Upload
others
View
2
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, ARBEIT UND WOHNUNGSBAU
Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben
Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten
Impressum
Herausgeber:
Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau
Baden-Württemberg
Neues Schloss, Schlossplatz 4
70173 Stuttgart
Tel.: 0711 123-0
Fax: 0711 123- 2121
www.wm.baden-wuerttemberg.de
Inhaltliche und redaktionelle Bearbeitung:
Jürgen Trautner, Johannes Mayer (Arbeitsgruppe für
Tierökologie und Planung, Filderstadt)
Maximilian Fischer, Wolfgang Stein (Ministerium für
Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg)
Wolfgang Kaiser (Minsterium für Umwelt, Klima und
Energiewirtschaft Baden-Württemberg)
Begleitender Arbeitskreis (alphabetisch):
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Baden-Württ., Bund Deutscher Landschaftsarchitekten
(bdla), Gemeindetag Baden-Württ., Landesnaturschutzver-
band (LNV), Landkreistag Baden-Württ., Naturschutzbund
(NABU) Baden-Württ., Regierungspräsidium Karlsruhe,
Städtetag Baden-Württ., Verband baden-württembergischer
Wohnungsbau- und Immobilienunternehmen (vbw)
Gestaltung und Druckvorbereitung:
Grafi kagentur Geigenmüller & Buchweitz (Filderstadt)
Druck:
Druckfrisch (Stuttgart)
Download und Bestellung:
https://wm.baden-wuerttemberg.de/publikationen
Copyright:
© 2019, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau
Baden-Württemberg
Bildnachweis (alphabetisch: Seite und
Bildreihenfolge in Leserichtung):
Jiri Bohdal (naturfoto.cz): 41-2; Michael Bräunicke: Titel 6, 8-2,
9-1, 16-1, 16-3, 40-1, 58-1, 59-3; Katrin Geigenmüller: 62/63,
72/73; Lando Geigenmüller: 38-1; Sabine Geißler-Strobel: 31-2;
Gabriel Hermann: 12-2, 22-2 bis 22-4; Johannes Mayer: Titel 1,
14-2, 16-2, 24, 41-1, 41-3, 58-4, 58-5, 59-1, 59-4, 68-2; Landesamt
für Geoinformation und Landentwicklung (LGL): Geoba-
sisdaten Az.: 2851.9- 1/19, 32, 37-2 bis 47 (jeweils Luftbild);
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-
Württemberg: 3-2; nullplus/stock.adobe.com: 34/35-1; Sebastian
Rall: 14-3, 18-2; Jörg Rietze: 8-1; Martin Stollberg: 3-1;
Florian Straub: 9-2, 42-1, 59-2; Jennifer Theobald: 6-2, 25, 27,
39-1, 43-2, 44-1, 69; Jürgen Trautner: Titel 2-5, 5-1, 5-2, 6-1/7-1,
7-2, 10, 11, 12-1/13-1, 14-1/15-1, 15-2, 15-3, 17-1, 18-1, 19, 29, 30,
31-1, 31-3, 31-4, 35-2, 37-1, 43-1, 46-1 bis 46-3, 48-1/49-1, 49-2,
58-2, 58-3, 60, 61, 64, 65, 66/67, 68-1, 70/71; ty/stock.adobe.com:
20/21; Verwaltungsgemeinschaft Tettnang-Neukirch: 33; Katja
Wallmeyer: 48-2; Manuel Weidler: 22-1/23; Michael Zepf: 17-2.
Verteilerhinweis:
Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung
Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen
Verpfl ichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit heraus-
gegeben. Sie darf während eines Wahlkampfes weder von
Parteien noch von deren Kandidaten und Kandidatinnen oder
Hilfskräften zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.
Dies gilt für alle Wahlen.
Missbräuchlich sind insbesondere die Verteilung auf Wahl-
veranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie
das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer
Informationen oder Werbemittel.
Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zur Verwendung
bei der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer
bevorstehenden Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht
so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausge-
bers bzw. der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer
Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen
gelten unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher
Anzahl diese Informationsschrift verbreitet wurde.
Erlaubt ist es jedoch den Parteien, diese Informationsschrift
zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden.
Vorwort
Sehr geehrte Damen und Herren,
städtebauliche Planungen und Bauvorhaben
sind das Ergebnis komplexer Verwaltungsver-
fahren, bei denen ganz verschiedene öffentli-
che und private Interessen aufeinandertreffen.
Neben dem kritischen Blick der Öffentlichkeit
gibt es auch handfeste rechtliche Vorgaben, an
denen sich Planungs- und Bauprojekte messen
lassen müssen. Selbst für geübte Planerinnen
und Planer sowie Rechtsanwenderinnen und
Rechtsanwender wird es immer schwieriger,
sich im Gefl echt der verschiedenen Vorschriften
zurecht zu fi nden und Verwaltungsverfahren
gleichermaßen fachlich adäquat wie rechtssicher
durchzuführen. Gleichzeitig stellt sich die Frage
nach einem effi zienten Verfahrensmanagement.
Die angespannte Wohnungsmarktsituation –
sowohl in Groß- und Mittelstädten als auch im
ländlichen Raum – verleiht diesem Aspekt ein
ganz besonderes Gewicht.
Daher hat sich die beim Ministerium für Wirt-
schaft, Arbeit und Wohnungsbau eingerichtete
Wohnraum-Allianz des Landes Baden-Württem-
berg mit verschiedenen Hemmnissen der Bau-
landmobilisierung befasst. Ein Zwischenergebnis
der Beratungen der Wohnraum-Allianz war die
Einrichtung eines Arbeitskreises, der sich mit
Fragen des besonderen Artenschutzrechts beim
Planen und Bauen befasst hat.
Unter Beteiligung des Ministeriums für Umwelt,
Klima und Energiewirtschaft, des Arbeitskreises
und unter Einbindung von Fachleuten wurde
der nun vorliegende Handlungsleitfaden mit
dem Titel „Besonderer Artenschutz in der Bau-
leitplanung und bei Bauvorhaben“ erarbeitet.
Mit seinen sowohl fachlichen als auch rechtli-
chen Hilfestellungen und vielen anschaulichen
Fallbeispielen zeigt der Handlungsleitfaden
Wege auf, wie planerische Aufgabenstellungen
rund um den Artenschutz fundiert bearbeitet
werden können, auch und gerade im Hinblick
auf die Effi zienzsteigerung von Verwaltungsver-
fahren.
Durch das Insektensterben und die erheblichen
Verluste bei den heimischen Vogelarten ist in
den letzten Jahren deutlich geworden, dass
auch in Baden-Württemberg die Artenvielfalt
zurückgeht. Mit diesem Leitfaden wird praxis-
nah dargestellt, wie bei Bauleitplanung und bei
Bauvorhaben erhebliche Beeinträchtigungen
der geschützten Arten vermieden oder verrin-
gert werden können.
Wenn in Planungs- und Genehmigungsverfah-
ren die zur Verfügung stehenden rechtlichen
und fachlichen Instrumente frühzeitig und kon-
sequent eingesetzt werden und Planungs- und
Zulassungsverfahren für wichtige Projekte nicht
verzögert werden, weil artenschutzrechtliche
oder artenschutzfachliche Fragestellungen erst
verspätet berücksichtigt werden, profi tieren die
am Planen und Bauen beteiligten Akteure und
die Natur gleichermaßen.
Wir sind davon überzeugt, dass der Handlungs-
leitfaden Sie, die am Planen und Bauen betei-
ligten Akteure, bei der effi zienten und rechts-
sicheren Anwendung des Artenschutzrechts
unterstützen wird.
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdLMinisterin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg
Franz Untersteller MdLMinister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg
4
Inhaltsverzeichnis
VORWORT 3
1 ANLASS 5
2 KURZER ABRISS ZU DEN
RECHTLICHEN ANFORDERUNGEN 6
■ Rechts- und Planungssystematik 6
■ Bauleitplanung 7
■ Bauvorhaben 10
■ Anforderungen aus dem Naturschutzrecht
im Überblick 10
3 NATURSCHUTZFACHLICHER
HINTERGRUND 12
4 WAS IST ZU BERÜCKSICHTIGEN,
WAS IST KONKRET VERBOTEN? 14
■ Allgemeiner Artenschutz 14
■ Besonderer Artenschutz 16
5 WER BEARBEITET UND PRÜFT
DIE ANFORDERUNGEN
DES ARTENSCHUTZES? 20
■ Bauleitplanung 20
■ Bauvorhaben 21
6 ABSCHICHTEN: RELEVANZCHECK
UND VERTIEFTE PRÜFUNG IM
ARTENSCHUTZ 22
7 ARTENSCHUTZ IM
FLÄCHENNUTZUNGSPLAN 26
■ Vorrangige Fragen 26
■ Vorgehensweise und zuständige Behörden 27
■ Ergebnisse am Beispiel 29
■ Kann eine artenschutzrechtliche Ausnahme
erforderlich und möglich sein? 32
8 ARTENSCHUTZ BEI DER AUFSTEL-
LUNG ODER ÄNDERUNG VON
BEBAUUNGSPLÄNEN 34
■ Vorrangige Fragen 34
■ Vorgehensweise und zuständige Behörden 35
■ Festsetzungen im B-Plan und Umgang mit
planexternen Flächen/Maßnahmen 36
■ Ergebnisse am Beispiel 37
■ Wie ist mit einem artenschutzrechtlichen
Ausnahmeerfordernis umzugehen? 47
9 ARTENSCHUTZ BEI
BAUVORHABEN 48
■ Vorrangige Fragen 48
■ Vorgehensweise, Verfahrensarten und
zuständige Behörden 49
■ Ablauf im Baugenehmigungsverfahren 52
■ Wie ist mit einem artenschutzrechtlichen
Ausnahme- oder Befreiungserfordernis
umzugehen? 56
■ Artenschutzmaßnahmen im Rahmen
der Planung und Genehmigung 56
■ Ergebnisse am Beispiel 58
10 VERMEIDUNG, FUNKTIONSERHALT
UND AUSNAHME 62
11 HINWEISE ZU BESONDEREN
FALLGESTALTUNGEN 66
■ Artenschutz im vereinfachten und
beschleunigten Bauleitplanverfahren 66
■ Besondere Fälle des Artenschutzes im
Innen- und Außenbereich 66
■ Artenschutz bei „alten“ Bebauungsplänen 67
■ Artenschutz bei Abriss, Sanierung
und Renovierung 68
12 ÖKOLOGISCHE BAUBEGLEITUNG,
FUNKTIONSKONTROLLEN
UND MONITORING 70
13 ABLÄUFE OPTIMIEREN 72
14 ANHANG 74
Die durch Frau Ministerin Dr. Nicole Hoffmeis-
ter-Kraut MdL ins Leben gerufene Wohnraum-
Allianz setzt sich seit 2016 mit möglichen
Hemmnissen für die Ausweisung und Aktivie-
rung von dringend benötigten Wohnbaufl ächen
in Baden-Württemberg auseinander und spricht
Empfehlungen zu deren Überwindung aus.
Neben anderen Themenbereichen wurden auch
die gesetzlichen Vorgaben des Artenschutzes
sowie Herausforderungen bei der praktischen
Umsetzung dieser Vorgaben in städtebaulichen
Planungen und bei Bauvorhaben diskutiert.
Dabei hat sich gezeigt, dass es den Bedarf für
einen systematischen Leitfaden gibt, der die
komplexen artenschutzrechtlichen Anforderun-
gen näher erläutert und zudem den Fokus auf
einen möglichst effi zienten Umgang mit diesen
Anforderungen sowie deren Abarbeitung in
Bauleitplanverfahren und bei Bauvorhaben legt.
Der vorliegende Handlungsleitfaden richtet
sich daher in erster Linie an die kommunalen
Planungsträger in der Bauleitplanung sowie
die Behörden und die Vorhabenträger bei der
Planung und Zulassung von Bauvorhaben. Er
ist aber auch für die interessierte Öffentlichkeit
zum besseren Verständnis des Artenschutzes
und des sich daraus ergebenden kommunalen
Handelns im Bauleitplanverfahren geeignet.
Der Handlungsleitfaden verfolgt vorrangig
folgende Ziele:
• Sensibilisierung der am Planen und Bauen
Beteiligten für die artenschutzrechtlichen
Vorgaben im Bundesnaturschutzgesetz
(BNatSchG);
• Aufzeigen von Möglichkeiten für eine früh-
zeitige Vermeidung und Lösung von arten-
schutzrechtlichen Konfl ikten, sowohl in der
Bauleitplanung als auch bei Bauvorhaben;
• Veranschaulichung dieser Möglichkeiten
durch möglichst praxisnahe Beispielfälle;
• Klärung häufi g gestellter Fragen;
• Bereitstellen von Hinweisen für besondere
Planungssituationen und für gute Verfah-
rensabläufe.
Der Handlungsleitfaden soll damit einen Bei-
trag für eine gute Praxis bei der Bearbeitung
des Artenschutzes beim Planen und Bauen
leisten.
5
Anlass
1
Umsetzung von Bauvorhaben in einem neu erschlossenen Wohngebiet.
den daher auch als „abwägungsfest“ bezeichnet.
Die Fachgesetze sehen zumeist auch spezielle
Ausnahme- oder Befreiungsmöglichkeiten vor,
die zum Teil für die Bauleitplanung nutzbar
gemacht werden können.
Als Teil des Systems der räumlichen Gesamtpla-
nung in Deutschland gelten für die Bauleitpla-
nung neben den fachrechtlichen Vorgaben auch
die Vorgaben der übergeordneten Raumord-
nung (Landesentwicklungsplan, Regionalplan).
So sind die Bauleitpläne nach § 1 Abs. 4 BauGB
an die in diesen Plänen festgelegten Ziele der
Raumordnung anzupassen. Grundsätze der
Raumordnung sind zu berücksichtigen.
Schließlich muss sich die kommunale Planung
auch mit raum- bzw. fl ächenrelevanten Fachpla-
nungen auseinandersetzen, in denen die Städte
und Gemeinden zu beteiligen sind, die jedoch
gegenüber der kommunalen Planung privilegiert
sein, d. h. Vorrang haben können. Bei Fachpla-
nungen handelt es sich um sektoral ausgerichte-
te Maßnahmen auf Basis spezifi scher Aufgaben
und Kompetenzen sowie eigener, fachgesetzli-
cher Regelungen, wie sie etwa von der Straßen-
bau- oder Wasserwirtschaftsverwaltung geplant
und durchgeführt werden.
Maßgeblich für das einzelne Bauvorhaben oder
eine Sanierung sind in erster Linie die Vorgaben
der Landesbauordnung Baden-Württemberg
(LBO). Neben den bauplanungs- und bauord-
nungsrechtlichen Vorschriften dürfen einem
Bauvorhaben andere öffentlich-rechtliche Rege-
lungen nicht entgegenstehen. Dies können auch
naturschutzrechtliche Regelungen sein.
6
RECHTS- UND PLANUNGS-SYSTEMATIKDie Bauleitplanung (Flächennutzungs- und
Bebauungsplanung) ist Teil der verfassungs-
rechtlich garantierten kommunalen Selbstver-
waltungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG). Sie obliegt
damit – im Rahmen der Gesetze – den Städten
und Gemeinden.
Die Aufstellung von Bauleitplänen richtet sich
in erster Linie nach den Regelungen des Bauge-
setzbuchs (BauGB).
Ein Kernprinzip des Baugesetzbuchs ist, dass
die planende Stadt bzw. Gemeinde im Rahmen
der Bauleitplanung sämtliche von der Planung
berührten öffentlichen und privaten Belange
nach § 1 Abs. 7 BauGB ermittelt, bewertet und
gegeneinander und untereinander gerecht ab-
wägt (= sog. Abwägungsgebot). Hierzu gehören
auch die Belange von Natur und Umwelt.
Daneben bestehen fachgesetzliche Vorschrif-
ten, z.B. aus dem Bundesnaturschutzgesetz, die
erweiterte Anforderungen an bestimmte dieser
Umweltbelange stellen. Solche Spezialvorschrif-
ten (z.B. für den Artenschutz) sind der bau-
leitplanerischen Abwägung in der Regel nicht
zugänglich. Sie sind strikt anzuwenden und wer-
Kurzer Abriss zu den rechtlichen Anforderungen
2
Vor der Erschließung eines neuen Wohngebietes stehen Planung und Abwägung im Rahmen der zweistufigen Bauleitplanung. Dabei sind die „abwägungs-festen“ Regelungen des Arten-schutzes, soweit im jeweiligen Einzelfall berührt, zu beachten.
BAULEITPLANUNGFür den Bereich des Natur- und Artenschutzes
existieren verschiedene rechtliche Anforderun-
gen, die allesamt beachtet werden müssen. Im
konkreten Planungsfall sind zum Teil fachliche
und rechtliche Überschneidungen der einzel-
nen Anforderungen möglich, die eine gemein-
same Abarbeitung im Planverfahren erlauben
oder erfordern können.
(Allgemeine) Ziele und Grundsätze der
Bauleitplanung
Über die zweistufi ge Bauleitplanung – mit
Flächennutzungsplan (= vorbereitender Bau-
leitplan) und Bebauungsplan (= verbindlicher
Bauleitplan) – sollen die Städte und Gemeinden
nach § 1 Abs. 5 BauGB eine nachhaltige städ-
tebauliche Entwicklung gewährleisten. Dabei
sind es sowohl soziale, als auch wirtschaftliche,
kulturelle und auf den Schutz der Umwelt
ausgerichtete Anforderungen, denen die Kom-
mune Rechnung tragen und die sie in Einklang
bringen soll.
Hierzu gehören
• die sozialgerechte Bodennutzung unter
Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der
Bevölkerung,
• Schutz und Entwicklung einer menschen-
würdigen Umwelt sowie der natürlichen
Lebensgrundlagen,
• Förderung von Klimaschutz und Klima-
anpassung, insbesondere auch in der Stadt-
entwicklung,
• baukulturelle Erhaltung und Entwicklung
von städtebaulicher Gestalt, Orts- und
Landschaftsbild.
Die städtebauliche Entwicklung soll hierzu
vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwick-
lung erfolgen.
Inhaltliche Anforderungen mit Bezug zum
Natur- und Artenschutz
Das auf S. 6 bereits angesprochene Abwägungs-
gebot nach § 1 Abs. 7 BauGB ist das zentrale
Gebot rechtsstaatlicher Planung. Es ist gleicher-
maßen bestimmend für den Planungsvorgang
als auch für die Planungsentscheidung und
damit für das Ergebnis der Planung. Die von der
Planung berührten Belange (= Abwägungsmate-
rial) sind von der Gemeinde nach § 2 Abs. 3
BauGB zu ermitteln und zu bewerten und
schließlich gegeneinander und untereinander
gerecht abzuwägen. Welche Belange in einer
konkreten Planungssituation bevorzugt und
welche Belange demgegenüber zurückgestellt
werden, ist Gegenstand der Abwägung und
nicht vom Gesetz vorgegeben.
Die Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspfl ege sind eine Teilmenge der zu
berücksichtigenden öffentlichen Belange und in
§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB ausführlich aufgeschlüs-
selt. In dieser Vorschrift sind insbesondere
folgende Abwägungsbelange mit Bezug zu Tier-
und Pfl anzenarten genannt:
• die Auswirkungen [der Planung] auf Tiere
und Pfl anzen, Landschaft und biologische
Vielfalt sowie das Wirkungsgefüge bzw.
7
Werden Siedlungsfl ächen erweitert, sind u. a. die Auswir-kungen auf Tiere und Pfl anzen sowie die biologische Vielfalt in der Planung als Teil der Belange von Naturschutz und Landschafts-pfl ege zu berücksichtigen.
Während sowohl die bauleitplanerische Ein-
griffsregelung als auch die in § 1 Abs. 6 Nr. 7
BauGB benannten Belange innerhalb der bau-
leitplanerischen Abwägung berücksichtigt und
damit ggf. auch gegenüber anderen, gewichti-
geren Belangen zurückgestellt werden können,
gibt es andere aus dem Naturschutzrecht stam-
mende Regelungsbereiche, die der Abwägung
nicht zugänglich sind.
Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören
die Regelungen des Artenschutzes, die in Kapi-
tel 5 des Bundesnaturschutzgesetzes enthalten
sind. Sie dienen sowohl dem Schutz der wild
lebenden Tier- und Pfl anzenarten als auch dem
Schutz ihrer Lebensstätten. Für die Bauleitpla-
nung sind in erster Linie die darin enthaltenen
Vorschriften über den besonderen Artenschutz
praxisrelevant. Das besondere Artenschutzrecht
gibt in den §§ 44 und 45 BNatSchG u. a. die
artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote und
gesetzliche Privilegierungen (etwa für Land-
und Forstwirtschaft, zulässige Eingriffe) sowie
Erleichterungen vor und zeigt darüber hinaus
auch Ausnahmemöglichkeiten auf.
Die Vorschriften des besonderen Artenschutzes
nehmen in der Bauleitplanung eine Sonder-
stellung ein, da sie handlungsbezogen (und
nicht planungsbezogen) formuliert sind. In
diesen Vorschriften wird insbesondere geregelt,
dass die Tötung oder Verletzung bestimm-
ter Tier- und Pfl anzenarten, die Zerstörung
oder Beschädigung deren Lebensstätten oder
8
Wechselwirkungen zwischen diesen und
weiteren Umweltfaktoren bzw. Schutzgütern;
• die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der
Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundes-
naturschutzgesetzes (einschließlich Wechsel-
wirkungen, s. o.);
• die Auswirkungen auf die vorstehenden
Belange aufgrund schwerer Unfälle oder
Katastrophen durch im Bebauungsplan-
gebiet zulässige Vorhaben.
Neben den genannten Natur- und Umweltbe-
langen ist in § 1a Abs. 3 BauGB in Verbindung
mit § 18 Abs. 1 BNatSchG vorgesehen, dass
über die sog. Eingriffsregelung ebenfalls im
Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung
entschieden wird. In der Literatur wird daher
gelegentlich auch von der „bauleitplanerischen
Eingriffsregelung“ gesprochen.
Die Eingriffsregelung befasst sich konkret mit
der Vermeidung und dem Ausgleich voraus-
sichtlich erheblicher (planungsbedingter) Beein-
trächtigungen des Landschaftsbildes sowie der
Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur-
haushalts. Eingriffe in Natur und Landschaft
sind nach § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderun-
gen der Gestalt oder Nutzung von Grundfl ä-
chen oder Veränderungen des mit der beleb-
ten Bodenschicht in Verbindung stehenden
Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und
Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder
das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen
können.
Die Zauneidechse gehört zu den relativ häufi g in der Bauleit-planung und bei Bauvorhaben betroffenen streng geschützten Arten.
Haselmäuse bewohnen Wälder, größere Feldgehölze und Hecken. In Baden-Württemberg sind sie in den meisten Landschaftsräu-men vertreten.
9
Standorte sowie zudem in sensiblen Zeiträumen
die erhebliche Störung bestimmter Tierarten
verboten ist. Die Verbote untersagen damit
bestimmte tatsächliche Handlungen. Obgleich
nicht der Bauleitplan selbst, sondern erst dessen
Verwirklichung untersagte Handlungen dar-
stellen bzw. mit sich bringen kann, müssen die
Gemeinden schon in der Bauleitplanung diese
Verbote beachten. Denn nach höchstrichterli-
cher Rechtsprechung ist ein Bebauungsplan, der
im Zeitpunkt seiner Aufstellung erkennbar we-
gen bestehender rechtlicher Hindernisse nicht
verwirklicht werden kann und somit seinen
städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungs-
auftrag verfehlt, als solcher nicht erforderlich im
Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Er kann damit bei
einer gerichtlichen Überprüfung für unwirksam
erklärt werden.
Strikt zu beachten und der Abwägung nicht
zugänglich sind ferner die Vorschriften zu
Schutzgebieten auf der Grundlage europäischen
Rechts (Natura 2000-Gebiete: FFH-Gebiete
und Europäische Vogelschutzgebiete) sowie zu
Schutzgebieten nach nationalem Recht (z. B.
Natur- und Landschaftsschutzgebiete). Das Ge-
bietsschutzrecht mit seinen Spezialvorschriften
und das oben beschriebene besondere Arten-
schutzrecht können sich – je nach Planungssitu-
ation – auch überlagern.
Formale Anforderungen mit Bezug zum
Natur- und Artenschutz
Bei der Aufstellung von Bauleitplänen ist im
Regelverfahren eine förmliche Umweltprüfung
für die Belange des Umweltschutzes nach § 2
Abs. 4 BauGB durchzuführen. In ihr werden die
voraussichtlichen erheblichen Umweltauswir-
kungen ermittelt und in dem sog. Umweltbe-
richt beschrieben und bewertet. Das bedeutet,
dass die Umweltprüfung das Trägerverfahren
für alle bauleitplanerischen Umweltverfahren
ist.
Der Umweltbericht ist ein gesonderter Teil der
Begründung zum Bebauungsplan (§ 2a BauGB)
und befasst sich mit verschiedenen umweltrele-
vanten Planungsaspekten, die in der Anlage 1
zum Baugesetzbuch abschließend aufgezählt
sind.
Näheres zur erforderlichen Ermittlungstiefe
hinsichtlich der Belange von Tieren, Pfl anzen
und der biologischen Vielfalt mit Fokus auf
den Artenschutz fi ndet sich in Kap. 6. Für
die Festlegung von Ermittlungsumfang und
-detaillierung ist die Stadt oder Gemeinde selbst
zuständig, es ist jedoch eine vorherige Abstim-
mung mit der Naturschutzbehörde vorgesehen
(§ 4 Abs. 1 BauGB). Jedenfalls heranzuziehen
sind Landschaftspläne oder bestimmte sonstige
vorliegende Pläne.a)
Bei Bebauungsplänen, die nach § 13, 13a und
13b BauGB im vereinfachten bzw. im beschleu-
nigten Verfahren aufgestellt werden, entfällt
zwar die Pfl icht zur Durchführung der förmli-
chen Umweltprüfung und zur Dokumentation
im Umweltbericht sowie einzelner weiterer
umweltrechtlicher Anforderungen. Die Pfl icht,
die umweltbezogenen Planungsbelange in den
gemeindlichen Abwägungsvorgang einzustellen,
bleibt davon allerdings unberührt. Die arten-
schutzrechtlichen Anforderungen des Bundes-
naturschutzgesetzes und die Regelungen zu den
Schutzgebieten sind ebenfalls zwingend anzu-
wenden.
Die Dohle brütet an Gebäuden, benötigt aber auch ausreichende Nahrungsfl ächen in und im nahen Umfeld von Siedlungen.
Fledermäuse wie diese Langoh-ren nutzen auch Gebäudequartie-re. Sie können daher von Umbau- und Sanierungsmaßnahmen betroffen sein. Dazu gehören ins-besondere der Aus- oder Umbau von Dachböden, Scheunen und von außen zugänglichen Kellern.
a) § 2 Abs. 4 in Verbindung mit § 1
Abs. 6 Nr. 7 Buchst. g BauGB
Bei verfahrensfreien Vorhaben ist der Bauherr
dafür verantwortlich, dass die öffentlich-recht-
lichen Vorschriften einschließlich des Arten-
schutzes eingehalten werden (Näheres in Kap.
9, S. 47 ff).
ANFORDERUNGEN AUS DEM NATUR-
SCHUTZRECHT IM ÜBERBLICK
Nebenstehend fi ndet sich ein Überblick zu
den wichtigsten Regelungsbereichen des
Bundesnaturschutzgesetzes mit Schwerpunkt
oder Querbezügen zum Schutz von Tier- und
Pfl anzenarten. Darüber hinaus gibt es weitere
Regelungen wie den Schutz vor invasiven Arten
(§ 40a BNatSchG). Im Übrigen muss darauf hin-
gewiesen werden, dass sich Bestimmungen, die
im Einzelfall Relevanz erlangen können, auch in
der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV,
dort etwa zum Verbot des Einsatzes bestimmter
Verfahren oder Geräte) oder in landesspezifi -
schen Regelungen fi nden.
Die artenschutzrechtlichen Regelungen des
BNatSchG im engeren Sinn (S. 16 ff) sind in
solche zum allgemeinen und zum besonderen
Artenschutz gegliedert. Letzterer bezieht sich
auf Arten mit einem differenzierten Schutzsta-
tus in Verbindung mit der Bundesartenschutz-
verordnung sowie mit weiteren Verordnungen,
Übereinkommen oder Richtlinien teils euro-
parechtlicher Art. Der besondere Artenschutz
einschließlich der Möglichkeiten für Ausnah-
men oder Befreiungen ist zentrales Thema des
vorliegenden Leitfadens.
Eine Schädigung von Arten und natürlichen
Lebensräumen gemäß § 19 BNatSchG in Ver-
bindung mit dem Umweltschadensgesetz kann
dann vorliegen, wenn zuvor nicht ermittelte
und insoweit nicht genehmigte bzw. nicht spe-
zifi sch zugelassene Beeinträchtigungen bei der
Verwirklichung eines Vorhabens eintreten. Hier
spricht man verkürzt von einem Umwelt- bzw.
Biodiversitätsschaden. Voraussetzung ist, dass
eine solche Beeinträchtigung erhebliche nach-
teilige Auswirkungen auf die Erreichung oder
Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands
der betreffenden Art hat. Verantwortliche Per-
sonen können dann zu Sanierungsmaßnahmen
auf ihre Kosten verpfl ichtet werden. Derzeit
sind unter den Arten nur solche der Anhänge II
10
BAUVORHABENSowohl verfahrensfreie Vorhaben als auch Vor-
haben, für die ein Baugenehmigungsverfahren
durchzuführen ist, müssen den öffentlich-recht-
lichen Vorschriften entsprechen (§ 50 Abs. 5
i.V. m. § 58 Abs. 1 LBO). Zu diesen zählen auch
die artenschutzrechtlichen Bestimmungen des
§ 44 f. BNatSchG, die daher bei einzelnen Bau-
vorhaben anzuwenden sind.
Im günstigsten Fall können artenschutzrecht-
liche Konfl ikte bei einfach gelagerten Fällen
ohne vertiefte Betrachtung ausgeschlossen
werden. Ansonsten liegt möglicherweise bei
Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich
(§ 34 BauGB) oder in einem Bebauungsplan-
gebiet (§ 30 BauGB) eine hinreichend aktuelle
Grundlage vor, die Vorgaben zur baubedingten
Vermeidung artenschutzrechtlicher Verstöße
beinhaltet (z. B. zeitliche Vorgaben für bestimm-
te Tätigkeiten, Bsp. S. 36) und andere mögliche
Konfl iktsachverhalte etwa durch vorgezogene
funktionserhaltende Maßnahmen (s. Kap. 8,
S. 35 ff sowie Kap. 10) bereits
gelöst hat.
Wenn dies nicht der Fall ist,
beteiligt bei verfahrenspfl ichtigen
Vorhaben die untere Baurechts-
behörde bei Verdacht auf Vor-
kommen bzw. Betroffenheit
geschützter Arten die zuständige
Naturschutzbehörde als berührte
Fachbehörde gemäß § 53 Abs. 4
Satz 1 LBO. Soweit sich dies im
Weiteren als erforderlich erweist,
kann die untere Baurechts-
behörde den Bauherren gemäß
§ 53 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LBO
zur Beibringung eines Gutach-
tens auffordern um sicherzustel-
len, dass es zu keinem Verstoß
gegen artenschutzrechtliche
Verbote kommt (ggf. unter Be-
rücksichtigung von Vermeidungs-
oder sonstigen Maßnahmen).
Näheres dazu s. Kap. 9, S. 52 ff.
Auch seitens des Bauherren kann
hierzu vorsorglich eine entspre-
chende Ermittlung und Bewer-
tung veranlasst werden.
Einzelne Bauvorhaben unter-liegen den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschrif-ten, aber auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dürfen nicht entgegenstehen.
Die wichtigsten Regelungs-bereiche des BNatSchG mit Schwerpunkt oder Querbezügen zum Schutz von Tier- und Pfl an-zenarten. Zur Eingriffsregelung und zur Berücksichtigung des eu-ropäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 enthält das BauGB in § 1a eigene Bestimmungen in Verbindung mit § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a bzw. b.
Allgemeiner Arten- und Lebensstättenschutz§ 39 BNatSchG
Schäden an bestimmten Arten, Sanierungspfl icht§ 19 BNatSchGVerantwortung berufl ich Tätiger für nicht zuvor ermittelte Schäden
Eingriffsregelung§§ 14 ff. BNatSchGUnterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen auch von Arten; Ausgleich oder Ersatz
Sonstiger Flächen-/Gebietsschutzdiv. §§ BNatSchGdarunter geschützte Biotope und Naturschutzgebiete (auch) mit Funktionen für Arten
Natura 2000§§ 31 ff. BNatSchGSchutz und Gebietsmanagement, Prüfung und ggf. Unzulässigkeit von Projekten, Kohärenzsicherung
Ausnahmen/Befreiung§§ 45 und 67 BNatSchG
Besonderer Artenschutz§ 44 BNatSchG
§1a Abs. 4 BauGB
§1a Abs. 3 BauGB
11
und IV der europäischen Fauna-Flora-Habitat-
Richtlinie (92/43/EWG) sowie ein Großteil der
europäischen Vogelarten Gegenstand dieser
Regelung.
Die Eingriffsregelung nach BNatSchG (§§ 14
ff.), die im Kontext der Bauleitplanung be-
reits angesprochen wurde, verpfl ichtet den
Verursacher eines Eingriffs dazu, vermeidbare
Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft
zu unterlassen (Vermeidungs- und Verminde-
rungsgebot) und für unvermeidbare Beeinträch-
tigungen Kompensation zu leisten. Letzteres
bedeutet, dass diese Beeinträchtigungen durch
Maßnahmen des Naturschutzes und der Land-
schaftspfl ege auszugleichen (Ausgleichsmaßnah-
men) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen) sind.
Solche Maßnahmen zielen auf die gleichartige
oder zumindest gleichwertige Wiederherstel-
lung beeinträchtigter Funktionen des Natur-
haushaltes im engeren räumlichen Zusammen-
hang bis auf Ebene des betroffenen Naturraums
ab. Bezüglich Tieren und Pfl anzen ist dies auf
besonders wertgebende und planungsrelevante
Arten fokussiert. Die Frage, ob es sich dabei
um gesetzlich besonders geschützte Arten han-
delt, spielt zwar eine Rolle, doch sind nicht nur
solche Arten abwägungsrelevant. In den weite-
ren Kapiteln wird dies noch angesprochen
(s. Kap. 3 ff.).
Der Flächen- und Gebietsschutz umfasst die
Vorschriften zum Schutz und zur Entwicklung
der Schutzgebiete des europäischen Netzwerks
Natura 2000 (FFH- und Vogelschutzgebiete;
§ 31 ff. BNatSchG) und die Schutzgebiete nach
nationalem Recht (z. B. Naturschutz- und Land-
schaftsschutzgebiete).
Mit den §§ 69 ff. enthält das BNatSchG im
Übrigen Bußgeld- und Strafvorschriften, nach
denen bei bestimmten widerrechtlichen Hand-
lungen bezüglich geschützter Arten Geld- oder
Freiheitsstrafen vorgesehen werden können.
Die kommunale Bauleitplanung nach Baugesetzbuch (BauGB) ist in einen Rahmen aus Vorgaben der übergeordneten Raumplanung, zu berücksichtigender und teils privilegierter Fachplanungen sowie bestimmter fachgesetz-licher Regelungen eingebunden. Zu letzteren gehören u. a. die Eingriffsregelung mit Vermeidungs- und Kompensationsanfor-derungen (Teil der Abwägung) sowie die artenschutzrechtlichen Bestimmungen des BNatSchG (abwägungsfest). In der Eingriffs-regelung sind auch sonstige besonders wertgebende und pla-nungsrelevante Arten von Bedeutung, unabhängig von einem gesetzlichen Schutzstatus. Das Trägerverfahren für sämtliche Umweltverfahren im Zusammenhang mit einem Bauleitplanver-fahren ist die Umweltprüfung. Belange von Tieren, Pfl anzen und der biologischen Vielfalt sind in der Abwägung auch im Rahmen beschleunigter bzw. verein-fachter Verfahren zu berücksichtigen, obwohl hier die formale Umweltprüfung und der Umweltbericht entfallen. Der besondere Artenschutz ist in allen Fällen zwingend zu beachten. Das einzelne Bauvorhaben unterliegt primär der Landesbauord-nung, sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften einschließlich des Artenschutzrechts sind dabei allerdings ebenfalls zu beachten.
KURZ GEFASST
Auch funktionserhaltende oder zur Kompensation geeignete Maßnahmen des Naturschut-zes erfordern häufi g maschinellen Einsatz: Hier bei der Beseitigung unerwünschten Gehölzaufwuch-ses zur Wiederherstellung für den Arten- und Biotopschutz wertvol-ler Offenland-Lebensräume.
12
unterschiedliche Verbreitungsmuster ausschlag-
gebend sind.
Daher sind weitere Instrumentarien erforderlich,
um Arten aktiv und passiv wirksam zu schützen.
In der Bauleitplanung kommt dabei der bereits
im vorstehenden Kapitel angesprochenen Um-
weltprüfung einschließlich der Berücksichtigung
der Eingriffsregelung eine große Bedeutung zu,
da sie übergreifend darauf ausgerichtet ist, fach-
lich korrekt zu erfassen, abzuwägen und dabei
nach Möglichkeit zu vermeiden, zu mindern und
für unvermeidbare Beeinträchtigungen Kom-
pensation zu leisten. Dies soll auch den im Ein-
zelnen betroffenen Arten als Teil von Natur und
Landschaft bzw. der Schutzgüter Tiere, Pfl anzen
und biologische Vielfalt zu Gute kommen.
Anders als bei der Abarbeitung des besonderen
Artenschutzes ist der primäre Blickwinkel beim
allgemeinen Artenschutz ein naturschutzfachli-
cher: Denn im Rahmen der Umweltprüfung ist
ein besonderes Augenmerk auf die gefährdeten
Arten und unter diesen noch weiter vertieft
dann auf jene Arten zu richten, für die unter
biogeografi schen Aspekten eine besondere
Schutzverantwortung besteht, etwa weil sie ei-
nen hohen weltweiten Bestandsanteil innerhalb
Deutschlands haben.d) Bei Beeinträchtigungen
und Bestandsverlusten gerade solcher Arten
wird auch dem einzelnen Vorhaben am ehes-
ten eine wesentliche Rückwirkung auf Tiere,
Pfl anzen und die biologische Vielfalt zuzurech-
nen sein. Ob dagegen einer Art ein bestimmter
Schutzstatus beigemessen wurde, ist in diesem
Zusammenhang nachrangig, zumal dieser auf
verschiedene Gründe zurückzuführen sein
kann, die mit einer potenziellen Gefährdung
durch ein Vorhaben überhaupt nicht im Zusam-
menhang stehen mögen.
Das Aussterben von Arten und der Rückgang
von Artbeständen haben weltweit nach ak-
tuellen Analysen eine Größenordnung und
Geschwindigkeit erreicht, die wesentlich höher
als eine natürlicherweise ohne menschliche
Aktivitäten zu erwartende Aussterberate liegt. a)
Auch in Deutschland und Baden-Württemberg
wird die Situation der Artenvielfalt als alarmie-
rend bewertet. b)
Nach den bundesweiten Roten Listen als fach-
lichem Bewertungsmaßstab liegt der Anteil
gefährdeter Arten bei vielen Gruppen der Flora
und Fauna bereits deutlich über einem Drittel
der heimischen Arten, teilweise bereits über der
Hälfte. Zahlreiche weitere Arten gelten als mög-
liche Kandidaten für eine zu-
künftige Gefährdung und wur-
den in die so genannten Vor-
warnlisten aufgenommen, die
ergänzend zu den eigentlichen
Roten Listen geführt werden.
Darunter fi nden sich nicht nur
Arten der freien Landschaft,
sondern zu einem nicht unwe-
sentlichen Anteil auch solche,
deren Lebensräume in Randbereichen oder gar
innerhalb von Siedlungen liegen. Auch gebäude-
bewohnende Tierarten zählen bereits teilweise
als gefährdet oder werden in der Vorwarnliste
geführt. Baumaßnahmen stellen zwar nicht den
bundesweit stärksten Beeinträchtigungsfaktor
für Arten dar, rangieren in einer Analyse zu Ge-
fährdungsursachen bei Tiergruppen als Wirkfak-
torenkomplex aber unter den ersten fünf. c)
Der Schutz von Arten als zentralem Teil der
„Biologischen Vielfalt“ (Biodiversität) kann nicht
alleine durch ein System des Biotop- und sons-
tigen Flächenschutzes erreicht werden, wofür
unter anderem die vielfältigen ökologischen
Ansprüche von Arten (z. B. an Flächengrößen
und Biotopverbund), besondere Sensitivität
gegenüber bestimmten Beeinträchtigungen und
Naturschutzfachlicher Hintergrund
3Tagfalter 54 %
Amphibien 40 %
Viele Tagfalter wie dieser gehö-ren zu den bundesweit und in Baden-Württemberg in ihrem Bestand bedrohten Tierarten. Über alle Artengruppen hinweg stehen zahlreiche Arten auf den aktuellen Roten Listen gefährde-ter Tiere und Pfl anzen (ausge-wählte Prozentwerte bedrohter Tierarten nach bundesweitem Stand, BfN 2009 u. Folgebände, Grüneberg et al. 2015).
a) Pimm et al. (2014); Ceballos et al. (2015)
b) Bundesamt für Naturschutz (2015)
c) Günther et al. (2005)
d) BVerwG, Hinweisbeschl. v. 2.10.2014 - 7 A 14.12, Rn. 18 ff.
13
Aber auch der besondere Artenschutz stellt eine
wesentliche Säule des Naturschutzes dar und
soll als eigenes Instrumentarium dazu beitra-
gen, den Artenschwund zu stoppen.
Hierzu zählen Regelungen und Maßnahmen
zur Eindämmung und Regulierung des gewerbs-
mäßigen oder illegalen Fangs, der Haltung und
des Handels von Arten und daraus hergestellter
Produkte, worauf die Aufnahme vieler Arten in
eine Schutzkategorie (besonders oder streng ge-
schützt) abzielt. Weltweit kommt dem eine sehr
hohe Bedeutung zu, im Kontext des vorliegen-
den Leitfadens ist dies jedoch nicht relevant.
Ferner sollen mit aktiven Maßnahmen unter
anderem bestehende Artenschutzprogramme
ausgebaut oder ergänzt werden.
Schließlich zielen die Zugriffsverbote des
§ 44 Abs. 1 BNatSchG (s. Kap. 4, S. 17) über
einen gebietsunabhängigen Schutz darauf ab,
den günstigen Erhaltungszustand bestimmter
geschützter Arten zu sichern oder einen solchen
wieder zu erreichen. Für die land-, forst- und
fi schereiliche Bewirtschaftung gelten spezifi -
sche Rahmenbedingungen und die Vorgabe,
dass sich die Situation lokaler Populatio-
nen nicht verschlechtern darf (§ 44 Abs. 4
BNatSchG).
In der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben
sind die Verbote einzeln entsprechend dem
jeweiligen Schutzansatz zu berücksichtigen und
abzuarbeiten: bezüglich Tier- oder Pfl anzen-
individuen bestimmter geschützter Arten als
solche, der störungsarmen zentralen Phasen des
Lebenszyklus bestimmter Tierarten sowie der
Lebensstätten und Standorte bestimmter Arten.
• Individuenbezogene Verbote sind im Arten-
schutz (der nicht etwa dieselben Ziele wie
der Tierschutz verfolgt) deshalb von Be-
deutung, weil die Tötung und Verletzung
von Tieren oder die Zerstörung von Pfl an-
zen u. a. unmittelbare Auswirkungen auf
deren Bestandsgröße haben kann;
• das Verbot einer erheblichen Störung in
bestimmten, besonders sensiblen Zeiträu-
men soll u. a. verhindern, dass eine erfolg-
reiche Fortpfl anzung ausbleibt oder sich
etwa deutlich vermindern würde;
• und schließlich soll das Zerstörungs- und
Beschädigungsverbot für Fortpfl anzungs-
und Ruhestätten bzw. Standorte von Arten
erreichen, dass das entsprechende Flä-
chenangebot weder qualitativ noch quan-
titativ zurückgeht oder gar Arten mangels
Lebensraum aus bestimmten Gebieten
vollständig verschwinden.
Wildbienen 53 %
Brutvögel 45 %
Fledermäuse 40 %
Die Situation der Artenvielfalt ist weltweit und in Deutschland dramatisch schlecht. Auch in Baden-Württemberg sind viele Arten bedroht. Baumaßnahmen sind in Deutschland zwar nicht der gravierendste Beeinträchtigungsfaktor für Arten, rangieren bei den Gefährdungsursachen(-komplexen) für Tiergruppen aber unter den ersten fünf. Unterschiedliche Instru-mentarien sollen zu einem Stopp des Artenverlustes beitragen.
Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung muss vorrangig auf die gefährdeten Arten und noch weiter vertieft auf Arten fokussieren, für die unter biogeografi schen Aspekten eine besondere Schutzver-antwortung besteht. Separat und in nur teilweiser Überschneidung ist der besondere Artenschutz abzuarbeiten. Dabei kommt den einzelnen Verboten aus unterschiedlichen Gründen fachliche Bedeu-tung zu: Dies betrifft sowohl die auf einen Individuenschutz ausge-richteten Verbote als auch diejenigen zum Schutz von Lebensstätten und Standorten und zur Verhinderung erheblicher Störungen.
KURZ GEFASST
14
Darüber hinaus enthält § 39 BNatSchG allge-
meine Verbote bzw. spezifi sche Ausschluss-
zeiträume für bestimmte Maßnahmen oder
Tätigkeiten. Für das Planen und Bauen relevant
sind dabei:
• Das Verbot zur Beseitigung, des Abschnei-
dens oder „auf den Stock Setzens“ bestimm-
ter Bäume außerhalb des Waldes und sons-
tiger Gehölze im Zeitraum vom 1. März bis
zum 30. September (§ 39 Abs. 5 Nr. 2).
Dieses gilt nicht für Bäume auf gärtne-
risch genutzten Grundfl ächen, zu denen in
Baden-Württemberg auch innerstädtische
Grünanlagen und gestaltete Hausgärten
gezählt werden. Das Verbot gilt wohl aber
für sonstige Gehölze, für Bäume an anderen
Standorten sowie insgesamt im Rahmen zu-
lässiger Bauvorhaben dann, wenn nicht nur
geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirkli-
chung der Baumaßnahmen beseitigt werden
muss. Darüber hinaus gilt dieses Verbot u. a.
nicht für behördlich angeordnete Maßnah-
men, nach § 15 BNatSchG zulässige Eingrif-
fe in Natur und Landschaft sowie bestimmte
sonstige Maßnahmen, die im öffentlichen
Interesse nicht auf andere Weise oder zu
anderer Zeit durchgeführt werden können.
• Das Verbot, Höhlen, Stollen, Erdkeller oder
ähnliche Räume, die als Winterquartier von
Fledermäusen dienen, in der Zeit vom
1. Oktober bis zum 31. März aufzusuchen
(§ 39 Abs. 6). Dieses Verbot gilt nicht bei
der Durchführung unaufschiebbarer und nur
geringfügig störender Handlungen sowie für
touristisch erschlossene oder stark genutzte
Bereiche.
ALLGEMEINER ARTENSCHUTZDie Regelungen zum allgemeinen Artenschutz
fi nden sich in den §§ 39 bis 43 BNatSchG.
§ 39 BNatSchG verbietet zunächst die mutwil-
lige bzw. ohne vernünftigen Grund erfolgende
Beeinträchtigung wild lebender Tiere (Beunru-
higung, Fang, Verletzung, Tötung) und Pfl anzen
(Entfernung von ihrem Standort, Nutzung,
Verwüstung der Bestände) sowie ihrer Lebens-
stätten. Dies gilt für alle wild lebenden Arten,
unabhängig von einem speziellen Schutzstatus.
Für genehmigte bzw. zulässige Bauvorhaben
und die Bauleitplanung entfalten diese Bestim-
mungen aber keine (besondere) Bedeutung,
denn hier ist regelmäßig von einem vernünfti-
gen Grund für unvermeidbare Beeinträchtigun-
gen auszugehen.
Was ist zu berücksichtigen, was ist konkret verboten?
4
Baumfällungen sind zeitlich teils durch Bestimmungen des allgemeinen Artenschutzes reglementiert; zu dem ist auch der besondere Artenschutz (s.Folgeabschnitt) zu beachten.
15
Wesentlich ist, dass zusätzlich der besondere
Artenschutz beachtet werden muss. D. h., dass
zwar eine Beseitigung geringfügigen Gehölz-
bewuchses nach der o. g. Bestimmung auch
zwischen 1. März und 30. September nach
§ 39 BNatSchG zulässig sein kann, nicht aber
dann, wenn zum betreffenden Zeitpunkt der
Durchführung gerade dort eine Vogelbrut
stattfi ndet und ein besetztes Nest zerstört oder
Eier bzw. nicht-fl ügge Jungvögel getötet werden
könnten.
Mit Ausnahme des zeitlich einschränkenden
Verbots zur Beseitigung, des Abschneidens oder
„auf den Stock Setzens“ bestimmter Bäume
und sonstiger Gehölze (s. o.) in § 39 Abs. 5
Nr. 2 BNatSchG entfalten die Regelungen des
allgemeinen Artenschutzes nur selten Relevanz
für die Bauleitplanung oder Bauvorhaben. Im
zeitlichen Ablauf von Bauvorhaben ist die Frage
der Gehölzbeseitigung aber regelmäßig von
Bedeutung und daher frühzeitig zu berücksich-
tigen. Ggf. ist auch mit der zuständigen Behör-
de zu klären, was von dieser konkret als noch
„geringfügiger Gehölzbewuchs“ angesehen wird.
Die §§ 40 bis 40f BNatSchG behandeln das
Ausbringen von Pfl anzen und Tieren sowie
den Umgang mit invasiven Arten.
Diese Bestimmungen erlangen in den meisten
Fällen der Bauleitplanung und bei Bauvorha-
ben keine Relevanz, weshalb nicht vertieft auf
sie eingegangen wird. Im Einzelfall können
Maßnahmen zur Verhütung einer Verbreitung
invasiver Arten aber eine Rolle spielen, etwa
bei der Erschließung von Flächen mit durch
Samen oder andere reproduktive Teile invasi-
ver Pfl anzenarten belasteten Substraten. Auch
Maßnahmen an einem Gewässer, die etwa
dessen Durchgängigkeit verändern, können bei
Vorkommen invasiver Krebsarten problematisch
sein. Soweit absehbar, sollte dies bereits auf
Ebene der Bauleitplanung (etwa Flächenzu-
schnitt, Erschließung) berücksichtigt werden.
§ 41 BNatSchG bestimmt, dass zum Schutz
von Vogelarten neu zu errichtende Masten und
technische Bauteile von Mittelspannungslei-
tungen konstruktiv so auszuführen sind, dass
Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. Dies
ist im Einzelfall bei Änderung bestehender
Mittelspannungsleitungen mit der Errichtung
neuer Masten, etwa im Zusammenhang mit
der Erschließung eines neuen Baugebietes, zu
berücksichtigen.
Die §§ 42 bis 43 BNatSchG beziehen sich auf
Zoos und Tiergehege und sind nur in einem
solchen speziellen Fall relevant.
Foto links: Für nicht touristisch genutzte Bereiche mit Unter-tagequartieren von Fleder-mäusen etwa in Höhlen oder Stollen gilt ein allgemeines Betretungsverbot im Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. März, auch wenn diese nicht verschlos-sen sein sollten.
Zwischen dem 1. März und 30. September sind an Hecken im Allgemeinen nur schonende Form- und Pfl egeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pfl anzen zulässig. Auch dabei ist aber z. B. auf Vogelbrut zu achten.
Aus dem allgemeinen Arten-schutz resultieren wenige für die Bauleitplanung und Bauvor-haben relevante Vorgaben, insbesondere Ausschlusszeiträume für bestimmte Maßnahmen oder Tätigkeiten (v. a. Gehölzent-fernung), die aber frühzeitig in die Planung eingestellt werden können und sollten. Im Einzelfall können auch bestimmte Maß-nahmen, etwa zur Verhütung einer Verbreitung invasiver Arten, notwendig werden.
KURZ GEFASST
16
oder strenger Schutz vermittelt wirda), der
teils auf europarechtliche Vorgaben und teils
auf nationale Überlegungen zurückgeht. Dies
schließt auch Arten ein, bei denen im Wesentli-
chen Fang, Haltung oder Handel reglementiert
werden sollen. Diese weiteren Arten, etwa
sonstige geschützte Tagschmetterlinge, Wild-
bienen, Heuschrecken oder Amphibien, sind im
Regelfall aber nur im Rahmen der Eingriffsrege-
lung angemessen zu berücksichtigen. Es ist im
Einzelfall zu entscheiden, ob eine oder meh-
rere weitere Artengruppen untersucht werden
müssen, um die Auswirkungen auf Tiere und
Pfl anzen sowie die biologische Vielfalt in die-
sem Rahmen über den besonderen Artenschutz
hinaus sachgerecht erfassen und bewerten zu
können.
Wild lebend meint im Übrigen nur Tiere und
Pfl anzen solcher Arten, deren Exemplare nicht
ausschließlich vom Menschen gezüchtet oder
angebaut werden, wie dies bei Haustieren, vie-
len Nutztierrassen oder Nutzpfl anzen der Fall
ist. Zu den wild lebenden Arten zählen auch
solche, die an oder in Gebäuden brüten oder
dort Ruhestätten besitzen wie z. B. die Mehl-
schwalbe oder bestimmte Fledermausarten.
Sodann stellt sich die Frage, was konkret ver-
boten ist. Hierbei enthält § 44 BNatSchG in
Abs. 1 die so genannten Zugriffsverbote, und
in Abs. 2 weitere Besitz- und Vermarktungsver-
BESONDERER ARTENSCHUTZDer besondere Artenschutz ist in den §§ 44
und 45 BNatSchG geregelt.
Zunächst stellt sich die Frage, welche Arten
geschützt und zudem in der Bauleitplanung und
bei Bauvorhaben relevant sind. Eine derartige
Relevanz kann für den Regelfall auf zwei Arten-
kollektive beschränkt werden (zu Abweichun-
gen s. Kap. 11):
• jede bei uns auftretende, wild lebende eu-
ropäische Vogelart, unabhängig vom Status
des besonderen oder strengen Schutzes;
• jede bei uns auftretende, wild lebende Art
des Anhangs IV der FFH-Richtlinie (FFH-
RL); diese sind sämtlich streng geschützt.
Nur für diese Arten gelten die Verbote des
§ 44 Abs. 1 BNatSchG für unvermeidbare Be-
einträchtigungen im Rahmen zulässiger Eingrif-
fe nach § 17 BNatSchG sowie bei bestimmten
zulässigen Vorhaben nach BauGB. Bei letzterem
gerade in Gebieten mit Bebauungsplänen,
während der Aufstellung eines solchen Plans
und im unbeplanten Innenbereich nach
§ 34 BauGB.
Zwar gibt es eine Vielzahl an weiteren ge-
setzlich geschützten Arten, für die durch das
BNatSchG in Verbindung mit der Bundesarten-
schutzverordnung (BArtSchV) ein besonderer
Übersicht zu besonders und streng geschützten Arten (nach § 7 Abs. 2 Nrn. 13 und 14 BNatSchG) und Hervorhebung der für den Regelfall in der Bauleitplanung und bei Bau-vorhaben relevanten Artenkol-lektive. Die übrigen Arten sind gemäß § 44 Abs. 5 Satz 5 von den Verboten des § 44 BNatSchG freigestellt.
Für Mauersegler, Wiesen-knopf-Ameisenbläulinge und Laubfrosch (letztere als FFH-Anhang-IV-Arten) gelten die Verbote des besonderen Arten-schutzes auch in der Bauleit-planung und bei Bauvorhaben (Beispielarten).
a) § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG
Im Regelfall artenschutzrechtlich relevante Arten in Gebieten
mit Bebaungsplänen, während deren Planaufstellung und im
Innenbereich nach § 34 BauGB
Europäische
Vogelarten
In Europa
natürlich
vorkommende
Vogelarten im
Sinne des Art. 1
der Richtlinie
2009/147/EG
Arten des
Anhangs IV der
FFH-Richtlinie
(92/43/EWG)
Arten einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG- weil bislang nicht erlassen
Sonstige besonders oder streng geschützte Arten- Arten des Anhangs A oder B der Verordnung (EG) 338/97- Arten einer Rechtsverord- nung nach § 54 Abs. 1 und 2 BNatschG (bislang BArtSchV)
§44 Abs. 5 BNatSchG
Nein
Nein
17
bote. Letztere bleiben nachfolgend unberück-
sichtigt, weil sie für die Bauleitplanung und für
Bauvorhaben keine Relevanz entfalten.
Konkret verboten ist für die o. g. relevan-
ten, wild lebenden Arten nach § 44 Abs. 1
BNatSchG (Zugriffsverbote):
• den Tieren nachzustellen, sie zu fangen, zu
verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungs-
formen aus der Natur zu entnehmen, zu
beschädigen oder zu zerstören (Nr. 1);
• die Tiere während der Fortpfl anzungs-,
Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und
Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine
erhebliche Störung liegt dann vor, wenn
sich durch die Störung der Erhaltungs-
zustand der lokalen Population einer Art
verschlechtert (Nr. 2);
• Fortpfl anzungs- oder Ruhestätten der Tiere
aus der Natur zu entnehmen, zu beschädi-
gen oder zu zerstören (Nr. 3);
• Pfl anzen oder ihre Entwicklungsformen
(z. B. Samen, Rhizome) aus der Natur zu
entnehmen, sie oder ihre Standorte zu
beschädigen oder zu zerstören (Nr. 4).
Bei der Prüfung, ob Verbote verletzt werden
und welche Maßnahmen ggf. erforderlich sein
könnten, um den Flächennutzungsplan, einen
Bebauungsplan oder ein bestimmtes Bauvor-
haben unter Gesichtspunkten des Artenschut-
zes als zulässig einzustufen, fl ießen fachliche
Feststellungen zur Situation (etwa der Überla-
gerung geplanter Baufl ächen mit Lebensstätten
entsprechend geschützter Arten) und fachliche
sowie rechtliche Bewertungen zu Vorhabensfol-
gen zusammen.
Zu den Verbotstatbeständen im Einzelnen:
• Tötung oder Verletzung von Individuen
bzw. Beschädigung oder Zerstörung von
Entwicklungsformen: Die entsprechen-
den Verbote für Tiere und Pfl anzen sind
individuenbezogen und schließen alle
Entwicklungsformen wie etwa Eier, Raupen
oder Pfl anzensamen ein. Allerdings haben
zunächst die Rechtsprechung und dann die
bislang letzte Novellierung des BNatSchG
die Schwelle einer „Signifi kanz“ eingeführt.
Demnach werden diese Verbote nicht
verletzt, wenn das Tötungs- und Verlet-
zungsrisiko für Exemplare der betroffenen
Arten nicht signifi kant erhöht ist und sich
zugleich als unvermeidbar zeigt (§ 44 Abs. 5
Satz 2 Nr. 1 BNatSchG).
• Erhebliche Störung: Dieses Verbot ist auf
einen räumlich-funktional abgrenzbaren
Artenbestand („Population“) und bestimm-
te, allerdings summarisch sehr weit reichen-
de Zeitphasen bezogen und setzt für eine
Verwirklichung voraus, dass sich störungs-
bedingt der Erhaltungszustand dieses
Bestands verschlechtert. Der Erhaltungszu-
stand ist als Gesamtheit der Einfl üsse zu se-
hen, die sich langfristig auf die Verbreitung
und die Größe dieses Bestandes auswirken.
Was als „lokale Population“ anzusehen ist,
unterscheidet sich zwischen den einzelnen
Arten. Bei Arten mit fl ächiger Verbreitung
sowie bei revierbildenden Arten mit großen
Aktionsräumen etwa stellt der jeweilige
Naturraum 4. Ordnung in Baden-Württem-
berg den angemessenen Bezugsraum dar.
Bei Arten mit geringerer Häufi gkeit und
Raumnutzung kann es sich um landschaft-
liche Teilräume deutlich unterhalb einer
Naturraumebene oder den Bestand einer
lokal eng begrenzten Lebensstätte handeln.
• Zerstörung oder Beschädigung einer Fort-
pfl anzungs- oder Ruhestätte: Dieses Verbot
ist konkret fl ächen- und funktionsbezogen.
Bei einer Fortpfl anzungsstätte handelt es
sich artbezogen um den mehr oder minder
gesamten oder aber um einen bestimm-
ten (für die Funktion zentralen) Teil des
Blaufl ügelige Sandschrecke und Schwalbenschwanz sind Beispiele für national geschützte Arten, die in der Bauleitplanung und bei zulässigen Bauvorha-ben von den Verboten des § 44 BNatschG freigestellt sind.
18
Lebensraums, der unverzichtbar ist, um die
erfolgreiche Fortpfl anzung zu sichern. Für
die Fortpfl anzungsstätte gilt der Schutz
auch dann, wenn sich die Tiere gerade
nicht an oder in ihr aufhalten (z. B. auf-
grund jahreszeitlicher Wanderungen), aber
davon auszugehen ist, dass sie diese wieder
aufsuchen bzw. regelmäßig nutzen werden.
Gleiches gilt für Ruhestätten, bei denen es
sich um Flächen oder Strukturen handelt,
die für ein einzelnes Tier oder eine Gruppe
von Tieren in mehr oder minder inaktiven
Phasen von besonderer Bedeutung sind,
spezifi sche Tierbauten mit eingeschlossen.
Vereinfachte Übersicht zu wesentlichen Fragen und Konsequenzen bei der Prüfung, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG von einem ansonsten zulässigen Vorhaben oder Bauleitplan berührt sein können. Jedes einzelne der Ver-bote führt zur entsprechenden Konsequenz. Die Formulierungen sind auf die Verbote zu Tierarten fokussiert.
Europäische Vogelart oder Art des Anhangs IV der Fauna-Flora-
Habitat-Richtlinie (FFH-RL)
Tötung oder
Verletzung
von Individuen
der geschützten
Art? (signifi kant
erhöhtes Risiko)
Erhebliche Stö-
rung der lokalen
Population der
geschützten
Art?
§ 44 BNatSchG
Zerstörung oder
Beschädigung
einer Fortpfl an-
zungs- oder
Ruhestätte der
geschützten
Art?
Bauleitplanung / Vorhaben (zunächst) unzulässig
Vermeidung, ausreichende Minderung oder Funktionserhalt
nicht möglich
Ausnahmsweise Zulassung unter bestimmten, engen Rahmen-
bedingungen möglich
Nächtlicher Baubetrieb mit Beleuchtung kann sensible Tierarten der näheren Umgebung stören. In bestimmten Fällen kam diese Störung erheblich sein und artenschutzrechtlich einen Verbotstatbe-stand verwirklichen.
Wird in Fortpfl anzungs- und Ruhestätten geschütz-ter Arten eingegriffen, so liegt je nach Lebens-raumansprüchen jener Arten oftmals eine Beschädigung oder Zerstörung vor.
19
Aus den Verboten selbst und den obigen Aus-
führungen ergibt sich klar, dass ausreichende
Informationen zum jeweiligen Vorhaben und zu
möglicherweise betroffenen Beständen ent-
sprechend geschützter Arten vorliegen oder im
Rahmen des jeweiligen Vorhabens beigebracht
werden müssen, um eine Prüfung zu ermögli-
chen. Hierzu fi nden sich weitergehende Ausfüh-
rungen in Kap. 6.
Um artenschutzrechtliche Verbote trotz einer
Betroffenheit von Arten und Artenbeständen
nicht eintreten zu lassen, können neben Ver-
meidungs- und Minderungsmaßnahmen auch
funktionserhaltende Maßnahmen in Frage kom-
men. Diese zielen darauf ab, die ökologische
Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben
betroffenen Fortpfl anzungs- und Ruhestätten
im räumlichen Zusammenhang weiterhin zu
erfüllen (§ 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG).
Hierzu fi nden sich weitergehende Ausführun-
gen in Kap. 10, Beispiele u. a. ab S. 37.
Ist das Eintreten von Verbotstatbeständen un-
vermeidbar, so kann unter bestimmten Voraus-
setzungen eine artenschutzrechtliche Ausnah-
me von den Zugriffsverboten in Frage kommen
(§ 45 Abs. 7 BNatSchG). Hierzu fi nden sich
weitergehende Ausführungen in Kap. 10. Die Reichweite des besonderen
Artenschutzes in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben be-schränkt sich im Regelfall auf europäische Vogelarten (unabhän-gig von besonderem oder strengem Schutz) sowie solche streng geschützte Arten, die in Anhang IV der FFH-Richtlinie (FFH-RL) geführt sind. Die Zugriffsverbote sind teils individuenbezogen (v. a. Verletzung, Tötung), teils populationsbezogen (erhebliche Störung) und teils konkret fl ächen- und funktionsbezogen (Zer-störung oder Beschädigung von Fortpfl anzungs- und Ruhestät-ten von Tieren, für Pfl anzen sinngemäß ihrer Standorte). Bei der Prüfung, ob Verbote berührt werden und der entsprechenden Konsequenzen, fl ießen fachliche Feststellungen zur Situation und fachliche sowie rechtliche Bewertungen zu Vorhabensfolgen zusammen. Ausreichende Informationen zum jeweiligen Vorha-ben und zu möglicherweise betroffenen Beständen entsprechend geschützter Arten müssen vorliegen oder im Rahmen des jeweili-gen Vorhabens beigebracht werden. Zur Vermeidung bestimmter Verbotstatbestände können spezifi sche Maßnahmen berücksich-tigt werden. Ist die Verletzung von Verbotstatbeständen unver-meidbar, so kann unter bestimmten Voraussetzungen eine arten-schutzrechtliche Ausnahme von den Zugriffsverboten in Frage kommen; der hierfür rechtlich und fachlich gesetzte Rahmen ist allerdings eng.
KURZ GEFASST
Vereinfachte Übersicht zu Fragen der ausnahms-weisen Zulassung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG bei einem Vorhaben in öffentlichem Interesse. Zur Vermeidung der Verschlechterung des Erhal-tungszustandes der Populationen der geschützten Art können Maßnahmen berücksichtigt werden (sogenannte FCS-Maßnahmen, s. Kap. 10).
Ausnahmsweise Zulassung allenfalls unter bestimmten, engen
Rahmenbedingungen möglich
Zwingende
Gründe des
überwiegenden
öffentlichen
Interesses?
Fehlen
zumutbarer
Alternativen?
§ 45 BNatSchG
Keine Ver-
schlechterung
des Erhaltungs-
zustandes der
Populationen
der geschützten
Art?
Ausnahme nur erteilbar, falls alle drei Fragen mit JA zu
beantworten sind
Bei direkten Eingriffen in Pfl anzendecke und Unter-grund durch Baustellenverkehr, aber auch sonstige mechanische Belastungen oder Fallenwirkung technischer Elemente, kommt es regelmäßig zur Tötung oder Verletzung von Tieren. Hier ein überfahrenes Jungtier der Schlingnatter.
20
Baugesetzbuchs ist im Regelverfahren folgender
Ablauf in der Beteiligung der Behörden vorge-
sehen, der gerade auch für Fragen des Arten-
schutzes relevant ist:
Schritt 1 Möglichst frühzeitige Unterrichtung über allge-
meine Ziele und Zwecke der Planung, wesent-
liche Alternativlösungen und voraussichtliche
Auswirkungen der Planung; Verpfl ichtung der
Behörden zur Äußerung und ggf. Gelegen-
heit zur Erörterung in einem Scoping-Termin,
gerade auch im Hinblick auf den erforderlichen
Umfang und Detaillierungsgrad der Erhebun-
gen und Auswertungen bzw. Bewertungen zum
Artenschutz (§ 4 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz
1 Hs. 1 BauGB). Soweit erforderlich ggf. Über-
arbeitung der Planung.a)
Schritt 2
Öffentliche Auslegung des Planentwurfs und
der Begründung (einschließlich Umweltbericht)
und Einholung von Stellungnahmen der Öffent-
lichkeit und der Behörden / sonstigen Träger
dazu (§ 3 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 2 BauGB).
Seitens der Behörden und sonstigen Träger
öffentlicher Belange sind jedenfalls zu den von
ihnen beabsichtigten Planungen bzw. Maß-
nahmen mit Relevanz für die städtebauliche
Entwicklung und Ordnung des Gebiets sowie
weitere für die Ermittlung und Bewertung des
Abwägungsmaterials zweckdienliche Informati-
onen zur Verfügung zu stellen.
Schritt 3
Die Behörden unterrichten die Gemeinde nach
Abschluss des Aufstellungsverfahrens des Bau-
leitplans, soweit dieser nach deren Erkenntnis-
sen erhebliche, insbesondere unvorhergesehene
nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hat
(§ 4 Abs. 3 BauGB).
BAULEITPLANUNGDie Zuständigkeit für die Bauleitplanung ist in
§ 2 Abs. 1 BauGB geregelt. Demnach stellen
die Städte und Gemeinden die Bauleitpläne in
eigener Verantwortung auf. Sie haben dabei die
Belange, die für die planerische Abwägung von
Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten
(Abwägungsmaterial).
Im Regelverfahren wird nach § 2 Abs. 4 BauGB
eine Umweltprüfung durchgeführt, in deren
Rahmen die voraussichtlichen erheblichen
Umweltauswirkungen in einem Umweltbericht
zu beschreiben und zu bewerten sind, wobei
auch der Artenschutz berücksichtigt werden
muss (zu Abweichungen s. Kap. 11). Insoweit
fungiert die Umweltprüfung als Trägerverfahren
für die Abarbeitung (auch) des Artenschutzes.
Der Umweltbericht ist ein gesonderter Teil der
Begründung zum Bauleitplan. Die Gemeinde
selbst legt für jeden Bauleitplan fest, in wel-
chem Umfang und in welchem Detaillierungs-
grad die fallweise angemessene Ermittlung
erfolgen muss, um
• zum einen eine fachlich fundierte Abwä-
gungsentscheidung zu ermöglichen und
• zum anderen die „abwägungsfesten“ Bewer-
tungen im Artenschutz vorzunehmen.
Für die Bearbeitung der artenschutzfachlichen
bzw. -rechtlichen Fragestellungen wird in aller
Regel ein Planungsbüro mit Fachkompetenz
oder ein entsprechender Fachgutachter bzw.
eine Fachgutachterin erforderlich sein, die im
Auftrag der Gemeinde tätig werden.
Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher
Belange sowie die Öffentlichkeit sind nach
den §§ 3 und 4 BauGB im Planungsprozess am
Bauleitplanverfahren zu beteiligen, die Behör-
den und sonstigen Träger öffentlicher Belange
gerade auch im Hinblick auf den erforderlichen
Prüfungsumfang und die Prüfungstiefe (dazu
s. v. a. Kap. 6). Nach den Vorschriften des
Wer bearbeitet und prüft die Anforde-rungen des Artenschutzes?
5
a) Bezug zu § 4 Abs. 1 Satz 2 BauGB
21
Aus dem Flächennutzungsplan entwickelte
Bebauungspläne werden von den Gemeinden
ohne vorherige Prüfung durch die Rechtsauf-
sichtsbehörde bekannt gemacht. Für sonstige
Bebauungspläne und den Flächennutzungsplan
sind die in § 1 der Durchführungsverordnung
zum BauGB (BauGB-DVO) festgelegten höhe-
ren Verwaltungsbehörden (Regierungspräsidium
bzw. Landratsamt) für die Genehmigung zustän-
dig. Die zuständige Behörde prüft im Wege der
Rechtsaufsicht allein die Rechtmäßigkeit des
beschlossenen Bauleitplans, also mögliche for-
melle oder materielle Rechtsverstöße. Zweckmä-
ßigkeitserwägungen spielen hierbei keine Rolle.
Für den Fall, dass Vorkommen streng ge-
schützter oder kumulativ besonders und streng
geschützter Tier- oder Pfl anzenarten dergestalt
betroffen sind, dass für sie eine artenschutz-
rechtliche Ausnahme notwendig wäre (s. Kap.
10), ist hierfür das Regierungspräsidium (Abtei-
lung 5) zuständig.
BAUVORHABENDie für die Beurteilung der artenschutzrecht-
lichen Anforderungen (als Teil der öffentlich-
rechtlichen Vorschriften) bei Bauvorhaben
zuständige Behörde ist bei verfahrenspfl ichtigen
Vorhaben die untere Baurechtsbehörde. Das
Artenschutzrecht gehört nach § 58 Abs. 1 LBO
zum Prüfumfang des Baugenehmigungsverfah-
rens, im vereinfachten Verfahren allerdings nur
im Außenbereich (§ 52 Abs. 2 Nr. 3 b LBO).
Der grundsätzliche Prüf- bzw. Kontrollauftrag
für die Baurechtsbehörde ergibt sich aus
§ 58 LBO in Verbindung mit den entsprechen-
den naturschutzrechtlichen Regelungen. Im
Grundsatz ist dann allerdings der Bauherr dafür
verantwortlich, dass die entsprechenden Vor-
schriften und die auf Grund dieser Vorschriften
erlassenen Anordnungen eingehalten werden
(§ 41 LBO).
Auch bei vereinfachten Verfahren, im Kenntnis-
gabeverfahren und bei verfahrensfreien Vorha-
ben sind die öffentlich-rechtlichen Vorschriften
einschließlich des Artenschutzrechts einzu-
halten, etwa bei bestimmten Sanierungs- oder
Umbaumaßnahmen an privaten Gebäuden, von
denen gebäudebrütende Vögel und Fledermäu-
se betroffen sein können. In der Verantwortung
steht dann alleine der Bauherr.
Weitere Informationen hierzu fi nden sich in
Kap. 9.
Die Bauleitpläne werden von den Städten und Gemeinden in eigener Verantwortung aufge-stellt. Dabei sind die Belange, die für die planerische Abwägung von Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten (Abwägungs-material). Es muss eine dem Einzelfall angemessene Ermittlung erfolgen, um zum einen eine fachlich fundierte Abwägungsent-scheidung zu ermöglichen und zum anderen die „abwägungsfes-ten“ Bewertungen im Artenschutz vorzunehmen. Neben der Öf-fentlichkeit sind im Planungsprozess die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange am Bauleitplanverfahren zu beteili-gen, gerade auch im Hinblick auf den erforderlichen Prüfungsum-fang und die Prüfungstiefe der Umweltprüfung. Die zuständige Genehmigungsbehörde prüft im Wege der Rechtsaufsicht die Rechtmäßigkeit des beschlossenen Flächennutzungsplans und damit mögliche formelle oder materielle Rechtsverstöße.
Bei Bauvorhaben ist im Grundsatz der Bauherr dafür verantwort-lich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften einschließlich des Artenschutzrechts eingehalten werden. Die untere Baurechts-behörde hat einen entsprechenden Prüf- und Kontrollauftrag, in dessen Rahmen sie bei verfahrenspfl ichtigen Bauvorhaben im Rahmen der Baugenehmigung erforderliche Nebenbestimmun-gen erlässt, soweit ein Vorhaben genehmigt werden kann.
KURZ GEFASST
22
Kontrolle der Verwaltungsgerichte bei diesen
Konstellationen gesetzt sind.c) Gleichwohl ist
dieser Spielraum eingeschränkt und bezieht sich
nicht generell auf das Artenschutzrecht, son-
dern gerade auf nicht eindeutig zu beantwor-
tende Fragen bzw. auf durch unterschiedliche,
aber jeweils vertretbare Vorgehensweisen zu
behandelnde Sachverhalte. Unzulängliche oder
ungeeignete Bewertungsverfahren dürfen nicht
zur Anwendung kommen.
Um zunächst zu klären, welche geschützten und
in der konkreten Bauleitplanung oder einem
einzelnen Bauvorhaben artenschutzrechtlich zu
prüfenden Arten in Frage kommen, hat sich ein
so genannter „Relevanzcheck“ als erste Ebene
eines mehrstufi gen Vorgehens in der Praxis
bewährt. Die Abschichtung potenziell betrof-
fener Arten erfolgt unter Heranziehung des im
Naturraum zu erwartenden Artenspektrums,
der konkret gegebenen Lebensraumausstattung
und den zu erwartenden Wirkfaktoren bzw.
deren Ausprägung (s. nebenstehende Abb.).
Hierbei ist i. d. Regel eine Auswertung vorhan-
dener Daten, etwa vorliegender Verbreitungsin-
formationen zu den geschützten Arten auf den
Webseiten des Bundesamtes für Naturschutzes
(BfN) und der zuständigen Landesanstalt in
Baden-Württemberg (LUBW), in den Grund-
lagenwerken zum Artenschutz in Baden-Würt-
temberg u. a. erforderlich. Auch bei Fachgesell-
schaften und Verbänden (z. B. OGBW, AGF in
Baden-Württemberg) können wichtige Angaben
verfügbar sein. Notwendig ist zudem in der
Regel eine Ortsbegehung durch Personen, die
eine qualifi zierte Einschätzung zu Lebensraum-
strukturen und zur möglichen Betroffenheit
des Artenschutzes abgeben können. Ob und
inwieweit sich ggf. vertiefende Untersuchungen
anschließen müssen, ergibt sich im Einzelfall.
Der Rahmen, in dem sich Ermittlungen, Bewer-
tungen und Einschätzungen zum Artenschutz
bewegen müssen, wurde durch zahlreiche
gerichtliche Entscheidungen aufgezeigt.
Es ist eine „am Maßstab praktischer Vernunft
ausgerichtete Prüfung“ erforderlich, aber auch
ausreichend.a) Dabei müssen Datengrundlagen
und Vorgehensweise für den jeweiligen Fall
geeignet und vertretbar sein. Sie müssen die
Gemeinde insbesondere in die Lage versetzen,
die artenschutzrechtlichen
Verbotstatbestände sachge-
recht zu prüfenb) und einen
rechtskonformen Umgang mit
entsprechenden Konfl ikten
sicherzustellen.
Einen Automatismus derge-
stalt, dass für jeden Bauleitplan
umfangreiche Erfassungen bzw.
Kartierungen zu zahlreichen Arten angestellt
werden müssten, gibt es demnach nicht: Es
müssen nicht sämtliche Arten untersucht wer-
den, sondern vielmehr das, was unter dem o. g.
Maßstab geboten ist.
Bei ihrem Vorgehen steht der Gemeinde bzw.
der für die Entscheidung zuständigen Behörde
ein gewisser Spielraum zu, wenn und soweit
das Artenschutzrecht außerrechtliche Fragen
aufwirft, zu denen es an untergesetzlichen
Normierungen fehlt und zu denen es keine
naturschutzfachlich allgemein anerkannten
Maßstäbe und Methoden gibt. Dieser Spielraum
ergibt sich aus den faktischen Grenzen, die der
Abschichten: Relevanzcheck und vertiefte Prüfung im Artenschutz
6
a) BVerwG, Urt. v. 9.7.2008 - 9 A 14.07, Rn. 57
b) BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 - 7 C 40.11, Rn. 20
c) BVerfG, Beschluss v. 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13,
1 BvR 595/14, Rn 16 ff.
Der Große Feuerfalter ist nur in bestimmten Naturräumen des Landes vertreten und daher nur in diesen zu prüfen.
Der Nachtkerzenschwärmer ist vor allem im Ei- und Raupen-stadium (rechts) nachweisbar, verbreitet und vielfach in Flächen mit Vorkommen seiner Nahrungs-pfl anzen zu erwarten: Neben Nachtkerzen sind dies v. a. ver-schiedene Weidenröschen-Arten.
Beispiel unterschiedlicher Situationen bei Schmetter-lingsarten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie
23
Welche Arten sind im konkreten Fall im Rahmen des besonde-ren Artenschutzes nach § 44 BNatSchG zu prüfen? Schematische Darstellung des „Relevanzchecks“ zur Ab-schichtung geschützter Arten auf die im konkreten Fall prüfungsre-levanten Arten. Die betreffenden Arten sind zudem entsprechend ihres naturschutzfachlichen Ge-wichts – ebenso wie ggf. weitere Arten – im Rahmen der Abwä-gung zu berücksichtigen.
Zur „Planungsrelevanz“ bei Vogelarten s. Fußnote a) auf S. 34.
◀
◀◀
◀◀
◀
◀
außerhalb Verbreitungsgebiet der Art
Vorkommen
auszuschließen
bzw. nicht zu
erwarten
Lage in Naturraum / Region
im Verbreitungsgebiet der Art
fehlen
vorhanden
Europäische Vogelarten
... mit Planungsrelevanz
FFH-Anhang IV-Arten
Betroffenheit auszuschließen bzw.
nicht zu erwarten
Betroffenheit möglich -
Prüfungsrelevante Arten
ABSCHICHTUNG ARTENSCHUTZRECHTLICH POTENZIELL
BETROFFENER ARTEN: RELEVANZCHECK
geeignete Lebensraumstrukturen,
Verbundachsen etc.
◀
unempfi ndlich
◀◀
sensibel
Konkrete Fläche
und Wirkraum
◀
gegenüber auftretenden
Wirkfaktoren
24
eines Bauleitplans oder Vorhabens (auch ggf. im
Rahmen einer Ausnahme).b) In solchen Fällen
werden sich stattdessen regelmäßig vertiefte
Prüfungen unter Einschluss von konkreten
Bestandsuntersuchungen in Frage stehender Ar-
tengruppen bzw. Arten an einen Relevanzcheck
anschließen müssen.
Solche Bestandsuntersuchungen durch fachlich
qualifi zierte Personen beinhalten in der Praxis
abhängig von der konkreten Fallgestaltung
häufi g:
Beispiele; zu exemplarischen Zeiträumen s. Abbildung rechts oben
• Brutvogel-Kartierungen mit 5 - 8 Begehun-
gen (geringere Anzahl meist im Siedlungs-
bereich oder strukturarmen Offenland,
höhere u. a. im Wald),
• Erfassung von Zaun- oder Mauereidechse
mit 4 Begehungen,
• Erfassung von Amphibien durch Laich- und
Larvensuche in Gewässern sowie durch
nächtliches Verhören der artspezifi schen
Rufe mit 4 - 6 Begehungen,
• Fledermaus-Erfassungen an mehreren Ter-
minen mittels Detektoren, Schwärm- und
Ausfl ugskontrollen unter Einsatz von Nacht-
sichtgeräten, Suche in Dachböden und mit
weiteren Methoden,
• Mehrmonatiger Einsatz künstlicher Nist-
gelegenheiten („Tubes“) zur verbesserten
Kontrolle auf Vorkommen der Haselmaus,
• Suche von Jugendstadien (Eier, Raupen)
oder Fraßbildern bestimmter geschützter
Schmetterlingsarten.
Dies stellt weder eine abschließende Liste erfor-
derlicher Untersuchungen noch einzusetzender
Methoden oder zu prüfender Arten dar. Das
konkret im Einzelfall erforderliche Programm
ist spezifi sch abzuleiten, wobei selbstverständ-
lich auf fachliche Empfehlungen oder – sofern
bereits verfügbar – methodische Standards
zurückgegriffen werden kann.
Im Rahmen der artenschutzfachlichen und
-rechtlichen Bewertung muss auf Ebene des
Bebauungsplans und eines Einzelvorhabens
insbesondere den folgenden Fragen nachgegan-
gen werden:
In einfach gelagerten Fällen kann auf dieser
Ebene neben dem Relevanzcheck bereits
eine abschließende Einschätzung abgegeben
werden und es kann möglich sein, daraus alle
erforderlichen Maßnahmen zur Konfl iktbewäl-
tigung abzuleiten (s. etwa
Konfl iktstufen gering und
sehr gering im Beispiel der
Bewertungstabelle zum Flä-
chennutzungsplan in Kap. 7,
Seite 28).
Ausgehend von der Rechts-
sprechung sind unter
bestimmten Rahmenbedin-
gungen auch worst case-Betrachtungen bzw.
„Wahrunterstellungen“ zulässig und können an
die Stelle konkreter Nachweise treten.
So können, wenn etwa im Istzustand aus-
schließlich Einzelreviere weit verbreiteter Ge-
bäudebrüter an einem zur Sanierung vorgesehe-
nen Gebäudekomplex erwartet werden können,
Interims- und Ersatzniststätten in ausreichen-
dem Umfang für diese vorgesehen bzw. festge-
setzt werden, ohne den tatsächlichen Bestand
vor der beabsichtigten Baumaßnahme zu prü-
fen. Gründe für ein solches Vorgehen könnten
der ansonsten erforderliche Ermittlungsaufwand
(bei im Vergleich geringen Maßnahmenkosten)
oder eine insoweit vermeidbare Zeitverzöge-
rung sein, weil Erfassungen erst mit Beginn der
neuen Brutsaison möglich wären.
Für die planende Gemeinde oder den Vorha-
benträger bestünde in einem solchen Fall aber
der Nachteil, dass – im Sinne eines konsequen-
ten worst case-Ansatzes – möglicherweise mehr
Maßnahmen umzusetzen sind, als bei konkreter
Bestandsaufnahme resultiert wären. Oft, aber
nicht immer ist dies in einfach gelagerten Fällen
vertretbar.
Nicht anwendbar ist ein solches Vorgehen mit
ausschließlicher worst case-Betrachtung bzw.
Wahrunterstellung aber i. d. R., wenn es um
komplexere Sachverhalte mit möglicherweise
gravierenden Folgen (etwa sehr hohe Kosten,
großfl ächige Maßnahmen, Betroffenheit beson-
ders gefährdeter Artena) ) geht. Gleiches gilt
bei der Prüfung von Standortalternativen oder
der Frage einer grundsätzlichen Zulässigkeit
Die Funktion und Bedeutung einer bestimmten Fläche für Brutvögel ist oftmals nur durch Kontrollen während der Brutzeit nachweisbar.
a) Welche Bedeutung ein betrof-
fener Bereich für eine bestimmte
Art oder die Artenvielfalt hat, und
wie sich ein Vorhaben insbesondere
auf naturschutzfachlich besonders
bedeutsame Arten auswirken kann,
ist im Einzelfall im Rahmen der Um-
weltprüfung zu klären. „Ohne nähere
Erkenntnisse zu den gefährdeten
Arten, für die vorhabenbedingte Be-
einträchtigungen nicht von vornherein
ausgeschlossen werden können,
sowie zu deren Verbreitung im Unter-
suchungsgebiet und den jeweiligen
Habitatanforderungen ist eine solche
Prüfung nicht möglich (s. BVerwG,
Hinweisbeschl. v. 2.10.2014 - 7 A
14.12, Rn. 21).
b) Für eine Aunahmentscheidung be-
darf es regelmäßig näherer Informa-
tionen zum betroffenen Bestand der
jeweiligen Art. Worst-case-Ansätze
werden beim Alternativenvergleich
durch fachplanerische und logische
Erwägungen ausgeschlossen oder
limitiert. Die bloße Annahme eines
bedeutenden geschützten Artbestan-
des am Standort vermag diesen
i. d. R. nicht auszuschließen, ebenso-
wenig aber höher oder niedriger zu
gewichten als die gleich oder ähnlich
lautende Annahme für einen Alterna-
tivstandort.
25
• Ob und wenn ja welche Verbotstatbestände
des § 44 BNatSchG berührt sind,
• ob bestimmte Minderungs- oder Vermei-
dungsmaßnahmen im Sinne des § 44 Abs. 5
Satz 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG notwendig
und möglich sind, um den Eintritt von Ver-
botstatbeständen (u. a. signifi kant erhöhter
Tötungsrisiken) ganz oder teilweise zu
vermeiden,
• ob (ggf. vorgezogene) Ausgleichsmaßnah-
men im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 3 i. V. m.
Satz 2 Nr.3 BNatSchG notwendig und mög-
lich sind, um den Eintritt von Verbotstatbe-
ständen (u. a. bezüglich Fortpfl anzungs- und
Ruhestätten) zu vermeiden,
• ob ggf. eine Ausnahme nach § 45 BNatSchG
(oder eine Befreiung im Einzelfall) erforder-
lich wird und wenn ja, welche fachlichen
Rahmenbedingungen hierfür erfüllt werden
sollten,
• was im Sinne einer Ökologischen Baubeglei-
tung bzw. eines Monitorings als notwendig
erachtet wird.
Dabei können für Untersuchungen und Bewer-
tungen nicht nur das Plangebiet oder die Fläche
des einzelnen Bauvorhabens selbst einzubezie-
hen sein, sondern auch Flächen im räumlichen
Zusammenhang bzw. im Umfeld (Wirkbereich
eines Plans oder Vorhabens). Lokale Popula-
tionen betroffener Arten müssen im Regelfall
nicht vollständig untersucht werden: Denn in
den allermeisten Fällen lassen sich die arten-
schutzrechtlichen und – fachlichen Fragen –
bezogen auf die konkret betroffenen Fortpfl an-
zungs- und Ruhestätten sowie Individuen – mit
räumlich eher begrenzten Untersuchungen und
ggf. ergänzenden Analogieschlüssen beantwor-
ten.
Auch der Erhaltungszustand der konkret betrof-
fenen Population einer Art muss nicht regelhaft
bestimmt werden. Fachlich und rechtlich spielt
er vor allem im Zusammenhang mit dem Stö-
rungsverbot sowie der Frage einer artenschutz-
rechtlich möglichen Ausnahme eine Rolle. Hier
geht es im Einzelfall darum, eine Verschlechte-
rung des Erhaltungszustands zu prüfen.
Weitere Hinweise und Beispiele zu Untersu-
chungen bzw. Prüfungen fi nden sich in den
Folgekapiteln zu den beiden Ebenen der Bau-
leitplanung und zu Einzelbauvorhaben.
Übliche Erfassungszeiträume exemplarisch für einige arten-schutzrechtlich relevante Arten bzw. Artengruppen. Im Einzelfall können sich Abweichungen er-geben, etwa bei der Prüfung auf Uhu oder Entenvögel.
Zur Prüfung auf Vorkommen der Haselmaus werden in der Regel künstliche Nistboxen ausge-bracht und mehrfach kontrolliert.
Bei der Bearbeitung der Ar-tenschutzthematik ist eine „am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung“ erforderlich, aber auch ausreichend. Datengrundlagen und Vorgehensweise müssen für den jeweili-gen Fall geeignet und vertretbar sein. Sie müssen die Gemeinde insbesondere in die Lage versetzen, die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen und einen rechtskon-formen Umgang mit entsprechenden Konfl ikten sicherzustellen. Der Gemeinde bzw. der zuständigen Behörden steht aufgrund der faktischen Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ein gewisser Spielraum bei naturschutzfachlich nicht geklärten Fra-gen zu. In der Praxis hat sich ein so genannter „Relevanzcheck“ als erste Ebene eines mehrstufi gen Prüfvorgehens bewährt. In einfach gelagerten Fällen kann mit diesem Relevanzcheck bereits eine abschließende Einschätzung abgegeben werden und es kann möglich sein, alle erforderlichen Maßnahmen zur Konfl iktbewälti-gung abzuleiten. Hierbei können unter bestimmten Voraussetzun-gen worst case-Ansätze oder Wahrunterstellungen zum Einsatz kommen. Vor- und Nachteile für den Planungs- bzw. Vorhabenträ-ger sollten dabei bedacht werden. Spätestens bei komplexeren Sachverhalten mit möglicherweise gravierenden Auswirkungen werden stattdessen regelmäßig vertiefte Prüfungen unter Ein-schluss konkreter Bestandsuntersuchungen in Frage stehender Artengruppen bzw. Arten erforderlich. Das im Einzelfall erforder-liche Prüfprogramm ist spezifi sch abzuleiten, wobei auf fachliche Empfehlungen oder methodische Standards zurückgegriffen werden kann.
KURZ GEFASST
ARTEN/ARTENGRUPPEN MONATE 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Brutvögel (Großteil)
Zauneidechse
Amphibien
Haselmaus
Nachtkerzenschwärmer
26
• Falls die vorstehende Frage mit nein zu be-
antworten ist oder nicht ausreichend sicher
geklärt werden kann: Steht zu erwarten,
dass für berührte Verbotstatbestände eine
artenschutzrechtliche Ausnahme erteilt wer-
den kann (als Grundlage einer möglichen
„Planung in die Ausnahmelage hinein“) ?
Dabei ist die erste Frage sinnvollerweise als
Bestandteil der Auswirkungen auf Tiere, Pfl an-
zen sowie die biologische Vielfalt insgesamt zu
behandeln, da dies i. d. R. arbeitseffi zient ist,
ohnehin nicht nur die geschützten Arten für die
Abwägung relevant sind und ein Abwägungs-
mangel auch bezüglich nicht geschützter Arten
u. a. auf die Möglichkeit, artenschutzrechtliche
Konfl iktsachverhalte zu lösen, zurückschlagen
kann.
Bei der zweiten Frage können Maßnahmen,
etwa zum Funktionserhalt im Sinne des § 44
Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG berücksichtigt
werden, wobei auf FNP-Ebene naturgemäß nur
deren Grundzüge erkenn- und nachvollziehbar
sein müssen.
Allerdings kann es im FNP erforderlich sein,
dazu bereits bestimmte Räume darzustellen
(Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur
Pfl ege und zur Entwicklung von Boden, Natur
und Landschaft a) ) bzw. für den Ausgleich oder
artenschutzrechtlichem Funktionserhalt benö-
tigte Flächen den erwarteten Eingriffsfl ächen
ganz oder teilweise zuzuordnen. b)
Bei der dritten Frage ist eine Prognose erforder-
lich, ob die Voraussetzungen einer Ausnahme
nach § 45 Abs. 7 BNatSchG vorliegen.
Teilfl ächennutzungspläne mit den Rechtswir-
kungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, wie etwa
die Darstellung von Konzentrationszonen für
die Nutzung von Windenergie, und Bebau-
ungspläne erfüllen vergleichbare Funktionen.c)
In diesen Fällen sind an die Bearbeitung des
VORRANGIGE FRAGENNach § 5 Abs. 1 BauGB ist im Flächennutzungs-
plan (FNP) für das ganze Gemeindegebiet die
sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Ent-
wicklung ergebende Art der Bodennutzung
nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Ge-
meinde in den Grundzügen darzustellen. Dem
Flächennutzungsplan kommt dabei die entschei-
dende gemeindeweite Steuerungsfunktion für
bauliche Nutzungen (Wohnen, Gewerbe etc.)
zu. Dies schließt Standortfestlegungen und
Alternativenprüfungen im Aufstellungsverfahren
mit ein.
Üblicherweise ist bei der Aufstellung für das
gesamte Gemeindegebiet oder bei Änderungs-
verfahren auf dieser Ebene schon aufgrund des
geringen Plandifferenzierungsgrades zu poten-
ziellen Wirkfaktoren und deren Ausprägung
eine detaillierte Auseinandersetzung mit ar-
tenschutzfachlichen und -rechtlichen Belangen
weder möglich noch wäre diese gefordert.
Gleichwohl muss die planende Stadt oder Ge-
meinde bereits auf Ebene des FNP eine Abwä-
gung vornehmen, in der auch Auswirkungen
auf Tiere und Pfl anzen sowie die biologische
Vielfalt zu berücksichtigen sind (s. Kap. 2, S. 9).
Zudem stellen sich Fragen im besonderen arten-
schutzrechtlichen Kontext.
Die zentral auf Ebene des FNP zum Arten-
schutz zu beantwortenden Fragen bzw. zu
klärenden Sachverhalte sind die folgenden:
• Welche Bedeutung bzw. welches objektive
Gewicht kommt Beständen artenschutz-
rechtlich geschützter Arten und sonstiger
naturschutzfachlich bedeutender Arten im
Rahmen der Umweltprüfung und Abwägung
zum FNP zu?
• Lässt sich bei späterer Verwirklichung der
durch den FNP vorgezeichneten Flächen-
nutzungen die Berührung artenschutzrecht-
licher Verbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG
voraussichtlich vermeiden?
Artenschutz im Flächennutzungsplan
7
a) § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB
b) § 5 Abs. 2a BauGB
c) s. Windenergieerlass Baden-
Württemberg v. 9.5.2012 – Az.: 64-
4583/404, Kap. 4.2.5.2 Artenschutz in
der Bauleitplanung, Satz 1
27
Artenschutzes grundsätzlich die Anforderungen
des Bebauungsplans zu stellen. Die wesentli-
chen Handreichungen der Landesregierung zum
Thema Windenergie und Artenschutz fi nden
sich auf dem Internetangebot der Gewerbeauf-
sicht unter http://gewerbeaufsicht.baden-wuert-
temberg.de/servlet/is/37557/.
VORGEHENSWEISE UND ZUSTÄNDIGE BEHÖRDENVerfahrensträger der Flächennutzungsplanung
ist die Gemeinde, ggf. aber auch ein Verwal-
tungsverband bzw. eine Verwaltungsgemein-
schaft. Der Flächennutzungsplan bedarf einer
Begründung (§ 5 Abs. 5 BauGB) mit Umwelt-
bericht unter Darlegung auch der ermittelten
und bewerteten Belange des Artenschutzes zur
Klärung der auf der vorherigen Seite dargestell-
ten, vorrangigen Fragen. Zu grundsätzlichen
Inhalten und zum Ablauf s. Kap. 5, S.20 f.
Der Flächennutzungsplan bedarf der Genehmi-
gung durch die höhere Verwaltungsbehörde
(§ 6 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit der
BauGB-DVO). Über die Genehmigung ent-
scheidet die zuständige Behörde im Regelfall
binnen drei Monaten (§ 6 Abs. 4 BauGB).
Aufgrund seiner steuernden Funktion für die
räumlich-strukturelle Entwicklung der Gemein-
de stellt der Flächennutzungsplan eine zentrale
Ebene zur möglichst weitgehenden Konfl iktver-
meidung auch bezüglich des Artenschutzes dar.
Die Entscheidung für einen artenschutzfachlich
möglicherweise konfl iktträchtigeren Standort
kann insoweit bewirken, dass in der Folge nicht
nur höhere Aufwendungen für entsprechende
Prüfungen auf Ebene des Bebauungsplans
(s. Kap. 8) und für erforderliche plangebiets-
interne oder -externe Maßnahmen entstehen,
sondern auch zeitliche Konsequenzen nach sich
ziehen: Je nach Komplexität der zu untersu-
chenden Fragestellungen und der Anforderung
an den zeitlichen Vorlauf für die Umsetzung
funktionserhaltender Artenschutzmaßnahmen
können notwendige Untersuchungen bis zum
Abschluss der Umweltprüfung im FNP und/
oder Bebauungsplan ein- bis ggf. mehrjährige
Zeiträume beanspruchen. Gleiches gilt für Maß-
nahmen im Sinne des § 44 Abs. 5 BNatSchG,
die voraussetzen, dass die Funktionserfüllung
vor Beginn der konkreten baulichen Tätigkeiten
gegeben ist. Dieser zeitliche Vorlauf sollte daher
bei der Prüfung und Auswahl von Standortal-
ternativen mit bedacht werden.
Im Regelfall dürften Prüfungsumfang und -tiefe
bezüglich des Artenschutzes für alle oder einen
größeren Teil der betroffenen
Flächen im Rahmen eines
FNP-Verfahrens tendenziell
geringer anzusetzen sein als
etwa im Bebauungsplanver-
fahren. Die gebotene Tiefe
der Auseinandersetzung mit
artenschutzfachlichen und
-rechtlichen Belangen stellt
sich dennoch auch auf FNP-
Ebene oft als stark differen-
ziert dar, insbesondere bezüglich des Ermitt-
lungsaufwands für Kartierungen.
Nach Erfahrungen aus der Praxis ist es in der
Regel bereits auf Ebene der Flächennutzungs-
planung sinnvoll, bestimmte Untersuchungen
zum Vorkommen artenschutzrechtlich rele-
vanter Tier- und Pfl anzenarten durchzuführen,
sofern nicht bereits – etwa durch Ermittlungen
aus einem aktuellen Landschaftsplan – aus-
reichende Daten vorliegen. Zudem sollten
Überlegungen zur Vermeidung und zum
Ausgleich von Beeinträchtigungen bzw. zum ar-
tenschutzrechtlich voraussichtlich notwendigen
Funktionserhalt angestellt werden, die ihren
Niederschlag in der Darstellung vorzuhaltender
Maßnahmenfl ächen im FNP fi nden.
Dem FNP kommt auch bezüglich des Artenschutzes eine wichtige Steuerungswirkung zur Konfl iktvermeidung und -minderung im Rahmen der bauli-chen Entwicklung der Gemeinde zu.
28
BETROFFEN-
HEITSGRAD
ARTENSCHUTZRECHTLICHE KONFLIKTE EMPFEHLUNG / HINWEIS
Artenschutzrechtliche Konfl ikte sind nicht erkennbar.
Fläche ist unter Artenschutzaspekten für eine
Bebauung geeignet.
Kein derzeit erkennbarer weiter gehender
Erfassungsbedarf zum Artenschutz auf FNP-
Ebene und folgenden Planungsebenen.sehr gering
Artenschutzrechtliche Konfl iktsachverhalte sind in
geringem Umfang zu erwarten bzw. möglich. Unter Be-
rücksichtigung wenig aufwändiger Vermeidungs- bzw.
Minderungsmaßnahmen und ggf. funktionserhaltender
Maßnahmen (CEF) wird eine Berührung artenschutz-
rechtliche Verbote aber verhinderbar.
Fläche ist unter Artenschutzaspekten für eine
Bebauung geeignet.
Derzeit kein erkennbarer weiter gehender
Erhebungsbedarf zum Artenschutz auf
FNP-Ebene.
Auf folgenden Planungsebenen können in
geringem Umfang Erfassungen zur Konkre-
tisierung von Maßnahmen erforderlich sein
(hierzu nach Möglichkeit bereits Hinweise
geben).
gering
Artenschutzrechtliche Konfl iktsachverhalte sind zu
erwarten bzw. möglich. Unter Berücksichtigung von
Vermeidungs-/Minderungsmaßnahmen sowie funkti-
onserhaltenden Maßnahmen (CEF) wird eine Berüh-
rung artenschutzrechtlicher Verbote aber aller Voraus-
sicht nach verhinderbar. Die notwendigen Maßnahmen
können die Aussparung bestimmter Flächen von einer
Bebauung, einen relevanten zeitlichen Vorlauf und das
Erfordernis plangebietsexterner funktionserhaltender
Flächen, ggf. in direktem räumlichen Anschluss an die
Eingriffsfl ächen, einschließen.
Fläche ist unter Artenschutzaspekten eingeschränkt
für eine Bebauung geeignet.
Derzeit kein erkennbarer weiter gehender
Erhebungsbedarf zum Artenschutz auf
FNP-Ebene.
Modifi kation des Plangebiets und Aus-
weisung bzw. Vorhaltung voraussichtlich
geeigneter Maßnahmenfl ächen nach fachli-
chem Hinweis wird empfohlen. Auf folgen-
den Planungsebenen können in größerem
Umfang Erfassungen zur Konkretisierung von
Maßnahmen erforderlich sein (hierzu nach
Möglichkeit bereits Hinweise geben).
mittel
Artenschutzrechtliche Konfl iktsachverhalte sind in gro-
ßem Umfang zu erwarten bzw. möglich. Aufwändige
Vermeidungs-/Minderungsmaßnahmen sowie funkti-
onserhaltende Maßnahmen (CEF) – einschließlich ggf.
plangebietsexterner – mit höherem Flächenanspruch
und ggf. längerem zeitlichen Vorlauf werden voraus-
sichtlich erforderlich. Die Notwendigkeit einer arten-
schutzrechtlichen Ausnahme ist abhängig von weiteren
Detailprüfungen nicht auszuschließen.
Fläche ist unter Artenschutzaspekten nur unter erheb-
lichen Einschränkungen und besonderen Rahmenbe-
dingungen für eine Bebauung geeignet.
Es bestehen Zulassungsrisiken für den FNP
bzw. die Realisierung der damit verfolgten
Ziele auf folgenden Planungsebenen. Die
Prüfung von Alternativen wird empfohlen,
andernfalls zunächst eine detailliertere
Bestandserfassung zu möglicherweise ent-
scheidungserheblichen Arten bzw. Arten-
gruppen und die vertiefte Vorabprüfung der
Verfügbarkeit von Maßnahmenfl ächen in
erforderlicher Qualität und Quantität bereits
auf FNP-Ebene.
hoch
Artenschutzrechtliche Konfl iktsachverhalte sind in
sehr großem Umfang zu erwarten bzw. möglich. Die
Zulassung wäre - abhängig von weiteren Detailprü-
fungen - voraussichtlich allenfalls im Rahmen einer
artenschutzrechtlichen Ausnahme zu erwarten und
möglicherweise auch dann mit Problemen behaftet. Es
ist nicht auszuschließen, dass auch eine ausnahmswei-
se Zulassung ausscheidet.
Fläche wird unter Artenschutzaspekten als ungeeignet
für eine Bebauung eingestuft.
Es bestehen erhebliche Zulassungsrisiken
für den FNP bzw. die Realisierung der damit
verfolgten Ziele auf folgenden Planungsebe-
nen. Es wird empfohlen, die Fläche nicht für
eine Bebauung vorzusehen. Andernfalls sind
detaillierte Bestandserfassungen zu mögli-
cherweise entscheidungserheblichen Arten
bzw. Artengruppen, notwendigen Maß-
nahmen und zumutbaren Alternativen bereits
auf FNP-Ebene erforderlich.
sehr hoch
29
Es wird dabei auf die Herangehensweise des
so genannten „Biodiversitäts-Checks“ für
Gemeinden verwiesen, der als Baustein des
Aktionsplans Biologische Vielfalt des Landes
Baden-Württemberg erarbeitet worden ist. a)
Das zweistufi ge Verfahren ist gerade auch als
Grundlage für die kommunale Landschaftspla-
nung sowie für die Bauleitplanung gedacht und
kann bei (auch) gezielter Auseinandersetzung
mit den artenschutzrechtlich relevanten Arten
innerhalb der jeweiligen Gemeinde umfang-
reich Hilfestellung geben. Es bietet sich an,
Checklisten ggf. relevanter Arten bzw. Arten-
gruppen auf Gemeindeebene zu erstellen und
diese fl ächenbezogen im Sinne eines Relevanz-
checks zu konkretisieren.
Die nebenstehende Tabelle zeigt mögliche
Konfl iktstufen einer Beurteilung auf FNP-Ebe-
ne und daraus resultierende Empfehlungen.
ERGEBNISSE AM BEISPIEL
Nachfolgend werden für den gedachten Fall
einer potenziellen Ausweisung als Wohnbau-
fl äche beispielhaft verschiedene Situationen
gezeigt, die anhand der vorgeschlagenen Ska-
lenstufen (s. nebenstehende Tabelle) bewertet
und kurz textlich erläutert werden. Es wird
ausdrücklich hervorgehoben, dass dies keinen
vollständigen „Bildbestimmungsschlüssel“ für
Artenschutzkonfl ikte darstellt. Die Beispiele
sind an konkrete Praxisfälle angelehnt.
Voreinschätzung von Flächenalternativen hin-sichtlich des besonderen Artenschutzes im Rahmen des Flächennutzungsplans (FNP) - Beispielskala mit Differenzierung in 5 Betroffenheits-grade, aus denen jeweils unterschiedliche Konse-quenzen für das weitere Vorgehen abgeleitet wer-den können (etwas verändert nach Trautner 2020). a) s. Broschüre des MLR (2013)
BETROFFENHEITSGRAD SEHR GERING
Vielschüriges Intensivgrünland (Bildvordergrund)
ohne relevante Begleitstrukturen im Anschluss an die
vorhandene Ortslage. Allenfalls als Nahrungsfl äche
für einzelne Vogelarten mit großen Raumansprüchen
(etwa Rotmilan, Weißstorch) als Teillebensraum rele-
vant, hierbei jedoch (ggf. abhängig von Flächenrela-
tionen) keine essenziellen Funktionen erkennbar, so
dass selbst eine mittelbare Berührung artenschutz-
rechtlicher Verbotstatbestände ausgeschlossen
werden kann.
30
BETROFFENHEITSGRAD GERING
Überwiegend Intensivgrünland (vgl. vorstehendes
Beispiel). Randlich und mit geringen Flächenanteilen
Strukturen mit Lebensraumpotenzial für einzelne,
überwiegend verbreitete gehölzbrütende Vogelarten
und die Zauneidechse (hier an Straßenböschung) vor-
handen, die jedoch voraussichtlich ohnehin in ihren
Funktionen erhalten werden können.
BETROFFENHEITSGRAD MITTEL
Wald mittlerer Standorte mit eher geringem Baumal-
ter sowie einförmig geschlossener Bestandsstruktur
(links) und Gehölz-Grünland-Komplex mit eingestreu-
ten Obstbaumzeilen und teils intensiver, teils exten-
siverer Nutzung (rechts). In beiden Fällen mit zwar
vorhandenem, aber geringem und nicht über in groß-
räumig im Umfeld vorhandenen Beständen hinaus
gehendem Anteil an Totholz und kleineren Baumhöh-
len. Daher keine herausgehobene Bedeutung für alt-
und totholzbewohnende Arten zu erwarten.
Zudem nicht im Verbreitungsgebiet des Juchtenkä-
fers (Eremit) gelegen. Möglichkeiten für ggf. erfor-
derliche funktionserhaltende Maßnahmen bestehen
durch deutlich aufwertbare Flächen bzw. Lebensräu-
me im Umfeld. Zu aufwändigeren Maßnahmenerfor-
dernissen könnten etwa Vorkommen der Zauneidech-
se (rechts) oder der Haselmaus (links) auch mit der
Folge von spezifi schem Individuenschutz im Vorfeld
und während der Bauphase führen.
31
Offenland-Lebensraumkomplexe mit in Kernberei-
chen geringen Sichtkulissen, eher höheren Grenz-
linienlängen zwischen verschiedenen Nutzungen
oder/und teils artenreichen, nutzungsbegleitenden
offenen Strukturen (gehölzarmen Rainen, Brachen).
Abhängig u. a. von der Lage im oder außerhalb des
aktuellen Verbreitungsgebiets bestimmter Vogelar-
ten kann es zu fallweise sehr unterschiedlicher
Einstufung kommen. Bei hochgradig bedrohten
Vogelarten in ihren aktuellen Schwerpunktgebieten
BETROFFENHEITSGRAD MITTEL BIS SEHR HOCH
(etwa Grauammer, Kiebitz, Rebhuhn) ist ein Funkti-
onserhalt oft nicht oder nicht sicher möglich und eine
ausnahmsweise Zulassung auf nachfolgender
Planungsstufe nicht zu erwarten. Bei gefährdeten,
aber noch weiter verbreiteten Arten wie der Feld-
lerche können plangebietsexterne Maßnahmen in
größerem Umfang notwendig werden, wofür eine
Vorabschätzung potenziell verfügbarer Flächen bzw.
Räume erforderlich ist.
Größeres Obstwiesengebiet im Verbreitungsgebiet
von Wendehals und Bechsteinfl edermaus (links;
Betroffenheitsgrad jedenfalls bei beabsichtigter
größerer Flächeninanspruchnahme sehr hoch) und
strukturreiches Kiesgruben-Areal (rechts). Je nach
Flächengröße und räumlicher Lage kann es neben
schwer oder funktional nicht kompensierbaren Ein-
BETROFFENHEITSGRAD SEHR HOCH
griffen in Fortpfl anzungs- und Ruhestätten auch zur
erheblichen Störung lokaler Populationen von Arten
kommen, im rechts gezeigten Fall etwa für die Vogel-
arten Flussregenpfeifer und Uferschwalbe oder für
die Amphibienart Kreuzkröte, im links gezeigten Fall
etwa für den Wendehals.
32
Die nachfolgende Darstellung zeigt ein Beispiel
aus einer entsprechenden Bewertung von neu
geplanten Wohn- oder Gewerbefl ächen aus der
Bearbeitungsphase der FNP-Fortschreibung
einer Gemeinde (Auszug), die Teil des fachli-
chen Beitrags für den Abwägungs- und Ent-
scheidungsprozess darstellt. Mit hohen bzw.
sehr hohen Konfl ikten (hier in Rot) dargestellte
Flächen sind im Hinblick auf die Frage, ob
eine spätere Verwirklichung der beabsichtigten
Entwicklung unter Artenschutzgesichtspunkten
scheitern könnte, vertieft zu prüfen. Es sollte
ansonsten erwogen werden, diese Flächen aus
dem Planentwurf heraus zu nehmen (vgl. Emp-
fehlungen für diese Stufen des Betroffenheits-
grades in Tabelle auf S. 28.).
KANN EINE ARTENSCHUTZ-RECHTLICHE AUSNAHME ERFOR-DERLICH UND MÖGLICH SEIN?Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines
Bauleitplans ist u. a., dass artenschutzrechtliche
Verbote in Folge einer späteren Realisierung
dort vorgezeichneter Vorhaben nicht verletzt
werden, andernfalls durch Maßnahmen vermie-
den oder funktionserhaltend (im Sinne des § 44
Abs. 5 BNatSchG) bewältigt werden können,
oder dass eine objektive „Ausnahmelage“ nach
§ 45 Abs. 7 BNatSchG, die unter Beteiligung
der zuständigen Naturschutzbehörde festgestellt
wurde, vorliegt.
Für eine solche „Planung in eine Ausnahmelage
hinein“ müssen verschiedene Voraussetzungen
erfüllt sein, die auf der jeweiligen Planungsebe-
ne angemessen zu prüfen und darzulegen sind.
Insbesondere die Frage, ob für einen solchen
Fall zumutbare Alternativen fehlen, sollte
bereits auf Ebene der Flächennutzungsplanung
geprüft werden, denn gerade hier eröffnen sich
die besten Möglichkeiten für eine Konfl iktver-
meidung.
Beispiel der Artenschutz-Bewertung von neu geplanten Wohn- oder Gewerbefl ächen aus der Bearbeitungsphase der FNP-Fortschreibung einer Gemeinde (Auszug, verändert). Hier mit nur 3 Stufen des Betroffenheitsgrads (in Tabelle auf S. 28 ist eine fei-nere Differenzierung in 5 Stufen vorgeschlagen).Geobasidaten: © Landesamt für Geoinformation und Landent-wicklung, www.lgl-bw.de
hoch
mittel
gering
33
Die Planung in eine Ausnahmelage hinein ist
möglich, wenn sich für die Stadt oder Gemein-
de keine zumutbaren Alternativen bieten, zwin-
gende Gründe des überwiegenden öffentlichen
Interesses vorliegen und zugleich sichergestellt
werden kann, dass sich für die Populationen
der betreffenden Arten keine Verschlechterung
ihres Erhaltungszustands ergibt (neutrale Folgen
des Vorhabens), wofür auch Maßnahmen ergrif-
fen werden können.
Die zu überwindenden Hürden sind allerdings,
abhängig von den konkret betroffenen Arten,
unterschiedlich hoch. Bei geschützten und
zugleich hochgradig gefährdeten Arten kann
die Erteilung einer Ausnahme bzw. deren
„In-Aussicht stellen“ daran scheitern, dass eine
Verschlechterung des Erhaltungszustands nicht
oder nicht mit einer für die Erteilung ausrei-
chenden Prognosesicherheit vermieden werden
kann. Dies etwa dann, wenn Schwerpunktge-
biete der aktuellen Verbreitung auf regionaler,
Landes- oder Bundesebene betroffen sind und/
oder die erforderlichen Maßnahmen nicht, nur
sehr langfristig oder mit unsicherem Ausgang
durchführbar sind.
Auf FNP-Ebene müssen die für eine arten-
schutzrechtliche Ausnahme erforderlichen
Maßnahmen nicht detailliert geplant werden
und auch noch nicht rechtlich gesichert sein. Es
muss allerdings plausibel dargelegt und seitens
der zuständigen Naturschutzbehörde mitgetra-
gen bzw. bestätigt werden, dass für die spätere
Verwirklichung von Vorhaben entsprechend der
beabsichtigten Flächendarstellungen im FNP
die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Aus-
nahme in Aussicht gestellt werden kann.
Zuständige Behörde im Fall eines Ausnahmeer-
fordernisses ist für die artenschutzrechtlichen
Fragen zunächst die untere Naturschutzbe-
hörde; sie trifft auch die Entscheidung, sofern
ausschließlich besonders geschützter Arten
(hier i. d. R. häufi ger vorkommende Vogelar-
ten) betroffen sind. Bei Betroffenheit streng
geschützter Arten oder sowohl besonders wie
streng geschützter ist die Höhere Naturschutz-
behörde (Regierungspräsidium) zuständig.
Zur vorbereitenden Sicherung von Flächen eignet sich insbesondere die Darstellung als Maßnahmen-fl ächen zugunsten von Natur und Landschaft nach § 5 Abs. 2 Nr. 10
BauGB (Ausschnitt aus dem FNP einer Gemeinde).
Die mit dem FNP dargestellte,beabsichtigte bauliche Entwick-lung einer Gemeinde ist auf den nachfolgenden Planungsebe-nen besser umsetzbar, wenn wesentliche artenschutzrecht-liche Konfl ikte bereits auf FNP-Ebene identifi ziert und eingegrenzt werden konnten.
Flächen für Maßnahmen
zum Schutz, zur Pfl ege und
zur Entwicklung von Boden,
Natur und Landschaft
(§ 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB)
34
im räumlichen Zusammenhang weiterhin
erfüllt oder sind funktionserhaltende
Maßnahmen möglich (§ 44 Abs. 5 Satz 3 in
Verbindung mit Satz 2 Nr. 3 BNatSchG)?
• Können ggf. auch Maßnahmen zur Vermei-
dung einer erheblichen Störung (§ 44 Abs. 1
Nr. 2 BNatSchG) erforderlich sein?
• Wird aufgrund der späteren Vorhabenre-
alisierung ggf. eine Ausnahme nach § 45
BNatSchG erforderlich und wenn ja: welche
Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt
werden?
• Was ist im Sinne einer Ökologischen Baube-
gleitung bzw. eines Monitorings notwendig?
Ebenso wie auf Ebene des FNP können einige
der o. g. Fragen sinnvollerweise als Bestandteil
der Auswirkungen auf Tiere, Pfl anzen sowie
die biologische Vielfalt insgesamt behandelt
werden, da ohnehin nicht nur die geschützten
Arten für die bauleitplanerische Abwägung
relevant sind. Eine integrierte Betrachtung von
geschützten und nicht geschützten Arten kann
zudem die Effi zienz im Planverfahren steigern.
Im Gegensatz zur vorbereitenden Ebene des
FNP müssen die erforderlichen artenschutz-
bezogenen Maßnahmen im Bebauungsplan
mit Ausnahme von bestimmten Details oder
Einzelmaßnahmen, die erst mit dem jeweili-
gen Bauvorhaben bzw. baubegleitend geregelt
werden können, umfassend ermittelt und
festgelegt sowie rechtlich gesichert werden. Das
Erfordernis hierzu ergibt sich daraus, dass die
im Bebauungsplan vorgesehenen Festsetzungen
im späteren Vollzug nicht auf dann nicht mehr
überwindbare artenschutzrechtliche Hindernis-
se treffen dürfen. Gerade wenn (vorgezogene)
Ausgleichsmaßnahmen zur Vermeidung der Re-
alisierung von Verbotstatbeständen erforderlich
sind, kann eine zusammenhängende Planung,
Absicherung und Umsetzung der Maßnahmen
nötig sein, da dies auf der Ebene der Zulassung
von Einzelvorhaben ggf. nicht mehr möglich ist.
VORRANGIGE FRAGENDer Bebauungsplan (B-Plan) enthält die rechts-
verbindlichen Festsetzungen für die städte-
bauliche Ordnung und bildet die Grundlage
für weitere, zum Vollzug des Baugesetzbuchs
erforderliche Maßnahmen (§ 8 Abs. 1 BauGB).
Im Bebauungsplanverfahren kann – sowohl bei
klassischen Angebotsplanungen als auch bei
vorhabenbezogenen Bebauungsplänen – eine
detaillierte Auseinandersetzung mit arten-
schutzfachlichen und -rechtlichen Belangen
erforderlich sein. Dies ist abhängig von den
konkreten, auch naturräumlich bedingten
Gegebenheiten des Einzelfalls sowie den Wirk-
faktoren der mit dem Bebauungsplan geplanten
Vorhaben und deren Ausprägung.
Die zentral auf Ebene des B-Plans zum Ar-
tenschutz zu beantwortenden Fragen bzw. zu
klärenden Sachverhalte sind:
• Welche planungsrelevanten Arten kommen
im Wirkbereich des Bebauungsplans vor
(Auswertung bzw. Bestandserfassung,
s. Kap. 6)?
• Welche Bedeutung bzw. welches objektive
Gewicht kommt Beständen artenschutz-
rechtlich geschützter Arten im Rahmen der
Umweltprüfung und Abwägung zum B-Plan
zu?
• Werden Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1
BNatSchG im Rahmen der späteren
Vorhabenrealisierung berührt (art- und
verbotsspezifi sch, für häufi ge und verbreite-
te Arten ggf. als funktionale Gruppen oder
Gilden) a) ?
• Kann mit bestimmten Minderungs- oder
Vermeidungsmaßnahmen im Sinne des § 44
Abs. 5 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG der
Eintritt von Verbotstatbeständen (insbeson-
dere signifi kant erhöhter Tötungsrisiken)
ganz oder teilweise vermieden werden?
• Wird die ökologische Funktion der betrof-
fenen Fortpfl anzungs- und Ruhestätten
Artenschutz bei der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen
8
a) Bei häufi gen und verbreiteten
Arten, etwa mit einer großen An-
passungsfähigkeit und günstigem
Erhaltungszustand, die von geringer
naturschutzfachlicher Relevanz sind,
kann in der Prüfung auf Gruppen
oder so genannte „Gilden“ abge-
stellt werden, etwa die Gilde der
häufi gen Gebüschbrüter, ubiquitärer
oder „Allerweltsarten“. Bei solchen
kann im Regelfall davon ausgegan-
gen werden, dass – jedenfalls unter
Berücksichtigung zeitlicher Vorgaben
zur Tötungsvermeidung (Ausschluss
der Hauptbrutzeiten) – nicht gegen die
Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG
verstoßen wird.
Solche aus naturschutzfachlicher
Wertung nicht als planungsrelevant
eingestufte Arten müssen dennoch
angemessen gewürdigt und „das
Nichtvorliegen der Verbotstatbestän-
de […] für diese Arten in geeigneter
Weise“ dokumentiert werden.
Nur im Ausnahmefall ist bei solchen
Arten über baubedingte Tötungs- oder
Verletzungsrisiken hinaus eine Prüfung
der Verbotstatbestände im Einzelnen
erforderlich, etwa bei einer abwei-
chend zur landesweiten Einstufung
vorliegenden Bedrohung im Naturraum
oder „bei bedeutenden lokalen Popula-
tionen mit nennenswerten Beständen
im Bereich des Plans oder Vorhabens“
(BVerwG, Beschl. v. 8.3.2018 - 9 B
25.17, Rn. 24 ff.).
35
VORGEHENSWEISE UND ZUSTÄNDIGE BEHÖRDENDer Bebauungsplan bedarf einer Begründung
(§ 9 Abs. 8 BauGB) mit Umweltbericht unter
Darlegung auch der ermittelten und bewerteten
Belange des Artenschutzes zur Klärung der auf
nebenstehender Seite dargestellten, vorrangigen
Fragen. Zu grundsätzlichen Inhalten und dem
Ablauf s. Kap. 5, S.20.
Bebauungspläne sind grundsätzlich nicht
genehmigungspfl ichtig. Nur selbstständige
Bebauungspläne (§ 8 Abs. 2 BauGB), vorzeitige
Bebauungspläne (§ 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB) und
vorzeitig bekannt gemachte Bebauungspläne
(§ 8 Abs. 3 Satz 2 BauGB), also solche, die nicht
aus dem Flächennutzungsplan entwickelt sind,
bedürfen der Genehmigung durch die zuständi-
ge Behörde (§ 10 Abs. 2 BauGB im Verbindung
mit § 1 BauGB-DVO).
Für eine zeiteffi ziente und artenschutzfachlich
optimierte Bebauungsplanung ist es zweckmä-
ßig, wenn bereits auf Ebene der Flächennut-
zungsplanung eine qualifi zierte Abschichtung
besonders konfl iktträchtiger Standorte unter
Artenschutzgesichtspunkten erfolgt ist.
In solchen Planungssituationen, in denen al-
lenfalls geringe oder sehr geringe Konfl ikte für
ein Plangebiet zu erwarten sind (analog Tab. in
Kap. 7, S. 28), ist es möglich, dass auf Ebene des
Bebauungsplans lediglich eine Plausibilisierung
der vorhandenen FNP-Einschätzung – insbeson-
dere vor dem Hintergrund der seither vergan-
genen Zeit b) und möglicher eingetretener
Änderungen auf der Fläche oder eines erwei-
terten Kenntnisstandes – vorgenommen wird.
Zumindest kann in einer solchen Planungssitu-
ation der Aufwand für zusätzliche Ermittlungen
reduziert sein.
Auf die Möglichkeit, unter bestimmten Rah-
menbedingungen auf worst case-Annahmen
bzw. Wahrunterstellungen zurückzugreifen,
wird nochmals hingewiesen (s. dazu Kap. 6).
Jedenfalls bei einer Lebensstätten-Nutzung, die
über die Jahre einem stärkeren räumlichen
Wechsel unterliegt, wie etwa diejenige, die sich
durch ein konkretes Nest oder die Besetzung
einer bestimmten Baumhöhle
manifestiert, kann es ohnehin
zielführend bzw. erforderlich
sein, wenn „neben der – nie
vollständig möglichen – Erfas-
sung konkret genutzter Schutz-
stätten das grundsätzliche
Habitatpotenzial eines Unter-
suchungsraums“ c) abgeschätzt
wird und dies in die arten-
schutzfachliche wie -rechtliche
Beurteilung angemessen eingestellt wird.
Noch stärker als auf der Ebene der Flächen-
nutzungsplanung hängt auf der Ebene der
Bebauungsplanung der zeitliche Ablauf des
Planverfahrens bis zum Satzungsbeschluss bzw.
– sofern erforderlich – bis zur Genehmigung von
der Komplexität der zu bearbeitenden Frage-
stellungen ab. Der Zeitraum zwischen Satzungs-
beschluss und möglichem Beginn konkreter
baulicher Tätigkeiten ist u. a. davon abhängig,
ob zunächst die Funktionserfüllung festgesetzter
artenschutzbezogener Maßnahmen (im Sinne
des § 44 Abs. 5 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2
Nr. 3 BNatSchG) gegeben sein muss, wofür i. d.
R. ein gewisser zeitlicher Vorlauf erforderlich ist
(ein- bis ggf. mehrjährige Zeiträume). Gleiches
gilt für Maßnahmen im Sinne des § 44 Abs. 5
Satz 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG.
Eine gute Basis für die Beurteilung artenschutz-
fachlicher und -rechtlicher Belange auf Bebau-
ungsplanebene ist zunächst die Auswertung und
Heranziehung vorhandener Daten und einer
Übersichtsbegehung in Frage stehender Flächen
durch Personen, die eine qualifi zierte Erstein-
schätzung zur möglichen Betroffenheit des
Artenschutzes abgeben können (Relevanzcheck
b) Unabhängig von ggf. früher struktu-
rell eingetretenen, einfach erkenn-
baren Veränderungen hat sich hierzu
ein Orientierungswert von 5 Jahren
herausgebildet, ab dem die Aktuali-
tät naturschutzfachlicher Daten und
Bewertungen jedenfalls geprüft bzw.
plausibilisiert werden sollte.
c) so VGH Bad.-Württ., Urt. v.
18.4.2018, Az. 5 S 2105/15
Bevor ein neues Wohngebiet erschlossen werden kann, sind im Rahmen des Bebauunsplans auch artenschutzrechtliche Fragen zu klären. Erforderliche Maßnahmen sind umfassend zu ermitteln, festzulegen und rechtlich zu sichern.
36
FESTSETZUNGEN IM B-PLAN UND UMGANG MIT PLANEXTER-NEN FLÄCHEN/MASSNAHMENWas im Bebauungsplan festgesetzt werden darf,
ist abschließend in § 9 Abs. 1 bis 4 BauGB gere-
gelt. Ein darüber hinaus gehendes Festsetzungs-
fi ndungsrecht besteht nicht. Im Bebauungsplan
können u. a. die in der folgenden Tabelle erläu-
terten Festsetzungen getroffen werden.
Die Festsetzung kann im gegenständlichen
Bebauungsplan (= plangebietsintern) oder
einem anderen (= plangebietsextern) vorge-
nommen werden (§ 9 Abs. 1a BauGB). Zudem
und darauf basierende Bewertung, ggf. bereits
durch die FNP-Bearbeitung vorhanden, s.
Kap. 6 und 7). In den meisten Fällen dürfte zu-
sätzlich eine Bestandsuntersuchung erforderlich
sein. Prüfungsumfang und Prüfungsdichte
ergeben sich aus dem konkreten Einzelfall
(u. a. anhand der potenziell betroffenen Arten
bzw. Artengruppen). Dies ist im Praxisbeispiel
ab S. 37 exemplarisch und vertieft dargestellt.
BEZUG ZUM ARTENSCHUTZ (BEISPIELE)
Etwa zur Minderung der von zukünftigen
Gebäuden in einem Baugebiet ausge-
henden Störwirkungen auf angrenzende
Flächen, ggf. auch zur Minderung von
Tötungsrisiken
Etwa als erforderlicher Korridor für
tages- oder jahreszeitliche Ortsverän-
derungen relevanter Tierarten oder als
Abstands- und Pufferfl äche zu sensiblen,
angrenzenden Lebensstätten
Insbesondere zur Sicherung, Optimie-
rung oder Neuschaffung von Lebensstät-
ten relevanter Tier- oder Pfl anzenarten;
auch Maßnahmen zum Schutz vor schäd-
lichen Auswirkungen von Glas und Licht
Etwa zur Sicherung von Pfl egemaß-
nahmen in ansonsten un- oder schwer
zugänglichen Bereichen
Etwa zur Minderung von Störwirkungen
auf angrenzende Flächen, zur Minderung
von Tötungsrisiken, ggf. auch zur Si-
cherung der „Durchwanderbarkeit“ von
Bereichen eines Gebiets für Tierarten
Etwa zur Sicherung der Funktionsfähig-
keit spezieller Maßnahmen im Ablauf
einer Erschließung bzw. Bebauung (zeit-
liche Staffelung); so können bestimmte
Bautätigkeiten erst zulässig sein, wenn
die herzustellenden Artvorkommen in
bestimmten Maßnahmenfl ächen nachge-
wiesen wurden
RECHTSGRUNDLAGE
§ 9 Abs. 1 Nrn. 1 ff. BauGB
§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB
§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB
§ 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB
§ 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB
§ 9 Abs. 2 BauGB;
so genannte „bedingte
Baurechte“
FESTSETZUNGSMÖGLICHKEIT
Art und Maß sowie bestimmte weitere
Vorgaben für die zulässigen baulichen
Nutzungen
Flächen, die von der Bebauung freizu-
halten sind, und deren Nutzung
Flächen oder Maßnahmen zum Schutz,
zur Pfl ege und zur Entwicklung von
Boden, Natur und Landschaft
Mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten
zugunsten der Allgemeinheit o. a. zu
belastende Flächen
Bestimmte Anpfl anzungen oder Pfl anz-
bindungen für Flächen sowie für Teile
baulicher Anlagen (Ausnahme land-
wirtschaftliche Nutzungen oder Wald)
Zeitliche Beschränkung der Zulässig-
keit bestimmter festgesetzter baulicher
oder sonstiger Nutzungen und Anlagen
bzw. deren Zulässigkeit oder Unzu-
lässigkeit bis zum Eintritt bestimmter
Umstände; dabei soll die Folgenutzung
festgesetzt werden
Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan mit Bezug zum Artenschutz (Auszug und Beispie-le, keine vollständige Aufl istung).
37
können weitere plangebietsexterne Maßnahmen
außerhalb von Bebauungsplangebieten um-
zusetzen sein. Es ist darauf hinzuweisen, dass
die fachlichen Anforderungen an bestimmte
artenschutzrechtliche Maßnahmen i. d. R. nicht
innerhalb oder im Nahbereich von Gebäuden
oder etwa von beleuchteten Bereichen erfüllt
werden können und daher eine plangebietsex-
terne Maßnahme in spezifi scher Umfeldsituati-
on zwingend erforderlich sein kann.
Für die rechtliche Sicherung der Umsetzung
von Festsetzungen und für detaillierte Rege-
lungen zur praktischen Abwicklung sowie für
weitere Maßnahmen kommen, insbesondere
auch für plangebietsexterne Maßnahmen, plan-
ergänzende städtebauliche Verträge nach
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in Betracht.
Beispiele für Festsetzungen sowie externe
Maßnahmen mit Artenschutzrelevanz sind in
nebenstehender Tabelle zusammengestellt und
im folgenden Fallbeispiel dargestellt.
ERGEBNISSE AM BEISPIELAusgangssituation
Eine Gemeinde plant ein neues Wohngebiet in
Ortsrandlagea). Hierzu soll ein Bebauungsplan
aufgestellt werden. Der vorgesehene Geltungs-
bereich umfasst überwiegend Äcker, daneben
einzelne Parzellen mit Grünland, Brachen,
Obstbaumbestand und sons-
tigen Gehölzen (Abbildung
unten).
Auf Basis eines Relevanzchecks
wird ein artenschutzbezoge-
nes Untersuchungsprogramm
abgeleitet, das die folgenden
Arten bzw. Artengruppen um-
fasst: Brutvögel, Fledermäuse
(insbesondere Bedeutung der
am Südrand des Gebiets verlaufenden Gehölz-
struktur als mögliche Flugstraße/Transferroute
zwischen Siedlungsbereich mit möglichen Quar-
tieren und dem Umfeld), Zauneidechse, Nacht-
kerzenschwärmer und die Äcker besiedelnde
Pfl anzenart Spelz-Trespe. Auf eine Bestands-
kontrolle der Haselmaus wird in Abstimmung
mit der unteren Naturschutzbehörde verzichtet,
FALLBEISPIEL B-PLAN – VORGESEHENER GELTUNGSBEREICH
Ortsrandsituation mit Gehölz-gruppen, Grünland und angren-zendem Ackerbereich: Eine häufi g anzutreffende Situation bei der Bebauung neuer Wohnbaufl ä-chen im Außenbereich.
a) Fiktivbeispiel, orientiert an zahlrei-
chen Praxisfällen
FALLBEISPIEL B-PLAN – ABGRENZUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETS
Bei der Abgrenzung des Untersuchungsgebiets
wird berücksichtigt, dass das neue Wohngebiet
durch seine Kulisse nach Westen hin Feldvogel-
vorkommen der offenen Landschaft mit mitt-
lerweile gefährdeten Arten wie die Feldlerche
beeinträchtigen kann. Daher wird das Untersu-
chungsgebiet in diese Richtung deutlich größer
als der Geltungsbereich des Bebauungsplans
abgegrenzt (Abbildung unten).
38
weil die Wahrscheinlichkeit eines Vorkommens
der Art unter den gegebenen Rahmenbedingun-
gen bei sehr kleinen, zudem überwiegend als
weniger geeignet eingestuften
Gehölzbeständen ohne Anbin-
dung an Wald oder umfang-
reiche Heckenstrukturen als
lediglich sehr gering bewertet
und die Art nicht erwartet
wird. Es wird darüber hinaus
kein zusätzlicher Erfassungs-
bedarf für die Ermittlung der
Belange des Naturschutzes
und der Landschaftspfl ege in
Form von Artbestandsaufnahmen gesehen, d. h.
im vorliegenden Fall wird die Beschränkung auf
die im engeren artenschutzrechtlichen Kontext
relevanten Arten auch für die bauleitplanerische
Gesamtabwägung als ausreichend erachtet.
Bestandserfassungen der Brut-vogelfauna gehören zu regel-mäßigen umweltfachlichen Aufgaben bei der Aufstellung eines B-Plans.
FALLBEISPIEL B-PLAN – BESTANDSSITUATION BRUTVÖGEL (REVIERZENTREN)
39
Weiteres Vorgehen im Grundbeispiel
Im Grundbeispiel wird weder eine relevante
Fledermausfl ugstraße oder ein Fledermausquar-
tier im B-Plangebiet, noch werden Vorkommen
von Spelz-Trespe, Zauneidechse oder Nachtker-
zenschwärmer nachgewiesen, so dass eine Be-
troffenheit nicht gegeben ist. Die artenschutz-
rechtlich und -fachlich relevanten Sachverhalte
beschränken sich auf die Gruppe der Brutvögel.
Bei diesen befi nden sich einzelne Reviere
naturschutz- und planungsrelevanter Arten in-
nerhalb des B-Plangebiet bzw. seines möglichen
Wirkraums (Abbildung unten). Häufi ge und
verbreitete Arten werden in Text und Tabellen
mit dokumentiert, eine spezifi sche Einzelbeur-
teilung für diese Arten ist im vorliegenden Fall
aber nicht erforderlich (vgl. auch S. 34).
Bei der Erfassung von Fledermäusen kommen u.a. Ultraschall-Detektoren sowie der Fang und die Besenderung von Tieren zur Auffi ndung ihrer Quartiere zum Einsatz.
nahmen. Gelingt dies, ohne das Ziel und die
Grundkonzeption des B-Plans in Frage zu
stellen, stellen sich artenschutzrechtlich keine
durchschlagenden Hindernisse.
Ist eine Vermeidung im artenschutzrechtlichen
Sinn nicht vollumfänglich möglich, so stellt sich
i. d. R. insbesondere die Frage nach funktions-
erhaltenden Maßnahmen im Sinne des § 44
Abs. 5 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 3
BNatSchG für die betroffenen Fortpfl anzungs-
und Ruhestätten, soweit nicht auch noch Fragen
des Individuenschutzes (s. dazu das Beispiel
Zauneidechse ab S. 44) oder ggf. einer erhebli-
chen Störung zu behandeln sind.
40
Es erfolgt eine differenzierte Auseinanderset-
zung damit, bei welchen der wertgebenden
Vogelarten welche Beeinträchtigungen (bei Rea-
lisierung der auf Basis des B-Plans ermöglichten
Bebauung und Infrastruktur) zu erwarten und
als Verbotstatbestände zu be-
werten sind. Bei der Feldlerche
wird bezogen auf vorliegende
Literatur ein kulissenbedingter
Störeffekt bis 150 m Distanz
berücksichtigt. Zudem wird
geprüft, bei welchen Arten die
Vermeidung verbotsrelevanter
Beeinträchtigungen erreicht
werden kann, etwa durch
kleinräumig geänderte Abgren-
zung der geplanten Erschließung und Bebauung
oder durch spezifi sche andere Schutzmaß-
Die Feldlerche ist eine gefähr-dete Art der Ackerlandschaft und meidet die Nähe von Kulissen.
FALLBEISPIEL B-PLAN – ERMITTLUNG VON KONFLIKTEN
FALLBEISPIEL B-PLAN – ABLEITUNG VON MASSNAHMEN
41
In der konkreten Planung (Entwurf des Plans)
wird den erwarteten artenschutzrechtlichen Kon-
fl ikten mit Vogelarten durch eine Kombination
aus Vermeidung, plangebietsinternen und plan-
gebietsexternen Maßnahmen begegnet. Diese
führen in Teilen zu einer vertretbaren Reduktion
der geplanten Wohnbaufl äche bei gleichzeitigem
Erhalt, Neuanlage und spezifi scher Optimierung
bzw. Pfl ege bestimmter Grünstrukturen. Zudem
ist eine plangebietsexterne Maßnahme für die
Feldlerche vorgesehen.
Die Maßnahmen M1 und M2 am südlichen und
nördlichen Gebietsrand beinhalten die dauerhaf-
te Pfl ege von Grünfl ächen und/oder Gehölz-
beständen als Brut- und Nahrungsraum der
betreffenden Vogelarten (Gartenrotschwanz, Star
und Feldsperling) sowie zusätzliche Nistmöglich-
keiten. Das Pfl anzgebot für die Fläche P1 am
westlichen Gebietsrand ist vor allem auf die Ver-
meidung zusätzlicher Kulissenwirkung gegen-
über den angrenzenden Ackerbereichen ausge-
richtet und beinhaltet den Verzicht auf Gehölze.
Die Brutvorkommen von Star (oben links) und Gartenrotschwanz (oben rechts) können maßnah-menseitig gesichert werden, für den Feldsperling (unten) am Ge-bietsrand wurde keine Beeinträch-tigung prognostiziert.
der Erfolgssicherung sind sowohl für die
Herstellung als auch für die Pfl ege der Flächen
fachliche Detailvorgaben zu berücksichtigen.
Die Flächen befi nden sich in Gemeindebesitz
bzw. wurden durch Flächentausch in geeigneter
Lage erworben. Bei der Lage wurden Aspekte
wie die Distanz zu beeinträchtigenden Kulissen
(im vorliegenden Fall einschließlich der natur-
schutzfachlich vertretbaren Gehölzentfernung)
und die erforderliche Distanz großer Teile der
Maßnahmenfl ächen zu stärker frequentierten
Wegen (Störungsmeidung) berücksichtigt. Die
rechtliche Sicherung erfolgt im vorliegenden
Fall über einen städtebaulichen Vertrag zwi-
schen planender Gemeinde und zuständigem
Landratsamt.
42
Für den bei Verwirklichung des B-Plans prog-
nostizierten Entfall zweier Feldlerchenreviere
wird eine plangebietsexterne Maßnahme umge-
setzt (Abbildung unten). Hierbei werden zwei
Blühstreifen auf einer Ackerfl äche der Gemein-
de dauerhaft eingerichtet und entsprechend den
Ansprüchen der Art gepfl egt. Zum Zwecke
FALLBEISPIEL B-PLAN – PLANGEBIETSEXTERNE MASSNAHME
Für die Feldlerche neu ange-legter Blühstreifen auf einer im übrigen „landwirtschaftlich“ genutzten Fläche.
43
Variation des Grundbeispiels mit weiteren
betroffenen Arten
Ergänzend zum Grundbeispiel wurde am
südlichen Gebietsrand eine stark frequentierte
Fledermausfl ugstraße mit strukturgebunden
fl iegenden Arten wie Braunem Langohr festge-
stellt, d. h. Arten, die sich bei ihrem Flug eng an
vorhandenen vertikalen Strukturen wie Hecken
oder Baumreihen orientieren.
Solche Arten haben häufi g Quartiere im Sied-
lungsbereich oder an dessen Rand und fl iegen
zur Jagd ins Umland. Eine der geplanten Wohn-
bebauung benachbarte Fläche mit Obstbäumen
wird zudem intensiver von Tieren dieser Art
bejagt.
FALLBEISPIEL B-PLAN – ZUSÄTZLICHE FLEDERMAUS-FLUGSTRASSE
Gehölzstrukturen entlang einer Fledermaus-Flugstraße.
Das Braune Langohr gehört zu den strukturgebunden fl iegenden Fledermausarten.
FALLBEISPIEL B-PLAN – ZUSÄTZLICHE ZAUNEIDECHSEN-VORKOMMEN
schließen. Die Fortpfl anzungs- und Ruhestät-
ten werden auf Basis der Nachweise sowie der
strukturell geeigneten Flächen in deren Umfeld
abgegrenzt und bilanziert (Abbildung unten).
Zur Konfl iktlösung bei möglichst geringem
Abzug an möglicher Wohngebietsfl äche im
B-Plangebiet ist für die Zauneidechse neben
der Herstellung eines in Fläche und Qualität
mindestens gleichwertigen Ersatzlebensraums
auch die Notwendigkeit zu berücksichtigen,
dass signifi kant erhöhte Tötungsrisiken – etwa
während des Baubetriebs – vermieden werden
müssen.
Wäre letzteres nicht möglich, käme bei Vorlie-
gen entsprechender Voraussetzungen nur eine
Realisierung im Rahmen einer artenschutzrecht-
lichen Ausnahme in Betracht.
44
Festgestellt wurde ergänzend zum Grundbei-
spiel ebenso ein Vorkommen der Zauneidechse
auf Teilfl ächen innerhalb und außerhalb des
B-Plangebiets.
Die Nachweise – die immer nur einen Teil der
tatsächlich vorkommenden Individuen umfas-
sen – lassen auf eine kleinere bis mittelgroße
(Teil-)Population der Art mit vermutlich bis
zu 50 Individuen innerhalb des B-Plangebiets
Zauneidechsen-Männchen nach Handfang vor der Umsied-lung.
FALLBEISPIEL B-PLAN – ZAUNEIDECHSEN – MASSNAHMEN
45
In Weiterführung der konkreten Planung aus
der Abbildung auf S. 41 (Konzept des Plans)
wird den erwarteten zusätzlichen artenschutz-
rechtlichen Konfl ikten durch weitere Maßnah-
men Rechnung getragen. Neben der Vermei-
dung von Tötungsrisiken bei der Zauneidechse
wird deren Ersatzlebensraum durch Ausweitung
und Modifi kation der Maßnahmenfl äche M1
entwickelt und gesichert, womit eine weitere
vertretbare Reduktion der Wohngebietsfl äche
verbunden ist.
Alternativ könnte eine außerhalb gelegene,
ggf. bislang landwirtschaftlich genutzte Fläche
herangezogen werden, was hier nicht verfolgt
wurde.
Einer Beeinträchtigung der Funktion der Fle-
dermausfl ugstraße u. a. durch randliche Be-
leuchtung wird durch Kombination aus der o. g.
Flächensicherung (M1) und einer Schutzpfl an-
zung zwischen Wohngebietsfl äche und südlich
verlaufendem Feldweg (P2) begegnet (s. S. 47).
46
Die im vorliegenden Fall für die Zauneidechse
vorzusehenden Maßnahmen umfassen eine
Kombination aus der zeitlich um rd. einein-
halb Jahre vorgezogenen Neuentwicklung oder
Optimierung geeigneter Fortpfl anzungs- und
Ruhestätten und die vor Baubeginn in jenen
Bereichen durchzuführende Vergrämung bzw.
Bergung und Umsiedlung von Eidechsen. Hier-
durch ist es möglich, den artenschutzrechtlichen
Verbotstatbestand nicht eintreten zu lassen.
Voraussetzungen hierfür sind die adäquate Be-
reitstellung von Flächen (in für die Art geeigne-
tem Zustand) einschließlich einer dauerhaften
Pfl ege in räumlichem Zusammenhang mit dem
bestehenden Vorkommen, die Vermeidung ei-
ner zeitlichen Lücke in den betroffenen Funkti-
onen und ein technisch wie fachlich im konkre-
ten Fall passendes Konzept für die Vergrämung
bzw. Umsiedlung. Letzteres muss ggf. für die
Bauphase einen Rückwanderschutz durch einen
geeigneten Zaun einschließen, damit Tiere aus
angrenzenden Flächen nicht ins Baufeld zu-
rückwandern. Die entsprechenden Maßnahmen
werden in aller Regel seitens der zuständigen
Naturschutzbehörden als verhältnismäßig ein-
gestuft und im Rahmen der Bestimmungen des
§ 44 Abs. 5 Satz 2 Nrn. 1 und 2 (in Verbindung
mit Nr. 3) BNatSchG auch verlangt. Anfallende
Kosten können abhängig von Flächengröße,
Flächenzuschnitt und möglichem zeitlichem
Ablauf stark variieren.
Beispiel einer Folienvergrämung (oben): Durch Aufl age einer lichtundurchlässigen Folie während der Aktivitätszeit der Eidechsen werden Flächen beschattet und die Individuen zur Abwanderung in angrenzende Flächen bewogen.
Neu entwickelter Lebensraum für die Zaunei-dechse (unten) mit ausreichend Versteck- und Über-winterungsmöglichkeiten sowie Nahrungsfl äche.
Beispiel eines überjährig stehenden Reptilien-zauns (Mitte). Weil sich die Erschließung über meh-rere Jahre erstreckt, wird der Rückwanderschutz auch über diesen Zeitraum aufrechterhalten. Hierzu gehören eine regelmäßige Kontrolle und Instandset-zung, soweit erforderlich.
47
WIE IST MIT EINEM ARTEN-SCHUTZRECHTLICHEN AUSNAHME-ERFORDERNIS UMZUGEHEN?Hierzu wird grundlegend auf Kap. 7 S. 32
verwiesen. Wie dort bereits angemerkt, sind
die zu überwindenden Hürden allerdings,
abhängig von den konkret betroffenen Arten,
unterschiedlich hoch und die Erteilung einer
Ausnahme kann auch daran scheitern, dass
eine Verschlechterung des Erhaltungszustands
betroffener Arten nicht oder nicht mit einer für
die Erteilung ausreichenden Prognosesicherheit
vermieden werden kann (s. Kap. 10).
Im Gegensatz zur FNP-Ebene müssen die für
eine artenschutzrechtliche Ausnahme erforder-
lichen Maßnahmen auf Ebene des Bebauungs-
plans detailliert geplant und rechtlich gesichert
sein.
FALLBEISPIEL B-PLAN – GESAMTKONZEPT MASSNAHMEN
48
von den Eigenschaften eines neu zu errichten-
den, zu ändernden oder abzureißenden Gebäu-
des und von den dortigen Artenvorkommen
abhängen. Ferner sind die auf dem betreffenden
Grundstück befi ndlichen Freifl ächen und die
Umgebung zu beachten. Denn artenschutz-
rechtliche Sachverhalte können einer Bebauung
entgegenstehen oder diese nur unter bestimm-
ten Nebenbestimmungen ermöglichen.
In den meisten Fällen resultiert ein solcher
Konfl ikt aus der Zerstörung von Fortpfl an-
zungs- oder Ruhestätten auf dem Baugrund-
stück bzw. in oder an einem abzureißenden, zu
sanierenden oder umzubauenden Gebäude. Er
kann sich aber auch aus Tötungsrisiken für dort
lebende Tierarten und ihre Fortpfl anzungsstadi-
en ergeben (s. im Detail Kap. 4 ab S. 16 zu den
entsprechenden Verboten).
Der grundsätzliche Prüf- und Kontrollauftrag
für die zuständige Baurechtsbehörde ergibt sich
für bestimmte Verfahren aus § 58 Abs. 1 Satz 1
und 2 LBO in Verbindung mit den entsprechen-
den naturschutzrechtlichen Regelungen.b)
Die zentral auf Ebene eines Bauvorhabens zum
Artenschutz zu beantwortenden Fragen bzw. zu
klärenden Sachverhalte sind:
• Können durch das Bauvorhaben Verbotstat-
bestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG ausge-
löst werden (art- und verbotsspezifi sch)c) ?
• Kann mit bestimmten Minderungs- oder
Vermeidungsmaßnahmen im Sinne des § 44
Abs. 5 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG der
Eintritt von Verbotstatbeständen (insbeson-
dere signifi kant erhöhter Tötungsrisiken)
ganz oder teilweise vermieden werden?
• Wird die ökologische Funktion der betrof-
fenen Fortpfl anzungs- und Ruhestätten
im räumlichen Zusammenhang weiterhin
erfüllt oder sind funktionserhaltende
Maßnahmen möglich (§ 44 Abs. 5 Satz 3 in
Verbindung mit Satz 2 Nr. 3 BNatSchG)?
VORRANGIGE FRAGENDie Errichtung, Änderung oder Beseitigung
einer baulichen Anlage ist entsprechend der
differenzierten Regelungen der Landesbauord-
nung (LOB) entweder verfahrenspfl ichtig oder
verfahrensfrei.a) Ist ein Baugenehmigungsverfah-
ren erforderlich, so enthält im Fall des positi-
ven Bescheids die Baugenehmigung alle ggf.
notwendigen Nebenbestimmungen.
Das Artenschutzrecht ist Teil der bei jedem
Bauvorhaben nach § 50 Abs. 5 i. V.m. § 58
Abs. 1 LBO einzuhaltenden öffentlich-recht-
lichen Vorschriften. Artenschutzrechtlich mit-
telbar relevant ist die Regelung des § 12 Abs. 4
LBO, die spezifi sch aufführt, dass Bäume,
Hecken und sonstige Bepfl anzungen, die auf
Grund anderer Rechtsvorschriften zu erhalten
sind, während der Bauausführung geschützt wer-
den müssen. Im Hinblick auf den Artenschutz
kann sich solches allerdings auch für unbe-
pfl anzte Flächen ergeben (s. Beispiel auf S. 60).
Ebenso wie auf den Ebenen der kommunalen
Bauleitplanung kann bei Bauvorhaben eine
detaillierte Auseinandersetzung mit artenschutz-
fachlichen und -rechtlichen Belangen erforder-
lich sein. Dies ist abhängig von den konkreten
Gegebenheiten des Einzelfalls. Diese können
Artenschutz bei Bauvorhaben
Kolonie der Fledermausart Großes Mausohr in einem Dachstuhl. Der eher seltene Fall eines offenkundig gravieren-den artenschutzfachlichen und -rechtlichen Konfl ikts bei einem geplanten Dachausbau.
9
a) Zu verschiedenen Verfahrensarten
im Zusammenhang mit dem Prüf- und
Kontrollauftrag der zuständigen Bau-
rechtsbehörde sowie den Möglichkei-
ten des Bauherren vor allem ab S. 50.
b) Dieser Prüf- und Kontrollauftrag
für die zuständige Baurechtsbehörde
erstreckt sich im Wesentlichen auf die
genehmigungspfl ichtigen Vorhaben
nach § 49 LBO.
49
• Können ggf. auch Maßnahmen zur Vermei-
dung einer erheblichen Störung (§ 44 Abs. 1
Nr. 2 BNatSchG) erforderlich sein?
• Ist für das Bauvorhaben eine Ausnahme
nach § 45 BNatSchG oder eine Befreiung
nach § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG erforder-
lich und wenn ja, liegen die Voraussetzun-
gen hierfür vor?
• Was ist im Sinne einer Ökologischen Baube-
gleitung bzw. eines Monitorings notwendig?
Die erforderlichen artenschutzbezogenen
Maßnahmen sind in der Baugenehmigung
umfassend als Nebenbestimmungen festzulegen
(Beispiele auf S. 57). Sie können bereits im Vor-
feld in die Bauvorlagen aufgenommen werden.
VORGEHENSWEISE, VERFAHRENSARTEN UND ZUSTÄNDIGE BEHÖRDENSoweit das entsprechende Vorhaben nach den
Regelungen der LBO genehmigungspfl ichtig ist
oder es sich um ein Vorhaben in Kenntnisgabe-
verfahren handelt, werden die dafür erforderli-
chen Unterlagen bei der Gemeinde eingereicht
(§ 53 LBO). Bei genehmigungspfl ichtigen
Vorhaben ist zusammen mit den Bauvorlagen
der schriftliche Antrag auf Baugenehmigung
(Bauantrag) zu übermitteln. Entweder ist die
Gemeinde selbst zuständige untere Baurechts-
behörde, oder sie leitet die Unterlagen an diese
Behörde weiter. Regelungen zu entsprechenden
Fristen enthält die LBO.
Nach den Regelungen der LBO hat die zu-
ständige Baurechtsbehörde nur in bestimmten
Verfahren einen Prüfauftrag, der auch das
Artenschutzrecht umfasst. Eine differenzierte
Übersicht gibt die Tabelle auf der folgenden
Doppelseite. Dort ist auch benannt, welche
Möglichkeiten der Bauherr bei den einzelnen
Verfahrensarten hat, ergänzend oder unabhän-
gig von der baubehördlichen Prüfung Sicherheit
bezüglich des Artenschutzes zu gewinnen. Dies
kann wichtig sein, da bei artenschutzrechtlichen
Verstößen u. a. ordnungs- oder strafrechtliche
Konsequenzen (Bußgeld- und Strafvorschriften
des BNatSchG §§ 69 ff), aber auch z. B. Bau-
einstellungen unterschiedlicher Dauer möglich
sind. Soweit es zu Umweltschäden an geschütz-
ten Arten gekommen sein sollte oder solche
drohen, besteht die Verpfl ichtung zu bestim-
mten Maßnahmen (§ 19 BNatSchG; s. auch
Kap. 2, S. 10).
Absperrungen am äußeren Rand oder zur Untergliederung der Baustelle dienen nicht nur der Sicherheit. Sie können auch zum Schutz sensibler Flächen wäh-rend bestimmter Bauphasen erforderlich sein.
c) Bei häufi gen und verbreiteten Arten,
etwa unter den gehölzbrütenden Vo-
gelarten (z. B. Buchfi nk, Mönchsgras-
mücke, Singdrossel), die von geringer
naturschutzfachlicher Relevanz sind,
kann in der Prüfung regelmäßig auf
Gruppen oder so genannte „Gilden“
abgestellt werden. Gerade dann ist
i. d. R. davon auszugehen, dass beim
einzelnen Vorhaben – jedenfalls unter
Berücksichtigung zeitlicher Vorgaben
zur Tötungsvermeidung (Ausschluss
der Hauptbrutzeiten) – nicht gegen die
Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG
verstoßen wird. Nur im Ausnahmefall
kann bei solchen Arten über baube-
dingte Tötungs- oder Verletzungsrisiken
hinaus eine Prüfung der Verbotstat-
bestände im Einzelnen erforderlich
sein (s. dazu Hinweis in Kap. 8, S. 34).
Können ausschließlich solche Arten
betroffen sein, so ist i. d. R. eine
allgemeine Nebenbestimmung zu
zulässigen Bauzeiträumen ausreichend
(s. Beispiel in Tab. auf S. 57).
50
VEREINFACHTES BAUGENEHMI-
GUNGSVERFAHREN (AUF ANTRAG)
§ 52 LBO
Errichtung von Wohngebäuden,
sonstiger Gebäude mit einer Höhe
bis zu 7 m oder sonstiger baulicher
Anlagen (die keine Gebäude sind)
Keine
Ggf. soweit ohne eigentliche Prüfung
Auffälligkeit / Hinweise auf Betrof-
fenheit Artenschutz
Der Bauherr braucht das vereinfach-
te Verfahren nicht zu beantragen (s.
dann Spalte 2). Bei Wohngebäuden
mit einer Höhe bis zu 7 m ist das
Baugenehmigungsverfahren jedoch
nicht eröffnet
BAUGENEHMIGUNGSVERFAHREN
§ 49 LBO, § 58 LBO
Errichtung oberirdischer und unter-
irdischer Gebäude sowie sonstiger
baulicher Anlagen mit Ausnahme
von Wohngebäuden bis zu einer
Höhe von 7 m (Gebäudeklassen 1
bis 3)
Durch Baurechtsbehörde als Teil der
öffentlich-rechtlichen Vorschriften;
Artenschutz-„Verdachtsfälle“ unter
Beteiligung der Naturschutzbehörde
(s. Text und Abb. auf S. 53)
Keine (da Teil der Prüfung im Ver-
dachtsfall)
Im Bauantrag bereits Maßnahmen
des Artenschutzes nach behördlicher
Voranfrage/Abstimmung bzw. fach-
gutachterlicher Bewertung (s .u.)
vorsehen (ggf. auch für Spalten 3
und 4 relevant)
VERFAHRENSART
Vorschrift
Beispiele (vereinfacht)
Keine vollständige Listung, zudem
können bestimmte Einschränkungen
gegeben sein; s. dazu die entspre-
chende Vorschrift sowie den Anhang
der LBO, der verfahrensfreie Vorha-
ben listet.
Behördliche Prüfung des Arten-
schutzes
Nicht - förmliche Kenntnisgabe
Baurecht an Naturschutza)
Möglichkeiten
des Bauherren,
um Sicherheit
bzgl. des Ar-
tenschutzes zu
gewinnenb)
Im Rahmen des
LBO-Verfahrens
Ergänzend an
untere Bau-
rechtsbehörde
An untere Natur-
schutzbehörde
Beauftragung
Fachgutachter
Vor Einreichung des Bauantrags Antrag des Bauherrn auf Bauvorbescheid
zu evtl. Artenschutzfragen des Vorhabens (§ 57 LBO), nach Möglichkeit mit
Begründung des Anlasses
Formlose Voranfrage, ggf. Bitte um
Abstimmung mit Fachgutachter (s.
u.) oder Antrag auf feststellenden
Verwaltungsakt, ggf. einschließlich
artenschutzrechtlicher Ausnahme
oder Befreiung, soweit erforderlich
(Näheres auf S. 50 und in Kap. 11)
Im Sinne eines „Relevanzchecks“ und soweit dann erforderlich mittels einer
vertiefenden Untersuchung; Einbindung der Ergebnisse in Abstimmung mit
der Behörde und in den Bauantrag
Prüfung von Artenschutz-
belangen im Rahmen unter-
schiedlicher Verfahrensarten
nach LBO
51
VERFAHRENSFREI
§ 50 LBO
Abbruch freistehender Gebäude mit
einer Höhe bis zu 7 m oder sonstiger
baulicher Anlagen, die keine Gebäu-
de sind, mit einer Höhe bis zu 10 m.
Außenwandverkleidungen ein-
schließlich Maßnahmen der Wär-
medämmung (ausgenommen bei
Hochhäusern)
Keine
Keine (Baurechtsbehörde hat i. d. R.
keine Kenntnis vom Vorhaben)
Keine
(ggf. Einbezug ansonsten verfah-
rensfreier Anteile in ein ohnehin für
andere Anlagen/Elemente erforderli-
ches Baugenehmigungsverfahren)
Keine
KENNTNISGABEVERFAHREN
§ 51 LBO
Errichtung von Wohngebäuden,
sonstiger Gebäude mit einer Höhe
bis zu 7 m oder sonstiger baulicher
Anlagen (die keine Gebäude sind),
soweit im Bereich eines rechtsgül-
tigen Bebauungsplans gelegen und
nach dessen Festsetzungen zulässig.
Abbruch von nicht verfahrensfrei ge-
stellten Anlagen und Einrichtungen
Keine
Ggf. soweit ohne eigentliche Prüfung
Auffälligkeit / Hinweise auf Betrof-
fenheit Artenschutz
Der Bauherr kann die Durchführung
eines Baugenehmigungsverfahrens
beantragen (s. dann Spalte 2). Bei
Wohngebäuden mit einer Höhe bis
zu 7 m ist jedoch neben dem Kennt-
nisgabeverfahren nur das verein-
fachte Baugenehmigungsverfahren
eröffnet.
Keine
Formlose Voranfrage, ggf. Bitte um Abstimmung mit Fachgutachter (s. u.)
oder Antrag auf feststellenden Verwaltungsakt, ggf. einschließlich arten-
schutzrechtlicher Ausnahme oder Befreiung, soweit erforderlich (Näheres
auf S. 56 und in Kap. 11)
Im Sinne eines „Relevanzchecks“ und soweit dann erforderlich mittels einer
vertiefenden Untersuchung; Einbindung der Ergebnisse in Abstimmung mit
der Behörde und ggf. im Bauantrag
a) Aufgrund der Fristen bei bestimm-
ten Verfahren muss eine Information
rasch erfolgen, um ggf. reagieren zu
können.
b) Die Verantwortung zur Einhaltung
der öffentlich-rechtlichen Vorschriften
einschließlich des Artenschutzes liegt
letztlich beim Bauherrn. Bei Verstößen
sind u. a. ordnungs- oder strafrecht-
liche Konsequenzen (Bußgeld- und
Strafvorschriften des BNatSchG § 69
ff), aber auch z. B. Baueinstellung un-
terschiedlicher Dauer möglich. Soweit
es zu Umweltschäden an geschützten
Arten gekommen sein sollte oder sol-
che drohen, besteht die Verpfl ichtung
zu bestimmten Maßnahmen (§ 19
BNatSchG). S. auch Kap. 2, S. 10.
und soweit sie die Prüfung nicht mit eigenen
Mitteln vornehmen kann c), übermittelt sie den
fachlich als erforderlich gewerteten Prüfauftrag
an die Baurechtsbehörde. Prüfungsumfang und
Prüfungsdichte ergeben sich aus dem konkreten
Einzelfall und sind ggf. mit dem Bauherren und
dessen Fachgutachter abzustimmen.
Phase 4
Je nach Fallgestaltung ergeben sich im Weiteren
folgende Abläufe:
4 a) In einfach gelagerten Fällen kann die
untere Baurechtsbehörde die entsprechenden
Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung
aufnehmen. Die Baugenehmigung kann –
bezogen auf den Artenschutz – erteilt werden
(4b ff. entfällt).
4 b) In schwierigeren Fällen kann die untere
Baurechtsbehörde den Bauherrn gemäß
§ 53 Abs. 4 Satz 2 oder 3 LBO zur Beibringung
eines entsprechenden Gutachtens auffordern.
§ 54 LBO mit seinen Fristen bleibt dabei un-
berührt. Wird das Gutachten vorgelegt, wird
dieses durch die zuständige Naturschutzbehör-
de geprüft.
4 c) Seitens der Naturschutzbehörde werden
auf Basis der Prüfung aus 4 b) der Baurechtsbe-
hörde die erforderlichen Nebenbestimmungen
zur Sicherstellung der naturschutzrechtlichen
Zulässigkeit mitgeteilt und diese können in
die Baugenehmigung aufgenommen werden.
Die Baugenehmigung kann – bezogen auf den
Artenschutz – erteilt werden (4 d entfällt).
4 d) Kann auf Basis der Prüfung aus 4 b) ein
Verstoß gegen das Artenschutzrecht nicht ver-
mieden werden und liegen die Voraussetzungen
für eine Ausnahme oder Befreiung nicht vor,
teilt die Naturschutzbehörde der Baurechtsbe-
hörde die einer Genehmigung entgegen stehen-
den Rechtsvorschriften und Sachverhalte mit.
Die Baugenehmigung ist in diesem Fall nach
§ 58 Abs. 1 LBO zu versagen. Kann innerhalb
der baurechtlich vorgesehenen Verfahrensfris-
ten von der zuständigen Naturschutzbehörde
nicht abschließend entschieden werden, ob die
Voraussetzungen einer artenschutzrechtlichen
Ausnahme oder Befreiung vorliegen, sollte
52
ABLAUF IM BAUGENEHMIGUNGS-VERFAHRENIm Baugenehmigungsverfahren prüft die
Baurechtsbehörde zunächst die Vollständigkeit
der Unterlagen, ggf. fordert sie bestimmte nach.
In diesem Rahmen, insbesondere aber in der
nachfolgenden inhaltlichen Prüfung muss sie
auch die Frage artenschutzrechtlicher Betroffen-
heiten in den Blick nehmen. Denn artenschutz-
rechtliche Sachverhalte können einer Bebauung
entgegenstehen oder diese nur unter bestimm-
ten Nebenbestimmungen ermöglichen (s. S. 48).
Sofern im Baugenehmigungsverfahren arten-
schutzrechtliche Vorschriften verletzt sein
könnten (Verdachtsfälle), so ist wie nachfolgend
dargestellt zu verfahren.
Phase 1
Im Falle eines Verdachts auf Vorkommen bzw.
Betroffenheit geschützter Arten beteiligt die
untere Baurechtsbehörde die zuständige Natur-
schutzbehörde als berührte Fachbehörde gemäß
§ 53 Abs. 4 Satz 1 LBO. Hinweise dazu, wie
Verdachtsfälle seitens der Baurechtsbehörden
erkannt werden können und eine diesbezüglich
möglichst gute Praxis erreicht werden kann,
fi nden sich im Anhang (zu Gebäude- und Frei-
fl ächenkontrolle).
Phase 2
Die untere Naturschutzbehörde prüft anhand
der Antragsunterlagen, vorliegender Daten und
erforderlichenfalls durch Begehung, ob eine
artenschutzrechtliche Betroffenheit vorliegt. a)
Phase 3
Liegen ausreichende Anhaltspunkte für eine
Betroffenheit geschützter Arten vor (zu berück-
sichtigen sind dabei z. B. Feststellungen der
Behörde aufgrund eigener Ermittlung, plausible
Angaben Dritter, geeignete Lebensraumstruk-
turen, Eigenschaften des Bauvorhabens mit
besonderem artenschutzrechtlichen Konfl iktpo-
tenzial wie etwa großen, verglasten Bauelemen-
ten), so teilt die untere Naturschutzbehörde
dies der Baurechtsbehörde mit. In einfach gela-
gerten Fällen kann sie zugleich die ohne weitere
Ermittlungen erforderlichen Nebenbestimmun-
gen zur Sicherstellung der naturschutzrecht-
lichen Zulässigkeit benennen. b) Ansonsten
a) Ergibt sich bereits auf Grundlage
dieser Prüfung die Unvereinbarkeit des
Vorhabens mit dem Artenschutzrecht
(im konkreten Fall Sachverhalte, die
nicht durch geeignete Anordnung
von Maßnahmen bzw. Nebenbestim-
mungen oder ggf. auf dem Weg einer
artenschutzrechtlichen Ausnahme oder
Befreiung behoben werden können),
so ist die Baugenehmigung nach § 58
Abs. 1 LBO zu versagen.
b) Im günstigsten Fall können arten-
schutzrechtliche Konfl ikte bei einfach
gelagerten Fällen ohne vertiefte
Betrachtung ausgeschlossen werden.
Ansonsten liegt möglicherweise bei
Bauvorhaben im unbeplanten Innen-
bereich (§ 34 BauGB) oder in einem
Bebauungsplangebiet (§ 30 BauGB)
eine hinreichend aktuelle Grundlage
vor, die Vorgaben zur baubedingten
Vermeidung artenschutzrechtlicher
Verstöße beinhaltet und andere mög-
liche Konfl iktsachverhalte etwa durch
vorgezogene funktionserhaltende
Maßnahmen auf Ebene der verbindli-
chen Bauleitplanung bereits gelöst hat
(s. Kap. 8 sowie 10).
c) Dies ist i. d. R. dann der Fall,
wenn eine entsprechende Feststel-
lung bzw. Prüfung Geländearbeiten
mit spezifi scher Suche nach Arten,
mehrfachen Kontrollterminen und/oder
dem Einsatz spezifi scher technischer
Hilfsmittel verlangt. Beispiele sind
Erfassungen der Brutvogelfauna mit
mehreren Terminen in der Brutzeit
oder nächtliche Kontrollen auf Fle-
dermausaktivität mittels Detektoren,
Nachtsichtgeräten o. ä.
53
der Bauherr auf die Möglichkeit hingewiesen
werden, dass er zur Vermeidung einer Versa-
gung der Baugenehmigung auf die Einhaltung
der baurechtlichen Fristen verzichten kann, um
die Einholung der abschließenden Entscheidung
der Naturschutzbehörde im Rahmen des bau-
rechtlichen Verfahrens zu ermöglichen.
Eine Übersicht zu den vorstehend genannten
Phasen im Zusammenwirken von Baurechts-
und Naturschutzbehörde gibt die unten stehen-
de Abbildung.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass so-
wohl das Fachrecht (hier: Naturschutzrecht)
als auch das Bauordnungsrecht Instrumente
gegen materiell-rechtliche Verstöße im Rahmen
solcher Genehmigungen oder verfahrensfreier
Vorhaben (s. vorne) bereit hält. Die Baurechts-
behörden haben auf Einhaltung der relevanten
Vorschriften und der auf Grund dieser Vor-
schriften erlassenen Anordnungen zu achten
und dabei diejenigen Maßnahmen zu treffen,
die nach pfl ichtgemäßem Ermessen erforderlich
sind (§ 47 Abs. 1 LBO). Dabei kann die Bau-
rechtsbehörde etwa die Einstellung von Arbei-
ten anordnen, wenn bauliche Anlagen im Wi-
derspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften
errichtet oder abgebrochen werden (§ 64 Abs. 1
LBO). Bei Verstößen gegen artenschutzrechtli-
che Verbote kann dies auch unmittelbar durch
die Naturschutzbehörde erfolgen. Die Anord-
nung zusätzlicher Maßnahmen ist durch die
Naturschutzbehörde auch in dem Fall möglich,
dass erst nachträglich ein artenschutzrechtli-
cher Verstoß festgestellt wird. Rechtsgrundlage
hierfür ist § 3 Abs. 2 BNatSchG; eine etwaige
Baugenehmigung steht dem in der Regel nicht
entgegen.
Übersicht zu den vorstehend ge-nannten Phasen im Zusammen-wirken von Baurechts- und Naturschutzbehörde bei der Beurteilung, ob eine artenschutz-rechtliche Betroffenheit im Rah-men eines Vorhabens gegeben ist, und deren Ergebnis. Die Abstimmung insbesondere mit der Naturschutzbehörde bezüg-lich der Vollständigkeit sowie der fachlich und naturschutzrechtlich passenden Inhalte ein- oder nachzureichender Unterlagen kann sinnvollerweise auch im Vorfeld eines Bauantrags bzw. innerhalb einer Fristhemmung vorgenommen werden.
◀
◀
◀
◀
◀ ◀
◀
◀
◀
◀
◀
◀
BAUHERR
FACHGUTACHTER(sofern erforderlich)
BAURECHTSBEHÖRDE
Prüfung Vorhaben:
Verdacht auf Vorkommen bzw.
Betroffenheit geschützer Arten?
Kann ohne Artenschutz-
Nebenbestimmungen
genehmigen
Erteilung
Baugenehmigung
(soweit benannt mit
Nebenbestimmungen) Kann unter übermit-
telten Artenschutz-
Nebenbestimmungen
genehmigen
Aufforderung des Bau-
herren zur Beibringung
eines Gutachtens
Genehmigung wie unter
4a mit Nebenbestim-
mungen
Verstoß Artenschutz-
recht
Genehmigung wird
versagt
Fachprüfung:
Liegt eine artenschutz-
rechtliche Betroffenheit
vor? (s. Text)
NATURSCHUTZBEHÖRDEAntragsunterlagen
Ja
Nein
Ja: gering
Ja: Prüfauftrag
auf Basis Gutachtenprüfung
ggf. Abstimmung, Gutachten
Nein
Kein Verdachtsfall
◀
◀
1 2
4a
4b
4b
4c
4d
3
3
3
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass im Fall
eines Prüfbedarfs auf artenschutzrechtliche Ver-
bote sowie für die Ableitung und Abstimmung
von Maßnahmen erheblich längere Zeiträume
bis zu einer abschließenden Entscheidung benö-
tigt werden können.
Das untenstehende Schema zeigt übliche bzw.
erforderliche Arbeitsschritte bei einem Bau-
vorhaben aus Sicht des Bauherren auf und gibt
Hinweise auf zeitliche Abläufe und inhaltlich
wichtige Fragen vor allem zum Artenschutz. Es
wurde im Rahmen des Projekts „Artenschutz
54
Regelzeiträume sind lt. LBO im Rahmen eines
Vorhabens je nach Verfahrensart drei bis fünf
Arbeitstage für die Weiterleitung der Unter-
lagen seitens der Gemeinde an die Baurechts-
behörde (soweit sie dies nicht selbst ist), zehn
Tage für die Vollständigkeitsprüfung durch die
Baurechtsbehörde und im normalen Baugeneh-
migungsvorhaben ein bis zwei Monate für die
Stellungnahmen der Fachbehörden und zwei
Monate ab Vorliegen der vollständigen Bauvor-
lagen sowie aller notwendigen Stellungnahmen
und Mitwirkungen für die Entscheidung über
den Bauantrag (§ 54 LBO).
1) Prüfung meist im März bis August, teils länger, in speziellen Fällen auch im Winter (Fleder- maus-Winterquartiere)
2) nach § 45 BNatSchG
3) nach § 67 BNatSchG
4) kann je nach Maßnahme wenige Tage bis Monate in Anspruch nehmen
Erster Check:
Könnten geschützte Arten
betroffen sein?
Keine Betroffenheit ge-
geben bzw. zu erwarten
Z. B. Hinweise auf Einzel -
brutvorkommen häufi ger
Arten
Z. B. Hinweise auf große
Fledermausquartiere
Betroffenheit im geringen
Umfang zu erwarten; kein
weiterer Untersuchungs-
bedarf
Betroffenheit im höhe-
ren Umfang zu erwarten
oder unklare Situation;
de taillierte Untersuchung
notwendig
Siehe dazu Kap. 6 ab
Seite 22
Vertiefende artenschutz-
fachliche Prüfung · Welche Arten?
· Wieviele Tiere?
· Pfl anzen sie sich fort?
durch ein Fachbüro
Z. B. nächtliche Aus-
fl ugskontrollen zu
Fledermausvorkommen
Dauer:
mind. 6 Monate, Jahreszei-
ten-abhängig1)
VOR BAUBEGINN
Festlegung und Abstimmung
Keine Artenschutzmaßnahmen
Artenschutz frühzeitig berücksichtigen!
· Konfl ikte vermeiden (z. B. durch Bauzeit außerhalb der
Brutzeit)
· Erhalt vorhandener Quartiere anstreben
· wenn nicht anders möglich: Ersatz/Ausgleich möglichst an
gleicher Stelle schaffen
· Fördermöglichkeiten prüfen (z. B. die der KfW)
Schema zu üblichen bzw. erforderlichen Arbeitsschrit-ten bei einem Bauvorhaben aus Sicht des Bauherren mit Hinweisen auf zeitliche Abläufe und inhaltlich wichtige Fragen vor allem zum Artenschutz (verändert nach Landratsamt Tübingen 2016).Die Nummern verweisen auf die im Text und der vorstehenden Abbildung benannten Phasen.
4b2
2 4a
55
am Haus“ des Landkreises Tübingen erarbeitet
und basiert auf umfangreichen Erfahrungen mit
zahlreichen Bauprojekten. Die darin enthalte-
nen Angaben zur Dauer der einzelnen Schritte
können nur eine Orientierung bieten und im
Einzelfall abweichen.
Für eine zeiteffi ziente und artenschutzfachlich
optimierte Projektabwicklung ist es zweckmä-
ßig, wenn sich Bauherr und Entwurfsverfasser
bereits auf Ebene der Vorbereitung und Erstel-
lung des Entwurfs vor Einreichung des Bau-
antrages damit befassen, ob Fragen des Arten-
schutzes berührt sein könnten. Hierbei stehen
ihnen etwa die Möglichkeiten des Antrags auf
Vorbescheid nach § 57 LBO, eine Anfrage zu
vorliegenden Daten und Empfehlungen der
Naturschutzbehörde oder die Beauftragung
eines Fachbüros mit einer artenschutzfachlichen
Beurteilung bzw. Einschätzung zur Verfügung
(im Schema enthalten).
Auch nach erteilter Genehmigung ist der Be-
ginn (bestimmter) baulicher Tätigkeiten u. a.
davon abhängig, ob bestimmte artenschutzrecht-
liche Maßnahmen ggf. vorgezogen durchgeführt
BA
UB
EG
INN
BA
UB
EG
INN
Maßnahmenplanung und
Abstimmung
∙ Was ist wo zu tun?
∙ Klärung zeitl. Abläufe
∙ Klärung technischer
Details
∙ Ist ein Antrag auf
Ausnahme2) oder
Befreiung3) erforderlich
bzw. möglich?
durch Fachbüro, Bauherr
und Architekt mit der
Naturschutzbehörde
durch Bauherr, Architekt
und Handwerker/Fach-
fi rma in Kooperation
mit dem Fachbüro
durch Bauherr, Architekt
und Handwerker/Fach-
fi rma in Kooperation
mit dem Fachbüro
durch Bauherr oder in
dessen Auftrag durch
Fachbüro
Umsetzung vorgezogener/
vorbereitender Maßnah-
men, z. B.
∙ Bereitstellung von
dauerhaften Ersatz-
quartieren
∙ Bereitstellung von
Übergangsquartieren
∙ in Einzelfällen Vergrä-
mung von Arten
Umsetzung spezieller Maß-
nahmen, z. B.
∙ Herrichtung von dauer-
haften Quartieren
∙ ökologische Baube-
gleitung
Projekt abgeschlossen,
im Weiteren je nach Fall
notwendig:
∙ Erfolgskontrolle/
Monitoring
∙ Abbau der Übergangs-
maßnahme
∙ Pfl ege/Unterhaltung neu
geschaffener Lebens-
stätten
Projekt abgeschlossen
Projekt abgeschlossen
Umsetzung der
Standardmaßnahmen
Z. B. Einbau/Anbringung
einzelner Nisthilfen
Dauer:
ca. 1-3 Monate
Dauer:
fallabhängig4)
BAUPHASE NACH DEM BAU
erforderlicher Standardmaßnahmen
erforderlichB
AU
BE
GIN
N
4b 4c
Grund vom Gesetzgeber nicht vorhersehbaren
Einzelfällen in Betracht. Eine Befreiung kann
auf Antrag gewährt werden, wenn ansonsten
die Durchführung der Vorschriften im Einzel-
fall zu einer unzumutbaren Belastung führen
würde. Nebenbestimmungen sind möglich.
Auch die Voraussetzungen für Befreiungen sind
in der Regel schwierig zu erfüllen. Von daher
muss zunächst versucht werden, artenschutz-
rechtliche Sachverhalte so zu lösen, so dass
kein Ausnahme- oder Befreiungserfordernis
resultiert.
Zuständige Behörde für Ausnahme- bzw.
Befreiungsentscheidungen ist grundsätzlich die
untere Naturschutzbehörde; sie trifft auch die
Entscheidung im Fall ausschließlich betroffe-
ner, besonders geschützter Arten (hier i. d. R.
Vogelarten). Bei Betroffenheit streng geschütz-
ter Arten oder sowohl besonders – wie streng
geschützter ist die höhere Naturschutzbehörde
(Regierungspräsidium) zuständig.
ARTENSCHUTZMASSNAHMEN IM RAHMEN DER PLANUNG UND GENEHMIGUNGBezüglich der notwendigen artenschutzbezoge-
nen Maßnahmen ist es erforderlich, dass diesen
in der eigenverantwortlichen Planung (auch bei
verfahrensfreien Vorhaben) bzw. im Bauantrag
(Entwurf) Rechnung getragen wird bzw. sie
ansonsten in der Baugenehmigung umfassend
als Nebenbestimmungen festgelegt werden.
Dies kann Maßnahmen einschließen, deren
Notwendigkeit sich bereits aus den Regelungen
eines Bebauungsplans ergibt.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die fachlichen
Anforderungen an bestimmte artenschutzrecht-
liche Maßnahmen i. d. R. nicht innerhalb oder
im Nahbereich von Gebäuden oder etwa von
beleuchteten Bereichen erfüllt werden können
und daher eine externe Maßnahme in spezi-
fi scher Umfeldsituation, d. h. außerhalb des
betroffenen Baugrundstücks, zwingend erfor-
derlich sein kannb). In anderen Fällen müssen
Maßnahmen dagegen zwingend an oder in
Gebäuden realisiert werden, z. B. für gebäude-
bewohnende Vogel- und Fledermausarten.
56
werden müssen oder wegen des Artenschutz-
rechts jahreszeitliche Aspekte zu berücksichti-
gen sind.
Bei verfahrensfreien Vorhaben ist der Bauherr,
wie bereits ausgeführt, dafür verantwortlich,
dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften
einschließlich des Artenschutzes eingehalten
werden. Auch in diesem Fall kann und sollte
bei Verdacht auf eine artenschutzrechtliche
Betroffenheit bezüglich des weiteren Vorge-
hens bei der zuständigen Naturschutzbehörde
angefragt oder ein Fachbüro mit einer arten-
schutzfachlichen Beurteilung bzw. Einschätzung
beauftragt werden.
WIE IST MIT EINEM ARTENSCHUTZRECHTLICHEN AUSNAHME- ODER BEFREIUNGS-ERFORDERNIS UMZUGEHEN?Hierzu wird zunächst auf die Ausführungen
auf S. 32 und in Kap. 10 verwiesen. Wie dort
bereits angemerkt, sind die zu überwindenden
Hürden allerdings, abhängig von den konkret
betroffenen Arten, unterschiedlich hoch und
die Erteilung einer Ausnahme kann auch daran
scheitern, dass eine Verschlechterung des Er-
haltungszustands betroffener Arten nicht oder
nicht mit einer für die Erteilung ausreichenden
Prognosesicherheit vermieden werden kann.
Zudem kommt eine Ausnahme bei privaten
Bauvorhaben nur in seltenen Fällen in Frage,
weil hierfür zugleich die zwingenden Gründe
des überwiegenden öffentlichen Interesses
vorhanden sein müssen einschließlich solcher
sozialer oder wirtschaftlicher Art (§ 45 Abs. 7
Nr. 5 BNatSchG).
Neben der Möglichkeit einer Ausnahme bietet
§ 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG im Rahmen einer
Ermessensregelung die Möglichkeit, in spezi-
fi sch gelagerten Einzelfällen „das Interesse an
einer Durchführung des gesetzlichen Verbotes
[...] mit dem Interesse an der Ermöglichung bzw.
Fortdauer der Nutzung abzuwägen [...].
Durch Nebenbestimmungen kann dabei im
Falle der Erteilung der Befreiung sichergestellt
werden, dass der Betroffene etwa durch Ersatz-
maßnahmen gleichwertige Zustände wiederher-
stellt“ a). Eine solche Befreiung kommt aller-
dings lediglich in atypischen und aus diesem
a) BT-Drs. 16/5100: 13
b) Dies kann ebenso für Maßnah-
men zum Ausgleich im Rahmen der
Eingriffsregelung zutreffen.
57
ARTENSCHUTZRECHTLICHER HINTERGRUND
Vermeidung von Mortalitätsrisiken insbesondere von Vogel- oder Fledermausarten in Gebäuden oder Gehölzen, auch z. B. von Amphibien-und Reptilienarten oder Arten wie der Haselmaus; Ziel ist, das Risiko für die Verwirklichung des Verbots von Tötung oder Verletzung wild lebender Tiere des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG möglichst unter die Signifi kations-schwelle zu senken
Sicherstellung der Erreichung einer Funktionsfähigkeit bestimmer Maß-nahmenfl ächen, bei denen ein zeitlicher Vorlauf zur eigentlichen Bautä-tigkeit erforderlich ist. Beispiel: Ein erforderlicher Vegetationsbestand benötigt auf neuem Substrat eine bestimmte Aufwuchszeit
Senkung von Verletzungs- und Mortalitätsrisiken insbesondere von Vogelarten an der baulichen Anlage; Ziel ist, das Tötungsrisiko unter die artenschutzrechtlich entscheidende Signifi kanzschwelle abzusenken (s. o.)
s. o.
Verhinderung artenschutzrelevanter Störwirkungen auf angrenzende Bereiche (außerhalb des Baugrundstücks) oder auf Teile des Baugrund-stücks bzw. Teile der baulichen Anlage selbst. Beispiel: Vermeidung der Beleuchtung eines Ausfl ugsbereiches einer Fledermauskolonie.Zugleich ggf. Senkung von Mortalitätsrisiken von Tieren, die mit Anlock-wirkung von Licht verbunden sein können
Vermeidung von Mortalitätsrisiken infolge möglicher Fallenwirkung insbesondere auf Säugetier- oder Amphibienarten; im bestmöglichen Fall wird das Risiko unter eine Signifi kanzschwelle abgesenkt, ab der nicht mehr mit einer Verwirklichung des Verbots von Tötung oder Verlet-zung wild lebender Tiere des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu rechnen ist. Beispiel: Einfallöffnungen mit Schutzgitter oder Wiederausstiegshilfen in Schächten
Sicherung oder Neuentwicklung von Fortpfl anzungs- und Ruhestätten ansonsten betroffener Arten bzw. im Rahmen einer funktionserhaltenden Maßnahme. Beispiel: Erhalt oder Herstellung von Zauneidechsen-Lebensräumen
Funktionserhalt insbesondere für betroffene Vogel- und Fledermausarten
Sicherstellung der Funktionserreichung artenschutzrechtlich erforderli-cher/vorgeschriebener Maßnahmen
NEBENBESTIMMUNGEN
Zeitliche Zulässigkeit baulicher Tätigkeiten oder Abrisstätigkeiten an Gebäuden sowie der Fällung von Gehölzen etc. (Einschränkung bzw. Festlegung von Zeitfenstern)
Baufreigabe erst nach Vorlage des Nachweises über die Fertigstellung und die Funktionsfähigkeit festgeleg-ter Maßnahmen
Zulässige Art und zulässiger Umfang des Einsatzes von Glaselementen an oder in einer baulichen Anlage
Zulässige Art und zulässiger Umfang des Einsatzes von Seilen, bestimmter Aufbauten oder Verstrebungen an einer baulichen Anlage
Zulässige Art und zulässiger Umfang von Außenbeleuchtung an einer bau-lichen Anlage bzw. auf einem Grund-stück
Technische Vorgaben für die Ausge-staltung bzw. Sicherung von Licht-schächten und Anlagen der Oberfl ä-chenentwässerung.
Flächen, die von der Bebauung freizu-halten sind und deren Nutzung bzw. erforderliche Pfl ege
Anbringung oder Einbau einer be-stimmten Anzahl spezifi sch festgeleg-ter Nisthilfen/Tierquartiere
Durchführung bestimmter Funktions-kontrollen oder eines Monitorings und Vorlage entsprechender Berichte; ggf. mit Vorbehalt einer Nachbesserung
Artenschutzrechtlich zu berücksichtigende Maßnah-men in der Vorhabensplanung, im Bauantrag bzw. Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung mit Bezug zum Artenschutz (Auszug und Beispiele, keine vollständige Aufl istung).
58
ERGEBNISSE AM BEISPIELNachfolgend werden drei fi ktive Baugenehmi-
gungsverfahren mit unterschiedlichen Rah-
menbedingungen vorgestellt, die sich an realen
Praxisfällen orientieren. Auf verfahrensfreie
Vorhaben wird im gegenständlichen Kap. ab
S. 49 und in Kap. 11 eingegangen.
Große, stark spiegelnde Glas-fassaden (oben links) können Tötungsrisiken für Vögel mit sich bringen, ebenso Elemente wie gläserne Balkonumfassungen (unten links). Verlustraten von Vögeln nach Anfl ug an Glas sind hoch (unten rechts: an der Scheibe klebende Federn nach Kollision eines Stars). Soweit noch nicht auf bauleitplaneri-scher Ebene geregelt, können auch Nebenbestimmungen zur Vermeidung oder Minderung in der Baugenehmigung erfolgen.
Sinngemäß gilt dies auch für beeinträchtigende Beleuch-tung (oben rechts) und boden-ebene Schächte mit Fallen-wirkung etwa für Amphibien-Jungtiere (Mitte rechts).
59
Fallbeispiel 1Eine Bauherrengemeinschaft plant ein Wohn-
gebäude mit vier Vollgeschossen in einem neu
erschlossenen Baugebiet, für das bereits im
Bebauungsplan der Artenschutz adäquat nach
aktuellen fachlichen und rechtlichen Maßstä-
ben abgearbeitet wurde. Flächenhafte Konfl ikte
mit der streng geschützten Zauneidechse sowie
weiteren Arten sind bereits auf dieser Ebene
gelöst worden (vgl. auch Fallbeispiel ab S. 37).
Der Bebauungsplan ist vor rund zwei Jah-
ren rechtsverbindlich geworden. Aktuelle
Veränderungen auf den betroffenen Flächen
(Einsaatrasenfl ächen), die den Verdacht auf
neue Betroffenheiten auslösen könnten, sind
nicht erkennbar. Ebenso wenig liegen sonstige
Hinweise vor, die im Rahmen des gestellten
Bauantrags eine weiter gehende Prüfung arten-
schutzrechtlicher Sachverhalte als geboten er-
scheinen lassen. Die Baurechtsbehörde beteiligt
die untere Naturschutzbehörde insoweit, als bei
neuen Gebäuden laut B-Plan für dieses Gebiet
ab einer bestimmten Gebäudehöhe Quartiere
für den Mauersegler und grundsätzlich be-
stimmte Fledermausquartiere vorzusehen sind.
Diese sollen entsprechende extern angebrach-
te Interimsquartiere nach bereits erfolgtem
Abriss vorheriger Gebäudesubstanz auf der
Fläche ablösen. Konkret wird im vorliegenden
Beispielfall die Anbringung von zehn Mauer-
seglernistkästen sowie von drei Fledermaus-
Sommerquartierkästen vorgeschrieben. Im
Auftrag des Bauherrn hat der Entwurfsverfasser
hierzu bereits Einbauquartiere in der Fassade
vorgesehen, die den fachlichen Vorgaben u. a.
an Quartiertyp, Exposition und Positionierung
entsprechen. Die entsprechenden Hinweise
konnten aus dem B-Plan, im Detail ggf. ergän-
zend durch allgemein verfügbare Informationen
oder eine Vorabstimmung mit der Naturschutz-
behörde (Phasen 1 bis 4a der Abb. auf S. 53),
entnommen werden. In der Baugenehmigung
muss dann nichts Weiteres festgelegt werden.
Mauersegler-Niststätte mit zwei Eiern auf einem Dachboden (links), Einfl ugöffnungen zu ge-zielt eingebauten neuen Quartie-ren (Mitte) und Mauersegler im Flug (rechts). Der typische Gebäudebrüter kann gut über Einbauquartiere gefördert werden.
Einbau von geeigneten Nistkäs-ten in das Wärmedämmsystem eines neuen Gebäudes.
Grundstück liegen der insoweit beteiligten
Naturschutzbehörde nicht vor, aus anderen
Bereichen des Umfelds sind aber Vorkommen
der Zauneidechse mit Anbindung an Struktu-
ren des Außenbereiches (etwa über Straßenbe-
gleitfl ächen) belegt, zudem lassen die Vegetati-
onsbestände auch weitere besonders geschützte
Vogelarten und streng geschützte Arten des
Anhangs IV der FFH-Richtlinie erwarten.
Die untere Baurechtsbehörde formuliert auf
Hinweis der Naturschutzbehörde als Prüfauf-
trag (Gutachten) zunächst einen Relevanzcheck
(s. Kap. 6; Phasen 3 und 4b in Abb. auf S. 53)
unter Einbeziehung einer genaueren Fassaden-
und Innenraumkontrolle.
Darauf aufbauend ergibt sich im konkreten Fall
ein ebenfalls fachgutachterlich abzuarbeitendes
Prüfprogramm für Brutvögel, Fledermäuse,
Reptilien und bestimmte streng geschützte
Schmetterlingsarten, die im Bereich der krau-
tigen Spontanvegetation Fortpfl anzungs- und
Ruhestätten haben können. Die Untersuchun-
gen sind über den Zeitraum etwa einer Vege-
tationsperiode durchzuführen, aufgrund nicht
auszuschließender Balz- und Winterquartiere
von Fledermäusen im Zusammenhang mit den
Gebäudeeigenschaften müssen sie auch Zeiträu-
me im Spätherbst und Winter einschließen.
Das von den Fachgutachtern vorgelegte Gut-
achten wird seitens der Naturschutzbehörde
einer fachlichen Prüfung unterzogen und das
Ergebnis – einschließlich der in einem solchen
60
Fallbeispiel 2Auf einer innerstädtischen Fläche steht der
Abriss und Neubau eines Firmengebäudes an.
Verfahrensmäßig hat der Bauherr unter Einbe-
zug lediglich kenntnisgabepfl ichtiger Anteile
(s. Tab. auf S. 50) ein Baugenehmigungsverfah-
ren beantragt. Ein Bebauungsplan liegt zwar
vor, datiert jedoch auf einen Zeitpunkt, zu
dem artenschutzrechtliche
Fragen – jedenfalls verglichen
mit aktuellem Rechtsstand –
noch nicht einschlägig waren.
Auf dem Gelände haben sich
auf bestehenden Freifl ächen
einschließlich einer ehemali-
gen, geschotterten Lagerfl äche
teils krautige Spontanvege-
tation und teils Gebüsche
entwickelt. Die Fassade des Gebäudes ist teils
plattenverkleidet und weist u. a. altersbedingte
Schadstellen auf, die Vogel- und Fledermaus-
quartiere vermuten lassen. Teils ist dies bereits
an typischen Verfärbungen im Umfeld solcher
Schadstellen, die auf eine Nutzung durch
Tierarten hindeuten, sowie an Nistmaterial in
bestimmten Bereichen ohne weiteres erkennbar
(s. Abb. S. 61).
Es handelt sich demnach eindeutig um einen
Verdachtsfall auf artenschutzrechtliche Betrof-
fenheiten, woraufhin die untere Baurechts-
behörde die zuständige Naturschutzbehörde
beteiligt (Phasen 1 und 2 in Abb. auf S. 53).
Konkrete und aktuelle Artnachweise vom Blicke auf das im Fallbeispiel 2 angenommene Firmengelände und angesprochene Lebensraum-strukturen. Im Gebiet ist u. a. mit verschiedenen Vogelarten, Zauneidechse im Bereich der teilweise bewachsenen Schot-terfl ächen und geschützten gebäudebewohnenden Tierarten zu rechnen.
61
Fall regelmäßig erforderlichen Nebenbestim-
mungen – der Baurechtsbehörde mitgeteilt. In
der Konsequenz wird im vorliegenden Fall für
die Realisierung der Planung neben Interims-
quartieren an anderen Gebäuden des Umfeldes
(hierfür kann die Stadt im vorliegenden Fall
öffentliche Gebäude bereitstellen) auch eine
externe Maßnahmenfl äche erforderlich. Denn
die Firma beabsichtigt ein größeres Gebäude zu
errichten, so dass ein Teil der bisherigen Freifl ä-
chen auf dem Grundstück entfällt. Jene stellen
aber, wie die Untersuchungen ergeben haben,
Fortpfl anzungs- und Ruhestätten von Zaunei-
dechse und Nachtkerzenschwärmer dar.
Bei der letztgenannten Art können Maßnahmen
aufgrund deren Mobilität und der größerräumig
möglichen Abgrenzung der lokalen Population
auch im weiteren Umfeld (einschließlich des
Außenbereichs) umgesetzt werden. Bei der
Zauneidechse ist dies deutlich eingeschränkter
und es kann zu prüfen sein, ob eine Realisie-
rung in der geplanten Form ggf. nur über eine
Ausnahme oder Befreiung möglich ist. Hierauf
wird hier nicht im Detail eingegangen, ein
Fallbeispiel in Kap. 10 greift aber genau einen
solchen Fall auf. Die Baugenehmigung kann an-
sonsten mit entsprechenden Nebenbestimmun-
gen erteilt werden (Phase 4c in Abb. auf S. 53).
Fallbeispiel 3
Ein Neubau in exponierter Ortsrandlage sieht
in der Planung des Architekten (Entwurfsver-
fasser) größere Glaselemente an einem hohen
Gebäude vor. Auf der betroffenen Fläche sind
ansonsten keine artenschutzrechtlich relevanten
Verdachtsmomente erkennbar. Die Frage der
Zulässigkeit der Verglasung in der vorliegend
beantragten Form veranlasst die Baurechts-
behörde vor dem Hintergrund der bekannten
Mortalitätsrisiken von Vogelarten an Glas zur
Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde
(Phasen 1 und 2 in Abb. auf S. 53). Diese trifft
zunächst eine Voreinschätzung der möglichen
Konfl iktschwere. Nach ihrer Beurteilung ist in
der konkreten Situation von signifi kant erhöh-
ten Mortalitätsraten und damit der Berührung
des Verbots des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG
für Vogelarten auszugehen. Eine Genehmigung
kann demnach nur in Aussicht gestellt werden,
wenn die Gebäudeplanung insgesamt verändert
wird oder mit nach aktuellem Stand geeigne-
ten Maßnahmen das Vogelschlagrisiko an den
Glaselementen unter die Signifi kanzschwelle
gesenkt wird. Hierzu verlangt die Naturschutz-
behörde die Vorlage eines entsprechenden Gut-
achtens. Dies wird von der Baurechtsbehörde
so in ihre Nachforderung an den Antragsteller
übernommen (Phasen 3 und 4b in Abb. auf
S. 53). Ggf. muss der Bauantrag, sofern dem
nicht nachgekommen und als erforderlich
erachtete Maßnahmen nicht berücksichtigt
werden, abgelehnt werden (Phasen 4c oder 4d
in Abb. auf S. 53).
Nistmaterial hinter teilweise loser Fassadenverkleidung im Bestand.
◀
62
Arten und Artenbeständen nicht eintreten zu
lassen, können auch sogenannte „funktionser-
haltende Maßnahmen“ in Frage kommen (im
Zusammenhang mit dem Leitfaden der EU-
Kommission zum strengen Artenschutz 2007
häufi g als CEF-Maßnahmen bezeichnet, von
„Continued Ecological Functionality“).
Hierbei handelt es sich nicht um das ggf. brei-
tere Spektrum kompensatorischer Ansätze, auf
die teilweise bei anderen betroffenen Schutz-
gütern zurückgegriffen werden kann. Vielmehr
müssen solche Maßnahmen geeignet sein, die
ökologische Funktion von Fortpfl anzungs- oder
Ruhestätten mittels zeitlichem Vorlauf ihrer
Realisierung trotz Eingriff durch ein Vorhaben
sicherzustellen.
Der Leitfaden der EU-Kommission (2007) for-
dert für solche Maßnahmen, die dazu verhelfen,
den Eintritt in die Ausnahmeprüfung nach § 45
BNatSchG zu vermeiden, dass sie
• zu gewährleisten haben, dass die betreffen-
den Fortpfl anzungs- oder Ruhestätten zu
keinem Zeitpunkt eine Reduktion oder gar
einen Verlust ihrer ökologischen Funktions-
fähigkeit erleiden (qualitativ und quantita-
tiv),
• einen hohen Grad an Sicherheit für den
Erfolg unter Berücksichtigung der spezifi -
schen Gegebenheiten und der jeweiligen
Artansprüche aufweisen und
• einer Kontrolle und einem Monitoring
durch die zuständigen Behörden unterzogen
werden müssen.
Im Bundesnaturschutzgesetz wurde dem im
Wesentlichen mit § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3
(sowie den Sätzen 3 und 4) entsprochen,
wonach – soweit erforderlich unter Festsetzung
vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen – „die
ökologische Funktion der von dem Eingriff
oder Vorhaben betroffenen Fortpfl anzungs- und
Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang
Konfl iktlösungen im Bereich des Artenschutzes
können, wie bereits im Fallbeispiel in Kap. 8
ab S. 37 dargestellt, unterschiedliche Maßnah-
menansätze beinhalten. Dies gilt sowohl für die
Bauleitplanung als auch für das einzelne Bau-
vorhaben, wobei die Möglichkeiten hier teils
unterschiedlich sind und gerade im Rahmen
der Bauleitplanung in der Regel größere Steue-
rungsmöglichkeiten zur Vermeidung insbeson-
dere gravierender Konfl ikte bestehen.
Vorrangig sollten Vermeidungs- und Minde-
rungsmaßnahmen genutzt werden, um Konfl ik-
te gar nicht erst eintreten zu lassen oder sie auf
eine nicht erhebliche Beeinträchtigung abzu-
senken. Dies umfasst etwa räumliche Anpas-
sungen zur Schonung von Fortpfl anzungs- und
Ruhestätten, die zeitliche Berücksichtigung
sensibler Phasen (z. B. zur Tötungsvermeidung
von Vogelindividuen während der Brutzeit)
oder baulich-konstruktive Eigenschaften von
Gebäuden (z. B. Vermeidung von Vogelschlag).
Um das artenschutzrechtliche Verbot der Zer-
störung oder Beschädigung von Fortpfl anzungs-
und Ruhestätten trotz einer Betroffenheit von
Vermeidung, Funktionserhalt und Ausnahme
10
Übersicht zur Prüfreihenfolge von Vermeidung, Minderung, Funktionserhalt und evtl. fallwei-ser Abweichungsentscheidung (Ausnahme/Befreiung).
a) Ausführlicher hierzu s. Runge et
al. (2010).
◀◀ ◀
im öffentlichen
Interesse:
nicht im öffentlichen
Interesse und
„atypischer Fall“
ansonsten:
Vermeidung / Minderung ?
Ausnahme möglich ? Befreiung möglich ?
keine
Genehmigung/
Zulassung
Funktionserhalt ?
(teilweise) nicht möglich
(teilweise) nicht möglich
63
weiterhin erfüllt“ sein muss. Dies stellt teils
hohe Anforderungen an die räumliche Kons-
tellation von Flächen, die Flächenverfügbarkeit,
die zu treffenden Maßnahmen selbst und deren
zeitliche Abwicklung. Exemplarisch wurde
hierauf bereits in Kap. 8 am dort behandelten
Fallbeispiel eingegangena) .
Weder für alle Arten noch für alle Situationen
ist (unter den o. g. Aspekten) ein Funktions-
erhalt erreichbar. Wenn auch die vorrangig zu
prüfenden Vermeidungsmaßnahmen ausschei-
den (dies gilt nicht nur für die Betroffenheit
von Fortpfl anzungs- und Ruhestätten, sondern
z. B. auch für signifi kant erhöhte Tötungsrisiken
von Individuen), bleibt allenfalls der Weg über
eine artenschutzrechtliche Ausnahme, sofern
die Vorraussetzungen dafür im betreffenden
Fall vorliegen.
Beispiel
Im zweiten Fallbeispiel des Kap. 9 ab S. 59
gelingt es nicht, im geforderten räumlichen
Zusammenhang eine ausreichende Fläche für
den Funktionserhalt für die betroffene Art
Zauneidechse bereit zu stellen. Zwar würde
eine zeitliche Abwicklung des Bauvorhabens
so gelingen, dass z. B. eine Vergrämung der im
Eingriffsbereich siedelnden Tiere auf angren-
zende Flächen möglich wäre. Es gelingt jedoch
nicht, auf die hierfür standörtlich geeigneten
Flächen einen Zugriff zu erhalten. Der dortige
Flächeneigentümer erklärt sich weder zum
Verkauf der Flächen noch zu einer anderweiti-
gen Lösung mit Duldung der entsprechenden
Maßnahmen bereit. Flächen im deutlich weite-
ren Umgriff könnten erworben werden, doch
ist dort der räumliche Zusammenhang mit dem
Vorhabenbereich und der hier siedelnden (Teil-)
Population der Art nicht mehr gegeben. Rele-
vante Vermeidungsmöglichkeiten bestehen bei
Realisierung des Bauvorhabens nicht, denn die
Fläche wird aus betrieblichen Gründen benötigt
und der Flächenanspruch kann nicht in einem
solchen Ausmaß verringert werden, dass der
Funktionserhalt auf dem Baugrundstück selbst
möglich wäre.
Einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen,
atypischen Fall stellt dies nicht dar. Insoweit
kommt eine etwaige Befreiung nach § 67
BNatSchG nicht in Frage (s. Kap. 9, S 56).
Ob eine artenschutzrechtliche Ausnahme
(§ 45 Abs. 7 BNatSchG) für eine Realisierung
des Vorhabens zu erlangen wäre, hängt von
verschiedenen zu beantwortenden Fragen ab
(s. auch Abb. auf S. 19 in Kap. 4).
Im Zusammenhang mit Eingriffen bzw.
Vorhaben sind es Gründe nach § 45 Abs. 7
Nr. 4 und in erster Linie nach Abs. 7 Nr. 5
BNatSchG, die zum Tragen kommen könnten.
D. h. der Eingriff oder das Vorhaben muss
im Interesse der Gesundheit des Menschen,
der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der
Verteidigung und des Schutzes der Zivilbe-
völkerung stehen, oder maßgeblich günstige
Auswirkungen auf die Umwelt haben (Nr. 4)
oder aber sich aus anderen zwingenden Grün-
den des überwiegenden öffentlichen Interesses
einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftli-
cher Art rechtfertigen lassen (Nr. 5).
Bei letzterem Ausnahmegrund sind in einer
einzelfallbezogenen Abwägungsentscheidung
das Gewicht der zu erwartenden Beeinträchti-
gungen für die artenschutzrechtlichen Schutz-
güter dem Gewicht der für das Vorhaben
sprechenden öffentlichen Interessen gegen-
überzustellen. Rein private Interessen können
hierbei nicht berücksichtigt werden. Für die
bauliche Erweiterung der Firma im o. g. Fallbei-
spiel mag das in bestimmten Konstellationen
zutreffen (z. B. zur Sicherung oder Schaffung
von Arbeitsplätzen), muss es aber nicht.
Als Inhalt eines solchen Ausnahmeantrags ist in
der Regel gefordert: a)
• Vorhabenbeschreibung inklusive Kartendar-
stellung;
• Darstellung der Erfassungsergebnisse (des
Gutachtens) zur betroffenen Art b) ;
• Dokumentation der Erfassungsmethoden
(detailliert);
• Aussagen zu tatsächlich nachgewiesenen In-
dividuenzahlen und der daraus abgeleiteten
Größe der lokalen Population, ebenso des
vom Vorhaben betroffenen Teils;
• Darstellung der vorgesehenen Vermeidungs-,
Minimierungs- und CEF-Maßnahmen (in-
klusive Monitoring) c) ;
• Begründung, warum das Vorhaben nicht
mittels Umsetzung von (weiteren) CEF-
Maßnahmen realisiert werden kann;
• Darlegung der Ausnahmevoraussetzungen
(s. dazu im Text oben): zur Vermeidung der
Verschlechterung des Erhaltungszustands
können ggf. so genannte FCS-Maßnahmen d)
herangezogen werden;
• Darstellung des Risikomanagements ein-
schließlich Monitoring (s.a. Kap. 12) e) ;
• Darlegung der dauerhaften Sicherung und
Unterhaltung der Maßnahmen f ).
64
Darüber hinaus darf eine Ausnahme nur zuge-
lassen werden, wenn zumutbare Alternativen
nicht gegeben sind und sich der Erhaltungs-
zustand der Populationen der betroffenen Art
bzw. Arten nicht verschlechtert. Bezugsraum
der Bewertung ist hier letzt-
lich zwar die übergeordnete
biogeographische Region des
jeweiligen Mitgliedstaats der
EU, in der das Vorhaben liegt.
Je nach Verbreitung und Ge-
fährdungsgrad der betroffenen
Arten spielen bei der entspre-
chenden Bewertung aber auch
die konkrete lokale Popula-
tion, die Bestände im Naturraum oder auf der
Ebene des Bundeslandes eine Rolle.
Die Entscheidung steht im pfl ichtgemäßen
Ermessen der Behörde.
Da die Voraussetzungen für Ausnahmen
dezidiert geregelt sind, ist bei deren Vorliegen
regelmäßig die Ausnahme zu gewähren (sog.
„intendiertes Ermessen“); dies gilt insbesondere
für den Ausnahmegrund in § 45 Abs. 7 Nr. 5
BNatSchG, weil die dort vorgesehene Abwä-
gung die maßgeblichen Ermessenserwägungen
umfasst.
Hierzu bedarf es, neben den Darlegungen des
Antragstellers zum Ausnahmegrund und zum
Fehlen von Alternativen in der Regel fach-
gutachterlicher Aussagen im Rahmen eines
Antrags auf artenschutzrechtliche Ausnahme an
die zuständige Behörde (hier: Regierungspräsi-
dien, nach Vorabstimmung mit der zuständigen
unteren Naturschutzbehörde).
Funktionsunfähiger Nistkasten für Höhlenbrüter mit fehlender Frontplatte. Ohne Kontrolle und Instandhaltung bleibt auch bei Nistkästen eine Funktion nicht gewährleistet.
d) Ähnlich funktionserhaltender Maßnahmen, aber mit
gelockerter räumlicher und zeitlicher Bindung. Abkürzung
von „Favourable Conservation Status“.
e) Methodischer und zeitlicher Umfang des Monitorings
sowie in Frage kommende und vorgesehene Vorsorge- und
Korrekturmaßnahmen (inkl. Benennung ggf. erforderlicher
Flächen), falls die geplanten Maßnahmen nicht oder unzu-
reichend funktionieren sollten.
f) Die rechtliche Sicherung der Maßnahmen kann durch
Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
nach § 1090 BGB (bei Duldungs- oder Unterlassungspfl ich-
ten) oder einer Reallast nach § 1105 BGB (bei Vornahme
eines aktiven Tuns) in das Grundbuch erfolgen. Bei Maß-
nahmen, die im Zusammenhang mit der Bauleitplanung
erforderlich sind, können diese durch Bebauungsplan oder
Abschluss eines städtebaulichen Vertrags rechtlich gesichert
werden (entsprechend § 1a Abs. 3 Satz 2 bis 4 und § 11
BauGB).
a) Hier orientiert am entsprechenden Merkblatt des Regie-
rungspräsidiums Stuttgart (Stand 2016).
b) I. d. R. mit Dokumentation der Einzelnachweise inklusive
einer Kartendarstellung.
c) Inklusive zeitlichem Ablauf, Benennung der konkreten
Flurstücke und Nachweis deren Eignung (z. B. vorhandene
Habitatqualität und die erforderliche Habitataufwertung,
ggf. inklusive erforderlicher dauerhafter Pfl ege, Erreich-
barkeit für die Arten) für die Maßnahmenumsetzung. Die
Flächen müssen eine ausreichende Kapazität für die „neu“
aufzunehmenden Funktionen haben.
65
Die Wirksamkeit erforderlicher Maßnahmen ist dauerhaft zu sichern (soweit es sich nicht ausdrücklich um nur befristete handelt) und tritt teils erst nach einem gewissen Vorlauf ein.
Links: Maßnahme für die Zauneidechse unmittelbar nach Herstellung. Bis zur Funktions-erreichung vergehen noch ca. eineinhalb Jahre.
Mit Vorlauf hergestellter Zauneidechsen-Lebensraum in günstiger Struktur und gutem Bestand der Art.
Wegen Pfl egedefi zit ist die Funktion nur noch teilweise gegeben. Es ist dringend eine Nachbesserung geboten (Gehöl-ze entfernen).
66
vor (u. a. zu Fledermäusen). Hieraus ergibt sich
zunächst ein Prüferfordernis, zudem können
in Folge z. B. funktionserhaltende Maßnahmen
erforderlich werden, für die Flächen im Außen-
bereich entsprechend der Lebensraumansprüche
betroffener Arten neu entwickelt oder optimiert
werden müssen. Jene sind auch rechtlich in
diesen Funktionen zu sichern.
BESONDERE FÄLLE DES ARTEN-SCHUTZES IM INNEN- UND AUSSENBEREICHVorab zur Bestimmung des unbeplanten Innen-
und Außenbereichs:
• Der unbeplante Innenbereich ist in § 34
Abs. 1 Satz 1 BauGB defi niert und erstreckt
sich auf diejenigen Flächen, die innerhalb
der im Zusammenhang bebauten Orts-
teile liegen. Dort kann unter bestimmten
Rahmenbedingungen ein vereinfachtes oder
beschleunigtes Verfahren zur Aufstellung,
Änderung oder Ergänzung eines Bauleit-
plans in Frage kommen.
• Der bauplanungsrechtliche Außenbereich
nach § 35 BauGB umfasst alle unbeplanten
Flächen, die nicht innerhalb des (unbe-
planten und beplanten) Innenbereichs der
jeweiligen Stadt oder Gemeinde gelegen
sind. Hier ist eine Bebauung i. d. R. nicht
zulässig. Ausnahmen sind etwa „privilegier-
te“ Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGBa).
Der Artenschutz ist bei Vorhaben im Innen-
wie im Außenbereich unabhängig von den
verfahrensrechtlichen Anforderungen nach der
Landesbauordnung zu beachten. Allerdings
ergibt sich hier eine Besonderheit für bestimmte
Maßnahmen, bei denen es sich
• nicht um Eingriffe im Sinne der Eingriffsre-
gelung,
• zugleich aber auch nicht um solche Maßnah-
men handelt, auf welche die Erleichterungen
des § 44 Abs. 5 BNatSchG bzgl. Vorhaben in
Bebauungsplangebieten ausgerichtet sind.
ARTENSCHUTZ IM VEREINFACH-TEN UND BESCHLEUNIGTEN BAULEITPLANVERFAHREN Im vereinfachten Bauleitplanverfahren nach
§ 13 BauGB sowie im beschleunigten Bebau-
ungsplanverfahren nach § 13a BauGB (Bebau-
ungsplan der Innenentwicklung) und nach
§ 13b BauGB (Bebauungsplan für Wohnnut-
zungen im Anschluss an den Siedlungsbereich)
entfällt zwar die Pfl icht zur Anwendung der
Eingriffsregelung und zur Durchführung der
förmlichen Umweltprüfung (sowie weiterer
verfahrensbezogener Umweltvorschriften). Die
Vorschriften des Artenschutzrechts und die
allgemeinen Anforderungen an die bauleitpla-
nerische Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) gelten
allerdings auch für diese besonderen Verfah-
rensstypen.
Auch bei einem Verfahren nach § 13, 13a oder
13b BauGB ist daher entsprechend der Ausfüh-
rungen in Kap. 8 der Artenschutz zu behan-
deln, soweit es die artenschutzrechtlich nach
§ 44 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG in den Blick zu
nehmenden Arten (derzeit europäische Vogel-
arten sowie Arten des Anhangs IV der FFH-
Richtlinie, s. Abb. auf S. 16) betrifft.
Fallbeispiel
(Innerörtliche Nachverdichtung)
Im Rahmen der innerörtlichen Nachverdich-
tung sollen bisherige Grünfl ächen und einzelne
unbebaute, aber innerhalb bereits bebauter
Ortsteile gelegene Parzellen einer Wohnbe-
bauung zugeführt werden. Hierzu soll ein
Bebauungsplan der Innenentwicklung nach
§ 13a BauGB aufgestellt werden (weniger als
20.000 m² Grundfl äche). Umweltprüfung (und
Eingriffsregelung) kommen im vorliegenden Fall
nicht zum Tragen. Die Flächen mit mehreren
älteren Obstbäumen stellen jedoch bekannter-
maßen Lebensraum geschützter Vogelarten dar
und es liegen ausreichende Hinweise auf weite-
re artenschutzrechtlich relevante Sachverhalte
Hinweise zu besonderenFallgestaltungen
11
a) Z. B. einem land- oder forstwirt-
schaftlichen Betrieb dienende Vorha-
ben, die nur einen untergeordneten
Teil der Betriebsfl äche einnehmen
(§ 35 Abs. 1 Nrn. 1 BauGB).
67
Beispiel ist das Verputzen einer bisher unver-
fugten Mauer im Außenbereich. Denn hier
liegt kein Eingriff vor (fehlender Grundfl ächen-
bezug). Auch (baurechtlich) unbedeutende
Dachausbauten und Sanierungsmaßnahmen
im Innenbereich können als Beispiele genannt
werden, da diese nicht als Vorhaben im Sinne
des § 29 Abs. 1 BauGB zu beurteilen sind.
In solchen Fällen sind alle übrigen national
geschützten Arten (etwa Wildbienen, bestimm-
te Falterarten, Siebenschläfer) den europarecht-
lich geschützten Arten artenschutzrechtlich
zunächst gleichgestellt: Für sie gelten dann die
Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG vollum-
fänglich.b) Zudem ist das Instrumentarium
bestimmter Individuenschutz- und funktionser-
haltender Maßnahmen zur Verbotsvermeidung
(§ 44 Abs. 5 Sätze 2 bis 4) nicht anwendbar.
In solchen Fällen sollte bei möglicher Betroffen-
heit geschützter Arten die untere Naturschutz-
behörde kontaktiert und das weitere Vorgehen
abgestimmt werden.
Fallbeispiel (Fassadensanierung)
Ein im Außenbereich ansässiger landwirt-
schaftlicher Betrieb beabsichtigt neben der
Errichtung eines neuen Betriebsgebäudes (hier
nicht weiter behandelt) zusätzlich die Sanierung
eines bestehenden Gebäudes ohne sonstige
Veränderungen von Gestalt und Nutzung von
Grundfl ächen. In der alten, bislang unverputz-
ten und nach Süden exponierten Außenfassade
dieses Gebäudes nisten mehrere besonders
geschützte Wildbienenarten in zahlreichen
Individuen (teils in Ritzen des Mauerwerks,
teils in Spalten verbauten Holzes). Die arten-
schutzrechtlichen Zugriffsverbote der Tötung
oder Verletzung (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG)
sowie der Zerstörung oder Beschädigung von
Fortpfl anzungs- oder Ruhestätten (§ 44 Abs. 1
Nr. 3 BNatSchG) erstrecken sich in diesem spe-
ziellen Fall in ihrem Schutz vollumfänglich auch
auf die Wildbienenarten. Die Sanierung bedarf
voraussichtlich einer artenschutzrechtlichen
Befreiung durch die zuständige Naturschutzbe-
hörde, in deren Rahmen bestimmte Nebenbe-
stimmungen etwa zum Zeitraum der Sanierung
(möglichst geringe Beeinträchtigungen immobi-
ler Fortpfl anzungsstadien) und zur Einrichtung
geeigneter Ersatznistplätze zu erwarten und
angemessen sind.
ARTENSCHUTZ BEI „ALTEN“ BEBAUUNGSPLÄNENBebauungspläne, bei deren Aufstellung (oder
Änderung) die Belange des besonderen Ar-
tenschutzes noch nicht bzw. nicht ausreichend
abgearbeitet wurden, können im Vollzug Prob-
leme bereiten. Für die im Bebauungsplan vor-
gesehenen, aber bislang noch nicht umgesetzten
Nutzungen können sich Genehmigungshürden
ergeben. Die Bebauungspläne sind i. d. R. wei-
terhin rechtsverbindlich, sie können jedoch
• für weitere zu realisierende Vorhaben nicht
vollzugsfähig sein, wenn aller Voraussicht
nach artenschutzrechtliche Verbote entge-
genstehen;
• oder jedenfalls in größerem Umfang zu-
sätzliche Maßnahmen erforderlich machen,
für die zu prüfen ist, ob diese im Rahmen
des jeweiligen Baugenehmigungsverfahrens
als Nebenbestimmungen festgesetzt und
tatsächlich realisiert werden können.
Darüber hinaus können sich – auch in B-Plan-
gebieten mit ausreichender Abarbeitung des
Artenschutzes im Aufstellungsverfahren –
mit zunehmender Zeitspanne zwischen dem
Satzungsbeschluss und der Realisierung von
Vorhaben wesentliche Veränderungen im
B-Plangebiet ergeben, die auch Bestände
geschützter Arten betreffen. Dies kann auf Nut-
zungsänderungen oder Sukzessionsprozesse auf
Flächen im Plangebiet selbst, aber auch auf die
natürliche Ausbreitung und Neuansiedlung von
Arten oder auf entsprechend begünstigende
b) Das Störungsverbot ist allerdings
durch seine Beschränkung auf streng
geschützte Arten und europäische
Vogelarten (§ 44 Abs. 1 Nr. 2) dann
auch nur für national streng geschütz-
te Arten einschlägig.
dieser Anteil an Maßnahmen keiner spezifi schen
Prüfung durch die Baurechtsbehörde unterfällt
(vgl. Tab. auf S. 50). Aber selbst wenn eine Ge-
nehmigung erforderlich ist, ist es teils schwie-
rig, ohne nähere Untersuchung entsprechende
Konfl ikte mit dem Artenschutz zu erkennen,
spezifi sch zu bewerten und über die ggf. geeig-
neten Maßnahmen aufzufangen. Für den Fall
einer erforderlichen Baugenehmigung wird auf
Kap. 9, insbesondere ab S. 59 verwiesen.
Um seitens des Bauherren eine gute Einschät-
zung darüber zu erlangen, dass ein Vorhaben
nicht gegen das Artenschutzrecht verstößt bzw.
was hierzu an vorbereitenden oder begleiten-
den Maßnahmen ergriffen werden sollte, kann
zunächst auf die Materialien unter artenschutz-
am-haus.de verwiesen werden. Darüber hinaus
ist zu empfehlen, einen Ortstermin mit Personen
durchzuführen, die eine qualifi zierte Einschät-
zung zu Lebensraumstrukturen insbesondere an
Gebäuden und zur möglichen Betroffenheit des
Artenschutzes abgeben können (s. a. Kap. 6).
Ob und inwieweit sich dann weitere vertiefende
Untersuchungen anschließen müssen, ergibt sich
im Einzelfall. Weitere Hinweise fi nden sich in
der o. g. bereits genannten Tab. in Kap. 9 auf
S. 50.
Zu typischerweise bei Abriss, Sanierungen und
Renovierungen betroffenen Arten gehören
Gebäudebrüter unter den Vögeln wie Mauerseg-
ler, Schwalben, Haussperling, Hausrotschwanz
und Turmfalke sowie gebäudebewohnende
Fledermausarten. Für letztere können zwar
insbesondere große, bislang nicht ausgebaute
und zugleich für die Tiere zugängliche Dach-
stühle besonders bedeutende Vorkommen
beherbergen. Potenzial für Quartiere mehrerer
Tiere oder gar Wochenstuben weisen aber auch
Fassadenverkleidungen und andere Bauteile mit
68
Nutzungsänderungen im Umfeld zurückzufüh-
ren sein.
So kann der Fall vorliegen, dass während der
Aufstellung und im Zeitpunkt des Satzungs-
beschlusses für einen B-Plan dessen größter
Flächenanteil aus intensivem Grünland und
Ackerparzellen ohne konfl iktträchtige Arten-
vorkommen bestand. In Erwar-
tung der Nutzungsänderung
fi elen Flächen brach und es
haben sich über mehrere Jahre
Staudenfl uren und Einzelge-
büsche entwickelt, in denen
sich Reviere gefährdeter und
artenschutzrechtlich relevanter
Vogelarten sowie bestimmter
Schmetterlingsarten etabliert
haben.
Vor der Realisierung konkreter Bauvorhaben
in B-Plangebieten, und der Durchführung
etwa von Erschließungsmaßnahmen seitens der
Gemeinde, kann daher zunächst eine Plausi-
bilitätsprüfung angezeigt sein (ähnlich dem in
Kap. 6 beschriebenen Relevanzcheck), ob sich
artenschutzrechtlich relevante Veränderungen
ergeben habena). Liegen hierfür Anhaltspunkte
vor, ist als erforderlicher Prüfauftrag im Rah-
men des einzelnen Bauvorhabens (s. Kap. 9,
S. 52 ff.) ggf. eine erneute, auf diese Änderun-
gen und ihre Bewertung fokussierte Bestands-
prüfung von Arten erforderlich. Bei schwieri-
geren Sachverhalten kann es erforderlich sein,
hierzu übergreifend die gesamte verbliebene,
noch nicht umgesetzte B-Planfl äche und ggf.
deren Umfeld in den Blick zu nehmen und
hierfür das Vorgehen vorab mit der zuständigen
Naturschutzbehörde abzustimmen.
ARTENSCHUTZ BEI ABRISS, SANIERUNG UND RENOVIERUNGDie energetische Sanierung oder anderweitig
veranlasste Sanierungs- und Renovierungs-
maßnahmen sowie der Abriss von Gebäuden
und sonstigen baulichen Anlagen bieten einen
umfangreichen „Berührungsbereich“ mit fach-
lichen und rechtlichen Aspekten des Arten-
schutzes. Vielfach sind solche Maßnahmen nach
der LBO verfahrensfrei oder ggf. lediglich im
Kenntnisgabeverfahren durchzuführen, so dass
Durch mehrjähriges Brachliegen zwischen Satzungsbeschluss und Beginn einer Bebauung können sich artenschutzrechtlich rele-vante Bestandsveränderungen ergeben.
Rechts: Auch die verfahrensfreie Dämmung eines Daches oder anderweitige energetische Sa-nierungsmaßnahmen können artenschutzrechtliche Konfl ikte auslösen.
a) In der Planungspraxis hat sich als
Orientierungswert der Zeitraum von
fünf Jahren etabliert, für den Daten
zu Artvorkommen i. d. R. als noch
aktuell angesehen werden, wenn sich
nicht etwa deutliche Veränderungen
(Lebensraumausstattung des Gebiets
selbst, wesentliche Veränderungen im
Umfeld) ergeben haben. Es können
aber auch deutlich längere Zeiträume
aufgrund einer Plausibilitätsprüfung
akzeptabel sein, ohne dass eine
(jedenfalls vollständige) Neuerfassung
erfolgen müsste. Dies ist im Einzelfall
nachvollziehbar fachlich zu begründen.
69
Spalten auf. Entsprechend muss es sich nicht
um historische Gemäuer, Kirchen o. ä. handeln,
auf die Artenschutzkonfl ikte an Gebäuden im
Zusammenhang mit o. g. Maßnahmentypen
fokussiert sind.
Es kann davon ausgegangen werden, dass
bereits in sehr großem Umfang Lebensstätten
gebäudebewohnender Tierarten wie der oben
genannten durch Sanierungs-, Renovierungs-
und Abrissmaßnahmen zerstört wurden. Dies
zeigen auch die immer wieder auftretenden
Fälle von „Notmaßnahmen“ während laufender
Arbeiten und mit zumindest zeitweise seitens
der Behörden angeordnetem Baustopp. Dem
kann auch bei verfahrensfreien Vorhaben und
Maßnahmen durch eine ausreichende Vorein-
schätzung von Konfl ikten und ggf. weitergehen-
den Ermittlungen begegnet werden.
Fallbeispiel (Sanierung)Ein hohes Gebäude mit Vorkommen des
Mauerseglers soll energetisch saniert wer-
den. Die Arbeiten können aus verschiedenen
Gründen jedoch nur während der Brutzeit des
Mauerseglers erfolgen. Um den Mauerseglern
auch für die betreffende Brutperiode Nistmög-
lichkeiten zur Verfügung zu stellen, wird das
Gerüst vor Beginn der Brutzeit gestellt, in den
Bereichen mit Brutplätzen mit blickdichter
Folie be-
spannt (zur Vermeidung von Störungen) und
dann werden an das Gerüst an möglichst exakt
übereinstimmender Positionierung zu den bis-
herigen Brutplätzen Mauerseglerkästen als
Interimsmaßnahmen angebracht. Als dauerhafte
Maßnahme werden an denjenigen Stellen, an
denen Brutplätze in der Fassade waren, Mauer-
seglernisthilfen mit übereinstimmender Einfl ug-
situation in das Wärmedämmverbundsystem
integriert. Zur Erhöhung der Prognosesicherheit
der Maßnahmen wird eine deutlich höhere
Zahl an Nisthilfen eingebaut als Brutplätze
vorhanden waren (Orientierungswert 5:1). Zur
Vermeidung von Kältebrücken werden die
Kästen separat mit hochdämmenden Platten
hinterfüttert. Das Gerüst bleibt bis zum Ende
der Brutperiode stehen, die Nistkästen als In-
terimsmaßnahme werden dann zusammen mit
dem Gerüst wieder abgebaut.
Fallbeispiel (Sanierung)Bei der artenschutzfachlichen Untersuchung
zu einer geplanten Gebäudesanierung wurde
ein kurzzeitig besetztes Einzelquartier der
Zwergfl edermaus festgestellt. Zur funktionalen
Kompensation des Verlustes dieses Quartieres
werden als Interimsmaßnahme ein bis drei
Fledermauskästen an je einen Baum im Garten
gehängt. Im Zuge der Sanierung werden an
geeigneten Stellen (warm, freier Anfl ug, nahe
der Gebäudekanten) drei handelsübliche Fleder-
mausfassadenquartiere in das Wärmedämmver-
bundsystem integriert.
Fallbeispiel (Abriss)Eine Hälfte eines älteren Doppelhauses soll ab-
gerissen und neu errichtet werden. Bei Prüfung
der artenschutzfachlichen Aspekte wird die
Mehlschwalbe, die in mehreren Brutpaaren in
den extra angebrachten Nisthilfen vorkommt,
als potenziell betroffene Art identifi ziert. Maß-
nahmen zur Vermeidung von Verbotstatbestän-
den nach § 44 Abs. 1 BNatSchG sind demnach
erforderlich. Da der Gebäu-
deabriss vor der eigentlichen
Brutzeit der Art terminiert
werden kann, werden die
Nisthilfen an den verbleiben-
den Teil des Doppelhauses in
gleichfalls geeignete Position
umgehängt. Ein Funktions-
erhalt ist auf diese Weise zu
prognostizieren und die Tö-
tung nicht fl uchtfähiger Individuen (Eier, nicht
fl ügge Jungvögel) wird vermieden.
Für solche und vergleichbare Maßnahmen ist
i. d. R. eine vorherige Abstimmung mit der
Naturschutzbehörde erforderlich.
Genutzte Nisthilfen der Mehlschwalbe können nach Abstimmung mit der zuständigen Naturschutzbehörde bei Sanie-rungsmaßnahmen außerhalb der Brutzeit vorübergehend entfernt oder dauerhaft an geeignete Stellen umgehängt werden.
70
verbunden sein. Sie ist aber auch dann erfor-
derlich, wenn Einzelmaßnahmen besonderer
Lenkung bedürfen, um in bestimmten Zeiträu-
men oder überhaupt ihre Funktion mit hoher
Prognosesicherheit erfüllen zu können. Eine gute
ökologische Baubegleitung kann für die Vorha-
bendurchführung in der beabsichtigten Art und
Weise sowie im beabsichtigten Zeitplan auch für
den Bauherren von zentraler Bedeutung sein.
Zu ihren Aufgaben gehört auch die Durchfüh-
rungskontrolle (Wurden bestimmte Maßnahmen
korrekt umgesetzt?).
Funktionskontrollen dienen der Prüfung der
Wirksamkeit durchgeführter und in der Planung
bzw. in Nebenbestimmungen festgelegter Maß-
nahmen. Hierbei wird geprüft, ob die vorgese-
henen Funktionen qualitativ und quantitativ
erreicht worden sind, ggf. erst teilweise, und wei-
terhin vollständig erreicht werden können. Dabei
kann es sich um rein technische Funktionskon-
trollen bereits während der Vorhabendurchfüh-
rung handeln (etwa die Kontrolle auf Dichtheit
eines eingesetzten Reptilienschutzzauns), oder
um solche nach (Teil-)Abnahme durch den Bau-
herren, wobei die tatsächliche Nutzung durch
die im Fokus stehende Art bzw. die entsprechen-
den Arten zu untersuchen ist (etwa die Belegung
einer künstlichen Nisthilfe durch den Mauer-
segler). Funktionskontrollen dienen auch dazu,
die Wirksamkeit von Maßnahmen gegenüber
der Behörde nachzuweisen oder einen Bedarf an
Nachsteuerungsmaßnahmen aufzuzeigen.
Unter einem Monitoring wird gegenüber einer
einfachen Funktionskontrolle eine mehr oder
minder kontinuierliche, sich jedenfalls zeitlich
weiter erstreckende und regelmäßige Beobach-
tung verstanden. Dies ist insbesondere dann
erforderlich, wenn besondere Unsicherheiten
bezüglich der längerfristigen Zielerfüllung
einer Maßnahme bestehen, diese bis zur vollen
Wirksamkeit ohnehin länger braucht oder in der
Pfl ege über einen längeren Zeitraum auf Basis
Eine ökologische Baubegleitung hat – abhängig
von den spezifi schen Eigenschaften eines Vor-
habens (Größe, Lage, Komplexität, betroffene
Arten) – vor allem die Aufgaben
• Nebenbestimmungen sowie anderweitig
geregelte, ökologisch relevante Maßnah-
men fachlich und zeitlich in den Bauablauf
einzuordnen und dies den Beteiligten zu
kommunizieren;
• entsprechende Probleme zu erkennen, zu
kommunizieren und ggf. durch zusätzliche
Maßnahmen zu vermeiden bzw. deren Behe-
bung zu veranlassen (z. B. bei neu auftre-
tenden artenschutzfachlichen Konfl ikten
während der Baumaßnahme);
• die ordnungsgemäße Vorhabendurchfüh-
rung zu dokumentieren.
Ihre Tätigkeit wird u. a. als „moderierend und
kontrollierend“ beschrieben. Im artenschutz-
rechtlichen Kontext betrifft dies in erster
Linie Vermeidungs- und Minderungs- sowie
(vorgezogene) funktionserhaltende Maßnahmen.
Da dies logistisch aufwändig sein kann und
insbesondere funktionserhaltende Maßnahmen
einen längeren zeitlichen Vorlauf vor Beginn
der eigentlichen, mit dem Vorhaben beabsich-
tigten Bautätigkeiten erfordern können, ist die
Bestellung und Einbindung einer ökologischen
Baubegleitung sehr frühzeitig zu empfehlen.
Optimalerweise ist sie bereits in ersten Pla-
nungsphasen und bei Ausschreibungen betei-
ligt. Bei Fragen des Artenschutzes muss entspre-
chend spezifi sche Kompetenz der ökologischen
Baubegleitung vorliegen oder dieser weiteres
Fachpersonal zur Seite gestellt sein.
Eine ökologische Baubegleitung kann durch die
Behörde im Rahmen der Nebenbestimmungen
vorgeschrieben werden. Dies wird insbesondere
bei komplexeren Aufgaben wie der Kombinati-
on vorgezogener funktionserhaltender Maßnah-
men mit der Vergrämung oder dem Fang und
der Verbringung von Tieren in Ersatzhabitate
Ökologische Baubegleitung, Funktionskontrollen und Monitoring
12
71
von Bestandskontrollen nachgesteuert werden
muss. Ein Monitoring ist letztlich auch als Teil
eines Risikomanagements zu verstehen, da Be-
urteilungen zur Wirksamkeit von Maßnahmen
immer eine Prognose – mit fall- und artbezogen
unterschiedlicher Aussagesicherheit – darstellen.
Für Funktionskontrollen und ein Monitoring,
soweit diese jeweils erforderlich sind, ist die
Festlegung einer Vorgehensweise einschließ-
lich der Phasen und der Dauer notwendig. Die
methodischen Ansätze können je nach Art und
zu erfüllenden Funktionen sehr unterschiedlich
sein und von einer oder mehreren Begehun-
gen in bestimmten jahreszeitlichen Phasen
mit Beobachtung bzw. gezielter Suche nach
bestimmten Arten bis hin zum Einsatz automa-
tischer Erfassungsgeräte (etwa in neu herge-
richteten Fledermausquartieren) reichen. Die
Beauftragung der ökologischen Baubegleitung
sowie von Funktionskontrollen oder Monitoring
obliegt dem Planungs- bzw. Vorhabenträger. Die
zuständige Behörde kann hierüber einen Nach-
weis sowie eine Dokumentation der Durchfüh-
rung und Ergebnisse verlangen. Dies kann als
Teil von Nebenbestimmungen auch Vorausset-
zung etwa für eine Baufreigabe sein.
ZEITLICHE EINORDNUNG UND
WEITERE HINWEISE
I. d. R. bereits im Vorfeld erforderli-
cher Ausschreibungen und bauvor-
bereitender Maßnahmen zu bestellen
(z. T. notwendig bzw. empfohlen).
Nach Fertigstellung/(Teil-)Abnahme
von Maßnahmen, fallweise auch
Zwischenkontrollen.
Spezifi sche Fachkompetenz (auch) in
der Erkennung/Erfassung der betref-
fenden Art(en) ist i. d. R. notwendig.
Ein zeitlicher Vorlauf zur Feststellung
des Ausgangszustands kann – soweit
vorgeschrieben oder fachlich ge-
boten – notwendig sein, ebenso die
Einbeziehung von Referenzfl ächen.
Spezifi sche Fachkompetenz (auch) in
der Erkennung/Erfassung der betref-
fenden Art(en) ist notwendig.
ZENTRALE INHALTE/AUFGABEN
Kommunikation von Zulassungsvoraussetzungen (Festset-
zungen im B-Plan, Nebenbestimmungen der Baugeneh-
migung etc.), fachliche und inhaltliche Einordnung in den
Bauablauf, konkrete Begleitung der relevanten Maßnahmen,
Erkennen von im Bauablauf auftretenden (fallweise auch neu-
en) Problemen bzw. Mängeln, Vorschläge für entsprechende
ggf. ergänzend erforderliche Maßnahmen/Nachsteuerung,
Dokumentation einer zulassungskonformen Vorhabenausfüh-
rung.
Wird hier als Teil der ökologischen Baubegleitung (s. oben)
eingeordnet. Sie mündet letztlich in eine technische
Zustandsfeststellung der jeweiligen Maßnahme mit Fest-
stellung der Funktionsfähigkeit als solcher zum Zeitpunkt der
(Teil-)Abnahme durch den Bauherren.
Konkrete Kontrolle darauf, ob die Wirkung einer Maßnahme
gegeben ist. Dies muss – z. B. im Fall einer neu hergestellten
Habitatfl äche – nicht nur einen strukturell günstigen Zustand
bestätigen, sondern den Nachweis der Nutzung durch die
Art im Rahmen des gesetzten Ziels beinhalten. Der Übergang
zum Monitoring (s. u.) ist fl ießend.
Wiederholte, i. d. R. mehr- bis langjährige Kontrollen mit
festgelegter Methodik, die auf die Überprüfung der Zielerrei-
chung und langfristigen Sicherung des gesetzten Ziels, auch
unter Veranlassung einer Nachsteuerung soweit erforderlich,
ausgerichtet sind. Je geringer die Prognosesicherheit einer
Maßnahme bzw. je komplexer diese ist, und je ungünstiger
der Erhaltungszustand der betreffenden Art, desto intensiver
und länger wird sich ein Monitoring i. d. R. erstrecken.
ARBEITSFELD
Ökologische
Baubegleitung
Durchführungs-
kontrolle
Funktions-
kontrolle
Monitoring
Übersicht zu vorrangigen Aufgaben und Inhalten von ökologischer Baubeglei-tung, Durchführungs- und Funktionskontrollen sowie Monitoring. Deren Bearbei-tung erfordert im artenschutz-fachlichen Kontext spezifi sche Fachkompetenz, die von einer allgemein bzw. übergreifend ausgerichteten Umweltbaube-gleitung oftmals nicht erwartet werden kann.
72
• dass in der Ablaufplanung konsequent
berücksichtigt wird, dass (bestimmte) bau-
liche Tätigkeiten davon abhängig sind, ob
bestimmte artenschutzrechtliche Maßnah-
men ggf. vorgezogen durchgeführt werden
müssen oder wegen des Artenschutzrechts
jahreszeitliche Beschränkungen einzuhalten
sind;
• dass in allen (voraussichtlich) komplexe-
ren Fällen unabhängig von den konkreten
Nebenbestimmungen in der Genehmigung
eine ökologische Baubegleitung eingesetzt
werden kann.
Es ist sehr empfehlenswert, eine konzeptionelle
Herangehensweise z. B. auf kommunaler Ebene
oder im Gebäudebestand von Wohnungs-
baugenossenschaften in Abstimmung mit der
zuständigen unteren Naturschutzbehörde zu
erarbeiten. Dadurch kann eine bessere zeitli-
che Abwicklung von Vorhaben gewährleistet
werden, indem beispielsweise frühzeitig Lücken
im (artenschutzbezogenen) Funktionserhalt
vermieden werden, die ansonsten zu Umset-
zungsverzögerungen führen können.
Fallbeispiel 1Eine Kommune weist ein Sanierungsgebiet aus,
in dem Maßnahmen der energetischen Gebäu-
desanierung gefördert werden. Zur frühzeitigen
Berücksichtigung des Artenschutzes beauf-
tragt die Kommune als Dienstleistung für ihre
Bürger ein Gutachterbüro, das in dem Sanie-
rungsgebiet Gebäude bewohnende Vögel und
Fledermäuse gebäudegenau erfasst. Geht bei
der Kommune ein Antrag auf Förderung einer
konkreten Maßnahme ein, wird geprüft, ob an
diesem Gebäude artenschutzrechtlich zu be-
rücksichtigende Vorkommen bekannt sind. Der
Bauherr wird über das Prüfergebnis informiert
und es werden Vorschläge zum weiteren Vorge-
hen gemacht. Unter Beteiligung fachkundiger
Personen werden darauf aufbauend die erforder-
lichen Artenschutzmaßnahmen – einschließlich
Auf Ebene der Bauleitplanung bestehen Opti-
mierungsmöglichkeiten insbesondere darin,
• die steuernde Funktion des Flächennut-
zungsplans für die räumlich-strukturelle
Entwicklung im gesamten Gemeindegebiet
strategisch zur möglichst weitgehenden
Konfl iktvermeidung bezüglich des Arten-
schutzes zu nutzen (verringert zeitliche
Probleme und Aufwendungen für spätere
Prüfungen auf Ebene des Bebauungsplans
sowie für erforderliche Maßnahmen);
• in der Regel bereits auf Ebene der Flächen-
nutzungsplanung bestimmte Prüfungen zum
Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter
Tier- und Pfl anzenarten durchzuführen,
sofern nicht bereits – etwa durch Ermittlun-
gen aus einem aktuellen Landschaftsplan –
ausreichende Daten vorliegen (vgl. Kap. 7);
• den teilweise mehrjährig erforderlichen
zeitlichen Vorlauf durch erforderliche Unter-
suchungen, insbesondere aber auch vorge-
zogene wirksame Maßnahmen frühzeitig in
die Planung einzubeziehen; dies betrifft ins-
besondere die Ebene des Bebauungsplans;
• auf Gemeindeebene etwa im Rahmen eines
„Biodiversitäts-Checks“ verbesserte Beurtei-
lungsgrundlagen für artenschutzfachliche
und -rechtliche Fragestellungen vorsorgend
auch für die Bebauungsplanung bereit zu
stellen; dies kann im Siedlungsbereich etwa
durch Übersichtserfassungen bestimmter
Gebäudebrüter ergänzt werden (v. a. Schwal-
ben, Mauersegler).
Auf Ebene der einzelnen Bauvorhaben sind
Optimierungsmöglichkeiten insbesondere darin
zu sehen,
• dass sich Bauherr und Entwurfsverfasser
bereits bei der Vorbereitung und Erstel-
lung des Planentwurfs vor Einreichung des
Bauantrages damit befassen, ob Fragen des
Artenschutzes berührt sein könnten (zu den
Möglichkeiten hierzu s. Kap. 9, auch mit
entsprechenden Schemata und Tabellen);
Abläufe optimieren
13
73
solcher zur Tötungsvermeidung – geplant und
umgesetzt. Für den Fall, dass im Rahmen des
jeweiligen Vorhabens keine Möglichkeiten zur
Umsetzung von Interimsmaßnahmen bestehen,
hat die Gemeinde an kommunalen Gebäuden
Ersatzquartiere für die im Zuge der vorbereiten-
den Erfassung festgestellten Arten angebracht,
die als Interimsmaßnahmen den einzelnen
Vorhaben zugeordnet werden können.
Fallbeispiel 2
Eine Wohnbaugesellschaft plant, in den nächs-
ten Jahren einen Teil ihrer Gebäude energetisch
zu sanieren. Zur vorgezogenen Kompensation
der zu erwartenden Betroffenheit von Spalten
bewohnenden Fledermausarten und Gebäu-
de brütender Vogelarten werden an anderen
Gebäuden, die bereits saniert sind oder erst
deutlich später saniert werden, nach fachlicher
Beurteilung dort funktional sinnvolle Nisthil-
fen und Spaltenquartiere angebracht. Diese
werden einem Monitoring unterzogen und die
besiedelten Nisthilfen sukzessive den Vorhaben,
entsprechend der dort festgestellten Arten,
zugeordnet. Auf diese Art und Weise wird
innerhalb des Gebäudebestandes der Wohnbau-
gesellschaft ein Funktionserhalt erreicht. Zur
Organisation dieser Tätigkeiten hat die Firma
ein internes „Nistkasten-Konto“ in Abstim-
mung mit der unteren Naturschutzbehörde ein-
gerichtet. Maßnahmen zur Tötungsvermeidung
werden separat berücksichtigt.
Vereinfachte „Jahresuhr“ für die Planung mit wichtigen Phasen (beinhaltet nicht alle Artengrup-pen). Achtung: Fallweise können sich Abweichungen ergeben.
* Auch Artenschutz zu beachten,
s. S. 14-15
** Soweit ansonsten artenschutz- und
naturschutzrechtlich zulässig, insbe-
sondere wenn Funktionserhalt sicher
gestellt ist.
Brutvögel
(Schwerpunkt Erfassung /
Hauptbrutzeitraum)
73
Zulässiger Fäll-/Rodungszeitraum
vieler Gehölze*
Fachlich i. d. R. unkritischer Zeitraum
für Eingriffe in Vogelbrutstätten**
Regelzeitraum für erforder-liche Bestandserfassungen Fauna/Artenschutz
Reptilien
(Erfassung / Hauptaktivität)
Haselmaus
(Erfassung / Hauptaktivität)
74
FCS-Maßnahme Maßnahme zur Verhinderung einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen einer Art im Rahmen einer arten-schutzrechtlichen Ausnahme.
FFH-Richtlinie/FFH-RL Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG)
FNP Flächennutzungsplan
GG Grundgesetz
Günther A, Nigmann U, Achtziger R, Gruttke H, Bearb., (2005): Analyse der Gefährdungsursachen planungsrelevanter Tiergruppen in Deutschland. Naturschutz und Biologische Vielfalt 21. Bonn-Bad Godesberg.
Grüneberg C, Bauer HG, Haupt H, Hüppop O, Ryslavy T, Südbeck P (2015): Rote Liste der Brutvö-gel Deutschlands, 5. Fassung, 30. November 2015. Berichte zum Vogelschutz 52: 19-67.
Landratsamt Tübingen, Hrsg. (2016): Artenschutz am Haus. Hilfestellung für Bauherren, Architekten und Handwerker. Tübingen.
LBO Landesbauordnung Baden-Württemberg
LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg
MLR – Ministerium für Ländlichen Raum und Ver-braucherschutz Baden-Württemberg, Hrsg. (2013): Biodiversitäts-Check für Gemeinden. Aktionsplan Biologische Vielfalt. Stuttgart.
OGBW Ornithologische Gesellschaft Baden-Würt-temberg e.V.
Pimm SL, Jenkins CN, Abell R, Brooks TM, Gittle-man JL, Joppa LN, Raven PH, Roberts CM, Sexton J O (2014): The biodiversity of species and their rates of extinction, distribution, and protection. Science 344, 1246752. doi: 10.1126/ science.1246752.
Regierungspräsidium Stuttgart, Hrsg. (2016): Erforderliche Informationen für einen Antrag auf Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatschG bei Betroffenheit streng geschützter Arten.
Runge H, Simon M, Widdig T, Louis HW (2010): Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maß-nahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvor-haben. FuE-Vorhaben im Rahmen des Umweltfor-schungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz – FKZ 3507 82 080. Hannover, Marburg.
ABKÜRZUNGEN UND ZITIERTE
QUELLEN
AGF Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V.
BArtSchV Bundesartenschutzverordnung
BauGB Baugesetzbuch
BauGB-DVO Durchführungsverordnungzum BauGB
BfN Bundesamt für Naturschutz
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz
B-Plan Bebauungsplan
BT-Drs. 16/5100 Deutscher Bundestag, Druck-sache 16/5100 v. 25.4.2007. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzge-setzes.
Bundesamt für Naturschutz, Hrsg. (2009): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pfl anzen und Pilze Deutsch-lands. Band 1: Wirbeltiere. Naturschutz und Biologi-sche Vielfalt 70(1). Bonn-Bad Godesberg.
Bundesamt für Naturschutz, Hrsg. (2015): Artenschutz-Report 2015. Tiere und Pfl anzen in Deutschland. Bonn-Bad Godesberg.
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerwG Bundesverwaltungsgericht
Ceballos G, Ehrlich PR, Barnosky AD, García A, Pringle RM, Palmer TM (2015): Accelerated modern human–induced species losses: Entering the sixth mass extinction. Science Advances, 1: e1400253.
CEF-Maßnahme Maßnahme zur Sicherstellung einer kontinuierlichen ökologischen Funktiona-lität (funktionserhaltende Maßnahme) von Fort-pfl anzungs- und Ruhestätten zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Verbote, die im räumlichen Zusammenhang mit dem Ort der Beeinträchtigung wirken muss und i. d. R. zeitlich vorgezogen durch-zuführen ist.
EG-Artenschutzverordnung Verordnung über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pfl anzenarten durch Überwachung des Handels (Verordnung EG Nr. 338/97).
Europäische Kommission, Hrsg. (2007): Leitfa-den zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG. Endgültige Fassung, Februar 2007.
14
Anhang
75
Trautner J (2020): Artenschutz - Rechtliche Pfl ich-ten, fachliche Konzepte, Umsetzung in der Praxis.Stuttgart (im Erscheinen begriffen).
VGH Baden-Württ. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Vogelschutzrichtlinie Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (2009/147/EG)
HINWEISE AUF WEITERFÜHRENDE
QUELLENHinweise auf wichtige Quellen zu artenschutz-fachlichen sowie -rechtlichen Fragen zum Thema Licht und Glas
Schweizerische Vogelwarte, Hrsg. (2012): Vogel-freundliches Bauen mit Glas und Licht. 2. überarb. Aufl .. Sempach.
Rössler M, Doppler W (2014): Vogelanprall an Glasfl ächen, Geprüfte Muster. 3. Aufl .. Faltblatt.
Huggins B, Schlacke S (2019): Schutz von Arten vor Glas und Licht. Rechtliche Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten. Schriftenreihe Natur und Recht, 18: 282 S.. Berlin. Wichtige Webseite mit weiterführenden Infos zum Thema Artenschutz am Hauswww.artenschutz-am-haus.de
HINWEISE FÜR DEN
SIEDLUNGSBEREICHDie nachfolgenden Hinweise zu verschiedenen Aspekten beziehen sich auf den durch Gebäude, Gärten und weitere typische Elemente gekennzeich-neten Siedlungsbereich. Für Planungen zu ander-weitig ausgestatteten Flächen im Außenbereich oder diesem ähnlichen Flächen, die sich z. B. als Reste der früheren Landschaft bis in den Siedlungsbereich erstrecken oder dort verblieben sind, sind sie nicht einschlägig.
Aspekte zur Relevanzprüfung vorhande-ner Gebäude für den ArtenschutzDies stellt keine vollständige Liste dar, sondern kann als Orientierung dienen. Die Relevanz kann in den meisten Fällen nur durch Fachpersonal beurteilt werden.
A) Fassade und Dach (von außen)• relevante Schadstellen / Einfl ugmöglichkeiten Dach• relevante Schadstellen / Einfl ugmöglichkeiten Fassade• Hinweise auf größere Hohlräume unter einer Verschalung• Fensterläden oder Rollladenkästen vorhanden• Bewuchs vorhanden (Fassadenbegrünung, mglw. Dachbegrünung)• Kellerfenster mit Zugangsmöglichkeit zu Keller- räumen (nicht vollständig und dauerhaft verschlossen; soweit von außen erkennbar)
• Dachfenster oder -luken mit Zugangsmöglichkeit zum Dachstuhl (nicht vollständig und dauerhaft verschlossen; soweit von außen erkennbar)• Nischen und/oder Ansitze (für Vögel) vorhanden• Nisthilfen vorhanden• Nester vorhanden• Sonstige Tierspuren erkennbar (u. a. Nistmate- rial, Fledermauskot auf Absätzen oder unter dem Trauf, charakteristische Verfärbungen von ein-/ ausschlüpfenden Tieren – häufi g nur von Fach- personal erkennbar)• Regelmäßig an-/abfl iegende bzw. ein-/ausfl iegende Vögel in bestimmten Bereichen des Gebäudes• Unverfugte Mauer und Holzbalken mit Nistmög- lichkeiten für Wildbienen (nur in bestimmten Fällen artenschutzrechtlich relevant)
B) Dachstuhl/Keller (Innenraumkontrolle)• Kellerfenster mit Zugangsmöglichkeit zu Keller- räumen (nicht vollständig und dauerhaft verschlossen; soweit von innen erkennbar)• Dachfenster oder -luken mit Zugangsmöglichkeit zum Dachstuhl (nicht vollständig und dauerhaft verschlossen; soweit von innen erkennbar)• für Fledermäuse geeignete Bedingungen (u. a. dunkel, keine Zugluft)• nutzbare Nischen/Spalten/Hangplätze• Nester vorhanden• Sonstige Tierspuren erkennbar (u. a. Nistmaterial, Kot, charakteristische Verfärbungen an Spalten – häufi g nur von Fachpersonal erkennbar)
Aspekte zur Relevanzprüfung vorhande-ner Freifl ächen im SiedlungsbereichDies stellt keine vollständige Liste dar, sondern kann der Orientierung dienen. Die Relevanz kann in den meisten Fällen nur durch Fachpersonal beur-teilt werden.• älterer Baumbestand• Baum- bzw. Spechthöhlen• Baumspalten• Totholz• Vogelnester• gut besonnte Saumstrukturen• größere Flächen mit Ruderal- und Spontan- vegetation• Weidenröschen- und Nachtkerzenbestände• besonnte, insbesondere unverfugte Mauern• besonnte Schotter-/Kiesfl ächen• Gewässer• Anbindung an besondere Strukturen (u. a. Nachbarschaft zu Bahngelände, größeren besonnten Straßenböschungen)
76
Art GebäudebrüterRegelmäßig in
Freiflächen oder Gehölzen1
Arten der Parkteiche
Unter bestimmtenRahmenbedingungen
vorkommend
Alpensegler X
Amsel F
Bachstelze X
Blässhuhn X
Blaumeise H
Bluthänfling X2
Buchfink F
Buntspecht H
Dohle X
Eichelhäher F
Eisvogel X3
Elster F
Feldsperling X4
Flussregenpfeifer X5
Gänsesäger X3
Gartenbaumläufer H
Gartengrasmücke F
Gartenrotschwanz X5
Gebirgsstelze X3
Girlitz F
Goldammer B X6
Graugans X
Grauschnäpper X
Grünfink F
Grünspecht X7
Haubenmeise X8
Hausrotschwanz X
Haussperling X
Heckenbraunelle F
Höckerschwan X
Hohltaube X9
Klappergrasmücke X6
Kleiber H
Kohlmeise H
Mauersegler X
Mäusebussard X7
Mehlschwalbe X
Mittelspecht X4
Mönchsgrasmücke F
Nachtigall X10
VÖGEL IM SIEDLUNGSBEREICH BADEN-WÜRTTEMBERGS
77
Art GebäudebrüterRegelmäßig in
Freiflächen oder Gehölzen1
Arten der Parkteiche
Unter bestimmtenRahmenbedingungen
vorkommend
Orpheusspötter X11
Rabenkrähe F
Rauchschwalbe X
Ringeltaube F
Rotkehlchen B
Saatkrähe F
Schleiereule X
Schwanzmeise X12
Sommergoldhähnchen X8
Star X4
Steinkauz X4
Stieglitz X2
Stockente X
Sumpfmeise H
Teichhuhn X
Türkentaube F
Turmfalke X
Wacholderdrossel X13
Waldkauz X14
Waldohreule X15
Wanderfalke X
Wasseramsel X13
Weißstorch X
Zaunkönig B
Zilpzalp B
Zwergtaucher X
sel
VÖGEL IM SIEDLUNGSBEREICH BADEN-WÜRTTEMBERGS
1) differenziert in Höhlen-/Halbhöhlenbrüter (H), Freibrüter in Gehölzen (F), Bodenbrüter (B)
2) benötigt im Umfeld samenreiche Ruderalfl uren oder Brachen zur Nahrungssuche
3) Fließgewässer mit jeweils als Brutplatz geeigneten Strukturen
4) Art der ortsrandnahen Streuobstwiesen oder älterer Park- und Gartenanlagen
5) große vegetationsarme Brachen
6) ortsrandnahe Hecken oder Gebüsche
7) Art mit großem Raumanspruch, brütet in älteren Bäumen, in der Regel Betroffenheit von Nahrungsfl ächen
8) besiedelt ausschließlich Nadelbäume
9) Bäume mit großen Höhlen in Gärten in parkartigen Bereichen
10) meist Gebüsche feuchter Standorte
11) große Ruderalfl uren mit starker Verzahnung von skelettreichen, vegetationsarmen Böden und Gehölzen in frühem bis
mittlerem Sukzessionsstadium (z. B. Brombeeren)
12) dichte größere Gebüsche/Gehölze im Ortsrandbereich
13) parkartige Bereiche mit großen Bäumen (oft Pappeln) und regelmäßig gemähtem Grünland (häufi g Sportplätze, Freibä-
der, Parkanlagen)
14) Bäume mit großen Höhlen in Gärten mit park- bzw. streuobstartiger Struktur, seltener auch in Gebäuden
15) Folgenutzer von Rabenkrähennestern in Nadelbäumen, winterliche Gemeinschaftsschlafplätze oft in Bäumen in Gärten
und Parks
78
Art Gebäudequartiere Baumquartiere im Siedlungsbereich
Großer Abendsegler X X
Kleiner Abendsegler (X) X
Große Bartfledermaus X
Kleine Bartfledermaus X (X)
Bechsteinfledermaus (X) X
Breitflügelfledermaus X (X)
Braunes Langohr X X
Graues Langohr X (X)
Fransenfledermaus X X
Rauhautfledermaus X X
Großes Mausohr X X
Mopsfledermaus X
Mückenfledermaus X X
Nordfledermaus X
Wasserfledermaus X X
Weißrandfledermaus X
Wimperfledermaus X
Zweifarbfledermaus X
Zwergfledermaus X X
FLEDERMÄUSE IM SIEDLUNGSBEREICH BADEN-WÜRTTEMBERGS
(X) in geringem Umfang
Auf 100 % Recyclingpapier
gedruckt
Energie-Effizienz- Produktions-
konzept
Ökodruckfarben auf Basis nachwach-
sender Rohstoffe
Klimaneutral und emissionsarm
gedruckt
Für diese Druck-produktion wird
ein Baum gepflanzt