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Die Unité d’Habitation Die Unité d’Habitation ist die Zusammenfassung und Verdeutlichung der Theorien Le Corbusiers über Städteplanung und Wohnen. Corbusier fasste darin seine lebenslange Suche nach der idealen Gemeinschaft zusammen und entwickelte "Wohnmaschinen" als autarke Wohneinheiten in einem städtebaulichen und gemeinschaftlichen Gesamtkonzept. Basierend auf einer kritischen Auseinandersetzung mit Tradition und Vorbild stellte sie dennoch einen radikalen Bruch mit allen vorherigen Wohnmodellen und urbanen Visionen dar, und präsentierte eine innovative Lösung für die Wohnungsnot und den Wiederaufbau in Folge des II. Weltkriegs. Innovativ waren sie nicht nur durch ihr städtebauliches, räumliches und funktionelles Konzept, sondern auch in ihrer konstruktiven Struktur und Materialität, der verwendeten Technologie und dem Versuch industrielle, standardisierte Herstellungs- methoden zu verwenden. Überdies sind sie eines der wichtigsten soziologischen und architektonischen Experimente des 20. Jahrhundert. Doch über die Jahre vergegenständlichen die Gebäude eine Konfrontation des einfachen, modernen Innovationsgeistes mit der komplexen, unberechenbaren Alltagsrealität. und die Gemeinschaft Eine wesentliche Leitidee der Unité’s war Le Corbusier’s Streben, ein betont privates, familiäres Wohngefühl im Rahmen einer größeren Gemeinschaft zu erzeugen. Das Zusammenspiel zwischen dem minimierten Leben der Mönche in ihren Zellen, die aber zugleich in ein weitreichen- des Gemeinschaftsleben eingebunden sind, diente Corbusier als Modell, ein für ihn elementarer Dualismus zwischen Individuum und Kollektiv. Die Unité sollte die Familien zu einer Einheit mit sozialem Charakter zusammenschließen. Zum Teil ist dies aus einer Kritik des Einfamilienhaustyp bzw. der Mietshaus entstan- den, in dem man zwar einzeln, aber in nächster Nähe mit dem Nachbar wohnte, ihn sehen und von ihn gesehen werden konnte. Statt dessen konzi- pierte Le Corbusier röhrenförmige Wohnungen, geschlossen an den Seiten und offen an den Enden, und somit stapelbar. Die Wohnungen der Unité d’Habitation sind, obwohl kompakt neben- und übereinanderliegend, gut schallisoliert, und die Loggien schützen vor seitlichen Einblicken (vgl. Atelier 5). In der Unité wohnte man nahe beieinan- der, jedoch ohne Beeinträchtigung. Man hörte den Nachbarn nicht, und die nächsten Nachbarn in anderen Häusern waren 250m bis 300m entfernt. Gleichzeitig sollte die räumliche Isolierung der Wohnungen nicht zu einer sozialen Abgrenzung führen. Die Familie bleibt geschützt innerhalb der Wohnung, sobald sie aber aus der Wohnung heraustreten, tauchen sie in das gesellschaftliche Leben ein. Die Anzahl der Wohnungen sollte zwischen 300 und 400 Familien (1000-2000 Personen) betragen, eine gesellschaftliche Gruppe entsprechend des sozialen Charakters eines Dorfes oder eines Stadtteils. So wurden eine Reihe kommunikativer Angebote zur Förderung der natürliche Entwicklung eines Gemeinschafts- lebens vorgesehen – Läden, Kioske, Kindergarten, sportliche Betätigung, Versammlung und Kultur, Jugendräume ebenso wie Gesundheitliche Einrichtungen. Die Wohnungsgröße sollte das Wachsen bzw. Schrumpfen einer Familie berücksichtigen. So wurden verschiedene Variationen des Grundtyps entwickelt, um unterschiedliche Bedürfnisse abzu- decken. Bei Veränderung der Familiengröße (wie Familienzuwachs oder aber Verkleinerung der Familie durch Wegzug, Tod oder Scheidung) wechselte man einfach die Wohnung, so Corbusier. Die Wohnungseinheit selbst sollte auch die Familieneinheiten stärken. Le Corbusier beschrieb in ‚Die Theorie der 7V (Sieben Wege)’ wie die Küche und Essplatz als der häusliche Herd fungieren sollten, er nannte es ‚Die Zuflucht der Familie’. So wurden in den neuen Wohnungen der vertikalen Stadt traditionelle Elemente der konven- tionellen Behausung integriert. Für Le Corbusier waren die Unités moderne Wohnhäuser ‚die freilich eine Änderung der Mentalität der Mieter voraussetzen’. Sie wurden aber selten von ‚Neuen Menschen’ bewohnt. So haben einige Unités unter einer sich stark verän- dernden demographischen Zusammensetzung gelitten. Die meisten Unités entsprechen nicht mehr einer sozialistischen oder philanthropisch- bedingten Zusammensetzung, sobald diese Stütz- strukturen nachgelassen haben, litten sie unter einer starken ‚Verarmung’ der Bewohnerschaft. In den letzten zehn Jahren haben die Unité’s wieder am Popularität gewonnen, es ziehen mehr gut verdienende Freiberufler und Angestellte ein, die Wohnungen sind heute wieder gefragt. Im Kontext des heutigen Angebots des Wohnungs- marktes gelten sie als individualistisch und unkonventionell. Vielleicht ist die Zeit der ‚Neuen Menschen’ gekommen, gibt es für geplagte Grosstadtbewohner eine bessere Lösung als die, den Kindergarten, die Joggingstrecke und den Lebensmittelladen in den Gesamtzusammenhang des Hauses integriert zu haben? »Ein Ereignis von umwälzender Bedeutung: Sonne, Raum, Grünflächen. Wenn man will, dass die Familie in der Intimität der Stille und der Natur gemäss lebt ..., tut man sich zu 2.000 Personen zusammen, nimmt sich bei der Hand, geht durch eine einzige Türe zu vier Lifts für je 20 Personen ... Man wird so Abgeschlossenheit und die unmittelbare Verbindung von aussen und innen geniessen. Die Häuser werden 50 m hoch sein. Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen steht der Park um das Gebäude herum zur Verfügung. Die Stadt wird im Grünen liegen und auf dem Dach befinden sich Kinderkrippen.« UNITE d’HABITATION – Le Corbusier J Reisenberger - T Riechert Soziale Zusammensetzung – die Familieneinheit

ARQ - Le Corbusier - Unité.d'habitation

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Die Unité d’HabitationDie Unité d’Habitation ist die Zusammenfassung und Verdeutlichung der Theorien Le Corbusiers über Städteplanung und Wohnen. Corbusier fasste darin seine lebenslange Suche nach der idealen Gemeinschaft zusammen und entwickelte "Wohnmaschinen" als autarke Wohneinheiten in einem städtebaulichen und gemeinschaftlichen Gesamtkonzept.

Basierend auf einer kritischen Auseinandersetzung mit Tradition und Vorbild stellte sie dennoch einen radikalen Bruch mit allen vorherigen Wohnmodellen und urbanen Visionen dar, und präsentierte eine innovative Lösung für die Wohnungsnot und den Wiederaufbau in Folge des II. Weltkriegs. Innovativ waren sie nicht nur durch ihr städtebauliches, räumliches und funktionelles Konzept, sondern auch in ihrer konstruktiven Struktur und Materialität, der verwendeten Technologie und dem Versuch industrielle, standardisierte Herstellungs-methoden zu verwenden. Überdies sind sie eines der wichtigsten soziologischen und architektonischen Experimente des 20. Jahrhundert.

Doch über die Jahre vergegenständlichen die Gebäude eine Konfrontation des einfachen, modernen Innovationsgeistes mit der komplexen, unberechenbaren Alltagsrealität.

und die Gemeinschaft

Eine wesentliche Leitidee der Unité’s war Le Corbusier’s Streben, ein betont privates, familiäres Wohngefühl im Rahmen einer größeren Gemeinschaft zu erzeugen. Das Zusammenspiel zwischen dem minimierten Leben der Mönche in ihren Zellen, die aber zugleich in ein weitreichen-des Gemeinschaftsleben eingebunden sind, diente Corbusier als Modell, ein für ihn elementarer Dualismus zwischen Individuum und Kollektiv. Die Unité sollte die Familien zu einer Einheit mit sozialem Charakter zusammenschließen.

Zum Teil ist dies aus einer Kritik des Einfamilienhaustyp bzw. der Mietshaus entstan-den, in dem man zwar einzeln, aber in nächster Nähe mit dem Nachbar wohnte, ihn sehen und von ihn gesehen werden konnte. Statt dessen konzi-pierte Le Corbusier röhrenförmige Wohnungen, geschlossen an den Seiten und offen an den Enden, und somit stapelbar. Die Wohnungen der Unité d’Habitation sind, obwohl kompakt neben- und übereinanderliegend, gut schallisoliert, und die Loggien schützen vor seitlichen Einblicken (vgl. Atelier 5). In der Unité wohnte man nahe beieinan-der, jedoch ohne Beeinträchtigung. Man hörte den Nachbarn nicht, und die nächsten Nachbarn in anderen Häusern waren 250m bis 300m entfernt.

Gleichzeitig sollte die räumliche Isolierung der Wohnungen nicht zu einer sozialen Abgrenzung führen. Die Familie bleibt geschützt innerhalb der Wohnung, sobald sie aber aus der Wohnung heraustreten, tauchen sie in das gesellschaftliche Leben ein. Die Anzahl der Wohnungen sollte zwischen 300 und 400 Familien (1000-2000 Personen) betragen, eine gesellschaftliche Gruppe entsprechend des sozialen Charakters eines Dorfes oder eines Stadtteils. So wurden eine Reihe kommunikativer Angebote zur Förderung der natürliche Entwicklung eines Gemeinschafts-lebens vorgesehen – Läden, Kioske, Kindergarten,

sportliche Betätigung, Versammlung und Kultur, Jugendräume ebenso wie Gesundheitliche Einrichtungen.

Die Wohnungsgröße sollte das Wachsen bzw. Schrumpfen einer Familie berücksichtigen. So wurden verschiedene Variationen des Grundtyps entwickelt, um unterschiedliche Bedürfnisse abzu-decken. Bei Veränderung der Familiengröße (wie Familienzuwachs oder aber Verkleinerung der Familie durch Wegzug, Tod oder Scheidung) wechselte man einfach die Wohnung, so Corbusier. Die Wohnungseinheit selbst sollte auch die Familieneinheiten stärken. Le Corbusier beschrieb in ‚Die Theorie der 7V (Sieben Wege)’ wie die Küche und Essplatz als der häusliche Herd fungieren sollten, er nannte es ‚Die Zuflucht der Familie’. So wurden in den neuen Wohnungen der vertikalen Stadt traditionelle Elemente der konven-tionellen Behausung integriert.

Für Le Corbusier waren die Unités moderne Wohnhäuser ‚die freilich eine Änderung der Mentalität der Mieter voraussetzen’. Sie wurden aber selten von ‚Neuen Menschen’ bewohnt. So haben einige Unités unter einer sich stark verän-dernden demographischen Zusammensetzung gelitten. Die meisten Unités entsprechen nicht mehr einer sozialistischen oder philanthropisch-bedingten Zusammensetzung, sobald diese Stütz-strukturen nachgelassen haben, litten sie unter einer starken ‚Verarmung’ der Bewohnerschaft.

In den letzten zehn Jahren haben die Unité’s wieder am Popularität gewonnen, es ziehen mehr gut verdienende Freiberufler und Angestellte ein, die Wohnungen sind heute wieder gefragt. Im Kontext des heutigen Angebots des Wohnungs-marktes gelten sie als individualistisch und unkonventionell. Vielleicht ist die Zeit der ‚Neuen Menschen’ gekommen, gibt es für geplagte Grosstadtbewohner eine bessere Lösung als die, den Kindergarten, die Joggingstrecke und den Lebensmittelladen in den Gesamtzusammenhang des Hauses integriert zu haben?

»Ein Ereignis von umwälzender Bedeutung: Sonne, Raum, Grünflächen.

Wenn man will, dass die Familie in der Intimität der Stille und der Natur

gemäss lebt ..., tut man sich zu 2.000 Personen zusammen, nimmt sich bei

der Hand, geht durch eine einzige Türe zu vier Lifts für je 20 Personen ... Man

wird so Abgeschlossenheit und die unmittelbare Verbindung von aussen und

innen geniessen. Die Häuser werden 50 m hoch sein. Kindern, Jugendlichen

und Erwachsenen steht der Park um das Gebäude herum zur Verfügung. Die

Stadt wird im Grünen liegen und auf dem Dach befinden sich Kinderkrippen.«

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Soziale Zusammensetzung – die Familieneinheit

Urbanisme – die Wohnung und die städtebauliche Moderne

Die Unité d’Habitation ermöglichte Le Corbusier die Zusammenfassung und Verdeutlichung lang-jähriger Untersuchungen und Überlegungen, zum einen über Städteplanung (La Ville Radieuse, 1935 und die Charta von Athen), zum anderen über das Wohnen und die Familieneinheit.

Unter dem Begriff ‚Die vertikale Gartenstadt’ experimentierte Corbusier mit einer Synthese aus Elementen zweier Stadtmodelle: der suburbanen Gartenstadt, in der die einzelne Wohnung in direktem Bezug zur Natur stand; und der hoch-urbanen Stadt ‚la grande Ville’ charakterisiert durch Komplexität und Dichte.

Den Einfamilienhaustyp erkannte Corbusier zwar als „noch immer der Herzenswunsch der Massen“ an, unterzog ihn aber einer grundsätz-lichen Kritik. Das kleine Häuschen, so Corbusier „überlastet die Hausfrau mit übermässiger Haus-arbeit und den Staatshaushalt mit übermässigen Unterhaltskosten.“ Die großflächige Inanspruch-nahme des Bodens durch die horizontale Garten-stadt benötigt ausgedehnte kommunale Versor-gungseinrichtungen und verursacht zudem beträchtliche Verkehrsströme und großen Transportaufwand. Als Bewohner wohnte man einzeln, allerdings in nächster Nähe mit dem Nachbarn, konnte ihn also sehen und von ihm gesehen werden. Die territoriale Abgrenzung verhindert das Zusammenleben in einer Gemeinschaft.

Aber immerhin entsprach das kleine Einfamilienhaus dem an sich wertvollen Gefühl für die Einheit der Familie und dem Bedürfnis nach engerem Kontakt mit der Natur.

Corbusier suchte nach Wohnungsformen die

diese Bedürfnisse befriedigen, sich aber in einer kompakten Formen addieren oder agglomerieren lassen könnten. Ausgehend von früheren Studien der gestapelten Villa in Les Immeubles Villas, die Maison Citrohan B Fruges und Le Pavillon de l’Esprit Nouveau konzipierte Le Corbusier die Familieneinheit neu: ein Haus als offenes Rohr mit einer verglasten Front und geschlossene Seiten; und daher stapel-bar. Diesem verlieh er einen doppelt hohen Wohnraum, eine Anleihe aus dem Künstler-Atelier, und eine Loggia als eigenen Naturraum, eine perfektionierte Einheit, ein Wohntyp konzipiert für Neue Menschen mit dem nötigen ‚savoir habiter’, ein Gefühl für neues Wohnen.

Die einzelne Wohneinheiten sollten dicht zu einem zentral versorgten Block zusammenmon-tiert sein. Der Zusammenschluss der Wohn-einheiten sollte gegenseitige Hilfe, Sparsamkeit und Solidarität fördern – eine ‚vertikale Gemeinde’ unterstützt durch Gemeinschaftseinrichtungen. Die hohe Verdichtung sollte Platz für die Natur schaffen, so dass die "wesentlichen Freuden" von Licht, Raum und Grün allen zugänglich wären. So waren die Blöcke von der Erdebene auf Stütz-pfeilern zu erheben, dass die Erde wieder der Natur zurückgegeben werden kann.

Die weitgehend autarken Blöcke wurden dann als freistehende Körper innerhalb eines groß-räumigen Landschaftsraumes angeordnet, ihre Ausrichtung bestimmten die Elemente Sonne und Wind.

Diese kompakte Form der ‚vertikalen Gartenstadt’ bietet Lösungen gegen die unange-messene Inanspruchnahme des Bodens, gegen die übermäßigen Transportansprüche der ‚horizonta-len’ Stadt sowie eine Konzentrierung und ange-messene öffentliche Einrichtungen.

Analogie und Metapher

Die Unité d’Habitation wird vielseitig interpretiert, sowohl seitens der Architekturkritiker wie auch von Le Corbusier selbst. Insofern kann sie nicht nur als eine Synthese Le Corbusier’s früherer Werke und städtebaulicher Überlegungen, sondern auch als Montage von Fragmenten verschiedener Sinn- und Vorbilder gesehen werden.

Sie ist in ihrer Zusammensetzung von Zelle und Gemeinschaft Elementen von Klöstern, in ihrer Stellung in der Landschaft und ihrem kraftvollen Ausdruck der nach außen expressiven Struktur Elementen mediterraner Tempeln entlehnt. Als repräsentatives Gebäude von monumentale Größe sah Corbusier sie als Paläste, nicht mehr für die Herrschenden, sondern als demokratische Paläste des Menschen, wiederum entlehnt aus Beispielen wie dem Palais Royal oder den früh-sowjetischen sozialen Experimenten.

Vor allem aber diente Corbusier zugleich der Ozeandampfer, der Tausende von Passagieren auf sehr beschränktem Raum behaust, ernährt und unterhält als inhaltliches Vorbild und Metapher. Das Kreuzfahrtschiff, Inbegriff des ‚guten Lebens’ unter Licht, Luft mit gesundheitliche Betätigung.

Einer Zeichnung Cunard’s, der die Gliederung eines Schiffes abbildete mit Kabinen, öffentlichen Räumen, Dienstleistungsbereichen sowie Sonnendecks, betitelt mit ‚Dies ist der Querschnitt eines Hauses’ (LC „La Ville Radieuse“ - Die strahlende Stadt; 1935), diente als Inspiration für die Aufteilung des privaten sowie gemeinschaftlichen Raumes – die innere Strasse mit Zugängen zu den Wohnungen, die Korridore der kommerziellen Dienstleistungen (Einkaufen, Wäsche waschen, Versorgung mit Speisen und Getränken) und das Dach als oberstes ‚Deck’ mit

Sporthalle, 300-Meter Bahn, Freilichtbühne und Kinderspielplatz.

Abbildungen von Schiffskabinen dienten als Beispiele einer effizienten Organisation von Raum und Ausstattung, so Corbusier ‚die Resultate strengster Ökonomie’. LC übersetzte dies in äußerst kompakte, aber funktionstüchtige Zellen ‚eine menschliche Einheit‚ ...die biologisch in sich selbst (seinsgemäß) gut ist.“

Viele funktionale und platzsparende Ansätze der Schiffskabine fanden ihre Entsprechungen in den Wohnungen der Unités. Allerdings ist die Verweildauer eines Passagiers auf dem Dampfer beschränkt. Die strenge Ökonomie des Raumes, die vielen Einbauten bieten für das langfristigen Leben auf beengtem Raum in den Unités keine Möglichkeit der weiteren persönlichen Raumdefinition und verlangen eine gewisses Gefühl für sparsames Leben ohne viele Besitztümer.

Auch wenn Le Corbusier’s Werk voll von historischen oder technologischen Vorbildern ist, so ist seine Haltung demgegenüber doch so kritisch, dass daraus keine Ansammlung eklektischer Vorbilder resultiert, sondern ein neues Objekt mit neuer Bedeutung. Kein anderer Bau dieser Zeit, vielleicht gar des Jahrhundert, repräsentiert so eine deutliche Abkehr von historischen und städtebaulichen Vorbildern. Dennoch versucht sie an die menschliche Erinnerung anzuknüpfen.

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Die Wohnungen

In „Die Theorie der 7 V Sieben Wege“ (Stadtplanung (Urbanisme) erläuterte Le Corbusier sein Konzept einer Wohnung, welche die Einheit der Familie umfassen soll. Er beschrieb eine Zelleneinheit, die gleichermaßen auf ebener Erde umgeben von Rasen, wie auch viele Dutzend Meter über dem Erdboden liegen konnte. Kernstück bildet die Küche und die Ess- und Wohnbereiche wie auch der häusliche Herd als Mittelpunkt des Familien-lebens [3]. Wie in der Immeubles Villas und dem Pavillion d'Esprit Nouveau stellte sich Corbusier den Aufenthaltsraum als zweigeschossigen Raum vor. Dieser öffnet sich mittels einer Loggia der Sonne, der Landschaft und dem Grün der Natur [4]. Die Schlafräume [6,7], Wasch- und Abstell-räume [5,8] sind auf einer eigener Ebene gesammelt.

In der Unité wurden die Wohnungen als eigenständige, abgeschlossene konstruktive Einheiten gestaltet, die innerhalb des überge-ordneten konstruktiven Gefüges eingestellt werden konnten, analog Flaschen in einem Flaschen-gestell (siehe Konstruktion). Alle Wohnungen, bis auf die 1-Zimmer-Appartments, sind Maisonette-Wohnungen und abwechselnd aufeinander-gestapelt, Flaschenboden zu Flaschenhals ausgerichtet, über jeweils drei Geschosse. Sie sind erschlossen durch einen Mittelgang, konzipiert als ‚innere Strasse' in der mittlere Ebene. Von dieser inneren Strasse gelangt man entweder im Niveau der Essgalerie ("oberer Typ") oder im Niveau der Loggia ("unterer Typ") in die Wohnungen. Die nach Osten und Westen orientierten Wohnungen verwirklichen das Prinzip des Durchwohnens sowohl horizontal als auch vertikal. Um die Wohnungstiefe so gut wie möglich auszunutzen, sind die Grundrisse zoniert: der zweigeschossige Wohnraum orientiert sich zu der durchlaufenden Loggia, während Nassräume und Küchen zum dunklen Mittelgang liegen. Die Glaswand zur Loggia kann gänzlich weggefaltet werden, so dass sich der Wohnraum in den Außenraum der Loggia fortsetzen kann. Die minimierten Schlafbereiche

mit Elternzimmer, 2 Kinderzimmern und Bad liegen im Ober- bzw. Untergeschoss. Die Kinderzimmer sind in Paaren organisiert, jedes breit genug für ein Bett und Gang, sie können aber mittels einer Schiebetür auch miteinander verbunden werden, um im Bereich der Fenster als ein Raum über die gesamte Wohnungsbreite zu fungieren. Die Kinderzimmer besitzen ihre eigene Loggia.

VariantenIn Marseille fügen sich 337 Wohnungen in ein 18-geschossiges Gerüst für ca. 1600 Bewohner. Es gibt 23 Varianten eines Grundtyps, der die Spann-weite vom Single-Haushalte über kinderlose Paaren bis hin zur Familien mit bis zu 8 Kinder abdecken, wobei für den 1930er CIAM-Kongress vorgeschlagene Grundrissstudien 14qm pro Bewohner als Richtwert zugrunde legten. Durch die Trennung der Wascheinrichtungen der Eltern-schlafzimmer und die der Kinderzimmer können die Elemente der Wohnung unabhängig von einander addiert und subtrahiert werden, um die verschiedenen Wohnungsgrößen zu realisieren.

Größe und AusstattungMit einer Breite von ca. 3,66m Innenmaß und einer Höhe von 4,8m sind die Wohnungen äußerst sparsam gestaltet und weitgehend mit Einbau-möbeln ausgestattet. Ein wichtiges Anliegen Le Corbusiers war es, der Familie der Nachkriegszeit in ihrer Wohnzelle Zugang zu den neuesten technischen Errungenschaften zu verschaffen. Daher sind alle Wohnungen mit warmen und kaltem Wasser, Heizung, Klimaanlage, WC, Duschen, Gas, Telefon und Elektrizität ausge-stattet, was für die damaligen Verhältnisse in Frankreich keine Selbstverständlichkeit war. Insbesondere den Küchen widmete Corbusier in Zusammenarbeit mit Charlotte Perriand viel Aufmerksamkeit. Die halbhohen Küchenelemente vermitteln zwischen Wohnen und Küche und sind zweiseitig bedienbar, so das jedermann in der Küche am Familiengeschehen Teil haben kann. Ausgestattet mit elektrischen Herd, Ventilation,

Müllentsorgung und von außen befüllbarer Eisbox waren sie „kleine arbeitsparende Labore“ (Wogensky s.52) . Weitere platzsparende Einbauten befanden sich in den Räumen, Bäder und Fluren, z.B. das ausklappbare Bügelbrett im Flur.

Sich verändernde BedürfnisseDie Einteilung der Wohnungen wurde von den Bedürfnissen der Bewohner und den von Le Corbusier definierten "Wohnfunktionen" abgeleitet; zu dieser Zeit hieß das nicht mehr Wohnen für das Existenzminimum, praktischer Komfort sollte der modernen Familie geboten werden.

Aus heutiger Sicht sind die Wohnungen, als optimierter Raum, in den nur wenige veränderbare Optionen eingebracht wurden (wie der Schiebetür zwischen den beiden Kinderzimmern) wenig flexibel und kaum entwicklungsfähig für Veränderungen durch den Benutzer. Die Raumökonomie schreibt bestimmten Flächen bestimme Tätigkeiten vor, und lässt den Bewohnern wenig Spielraum für ihre eigenen Vorstellungen. Die Grundrissorganisation macht es den Bewohnern schwer, sich zurückzuziehen.

Bildschirmarbeit, Heimarbeit, Zeitarbeit und das Ansteigen der Arbeitslosigkeit führen heute zu neuen Nutzungsansprüchen an die Wohnung. Ein offener Grundriss führt zu Konflikten, wenn in einem strengen und standardisierten Schema familiärer Aktivitäten und Lebensrhythmen zu viele Zwangskontakte entstehen, was dann Problemen bereitet, das tägliche Aufeinandertreffen verschiedenster und sich verändernder Lebensformen verträglich zu gestalten.

Das Bedürfnis der heutigen Generation nach mehr Platz hat unter anderem dazu geführt, dass manche Hausbewohner zwei nebeneinander-liegende Wohneinheiten gekauft und miteinander verbunden haben.

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Die erweiterte Wohnung

Ein wesentlicher Teil des Konzeptes der ‚vertikalen Gartenstadt' ist auch die Idealvorstellung einer selbst-stützenden Gemeinschaft .

Le Corbusier's Beschreibung dafür war die ‚logements prolongués' oder erweiterte Wohnung, die Wohnung erweitert sich um gemeinschaftliche Einrichtungen die das tägliche Leben der Einheit ergänzen und Möglichkeiten der gemeinschaft-lichen Begegnung fördern. Nach Corbusier sind sie in „gemeinsame Dienstleistungen“, die der Versorgung mit Nahrungsmitteln dienen z.T. auch mit Zubringerdienst, und „Verlängerung der Unterkünfte“, die der Erziehung, der Freizeit und dem Sport dienen, zu unterscheiden.

Kindergarten, Hort, Turnhalle und Läden, z.T. auch Hotel, wie auch Krankenzimmer u.a. waren typischerweise auf drei unterschiedlichen Ebenen angeordnet, auf der Erde, in der kommerziellen ‚Strasse' auf halber Höhe und auf dem Dach. Jede besitzt ihre eigene formale Identität:

Das Gebäude ist aufgeständert, erhoben über eine darunter hindurchfließende Erdebene, die dem Menschen und der Natur zurückgegeben werden soll, als grüner Park, Spielwiese und Erholungsraum für alle Altersgruppen.

Die öffentliche Strasse im 7. und 8. Geschoss bot in Marseille Raum für ein 24-Zimmer Hotel sowie Bar, Läden und weitere Einrichtungen wie Waschsalon, Bäcker, Fleischer, Friseur, Sauna und Büros. Sie sind um eine lange doppelgeschossige Galerie organisiert, die mittels senkrechter Verschattungselemente den Blick weit in Richtung

Meer lenkt.Am Dach wird die Hochseedampfer-Metapher

fortgesetzt: die Brücken-ähnliche Turnhalle, die expressiven Schornsteine, der hohe Balkon erinnert an ein Hochseedampfer Sea-Deck. Eine hohe umlaufende Brüstung versperrt den Blick auf die direkte Umgebung, und lenkt den Blick auf den Horizont sowie den Himmel. Hier sind Kindergarten, Pool, Turnhalle und eine 300m lange Laufbahn angeordnet - das gesunde Leben in Licht und Luft unter einem mediterranem Himmel.

Es ist dieser Aspekt, der in vielen Ausführungen vernachlässigt wurde. In den Unités in Nantes, Briey-en-Forêt und Berlin ist keine kommerzielle Strasse auf halber Höhe vorhanden. In Berlin wurden sie im geringen Umfang zwischen den Pilotis im Erdgeschoss untergebracht, hier ist auch eine stark verkleinerte Dachlandschaft realisiert. Auch in Marseille wurden nicht alle Vorschläge aus der Planung tatsächlich realisiert - Museum, Panoramarestaurant, Gemeinschaftsküche, medizinisches Zentrum und Krankenzimmer. Die gemeinschaftlichen Einrichtungen haben an Bedeutung verloren.Heute sind viele Versorgungseinrichtungen infolge der zunehmenden Technisierung der Wohnung durch Haushaltsgeräte z.T. überflüssig geworden, die Waschmaschine in der Wohnung macht eine Gemeinschaftswaschküche überflüssig und der Kühlschrank reduziert die Notwendigkeit von täglich frischen Lebensmitteln. Wirtschaftsstrukturen und Einkaufsangebot haben die Art und Weise des Einkaufens geändert, in der Unité ebenso wie im Dorf.

UNITE d’HABITATION – Le Corbusier

Kindergarten

Rampe

Aufzugsturm

Entlüftung

Windschutz (Theater)

Turnhalle

oberes Sonnendeck

Innere Strasse

Gemeinschaftseinrichtungen

Loggia / Brise-Soleil

Fluchttreppen

Technikgeschoss

Pilotis

J Reisenberger - T Riechert

4 Läden9 Studio/ Atelierräume10 Brise-Soleil

1 Fluchttreppe2 Eingangshalle3 Gemeinschafts- raum4 Läden5 Supermarkt- lager6 Supermarkt7 Waschen

11 Aufzüge12 Luftraum13 Wäscherei14 Galerie

8 Promenade9 Studio/ Atelierräume10 Brise-Soleil11 Aufzüge

1 Innere Strasse2 Turnhalle3 Sonnendeck4 Cafeteria5 Spielplatz6 Gesundheits- einrichtungen7 Hort8 Kindergarten9 Bar/ Restaurant

10 Jugendzentrum/ Arbeitsräume11 Wäscherei12 Eingang13 Einfahrt14 Wohneinheit

Konstruktion Flasche und Wein-Regal

Mit der Unité d'Habitation kehrte Corbusier ab von seinem bisherigen Prinzip des freien Planes und des strukturellen Rasters, bekannt aus der Maison Domino und seinen fünf Prinzipien einer neuen Architektur.

Auf Vorschlag von Jean Prouvé wurde ein modulares, strukturelles Traggerüst verwendet, in das weitgehend standardisierte Einheiten eingefügt sind. Le Corbusier verglich dieses Prinzip mit Wein-Flaschen in einem Flaschengestell:

„Ein Flasche kann Champagner, Qualitätswein oder einfachen Tafelwein beinhalten, aber die, von denen wir sprechen, beinhalten eine Familie … sie muss mit der gleichen Konsequenz gestaltet werden als ob es eine Maschine, Flugzeug, Auto oder ein sonstiges Produkt der moderne Gesellschaft wäre. Und nachdem wir unsere Flasche, die Wohnung, fertig haben, können wir es hinstellen unter ein Apfel-Baum in der Normandie, unter eine Kiefer in der Jura. Wir könnten es aber auch in ein Fach stecken, das heißt in das fünfte bzw. siebzehnte Geschoss einer Tragstruktur. Einfach gesagt, wir bewahren die Flasche in einem Flaschengestell auf“

Das abstrakte Konzept der eigenständigen Flasche im Regal wird durch die gewählte Konstruktion unterstrichen. Jede Wohnung ist

Die Fassade Brise-Soleil

Die Brises-Soleil dienen zugleich als Fassade und Hülle, als ein formales Element zur Fassaden-komposition sowie als Vermittler zwischen Innen und Außen. Ausgebildet als eine großflächige, 1,70m dicke Schicht wurden sie so vor den Wohnungen angebracht, dass jede Wohnung einen geschützten Aufenthaltsraum im Freien erhielt. Die Loggien selbst wurden als Verschattungs-elemente gegen die starke mediterrane Sonne ausgebildet.

Bereits erprobt in verschiedenen vorange-gangenen Gebäuden (z.B. dem Ausbildungs-ministerium in Rio de Janeiro) stellten sie eine Abkehr von Le Corbusier's früheren Prinzipien der langen Fenster oder der transparenten Fassade dar, hin zu einem, dem Rhythmus des Tag-Nacht-Jahreszeit modulieren-den Systems des Sonnen-schutzes. Die Brises-Soleil sollen vermitteln zwischen den Kräften der Natur und dem Nutzungsverhalten der Bewohner, sie regulieren dabei das Verhältnis von Licht und Dunkelheit, sowie die Temperaturentwicklung. Diese fest-stehenden Sonnenschutzelemente verhindern direkten sommerlichen Sonneneinfall, erlauben aber der niedrig stehenden Sonne, im Winter tief in die Wohnungen zu gelangen. So sollte zu jeder Jahreszeit in jeder Wohnung über den Tag immer 2 Stunden Sonneneinfall gewährleistet sein.

Viel gelobt als frühzeitiges low-tech System des passiven Sonnenschutzes, wurde manchmal das Prinzip über die ortsspezifischen Gegebenheiten gestellt. In Marseille wurde die Unité gedreht zum Boulevard errichtet um sich gegen den Mistral Wind zu schützen. Dabei sind aber die Brises-Soleil gleichartig am allen Fassaden - Ost, West und Süd - angebracht, obwohl der Sonneneinfall unterschiedlich ist, mit dem Resultat, dass alle Räume nach Osten hin zu dunkel sind, alle zum Westen zu hell. Die Westfassade bekommt 2 Stunden Sommersonne, aber nur 20 Minuten Sonne im Winter. Die Südfassade ist dagegen den ganzen Sommer verschattet, bekommt in Winter aber bis zu 8 Stunden Sonneneinfall.

Alle Unité's sind nach diesem Muster ausge-führt, in Standorten mit weniger intensiven Sonneneinfall ist die Angemessenheit einer solchen Fassadenausführung allerdings fraglich.

Materialität Beton BrutObwohl ursprünglich als Stahlkonstruktion gedacht, wurde die Konstruktionsmethode - wegen Materialmangels in Folge des Krieges - auf Beton umgestellt. Aus dem gleichen Grunde wurde auf alle weiteren veredelnden Schritte wie Putzschicht oder Farbe verzichtet. Le Corbusier gab die Vorstellung auf, dass Stahlbeton ein Präzisions-baustoff sei, und verwandelte seine Ungeschliffen-heit und die Abbildung der hölzernen Schalung in ein architektonisches Ausdrucksmittel. Der Eindruck der roh-belassen Bretter-Verschalung auf den Beton, genannt béton brut, reagiert stark auf Licht und Schatten und nimmt in Farbe und Struktur den Hintergrund der felsigen Berge auf.

Formale KompositionDie Fassade gestaltete Le Corbusier mit Hilfe des Modulors so, dass die Hierarchie der Öffentlichen und privaten Bereiche abzulesen ist und sich aus der Nähe und aus der Ferne gesehen zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügt.

Der 1948/1955 herausgegebene Modulor war ein auf dem Menschen basierendes (anthropomor-phisches) Maßsystem, das zwischen menschlicher Größe und allen Bezugsystemen, egal wie klein oder groß, vermitteln sollte, von Türgriff zu Tür, Wand, Zimmer, Fassade, zu Block bis hin zu den Blockabständen. Le Corbusier entwickelte sie mit der Absicht, die neue Realität der Massen-herstellung zu humanisieren.

Obwohl die einzelne Wohneinheiten abzulesen sind, sind alle Elemente menschlichen Maßstabes, wie Türen und Fenster, die normalerweise auf das Gebäude als ein Behälter von Inhalt verweisen, zurückgestellt. So steht das Gebäude eher als ein skulpturales Objekt, ähnlich einem Tempel mit umlaufender Kolonnade, von der Erde erhoben und dem Großraum zugewandt.

In ihrer formalen Komposition kann an den Fassaden eine zunehmende Verfeinerung abgelesen werden: die Einteilung der öffentlichen und privaten Bereiche, das Kennzeichnen der einzelne Einheiten, eine horizontale und vertikale Rhythmisierung und Gliederung der Fassade durch die Brüstungen - die zugleich den dahinter-liegenden ein- oder doppelgeschossigen Raum abbildet - und schließlich die Glaswand als Vermittler zwischen Innenraum und Loggia.

einzeln innerhalb des Gerüstes konstruiert und besitzt eine eigene untergeordnete Stahlrahmen-Tragstruktur, die auf die Längsseiten der Unité auf Blei-Auflagen gelegt ist, um Schallübertragung durch das Traggerüst zu vermeiden. Mit Mineralwolle gefüllte Holzrahmen bilden die Wohnungstrennwände.

Dieses Konzept wurde aus Kostengründen nicht für alle Unité's verwandt und ist in Nantes und Briey-en-Forêt ersetzt durch ein System aufeinander- und nebeneinander gelegter

UNITE d’HABITATION – Le CorbusierJ Reisenberger - T Riechert

UNITE d’HABITATION – Le Corbusier

Berlin, 1957 - 1959

Ursprünglich zur Mitarbeit am Wiederaufbau des Hansaviertels geladen, lehnte es Le Corbusier ab, dort einen gewöhnlichen Bau zu errichten, er bestand auf einer Unité d`Habitation , für die aber im Hansaviertel kein ausreichend großer Baugrund vorhanden war. Statt dessen wurde das Gebäude mehr oder weniger isoliert in dem suburbanen Viertel Charlottenburg, neben dem Olympiastadion am Stadtrand gebaut.Da das Gebäude im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus finanziert wurde, hatte Le Corbusier dessen Belange anerkennen, so musste die Geschosshöhe z.B. 2.50 m anstatt seiner2.26 m betragen. Während die Wohnungen der Unité Typ Berlin als großzügig gelten, ist ansonsten das Konzept der Unité stark geschwächt. Während der Ausführung erfolgten viele von Le Corbusier nicht abgesegneten Änderungen des Konzeptes, was letztlich dazu führte, dass Le Corbusier seine Beteiligung zurückzog. Die stark geschrumpften Gemeinschafts-bereiche auf halber Höhe wurde als Wohnungen fertiggestellt, die Dachaufbauten sind beinahe verschwunden und die Brises-Soleil der Loggien wurden ohne obere Sonnenbrecher ausgeführt, was vielleicht auf die wenig sonnenintensiven klimatische Verhältnisse zurückzuführen ist. Die wenigen Gemeinschafts-einrichtungen, ein Laden und eine Postautomatenstelle, wurden dann zwischen die Pilotis gestellt und verklären daher das Konzept der durchfließenden Erdebene. Der Bau erweckte reges Interesse, nicht nur während der Interbau, kritisiert wurde allerdingsdie Erschließung mit 60 Wohnungstüren an einem schmalen, 135m langen Kunstlichtgang.

Nicht desto trotz verkörpert die Unité einen revolutionären städtebauliche Ansatz gegenüber der Berliner Mietskaserne. Die soziale Bindung an das Corbusierhaus sollte durch die Aufteilung der öffentliche Mittel in Teilhypotheken länger bestehen bleiben. Mitte der 80er Jahre stark renovierungsbedürftig, konnten aber die Bewohner die Instandhaltungskosten nicht decken, und viele leerstehende Wohnungen wurden dann als Privateigentum vermarktet.

Heute ist das Corbusierhaus noch immer als Wohngebäude genutzt.

Standort, Eingang und Durchwegung

Die Unité d’Habitation verstehen sich als weitgehend autarke Blöcke, angeordnet als freistehende Körper innerhalb eines großflächigen Landschaftsraumes, ihre Ausrichtung bestimmt durch die Elemente Sonne und Wind. In Marseille positioniert sich die Unité im Raum zwischen den Bergen und dem Meer und orientiert sich nicht an dem vorbeiführenden Boulevard. Die Wohnungen schauen wechselweise in Richtung Meer und in Richtung der Berge. Die Unité steht aufrecht, eine plastische Gestalt auf ‚Beinen’ analog des mediterranen Menschen mit dem Rücken zu den Bergen und dem Gesicht zum Meer.

Bei fast allen Unités ist daher das unmittelbare Umfeld gestaltet als unter dem Gebäude hindurchfließender Landschaftsraum . Zugang für Fahrzeuge und Fußgänger auf dem Gelände sind voneinander getrennt , das Parkieren ist in den meisten Fällen abseits des Gebäudes angeordnet, wobei es möglich ist, bis an das Gebäude und die Aufzüge zu fahren, um z.B.auszuladen. Die horizontale Ebene der Erde wird mit dem Gebäude nur an den Stellen der vertikalen Gebäude-erschließung verbunden, welchen zumeist eine gläserne oder teilverglaste Eingangshalle mit

Vordach vorgeschaltet ist, das zugleich schützt sowie auch das Eingangssignal setzt.Der Eingang in das Gebäude erfolgt somit von unten über die vertikale Erschließung, welche die öffentlichen Bereiche wie auch die inneren Strassen verbindet. Die Innere Strasse gestaltete Corbusier nach dem Bild einer mit Wohnhäusern gesäumten Dorfstraße, jeder private Wohnungseingang weist einen Briefkastenschlitz, einen großen, vorspringen-den Kasten für Lieferungen und Zustellungen und eine Leuchte über der Tür auf. So sollte das Leben in der Unité dem Dorfalltag gleichen, wo der Briefbote jeden Tag die Post bringt, Waren ins Haus geliefert werden und Licht an jedem Haus den Besucher begrüßt. Ein Farbschema ermöglicht das Erkennen der individuellen Wohnungseingänge . Der vorspringende Zustellkasten, als einzig sicht-bares Farbelement bei einem Blick entlang der Strasse, sind dagegen auf jeweils einer Ebene identisch gestrichen, wechseln aber ihre Farbe, um die einzelnen Stockwerke optisch unterscheidbar zu machen.

Der städtische Raum setzt sich inhaltlich in den Gemeinschaftsbereichen der kommerzielle Strasse auf halber Höhe fort, z.T. auch auf der Dachterrasse. Von hier kann wiederum zurück auf die Stadt, die Berge und das Meer geblickt werden.

Nantes-Rezé, 1953 - 1955

Die Unité in Nates-Rezé liegt am Rande der Stadt Nantes an der Atlantikküste Frankreichs, gegenüber der Mündung der Loire in nahe des Port de Rezé, mit Blick Richtung Atlantik.

Sie wurde nicht staatlich beauftragt, sondern durch die künftigen Bewohner, einer Genossenschaft „La Maison Familiale“, die sich hauptsächlich aus Arbeitern und Vorarbeitern der Hafenwerkstätten Nantes zusammensetzte. Mitteln waren daher sehr knapp und dies führte zu Änderungen im Inhalt sowie in der Ausführung des Gebäudes. Die Gemeinschafts-einrichtungen konnten nicht in halber Höhe des Gebäudes realisiert werden, sie wurden unabhängig am Fuße des Gebäudes errichtet, gedacht als zukünftiges Zentrum eines neuen Quartiers. Auf dem Dach befinden sich noch der Garten, eine Laufbahn, ein Theater im Freien sowie Gemeinschaftsräume und Verwaltung.

Die schweren plastische Pilotis (Stutzpfeiler) sind in Nantes durch Reihen von vier Scheiben-ähnlicher Pfeilern ersetzt. Das Konstruktionssystem Flasche-Flaschengestell, das in Marseille verwendet wurde, ist in Nantes ersetzt durch ein System aufeinander- und nebeneinander gestapelter, vorfabrizierter Beton-schachteln. Jede Schachtel ist wegen des Schallschutzes durch Bleibänder von der nächsten

isoliert. Der doppelt hohe Wohnraum der Wohnungen ist stark verkleinert und zur Hälfte überbaut, um mehr Fläche zu gewinnen. Die Loggias entsprechen in Form und Größe denen in Marseille, die dahinter gelegende Glaswand erfuhr aber eine größere Differenzierung von geschlossener und verglaster Fläche, proportioniert nach dem Modulor, so dass diese z.T. zur vierten Wand des dahinterliegenden Raumes wird. Deren Unterteilung entspricht den dahinterliegenden Nutzungen so bspw. dem doppelt hohen Raum wie auch der Einteilung der ineinandergefügten Wohnungspaare.

1996 renoviert wird die Unité noch als Wohngebäude genutzt.

Briey-en-Forêt, 1955-1957

In Briey-en-Forêt wurde nach Marseille und Nantes-Rezé die dritte Unité d'Habitation erbaut. In der Ausführung und ihrem Inhalt entspricht sie der Unité von Nantes, das Konstruktionssystem basiert auf vorfabrizierten gestapelten Stahlbeton-‚Schachteln',

und auch hier wurde keine kommerzielle Strasse auf halber Hohe realisiert. Obwohl als Teil eines

größeren Architekturkonzeptes geplant, liegt das Gebäude relativ abgelegen am Waldrand.

Ursprünglich für die Behausung der Minenarbeiter im Lothringer Land gebaut

und zur Eröffnung als „ein Paradies der Millionäre für die Lohnarbeiter von

Briey“ gefeiert, litt die Briey-Unité schon wenige Jahre später an

ersten Mangelerschein-

ungen. Schon zu dieser Zeit zu 25% von Arbeitsimmigranten bewohnt, stieg dieser Verhältnis mit der Zeit stark an. Mit dem Wegfall der Schwer-industrie verlor die Unité ihre Daseins-berechtigung und innerhalb von fünf Jahren gab es einen Leerstand von über 200 Wohnungen. 1984, in stark lädiertem Zustand, wohnten nur noch wenige Familien in der Unité und sie sollte nach dem vollständigen Leerzug einfach geschlossen werden, da die Abrisskosten zu hoch gewesen wären.

Ohne das Vorhandensein von gemeinschafts-fördernden Strukturen lässt sich nicht

mit der Mischung von Isolation und Zwangsvereinheitlichung auf Dauer leben. Verschiedenste Nutzungen wurde überdacht Altenheim, Hotel, Schule, bevor die Unité von der benachbarte Schwesternschule gekauft wurde und umgerüstet werden sollte. Sie hat sich ihre vorüber-gehende Rettung schließlich durch Fachinteresse gesichert, durch eine Teilnutzung der Architekturschule Nancy.

Fußgänger

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Autos

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J Reisenberger - T Riechert