie zu effizienten Instrumenten bei der Bekampfung von Armut

bei indigenen Volkern machen konnen:

• Partizipation und Mitbestimmung der Indigenen in allen Phasen des Projekts;

• Starken der indigenen Kulturen und Technologien ausnutzen;

• Indigene Spezialisten ausbilden als Garantie fur eine volle Partizipation und als

Investition in die Zukunft.

Es bleiben allerdings ein paar problematische Punkte. Wie schon erwahnt musste die

Weltbank meiner Meinung nach noch mehr auf grundlegende strukturelle Veranderungen

in den betroffenen Landern insistieren. In strukturellen Problemen liegen meist die ei-

gentlichen Ursachen indigener Armut und ohne diese zu beseitigen wird die Armuts-

bekampfung langfristig keinen Erfolg haben. Ein weiterer problematischer Punkt liegt

in der Definition indigener Volker. Was ist beispielsweise mit Volkern, die nicht alle 5

genannten Kriterien erfullen oder mit Indigenen in Stadten, die von Entwicklungsprojek-

ten ebenfalls negativ betroffen sein konnten? Diese Fragen wird die nachste Revision der

OD 4.20 klaren mussen. Auch ist oft nicht klar, ob es sich bei den einzelnen Punkten der

Direktive nun um Empfehlungen handelt oder ob diese zwingend erfullt werden mussen.

Grundsatzlich hat die Weltbank mit ihrem aktuellen Strategien die Instrumente in der

Hand, um - falls konsequent angewendet - die Armut indigener Volker effizient zu

bekampfen, und dabei ihre Kultur, Menschenrechte und Wurde mit einzubeziehen.

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