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142 Astron. Nachr., Bd. 292, H. 3 (1970) ARNOLD KOHLSCHOTTER 6.7.1883-28.5.1969 Der emeritierte ordentliche Professor fur Astronomie an der Universitat Bonn, Dr. pliil. ARNOLD KOHLSCHUTTER, ist am 28. Mai 1969 infolge Herzschwache plotzlich verstorben. ARNOLD KOHLSCHUTTER wurde am 6. Juli 1883 als Sohn des a. 0. Prof. Dr. med. ERNST KOHL- SCHUTTER in Halle a. d. Saale geboren. Er besuchte das dortige humanistische Stadtgymnasium und machte 1901 das Abitur. Nach Ableistung des Militiirdienstes begann er rgoz in Heidelberg das Stu- dium der Astronomie, Mathematik und Physik, das er in Berlin, StraBburg und Gottingen fortsetzte. Im Jahre 1907 promovierte er in Gottingen rnit einer an K. SCHWARZSCHILDS Untersuchungen zur theoretischen Optik anknupfenden Arbeit ,,Die Bildfehler funfter Ordnung optischer Systeme abgelei- tet auf Grund des Eikonalbegriffes". AnschlieDend war er bis 1908 als Assistent an der Sternwarte Gottingen tatig und beteiligte sich an den Arbeiten zur weltbekannt gewordenen ,,Gottinger Aktino- metrie" unter Leitung von K. SCHWARZSCHILD. In den Jahren 1908 bis 1911 war A. KOHLSCHUTTER wissenschaftlicher Assistent an den Sternwarten in Kiel, Wilhelmshaven und Hamburg. Auf E m y fehlung von K. SCHWARZSCHILD und J. C. KAPTEYN wurde er 1911 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mt. Wilson Observatorium. Zusammen mit W. S. ADAMS entwickelte er dort die Methode der spektro- skopischen Leuchtkraftbestimmung der Sterne, die als Mittel zur Entfernungsbestimmung (,,spektro- skopische Parallaxen") bis heute von wesentlicher Bedeutung geblieben ist. KOHLSCHUTTER erhielt fur diese Leistung den ,,Ackermann-Preis". Auf dem Riickweg nach Deutschland geriet KOHLSCHUTTER 1914 kurz nach Beginn des Krieges in englische Gefangenschaft. Er verbrachte die Jahre bis 1918 in einem Lager in Gibraltar, spater in Holyport bei Maidenhead in England. Durch Untersttitzung des Astrophysikers A. S. EDDINGTON konnte er hier schlieBlich in geringem Umfang wissenschaftlich arbei- ten. Nach Kriegsende wirkte KOHLSCHUTTER zunachst als Assistent, dann als Observator und Haupt- observator am Astrophysikalischen Observatorium in Potsdam. An der Universitat Berlin habilitierte er sich 1920 mit einer Arbeit uber das Strahlungsgleichgewicht der Sterne (Publ. Astrophys. Obs. Potsdam Nr. 78); 1.925 wurde er zum a. 0. Professor ernannt. Im Jahre 1923 nahm er an einer von H. LUDENDORFF geleiteten Sonnenfinsternisexpedition nach Mexiko teil. Eine urspriinglich zum Nach- weis der relativistischen Lichtablenkung bestimmte Aufnahme mit 860 cm Brennweite, die fur diesen Zweck zu wenig Sterne zeigte, benutzte er spater gemeinsam mit E. VON DER PAHLEN zu einer Unter- suchung iiber die Form und Natur von Koronastrahlen (Veroff. Univ.-Sternwarte Bonn Nr. 24). Zum I. Oktober 1925 wurde A. KOHLSCHUTTER als Nachfolger von F. KUSTNER auf den Lehrstuhl fur Astronomie an der Universitat Bonn berufen. Er trat diese Stelle jedoch erst Anfang 1927 an, da er zusammen rnit F. BECKER eine astronomische Beobachtungsstation in der Nahe von La Paz (Boli- vien) einrichtete, die bis zum Jahre 1929 ein umfangreiches Material an photographischen Aufnahmeii zur Photometrie und Spektroskopie der Sterne des Sudhimmels lieferte. Der Astrophysiker KOHLSCHUTTER ubernahm als Direktor der Bonner Sternwarte deren Arbeits- gebiet und Tradition. Er wurde Astrometer, was ihm nicht leicht gefallen sein diirfte. In mtihsamer, entsagungsvoller Arbeit entstand unter seiner Leitung der Bonner Teil des Jweiten Zonenunterneh- mens der Astronomischen Gesellschaft", der die exakten Positionen von etwa 70000 Sternen enthielt und die Grundlage fiir die Ableitung der Eigenbewegungen der Sterne des Nordhimmels und damit Aus- sagen iiber die raumliche Bewegung dieser Objekte liefern sollte. KOHLSCHUTTER hat sich dieser Arbeit uber seine Emeritierung im Jahre 1946 hinaus bis zum Erscheinen des Werkes im Jahre 1951 gewidmet. KOHLSCHUTTERS Wesen war durch PflichtbewuBtsein, Genugsamkeit und Bescheidenheit charak- terisiert. Das Leben hat ihn vor harten und schweren Schicksalsschliigen nicht bewahrt ; fur den AuBen- stehenden trug er sie scheinbar ungeriihrt. Dabei war er allen geistigen Interessen sehr aufgeschlossen. Bis in die letzten Tage seines Lebens beschaftigten ihn trotz seines hohen Alters Probleme seiner Wissenschaft . H. SCHMIDT (Bonn)

Arnold Kohlschütter

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Astron. Nachr., Bd. 292, H. 3 (1970)

ARNOLD KOHLSCHOTTER 6.7.1883-28.5.1969

Der emeritierte ordentliche Professor fur Astronomie an der Universitat Bonn, Dr. pliil. ARNOLD KOHLSCHUTTER, ist am 28. Mai 1969 infolge Herzschwache plotzlich verstorben.

ARNOLD KOHLSCHUTTER wurde am 6. Juli 1883 als Sohn des a. 0. Prof. Dr. med. ERNST KOHL- SCHUTTER in Halle a. d. Saale geboren. Er besuchte das dortige humanistische Stadtgymnasium und machte 1901 das Abitur. Nach Ableistung des Militiirdienstes begann er rgoz in Heidelberg das Stu- dium der Astronomie, Mathematik und Physik, das er in Berlin, StraBburg und Gottingen fortsetzte. Im Jahre 1907 promovierte er in Gottingen rnit einer an K. SCHWARZSCHILDS Untersuchungen zur theoretischen Optik anknupfenden Arbeit ,,Die Bildfehler funfter Ordnung optischer Systeme abgelei- tet auf Grund des Eikonalbegriffes". AnschlieDend war er bis 1908 als Assistent an der Sternwarte Gottingen tatig und beteiligte sich an den Arbeiten zur weltbekannt gewordenen ,,Gottinger Aktino- metrie" unter Leitung von K. SCHWARZSCHILD. In den Jahren 1908 bis 1911 war A. KOHLSCHUTTER wissenschaftlicher Assistent an den Sternwarten in Kiel, Wilhelmshaven und Hamburg. Auf E m y fehlung von K. SCHWARZSCHILD und J. C. KAPTEYN wurde er 1911 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Mt. Wilson Observatorium. Zusammen mit W. S. ADAMS entwickelte er dort die Methode der spektro- skopischen Leuchtkraftbestimmung der Sterne, die als Mittel zur Entfernungsbestimmung (,,spektro- skopische Parallaxen") bis heute von wesentlicher Bedeutung geblieben ist. KOHLSCHUTTER erhielt fur diese Leistung den ,,Ackermann-Preis". Auf dem Riickweg nach Deutschland geriet KOHLSCHUTTER 1914 kurz nach Beginn des Krieges in englische Gefangenschaft. Er verbrachte die Jahre bis 1918 in einem Lager in Gibraltar, spater in Holyport bei Maidenhead in England. Durch Untersttitzung des Astrophysikers A. S. EDDINGTON konnte er hier schlieBlich in geringem Umfang wissenschaftlich arbei- ten.

Nach Kriegsende wirkte KOHLSCHUTTER zunachst als Assistent, dann als Observator und Haupt- observator am Astrophysikalischen Observatorium in Potsdam. An der Universitat Berlin habilitierte er sich 1920 mit einer Arbeit uber das Strahlungsgleichgewicht der Sterne (Publ. Astrophys. Obs. Potsdam Nr. 78); 1.925 wurde er zum a. 0. Professor ernannt. Im Jahre 1923 nahm er an einer von H. LUDENDORFF geleiteten Sonnenfinsternisexpedition nach Mexiko teil. Eine urspriinglich zum Nach- weis der relativistischen Lichtablenkung bestimmte Aufnahme mit 860 cm Brennweite, die fur diesen Zweck zu wenig Sterne zeigte, benutzte er spater gemeinsam mit E. VON DER PAHLEN zu einer Unter- suchung iiber die Form und Natur von Koronastrahlen (Veroff. Univ.-Sternwarte Bonn Nr. 24).

Zum I. Oktober 1925 wurde A. KOHLSCHUTTER als Nachfolger von F. KUSTNER auf den Lehrstuhl fur Astronomie an der Universitat Bonn berufen. Er trat diese Stelle jedoch erst Anfang 1927 an, da er zusammen rnit F. BECKER eine astronomische Beobachtungsstation in der Nahe von La Paz (Boli- vien) einrichtete, die bis zum Jahre 1929 ein umfangreiches Material an photographischen Aufnahmeii zur Photometrie und Spektroskopie der Sterne des Sudhimmels lieferte.

Der Astrophysiker KOHLSCHUTTER ubernahm als Direktor der Bonner Sternwarte deren Arbeits- gebiet und Tradition. Er wurde Astrometer, was ihm nicht leicht gefallen sein diirfte. In mtihsamer, entsagungsvoller Arbeit entstand unter seiner Leitung der Bonner Teil des Jweiten Zonenunterneh- mens der Astronomischen Gesellschaft", der die exakten Positionen von etwa 70000 Sternen enthielt und die Grundlage fiir die Ableitung der Eigenbewegungen der Sterne des Nordhimmels und damit Aus- sagen iiber die raumliche Bewegung dieser Objekte liefern sollte. KOHLSCHUTTER hat sich dieser Arbeit uber seine Emeritierung im Jahre 1946 hinaus bis zum Erscheinen des Werkes im Jahre 1951 gewidmet.

KOHLSCHUTTERS Wesen war durch PflichtbewuBtsein, Genugsamkeit und Bescheidenheit charak- terisiert. Das Leben hat ihn vor harten und schweren Schicksalsschliigen nicht bewahrt ; fur den AuBen- stehenden trug er sie scheinbar ungeriihrt. Dabei war er allen geistigen Interessen sehr aufgeschlossen. Bis in die letzten Tage seines Lebens beschaftigten ihn trotz seines hohen Alters Probleme seiner Wissenschaf t . H. SCHMIDT (Bonn)