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MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, ARBEIT UND WOHNUNGSBAU Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten

Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

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Page 1: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, ARBEIT UND WOHNUNGSBAU

Artenschutz in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben

Handlungsleitfaden für die am Planen und Bauen Beteiligten

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Impressum

Herausgeber:

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau

Baden-Württemberg

Neues Schloss, Schlossplatz 4

70173 Stuttgart

Tel.: 0711 123-0

Fax: 0711 123- 2121

[email protected]

www.wm.baden-wuerttemberg.de

Inhaltliche und redaktionelle Bearbeitung:

Jürgen Trautner, Johannes Mayer (Arbeitsgruppe für

Tierökologie und Planung, Filderstadt)

Maximilian Fischer, Wolfgang Stein (Ministerium für

Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg)

Wolfgang Kaiser (Minsterium für Umwelt, Klima und

Energiewirtschaft Baden-Württemberg)

Begleitender Arbeitskreis (alphabetisch):

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

Baden-Württ., Bund Deutscher Landschaftsarchitekten

(bdla), Gemeindetag Baden-Württ., Landesnaturschutzver-

band (LNV), Landkreistag Baden-Württ., Naturschutzbund

(NABU) Baden-Württ., Regierungspräsidium Karlsruhe,

Städtetag Baden-Württ., Verband baden-württembergischer

Wohnungsbau- und Immobilienunternehmen (vbw)

Gestaltung und Druckvorbereitung:

Grafi kagentur Geigenmüller & Buchweitz (Filderstadt)

Druck:

Druckfrisch (Stuttgart)

Download und Bestellung:

https://wm.baden-wuerttemberg.de/publikationen

Copyright:

© 2019, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau

Baden-Württemberg

Bildnachweis (alphabetisch: Seite und

Bildreihenfolge in Leserichtung):

Jiri Bohdal (naturfoto.cz): 41-2; Michael Bräunicke: Titel 6, 8-2,

9-1, 16-1, 16-3, 40-1, 58-1, 59-3; Katrin Geigenmüller: 62/63,

72/73; Lando Geigenmüller: 38-1; Sabine Geißler-Strobel: 31-2;

Gabriel Hermann: 12-2, 22-2 bis 22-4; Johannes Mayer: Titel 1,

14-2, 16-2, 24, 41-1, 41-3, 58-4, 58-5, 59-1, 59-4, 68-2; Landesamt

für Geoinformation und Landentwicklung (LGL): Geoba-

sisdaten Az.: 2851.9- 1/19, 32, 37-2 bis 47 (jeweils Luftbild);

Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-

Württemberg: 3-2; nullplus/stock.adobe.com: 34/35-1; Sebastian

Rall: 14-3, 18-2; Jörg Rietze: 8-1; Martin Stollberg: 3-1;

Florian Straub: 9-2, 42-1, 59-2; Jennifer Theobald: 6-2, 25, 27,

39-1, 43-2, 44-1, 69; Jürgen Trautner: Titel 2-5, 5-1, 5-2, 6-1/7-1,

7-2, 10, 11, 12-1/13-1, 14-1/15-1, 15-2, 15-3, 17-1, 18-1, 19, 29, 30,

31-1, 31-3, 31-4, 35-2, 37-1, 43-1, 46-1 bis 46-3, 48-1/49-1, 49-2,

58-2, 58-3, 60, 61, 64, 65, 66/67, 68-1, 70/71; ty/stock.adobe.com:

20/21; Verwaltungsgemeinschaft Tettnang-Neukirch: 33; Katja

Wallmeyer: 48-2; Manuel Weidler: 22-1/23; Michael Zepf: 17-2.

Verteilerhinweis:

Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung

Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen

Verpfl ichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit heraus-

gegeben. Sie darf während eines Wahlkampfes weder von

Parteien noch von deren Kandidaten und Kandidatinnen oder

Hilfskräften zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

Dies gilt für alle Wahlen.

Missbräuchlich sind insbesondere die Verteilung auf Wahl-

veranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie

das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer

Informationen oder Werbemittel.

Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zur Verwendung

bei der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer

bevorstehenden Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht

so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausge-

bers bzw. der Herausgeberin zugunsten einzelner politischer

Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen

gelten unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher

Anzahl diese Informationsschrift verbreitet wurde.

Erlaubt ist es jedoch den Parteien, diese Informationsschrift

zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden.

Page 3: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren,

städtebauliche Planungen und Bauvorhaben

sind das Ergebnis komplexer Verwaltungsver-

fahren, bei denen ganz verschiedene öffentli-

che und private Interessen aufeinandertreffen.

Neben dem kritischen Blick der Öffentlichkeit

gibt es auch handfeste rechtliche Vorgaben, an

denen sich Planungs- und Bauprojekte messen

lassen müssen. Selbst für geübte Planerinnen

und Planer sowie Rechtsanwenderinnen und

Rechtsanwender wird es immer schwieriger,

sich im Gefl echt der verschiedenen Vorschriften

zurecht zu fi nden und Verwaltungsverfahren

gleichermaßen fachlich adäquat wie rechtssicher

durchzuführen. Gleichzeitig stellt sich die Frage

nach einem effi zienten Verfahrensmanagement.

Die angespannte Wohnungsmarktsituation –

sowohl in Groß- und Mittelstädten als auch im

ländlichen Raum – verleiht diesem Aspekt ein

ganz besonderes Gewicht.

Daher hat sich die beim Ministerium für Wirt-

schaft, Arbeit und Wohnungsbau eingerichtete

Wohnraum-Allianz des Landes Baden-Württem-

berg mit verschiedenen Hemmnissen der Bau-

landmobilisierung befasst. Ein Zwischenergebnis

der Beratungen der Wohnraum-Allianz war die

Einrichtung eines Arbeitskreises, der sich mit

Fragen des besonderen Artenschutzrechts beim

Planen und Bauen befasst hat.

Unter Beteiligung des Ministeriums für Umwelt,

Klima und Energiewirtschaft, des Arbeitskreises

und unter Einbindung von Fachleuten wurde

der nun vorliegende Handlungsleitfaden mit

dem Titel „Besonderer Artenschutz in der Bau-

leitplanung und bei Bauvorhaben“ erarbeitet.

Mit seinen sowohl fachlichen als auch rechtli-

chen Hilfestellungen und vielen anschaulichen

Fallbeispielen zeigt der Handlungsleitfaden

Wege auf, wie planerische Aufgabenstellungen

rund um den Artenschutz fundiert bearbeitet

werden können, auch und gerade im Hinblick

auf die Effi zienzsteigerung von Verwaltungsver-

fahren.

Durch das Insektensterben und die erheblichen

Verluste bei den heimischen Vogelarten ist in

den letzten Jahren deutlich geworden, dass

auch in Baden-Württemberg die Artenvielfalt

zurückgeht. Mit diesem Leitfaden wird praxis-

nah dargestellt, wie bei Bauleitplanung und bei

Bauvorhaben erhebliche Beeinträchtigungen

der geschützten Arten vermieden oder verrin-

gert werden können.

Wenn in Planungs- und Genehmigungsverfah-

ren die zur Verfügung stehenden rechtlichen

und fachlichen Instrumente frühzeitig und kon-

sequent eingesetzt werden und Planungs- und

Zulassungsverfahren für wichtige Projekte nicht

verzögert werden, weil artenschutzrechtliche

oder artenschutzfachliche Fragestellungen erst

verspätet berücksichtigt werden, profi tieren die

am Planen und Bauen beteiligten Akteure und

die Natur gleichermaßen.

Wir sind davon überzeugt, dass der Handlungs-

leitfaden Sie, die am Planen und Bauen betei-

ligten Akteure, bei der effi zienten und rechts-

sicheren Anwendung des Artenschutzrechts

unterstützen wird.

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdLMinisterin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg

Franz Untersteller MdLMinister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg

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4

Inhaltsverzeichnis

VORWORT 3

1 ANLASS 5

2 KURZER ABRISS ZU DEN

RECHTLICHEN ANFORDERUNGEN 6

■ Rechts- und Planungssystematik 6

■ Bauleitplanung 7

■ Bauvorhaben 10

■ Anforderungen aus dem Naturschutzrecht

im Überblick 10

3 NATURSCHUTZFACHLICHER

HINTERGRUND 12

4 WAS IST ZU BERÜCKSICHTIGEN,

WAS IST KONKRET VERBOTEN? 14

■ Allgemeiner Artenschutz 14

■ Besonderer Artenschutz 16

5 WER BEARBEITET UND PRÜFT

DIE ANFORDERUNGEN

DES ARTENSCHUTZES? 20

■ Bauleitplanung 20

■ Bauvorhaben 21

6 ABSCHICHTEN: RELEVANZCHECK

UND VERTIEFTE PRÜFUNG IM

ARTENSCHUTZ 22

7 ARTENSCHUTZ IM

FLÄCHENNUTZUNGSPLAN 26

■ Vorrangige Fragen 26

■ Vorgehensweise und zuständige Behörden 27

■ Ergebnisse am Beispiel 29

■ Kann eine artenschutzrechtliche Ausnahme

erforderlich und möglich sein? 32

8 ARTENSCHUTZ BEI DER AUFSTEL-

LUNG ODER ÄNDERUNG VON

BEBAUUNGSPLÄNEN 34

■ Vorrangige Fragen 34

■ Vorgehensweise und zuständige Behörden 35

■ Festsetzungen im B-Plan und Umgang mit

planexternen Flächen/Maßnahmen 36

■ Ergebnisse am Beispiel 37

■ Wie ist mit einem artenschutzrechtlichen

Ausnahmeerfordernis umzugehen? 47

9 ARTENSCHUTZ BEI

BAUVORHABEN 48

■ Vorrangige Fragen 48

■ Vorgehensweise, Verfahrensarten und

zuständige Behörden 49

■ Ablauf im Baugenehmigungsverfahren 52

■ Wie ist mit einem artenschutzrechtlichen

Ausnahme- oder Befreiungserfordernis

umzugehen? 56

■ Artenschutzmaßnahmen im Rahmen

der Planung und Genehmigung 56

■ Ergebnisse am Beispiel 58

10 VERMEIDUNG, FUNKTIONSERHALT

UND AUSNAHME 62

11 HINWEISE ZU BESONDEREN

FALLGESTALTUNGEN 66

■ Artenschutz im vereinfachten und

beschleunigten Bauleitplanverfahren 66

■ Besondere Fälle des Artenschutzes im

Innen- und Außenbereich 66

■ Artenschutz bei „alten“ Bebauungsplänen 67

■ Artenschutz bei Abriss, Sanierung

und Renovierung 68

12 ÖKOLOGISCHE BAUBEGLEITUNG,

FUNKTIONSKONTROLLEN

UND MONITORING 70

13 ABLÄUFE OPTIMIEREN 72

14 ANHANG 74

Page 5: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

Die durch Frau Ministerin Dr. Nicole Hoffmeis-

ter-Kraut MdL ins Leben gerufene Wohnraum-

Allianz setzt sich seit 2016 mit möglichen

Hemmnissen für die Ausweisung und Aktivie-

rung von dringend benötigten Wohnbaufl ächen

in Baden-Württemberg auseinander und spricht

Empfehlungen zu deren Überwindung aus.

Neben anderen Themenbereichen wurden auch

die gesetzlichen Vorgaben des Artenschutzes

sowie Herausforderungen bei der praktischen

Umsetzung dieser Vorgaben in städtebaulichen

Planungen und bei Bauvorhaben diskutiert.

Dabei hat sich gezeigt, dass es den Bedarf für

einen systematischen Leitfaden gibt, der die

komplexen artenschutzrechtlichen Anforderun-

gen näher erläutert und zudem den Fokus auf

einen möglichst effi zienten Umgang mit diesen

Anforderungen sowie deren Abarbeitung in

Bauleitplanverfahren und bei Bauvorhaben legt.

Der vorliegende Handlungsleitfaden richtet

sich daher in erster Linie an die kommunalen

Planungsträger in der Bauleitplanung sowie

die Behörden und die Vorhabenträger bei der

Planung und Zulassung von Bauvorhaben. Er

ist aber auch für die interessierte Öffentlichkeit

zum besseren Verständnis des Artenschutzes

und des sich daraus ergebenden kommunalen

Handelns im Bauleitplanverfahren geeignet.

Der Handlungsleitfaden verfolgt vorrangig

folgende Ziele:

• Sensibilisierung der am Planen und Bauen

Beteiligten für die artenschutzrechtlichen

Vorgaben im Bundesnaturschutzgesetz

(BNatSchG);

• Aufzeigen von Möglichkeiten für eine früh-

zeitige Vermeidung und Lösung von arten-

schutzrechtlichen Konfl ikten, sowohl in der

Bauleitplanung als auch bei Bauvorhaben;

• Veranschaulichung dieser Möglichkeiten

durch möglichst praxisnahe Beispielfälle;

• Klärung häufi g gestellter Fragen;

• Bereitstellen von Hinweisen für besondere

Planungssituationen und für gute Verfah-

rensabläufe.

Der Handlungsleitfaden soll damit einen Bei-

trag für eine gute Praxis bei der Bearbeitung

des Artenschutzes beim Planen und Bauen

leisten.

5

Anlass

1

Umsetzung von Bauvorhaben in einem neu erschlossenen Wohngebiet.

Page 6: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

den daher auch als „abwägungsfest“ bezeichnet.

Die Fachgesetze sehen zumeist auch spezielle

Ausnahme- oder Befreiungsmöglichkeiten vor,

die zum Teil für die Bauleitplanung nutzbar

gemacht werden können.

Als Teil des Systems der räumlichen Gesamtpla-

nung in Deutschland gelten für die Bauleitpla-

nung neben den fachrechtlichen Vorgaben auch

die Vorgaben der übergeordneten Raumord-

nung (Landesentwicklungsplan, Regionalplan).

So sind die Bauleitpläne nach § 1 Abs. 4 BauGB

an die in diesen Plänen festgelegten Ziele der

Raumordnung anzupassen. Grundsätze der

Raumordnung sind zu berücksichtigen.

Schließlich muss sich die kommunale Planung

auch mit raum- bzw. fl ächenrelevanten Fachpla-

nungen auseinandersetzen, in denen die Städte

und Gemeinden zu beteiligen sind, die jedoch

gegenüber der kommunalen Planung privilegiert

sein, d. h. Vorrang haben können. Bei Fachpla-

nungen handelt es sich um sektoral ausgerichte-

te Maßnahmen auf Basis spezifi scher Aufgaben

und Kompetenzen sowie eigener, fachgesetzli-

cher Regelungen, wie sie etwa von der Straßen-

bau- oder Wasserwirtschaftsverwaltung geplant

und durchgeführt werden.

Maßgeblich für das einzelne Bauvorhaben oder

eine Sanierung sind in erster Linie die Vorgaben

der Landesbauordnung Baden-Württemberg

(LBO). Neben den bauplanungs- und bauord-

nungsrechtlichen Vorschriften dürfen einem

Bauvorhaben andere öffentlich-rechtliche Rege-

lungen nicht entgegenstehen. Dies können auch

naturschutzrechtliche Regelungen sein.

6

RECHTS- UND PLANUNGS-SYSTEMATIKDie Bauleitplanung (Flächennutzungs- und

Bebauungsplanung) ist Teil der verfassungs-

rechtlich garantierten kommunalen Selbstver-

waltungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG). Sie obliegt

damit – im Rahmen der Gesetze – den Städten

und Gemeinden.

Die Aufstellung von Bauleitplänen richtet sich

in erster Linie nach den Regelungen des Bauge-

setzbuchs (BauGB).

Ein Kernprinzip des Baugesetzbuchs ist, dass

die planende Stadt bzw. Gemeinde im Rahmen

der Bauleitplanung sämtliche von der Planung

berührten öffentlichen und privaten Belange

nach § 1 Abs. 7 BauGB ermittelt, bewertet und

gegeneinander und untereinander gerecht ab-

wägt (= sog. Abwägungsgebot). Hierzu gehören

auch die Belange von Natur und Umwelt.

Daneben bestehen fachgesetzliche Vorschrif-

ten, z.B. aus dem Bundesnaturschutzgesetz, die

erweiterte Anforderungen an bestimmte dieser

Umweltbelange stellen. Solche Spezialvorschrif-

ten (z.B. für den Artenschutz) sind der bau-

leitplanerischen Abwägung in der Regel nicht

zugänglich. Sie sind strikt anzuwenden und wer-

Kurzer Abriss zu den rechtlichen Anforderungen

2

Vor der Erschließung eines neuen Wohngebietes stehen Planung und Abwägung im Rahmen der zweistufigen Bauleitplanung. Dabei sind die „abwägungs-festen“ Regelungen des Arten-schutzes, soweit im jeweiligen Einzelfall berührt, zu beachten.

Page 7: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

BAULEITPLANUNGFür den Bereich des Natur- und Artenschutzes

existieren verschiedene rechtliche Anforderun-

gen, die allesamt beachtet werden müssen. Im

konkreten Planungsfall sind zum Teil fachliche

und rechtliche Überschneidungen der einzel-

nen Anforderungen möglich, die eine gemein-

same Abarbeitung im Planverfahren erlauben

oder erfordern können.

(Allgemeine) Ziele und Grundsätze der

Bauleitplanung

Über die zweistufi ge Bauleitplanung – mit

Flächennutzungsplan (= vorbereitender Bau-

leitplan) und Bebauungsplan (= verbindlicher

Bauleitplan) – sollen die Städte und Gemeinden

nach § 1 Abs. 5 BauGB eine nachhaltige städ-

tebauliche Entwicklung gewährleisten. Dabei

sind es sowohl soziale, als auch wirtschaftliche,

kulturelle und auf den Schutz der Umwelt

ausgerichtete Anforderungen, denen die Kom-

mune Rechnung tragen und die sie in Einklang

bringen soll.

Hierzu gehören

• die sozialgerechte Bodennutzung unter

Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der

Bevölkerung,

• Schutz und Entwicklung einer menschen-

würdigen Umwelt sowie der natürlichen

Lebensgrundlagen,

• Förderung von Klimaschutz und Klima-

anpassung, insbesondere auch in der Stadt-

entwicklung,

• baukulturelle Erhaltung und Entwicklung

von städtebaulicher Gestalt, Orts- und

Landschaftsbild.

Die städtebauliche Entwicklung soll hierzu

vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwick-

lung erfolgen.

Inhaltliche Anforderungen mit Bezug zum

Natur- und Artenschutz

Das auf S. 6 bereits angesprochene Abwägungs-

gebot nach § 1 Abs. 7 BauGB ist das zentrale

Gebot rechtsstaatlicher Planung. Es ist gleicher-

maßen bestimmend für den Planungsvorgang

als auch für die Planungsentscheidung und

damit für das Ergebnis der Planung. Die von der

Planung berührten Belange (= Abwägungsmate-

rial) sind von der Gemeinde nach § 2 Abs. 3

BauGB zu ermitteln und zu bewerten und

schließlich gegeneinander und untereinander

gerecht abzuwägen. Welche Belange in einer

konkreten Planungssituation bevorzugt und

welche Belange demgegenüber zurückgestellt

werden, ist Gegenstand der Abwägung und

nicht vom Gesetz vorgegeben.

Die Belange des Naturschutzes und der

Landschaftspfl ege sind eine Teilmenge der zu

berücksichtigenden öffentlichen Belange und in

§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB ausführlich aufgeschlüs-

selt. In dieser Vorschrift sind insbesondere

folgende Abwägungsbelange mit Bezug zu Tier-

und Pfl anzenarten genannt:

• die Auswirkungen [der Planung] auf Tiere

und Pfl anzen, Landschaft und biologische

Vielfalt sowie das Wirkungsgefüge bzw.

7

Werden Siedlungsfl ächen erweitert, sind u. a. die Auswir-kungen auf Tiere und Pfl anzen sowie die biologische Vielfalt in der Planung als Teil der Belange von Naturschutz und Landschafts-pfl ege zu berücksichtigen.

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Während sowohl die bauleitplanerische Ein-

griffsregelung als auch die in § 1 Abs. 6 Nr. 7

BauGB benannten Belange innerhalb der bau-

leitplanerischen Abwägung berücksichtigt und

damit ggf. auch gegenüber anderen, gewichti-

geren Belangen zurückgestellt werden können,

gibt es andere aus dem Naturschutzrecht stam-

mende Regelungsbereiche, die der Abwägung

nicht zugänglich sind.

Zu den zu beachtenden Vorschriften gehören

die Regelungen des Artenschutzes, die in Kapi-

tel 5 des Bundesnaturschutzgesetzes enthalten

sind. Sie dienen sowohl dem Schutz der wild

lebenden Tier- und Pfl anzenarten als auch dem

Schutz ihrer Lebensstätten. Für die Bauleitpla-

nung sind in erster Linie die darin enthaltenen

Vorschriften über den besonderen Artenschutz

praxisrelevant. Das besondere Artenschutzrecht

gibt in den §§ 44 und 45 BNatSchG u. a. die

artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote und

gesetzliche Privilegierungen (etwa für Land-

und Forstwirtschaft, zulässige Eingriffe) sowie

Erleichterungen vor und zeigt darüber hinaus

auch Ausnahmemöglichkeiten auf.

Die Vorschriften des besonderen Artenschutzes

nehmen in der Bauleitplanung eine Sonder-

stellung ein, da sie handlungsbezogen (und

nicht planungsbezogen) formuliert sind. In

diesen Vorschriften wird insbesondere geregelt,

dass die Tötung oder Verletzung bestimm-

ter Tier- und Pfl anzenarten, die Zerstörung

oder Beschädigung deren Lebensstätten oder

8

Wechselwirkungen zwischen diesen und

weiteren Umweltfaktoren bzw. Schutzgütern;

• die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der

Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundes-

naturschutzgesetzes (einschließlich Wechsel-

wirkungen, s. o.);

• die Auswirkungen auf die vorstehenden

Belange aufgrund schwerer Unfälle oder

Katastrophen durch im Bebauungsplan-

gebiet zulässige Vorhaben.

Neben den genannten Natur- und Umweltbe-

langen ist in § 1a Abs. 3 BauGB in Verbindung

mit § 18 Abs. 1 BNatSchG vorgesehen, dass

über die sog. Eingriffsregelung ebenfalls im

Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung

entschieden wird. In der Literatur wird daher

gelegentlich auch von der „bauleitplanerischen

Eingriffsregelung“ gesprochen.

Die Eingriffsregelung befasst sich konkret mit

der Vermeidung und dem Ausgleich voraus-

sichtlich erheblicher (planungsbedingter) Beein-

trächtigungen des Landschaftsbildes sowie der

Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur-

haushalts. Eingriffe in Natur und Landschaft

sind nach § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderun-

gen der Gestalt oder Nutzung von Grundfl ä-

chen oder Veränderungen des mit der beleb-

ten Bodenschicht in Verbindung stehenden

Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und

Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder

das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen

können.

Die Zauneidechse gehört zu den relativ häufi g in der Bauleit-planung und bei Bauvorhaben betroffenen streng geschützten Arten.

Haselmäuse bewohnen Wälder, größere Feldgehölze und Hecken. In Baden-Württemberg sind sie in den meisten Landschaftsräu-men vertreten.

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9

Standorte sowie zudem in sensiblen Zeiträumen

die erhebliche Störung bestimmter Tierarten

verboten ist. Die Verbote untersagen damit

bestimmte tatsächliche Handlungen. Obgleich

nicht der Bauleitplan selbst, sondern erst dessen

Verwirklichung untersagte Handlungen dar-

stellen bzw. mit sich bringen kann, müssen die

Gemeinden schon in der Bauleitplanung diese

Verbote beachten. Denn nach höchstrichterli-

cher Rechtsprechung ist ein Bebauungsplan, der

im Zeitpunkt seiner Aufstellung erkennbar we-

gen bestehender rechtlicher Hindernisse nicht

verwirklicht werden kann und somit seinen

städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungs-

auftrag verfehlt, als solcher nicht erforderlich im

Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Er kann damit bei

einer gerichtlichen Überprüfung für unwirksam

erklärt werden.

Strikt zu beachten und der Abwägung nicht

zugänglich sind ferner die Vorschriften zu

Schutzgebieten auf der Grundlage europäischen

Rechts (Natura 2000-Gebiete: FFH-Gebiete

und Europäische Vogelschutzgebiete) sowie zu

Schutzgebieten nach nationalem Recht (z. B.

Natur- und Landschaftsschutzgebiete). Das Ge-

bietsschutzrecht mit seinen Spezialvorschriften

und das oben beschriebene besondere Arten-

schutzrecht können sich – je nach Planungssitu-

ation – auch überlagern.

Formale Anforderungen mit Bezug zum

Natur- und Artenschutz

Bei der Aufstellung von Bauleitplänen ist im

Regelverfahren eine förmliche Umweltprüfung

für die Belange des Umweltschutzes nach § 2

Abs. 4 BauGB durchzuführen. In ihr werden die

voraussichtlichen erheblichen Umweltauswir-

kungen ermittelt und in dem sog. Umweltbe-

richt beschrieben und bewertet. Das bedeutet,

dass die Umweltprüfung das Trägerverfahren

für alle bauleitplanerischen Umweltverfahren

ist.

Der Umweltbericht ist ein gesonderter Teil der

Begründung zum Bebauungsplan (§ 2a BauGB)

und befasst sich mit verschiedenen umweltrele-

vanten Planungsaspekten, die in der Anlage 1

zum Baugesetzbuch abschließend aufgezählt

sind.

Näheres zur erforderlichen Ermittlungstiefe

hinsichtlich der Belange von Tieren, Pfl anzen

und der biologischen Vielfalt mit Fokus auf

den Artenschutz fi ndet sich in Kap. 6. Für

die Festlegung von Ermittlungsumfang und

-detaillierung ist die Stadt oder Gemeinde selbst

zuständig, es ist jedoch eine vorherige Abstim-

mung mit der Naturschutzbehörde vorgesehen

(§ 4 Abs. 1 BauGB). Jedenfalls heranzuziehen

sind Landschaftspläne oder bestimmte sonstige

vorliegende Pläne.a)

Bei Bebauungsplänen, die nach § 13, 13a und

13b BauGB im vereinfachten bzw. im beschleu-

nigten Verfahren aufgestellt werden, entfällt

zwar die Pfl icht zur Durchführung der förmli-

chen Umweltprüfung und zur Dokumentation

im Umweltbericht sowie einzelner weiterer

umweltrechtlicher Anforderungen. Die Pfl icht,

die umweltbezogenen Planungsbelange in den

gemeindlichen Abwägungsvorgang einzustellen,

bleibt davon allerdings unberührt. Die arten-

schutzrechtlichen Anforderungen des Bundes-

naturschutzgesetzes und die Regelungen zu den

Schutzgebieten sind ebenfalls zwingend anzu-

wenden.

Die Dohle brütet an Gebäuden, benötigt aber auch ausreichende Nahrungsfl ächen in und im nahen Umfeld von Siedlungen.

Fledermäuse wie diese Langoh-ren nutzen auch Gebäudequartie-re. Sie können daher von Umbau- und Sanierungsmaßnahmen betroffen sein. Dazu gehören ins-besondere der Aus- oder Umbau von Dachböden, Scheunen und von außen zugänglichen Kellern.

a) § 2 Abs. 4 in Verbindung mit § 1

Abs. 6 Nr. 7 Buchst. g BauGB

Page 10: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

Bei verfahrensfreien Vorhaben ist der Bauherr

dafür verantwortlich, dass die öffentlich-recht-

lichen Vorschriften einschließlich des Arten-

schutzes eingehalten werden (Näheres in Kap.

9, S. 47 ff).

ANFORDERUNGEN AUS DEM NATUR-

SCHUTZRECHT IM ÜBERBLICK

Nebenstehend fi ndet sich ein Überblick zu

den wichtigsten Regelungsbereichen des

Bundesnaturschutzgesetzes mit Schwerpunkt

oder Querbezügen zum Schutz von Tier- und

Pfl anzenarten. Darüber hinaus gibt es weitere

Regelungen wie den Schutz vor invasiven Arten

(§ 40a BNatSchG). Im Übrigen muss darauf hin-

gewiesen werden, dass sich Bestimmungen, die

im Einzelfall Relevanz erlangen können, auch in

der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV,

dort etwa zum Verbot des Einsatzes bestimmter

Verfahren oder Geräte) oder in landesspezifi -

schen Regelungen fi nden.

Die artenschutzrechtlichen Regelungen des

BNatSchG im engeren Sinn (S. 16 ff) sind in

solche zum allgemeinen und zum besonderen

Artenschutz gegliedert. Letzterer bezieht sich

auf Arten mit einem differenzierten Schutzsta-

tus in Verbindung mit der Bundesartenschutz-

verordnung sowie mit weiteren Verordnungen,

Übereinkommen oder Richtlinien teils euro-

parechtlicher Art. Der besondere Artenschutz

einschließlich der Möglichkeiten für Ausnah-

men oder Befreiungen ist zentrales Thema des

vorliegenden Leitfadens.

Eine Schädigung von Arten und natürlichen

Lebensräumen gemäß § 19 BNatSchG in Ver-

bindung mit dem Umweltschadensgesetz kann

dann vorliegen, wenn zuvor nicht ermittelte

und insoweit nicht genehmigte bzw. nicht spe-

zifi sch zugelassene Beeinträchtigungen bei der

Verwirklichung eines Vorhabens eintreten. Hier

spricht man verkürzt von einem Umwelt- bzw.

Biodiversitätsschaden. Voraussetzung ist, dass

eine solche Beeinträchtigung erhebliche nach-

teilige Auswirkungen auf die Erreichung oder

Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands

der betreffenden Art hat. Verantwortliche Per-

sonen können dann zu Sanierungsmaßnahmen

auf ihre Kosten verpfl ichtet werden. Derzeit

sind unter den Arten nur solche der Anhänge II

10

BAUVORHABENSowohl verfahrensfreie Vorhaben als auch Vor-

haben, für die ein Baugenehmigungsverfahren

durchzuführen ist, müssen den öffentlich-recht-

lichen Vorschriften entsprechen (§ 50 Abs. 5

i.V. m. § 58 Abs. 1 LBO). Zu diesen zählen auch

die artenschutzrechtlichen Bestimmungen des

§ 44 f. BNatSchG, die daher bei einzelnen Bau-

vorhaben anzuwenden sind.

Im günstigsten Fall können artenschutzrecht-

liche Konfl ikte bei einfach gelagerten Fällen

ohne vertiefte Betrachtung ausgeschlossen

werden. Ansonsten liegt möglicherweise bei

Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich

(§ 34 BauGB) oder in einem Bebauungsplan-

gebiet (§ 30 BauGB) eine hinreichend aktuelle

Grundlage vor, die Vorgaben zur baubedingten

Vermeidung artenschutzrechtlicher Verstöße

beinhaltet (z. B. zeitliche Vorgaben für bestimm-

te Tätigkeiten, Bsp. S. 36) und andere mögliche

Konfl iktsachverhalte etwa durch vorgezogene

funktionserhaltende Maßnahmen (s. Kap. 8,

S. 35 ff sowie Kap. 10) bereits

gelöst hat.

Wenn dies nicht der Fall ist,

beteiligt bei verfahrenspfl ichtigen

Vorhaben die untere Baurechts-

behörde bei Verdacht auf Vor-

kommen bzw. Betroffenheit

geschützter Arten die zuständige

Naturschutzbehörde als berührte

Fachbehörde gemäß § 53 Abs. 4

Satz 1 LBO. Soweit sich dies im

Weiteren als erforderlich erweist,

kann die untere Baurechts-

behörde den Bauherren gemäß

§ 53 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LBO

zur Beibringung eines Gutach-

tens auffordern um sicherzustel-

len, dass es zu keinem Verstoß

gegen artenschutzrechtliche

Verbote kommt (ggf. unter Be-

rücksichtigung von Vermeidungs-

oder sonstigen Maßnahmen).

Näheres dazu s. Kap. 9, S. 52 ff.

Auch seitens des Bauherren kann

hierzu vorsorglich eine entspre-

chende Ermittlung und Bewer-

tung veranlasst werden.

Einzelne Bauvorhaben unter-liegen den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschrif-ten, aber auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dürfen nicht entgegenstehen.

Die wichtigsten Regelungs-bereiche des BNatSchG mit Schwerpunkt oder Querbezügen zum Schutz von Tier- und Pfl an-zenarten. Zur Eingriffsregelung und zur Berücksichtigung des eu-ropäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 enthält das BauGB in § 1a eigene Bestimmungen in Verbindung mit § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a bzw. b.

Allgemeiner Arten- und Lebensstättenschutz§ 39 BNatSchG

Schäden an bestimmten Arten, Sanierungspfl icht§ 19 BNatSchGVerantwortung berufl ich Tätiger für nicht zuvor ermittelte Schäden

Eingriffsregelung§§ 14 ff. BNatSchGUnterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen auch von Arten; Ausgleich oder Ersatz

Sonstiger Flächen-/Gebietsschutzdiv. §§ BNatSchGdarunter geschützte Biotope und Naturschutzgebiete (auch) mit Funktionen für Arten

Natura 2000§§ 31 ff. BNatSchGSchutz und Gebietsmanagement, Prüfung und ggf. Unzulässigkeit von Projekten, Kohärenzsicherung

Ausnahmen/Befreiung§§ 45 und 67 BNatSchG

Besonderer Artenschutz§ 44 BNatSchG

§1a Abs. 4 BauGB

§1a Abs. 3 BauGB

Page 11: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

11

und IV der europäischen Fauna-Flora-Habitat-

Richtlinie (92/43/EWG) sowie ein Großteil der

europäischen Vogelarten Gegenstand dieser

Regelung.

Die Eingriffsregelung nach BNatSchG (§§ 14

ff.), die im Kontext der Bauleitplanung be-

reits angesprochen wurde, verpfl ichtet den

Verursacher eines Eingriffs dazu, vermeidbare

Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft

zu unterlassen (Vermeidungs- und Verminde-

rungsgebot) und für unvermeidbare Beeinträch-

tigungen Kompensation zu leisten. Letzteres

bedeutet, dass diese Beeinträchtigungen durch

Maßnahmen des Naturschutzes und der Land-

schaftspfl ege auszugleichen (Ausgleichsmaßnah-

men) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen) sind.

Solche Maßnahmen zielen auf die gleichartige

oder zumindest gleichwertige Wiederherstel-

lung beeinträchtigter Funktionen des Natur-

haushaltes im engeren räumlichen Zusammen-

hang bis auf Ebene des betroffenen Naturraums

ab. Bezüglich Tieren und Pfl anzen ist dies auf

besonders wertgebende und planungsrelevante

Arten fokussiert. Die Frage, ob es sich dabei

um gesetzlich besonders geschützte Arten han-

delt, spielt zwar eine Rolle, doch sind nicht nur

solche Arten abwägungsrelevant. In den weite-

ren Kapiteln wird dies noch angesprochen

(s. Kap. 3 ff.).

Der Flächen- und Gebietsschutz umfasst die

Vorschriften zum Schutz und zur Entwicklung

der Schutzgebiete des europäischen Netzwerks

Natura 2000 (FFH- und Vogelschutzgebiete;

§ 31 ff. BNatSchG) und die Schutzgebiete nach

nationalem Recht (z. B. Naturschutz- und Land-

schaftsschutzgebiete).

Mit den §§ 69 ff. enthält das BNatSchG im

Übrigen Bußgeld- und Strafvorschriften, nach

denen bei bestimmten widerrechtlichen Hand-

lungen bezüglich geschützter Arten Geld- oder

Freiheitsstrafen vorgesehen werden können.

Die kommunale Bauleitplanung nach Baugesetzbuch (BauGB) ist in einen Rahmen aus Vorgaben der übergeordneten Raumplanung, zu berücksichtigender und teils privilegierter Fachplanungen sowie bestimmter fachgesetz-licher Regelungen eingebunden. Zu letzteren gehören u. a. die Eingriffsregelung mit Vermeidungs- und Kompensationsanfor-derungen (Teil der Abwägung) sowie die artenschutzrechtlichen Bestimmungen des BNatSchG (abwägungsfest). In der Eingriffs-regelung sind auch sonstige besonders wertgebende und pla-nungsrelevante Arten von Bedeutung, unabhängig von einem gesetzlichen Schutzstatus. Das Trägerverfahren für sämtliche Umweltverfahren im Zusammenhang mit einem Bauleitplanver-fahren ist die Umweltprüfung. Belange von Tieren, Pfl anzen und der biologischen Vielfalt sind in der Abwägung auch im Rahmen beschleunigter bzw. verein-fachter Verfahren zu berücksichtigen, obwohl hier die formale Umweltprüfung und der Umweltbericht entfallen. Der besondere Artenschutz ist in allen Fällen zwingend zu beachten. Das einzelne Bauvorhaben unterliegt primär der Landesbauord-nung, sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften einschließlich des Artenschutzrechts sind dabei allerdings ebenfalls zu beachten.

KURZ GEFASST

Auch funktionserhaltende oder zur Kompensation geeignete Maßnahmen des Naturschut-zes erfordern häufi g maschinellen Einsatz: Hier bei der Beseitigung unerwünschten Gehölzaufwuch-ses zur Wiederherstellung für den Arten- und Biotopschutz wertvol-ler Offenland-Lebensräume.

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12

unterschiedliche Verbreitungsmuster ausschlag-

gebend sind.

Daher sind weitere Instrumentarien erforderlich,

um Arten aktiv und passiv wirksam zu schützen.

In der Bauleitplanung kommt dabei der bereits

im vorstehenden Kapitel angesprochenen Um-

weltprüfung einschließlich der Berücksichtigung

der Eingriffsregelung eine große Bedeutung zu,

da sie übergreifend darauf ausgerichtet ist, fach-

lich korrekt zu erfassen, abzuwägen und dabei

nach Möglichkeit zu vermeiden, zu mindern und

für unvermeidbare Beeinträchtigungen Kom-

pensation zu leisten. Dies soll auch den im Ein-

zelnen betroffenen Arten als Teil von Natur und

Landschaft bzw. der Schutzgüter Tiere, Pfl anzen

und biologische Vielfalt zu Gute kommen.

Anders als bei der Abarbeitung des besonderen

Artenschutzes ist der primäre Blickwinkel beim

allgemeinen Artenschutz ein naturschutzfachli-

cher: Denn im Rahmen der Umweltprüfung ist

ein besonderes Augenmerk auf die gefährdeten

Arten und unter diesen noch weiter vertieft

dann auf jene Arten zu richten, für die unter

biogeografi schen Aspekten eine besondere

Schutzverantwortung besteht, etwa weil sie ei-

nen hohen weltweiten Bestandsanteil innerhalb

Deutschlands haben.d) Bei Beeinträchtigungen

und Bestandsverlusten gerade solcher Arten

wird auch dem einzelnen Vorhaben am ehes-

ten eine wesentliche Rückwirkung auf Tiere,

Pfl anzen und die biologische Vielfalt zuzurech-

nen sein. Ob dagegen einer Art ein bestimmter

Schutzstatus beigemessen wurde, ist in diesem

Zusammenhang nachrangig, zumal dieser auf

verschiedene Gründe zurückzuführen sein

kann, die mit einer potenziellen Gefährdung

durch ein Vorhaben überhaupt nicht im Zusam-

menhang stehen mögen.

Das Aussterben von Arten und der Rückgang

von Artbeständen haben weltweit nach ak-

tuellen Analysen eine Größenordnung und

Geschwindigkeit erreicht, die wesentlich höher

als eine natürlicherweise ohne menschliche

Aktivitäten zu erwartende Aussterberate liegt. a)

Auch in Deutschland und Baden-Württemberg

wird die Situation der Artenvielfalt als alarmie-

rend bewertet. b)

Nach den bundesweiten Roten Listen als fach-

lichem Bewertungsmaßstab liegt der Anteil

gefährdeter Arten bei vielen Gruppen der Flora

und Fauna bereits deutlich über einem Drittel

der heimischen Arten, teilweise bereits über der

Hälfte. Zahlreiche weitere Arten gelten als mög-

liche Kandidaten für eine zu-

künftige Gefährdung und wur-

den in die so genannten Vor-

warnlisten aufgenommen, die

ergänzend zu den eigentlichen

Roten Listen geführt werden.

Darunter fi nden sich nicht nur

Arten der freien Landschaft,

sondern zu einem nicht unwe-

sentlichen Anteil auch solche,

deren Lebensräume in Randbereichen oder gar

innerhalb von Siedlungen liegen. Auch gebäude-

bewohnende Tierarten zählen bereits teilweise

als gefährdet oder werden in der Vorwarnliste

geführt. Baumaßnahmen stellen zwar nicht den

bundesweit stärksten Beeinträchtigungsfaktor

für Arten dar, rangieren in einer Analyse zu Ge-

fährdungsursachen bei Tiergruppen als Wirkfak-

torenkomplex aber unter den ersten fünf. c)

Der Schutz von Arten als zentralem Teil der

„Biologischen Vielfalt“ (Biodiversität) kann nicht

alleine durch ein System des Biotop- und sons-

tigen Flächenschutzes erreicht werden, wofür

unter anderem die vielfältigen ökologischen

Ansprüche von Arten (z. B. an Flächengrößen

und Biotopverbund), besondere Sensitivität

gegenüber bestimmten Beeinträchtigungen und

Naturschutzfachlicher Hintergrund

3Tagfalter 54 %

Amphibien 40 %

Viele Tagfalter wie dieser gehö-ren zu den bundesweit und in Baden-Württemberg in ihrem Bestand bedrohten Tierarten. Über alle Artengruppen hinweg stehen zahlreiche Arten auf den aktuellen Roten Listen gefährde-ter Tiere und Pfl anzen (ausge-wählte Prozentwerte bedrohter Tierarten nach bundesweitem Stand, BfN 2009 u. Folgebände, Grüneberg et al. 2015).

a) Pimm et al. (2014); Ceballos et al. (2015)

b) Bundesamt für Naturschutz (2015)

c) Günther et al. (2005)

d) BVerwG, Hinweisbeschl. v. 2.10.2014 - 7 A 14.12, Rn. 18 ff.

Page 13: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

13

Aber auch der besondere Artenschutz stellt eine

wesentliche Säule des Naturschutzes dar und

soll als eigenes Instrumentarium dazu beitra-

gen, den Artenschwund zu stoppen.

Hierzu zählen Regelungen und Maßnahmen

zur Eindämmung und Regulierung des gewerbs-

mäßigen oder illegalen Fangs, der Haltung und

des Handels von Arten und daraus hergestellter

Produkte, worauf die Aufnahme vieler Arten in

eine Schutzkategorie (besonders oder streng ge-

schützt) abzielt. Weltweit kommt dem eine sehr

hohe Bedeutung zu, im Kontext des vorliegen-

den Leitfadens ist dies jedoch nicht relevant.

Ferner sollen mit aktiven Maßnahmen unter

anderem bestehende Artenschutzprogramme

ausgebaut oder ergänzt werden.

Schließlich zielen die Zugriffsverbote des

§ 44 Abs. 1 BNatSchG (s. Kap. 4, S. 17) über

einen gebietsunabhängigen Schutz darauf ab,

den günstigen Erhaltungszustand bestimmter

geschützter Arten zu sichern oder einen solchen

wieder zu erreichen. Für die land-, forst- und

fi schereiliche Bewirtschaftung gelten spezifi -

sche Rahmenbedingungen und die Vorgabe,

dass sich die Situation lokaler Populatio-

nen nicht verschlechtern darf (§ 44 Abs. 4

BNatSchG).

In der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben

sind die Verbote einzeln entsprechend dem

jeweiligen Schutzansatz zu berücksichtigen und

abzuarbeiten: bezüglich Tier- oder Pfl anzen-

individuen bestimmter geschützter Arten als

solche, der störungsarmen zentralen Phasen des

Lebenszyklus bestimmter Tierarten sowie der

Lebensstätten und Standorte bestimmter Arten.

• Individuenbezogene Verbote sind im Arten-

schutz (der nicht etwa dieselben Ziele wie

der Tierschutz verfolgt) deshalb von Be-

deutung, weil die Tötung und Verletzung

von Tieren oder die Zerstörung von Pfl an-

zen u. a. unmittelbare Auswirkungen auf

deren Bestandsgröße haben kann;

• das Verbot einer erheblichen Störung in

bestimmten, besonders sensiblen Zeiträu-

men soll u. a. verhindern, dass eine erfolg-

reiche Fortpfl anzung ausbleibt oder sich

etwa deutlich vermindern würde;

• und schließlich soll das Zerstörungs- und

Beschädigungsverbot für Fortpfl anzungs-

und Ruhestätten bzw. Standorte von Arten

erreichen, dass das entsprechende Flä-

chenangebot weder qualitativ noch quan-

titativ zurückgeht oder gar Arten mangels

Lebensraum aus bestimmten Gebieten

vollständig verschwinden.

Wildbienen 53 %

Brutvögel 45 %

Fledermäuse 40 %

Die Situation der Artenvielfalt ist weltweit und in Deutschland dramatisch schlecht. Auch in Baden-Württemberg sind viele Arten bedroht. Baumaßnahmen sind in Deutschland zwar nicht der gravierendste Beeinträchtigungsfaktor für Arten, rangieren bei den Gefährdungsursachen(-komplexen) für Tiergruppen aber unter den ersten fünf. Unterschiedliche Instru-mentarien sollen zu einem Stopp des Artenverlustes beitragen.

Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung muss vorrangig auf die gefährdeten Arten und noch weiter vertieft auf Arten fokussieren, für die unter biogeografi schen Aspekten eine besondere Schutzver-antwortung besteht. Separat und in nur teilweiser Überschneidung ist der besondere Artenschutz abzuarbeiten. Dabei kommt den einzelnen Verboten aus unterschiedlichen Gründen fachliche Bedeu-tung zu: Dies betrifft sowohl die auf einen Individuenschutz ausge-richteten Verbote als auch diejenigen zum Schutz von Lebensstätten und Standorten und zur Verhinderung erheblicher Störungen.

KURZ GEFASST

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14

Darüber hinaus enthält § 39 BNatSchG allge-

meine Verbote bzw. spezifi sche Ausschluss-

zeiträume für bestimmte Maßnahmen oder

Tätigkeiten. Für das Planen und Bauen relevant

sind dabei:

• Das Verbot zur Beseitigung, des Abschnei-

dens oder „auf den Stock Setzens“ bestimm-

ter Bäume außerhalb des Waldes und sons-

tiger Gehölze im Zeitraum vom 1. März bis

zum 30. September (§ 39 Abs. 5 Nr. 2).

Dieses gilt nicht für Bäume auf gärtne-

risch genutzten Grundfl ächen, zu denen in

Baden-Württemberg auch innerstädtische

Grünanlagen und gestaltete Hausgärten

gezählt werden. Das Verbot gilt wohl aber

für sonstige Gehölze, für Bäume an anderen

Standorten sowie insgesamt im Rahmen zu-

lässiger Bauvorhaben dann, wenn nicht nur

geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirkli-

chung der Baumaßnahmen beseitigt werden

muss. Darüber hinaus gilt dieses Verbot u. a.

nicht für behördlich angeordnete Maßnah-

men, nach § 15 BNatSchG zulässige Eingrif-

fe in Natur und Landschaft sowie bestimmte

sonstige Maßnahmen, die im öffentlichen

Interesse nicht auf andere Weise oder zu

anderer Zeit durchgeführt werden können.

• Das Verbot, Höhlen, Stollen, Erdkeller oder

ähnliche Räume, die als Winterquartier von

Fledermäusen dienen, in der Zeit vom

1. Oktober bis zum 31. März aufzusuchen

(§ 39 Abs. 6). Dieses Verbot gilt nicht bei

der Durchführung unaufschiebbarer und nur

geringfügig störender Handlungen sowie für

touristisch erschlossene oder stark genutzte

Bereiche.

ALLGEMEINER ARTENSCHUTZDie Regelungen zum allgemeinen Artenschutz

fi nden sich in den §§ 39 bis 43 BNatSchG.

§ 39 BNatSchG verbietet zunächst die mutwil-

lige bzw. ohne vernünftigen Grund erfolgende

Beeinträchtigung wild lebender Tiere (Beunru-

higung, Fang, Verletzung, Tötung) und Pfl anzen

(Entfernung von ihrem Standort, Nutzung,

Verwüstung der Bestände) sowie ihrer Lebens-

stätten. Dies gilt für alle wild lebenden Arten,

unabhängig von einem speziellen Schutzstatus.

Für genehmigte bzw. zulässige Bauvorhaben

und die Bauleitplanung entfalten diese Bestim-

mungen aber keine (besondere) Bedeutung,

denn hier ist regelmäßig von einem vernünfti-

gen Grund für unvermeidbare Beeinträchtigun-

gen auszugehen.

Was ist zu berücksichtigen, was ist konkret verboten?

4

Baumfällungen sind zeitlich teils durch Bestimmungen des allgemeinen Artenschutzes reglementiert; zu dem ist auch der besondere Artenschutz (s.Folgeabschnitt) zu beachten.

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15

Wesentlich ist, dass zusätzlich der besondere

Artenschutz beachtet werden muss. D. h., dass

zwar eine Beseitigung geringfügigen Gehölz-

bewuchses nach der o. g. Bestimmung auch

zwischen 1. März und 30. September nach

§ 39 BNatSchG zulässig sein kann, nicht aber

dann, wenn zum betreffenden Zeitpunkt der

Durchführung gerade dort eine Vogelbrut

stattfi ndet und ein besetztes Nest zerstört oder

Eier bzw. nicht-fl ügge Jungvögel getötet werden

könnten.

Mit Ausnahme des zeitlich einschränkenden

Verbots zur Beseitigung, des Abschneidens oder

„auf den Stock Setzens“ bestimmter Bäume

und sonstiger Gehölze (s. o.) in § 39 Abs. 5

Nr. 2 BNatSchG entfalten die Regelungen des

allgemeinen Artenschutzes nur selten Relevanz

für die Bauleitplanung oder Bauvorhaben. Im

zeitlichen Ablauf von Bauvorhaben ist die Frage

der Gehölzbeseitigung aber regelmäßig von

Bedeutung und daher frühzeitig zu berücksich-

tigen. Ggf. ist auch mit der zuständigen Behör-

de zu klären, was von dieser konkret als noch

„geringfügiger Gehölzbewuchs“ angesehen wird.

Die §§ 40 bis 40f BNatSchG behandeln das

Ausbringen von Pfl anzen und Tieren sowie

den Umgang mit invasiven Arten.

Diese Bestimmungen erlangen in den meisten

Fällen der Bauleitplanung und bei Bauvorha-

ben keine Relevanz, weshalb nicht vertieft auf

sie eingegangen wird. Im Einzelfall können

Maßnahmen zur Verhütung einer Verbreitung

invasiver Arten aber eine Rolle spielen, etwa

bei der Erschließung von Flächen mit durch

Samen oder andere reproduktive Teile invasi-

ver Pfl anzenarten belasteten Substraten. Auch

Maßnahmen an einem Gewässer, die etwa

dessen Durchgängigkeit verändern, können bei

Vorkommen invasiver Krebsarten problematisch

sein. Soweit absehbar, sollte dies bereits auf

Ebene der Bauleitplanung (etwa Flächenzu-

schnitt, Erschließung) berücksichtigt werden.

§ 41 BNatSchG bestimmt, dass zum Schutz

von Vogelarten neu zu errichtende Masten und

technische Bauteile von Mittelspannungslei-

tungen konstruktiv so auszuführen sind, dass

Vögel gegen Stromschlag geschützt sind. Dies

ist im Einzelfall bei Änderung bestehender

Mittelspannungsleitungen mit der Errichtung

neuer Masten, etwa im Zusammenhang mit

der Erschließung eines neuen Baugebietes, zu

berücksichtigen.

Die §§ 42 bis 43 BNatSchG beziehen sich auf

Zoos und Tiergehege und sind nur in einem

solchen speziellen Fall relevant.

Foto links: Für nicht touristisch genutzte Bereiche mit Unter-tagequartieren von Fleder-mäusen etwa in Höhlen oder Stollen gilt ein allgemeines Betretungsverbot im Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. März, auch wenn diese nicht verschlos-sen sein sollten.

Zwischen dem 1. März und 30. September sind an Hecken im Allgemeinen nur schonende Form- und Pfl egeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pfl anzen zulässig. Auch dabei ist aber z. B. auf Vogelbrut zu achten.

Aus dem allgemeinen Arten-schutz resultieren wenige für die Bauleitplanung und Bauvor-haben relevante Vorgaben, insbesondere Ausschlusszeiträume für bestimmte Maßnahmen oder Tätigkeiten (v. a. Gehölzent-fernung), die aber frühzeitig in die Planung eingestellt werden können und sollten. Im Einzelfall können auch bestimmte Maß-nahmen, etwa zur Verhütung einer Verbreitung invasiver Arten, notwendig werden.

KURZ GEFASST

Page 16: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

16

oder strenger Schutz vermittelt wirda), der

teils auf europarechtliche Vorgaben und teils

auf nationale Überlegungen zurückgeht. Dies

schließt auch Arten ein, bei denen im Wesentli-

chen Fang, Haltung oder Handel reglementiert

werden sollen. Diese weiteren Arten, etwa

sonstige geschützte Tagschmetterlinge, Wild-

bienen, Heuschrecken oder Amphibien, sind im

Regelfall aber nur im Rahmen der Eingriffsrege-

lung angemessen zu berücksichtigen. Es ist im

Einzelfall zu entscheiden, ob eine oder meh-

rere weitere Artengruppen untersucht werden

müssen, um die Auswirkungen auf Tiere und

Pfl anzen sowie die biologische Vielfalt in die-

sem Rahmen über den besonderen Artenschutz

hinaus sachgerecht erfassen und bewerten zu

können.

Wild lebend meint im Übrigen nur Tiere und

Pfl anzen solcher Arten, deren Exemplare nicht

ausschließlich vom Menschen gezüchtet oder

angebaut werden, wie dies bei Haustieren, vie-

len Nutztierrassen oder Nutzpfl anzen der Fall

ist. Zu den wild lebenden Arten zählen auch

solche, die an oder in Gebäuden brüten oder

dort Ruhestätten besitzen wie z. B. die Mehl-

schwalbe oder bestimmte Fledermausarten.

Sodann stellt sich die Frage, was konkret ver-

boten ist. Hierbei enthält § 44 BNatSchG in

Abs. 1 die so genannten Zugriffsverbote, und

in Abs. 2 weitere Besitz- und Vermarktungsver-

BESONDERER ARTENSCHUTZDer besondere Artenschutz ist in den §§ 44

und 45 BNatSchG geregelt.

Zunächst stellt sich die Frage, welche Arten

geschützt und zudem in der Bauleitplanung und

bei Bauvorhaben relevant sind. Eine derartige

Relevanz kann für den Regelfall auf zwei Arten-

kollektive beschränkt werden (zu Abweichun-

gen s. Kap. 11):

• jede bei uns auftretende, wild lebende eu-

ropäische Vogelart, unabhängig vom Status

des besonderen oder strengen Schutzes;

• jede bei uns auftretende, wild lebende Art

des Anhangs IV der FFH-Richtlinie (FFH-

RL); diese sind sämtlich streng geschützt.

Nur für diese Arten gelten die Verbote des

§ 44 Abs. 1 BNatSchG für unvermeidbare Be-

einträchtigungen im Rahmen zulässiger Eingrif-

fe nach § 17 BNatSchG sowie bei bestimmten

zulässigen Vorhaben nach BauGB. Bei letzterem

gerade in Gebieten mit Bebauungsplänen,

während der Aufstellung eines solchen Plans

und im unbeplanten Innenbereich nach

§ 34 BauGB.

Zwar gibt es eine Vielzahl an weiteren ge-

setzlich geschützten Arten, für die durch das

BNatSchG in Verbindung mit der Bundesarten-

schutzverordnung (BArtSchV) ein besonderer

Übersicht zu besonders und streng geschützten Arten (nach § 7 Abs. 2 Nrn. 13 und 14 BNatSchG) und Hervorhebung der für den Regelfall in der Bauleitplanung und bei Bau-vorhaben relevanten Artenkol-lektive. Die übrigen Arten sind gemäß § 44 Abs. 5 Satz 5 von den Verboten des § 44 BNatSchG freigestellt.

Für Mauersegler, Wiesen-knopf-Ameisenbläulinge und Laubfrosch (letztere als FFH-Anhang-IV-Arten) gelten die Verbote des besonderen Arten-schutzes auch in der Bauleit-planung und bei Bauvorhaben (Beispielarten).

a) § 7 Abs. 2 Nr. 13 und 14 BNatSchG

Im Regelfall artenschutzrechtlich relevante Arten in Gebieten

mit Bebaungsplänen, während deren Planaufstellung und im

Innenbereich nach § 34 BauGB

Europäische

Vogelarten

In Europa

natürlich

vorkommende

Vogelarten im

Sinne des Art. 1

der Richtlinie

2009/147/EG

Arten des

Anhangs IV der

FFH-Richtlinie

(92/43/EWG)

Arten einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG- weil bislang nicht erlassen

Sonstige besonders oder streng geschützte Arten- Arten des Anhangs A oder B der Verordnung (EG) 338/97- Arten einer Rechtsverord- nung nach § 54 Abs. 1 und 2 BNatschG (bislang BArtSchV)

§44 Abs. 5 BNatSchG

Nein

Nein

Page 17: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

17

bote. Letztere bleiben nachfolgend unberück-

sichtigt, weil sie für die Bauleitplanung und für

Bauvorhaben keine Relevanz entfalten.

Konkret verboten ist für die o. g. relevan-

ten, wild lebenden Arten nach § 44 Abs. 1

BNatSchG (Zugriffsverbote):

• den Tieren nachzustellen, sie zu fangen, zu

verletzen, zu töten oder ihre Entwicklungs-

formen aus der Natur zu entnehmen, zu

beschädigen oder zu zerstören (Nr. 1);

• die Tiere während der Fortpfl anzungs-,

Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und

Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine

erhebliche Störung liegt dann vor, wenn

sich durch die Störung der Erhaltungs-

zustand der lokalen Population einer Art

verschlechtert (Nr. 2);

• Fortpfl anzungs- oder Ruhestätten der Tiere

aus der Natur zu entnehmen, zu beschädi-

gen oder zu zerstören (Nr. 3);

• Pfl anzen oder ihre Entwicklungsformen

(z. B. Samen, Rhizome) aus der Natur zu

entnehmen, sie oder ihre Standorte zu

beschädigen oder zu zerstören (Nr. 4).

Bei der Prüfung, ob Verbote verletzt werden

und welche Maßnahmen ggf. erforderlich sein

könnten, um den Flächennutzungsplan, einen

Bebauungsplan oder ein bestimmtes Bauvor-

haben unter Gesichtspunkten des Artenschut-

zes als zulässig einzustufen, fl ießen fachliche

Feststellungen zur Situation (etwa der Überla-

gerung geplanter Baufl ächen mit Lebensstätten

entsprechend geschützter Arten) und fachliche

sowie rechtliche Bewertungen zu Vorhabensfol-

gen zusammen.

Zu den Verbotstatbeständen im Einzelnen:

• Tötung oder Verletzung von Individuen

bzw. Beschädigung oder Zerstörung von

Entwicklungsformen: Die entsprechen-

den Verbote für Tiere und Pfl anzen sind

individuenbezogen und schließen alle

Entwicklungsformen wie etwa Eier, Raupen

oder Pfl anzensamen ein. Allerdings haben

zunächst die Rechtsprechung und dann die

bislang letzte Novellierung des BNatSchG

die Schwelle einer „Signifi kanz“ eingeführt.

Demnach werden diese Verbote nicht

verletzt, wenn das Tötungs- und Verlet-

zungsrisiko für Exemplare der betroffenen

Arten nicht signifi kant erhöht ist und sich

zugleich als unvermeidbar zeigt (§ 44 Abs. 5

Satz 2 Nr. 1 BNatSchG).

• Erhebliche Störung: Dieses Verbot ist auf

einen räumlich-funktional abgrenzbaren

Artenbestand („Population“) und bestimm-

te, allerdings summarisch sehr weit reichen-

de Zeitphasen bezogen und setzt für eine

Verwirklichung voraus, dass sich störungs-

bedingt der Erhaltungszustand dieses

Bestands verschlechtert. Der Erhaltungszu-

stand ist als Gesamtheit der Einfl üsse zu se-

hen, die sich langfristig auf die Verbreitung

und die Größe dieses Bestandes auswirken.

Was als „lokale Population“ anzusehen ist,

unterscheidet sich zwischen den einzelnen

Arten. Bei Arten mit fl ächiger Verbreitung

sowie bei revierbildenden Arten mit großen

Aktionsräumen etwa stellt der jeweilige

Naturraum 4. Ordnung in Baden-Württem-

berg den angemessenen Bezugsraum dar.

Bei Arten mit geringerer Häufi gkeit und

Raumnutzung kann es sich um landschaft-

liche Teilräume deutlich unterhalb einer

Naturraumebene oder den Bestand einer

lokal eng begrenzten Lebensstätte handeln.

• Zerstörung oder Beschädigung einer Fort-

pfl anzungs- oder Ruhestätte: Dieses Verbot

ist konkret fl ächen- und funktionsbezogen.

Bei einer Fortpfl anzungsstätte handelt es

sich artbezogen um den mehr oder minder

gesamten oder aber um einen bestimm-

ten (für die Funktion zentralen) Teil des

Blaufl ügelige Sandschrecke und Schwalbenschwanz sind Beispiele für national geschützte Arten, die in der Bauleitplanung und bei zulässigen Bauvorha-ben von den Verboten des § 44 BNatschG freigestellt sind.

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Lebensraums, der unverzichtbar ist, um die

erfolgreiche Fortpfl anzung zu sichern. Für

die Fortpfl anzungsstätte gilt der Schutz

auch dann, wenn sich die Tiere gerade

nicht an oder in ihr aufhalten (z. B. auf-

grund jahreszeitlicher Wanderungen), aber

davon auszugehen ist, dass sie diese wieder

aufsuchen bzw. regelmäßig nutzen werden.

Gleiches gilt für Ruhestätten, bei denen es

sich um Flächen oder Strukturen handelt,

die für ein einzelnes Tier oder eine Gruppe

von Tieren in mehr oder minder inaktiven

Phasen von besonderer Bedeutung sind,

spezifi sche Tierbauten mit eingeschlossen.

Vereinfachte Übersicht zu wesentlichen Fragen und Konsequenzen bei der Prüfung, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG von einem ansonsten zulässigen Vorhaben oder Bauleitplan berührt sein können. Jedes einzelne der Ver-bote führt zur entsprechenden Konsequenz. Die Formulierungen sind auf die Verbote zu Tierarten fokussiert.

Europäische Vogelart oder Art des Anhangs IV der Fauna-Flora-

Habitat-Richtlinie (FFH-RL)

Tötung oder

Verletzung

von Individuen

der geschützten

Art? (signifi kant

erhöhtes Risiko)

Erhebliche Stö-

rung der lokalen

Population der

geschützten

Art?

§ 44 BNatSchG

Zerstörung oder

Beschädigung

einer Fortpfl an-

zungs- oder

Ruhestätte der

geschützten

Art?

Bauleitplanung / Vorhaben (zunächst) unzulässig

Vermeidung, ausreichende Minderung oder Funktionserhalt

nicht möglich

Ausnahmsweise Zulassung unter bestimmten, engen Rahmen-

bedingungen möglich

Nächtlicher Baubetrieb mit Beleuchtung kann sensible Tierarten der näheren Umgebung stören. In bestimmten Fällen kam diese Störung erheblich sein und artenschutzrechtlich einen Verbotstatbe-stand verwirklichen.

Wird in Fortpfl anzungs- und Ruhestätten geschütz-ter Arten eingegriffen, so liegt je nach Lebens-raumansprüchen jener Arten oftmals eine Beschädigung oder Zerstörung vor.

Page 19: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

19

Aus den Verboten selbst und den obigen Aus-

führungen ergibt sich klar, dass ausreichende

Informationen zum jeweiligen Vorhaben und zu

möglicherweise betroffenen Beständen ent-

sprechend geschützter Arten vorliegen oder im

Rahmen des jeweiligen Vorhabens beigebracht

werden müssen, um eine Prüfung zu ermögli-

chen. Hierzu fi nden sich weitergehende Ausfüh-

rungen in Kap. 6.

Um artenschutzrechtliche Verbote trotz einer

Betroffenheit von Arten und Artenbeständen

nicht eintreten zu lassen, können neben Ver-

meidungs- und Minderungsmaßnahmen auch

funktionserhaltende Maßnahmen in Frage kom-

men. Diese zielen darauf ab, die ökologische

Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben

betroffenen Fortpfl anzungs- und Ruhestätten

im räumlichen Zusammenhang weiterhin zu

erfüllen (§ 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG).

Hierzu fi nden sich weitergehende Ausführun-

gen in Kap. 10, Beispiele u. a. ab S. 37.

Ist das Eintreten von Verbotstatbeständen un-

vermeidbar, so kann unter bestimmten Voraus-

setzungen eine artenschutzrechtliche Ausnah-

me von den Zugriffsverboten in Frage kommen

(§ 45 Abs. 7 BNatSchG). Hierzu fi nden sich

weitergehende Ausführungen in Kap. 10. Die Reichweite des besonderen

Artenschutzes in der Bauleitplanung und bei Bauvorhaben be-schränkt sich im Regelfall auf europäische Vogelarten (unabhän-gig von besonderem oder strengem Schutz) sowie solche streng geschützte Arten, die in Anhang IV der FFH-Richtlinie (FFH-RL) geführt sind. Die Zugriffsverbote sind teils individuenbezogen (v. a. Verletzung, Tötung), teils populationsbezogen (erhebliche Störung) und teils konkret fl ächen- und funktionsbezogen (Zer-störung oder Beschädigung von Fortpfl anzungs- und Ruhestät-ten von Tieren, für Pfl anzen sinngemäß ihrer Standorte). Bei der Prüfung, ob Verbote berührt werden und der entsprechenden Konsequenzen, fl ießen fachliche Feststellungen zur Situation und fachliche sowie rechtliche Bewertungen zu Vorhabensfolgen zusammen. Ausreichende Informationen zum jeweiligen Vorha-ben und zu möglicherweise betroffenen Beständen entsprechend geschützter Arten müssen vorliegen oder im Rahmen des jeweili-gen Vorhabens beigebracht werden. Zur Vermeidung bestimmter Verbotstatbestände können spezifi sche Maßnahmen berücksich-tigt werden. Ist die Verletzung von Verbotstatbeständen unver-meidbar, so kann unter bestimmten Voraussetzungen eine arten-schutzrechtliche Ausnahme von den Zugriffsverboten in Frage kommen; der hierfür rechtlich und fachlich gesetzte Rahmen ist allerdings eng.

KURZ GEFASST

Vereinfachte Übersicht zu Fragen der ausnahms-weisen Zulassung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG bei einem Vorhaben in öffentlichem Interesse. Zur Vermeidung der Verschlechterung des Erhal-tungszustandes der Populationen der geschützten Art können Maßnahmen berücksichtigt werden (sogenannte FCS-Maßnahmen, s. Kap. 10).

Ausnahmsweise Zulassung allenfalls unter bestimmten, engen

Rahmenbedingungen möglich

Zwingende

Gründe des

überwiegenden

öffentlichen

Interesses?

Fehlen

zumutbarer

Alternativen?

§ 45 BNatSchG

Keine Ver-

schlechterung

des Erhaltungs-

zustandes der

Populationen

der geschützten

Art?

Ausnahme nur erteilbar, falls alle drei Fragen mit JA zu

beantworten sind

Bei direkten Eingriffen in Pfl anzendecke und Unter-grund durch Baustellenverkehr, aber auch sonstige mechanische Belastungen oder Fallenwirkung technischer Elemente, kommt es regelmäßig zur Tötung oder Verletzung von Tieren. Hier ein überfahrenes Jungtier der Schlingnatter.

Page 20: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

20

Baugesetzbuchs ist im Regelverfahren folgender

Ablauf in der Beteiligung der Behörden vorge-

sehen, der gerade auch für Fragen des Arten-

schutzes relevant ist:

Schritt 1 Möglichst frühzeitige Unterrichtung über allge-

meine Ziele und Zwecke der Planung, wesent-

liche Alternativlösungen und voraussichtliche

Auswirkungen der Planung; Verpfl ichtung der

Behörden zur Äußerung und ggf. Gelegen-

heit zur Erörterung in einem Scoping-Termin,

gerade auch im Hinblick auf den erforderlichen

Umfang und Detaillierungsgrad der Erhebun-

gen und Auswertungen bzw. Bewertungen zum

Artenschutz (§ 4 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz

1 Hs. 1 BauGB). Soweit erforderlich ggf. Über-

arbeitung der Planung.a)

Schritt 2

Öffentliche Auslegung des Planentwurfs und

der Begründung (einschließlich Umweltbericht)

und Einholung von Stellungnahmen der Öffent-

lichkeit und der Behörden / sonstigen Träger

dazu (§ 3 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 2 BauGB).

Seitens der Behörden und sonstigen Träger

öffentlicher Belange sind jedenfalls zu den von

ihnen beabsichtigten Planungen bzw. Maß-

nahmen mit Relevanz für die städtebauliche

Entwicklung und Ordnung des Gebiets sowie

weitere für die Ermittlung und Bewertung des

Abwägungsmaterials zweckdienliche Informati-

onen zur Verfügung zu stellen.

Schritt 3

Die Behörden unterrichten die Gemeinde nach

Abschluss des Aufstellungsverfahrens des Bau-

leitplans, soweit dieser nach deren Erkenntnis-

sen erhebliche, insbesondere unvorhergesehene

nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt hat

(§ 4 Abs. 3 BauGB).

BAULEITPLANUNGDie Zuständigkeit für die Bauleitplanung ist in

§ 2 Abs. 1 BauGB geregelt. Demnach stellen

die Städte und Gemeinden die Bauleitpläne in

eigener Verantwortung auf. Sie haben dabei die

Belange, die für die planerische Abwägung von

Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten

(Abwägungsmaterial).

Im Regelverfahren wird nach § 2 Abs. 4 BauGB

eine Umweltprüfung durchgeführt, in deren

Rahmen die voraussichtlichen erheblichen

Umweltauswirkungen in einem Umweltbericht

zu beschreiben und zu bewerten sind, wobei

auch der Artenschutz berücksichtigt werden

muss (zu Abweichungen s. Kap. 11). Insoweit

fungiert die Umweltprüfung als Trägerverfahren

für die Abarbeitung (auch) des Artenschutzes.

Der Umweltbericht ist ein gesonderter Teil der

Begründung zum Bauleitplan. Die Gemeinde

selbst legt für jeden Bauleitplan fest, in wel-

chem Umfang und in welchem Detaillierungs-

grad die fallweise angemessene Ermittlung

erfolgen muss, um

• zum einen eine fachlich fundierte Abwä-

gungsentscheidung zu ermöglichen und

• zum anderen die „abwägungsfesten“ Bewer-

tungen im Artenschutz vorzunehmen.

Für die Bearbeitung der artenschutzfachlichen

bzw. -rechtlichen Fragestellungen wird in aller

Regel ein Planungsbüro mit Fachkompetenz

oder ein entsprechender Fachgutachter bzw.

eine Fachgutachterin erforderlich sein, die im

Auftrag der Gemeinde tätig werden.

Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher

Belange sowie die Öffentlichkeit sind nach

den §§ 3 und 4 BauGB im Planungsprozess am

Bauleitplanverfahren zu beteiligen, die Behör-

den und sonstigen Träger öffentlicher Belange

gerade auch im Hinblick auf den erforderlichen

Prüfungsumfang und die Prüfungstiefe (dazu

s. v. a. Kap. 6). Nach den Vorschriften des

Wer bearbeitet und prüft die Anforde-rungen des Artenschutzes?

5

a) Bezug zu § 4 Abs. 1 Satz 2 BauGB

Page 21: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

21

Aus dem Flächennutzungsplan entwickelte

Bebauungspläne werden von den Gemeinden

ohne vorherige Prüfung durch die Rechtsauf-

sichtsbehörde bekannt gemacht. Für sonstige

Bebauungspläne und den Flächennutzungsplan

sind die in § 1 der Durchführungsverordnung

zum BauGB (BauGB-DVO) festgelegten höhe-

ren Verwaltungsbehörden (Regierungspräsidium

bzw. Landratsamt) für die Genehmigung zustän-

dig. Die zuständige Behörde prüft im Wege der

Rechtsaufsicht allein die Rechtmäßigkeit des

beschlossenen Bauleitplans, also mögliche for-

melle oder materielle Rechtsverstöße. Zweckmä-

ßigkeitserwägungen spielen hierbei keine Rolle.

Für den Fall, dass Vorkommen streng ge-

schützter oder kumulativ besonders und streng

geschützter Tier- oder Pfl anzenarten dergestalt

betroffen sind, dass für sie eine artenschutz-

rechtliche Ausnahme notwendig wäre (s. Kap.

10), ist hierfür das Regierungspräsidium (Abtei-

lung 5) zuständig.

BAUVORHABENDie für die Beurteilung der artenschutzrecht-

lichen Anforderungen (als Teil der öffentlich-

rechtlichen Vorschriften) bei Bauvorhaben

zuständige Behörde ist bei verfahrenspfl ichtigen

Vorhaben die untere Baurechtsbehörde. Das

Artenschutzrecht gehört nach § 58 Abs. 1 LBO

zum Prüfumfang des Baugenehmigungsverfah-

rens, im vereinfachten Verfahren allerdings nur

im Außenbereich (§ 52 Abs. 2 Nr. 3 b LBO).

Der grundsätzliche Prüf- bzw. Kontrollauftrag

für die Baurechtsbehörde ergibt sich aus

§ 58 LBO in Verbindung mit den entsprechen-

den naturschutzrechtlichen Regelungen. Im

Grundsatz ist dann allerdings der Bauherr dafür

verantwortlich, dass die entsprechenden Vor-

schriften und die auf Grund dieser Vorschriften

erlassenen Anordnungen eingehalten werden

(§ 41 LBO).

Auch bei vereinfachten Verfahren, im Kenntnis-

gabeverfahren und bei verfahrensfreien Vorha-

ben sind die öffentlich-rechtlichen Vorschriften

einschließlich des Artenschutzrechts einzu-

halten, etwa bei bestimmten Sanierungs- oder

Umbaumaßnahmen an privaten Gebäuden, von

denen gebäudebrütende Vögel und Fledermäu-

se betroffen sein können. In der Verantwortung

steht dann alleine der Bauherr.

Weitere Informationen hierzu fi nden sich in

Kap. 9.

Die Bauleitpläne werden von den Städten und Gemeinden in eigener Verantwortung aufge-stellt. Dabei sind die Belange, die für die planerische Abwägung von Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten (Abwägungs-material). Es muss eine dem Einzelfall angemessene Ermittlung erfolgen, um zum einen eine fachlich fundierte Abwägungsent-scheidung zu ermöglichen und zum anderen die „abwägungsfes-ten“ Bewertungen im Artenschutz vorzunehmen. Neben der Öf-fentlichkeit sind im Planungsprozess die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange am Bauleitplanverfahren zu beteili-gen, gerade auch im Hinblick auf den erforderlichen Prüfungsum-fang und die Prüfungstiefe der Umweltprüfung. Die zuständige Genehmigungsbehörde prüft im Wege der Rechtsaufsicht die Rechtmäßigkeit des beschlossenen Flächennutzungsplans und damit mögliche formelle oder materielle Rechtsverstöße.

Bei Bauvorhaben ist im Grundsatz der Bauherr dafür verantwort-lich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften einschließlich des Artenschutzrechts eingehalten werden. Die untere Baurechts-behörde hat einen entsprechenden Prüf- und Kontrollauftrag, in dessen Rahmen sie bei verfahrenspfl ichtigen Bauvorhaben im Rahmen der Baugenehmigung erforderliche Nebenbestimmun-gen erlässt, soweit ein Vorhaben genehmigt werden kann.

KURZ GEFASST

Page 22: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

22

Kontrolle der Verwaltungsgerichte bei diesen

Konstellationen gesetzt sind.c) Gleichwohl ist

dieser Spielraum eingeschränkt und bezieht sich

nicht generell auf das Artenschutzrecht, son-

dern gerade auf nicht eindeutig zu beantwor-

tende Fragen bzw. auf durch unterschiedliche,

aber jeweils vertretbare Vorgehensweisen zu

behandelnde Sachverhalte. Unzulängliche oder

ungeeignete Bewertungsverfahren dürfen nicht

zur Anwendung kommen.

Um zunächst zu klären, welche geschützten und

in der konkreten Bauleitplanung oder einem

einzelnen Bauvorhaben artenschutzrechtlich zu

prüfenden Arten in Frage kommen, hat sich ein

so genannter „Relevanzcheck“ als erste Ebene

eines mehrstufi gen Vorgehens in der Praxis

bewährt. Die Abschichtung potenziell betrof-

fener Arten erfolgt unter Heranziehung des im

Naturraum zu erwartenden Artenspektrums,

der konkret gegebenen Lebensraumausstattung

und den zu erwartenden Wirkfaktoren bzw.

deren Ausprägung (s. nebenstehende Abb.).

Hierbei ist i. d. Regel eine Auswertung vorhan-

dener Daten, etwa vorliegender Verbreitungsin-

formationen zu den geschützten Arten auf den

Webseiten des Bundesamtes für Naturschutzes

(BfN) und der zuständigen Landesanstalt in

Baden-Württemberg (LUBW), in den Grund-

lagenwerken zum Artenschutz in Baden-Würt-

temberg u. a. erforderlich. Auch bei Fachgesell-

schaften und Verbänden (z. B. OGBW, AGF in

Baden-Württemberg) können wichtige Angaben

verfügbar sein. Notwendig ist zudem in der

Regel eine Ortsbegehung durch Personen, die

eine qualifi zierte Einschätzung zu Lebensraum-

strukturen und zur möglichen Betroffenheit

des Artenschutzes abgeben können. Ob und

inwieweit sich ggf. vertiefende Untersuchungen

anschließen müssen, ergibt sich im Einzelfall.

Der Rahmen, in dem sich Ermittlungen, Bewer-

tungen und Einschätzungen zum Artenschutz

bewegen müssen, wurde durch zahlreiche

gerichtliche Entscheidungen aufgezeigt.

Es ist eine „am Maßstab praktischer Vernunft

ausgerichtete Prüfung“ erforderlich, aber auch

ausreichend.a) Dabei müssen Datengrundlagen

und Vorgehensweise für den jeweiligen Fall

geeignet und vertretbar sein. Sie müssen die

Gemeinde insbesondere in die Lage versetzen,

die artenschutzrechtlichen

Verbotstatbestände sachge-

recht zu prüfenb) und einen

rechtskonformen Umgang mit

entsprechenden Konfl ikten

sicherzustellen.

Einen Automatismus derge-

stalt, dass für jeden Bauleitplan

umfangreiche Erfassungen bzw.

Kartierungen zu zahlreichen Arten angestellt

werden müssten, gibt es demnach nicht: Es

müssen nicht sämtliche Arten untersucht wer-

den, sondern vielmehr das, was unter dem o. g.

Maßstab geboten ist.

Bei ihrem Vorgehen steht der Gemeinde bzw.

der für die Entscheidung zuständigen Behörde

ein gewisser Spielraum zu, wenn und soweit

das Artenschutzrecht außerrechtliche Fragen

aufwirft, zu denen es an untergesetzlichen

Normierungen fehlt und zu denen es keine

naturschutzfachlich allgemein anerkannten

Maßstäbe und Methoden gibt. Dieser Spielraum

ergibt sich aus den faktischen Grenzen, die der

Abschichten: Relevanzcheck und vertiefte Prüfung im Artenschutz

6

a) BVerwG, Urt. v. 9.7.2008 - 9 A 14.07, Rn. 57

b) BVerwG, Urt. v. 21.11.2013 - 7 C 40.11, Rn. 20

c) BVerfG, Beschluss v. 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13,

1 BvR 595/14, Rn 16 ff.

Der Große Feuerfalter ist nur in bestimmten Naturräumen des Landes vertreten und daher nur in diesen zu prüfen.

Der Nachtkerzenschwärmer ist vor allem im Ei- und Raupen-stadium (rechts) nachweisbar, verbreitet und vielfach in Flächen mit Vorkommen seiner Nahrungs-pfl anzen zu erwarten: Neben Nachtkerzen sind dies v. a. ver-schiedene Weidenröschen-Arten.

Beispiel unterschiedlicher Situationen bei Schmetter-lingsarten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie

Page 23: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

23

Welche Arten sind im konkreten Fall im Rahmen des besonde-ren Artenschutzes nach § 44 BNatSchG zu prüfen? Schematische Darstellung des „Relevanzchecks“ zur Ab-schichtung geschützter Arten auf die im konkreten Fall prüfungsre-levanten Arten. Die betreffenden Arten sind zudem entsprechend ihres naturschutzfachlichen Ge-wichts – ebenso wie ggf. weitere Arten – im Rahmen der Abwä-gung zu berücksichtigen.

Zur „Planungsrelevanz“ bei Vogelarten s. Fußnote a) auf S. 34.

◀◀

◀◀

außerhalb Verbreitungsgebiet der Art

Vorkommen

auszuschließen

bzw. nicht zu

erwarten

Lage in Naturraum / Region

im Verbreitungsgebiet der Art

fehlen

vorhanden

Europäische Vogelarten

... mit Planungsrelevanz

FFH-Anhang IV-Arten

Betroffenheit auszuschließen bzw.

nicht zu erwarten

Betroffenheit möglich -

Prüfungsrelevante Arten

ABSCHICHTUNG ARTENSCHUTZRECHTLICH POTENZIELL

BETROFFENER ARTEN: RELEVANZCHECK

geeignete Lebensraumstrukturen,

Verbundachsen etc.

unempfi ndlich

◀◀

sensibel

Konkrete Fläche

und Wirkraum

gegenüber auftretenden

Wirkfaktoren

Page 24: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

24

eines Bauleitplans oder Vorhabens (auch ggf. im

Rahmen einer Ausnahme).b) In solchen Fällen

werden sich stattdessen regelmäßig vertiefte

Prüfungen unter Einschluss von konkreten

Bestandsuntersuchungen in Frage stehender Ar-

tengruppen bzw. Arten an einen Relevanzcheck

anschließen müssen.

Solche Bestandsuntersuchungen durch fachlich

qualifi zierte Personen beinhalten in der Praxis

abhängig von der konkreten Fallgestaltung

häufi g:

Beispiele; zu exemplarischen Zeiträumen s. Abbildung rechts oben

• Brutvogel-Kartierungen mit 5 - 8 Begehun-

gen (geringere Anzahl meist im Siedlungs-

bereich oder strukturarmen Offenland,

höhere u. a. im Wald),

• Erfassung von Zaun- oder Mauereidechse

mit 4 Begehungen,

• Erfassung von Amphibien durch Laich- und

Larvensuche in Gewässern sowie durch

nächtliches Verhören der artspezifi schen

Rufe mit 4 - 6 Begehungen,

• Fledermaus-Erfassungen an mehreren Ter-

minen mittels Detektoren, Schwärm- und

Ausfl ugskontrollen unter Einsatz von Nacht-

sichtgeräten, Suche in Dachböden und mit

weiteren Methoden,

• Mehrmonatiger Einsatz künstlicher Nist-

gelegenheiten („Tubes“) zur verbesserten

Kontrolle auf Vorkommen der Haselmaus,

• Suche von Jugendstadien (Eier, Raupen)

oder Fraßbildern bestimmter geschützter

Schmetterlingsarten.

Dies stellt weder eine abschließende Liste erfor-

derlicher Untersuchungen noch einzusetzender

Methoden oder zu prüfender Arten dar. Das

konkret im Einzelfall erforderliche Programm

ist spezifi sch abzuleiten, wobei selbstverständ-

lich auf fachliche Empfehlungen oder – sofern

bereits verfügbar – methodische Standards

zurückgegriffen werden kann.

Im Rahmen der artenschutzfachlichen und

-rechtlichen Bewertung muss auf Ebene des

Bebauungsplans und eines Einzelvorhabens

insbesondere den folgenden Fragen nachgegan-

gen werden:

In einfach gelagerten Fällen kann auf dieser

Ebene neben dem Relevanzcheck bereits

eine abschließende Einschätzung abgegeben

werden und es kann möglich sein, daraus alle

erforderlichen Maßnahmen zur Konfl iktbewäl-

tigung abzuleiten (s. etwa

Konfl iktstufen gering und

sehr gering im Beispiel der

Bewertungstabelle zum Flä-

chennutzungsplan in Kap. 7,

Seite 28).

Ausgehend von der Rechts-

sprechung sind unter

bestimmten Rahmenbedin-

gungen auch worst case-Betrachtungen bzw.

„Wahrunterstellungen“ zulässig und können an

die Stelle konkreter Nachweise treten.

So können, wenn etwa im Istzustand aus-

schließlich Einzelreviere weit verbreiteter Ge-

bäudebrüter an einem zur Sanierung vorgesehe-

nen Gebäudekomplex erwartet werden können,

Interims- und Ersatzniststätten in ausreichen-

dem Umfang für diese vorgesehen bzw. festge-

setzt werden, ohne den tatsächlichen Bestand

vor der beabsichtigten Baumaßnahme zu prü-

fen. Gründe für ein solches Vorgehen könnten

der ansonsten erforderliche Ermittlungsaufwand

(bei im Vergleich geringen Maßnahmenkosten)

oder eine insoweit vermeidbare Zeitverzöge-

rung sein, weil Erfassungen erst mit Beginn der

neuen Brutsaison möglich wären.

Für die planende Gemeinde oder den Vorha-

benträger bestünde in einem solchen Fall aber

der Nachteil, dass – im Sinne eines konsequen-

ten worst case-Ansatzes – möglicherweise mehr

Maßnahmen umzusetzen sind, als bei konkreter

Bestandsaufnahme resultiert wären. Oft, aber

nicht immer ist dies in einfach gelagerten Fällen

vertretbar.

Nicht anwendbar ist ein solches Vorgehen mit

ausschließlicher worst case-Betrachtung bzw.

Wahrunterstellung aber i. d. R., wenn es um

komplexere Sachverhalte mit möglicherweise

gravierenden Folgen (etwa sehr hohe Kosten,

großfl ächige Maßnahmen, Betroffenheit beson-

ders gefährdeter Artena) ) geht. Gleiches gilt

bei der Prüfung von Standortalternativen oder

der Frage einer grundsätzlichen Zulässigkeit

Die Funktion und Bedeutung einer bestimmten Fläche für Brutvögel ist oftmals nur durch Kontrollen während der Brutzeit nachweisbar.

a) Welche Bedeutung ein betrof-

fener Bereich für eine bestimmte

Art oder die Artenvielfalt hat, und

wie sich ein Vorhaben insbesondere

auf naturschutzfachlich besonders

bedeutsame Arten auswirken kann,

ist im Einzelfall im Rahmen der Um-

weltprüfung zu klären. „Ohne nähere

Erkenntnisse zu den gefährdeten

Arten, für die vorhabenbedingte Be-

einträchtigungen nicht von vornherein

ausgeschlossen werden können,

sowie zu deren Verbreitung im Unter-

suchungsgebiet und den jeweiligen

Habitatanforderungen ist eine solche

Prüfung nicht möglich (s. BVerwG,

Hinweisbeschl. v. 2.10.2014 - 7 A

14.12, Rn. 21).

b) Für eine Aunahmentscheidung be-

darf es regelmäßig näherer Informa-

tionen zum betroffenen Bestand der

jeweiligen Art. Worst-case-Ansätze

werden beim Alternativenvergleich

durch fachplanerische und logische

Erwägungen ausgeschlossen oder

limitiert. Die bloße Annahme eines

bedeutenden geschützten Artbestan-

des am Standort vermag diesen

i. d. R. nicht auszuschließen, ebenso-

wenig aber höher oder niedriger zu

gewichten als die gleich oder ähnlich

lautende Annahme für einen Alterna-

tivstandort.

Page 25: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

25

• Ob und wenn ja welche Verbotstatbestände

des § 44 BNatSchG berührt sind,

• ob bestimmte Minderungs- oder Vermei-

dungsmaßnahmen im Sinne des § 44 Abs. 5

Satz 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG notwendig

und möglich sind, um den Eintritt von Ver-

botstatbeständen (u. a. signifi kant erhöhter

Tötungsrisiken) ganz oder teilweise zu

vermeiden,

• ob (ggf. vorgezogene) Ausgleichsmaßnah-

men im Sinne des § 44 Abs. 5 Satz 3 i. V. m.

Satz 2 Nr.3 BNatSchG notwendig und mög-

lich sind, um den Eintritt von Verbotstatbe-

ständen (u. a. bezüglich Fortpfl anzungs- und

Ruhestätten) zu vermeiden,

• ob ggf. eine Ausnahme nach § 45 BNatSchG

(oder eine Befreiung im Einzelfall) erforder-

lich wird und wenn ja, welche fachlichen

Rahmenbedingungen hierfür erfüllt werden

sollten,

• was im Sinne einer Ökologischen Baubeglei-

tung bzw. eines Monitorings als notwendig

erachtet wird.

Dabei können für Untersuchungen und Bewer-

tungen nicht nur das Plangebiet oder die Fläche

des einzelnen Bauvorhabens selbst einzubezie-

hen sein, sondern auch Flächen im räumlichen

Zusammenhang bzw. im Umfeld (Wirkbereich

eines Plans oder Vorhabens). Lokale Popula-

tionen betroffener Arten müssen im Regelfall

nicht vollständig untersucht werden: Denn in

den allermeisten Fällen lassen sich die arten-

schutzrechtlichen und – fachlichen Fragen –

bezogen auf die konkret betroffenen Fortpfl an-

zungs- und Ruhestätten sowie Individuen – mit

räumlich eher begrenzten Untersuchungen und

ggf. ergänzenden Analogieschlüssen beantwor-

ten.

Auch der Erhaltungszustand der konkret betrof-

fenen Population einer Art muss nicht regelhaft

bestimmt werden. Fachlich und rechtlich spielt

er vor allem im Zusammenhang mit dem Stö-

rungsverbot sowie der Frage einer artenschutz-

rechtlich möglichen Ausnahme eine Rolle. Hier

geht es im Einzelfall darum, eine Verschlechte-

rung des Erhaltungszustands zu prüfen.

Weitere Hinweise und Beispiele zu Untersu-

chungen bzw. Prüfungen fi nden sich in den

Folgekapiteln zu den beiden Ebenen der Bau-

leitplanung und zu Einzelbauvorhaben.

Übliche Erfassungszeiträume exemplarisch für einige arten-schutzrechtlich relevante Arten bzw. Artengruppen. Im Einzelfall können sich Abweichungen er-geben, etwa bei der Prüfung auf Uhu oder Entenvögel.

Zur Prüfung auf Vorkommen der Haselmaus werden in der Regel künstliche Nistboxen ausge-bracht und mehrfach kontrolliert.

Bei der Bearbeitung der Ar-tenschutzthematik ist eine „am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung“ erforderlich, aber auch ausreichend. Datengrundlagen und Vorgehensweise müssen für den jeweili-gen Fall geeignet und vertretbar sein. Sie müssen die Gemeinde insbesondere in die Lage versetzen, die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu prüfen und einen rechtskon-formen Umgang mit entsprechenden Konfl ikten sicherzustellen. Der Gemeinde bzw. der zuständigen Behörden steht aufgrund der faktischen Grenzen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ein gewisser Spielraum bei naturschutzfachlich nicht geklärten Fra-gen zu. In der Praxis hat sich ein so genannter „Relevanzcheck“ als erste Ebene eines mehrstufi gen Prüfvorgehens bewährt. In einfach gelagerten Fällen kann mit diesem Relevanzcheck bereits eine abschließende Einschätzung abgegeben werden und es kann möglich sein, alle erforderlichen Maßnahmen zur Konfl iktbewälti-gung abzuleiten. Hierbei können unter bestimmten Voraussetzun-gen worst case-Ansätze oder Wahrunterstellungen zum Einsatz kommen. Vor- und Nachteile für den Planungs- bzw. Vorhabenträ-ger sollten dabei bedacht werden. Spätestens bei komplexeren Sachverhalten mit möglicherweise gravierenden Auswirkungen werden stattdessen regelmäßig vertiefte Prüfungen unter Ein-schluss konkreter Bestandsuntersuchungen in Frage stehender Artengruppen bzw. Arten erforderlich. Das im Einzelfall erforder-liche Prüfprogramm ist spezifi sch abzuleiten, wobei auf fachliche Empfehlungen oder methodische Standards zurückgegriffen werden kann.

KURZ GEFASST

ARTEN/ARTENGRUPPEN MONATE 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12

Brutvögel (Großteil)

Zauneidechse

Amphibien

Haselmaus

Nachtkerzenschwärmer

Page 26: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

26

• Falls die vorstehende Frage mit nein zu be-

antworten ist oder nicht ausreichend sicher

geklärt werden kann: Steht zu erwarten,

dass für berührte Verbotstatbestände eine

artenschutzrechtliche Ausnahme erteilt wer-

den kann (als Grundlage einer möglichen

„Planung in die Ausnahmelage hinein“) ?

Dabei ist die erste Frage sinnvollerweise als

Bestandteil der Auswirkungen auf Tiere, Pfl an-

zen sowie die biologische Vielfalt insgesamt zu

behandeln, da dies i. d. R. arbeitseffi zient ist,

ohnehin nicht nur die geschützten Arten für die

Abwägung relevant sind und ein Abwägungs-

mangel auch bezüglich nicht geschützter Arten

u. a. auf die Möglichkeit, artenschutzrechtliche

Konfl iktsachverhalte zu lösen, zurückschlagen

kann.

Bei der zweiten Frage können Maßnahmen,

etwa zum Funktionserhalt im Sinne des § 44

Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BNatSchG berücksichtigt

werden, wobei auf FNP-Ebene naturgemäß nur

deren Grundzüge erkenn- und nachvollziehbar

sein müssen.

Allerdings kann es im FNP erforderlich sein,

dazu bereits bestimmte Räume darzustellen

(Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur

Pfl ege und zur Entwicklung von Boden, Natur

und Landschaft a) ) bzw. für den Ausgleich oder

artenschutzrechtlichem Funktionserhalt benö-

tigte Flächen den erwarteten Eingriffsfl ächen

ganz oder teilweise zuzuordnen. b)

Bei der dritten Frage ist eine Prognose erforder-

lich, ob die Voraussetzungen einer Ausnahme

nach § 45 Abs. 7 BNatSchG vorliegen.

Teilfl ächennutzungspläne mit den Rechtswir-

kungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB, wie etwa

die Darstellung von Konzentrationszonen für

die Nutzung von Windenergie, und Bebau-

ungspläne erfüllen vergleichbare Funktionen.c)

In diesen Fällen sind an die Bearbeitung des

VORRANGIGE FRAGENNach § 5 Abs. 1 BauGB ist im Flächennutzungs-

plan (FNP) für das ganze Gemeindegebiet die

sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Ent-

wicklung ergebende Art der Bodennutzung

nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Ge-

meinde in den Grundzügen darzustellen. Dem

Flächennutzungsplan kommt dabei die entschei-

dende gemeindeweite Steuerungsfunktion für

bauliche Nutzungen (Wohnen, Gewerbe etc.)

zu. Dies schließt Standortfestlegungen und

Alternativenprüfungen im Aufstellungsverfahren

mit ein.

Üblicherweise ist bei der Aufstellung für das

gesamte Gemeindegebiet oder bei Änderungs-

verfahren auf dieser Ebene schon aufgrund des

geringen Plandifferenzierungsgrades zu poten-

ziellen Wirkfaktoren und deren Ausprägung

eine detaillierte Auseinandersetzung mit ar-

tenschutzfachlichen und -rechtlichen Belangen

weder möglich noch wäre diese gefordert.

Gleichwohl muss die planende Stadt oder Ge-

meinde bereits auf Ebene des FNP eine Abwä-

gung vornehmen, in der auch Auswirkungen

auf Tiere und Pfl anzen sowie die biologische

Vielfalt zu berücksichtigen sind (s. Kap. 2, S. 9).

Zudem stellen sich Fragen im besonderen arten-

schutzrechtlichen Kontext.

Die zentral auf Ebene des FNP zum Arten-

schutz zu beantwortenden Fragen bzw. zu

klärenden Sachverhalte sind die folgenden:

• Welche Bedeutung bzw. welches objektive

Gewicht kommt Beständen artenschutz-

rechtlich geschützter Arten und sonstiger

naturschutzfachlich bedeutender Arten im

Rahmen der Umweltprüfung und Abwägung

zum FNP zu?

• Lässt sich bei späterer Verwirklichung der

durch den FNP vorgezeichneten Flächen-

nutzungen die Berührung artenschutzrecht-

licher Verbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG

voraussichtlich vermeiden?

Artenschutz im Flächennutzungsplan

7

a) § 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB

b) § 5 Abs. 2a BauGB

c) s. Windenergieerlass Baden-

Württemberg v. 9.5.2012 – Az.: 64-

4583/404, Kap. 4.2.5.2 Artenschutz in

der Bauleitplanung, Satz 1

Page 27: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

27

Artenschutzes grundsätzlich die Anforderungen

des Bebauungsplans zu stellen. Die wesentli-

chen Handreichungen der Landesregierung zum

Thema Windenergie und Artenschutz fi nden

sich auf dem Internetangebot der Gewerbeauf-

sicht unter http://gewerbeaufsicht.baden-wuert-

temberg.de/servlet/is/37557/.

VORGEHENSWEISE UND ZUSTÄNDIGE BEHÖRDENVerfahrensträger der Flächennutzungsplanung

ist die Gemeinde, ggf. aber auch ein Verwal-

tungsverband bzw. eine Verwaltungsgemein-

schaft. Der Flächennutzungsplan bedarf einer

Begründung (§ 5 Abs. 5 BauGB) mit Umwelt-

bericht unter Darlegung auch der ermittelten

und bewerteten Belange des Artenschutzes zur

Klärung der auf der vorherigen Seite dargestell-

ten, vorrangigen Fragen. Zu grundsätzlichen

Inhalten und zum Ablauf s. Kap. 5, S.20 f.

Der Flächennutzungsplan bedarf der Genehmi-

gung durch die höhere Verwaltungsbehörde

(§ 6 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit der

BauGB-DVO). Über die Genehmigung ent-

scheidet die zuständige Behörde im Regelfall

binnen drei Monaten (§ 6 Abs. 4 BauGB).

Aufgrund seiner steuernden Funktion für die

räumlich-strukturelle Entwicklung der Gemein-

de stellt der Flächennutzungsplan eine zentrale

Ebene zur möglichst weitgehenden Konfl iktver-

meidung auch bezüglich des Artenschutzes dar.

Die Entscheidung für einen artenschutzfachlich

möglicherweise konfl iktträchtigeren Standort

kann insoweit bewirken, dass in der Folge nicht

nur höhere Aufwendungen für entsprechende

Prüfungen auf Ebene des Bebauungsplans

(s. Kap. 8) und für erforderliche plangebiets-

interne oder -externe Maßnahmen entstehen,

sondern auch zeitliche Konsequenzen nach sich

ziehen: Je nach Komplexität der zu untersu-

chenden Fragestellungen und der Anforderung

an den zeitlichen Vorlauf für die Umsetzung

funktionserhaltender Artenschutzmaßnahmen

können notwendige Untersuchungen bis zum

Abschluss der Umweltprüfung im FNP und/

oder Bebauungsplan ein- bis ggf. mehrjährige

Zeiträume beanspruchen. Gleiches gilt für Maß-

nahmen im Sinne des § 44 Abs. 5 BNatSchG,

die voraussetzen, dass die Funktionserfüllung

vor Beginn der konkreten baulichen Tätigkeiten

gegeben ist. Dieser zeitliche Vorlauf sollte daher

bei der Prüfung und Auswahl von Standortal-

ternativen mit bedacht werden.

Im Regelfall dürften Prüfungsumfang und -tiefe

bezüglich des Artenschutzes für alle oder einen

größeren Teil der betroffenen

Flächen im Rahmen eines

FNP-Verfahrens tendenziell

geringer anzusetzen sein als

etwa im Bebauungsplanver-

fahren. Die gebotene Tiefe

der Auseinandersetzung mit

artenschutzfachlichen und

-rechtlichen Belangen stellt

sich dennoch auch auf FNP-

Ebene oft als stark differen-

ziert dar, insbesondere bezüglich des Ermitt-

lungsaufwands für Kartierungen.

Nach Erfahrungen aus der Praxis ist es in der

Regel bereits auf Ebene der Flächennutzungs-

planung sinnvoll, bestimmte Untersuchungen

zum Vorkommen artenschutzrechtlich rele-

vanter Tier- und Pfl anzenarten durchzuführen,

sofern nicht bereits – etwa durch Ermittlungen

aus einem aktuellen Landschaftsplan – aus-

reichende Daten vorliegen. Zudem sollten

Überlegungen zur Vermeidung und zum

Ausgleich von Beeinträchtigungen bzw. zum ar-

tenschutzrechtlich voraussichtlich notwendigen

Funktionserhalt angestellt werden, die ihren

Niederschlag in der Darstellung vorzuhaltender

Maßnahmenfl ächen im FNP fi nden.

Dem FNP kommt auch bezüglich des Artenschutzes eine wichtige Steuerungswirkung zur Konfl iktvermeidung und -minderung im Rahmen der bauli-chen Entwicklung der Gemeinde zu.

Page 28: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

28

BETROFFEN-

HEITSGRAD

ARTENSCHUTZRECHTLICHE KONFLIKTE EMPFEHLUNG / HINWEIS

Artenschutzrechtliche Konfl ikte sind nicht erkennbar.

Fläche ist unter Artenschutzaspekten für eine

Bebauung geeignet.

Kein derzeit erkennbarer weiter gehender

Erfassungsbedarf zum Artenschutz auf FNP-

Ebene und folgenden Planungsebenen.sehr gering

Artenschutzrechtliche Konfl iktsachverhalte sind in

geringem Umfang zu erwarten bzw. möglich. Unter Be-

rücksichtigung wenig aufwändiger Vermeidungs- bzw.

Minderungsmaßnahmen und ggf. funktionserhaltender

Maßnahmen (CEF) wird eine Berührung artenschutz-

rechtliche Verbote aber verhinderbar.

Fläche ist unter Artenschutzaspekten für eine

Bebauung geeignet.

Derzeit kein erkennbarer weiter gehender

Erhebungsbedarf zum Artenschutz auf

FNP-Ebene.

Auf folgenden Planungsebenen können in

geringem Umfang Erfassungen zur Konkre-

tisierung von Maßnahmen erforderlich sein

(hierzu nach Möglichkeit bereits Hinweise

geben).

gering

Artenschutzrechtliche Konfl iktsachverhalte sind zu

erwarten bzw. möglich. Unter Berücksichtigung von

Vermeidungs-/Minderungsmaßnahmen sowie funkti-

onserhaltenden Maßnahmen (CEF) wird eine Berüh-

rung artenschutzrechtlicher Verbote aber aller Voraus-

sicht nach verhinderbar. Die notwendigen Maßnahmen

können die Aussparung bestimmter Flächen von einer

Bebauung, einen relevanten zeitlichen Vorlauf und das

Erfordernis plangebietsexterner funktionserhaltender

Flächen, ggf. in direktem räumlichen Anschluss an die

Eingriffsfl ächen, einschließen.

Fläche ist unter Artenschutzaspekten eingeschränkt

für eine Bebauung geeignet.

Derzeit kein erkennbarer weiter gehender

Erhebungsbedarf zum Artenschutz auf

FNP-Ebene.

Modifi kation des Plangebiets und Aus-

weisung bzw. Vorhaltung voraussichtlich

geeigneter Maßnahmenfl ächen nach fachli-

chem Hinweis wird empfohlen. Auf folgen-

den Planungsebenen können in größerem

Umfang Erfassungen zur Konkretisierung von

Maßnahmen erforderlich sein (hierzu nach

Möglichkeit bereits Hinweise geben).

mittel

Artenschutzrechtliche Konfl iktsachverhalte sind in gro-

ßem Umfang zu erwarten bzw. möglich. Aufwändige

Vermeidungs-/Minderungsmaßnahmen sowie funkti-

onserhaltende Maßnahmen (CEF) – einschließlich ggf.

plangebietsexterner – mit höherem Flächenanspruch

und ggf. längerem zeitlichen Vorlauf werden voraus-

sichtlich erforderlich. Die Notwendigkeit einer arten-

schutzrechtlichen Ausnahme ist abhängig von weiteren

Detailprüfungen nicht auszuschließen.

Fläche ist unter Artenschutzaspekten nur unter erheb-

lichen Einschränkungen und besonderen Rahmenbe-

dingungen für eine Bebauung geeignet.

Es bestehen Zulassungsrisiken für den FNP

bzw. die Realisierung der damit verfolgten

Ziele auf folgenden Planungsebenen. Die

Prüfung von Alternativen wird empfohlen,

andernfalls zunächst eine detailliertere

Bestandserfassung zu möglicherweise ent-

scheidungserheblichen Arten bzw. Arten-

gruppen und die vertiefte Vorabprüfung der

Verfügbarkeit von Maßnahmenfl ächen in

erforderlicher Qualität und Quantität bereits

auf FNP-Ebene.

hoch

Artenschutzrechtliche Konfl iktsachverhalte sind in

sehr großem Umfang zu erwarten bzw. möglich. Die

Zulassung wäre - abhängig von weiteren Detailprü-

fungen - voraussichtlich allenfalls im Rahmen einer

artenschutzrechtlichen Ausnahme zu erwarten und

möglicherweise auch dann mit Problemen behaftet. Es

ist nicht auszuschließen, dass auch eine ausnahmswei-

se Zulassung ausscheidet.

Fläche wird unter Artenschutzaspekten als ungeeignet

für eine Bebauung eingestuft.

Es bestehen erhebliche Zulassungsrisiken

für den FNP bzw. die Realisierung der damit

verfolgten Ziele auf folgenden Planungsebe-

nen. Es wird empfohlen, die Fläche nicht für

eine Bebauung vorzusehen. Andernfalls sind

detaillierte Bestandserfassungen zu mögli-

cherweise entscheidungserheblichen Arten

bzw. Artengruppen, notwendigen Maß-

nahmen und zumutbaren Alternativen bereits

auf FNP-Ebene erforderlich.

sehr hoch

Page 29: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

29

Es wird dabei auf die Herangehensweise des

so genannten „Biodiversitäts-Checks“ für

Gemeinden verwiesen, der als Baustein des

Aktionsplans Biologische Vielfalt des Landes

Baden-Württemberg erarbeitet worden ist. a)

Das zweistufi ge Verfahren ist gerade auch als

Grundlage für die kommunale Landschaftspla-

nung sowie für die Bauleitplanung gedacht und

kann bei (auch) gezielter Auseinandersetzung

mit den artenschutzrechtlich relevanten Arten

innerhalb der jeweiligen Gemeinde umfang-

reich Hilfestellung geben. Es bietet sich an,

Checklisten ggf. relevanter Arten bzw. Arten-

gruppen auf Gemeindeebene zu erstellen und

diese fl ächenbezogen im Sinne eines Relevanz-

checks zu konkretisieren.

Die nebenstehende Tabelle zeigt mögliche

Konfl iktstufen einer Beurteilung auf FNP-Ebe-

ne und daraus resultierende Empfehlungen.

ERGEBNISSE AM BEISPIEL

Nachfolgend werden für den gedachten Fall

einer potenziellen Ausweisung als Wohnbau-

fl äche beispielhaft verschiedene Situationen

gezeigt, die anhand der vorgeschlagenen Ska-

lenstufen (s. nebenstehende Tabelle) bewertet

und kurz textlich erläutert werden. Es wird

ausdrücklich hervorgehoben, dass dies keinen

vollständigen „Bildbestimmungsschlüssel“ für

Artenschutzkonfl ikte darstellt. Die Beispiele

sind an konkrete Praxisfälle angelehnt.

Voreinschätzung von Flächenalternativen hin-sichtlich des besonderen Artenschutzes im Rahmen des Flächennutzungsplans (FNP) - Beispielskala mit Differenzierung in 5 Betroffenheits-grade, aus denen jeweils unterschiedliche Konse-quenzen für das weitere Vorgehen abgeleitet wer-den können (etwas verändert nach Trautner 2020). a) s. Broschüre des MLR (2013)

BETROFFENHEITSGRAD SEHR GERING

Vielschüriges Intensivgrünland (Bildvordergrund)

ohne relevante Begleitstrukturen im Anschluss an die

vorhandene Ortslage. Allenfalls als Nahrungsfl äche

für einzelne Vogelarten mit großen Raumansprüchen

(etwa Rotmilan, Weißstorch) als Teillebensraum rele-

vant, hierbei jedoch (ggf. abhängig von Flächenrela-

tionen) keine essenziellen Funktionen erkennbar, so

dass selbst eine mittelbare Berührung artenschutz-

rechtlicher Verbotstatbestände ausgeschlossen

werden kann.

Page 30: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

30

BETROFFENHEITSGRAD GERING

Überwiegend Intensivgrünland (vgl. vorstehendes

Beispiel). Randlich und mit geringen Flächenanteilen

Strukturen mit Lebensraumpotenzial für einzelne,

überwiegend verbreitete gehölzbrütende Vogelarten

und die Zauneidechse (hier an Straßenböschung) vor-

handen, die jedoch voraussichtlich ohnehin in ihren

Funktionen erhalten werden können.

BETROFFENHEITSGRAD MITTEL

Wald mittlerer Standorte mit eher geringem Baumal-

ter sowie einförmig geschlossener Bestandsstruktur

(links) und Gehölz-Grünland-Komplex mit eingestreu-

ten Obstbaumzeilen und teils intensiver, teils exten-

siverer Nutzung (rechts). In beiden Fällen mit zwar

vorhandenem, aber geringem und nicht über in groß-

räumig im Umfeld vorhandenen Beständen hinaus

gehendem Anteil an Totholz und kleineren Baumhöh-

len. Daher keine herausgehobene Bedeutung für alt-

und totholzbewohnende Arten zu erwarten.

Zudem nicht im Verbreitungsgebiet des Juchtenkä-

fers (Eremit) gelegen. Möglichkeiten für ggf. erfor-

derliche funktionserhaltende Maßnahmen bestehen

durch deutlich aufwertbare Flächen bzw. Lebensräu-

me im Umfeld. Zu aufwändigeren Maßnahmenerfor-

dernissen könnten etwa Vorkommen der Zauneidech-

se (rechts) oder der Haselmaus (links) auch mit der

Folge von spezifi schem Individuenschutz im Vorfeld

und während der Bauphase führen.

Page 31: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

31

Offenland-Lebensraumkomplexe mit in Kernberei-

chen geringen Sichtkulissen, eher höheren Grenz-

linienlängen zwischen verschiedenen Nutzungen

oder/und teils artenreichen, nutzungsbegleitenden

offenen Strukturen (gehölzarmen Rainen, Brachen).

Abhängig u. a. von der Lage im oder außerhalb des

aktuellen Verbreitungsgebiets bestimmter Vogelar-

ten kann es zu fallweise sehr unterschiedlicher

Einstufung kommen. Bei hochgradig bedrohten

Vogelarten in ihren aktuellen Schwerpunktgebieten

BETROFFENHEITSGRAD MITTEL BIS SEHR HOCH

(etwa Grauammer, Kiebitz, Rebhuhn) ist ein Funkti-

onserhalt oft nicht oder nicht sicher möglich und eine

ausnahmsweise Zulassung auf nachfolgender

Planungsstufe nicht zu erwarten. Bei gefährdeten,

aber noch weiter verbreiteten Arten wie der Feld-

lerche können plangebietsexterne Maßnahmen in

größerem Umfang notwendig werden, wofür eine

Vorabschätzung potenziell verfügbarer Flächen bzw.

Räume erforderlich ist.

Größeres Obstwiesengebiet im Verbreitungsgebiet

von Wendehals und Bechsteinfl edermaus (links;

Betroffenheitsgrad jedenfalls bei beabsichtigter

größerer Flächeninanspruchnahme sehr hoch) und

strukturreiches Kiesgruben-Areal (rechts). Je nach

Flächengröße und räumlicher Lage kann es neben

schwer oder funktional nicht kompensierbaren Ein-

BETROFFENHEITSGRAD SEHR HOCH

griffen in Fortpfl anzungs- und Ruhestätten auch zur

erheblichen Störung lokaler Populationen von Arten

kommen, im rechts gezeigten Fall etwa für die Vogel-

arten Flussregenpfeifer und Uferschwalbe oder für

die Amphibienart Kreuzkröte, im links gezeigten Fall

etwa für den Wendehals.

Page 32: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

32

Die nachfolgende Darstellung zeigt ein Beispiel

aus einer entsprechenden Bewertung von neu

geplanten Wohn- oder Gewerbefl ächen aus der

Bearbeitungsphase der FNP-Fortschreibung

einer Gemeinde (Auszug), die Teil des fachli-

chen Beitrags für den Abwägungs- und Ent-

scheidungsprozess darstellt. Mit hohen bzw.

sehr hohen Konfl ikten (hier in Rot) dargestellte

Flächen sind im Hinblick auf die Frage, ob

eine spätere Verwirklichung der beabsichtigten

Entwicklung unter Artenschutzgesichtspunkten

scheitern könnte, vertieft zu prüfen. Es sollte

ansonsten erwogen werden, diese Flächen aus

dem Planentwurf heraus zu nehmen (vgl. Emp-

fehlungen für diese Stufen des Betroffenheits-

grades in Tabelle auf S. 28.).

KANN EINE ARTENSCHUTZ-RECHTLICHE AUSNAHME ERFOR-DERLICH UND MÖGLICH SEIN?Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines

Bauleitplans ist u. a., dass artenschutzrechtliche

Verbote in Folge einer späteren Realisierung

dort vorgezeichneter Vorhaben nicht verletzt

werden, andernfalls durch Maßnahmen vermie-

den oder funktionserhaltend (im Sinne des § 44

Abs. 5 BNatSchG) bewältigt werden können,

oder dass eine objektive „Ausnahmelage“ nach

§ 45 Abs. 7 BNatSchG, die unter Beteiligung

der zuständigen Naturschutzbehörde festgestellt

wurde, vorliegt.

Für eine solche „Planung in eine Ausnahmelage

hinein“ müssen verschiedene Voraussetzungen

erfüllt sein, die auf der jeweiligen Planungsebe-

ne angemessen zu prüfen und darzulegen sind.

Insbesondere die Frage, ob für einen solchen

Fall zumutbare Alternativen fehlen, sollte

bereits auf Ebene der Flächennutzungsplanung

geprüft werden, denn gerade hier eröffnen sich

die besten Möglichkeiten für eine Konfl iktver-

meidung.

Beispiel der Artenschutz-Bewertung von neu geplanten Wohn- oder Gewerbefl ächen aus der Bearbeitungsphase der FNP-Fortschreibung einer Gemeinde (Auszug, verändert). Hier mit nur 3 Stufen des Betroffenheitsgrads (in Tabelle auf S. 28 ist eine fei-nere Differenzierung in 5 Stufen vorgeschlagen).Geobasidaten: © Landesamt für Geoinformation und Landent-wicklung, www.lgl-bw.de

hoch

mittel

gering

Page 33: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

33

Die Planung in eine Ausnahmelage hinein ist

möglich, wenn sich für die Stadt oder Gemein-

de keine zumutbaren Alternativen bieten, zwin-

gende Gründe des überwiegenden öffentlichen

Interesses vorliegen und zugleich sichergestellt

werden kann, dass sich für die Populationen

der betreffenden Arten keine Verschlechterung

ihres Erhaltungszustands ergibt (neutrale Folgen

des Vorhabens), wofür auch Maßnahmen ergrif-

fen werden können.

Die zu überwindenden Hürden sind allerdings,

abhängig von den konkret betroffenen Arten,

unterschiedlich hoch. Bei geschützten und

zugleich hochgradig gefährdeten Arten kann

die Erteilung einer Ausnahme bzw. deren

„In-Aussicht stellen“ daran scheitern, dass eine

Verschlechterung des Erhaltungszustands nicht

oder nicht mit einer für die Erteilung ausrei-

chenden Prognosesicherheit vermieden werden

kann. Dies etwa dann, wenn Schwerpunktge-

biete der aktuellen Verbreitung auf regionaler,

Landes- oder Bundesebene betroffen sind und/

oder die erforderlichen Maßnahmen nicht, nur

sehr langfristig oder mit unsicherem Ausgang

durchführbar sind.

Auf FNP-Ebene müssen die für eine arten-

schutzrechtliche Ausnahme erforderlichen

Maßnahmen nicht detailliert geplant werden

und auch noch nicht rechtlich gesichert sein. Es

muss allerdings plausibel dargelegt und seitens

der zuständigen Naturschutzbehörde mitgetra-

gen bzw. bestätigt werden, dass für die spätere

Verwirklichung von Vorhaben entsprechend der

beabsichtigten Flächendarstellungen im FNP

die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Aus-

nahme in Aussicht gestellt werden kann.

Zuständige Behörde im Fall eines Ausnahmeer-

fordernisses ist für die artenschutzrechtlichen

Fragen zunächst die untere Naturschutzbe-

hörde; sie trifft auch die Entscheidung, sofern

ausschließlich besonders geschützter Arten

(hier i. d. R. häufi ger vorkommende Vogelar-

ten) betroffen sind. Bei Betroffenheit streng

geschützter Arten oder sowohl besonders wie

streng geschützter ist die Höhere Naturschutz-

behörde (Regierungspräsidium) zuständig.

Zur vorbereitenden Sicherung von Flächen eignet sich insbesondere die Darstellung als Maßnahmen-fl ächen zugunsten von Natur und Landschaft nach § 5 Abs. 2 Nr. 10

BauGB (Ausschnitt aus dem FNP einer Gemeinde).

Die mit dem FNP dargestellte,beabsichtigte bauliche Entwick-lung einer Gemeinde ist auf den nachfolgenden Planungsebe-nen besser umsetzbar, wenn wesentliche artenschutzrecht-liche Konfl ikte bereits auf FNP-Ebene identifi ziert und eingegrenzt werden konnten.

Flächen für Maßnahmen

zum Schutz, zur Pfl ege und

zur Entwicklung von Boden,

Natur und Landschaft

(§ 5 Abs. 2 Nr. 10 BauGB)

Page 34: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

34

im räumlichen Zusammenhang weiterhin

erfüllt oder sind funktionserhaltende

Maßnahmen möglich (§ 44 Abs. 5 Satz 3 in

Verbindung mit Satz 2 Nr. 3 BNatSchG)?

• Können ggf. auch Maßnahmen zur Vermei-

dung einer erheblichen Störung (§ 44 Abs. 1

Nr. 2 BNatSchG) erforderlich sein?

• Wird aufgrund der späteren Vorhabenre-

alisierung ggf. eine Ausnahme nach § 45

BNatSchG erforderlich und wenn ja: welche

Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt

werden?

• Was ist im Sinne einer Ökologischen Baube-

gleitung bzw. eines Monitorings notwendig?

Ebenso wie auf Ebene des FNP können einige

der o. g. Fragen sinnvollerweise als Bestandteil

der Auswirkungen auf Tiere, Pfl anzen sowie

die biologische Vielfalt insgesamt behandelt

werden, da ohnehin nicht nur die geschützten

Arten für die bauleitplanerische Abwägung

relevant sind. Eine integrierte Betrachtung von

geschützten und nicht geschützten Arten kann

zudem die Effi zienz im Planverfahren steigern.

Im Gegensatz zur vorbereitenden Ebene des

FNP müssen die erforderlichen artenschutz-

bezogenen Maßnahmen im Bebauungsplan

mit Ausnahme von bestimmten Details oder

Einzelmaßnahmen, die erst mit dem jeweili-

gen Bauvorhaben bzw. baubegleitend geregelt

werden können, umfassend ermittelt und

festgelegt sowie rechtlich gesichert werden. Das

Erfordernis hierzu ergibt sich daraus, dass die

im Bebauungsplan vorgesehenen Festsetzungen

im späteren Vollzug nicht auf dann nicht mehr

überwindbare artenschutzrechtliche Hindernis-

se treffen dürfen. Gerade wenn (vorgezogene)

Ausgleichsmaßnahmen zur Vermeidung der Re-

alisierung von Verbotstatbeständen erforderlich

sind, kann eine zusammenhängende Planung,

Absicherung und Umsetzung der Maßnahmen

nötig sein, da dies auf der Ebene der Zulassung

von Einzelvorhaben ggf. nicht mehr möglich ist.

VORRANGIGE FRAGENDer Bebauungsplan (B-Plan) enthält die rechts-

verbindlichen Festsetzungen für die städte-

bauliche Ordnung und bildet die Grundlage

für weitere, zum Vollzug des Baugesetzbuchs

erforderliche Maßnahmen (§ 8 Abs. 1 BauGB).

Im Bebauungsplanverfahren kann – sowohl bei

klassischen Angebotsplanungen als auch bei

vorhabenbezogenen Bebauungsplänen – eine

detaillierte Auseinandersetzung mit arten-

schutzfachlichen und -rechtlichen Belangen

erforderlich sein. Dies ist abhängig von den

konkreten, auch naturräumlich bedingten

Gegebenheiten des Einzelfalls sowie den Wirk-

faktoren der mit dem Bebauungsplan geplanten

Vorhaben und deren Ausprägung.

Die zentral auf Ebene des B-Plans zum Ar-

tenschutz zu beantwortenden Fragen bzw. zu

klärenden Sachverhalte sind:

• Welche planungsrelevanten Arten kommen

im Wirkbereich des Bebauungsplans vor

(Auswertung bzw. Bestandserfassung,

s. Kap. 6)?

• Welche Bedeutung bzw. welches objektive

Gewicht kommt Beständen artenschutz-

rechtlich geschützter Arten im Rahmen der

Umweltprüfung und Abwägung zum B-Plan

zu?

• Werden Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1

BNatSchG im Rahmen der späteren

Vorhabenrealisierung berührt (art- und

verbotsspezifi sch, für häufi ge und verbreite-

te Arten ggf. als funktionale Gruppen oder

Gilden) a) ?

• Kann mit bestimmten Minderungs- oder

Vermeidungsmaßnahmen im Sinne des § 44

Abs. 5 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG der

Eintritt von Verbotstatbeständen (insbeson-

dere signifi kant erhöhter Tötungsrisiken)

ganz oder teilweise vermieden werden?

• Wird die ökologische Funktion der betrof-

fenen Fortpfl anzungs- und Ruhestätten

Artenschutz bei der Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen

8

a) Bei häufi gen und verbreiteten

Arten, etwa mit einer großen An-

passungsfähigkeit und günstigem

Erhaltungszustand, die von geringer

naturschutzfachlicher Relevanz sind,

kann in der Prüfung auf Gruppen

oder so genannte „Gilden“ abge-

stellt werden, etwa die Gilde der

häufi gen Gebüschbrüter, ubiquitärer

oder „Allerweltsarten“. Bei solchen

kann im Regelfall davon ausgegan-

gen werden, dass – jedenfalls unter

Berücksichtigung zeitlicher Vorgaben

zur Tötungsvermeidung (Ausschluss

der Hauptbrutzeiten) – nicht gegen die

Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG

verstoßen wird.

Solche aus naturschutzfachlicher

Wertung nicht als planungsrelevant

eingestufte Arten müssen dennoch

angemessen gewürdigt und „das

Nichtvorliegen der Verbotstatbestän-

de […] für diese Arten in geeigneter

Weise“ dokumentiert werden.

Nur im Ausnahmefall ist bei solchen

Arten über baubedingte Tötungs- oder

Verletzungsrisiken hinaus eine Prüfung

der Verbotstatbestände im Einzelnen

erforderlich, etwa bei einer abwei-

chend zur landesweiten Einstufung

vorliegenden Bedrohung im Naturraum

oder „bei bedeutenden lokalen Popula-

tionen mit nennenswerten Beständen

im Bereich des Plans oder Vorhabens“

(BVerwG, Beschl. v. 8.3.2018 - 9 B

25.17, Rn. 24 ff.).

Page 35: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

35

VORGEHENSWEISE UND ZUSTÄNDIGE BEHÖRDENDer Bebauungsplan bedarf einer Begründung

(§ 9 Abs. 8 BauGB) mit Umweltbericht unter

Darlegung auch der ermittelten und bewerteten

Belange des Artenschutzes zur Klärung der auf

nebenstehender Seite dargestellten, vorrangigen

Fragen. Zu grundsätzlichen Inhalten und dem

Ablauf s. Kap. 5, S.20.

Bebauungspläne sind grundsätzlich nicht

genehmigungspfl ichtig. Nur selbstständige

Bebauungspläne (§ 8 Abs. 2 BauGB), vorzeitige

Bebauungspläne (§ 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB) und

vorzeitig bekannt gemachte Bebauungspläne

(§ 8 Abs. 3 Satz 2 BauGB), also solche, die nicht

aus dem Flächennutzungsplan entwickelt sind,

bedürfen der Genehmigung durch die zuständi-

ge Behörde (§ 10 Abs. 2 BauGB im Verbindung

mit § 1 BauGB-DVO).

Für eine zeiteffi ziente und artenschutzfachlich

optimierte Bebauungsplanung ist es zweckmä-

ßig, wenn bereits auf Ebene der Flächennut-

zungsplanung eine qualifi zierte Abschichtung

besonders konfl iktträchtiger Standorte unter

Artenschutzgesichtspunkten erfolgt ist.

In solchen Planungssituationen, in denen al-

lenfalls geringe oder sehr geringe Konfl ikte für

ein Plangebiet zu erwarten sind (analog Tab. in

Kap. 7, S. 28), ist es möglich, dass auf Ebene des

Bebauungsplans lediglich eine Plausibilisierung

der vorhandenen FNP-Einschätzung – insbeson-

dere vor dem Hintergrund der seither vergan-

genen Zeit b) und möglicher eingetretener

Änderungen auf der Fläche oder eines erwei-

terten Kenntnisstandes – vorgenommen wird.

Zumindest kann in einer solchen Planungssitu-

ation der Aufwand für zusätzliche Ermittlungen

reduziert sein.

Auf die Möglichkeit, unter bestimmten Rah-

menbedingungen auf worst case-Annahmen

bzw. Wahrunterstellungen zurückzugreifen,

wird nochmals hingewiesen (s. dazu Kap. 6).

Jedenfalls bei einer Lebensstätten-Nutzung, die

über die Jahre einem stärkeren räumlichen

Wechsel unterliegt, wie etwa diejenige, die sich

durch ein konkretes Nest oder die Besetzung

einer bestimmten Baumhöhle

manifestiert, kann es ohnehin

zielführend bzw. erforderlich

sein, wenn „neben der – nie

vollständig möglichen – Erfas-

sung konkret genutzter Schutz-

stätten das grundsätzliche

Habitatpotenzial eines Unter-

suchungsraums“ c) abgeschätzt

wird und dies in die arten-

schutzfachliche wie -rechtliche

Beurteilung angemessen eingestellt wird.

Noch stärker als auf der Ebene der Flächen-

nutzungsplanung hängt auf der Ebene der

Bebauungsplanung der zeitliche Ablauf des

Planverfahrens bis zum Satzungsbeschluss bzw.

– sofern erforderlich – bis zur Genehmigung von

der Komplexität der zu bearbeitenden Frage-

stellungen ab. Der Zeitraum zwischen Satzungs-

beschluss und möglichem Beginn konkreter

baulicher Tätigkeiten ist u. a. davon abhängig,

ob zunächst die Funktionserfüllung festgesetzter

artenschutzbezogener Maßnahmen (im Sinne

des § 44 Abs. 5 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2

Nr. 3 BNatSchG) gegeben sein muss, wofür i. d.

R. ein gewisser zeitlicher Vorlauf erforderlich ist

(ein- bis ggf. mehrjährige Zeiträume). Gleiches

gilt für Maßnahmen im Sinne des § 44 Abs. 5

Satz 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG.

Eine gute Basis für die Beurteilung artenschutz-

fachlicher und -rechtlicher Belange auf Bebau-

ungsplanebene ist zunächst die Auswertung und

Heranziehung vorhandener Daten und einer

Übersichtsbegehung in Frage stehender Flächen

durch Personen, die eine qualifi zierte Erstein-

schätzung zur möglichen Betroffenheit des

Artenschutzes abgeben können (Relevanzcheck

b) Unabhängig von ggf. früher struktu-

rell eingetretenen, einfach erkenn-

baren Veränderungen hat sich hierzu

ein Orientierungswert von 5 Jahren

herausgebildet, ab dem die Aktuali-

tät naturschutzfachlicher Daten und

Bewertungen jedenfalls geprüft bzw.

plausibilisiert werden sollte.

c) so VGH Bad.-Württ., Urt. v.

18.4.2018, Az. 5 S 2105/15

Bevor ein neues Wohngebiet erschlossen werden kann, sind im Rahmen des Bebauunsplans auch artenschutzrechtliche Fragen zu klären. Erforderliche Maßnahmen sind umfassend zu ermitteln, festzulegen und rechtlich zu sichern.

Page 36: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

36

FESTSETZUNGEN IM B-PLAN UND UMGANG MIT PLANEXTER-NEN FLÄCHEN/MASSNAHMENWas im Bebauungsplan festgesetzt werden darf,

ist abschließend in § 9 Abs. 1 bis 4 BauGB gere-

gelt. Ein darüber hinaus gehendes Festsetzungs-

fi ndungsrecht besteht nicht. Im Bebauungsplan

können u. a. die in der folgenden Tabelle erläu-

terten Festsetzungen getroffen werden.

Die Festsetzung kann im gegenständlichen

Bebauungsplan (= plangebietsintern) oder

einem anderen (= plangebietsextern) vorge-

nommen werden (§ 9 Abs. 1a BauGB). Zudem

und darauf basierende Bewertung, ggf. bereits

durch die FNP-Bearbeitung vorhanden, s.

Kap. 6 und 7). In den meisten Fällen dürfte zu-

sätzlich eine Bestandsuntersuchung erforderlich

sein. Prüfungsumfang und Prüfungsdichte

ergeben sich aus dem konkreten Einzelfall

(u. a. anhand der potenziell betroffenen Arten

bzw. Artengruppen). Dies ist im Praxisbeispiel

ab S. 37 exemplarisch und vertieft dargestellt.

BEZUG ZUM ARTENSCHUTZ (BEISPIELE)

Etwa zur Minderung der von zukünftigen

Gebäuden in einem Baugebiet ausge-

henden Störwirkungen auf angrenzende

Flächen, ggf. auch zur Minderung von

Tötungsrisiken

Etwa als erforderlicher Korridor für

tages- oder jahreszeitliche Ortsverän-

derungen relevanter Tierarten oder als

Abstands- und Pufferfl äche zu sensiblen,

angrenzenden Lebensstätten

Insbesondere zur Sicherung, Optimie-

rung oder Neuschaffung von Lebensstät-

ten relevanter Tier- oder Pfl anzenarten;

auch Maßnahmen zum Schutz vor schäd-

lichen Auswirkungen von Glas und Licht

Etwa zur Sicherung von Pfl egemaß-

nahmen in ansonsten un- oder schwer

zugänglichen Bereichen

Etwa zur Minderung von Störwirkungen

auf angrenzende Flächen, zur Minderung

von Tötungsrisiken, ggf. auch zur Si-

cherung der „Durchwanderbarkeit“ von

Bereichen eines Gebiets für Tierarten

Etwa zur Sicherung der Funktionsfähig-

keit spezieller Maßnahmen im Ablauf

einer Erschließung bzw. Bebauung (zeit-

liche Staffelung); so können bestimmte

Bautätigkeiten erst zulässig sein, wenn

die herzustellenden Artvorkommen in

bestimmten Maßnahmenfl ächen nachge-

wiesen wurden

RECHTSGRUNDLAGE

§ 9 Abs. 1 Nrn. 1 ff. BauGB

§ 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB

§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB

§ 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB

§ 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB

§ 9 Abs. 2 BauGB;

so genannte „bedingte

Baurechte“

FESTSETZUNGSMÖGLICHKEIT

Art und Maß sowie bestimmte weitere

Vorgaben für die zulässigen baulichen

Nutzungen

Flächen, die von der Bebauung freizu-

halten sind, und deren Nutzung

Flächen oder Maßnahmen zum Schutz,

zur Pfl ege und zur Entwicklung von

Boden, Natur und Landschaft

Mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten

zugunsten der Allgemeinheit o. a. zu

belastende Flächen

Bestimmte Anpfl anzungen oder Pfl anz-

bindungen für Flächen sowie für Teile

baulicher Anlagen (Ausnahme land-

wirtschaftliche Nutzungen oder Wald)

Zeitliche Beschränkung der Zulässig-

keit bestimmter festgesetzter baulicher

oder sonstiger Nutzungen und Anlagen

bzw. deren Zulässigkeit oder Unzu-

lässigkeit bis zum Eintritt bestimmter

Umstände; dabei soll die Folgenutzung

festgesetzt werden

Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan mit Bezug zum Artenschutz (Auszug und Beispie-le, keine vollständige Aufl istung).

Page 37: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

37

können weitere plangebietsexterne Maßnahmen

außerhalb von Bebauungsplangebieten um-

zusetzen sein. Es ist darauf hinzuweisen, dass

die fachlichen Anforderungen an bestimmte

artenschutzrechtliche Maßnahmen i. d. R. nicht

innerhalb oder im Nahbereich von Gebäuden

oder etwa von beleuchteten Bereichen erfüllt

werden können und daher eine plangebietsex-

terne Maßnahme in spezifi scher Umfeldsituati-

on zwingend erforderlich sein kann.

Für die rechtliche Sicherung der Umsetzung

von Festsetzungen und für detaillierte Rege-

lungen zur praktischen Abwicklung sowie für

weitere Maßnahmen kommen, insbesondere

auch für plangebietsexterne Maßnahmen, plan-

ergänzende städtebauliche Verträge nach

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in Betracht.

Beispiele für Festsetzungen sowie externe

Maßnahmen mit Artenschutzrelevanz sind in

nebenstehender Tabelle zusammengestellt und

im folgenden Fallbeispiel dargestellt.

ERGEBNISSE AM BEISPIELAusgangssituation

Eine Gemeinde plant ein neues Wohngebiet in

Ortsrandlagea). Hierzu soll ein Bebauungsplan

aufgestellt werden. Der vorgesehene Geltungs-

bereich umfasst überwiegend Äcker, daneben

einzelne Parzellen mit Grünland, Brachen,

Obstbaumbestand und sons-

tigen Gehölzen (Abbildung

unten).

Auf Basis eines Relevanzchecks

wird ein artenschutzbezoge-

nes Untersuchungsprogramm

abgeleitet, das die folgenden

Arten bzw. Artengruppen um-

fasst: Brutvögel, Fledermäuse

(insbesondere Bedeutung der

am Südrand des Gebiets verlaufenden Gehölz-

struktur als mögliche Flugstraße/Transferroute

zwischen Siedlungsbereich mit möglichen Quar-

tieren und dem Umfeld), Zauneidechse, Nacht-

kerzenschwärmer und die Äcker besiedelnde

Pfl anzenart Spelz-Trespe. Auf eine Bestands-

kontrolle der Haselmaus wird in Abstimmung

mit der unteren Naturschutzbehörde verzichtet,

FALLBEISPIEL B-PLAN – VORGESEHENER GELTUNGSBEREICH

Ortsrandsituation mit Gehölz-gruppen, Grünland und angren-zendem Ackerbereich: Eine häufi g anzutreffende Situation bei der Bebauung neuer Wohnbaufl ä-chen im Außenbereich.

a) Fiktivbeispiel, orientiert an zahlrei-

chen Praxisfällen

Page 38: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

FALLBEISPIEL B-PLAN – ABGRENZUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETS

Bei der Abgrenzung des Untersuchungsgebiets

wird berücksichtigt, dass das neue Wohngebiet

durch seine Kulisse nach Westen hin Feldvogel-

vorkommen der offenen Landschaft mit mitt-

lerweile gefährdeten Arten wie die Feldlerche

beeinträchtigen kann. Daher wird das Untersu-

chungsgebiet in diese Richtung deutlich größer

als der Geltungsbereich des Bebauungsplans

abgegrenzt (Abbildung unten).

38

weil die Wahrscheinlichkeit eines Vorkommens

der Art unter den gegebenen Rahmenbedingun-

gen bei sehr kleinen, zudem überwiegend als

weniger geeignet eingestuften

Gehölzbeständen ohne Anbin-

dung an Wald oder umfang-

reiche Heckenstrukturen als

lediglich sehr gering bewertet

und die Art nicht erwartet

wird. Es wird darüber hinaus

kein zusätzlicher Erfassungs-

bedarf für die Ermittlung der

Belange des Naturschutzes

und der Landschaftspfl ege in

Form von Artbestandsaufnahmen gesehen, d. h.

im vorliegenden Fall wird die Beschränkung auf

die im engeren artenschutzrechtlichen Kontext

relevanten Arten auch für die bauleitplanerische

Gesamtabwägung als ausreichend erachtet.

Bestandserfassungen der Brut-vogelfauna gehören zu regel-mäßigen umweltfachlichen Aufgaben bei der Aufstellung eines B-Plans.

Page 39: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

FALLBEISPIEL B-PLAN – BESTANDSSITUATION BRUTVÖGEL (REVIERZENTREN)

39

Weiteres Vorgehen im Grundbeispiel

Im Grundbeispiel wird weder eine relevante

Fledermausfl ugstraße oder ein Fledermausquar-

tier im B-Plangebiet, noch werden Vorkommen

von Spelz-Trespe, Zauneidechse oder Nachtker-

zenschwärmer nachgewiesen, so dass eine Be-

troffenheit nicht gegeben ist. Die artenschutz-

rechtlich und -fachlich relevanten Sachverhalte

beschränken sich auf die Gruppe der Brutvögel.

Bei diesen befi nden sich einzelne Reviere

naturschutz- und planungsrelevanter Arten in-

nerhalb des B-Plangebiet bzw. seines möglichen

Wirkraums (Abbildung unten). Häufi ge und

verbreitete Arten werden in Text und Tabellen

mit dokumentiert, eine spezifi sche Einzelbeur-

teilung für diese Arten ist im vorliegenden Fall

aber nicht erforderlich (vgl. auch S. 34).

Bei der Erfassung von Fledermäusen kommen u.a. Ultraschall-Detektoren sowie der Fang und die Besenderung von Tieren zur Auffi ndung ihrer Quartiere zum Einsatz.

Page 40: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

nahmen. Gelingt dies, ohne das Ziel und die

Grundkonzeption des B-Plans in Frage zu

stellen, stellen sich artenschutzrechtlich keine

durchschlagenden Hindernisse.

Ist eine Vermeidung im artenschutzrechtlichen

Sinn nicht vollumfänglich möglich, so stellt sich

i. d. R. insbesondere die Frage nach funktions-

erhaltenden Maßnahmen im Sinne des § 44

Abs. 5 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 3

BNatSchG für die betroffenen Fortpfl anzungs-

und Ruhestätten, soweit nicht auch noch Fragen

des Individuenschutzes (s. dazu das Beispiel

Zauneidechse ab S. 44) oder ggf. einer erhebli-

chen Störung zu behandeln sind.

40

Es erfolgt eine differenzierte Auseinanderset-

zung damit, bei welchen der wertgebenden

Vogelarten welche Beeinträchtigungen (bei Rea-

lisierung der auf Basis des B-Plans ermöglichten

Bebauung und Infrastruktur) zu erwarten und

als Verbotstatbestände zu be-

werten sind. Bei der Feldlerche

wird bezogen auf vorliegende

Literatur ein kulissenbedingter

Störeffekt bis 150 m Distanz

berücksichtigt. Zudem wird

geprüft, bei welchen Arten die

Vermeidung verbotsrelevanter

Beeinträchtigungen erreicht

werden kann, etwa durch

kleinräumig geänderte Abgren-

zung der geplanten Erschließung und Bebauung

oder durch spezifi sche andere Schutzmaß-

Die Feldlerche ist eine gefähr-dete Art der Ackerlandschaft und meidet die Nähe von Kulissen.

FALLBEISPIEL B-PLAN – ERMITTLUNG VON KONFLIKTEN

Page 41: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

FALLBEISPIEL B-PLAN – ABLEITUNG VON MASSNAHMEN

41

In der konkreten Planung (Entwurf des Plans)

wird den erwarteten artenschutzrechtlichen Kon-

fl ikten mit Vogelarten durch eine Kombination

aus Vermeidung, plangebietsinternen und plan-

gebietsexternen Maßnahmen begegnet. Diese

führen in Teilen zu einer vertretbaren Reduktion

der geplanten Wohnbaufl äche bei gleichzeitigem

Erhalt, Neuanlage und spezifi scher Optimierung

bzw. Pfl ege bestimmter Grünstrukturen. Zudem

ist eine plangebietsexterne Maßnahme für die

Feldlerche vorgesehen.

Die Maßnahmen M1 und M2 am südlichen und

nördlichen Gebietsrand beinhalten die dauerhaf-

te Pfl ege von Grünfl ächen und/oder Gehölz-

beständen als Brut- und Nahrungsraum der

betreffenden Vogelarten (Gartenrotschwanz, Star

und Feldsperling) sowie zusätzliche Nistmöglich-

keiten. Das Pfl anzgebot für die Fläche P1 am

westlichen Gebietsrand ist vor allem auf die Ver-

meidung zusätzlicher Kulissenwirkung gegen-

über den angrenzenden Ackerbereichen ausge-

richtet und beinhaltet den Verzicht auf Gehölze.

Die Brutvorkommen von Star (oben links) und Gartenrotschwanz (oben rechts) können maßnah-menseitig gesichert werden, für den Feldsperling (unten) am Ge-bietsrand wurde keine Beeinträch-tigung prognostiziert.

Page 42: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

der Erfolgssicherung sind sowohl für die

Herstellung als auch für die Pfl ege der Flächen

fachliche Detailvorgaben zu berücksichtigen.

Die Flächen befi nden sich in Gemeindebesitz

bzw. wurden durch Flächentausch in geeigneter

Lage erworben. Bei der Lage wurden Aspekte

wie die Distanz zu beeinträchtigenden Kulissen

(im vorliegenden Fall einschließlich der natur-

schutzfachlich vertretbaren Gehölzentfernung)

und die erforderliche Distanz großer Teile der

Maßnahmenfl ächen zu stärker frequentierten

Wegen (Störungsmeidung) berücksichtigt. Die

rechtliche Sicherung erfolgt im vorliegenden

Fall über einen städtebaulichen Vertrag zwi-

schen planender Gemeinde und zuständigem

Landratsamt.

42

Für den bei Verwirklichung des B-Plans prog-

nostizierten Entfall zweier Feldlerchenreviere

wird eine plangebietsexterne Maßnahme umge-

setzt (Abbildung unten). Hierbei werden zwei

Blühstreifen auf einer Ackerfl äche der Gemein-

de dauerhaft eingerichtet und entsprechend den

Ansprüchen der Art gepfl egt. Zum Zwecke

FALLBEISPIEL B-PLAN – PLANGEBIETSEXTERNE MASSNAHME

Für die Feldlerche neu ange-legter Blühstreifen auf einer im übrigen „landwirtschaftlich“ genutzten Fläche.

Page 43: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

43

Variation des Grundbeispiels mit weiteren

betroffenen Arten

Ergänzend zum Grundbeispiel wurde am

südlichen Gebietsrand eine stark frequentierte

Fledermausfl ugstraße mit strukturgebunden

fl iegenden Arten wie Braunem Langohr festge-

stellt, d. h. Arten, die sich bei ihrem Flug eng an

vorhandenen vertikalen Strukturen wie Hecken

oder Baumreihen orientieren.

Solche Arten haben häufi g Quartiere im Sied-

lungsbereich oder an dessen Rand und fl iegen

zur Jagd ins Umland. Eine der geplanten Wohn-

bebauung benachbarte Fläche mit Obstbäumen

wird zudem intensiver von Tieren dieser Art

bejagt.

FALLBEISPIEL B-PLAN – ZUSÄTZLICHE FLEDERMAUS-FLUGSTRASSE

Gehölzstrukturen entlang einer Fledermaus-Flugstraße.

Das Braune Langohr gehört zu den strukturgebunden fl iegenden Fledermausarten.

Page 44: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

FALLBEISPIEL B-PLAN – ZUSÄTZLICHE ZAUNEIDECHSEN-VORKOMMEN

schließen. Die Fortpfl anzungs- und Ruhestät-

ten werden auf Basis der Nachweise sowie der

strukturell geeigneten Flächen in deren Umfeld

abgegrenzt und bilanziert (Abbildung unten).

Zur Konfl iktlösung bei möglichst geringem

Abzug an möglicher Wohngebietsfl äche im

B-Plangebiet ist für die Zauneidechse neben

der Herstellung eines in Fläche und Qualität

mindestens gleichwertigen Ersatzlebensraums

auch die Notwendigkeit zu berücksichtigen,

dass signifi kant erhöhte Tötungsrisiken – etwa

während des Baubetriebs – vermieden werden

müssen.

Wäre letzteres nicht möglich, käme bei Vorlie-

gen entsprechender Voraussetzungen nur eine

Realisierung im Rahmen einer artenschutzrecht-

lichen Ausnahme in Betracht.

44

Festgestellt wurde ergänzend zum Grundbei-

spiel ebenso ein Vorkommen der Zauneidechse

auf Teilfl ächen innerhalb und außerhalb des

B-Plangebiets.

Die Nachweise – die immer nur einen Teil der

tatsächlich vorkommenden Individuen umfas-

sen – lassen auf eine kleinere bis mittelgroße

(Teil-)Population der Art mit vermutlich bis

zu 50 Individuen innerhalb des B-Plangebiets

Zauneidechsen-Männchen nach Handfang vor der Umsied-lung.

Page 45: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

FALLBEISPIEL B-PLAN – ZAUNEIDECHSEN – MASSNAHMEN

45

In Weiterführung der konkreten Planung aus

der Abbildung auf S. 41 (Konzept des Plans)

wird den erwarteten zusätzlichen artenschutz-

rechtlichen Konfl ikten durch weitere Maßnah-

men Rechnung getragen. Neben der Vermei-

dung von Tötungsrisiken bei der Zauneidechse

wird deren Ersatzlebensraum durch Ausweitung

und Modifi kation der Maßnahmenfl äche M1

entwickelt und gesichert, womit eine weitere

vertretbare Reduktion der Wohngebietsfl äche

verbunden ist.

Alternativ könnte eine außerhalb gelegene,

ggf. bislang landwirtschaftlich genutzte Fläche

herangezogen werden, was hier nicht verfolgt

wurde.

Einer Beeinträchtigung der Funktion der Fle-

dermausfl ugstraße u. a. durch randliche Be-

leuchtung wird durch Kombination aus der o. g.

Flächensicherung (M1) und einer Schutzpfl an-

zung zwischen Wohngebietsfl äche und südlich

verlaufendem Feldweg (P2) begegnet (s. S. 47).

Page 46: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

46

Die im vorliegenden Fall für die Zauneidechse

vorzusehenden Maßnahmen umfassen eine

Kombination aus der zeitlich um rd. einein-

halb Jahre vorgezogenen Neuentwicklung oder

Optimierung geeigneter Fortpfl anzungs- und

Ruhestätten und die vor Baubeginn in jenen

Bereichen durchzuführende Vergrämung bzw.

Bergung und Umsiedlung von Eidechsen. Hier-

durch ist es möglich, den artenschutzrechtlichen

Verbotstatbestand nicht eintreten zu lassen.

Voraussetzungen hierfür sind die adäquate Be-

reitstellung von Flächen (in für die Art geeigne-

tem Zustand) einschließlich einer dauerhaften

Pfl ege in räumlichem Zusammenhang mit dem

bestehenden Vorkommen, die Vermeidung ei-

ner zeitlichen Lücke in den betroffenen Funkti-

onen und ein technisch wie fachlich im konkre-

ten Fall passendes Konzept für die Vergrämung

bzw. Umsiedlung. Letzteres muss ggf. für die

Bauphase einen Rückwanderschutz durch einen

geeigneten Zaun einschließen, damit Tiere aus

angrenzenden Flächen nicht ins Baufeld zu-

rückwandern. Die entsprechenden Maßnahmen

werden in aller Regel seitens der zuständigen

Naturschutzbehörden als verhältnismäßig ein-

gestuft und im Rahmen der Bestimmungen des

§ 44 Abs. 5 Satz 2 Nrn. 1 und 2 (in Verbindung

mit Nr. 3) BNatSchG auch verlangt. Anfallende

Kosten können abhängig von Flächengröße,

Flächenzuschnitt und möglichem zeitlichem

Ablauf stark variieren.

Beispiel einer Folienvergrämung (oben): Durch Aufl age einer lichtundurchlässigen Folie während der Aktivitätszeit der Eidechsen werden Flächen beschattet und die Individuen zur Abwanderung in angrenzende Flächen bewogen.

Neu entwickelter Lebensraum für die Zaunei-dechse (unten) mit ausreichend Versteck- und Über-winterungsmöglichkeiten sowie Nahrungsfl äche.

Beispiel eines überjährig stehenden Reptilien-zauns (Mitte). Weil sich die Erschließung über meh-rere Jahre erstreckt, wird der Rückwanderschutz auch über diesen Zeitraum aufrechterhalten. Hierzu gehören eine regelmäßige Kontrolle und Instandset-zung, soweit erforderlich.

Page 47: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

47

WIE IST MIT EINEM ARTEN-SCHUTZRECHTLICHEN AUSNAHME-ERFORDERNIS UMZUGEHEN?Hierzu wird grundlegend auf Kap. 7 S. 32

verwiesen. Wie dort bereits angemerkt, sind

die zu überwindenden Hürden allerdings,

abhängig von den konkret betroffenen Arten,

unterschiedlich hoch und die Erteilung einer

Ausnahme kann auch daran scheitern, dass

eine Verschlechterung des Erhaltungszustands

betroffener Arten nicht oder nicht mit einer für

die Erteilung ausreichenden Prognosesicherheit

vermieden werden kann (s. Kap. 10).

Im Gegensatz zur FNP-Ebene müssen die für

eine artenschutzrechtliche Ausnahme erforder-

lichen Maßnahmen auf Ebene des Bebauungs-

plans detailliert geplant und rechtlich gesichert

sein.

FALLBEISPIEL B-PLAN – GESAMTKONZEPT MASSNAHMEN

Page 48: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

48

von den Eigenschaften eines neu zu errichten-

den, zu ändernden oder abzureißenden Gebäu-

des und von den dortigen Artenvorkommen

abhängen. Ferner sind die auf dem betreffenden

Grundstück befi ndlichen Freifl ächen und die

Umgebung zu beachten. Denn artenschutz-

rechtliche Sachverhalte können einer Bebauung

entgegenstehen oder diese nur unter bestimm-

ten Nebenbestimmungen ermöglichen.

In den meisten Fällen resultiert ein solcher

Konfl ikt aus der Zerstörung von Fortpfl an-

zungs- oder Ruhestätten auf dem Baugrund-

stück bzw. in oder an einem abzureißenden, zu

sanierenden oder umzubauenden Gebäude. Er

kann sich aber auch aus Tötungsrisiken für dort

lebende Tierarten und ihre Fortpfl anzungsstadi-

en ergeben (s. im Detail Kap. 4 ab S. 16 zu den

entsprechenden Verboten).

Der grundsätzliche Prüf- und Kontrollauftrag

für die zuständige Baurechtsbehörde ergibt sich

für bestimmte Verfahren aus § 58 Abs. 1 Satz 1

und 2 LBO in Verbindung mit den entsprechen-

den naturschutzrechtlichen Regelungen.b)

Die zentral auf Ebene eines Bauvorhabens zum

Artenschutz zu beantwortenden Fragen bzw. zu

klärenden Sachverhalte sind:

• Können durch das Bauvorhaben Verbotstat-

bestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG ausge-

löst werden (art- und verbotsspezifi sch)c) ?

• Kann mit bestimmten Minderungs- oder

Vermeidungsmaßnahmen im Sinne des § 44

Abs. 5 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG der

Eintritt von Verbotstatbeständen (insbeson-

dere signifi kant erhöhter Tötungsrisiken)

ganz oder teilweise vermieden werden?

• Wird die ökologische Funktion der betrof-

fenen Fortpfl anzungs- und Ruhestätten

im räumlichen Zusammenhang weiterhin

erfüllt oder sind funktionserhaltende

Maßnahmen möglich (§ 44 Abs. 5 Satz 3 in

Verbindung mit Satz 2 Nr. 3 BNatSchG)?

VORRANGIGE FRAGENDie Errichtung, Änderung oder Beseitigung

einer baulichen Anlage ist entsprechend der

differenzierten Regelungen der Landesbauord-

nung (LOB) entweder verfahrenspfl ichtig oder

verfahrensfrei.a) Ist ein Baugenehmigungsverfah-

ren erforderlich, so enthält im Fall des positi-

ven Bescheids die Baugenehmigung alle ggf.

notwendigen Nebenbestimmungen.

Das Artenschutzrecht ist Teil der bei jedem

Bauvorhaben nach § 50 Abs. 5 i. V.m. § 58

Abs. 1 LBO einzuhaltenden öffentlich-recht-

lichen Vorschriften. Artenschutzrechtlich mit-

telbar relevant ist die Regelung des § 12 Abs. 4

LBO, die spezifi sch aufführt, dass Bäume,

Hecken und sonstige Bepfl anzungen, die auf

Grund anderer Rechtsvorschriften zu erhalten

sind, während der Bauausführung geschützt wer-

den müssen. Im Hinblick auf den Artenschutz

kann sich solches allerdings auch für unbe-

pfl anzte Flächen ergeben (s. Beispiel auf S. 60).

Ebenso wie auf den Ebenen der kommunalen

Bauleitplanung kann bei Bauvorhaben eine

detaillierte Auseinandersetzung mit artenschutz-

fachlichen und -rechtlichen Belangen erforder-

lich sein. Dies ist abhängig von den konkreten

Gegebenheiten des Einzelfalls. Diese können

Artenschutz bei Bauvorhaben

Kolonie der Fledermausart Großes Mausohr in einem Dachstuhl. Der eher seltene Fall eines offenkundig gravieren-den artenschutzfachlichen und -rechtlichen Konfl ikts bei einem geplanten Dachausbau.

9

a) Zu verschiedenen Verfahrensarten

im Zusammenhang mit dem Prüf- und

Kontrollauftrag der zuständigen Bau-

rechtsbehörde sowie den Möglichkei-

ten des Bauherren vor allem ab S. 50.

b) Dieser Prüf- und Kontrollauftrag

für die zuständige Baurechtsbehörde

erstreckt sich im Wesentlichen auf die

genehmigungspfl ichtigen Vorhaben

nach § 49 LBO.

Page 49: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

49

• Können ggf. auch Maßnahmen zur Vermei-

dung einer erheblichen Störung (§ 44 Abs. 1

Nr. 2 BNatSchG) erforderlich sein?

• Ist für das Bauvorhaben eine Ausnahme

nach § 45 BNatSchG oder eine Befreiung

nach § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG erforder-

lich und wenn ja, liegen die Voraussetzun-

gen hierfür vor?

• Was ist im Sinne einer Ökologischen Baube-

gleitung bzw. eines Monitorings notwendig?

Die erforderlichen artenschutzbezogenen

Maßnahmen sind in der Baugenehmigung

umfassend als Nebenbestimmungen festzulegen

(Beispiele auf S. 57). Sie können bereits im Vor-

feld in die Bauvorlagen aufgenommen werden.

VORGEHENSWEISE, VERFAHRENSARTEN UND ZUSTÄNDIGE BEHÖRDENSoweit das entsprechende Vorhaben nach den

Regelungen der LBO genehmigungspfl ichtig ist

oder es sich um ein Vorhaben in Kenntnisgabe-

verfahren handelt, werden die dafür erforderli-

chen Unterlagen bei der Gemeinde eingereicht

(§ 53 LBO). Bei genehmigungspfl ichtigen

Vorhaben ist zusammen mit den Bauvorlagen

der schriftliche Antrag auf Baugenehmigung

(Bauantrag) zu übermitteln. Entweder ist die

Gemeinde selbst zuständige untere Baurechts-

behörde, oder sie leitet die Unterlagen an diese

Behörde weiter. Regelungen zu entsprechenden

Fristen enthält die LBO.

Nach den Regelungen der LBO hat die zu-

ständige Baurechtsbehörde nur in bestimmten

Verfahren einen Prüfauftrag, der auch das

Artenschutzrecht umfasst. Eine differenzierte

Übersicht gibt die Tabelle auf der folgenden

Doppelseite. Dort ist auch benannt, welche

Möglichkeiten der Bauherr bei den einzelnen

Verfahrensarten hat, ergänzend oder unabhän-

gig von der baubehördlichen Prüfung Sicherheit

bezüglich des Artenschutzes zu gewinnen. Dies

kann wichtig sein, da bei artenschutzrechtlichen

Verstößen u. a. ordnungs- oder strafrechtliche

Konsequenzen (Bußgeld- und Strafvorschriften

des BNatSchG §§ 69 ff), aber auch z. B. Bau-

einstellungen unterschiedlicher Dauer möglich

sind. Soweit es zu Umweltschäden an geschütz-

ten Arten gekommen sein sollte oder solche

drohen, besteht die Verpfl ichtung zu bestim-

mten Maßnahmen (§ 19 BNatSchG; s. auch

Kap. 2, S. 10).

Absperrungen am äußeren Rand oder zur Untergliederung der Baustelle dienen nicht nur der Sicherheit. Sie können auch zum Schutz sensibler Flächen wäh-rend bestimmter Bauphasen erforderlich sein.

c) Bei häufi gen und verbreiteten Arten,

etwa unter den gehölzbrütenden Vo-

gelarten (z. B. Buchfi nk, Mönchsgras-

mücke, Singdrossel), die von geringer

naturschutzfachlicher Relevanz sind,

kann in der Prüfung regelmäßig auf

Gruppen oder so genannte „Gilden“

abgestellt werden. Gerade dann ist

i. d. R. davon auszugehen, dass beim

einzelnen Vorhaben – jedenfalls unter

Berücksichtigung zeitlicher Vorgaben

zur Tötungsvermeidung (Ausschluss

der Hauptbrutzeiten) – nicht gegen die

Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG

verstoßen wird. Nur im Ausnahmefall

kann bei solchen Arten über baube-

dingte Tötungs- oder Verletzungsrisiken

hinaus eine Prüfung der Verbotstat-

bestände im Einzelnen erforderlich

sein (s. dazu Hinweis in Kap. 8, S. 34).

Können ausschließlich solche Arten

betroffen sein, so ist i. d. R. eine

allgemeine Nebenbestimmung zu

zulässigen Bauzeiträumen ausreichend

(s. Beispiel in Tab. auf S. 57).

Page 50: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

50

VEREINFACHTES BAUGENEHMI-

GUNGSVERFAHREN (AUF ANTRAG)

§ 52 LBO

Errichtung von Wohngebäuden,

sonstiger Gebäude mit einer Höhe

bis zu 7 m oder sonstiger baulicher

Anlagen (die keine Gebäude sind)

Keine

Ggf. soweit ohne eigentliche Prüfung

Auffälligkeit / Hinweise auf Betrof-

fenheit Artenschutz

Der Bauherr braucht das vereinfach-

te Verfahren nicht zu beantragen (s.

dann Spalte 2). Bei Wohngebäuden

mit einer Höhe bis zu 7 m ist das

Baugenehmigungsverfahren jedoch

nicht eröffnet

BAUGENEHMIGUNGSVERFAHREN

§ 49 LBO, § 58 LBO

Errichtung oberirdischer und unter-

irdischer Gebäude sowie sonstiger

baulicher Anlagen mit Ausnahme

von Wohngebäuden bis zu einer

Höhe von 7 m (Gebäudeklassen 1

bis 3)

Durch Baurechtsbehörde als Teil der

öffentlich-rechtlichen Vorschriften;

Artenschutz-„Verdachtsfälle“ unter

Beteiligung der Naturschutzbehörde

(s. Text und Abb. auf S. 53)

Keine (da Teil der Prüfung im Ver-

dachtsfall)

Im Bauantrag bereits Maßnahmen

des Artenschutzes nach behördlicher

Voranfrage/Abstimmung bzw. fach-

gutachterlicher Bewertung (s .u.)

vorsehen (ggf. auch für Spalten 3

und 4 relevant)

VERFAHRENSART

Vorschrift

Beispiele (vereinfacht)

Keine vollständige Listung, zudem

können bestimmte Einschränkungen

gegeben sein; s. dazu die entspre-

chende Vorschrift sowie den Anhang

der LBO, der verfahrensfreie Vorha-

ben listet.

Behördliche Prüfung des Arten-

schutzes

Nicht - förmliche Kenntnisgabe

Baurecht an Naturschutza)

Möglichkeiten

des Bauherren,

um Sicherheit

bzgl. des Ar-

tenschutzes zu

gewinnenb)

Im Rahmen des

LBO-Verfahrens

Ergänzend an

untere Bau-

rechtsbehörde

An untere Natur-

schutzbehörde

Beauftragung

Fachgutachter

Vor Einreichung des Bauantrags Antrag des Bauherrn auf Bauvorbescheid

zu evtl. Artenschutzfragen des Vorhabens (§ 57 LBO), nach Möglichkeit mit

Begründung des Anlasses

Formlose Voranfrage, ggf. Bitte um

Abstimmung mit Fachgutachter (s.

u.) oder Antrag auf feststellenden

Verwaltungsakt, ggf. einschließlich

artenschutzrechtlicher Ausnahme

oder Befreiung, soweit erforderlich

(Näheres auf S. 50 und in Kap. 11)

Im Sinne eines „Relevanzchecks“ und soweit dann erforderlich mittels einer

vertiefenden Untersuchung; Einbindung der Ergebnisse in Abstimmung mit

der Behörde und in den Bauantrag

Page 51: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

Prüfung von Artenschutz-

belangen im Rahmen unter-

schiedlicher Verfahrensarten

nach LBO

51

VERFAHRENSFREI

§ 50 LBO

Abbruch freistehender Gebäude mit

einer Höhe bis zu 7 m oder sonstiger

baulicher Anlagen, die keine Gebäu-

de sind, mit einer Höhe bis zu 10 m.

Außenwandverkleidungen ein-

schließlich Maßnahmen der Wär-

medämmung (ausgenommen bei

Hochhäusern)

Keine

Keine (Baurechtsbehörde hat i. d. R.

keine Kenntnis vom Vorhaben)

Keine

(ggf. Einbezug ansonsten verfah-

rensfreier Anteile in ein ohnehin für

andere Anlagen/Elemente erforderli-

ches Baugenehmigungsverfahren)

Keine

KENNTNISGABEVERFAHREN

§ 51 LBO

Errichtung von Wohngebäuden,

sonstiger Gebäude mit einer Höhe

bis zu 7 m oder sonstiger baulicher

Anlagen (die keine Gebäude sind),

soweit im Bereich eines rechtsgül-

tigen Bebauungsplans gelegen und

nach dessen Festsetzungen zulässig.

Abbruch von nicht verfahrensfrei ge-

stellten Anlagen und Einrichtungen

Keine

Ggf. soweit ohne eigentliche Prüfung

Auffälligkeit / Hinweise auf Betrof-

fenheit Artenschutz

Der Bauherr kann die Durchführung

eines Baugenehmigungsverfahrens

beantragen (s. dann Spalte 2). Bei

Wohngebäuden mit einer Höhe bis

zu 7 m ist jedoch neben dem Kennt-

nisgabeverfahren nur das verein-

fachte Baugenehmigungsverfahren

eröffnet.

Keine

Formlose Voranfrage, ggf. Bitte um Abstimmung mit Fachgutachter (s. u.)

oder Antrag auf feststellenden Verwaltungsakt, ggf. einschließlich arten-

schutzrechtlicher Ausnahme oder Befreiung, soweit erforderlich (Näheres

auf S. 56 und in Kap. 11)

Im Sinne eines „Relevanzchecks“ und soweit dann erforderlich mittels einer

vertiefenden Untersuchung; Einbindung der Ergebnisse in Abstimmung mit

der Behörde und ggf. im Bauantrag

a) Aufgrund der Fristen bei bestimm-

ten Verfahren muss eine Information

rasch erfolgen, um ggf. reagieren zu

können.

b) Die Verantwortung zur Einhaltung

der öffentlich-rechtlichen Vorschriften

einschließlich des Artenschutzes liegt

letztlich beim Bauherrn. Bei Verstößen

sind u. a. ordnungs- oder strafrecht-

liche Konsequenzen (Bußgeld- und

Strafvorschriften des BNatSchG § 69

ff), aber auch z. B. Baueinstellung un-

terschiedlicher Dauer möglich. Soweit

es zu Umweltschäden an geschützten

Arten gekommen sein sollte oder sol-

che drohen, besteht die Verpfl ichtung

zu bestimmten Maßnahmen (§ 19

BNatSchG). S. auch Kap. 2, S. 10.

Page 52: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

und soweit sie die Prüfung nicht mit eigenen

Mitteln vornehmen kann c), übermittelt sie den

fachlich als erforderlich gewerteten Prüfauftrag

an die Baurechtsbehörde. Prüfungsumfang und

Prüfungsdichte ergeben sich aus dem konkreten

Einzelfall und sind ggf. mit dem Bauherren und

dessen Fachgutachter abzustimmen.

Phase 4

Je nach Fallgestaltung ergeben sich im Weiteren

folgende Abläufe:

4 a) In einfach gelagerten Fällen kann die

untere Baurechtsbehörde die entsprechenden

Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung

aufnehmen. Die Baugenehmigung kann –

bezogen auf den Artenschutz – erteilt werden

(4b ff. entfällt).

4 b) In schwierigeren Fällen kann die untere

Baurechtsbehörde den Bauherrn gemäß

§ 53 Abs. 4 Satz 2 oder 3 LBO zur Beibringung

eines entsprechenden Gutachtens auffordern.

§ 54 LBO mit seinen Fristen bleibt dabei un-

berührt. Wird das Gutachten vorgelegt, wird

dieses durch die zuständige Naturschutzbehör-

de geprüft.

4 c) Seitens der Naturschutzbehörde werden

auf Basis der Prüfung aus 4 b) der Baurechtsbe-

hörde die erforderlichen Nebenbestimmungen

zur Sicherstellung der naturschutzrechtlichen

Zulässigkeit mitgeteilt und diese können in

die Baugenehmigung aufgenommen werden.

Die Baugenehmigung kann – bezogen auf den

Artenschutz – erteilt werden (4 d entfällt).

4 d) Kann auf Basis der Prüfung aus 4 b) ein

Verstoß gegen das Artenschutzrecht nicht ver-

mieden werden und liegen die Voraussetzungen

für eine Ausnahme oder Befreiung nicht vor,

teilt die Naturschutzbehörde der Baurechtsbe-

hörde die einer Genehmigung entgegen stehen-

den Rechtsvorschriften und Sachverhalte mit.

Die Baugenehmigung ist in diesem Fall nach

§ 58 Abs. 1 LBO zu versagen. Kann innerhalb

der baurechtlich vorgesehenen Verfahrensfris-

ten von der zuständigen Naturschutzbehörde

nicht abschließend entschieden werden, ob die

Voraussetzungen einer artenschutzrechtlichen

Ausnahme oder Befreiung vorliegen, sollte

52

ABLAUF IM BAUGENEHMIGUNGS-VERFAHRENIm Baugenehmigungsverfahren prüft die

Baurechtsbehörde zunächst die Vollständigkeit

der Unterlagen, ggf. fordert sie bestimmte nach.

In diesem Rahmen, insbesondere aber in der

nachfolgenden inhaltlichen Prüfung muss sie

auch die Frage artenschutzrechtlicher Betroffen-

heiten in den Blick nehmen. Denn artenschutz-

rechtliche Sachverhalte können einer Bebauung

entgegenstehen oder diese nur unter bestimm-

ten Nebenbestimmungen ermöglichen (s. S. 48).

Sofern im Baugenehmigungsverfahren arten-

schutzrechtliche Vorschriften verletzt sein

könnten (Verdachtsfälle), so ist wie nachfolgend

dargestellt zu verfahren.

Phase 1

Im Falle eines Verdachts auf Vorkommen bzw.

Betroffenheit geschützter Arten beteiligt die

untere Baurechtsbehörde die zuständige Natur-

schutzbehörde als berührte Fachbehörde gemäß

§ 53 Abs. 4 Satz 1 LBO. Hinweise dazu, wie

Verdachtsfälle seitens der Baurechtsbehörden

erkannt werden können und eine diesbezüglich

möglichst gute Praxis erreicht werden kann,

fi nden sich im Anhang (zu Gebäude- und Frei-

fl ächenkontrolle).

Phase 2

Die untere Naturschutzbehörde prüft anhand

der Antragsunterlagen, vorliegender Daten und

erforderlichenfalls durch Begehung, ob eine

artenschutzrechtliche Betroffenheit vorliegt. a)

Phase 3

Liegen ausreichende Anhaltspunkte für eine

Betroffenheit geschützter Arten vor (zu berück-

sichtigen sind dabei z. B. Feststellungen der

Behörde aufgrund eigener Ermittlung, plausible

Angaben Dritter, geeignete Lebensraumstruk-

turen, Eigenschaften des Bauvorhabens mit

besonderem artenschutzrechtlichen Konfl iktpo-

tenzial wie etwa großen, verglasten Bauelemen-

ten), so teilt die untere Naturschutzbehörde

dies der Baurechtsbehörde mit. In einfach gela-

gerten Fällen kann sie zugleich die ohne weitere

Ermittlungen erforderlichen Nebenbestimmun-

gen zur Sicherstellung der naturschutzrecht-

lichen Zulässigkeit benennen. b) Ansonsten

a) Ergibt sich bereits auf Grundlage

dieser Prüfung die Unvereinbarkeit des

Vorhabens mit dem Artenschutzrecht

(im konkreten Fall Sachverhalte, die

nicht durch geeignete Anordnung

von Maßnahmen bzw. Nebenbestim-

mungen oder ggf. auf dem Weg einer

artenschutzrechtlichen Ausnahme oder

Befreiung behoben werden können),

so ist die Baugenehmigung nach § 58

Abs. 1 LBO zu versagen.

b) Im günstigsten Fall können arten-

schutzrechtliche Konfl ikte bei einfach

gelagerten Fällen ohne vertiefte

Betrachtung ausgeschlossen werden.

Ansonsten liegt möglicherweise bei

Bauvorhaben im unbeplanten Innen-

bereich (§ 34 BauGB) oder in einem

Bebauungsplangebiet (§ 30 BauGB)

eine hinreichend aktuelle Grundlage

vor, die Vorgaben zur baubedingten

Vermeidung artenschutzrechtlicher

Verstöße beinhaltet und andere mög-

liche Konfl iktsachverhalte etwa durch

vorgezogene funktionserhaltende

Maßnahmen auf Ebene der verbindli-

chen Bauleitplanung bereits gelöst hat

(s. Kap. 8 sowie 10).

c) Dies ist i. d. R. dann der Fall,

wenn eine entsprechende Feststel-

lung bzw. Prüfung Geländearbeiten

mit spezifi scher Suche nach Arten,

mehrfachen Kontrollterminen und/oder

dem Einsatz spezifi scher technischer

Hilfsmittel verlangt. Beispiele sind

Erfassungen der Brutvogelfauna mit

mehreren Terminen in der Brutzeit

oder nächtliche Kontrollen auf Fle-

dermausaktivität mittels Detektoren,

Nachtsichtgeräten o. ä.

Page 53: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

53

der Bauherr auf die Möglichkeit hingewiesen

werden, dass er zur Vermeidung einer Versa-

gung der Baugenehmigung auf die Einhaltung

der baurechtlichen Fristen verzichten kann, um

die Einholung der abschließenden Entscheidung

der Naturschutzbehörde im Rahmen des bau-

rechtlichen Verfahrens zu ermöglichen.

Eine Übersicht zu den vorstehend genannten

Phasen im Zusammenwirken von Baurechts-

und Naturschutzbehörde gibt die unten stehen-

de Abbildung.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass so-

wohl das Fachrecht (hier: Naturschutzrecht)

als auch das Bauordnungsrecht Instrumente

gegen materiell-rechtliche Verstöße im Rahmen

solcher Genehmigungen oder verfahrensfreier

Vorhaben (s. vorne) bereit hält. Die Baurechts-

behörden haben auf Einhaltung der relevanten

Vorschriften und der auf Grund dieser Vor-

schriften erlassenen Anordnungen zu achten

und dabei diejenigen Maßnahmen zu treffen,

die nach pfl ichtgemäßem Ermessen erforderlich

sind (§ 47 Abs. 1 LBO). Dabei kann die Bau-

rechtsbehörde etwa die Einstellung von Arbei-

ten anordnen, wenn bauliche Anlagen im Wi-

derspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften

errichtet oder abgebrochen werden (§ 64 Abs. 1

LBO). Bei Verstößen gegen artenschutzrechtli-

che Verbote kann dies auch unmittelbar durch

die Naturschutzbehörde erfolgen. Die Anord-

nung zusätzlicher Maßnahmen ist durch die

Naturschutzbehörde auch in dem Fall möglich,

dass erst nachträglich ein artenschutzrechtli-

cher Verstoß festgestellt wird. Rechtsgrundlage

hierfür ist § 3 Abs. 2 BNatSchG; eine etwaige

Baugenehmigung steht dem in der Regel nicht

entgegen.

Übersicht zu den vorstehend ge-nannten Phasen im Zusammen-wirken von Baurechts- und Naturschutzbehörde bei der Beurteilung, ob eine artenschutz-rechtliche Betroffenheit im Rah-men eines Vorhabens gegeben ist, und deren Ergebnis. Die Abstimmung insbesondere mit der Naturschutzbehörde bezüg-lich der Vollständigkeit sowie der fachlich und naturschutzrechtlich passenden Inhalte ein- oder nachzureichender Unterlagen kann sinnvollerweise auch im Vorfeld eines Bauantrags bzw. innerhalb einer Fristhemmung vorgenommen werden.

◀ ◀

BAUHERR

FACHGUTACHTER(sofern erforderlich)

BAURECHTSBEHÖRDE

Prüfung Vorhaben:

Verdacht auf Vorkommen bzw.

Betroffenheit geschützer Arten?

Kann ohne Artenschutz-

Nebenbestimmungen

genehmigen

Erteilung

Baugenehmigung

(soweit benannt mit

Nebenbestimmungen) Kann unter übermit-

telten Artenschutz-

Nebenbestimmungen

genehmigen

Aufforderung des Bau-

herren zur Beibringung

eines Gutachtens

Genehmigung wie unter

4a mit Nebenbestim-

mungen

Verstoß Artenschutz-

recht

Genehmigung wird

versagt

Fachprüfung:

Liegt eine artenschutz-

rechtliche Betroffenheit

vor? (s. Text)

NATURSCHUTZBEHÖRDEAntragsunterlagen

Ja

Nein

Ja: gering

Ja: Prüfauftrag

auf Basis Gutachtenprüfung

ggf. Abstimmung, Gutachten

Nein

Kein Verdachtsfall

1 2

4a

4b

4b

4c

4d

3

3

3

Page 54: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass im Fall

eines Prüfbedarfs auf artenschutzrechtliche Ver-

bote sowie für die Ableitung und Abstimmung

von Maßnahmen erheblich längere Zeiträume

bis zu einer abschließenden Entscheidung benö-

tigt werden können.

Das untenstehende Schema zeigt übliche bzw.

erforderliche Arbeitsschritte bei einem Bau-

vorhaben aus Sicht des Bauherren auf und gibt

Hinweise auf zeitliche Abläufe und inhaltlich

wichtige Fragen vor allem zum Artenschutz. Es

wurde im Rahmen des Projekts „Artenschutz

54

Regelzeiträume sind lt. LBO im Rahmen eines

Vorhabens je nach Verfahrensart drei bis fünf

Arbeitstage für die Weiterleitung der Unter-

lagen seitens der Gemeinde an die Baurechts-

behörde (soweit sie dies nicht selbst ist), zehn

Tage für die Vollständigkeitsprüfung durch die

Baurechtsbehörde und im normalen Baugeneh-

migungsvorhaben ein bis zwei Monate für die

Stellungnahmen der Fachbehörden und zwei

Monate ab Vorliegen der vollständigen Bauvor-

lagen sowie aller notwendigen Stellungnahmen

und Mitwirkungen für die Entscheidung über

den Bauantrag (§ 54 LBO).

1) Prüfung meist im März bis August, teils länger, in speziellen Fällen auch im Winter (Fleder- maus-Winterquartiere)

2) nach § 45 BNatSchG

3) nach § 67 BNatSchG

4) kann je nach Maßnahme wenige Tage bis Monate in Anspruch nehmen

Erster Check:

Könnten geschützte Arten

betroffen sein?

Keine Betroffenheit ge-

geben bzw. zu erwarten

Z. B. Hinweise auf Einzel -

brutvorkommen häufi ger

Arten

Z. B. Hinweise auf große

Fledermausquartiere

Betroffenheit im geringen

Umfang zu erwarten; kein

weiterer Untersuchungs-

bedarf

Betroffenheit im höhe-

ren Umfang zu erwarten

oder unklare Situation;

de taillierte Untersuchung

notwendig

Siehe dazu Kap. 6 ab

Seite 22

Vertiefende artenschutz-

fachliche Prüfung · Welche Arten?

· Wieviele Tiere?

· Pfl anzen sie sich fort?

durch ein Fachbüro

Z. B. nächtliche Aus-

fl ugskontrollen zu

Fledermausvorkommen

Dauer:

mind. 6 Monate, Jahreszei-

ten-abhängig1)

VOR BAUBEGINN

Festlegung und Abstimmung

Keine Artenschutzmaßnahmen

Artenschutz frühzeitig berücksichtigen!

· Konfl ikte vermeiden (z. B. durch Bauzeit außerhalb der

Brutzeit)

· Erhalt vorhandener Quartiere anstreben

· wenn nicht anders möglich: Ersatz/Ausgleich möglichst an

gleicher Stelle schaffen

· Fördermöglichkeiten prüfen (z. B. die der KfW)

Schema zu üblichen bzw. erforderlichen Arbeitsschrit-ten bei einem Bauvorhaben aus Sicht des Bauherren mit Hinweisen auf zeitliche Abläufe und inhaltlich wichtige Fragen vor allem zum Artenschutz (verändert nach Landratsamt Tübingen 2016).Die Nummern verweisen auf die im Text und der vorstehenden Abbildung benannten Phasen.

4b2

2 4a

Page 55: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

55

am Haus“ des Landkreises Tübingen erarbeitet

und basiert auf umfangreichen Erfahrungen mit

zahlreichen Bauprojekten. Die darin enthalte-

nen Angaben zur Dauer der einzelnen Schritte

können nur eine Orientierung bieten und im

Einzelfall abweichen.

Für eine zeiteffi ziente und artenschutzfachlich

optimierte Projektabwicklung ist es zweckmä-

ßig, wenn sich Bauherr und Entwurfsverfasser

bereits auf Ebene der Vorbereitung und Erstel-

lung des Entwurfs vor Einreichung des Bau-

antrages damit befassen, ob Fragen des Arten-

schutzes berührt sein könnten. Hierbei stehen

ihnen etwa die Möglichkeiten des Antrags auf

Vorbescheid nach § 57 LBO, eine Anfrage zu

vorliegenden Daten und Empfehlungen der

Naturschutzbehörde oder die Beauftragung

eines Fachbüros mit einer artenschutzfachlichen

Beurteilung bzw. Einschätzung zur Verfügung

(im Schema enthalten).

Auch nach erteilter Genehmigung ist der Be-

ginn (bestimmter) baulicher Tätigkeiten u. a.

davon abhängig, ob bestimmte artenschutzrecht-

liche Maßnahmen ggf. vorgezogen durchgeführt

BA

UB

EG

INN

BA

UB

EG

INN

Maßnahmenplanung und

Abstimmung

∙ Was ist wo zu tun?

∙ Klärung zeitl. Abläufe

∙ Klärung technischer

Details

∙ Ist ein Antrag auf

Ausnahme2) oder

Befreiung3) erforderlich

bzw. möglich?

durch Fachbüro, Bauherr

und Architekt mit der

Naturschutzbehörde

durch Bauherr, Architekt

und Handwerker/Fach-

fi rma in Kooperation

mit dem Fachbüro

durch Bauherr, Architekt

und Handwerker/Fach-

fi rma in Kooperation

mit dem Fachbüro

durch Bauherr oder in

dessen Auftrag durch

Fachbüro

Umsetzung vorgezogener/

vorbereitender Maßnah-

men, z. B.

∙ Bereitstellung von

dauerhaften Ersatz-

quartieren

∙ Bereitstellung von

Übergangsquartieren

∙ in Einzelfällen Vergrä-

mung von Arten

Umsetzung spezieller Maß-

nahmen, z. B.

∙ Herrichtung von dauer-

haften Quartieren

∙ ökologische Baube-

gleitung

Projekt abgeschlossen,

im Weiteren je nach Fall

notwendig:

∙ Erfolgskontrolle/

Monitoring

∙ Abbau der Übergangs-

maßnahme

∙ Pfl ege/Unterhaltung neu

geschaffener Lebens-

stätten

Projekt abgeschlossen

Projekt abgeschlossen

Umsetzung der

Standardmaßnahmen

Z. B. Einbau/Anbringung

einzelner Nisthilfen

Dauer:

ca. 1-3 Monate

Dauer:

fallabhängig4)

BAUPHASE NACH DEM BAU

erforderlicher Standardmaßnahmen

erforderlichB

AU

BE

GIN

N

4b 4c

Page 56: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

Grund vom Gesetzgeber nicht vorhersehbaren

Einzelfällen in Betracht. Eine Befreiung kann

auf Antrag gewährt werden, wenn ansonsten

die Durchführung der Vorschriften im Einzel-

fall zu einer unzumutbaren Belastung führen

würde. Nebenbestimmungen sind möglich.

Auch die Voraussetzungen für Befreiungen sind

in der Regel schwierig zu erfüllen. Von daher

muss zunächst versucht werden, artenschutz-

rechtliche Sachverhalte so zu lösen, so dass

kein Ausnahme- oder Befreiungserfordernis

resultiert.

Zuständige Behörde für Ausnahme- bzw.

Befreiungsentscheidungen ist grundsätzlich die

untere Naturschutzbehörde; sie trifft auch die

Entscheidung im Fall ausschließlich betroffe-

ner, besonders geschützter Arten (hier i. d. R.

Vogelarten). Bei Betroffenheit streng geschütz-

ter Arten oder sowohl besonders – wie streng

geschützter ist die höhere Naturschutzbehörde

(Regierungspräsidium) zuständig.

ARTENSCHUTZMASSNAHMEN IM RAHMEN DER PLANUNG UND GENEHMIGUNGBezüglich der notwendigen artenschutzbezoge-

nen Maßnahmen ist es erforderlich, dass diesen

in der eigenverantwortlichen Planung (auch bei

verfahrensfreien Vorhaben) bzw. im Bauantrag

(Entwurf) Rechnung getragen wird bzw. sie

ansonsten in der Baugenehmigung umfassend

als Nebenbestimmungen festgelegt werden.

Dies kann Maßnahmen einschließen, deren

Notwendigkeit sich bereits aus den Regelungen

eines Bebauungsplans ergibt.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die fachlichen

Anforderungen an bestimmte artenschutzrecht-

liche Maßnahmen i. d. R. nicht innerhalb oder

im Nahbereich von Gebäuden oder etwa von

beleuchteten Bereichen erfüllt werden können

und daher eine externe Maßnahme in spezi-

fi scher Umfeldsituation, d. h. außerhalb des

betroffenen Baugrundstücks, zwingend erfor-

derlich sein kannb). In anderen Fällen müssen

Maßnahmen dagegen zwingend an oder in

Gebäuden realisiert werden, z. B. für gebäude-

bewohnende Vogel- und Fledermausarten.

56

werden müssen oder wegen des Artenschutz-

rechts jahreszeitliche Aspekte zu berücksichti-

gen sind.

Bei verfahrensfreien Vorhaben ist der Bauherr,

wie bereits ausgeführt, dafür verantwortlich,

dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften

einschließlich des Artenschutzes eingehalten

werden. Auch in diesem Fall kann und sollte

bei Verdacht auf eine artenschutzrechtliche

Betroffenheit bezüglich des weiteren Vorge-

hens bei der zuständigen Naturschutzbehörde

angefragt oder ein Fachbüro mit einer arten-

schutzfachlichen Beurteilung bzw. Einschätzung

beauftragt werden.

WIE IST MIT EINEM ARTENSCHUTZRECHTLICHEN AUSNAHME- ODER BEFREIUNGS-ERFORDERNIS UMZUGEHEN?Hierzu wird zunächst auf die Ausführungen

auf S. 32 und in Kap. 10 verwiesen. Wie dort

bereits angemerkt, sind die zu überwindenden

Hürden allerdings, abhängig von den konkret

betroffenen Arten, unterschiedlich hoch und

die Erteilung einer Ausnahme kann auch daran

scheitern, dass eine Verschlechterung des Er-

haltungszustands betroffener Arten nicht oder

nicht mit einer für die Erteilung ausreichenden

Prognosesicherheit vermieden werden kann.

Zudem kommt eine Ausnahme bei privaten

Bauvorhaben nur in seltenen Fällen in Frage,

weil hierfür zugleich die zwingenden Gründe

des überwiegenden öffentlichen Interesses

vorhanden sein müssen einschließlich solcher

sozialer oder wirtschaftlicher Art (§ 45 Abs. 7

Nr. 5 BNatSchG).

Neben der Möglichkeit einer Ausnahme bietet

§ 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG im Rahmen einer

Ermessensregelung die Möglichkeit, in spezi-

fi sch gelagerten Einzelfällen „das Interesse an

einer Durchführung des gesetzlichen Verbotes

[...] mit dem Interesse an der Ermöglichung bzw.

Fortdauer der Nutzung abzuwägen [...].

Durch Nebenbestimmungen kann dabei im

Falle der Erteilung der Befreiung sichergestellt

werden, dass der Betroffene etwa durch Ersatz-

maßnahmen gleichwertige Zustände wiederher-

stellt“ a). Eine solche Befreiung kommt aller-

dings lediglich in atypischen und aus diesem

a) BT-Drs. 16/5100: 13

b) Dies kann ebenso für Maßnah-

men zum Ausgleich im Rahmen der

Eingriffsregelung zutreffen.

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57

ARTENSCHUTZRECHTLICHER HINTERGRUND

Vermeidung von Mortalitätsrisiken insbesondere von Vogel- oder Fledermausarten in Gebäuden oder Gehölzen, auch z. B. von Amphibien-und Reptilienarten oder Arten wie der Haselmaus; Ziel ist, das Risiko für die Verwirklichung des Verbots von Tötung oder Verletzung wild lebender Tiere des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG möglichst unter die Signifi kations-schwelle zu senken

Sicherstellung der Erreichung einer Funktionsfähigkeit bestimmer Maß-nahmenfl ächen, bei denen ein zeitlicher Vorlauf zur eigentlichen Bautä-tigkeit erforderlich ist. Beispiel: Ein erforderlicher Vegetationsbestand benötigt auf neuem Substrat eine bestimmte Aufwuchszeit

Senkung von Verletzungs- und Mortalitätsrisiken insbesondere von Vogelarten an der baulichen Anlage; Ziel ist, das Tötungsrisiko unter die artenschutzrechtlich entscheidende Signifi kanzschwelle abzusenken (s. o.)

s. o.

Verhinderung artenschutzrelevanter Störwirkungen auf angrenzende Bereiche (außerhalb des Baugrundstücks) oder auf Teile des Baugrund-stücks bzw. Teile der baulichen Anlage selbst. Beispiel: Vermeidung der Beleuchtung eines Ausfl ugsbereiches einer Fledermauskolonie.Zugleich ggf. Senkung von Mortalitätsrisiken von Tieren, die mit Anlock-wirkung von Licht verbunden sein können

Vermeidung von Mortalitätsrisiken infolge möglicher Fallenwirkung insbesondere auf Säugetier- oder Amphibienarten; im bestmöglichen Fall wird das Risiko unter eine Signifi kanzschwelle abgesenkt, ab der nicht mehr mit einer Verwirklichung des Verbots von Tötung oder Verlet-zung wild lebender Tiere des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu rechnen ist. Beispiel: Einfallöffnungen mit Schutzgitter oder Wiederausstiegshilfen in Schächten

Sicherung oder Neuentwicklung von Fortpfl anzungs- und Ruhestätten ansonsten betroffener Arten bzw. im Rahmen einer funktionserhaltenden Maßnahme. Beispiel: Erhalt oder Herstellung von Zauneidechsen-Lebensräumen

Funktionserhalt insbesondere für betroffene Vogel- und Fledermausarten

Sicherstellung der Funktionserreichung artenschutzrechtlich erforderli-cher/vorgeschriebener Maßnahmen

NEBENBESTIMMUNGEN

Zeitliche Zulässigkeit baulicher Tätigkeiten oder Abrisstätigkeiten an Gebäuden sowie der Fällung von Gehölzen etc. (Einschränkung bzw. Festlegung von Zeitfenstern)

Baufreigabe erst nach Vorlage des Nachweises über die Fertigstellung und die Funktionsfähigkeit festgeleg-ter Maßnahmen

Zulässige Art und zulässiger Umfang des Einsatzes von Glaselementen an oder in einer baulichen Anlage

Zulässige Art und zulässiger Umfang des Einsatzes von Seilen, bestimmter Aufbauten oder Verstrebungen an einer baulichen Anlage

Zulässige Art und zulässiger Umfang von Außenbeleuchtung an einer bau-lichen Anlage bzw. auf einem Grund-stück

Technische Vorgaben für die Ausge-staltung bzw. Sicherung von Licht-schächten und Anlagen der Oberfl ä-chenentwässerung.

Flächen, die von der Bebauung freizu-halten sind und deren Nutzung bzw. erforderliche Pfl ege

Anbringung oder Einbau einer be-stimmten Anzahl spezifi sch festgeleg-ter Nisthilfen/Tierquartiere

Durchführung bestimmter Funktions-kontrollen oder eines Monitorings und Vorlage entsprechender Berichte; ggf. mit Vorbehalt einer Nachbesserung

Artenschutzrechtlich zu berücksichtigende Maßnah-men in der Vorhabensplanung, im Bauantrag bzw. Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung mit Bezug zum Artenschutz (Auszug und Beispiele, keine vollständige Aufl istung).

Page 58: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

58

ERGEBNISSE AM BEISPIELNachfolgend werden drei fi ktive Baugenehmi-

gungsverfahren mit unterschiedlichen Rah-

menbedingungen vorgestellt, die sich an realen

Praxisfällen orientieren. Auf verfahrensfreie

Vorhaben wird im gegenständlichen Kap. ab

S. 49 und in Kap. 11 eingegangen.

Große, stark spiegelnde Glas-fassaden (oben links) können Tötungsrisiken für Vögel mit sich bringen, ebenso Elemente wie gläserne Balkonumfassungen (unten links). Verlustraten von Vögeln nach Anfl ug an Glas sind hoch (unten rechts: an der Scheibe klebende Federn nach Kollision eines Stars). Soweit noch nicht auf bauleitplaneri-scher Ebene geregelt, können auch Nebenbestimmungen zur Vermeidung oder Minderung in der Baugenehmigung erfolgen.

Sinngemäß gilt dies auch für beeinträchtigende Beleuch-tung (oben rechts) und boden-ebene Schächte mit Fallen-wirkung etwa für Amphibien-Jungtiere (Mitte rechts).

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59

Fallbeispiel 1Eine Bauherrengemeinschaft plant ein Wohn-

gebäude mit vier Vollgeschossen in einem neu

erschlossenen Baugebiet, für das bereits im

Bebauungsplan der Artenschutz adäquat nach

aktuellen fachlichen und rechtlichen Maßstä-

ben abgearbeitet wurde. Flächenhafte Konfl ikte

mit der streng geschützten Zauneidechse sowie

weiteren Arten sind bereits auf dieser Ebene

gelöst worden (vgl. auch Fallbeispiel ab S. 37).

Der Bebauungsplan ist vor rund zwei Jah-

ren rechtsverbindlich geworden. Aktuelle

Veränderungen auf den betroffenen Flächen

(Einsaatrasenfl ächen), die den Verdacht auf

neue Betroffenheiten auslösen könnten, sind

nicht erkennbar. Ebenso wenig liegen sonstige

Hinweise vor, die im Rahmen des gestellten

Bauantrags eine weiter gehende Prüfung arten-

schutzrechtlicher Sachverhalte als geboten er-

scheinen lassen. Die Baurechtsbehörde beteiligt

die untere Naturschutzbehörde insoweit, als bei

neuen Gebäuden laut B-Plan für dieses Gebiet

ab einer bestimmten Gebäudehöhe Quartiere

für den Mauersegler und grundsätzlich be-

stimmte Fledermausquartiere vorzusehen sind.

Diese sollen entsprechende extern angebrach-

te Interimsquartiere nach bereits erfolgtem

Abriss vorheriger Gebäudesubstanz auf der

Fläche ablösen. Konkret wird im vorliegenden

Beispielfall die Anbringung von zehn Mauer-

seglernistkästen sowie von drei Fledermaus-

Sommerquartierkästen vorgeschrieben. Im

Auftrag des Bauherrn hat der Entwurfsverfasser

hierzu bereits Einbauquartiere in der Fassade

vorgesehen, die den fachlichen Vorgaben u. a.

an Quartiertyp, Exposition und Positionierung

entsprechen. Die entsprechenden Hinweise

konnten aus dem B-Plan, im Detail ggf. ergän-

zend durch allgemein verfügbare Informationen

oder eine Vorabstimmung mit der Naturschutz-

behörde (Phasen 1 bis 4a der Abb. auf S. 53),

entnommen werden. In der Baugenehmigung

muss dann nichts Weiteres festgelegt werden.

Mauersegler-Niststätte mit zwei Eiern auf einem Dachboden (links), Einfl ugöffnungen zu ge-zielt eingebauten neuen Quartie-ren (Mitte) und Mauersegler im Flug (rechts). Der typische Gebäudebrüter kann gut über Einbauquartiere gefördert werden.

Einbau von geeigneten Nistkäs-ten in das Wärmedämmsystem eines neuen Gebäudes.

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Grundstück liegen der insoweit beteiligten

Naturschutzbehörde nicht vor, aus anderen

Bereichen des Umfelds sind aber Vorkommen

der Zauneidechse mit Anbindung an Struktu-

ren des Außenbereiches (etwa über Straßenbe-

gleitfl ächen) belegt, zudem lassen die Vegetati-

onsbestände auch weitere besonders geschützte

Vogelarten und streng geschützte Arten des

Anhangs IV der FFH-Richtlinie erwarten.

Die untere Baurechtsbehörde formuliert auf

Hinweis der Naturschutzbehörde als Prüfauf-

trag (Gutachten) zunächst einen Relevanzcheck

(s. Kap. 6; Phasen 3 und 4b in Abb. auf S. 53)

unter Einbeziehung einer genaueren Fassaden-

und Innenraumkontrolle.

Darauf aufbauend ergibt sich im konkreten Fall

ein ebenfalls fachgutachterlich abzuarbeitendes

Prüfprogramm für Brutvögel, Fledermäuse,

Reptilien und bestimmte streng geschützte

Schmetterlingsarten, die im Bereich der krau-

tigen Spontanvegetation Fortpfl anzungs- und

Ruhestätten haben können. Die Untersuchun-

gen sind über den Zeitraum etwa einer Vege-

tationsperiode durchzuführen, aufgrund nicht

auszuschließender Balz- und Winterquartiere

von Fledermäusen im Zusammenhang mit den

Gebäudeeigenschaften müssen sie auch Zeiträu-

me im Spätherbst und Winter einschließen.

Das von den Fachgutachtern vorgelegte Gut-

achten wird seitens der Naturschutzbehörde

einer fachlichen Prüfung unterzogen und das

Ergebnis – einschließlich der in einem solchen

60

Fallbeispiel 2Auf einer innerstädtischen Fläche steht der

Abriss und Neubau eines Firmengebäudes an.

Verfahrensmäßig hat der Bauherr unter Einbe-

zug lediglich kenntnisgabepfl ichtiger Anteile

(s. Tab. auf S. 50) ein Baugenehmigungsverfah-

ren beantragt. Ein Bebauungsplan liegt zwar

vor, datiert jedoch auf einen Zeitpunkt, zu

dem artenschutzrechtliche

Fragen – jedenfalls verglichen

mit aktuellem Rechtsstand –

noch nicht einschlägig waren.

Auf dem Gelände haben sich

auf bestehenden Freifl ächen

einschließlich einer ehemali-

gen, geschotterten Lagerfl äche

teils krautige Spontanvege-

tation und teils Gebüsche

entwickelt. Die Fassade des Gebäudes ist teils

plattenverkleidet und weist u. a. altersbedingte

Schadstellen auf, die Vogel- und Fledermaus-

quartiere vermuten lassen. Teils ist dies bereits

an typischen Verfärbungen im Umfeld solcher

Schadstellen, die auf eine Nutzung durch

Tierarten hindeuten, sowie an Nistmaterial in

bestimmten Bereichen ohne weiteres erkennbar

(s. Abb. S. 61).

Es handelt sich demnach eindeutig um einen

Verdachtsfall auf artenschutzrechtliche Betrof-

fenheiten, woraufhin die untere Baurechts-

behörde die zuständige Naturschutzbehörde

beteiligt (Phasen 1 und 2 in Abb. auf S. 53).

Konkrete und aktuelle Artnachweise vom Blicke auf das im Fallbeispiel 2 angenommene Firmengelände und angesprochene Lebensraum-strukturen. Im Gebiet ist u. a. mit verschiedenen Vogelarten, Zauneidechse im Bereich der teilweise bewachsenen Schot-terfl ächen und geschützten gebäudebewohnenden Tierarten zu rechnen.

Page 61: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

61

Fall regelmäßig erforderlichen Nebenbestim-

mungen – der Baurechtsbehörde mitgeteilt. In

der Konsequenz wird im vorliegenden Fall für

die Realisierung der Planung neben Interims-

quartieren an anderen Gebäuden des Umfeldes

(hierfür kann die Stadt im vorliegenden Fall

öffentliche Gebäude bereitstellen) auch eine

externe Maßnahmenfl äche erforderlich. Denn

die Firma beabsichtigt ein größeres Gebäude zu

errichten, so dass ein Teil der bisherigen Freifl ä-

chen auf dem Grundstück entfällt. Jene stellen

aber, wie die Untersuchungen ergeben haben,

Fortpfl anzungs- und Ruhestätten von Zaunei-

dechse und Nachtkerzenschwärmer dar.

Bei der letztgenannten Art können Maßnahmen

aufgrund deren Mobilität und der größerräumig

möglichen Abgrenzung der lokalen Population

auch im weiteren Umfeld (einschließlich des

Außenbereichs) umgesetzt werden. Bei der

Zauneidechse ist dies deutlich eingeschränkter

und es kann zu prüfen sein, ob eine Realisie-

rung in der geplanten Form ggf. nur über eine

Ausnahme oder Befreiung möglich ist. Hierauf

wird hier nicht im Detail eingegangen, ein

Fallbeispiel in Kap. 10 greift aber genau einen

solchen Fall auf. Die Baugenehmigung kann an-

sonsten mit entsprechenden Nebenbestimmun-

gen erteilt werden (Phase 4c in Abb. auf S. 53).

Fallbeispiel 3

Ein Neubau in exponierter Ortsrandlage sieht

in der Planung des Architekten (Entwurfsver-

fasser) größere Glaselemente an einem hohen

Gebäude vor. Auf der betroffenen Fläche sind

ansonsten keine artenschutzrechtlich relevanten

Verdachtsmomente erkennbar. Die Frage der

Zulässigkeit der Verglasung in der vorliegend

beantragten Form veranlasst die Baurechts-

behörde vor dem Hintergrund der bekannten

Mortalitätsrisiken von Vogelarten an Glas zur

Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde

(Phasen 1 und 2 in Abb. auf S. 53). Diese trifft

zunächst eine Voreinschätzung der möglichen

Konfl iktschwere. Nach ihrer Beurteilung ist in

der konkreten Situation von signifi kant erhöh-

ten Mortalitätsraten und damit der Berührung

des Verbots des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG

für Vogelarten auszugehen. Eine Genehmigung

kann demnach nur in Aussicht gestellt werden,

wenn die Gebäudeplanung insgesamt verändert

wird oder mit nach aktuellem Stand geeigne-

ten Maßnahmen das Vogelschlagrisiko an den

Glaselementen unter die Signifi kanzschwelle

gesenkt wird. Hierzu verlangt die Naturschutz-

behörde die Vorlage eines entsprechenden Gut-

achtens. Dies wird von der Baurechtsbehörde

so in ihre Nachforderung an den Antragsteller

übernommen (Phasen 3 und 4b in Abb. auf

S. 53). Ggf. muss der Bauantrag, sofern dem

nicht nachgekommen und als erforderlich

erachtete Maßnahmen nicht berücksichtigt

werden, abgelehnt werden (Phasen 4c oder 4d

in Abb. auf S. 53).

Nistmaterial hinter teilweise loser Fassadenverkleidung im Bestand.

Page 62: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

62

Arten und Artenbeständen nicht eintreten zu

lassen, können auch sogenannte „funktionser-

haltende Maßnahmen“ in Frage kommen (im

Zusammenhang mit dem Leitfaden der EU-

Kommission zum strengen Artenschutz 2007

häufi g als CEF-Maßnahmen bezeichnet, von

„Continued Ecological Functionality“).

Hierbei handelt es sich nicht um das ggf. brei-

tere Spektrum kompensatorischer Ansätze, auf

die teilweise bei anderen betroffenen Schutz-

gütern zurückgegriffen werden kann. Vielmehr

müssen solche Maßnahmen geeignet sein, die

ökologische Funktion von Fortpfl anzungs- oder

Ruhestätten mittels zeitlichem Vorlauf ihrer

Realisierung trotz Eingriff durch ein Vorhaben

sicherzustellen.

Der Leitfaden der EU-Kommission (2007) for-

dert für solche Maßnahmen, die dazu verhelfen,

den Eintritt in die Ausnahmeprüfung nach § 45

BNatSchG zu vermeiden, dass sie

• zu gewährleisten haben, dass die betreffen-

den Fortpfl anzungs- oder Ruhestätten zu

keinem Zeitpunkt eine Reduktion oder gar

einen Verlust ihrer ökologischen Funktions-

fähigkeit erleiden (qualitativ und quantita-

tiv),

• einen hohen Grad an Sicherheit für den

Erfolg unter Berücksichtigung der spezifi -

schen Gegebenheiten und der jeweiligen

Artansprüche aufweisen und

• einer Kontrolle und einem Monitoring

durch die zuständigen Behörden unterzogen

werden müssen.

Im Bundesnaturschutzgesetz wurde dem im

Wesentlichen mit § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3

(sowie den Sätzen 3 und 4) entsprochen,

wonach – soweit erforderlich unter Festsetzung

vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen – „die

ökologische Funktion der von dem Eingriff

oder Vorhaben betroffenen Fortpfl anzungs- und

Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang

Konfl iktlösungen im Bereich des Artenschutzes

können, wie bereits im Fallbeispiel in Kap. 8

ab S. 37 dargestellt, unterschiedliche Maßnah-

menansätze beinhalten. Dies gilt sowohl für die

Bauleitplanung als auch für das einzelne Bau-

vorhaben, wobei die Möglichkeiten hier teils

unterschiedlich sind und gerade im Rahmen

der Bauleitplanung in der Regel größere Steue-

rungsmöglichkeiten zur Vermeidung insbeson-

dere gravierender Konfl ikte bestehen.

Vorrangig sollten Vermeidungs- und Minde-

rungsmaßnahmen genutzt werden, um Konfl ik-

te gar nicht erst eintreten zu lassen oder sie auf

eine nicht erhebliche Beeinträchtigung abzu-

senken. Dies umfasst etwa räumliche Anpas-

sungen zur Schonung von Fortpfl anzungs- und

Ruhestätten, die zeitliche Berücksichtigung

sensibler Phasen (z. B. zur Tötungsvermeidung

von Vogelindividuen während der Brutzeit)

oder baulich-konstruktive Eigenschaften von

Gebäuden (z. B. Vermeidung von Vogelschlag).

Um das artenschutzrechtliche Verbot der Zer-

störung oder Beschädigung von Fortpfl anzungs-

und Ruhestätten trotz einer Betroffenheit von

Vermeidung, Funktionserhalt und Ausnahme

10

Übersicht zur Prüfreihenfolge von Vermeidung, Minderung, Funktionserhalt und evtl. fallwei-ser Abweichungsentscheidung (Ausnahme/Befreiung).

a) Ausführlicher hierzu s. Runge et

al. (2010).

◀◀ ◀

im öffentlichen

Interesse:

nicht im öffentlichen

Interesse und

„atypischer Fall“

ansonsten:

Vermeidung / Minderung ?

Ausnahme möglich ? Befreiung möglich ?

keine

Genehmigung/

Zulassung

Funktionserhalt ?

(teilweise) nicht möglich

(teilweise) nicht möglich

Page 63: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

63

weiterhin erfüllt“ sein muss. Dies stellt teils

hohe Anforderungen an die räumliche Kons-

tellation von Flächen, die Flächenverfügbarkeit,

die zu treffenden Maßnahmen selbst und deren

zeitliche Abwicklung. Exemplarisch wurde

hierauf bereits in Kap. 8 am dort behandelten

Fallbeispiel eingegangena) .

Weder für alle Arten noch für alle Situationen

ist (unter den o. g. Aspekten) ein Funktions-

erhalt erreichbar. Wenn auch die vorrangig zu

prüfenden Vermeidungsmaßnahmen ausschei-

den (dies gilt nicht nur für die Betroffenheit

von Fortpfl anzungs- und Ruhestätten, sondern

z. B. auch für signifi kant erhöhte Tötungsrisiken

von Individuen), bleibt allenfalls der Weg über

eine artenschutzrechtliche Ausnahme, sofern

die Vorraussetzungen dafür im betreffenden

Fall vorliegen.

Beispiel

Im zweiten Fallbeispiel des Kap. 9 ab S. 59

gelingt es nicht, im geforderten räumlichen

Zusammenhang eine ausreichende Fläche für

den Funktionserhalt für die betroffene Art

Zauneidechse bereit zu stellen. Zwar würde

eine zeitliche Abwicklung des Bauvorhabens

so gelingen, dass z. B. eine Vergrämung der im

Eingriffsbereich siedelnden Tiere auf angren-

zende Flächen möglich wäre. Es gelingt jedoch

nicht, auf die hierfür standörtlich geeigneten

Flächen einen Zugriff zu erhalten. Der dortige

Flächeneigentümer erklärt sich weder zum

Verkauf der Flächen noch zu einer anderweiti-

gen Lösung mit Duldung der entsprechenden

Maßnahmen bereit. Flächen im deutlich weite-

ren Umgriff könnten erworben werden, doch

ist dort der räumliche Zusammenhang mit dem

Vorhabenbereich und der hier siedelnden (Teil-)

Population der Art nicht mehr gegeben. Rele-

vante Vermeidungsmöglichkeiten bestehen bei

Realisierung des Bauvorhabens nicht, denn die

Fläche wird aus betrieblichen Gründen benötigt

und der Flächenanspruch kann nicht in einem

solchen Ausmaß verringert werden, dass der

Funktionserhalt auf dem Baugrundstück selbst

möglich wäre.

Einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen,

atypischen Fall stellt dies nicht dar. Insoweit

kommt eine etwaige Befreiung nach § 67

BNatSchG nicht in Frage (s. Kap. 9, S 56).

Ob eine artenschutzrechtliche Ausnahme

(§ 45 Abs. 7 BNatSchG) für eine Realisierung

des Vorhabens zu erlangen wäre, hängt von

verschiedenen zu beantwortenden Fragen ab

(s. auch Abb. auf S. 19 in Kap. 4).

Im Zusammenhang mit Eingriffen bzw.

Vorhaben sind es Gründe nach § 45 Abs. 7

Nr. 4 und in erster Linie nach Abs. 7 Nr. 5

BNatSchG, die zum Tragen kommen könnten.

D. h. der Eingriff oder das Vorhaben muss

im Interesse der Gesundheit des Menschen,

der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der

Verteidigung und des Schutzes der Zivilbe-

völkerung stehen, oder maßgeblich günstige

Auswirkungen auf die Umwelt haben (Nr. 4)

oder aber sich aus anderen zwingenden Grün-

den des überwiegenden öffentlichen Interesses

einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftli-

cher Art rechtfertigen lassen (Nr. 5).

Bei letzterem Ausnahmegrund sind in einer

einzelfallbezogenen Abwägungsentscheidung

das Gewicht der zu erwartenden Beeinträchti-

gungen für die artenschutzrechtlichen Schutz-

güter dem Gewicht der für das Vorhaben

sprechenden öffentlichen Interessen gegen-

überzustellen. Rein private Interessen können

hierbei nicht berücksichtigt werden. Für die

bauliche Erweiterung der Firma im o. g. Fallbei-

spiel mag das in bestimmten Konstellationen

zutreffen (z. B. zur Sicherung oder Schaffung

von Arbeitsplätzen), muss es aber nicht.

Page 64: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

Als Inhalt eines solchen Ausnahmeantrags ist in

der Regel gefordert: a)

• Vorhabenbeschreibung inklusive Kartendar-

stellung;

• Darstellung der Erfassungsergebnisse (des

Gutachtens) zur betroffenen Art b) ;

• Dokumentation der Erfassungsmethoden

(detailliert);

• Aussagen zu tatsächlich nachgewiesenen In-

dividuenzahlen und der daraus abgeleiteten

Größe der lokalen Population, ebenso des

vom Vorhaben betroffenen Teils;

• Darstellung der vorgesehenen Vermeidungs-,

Minimierungs- und CEF-Maßnahmen (in-

klusive Monitoring) c) ;

• Begründung, warum das Vorhaben nicht

mittels Umsetzung von (weiteren) CEF-

Maßnahmen realisiert werden kann;

• Darlegung der Ausnahmevoraussetzungen

(s. dazu im Text oben): zur Vermeidung der

Verschlechterung des Erhaltungszustands

können ggf. so genannte FCS-Maßnahmen d)

herangezogen werden;

• Darstellung des Risikomanagements ein-

schließlich Monitoring (s.a. Kap. 12) e) ;

• Darlegung der dauerhaften Sicherung und

Unterhaltung der Maßnahmen f ).

64

Darüber hinaus darf eine Ausnahme nur zuge-

lassen werden, wenn zumutbare Alternativen

nicht gegeben sind und sich der Erhaltungs-

zustand der Populationen der betroffenen Art

bzw. Arten nicht verschlechtert. Bezugsraum

der Bewertung ist hier letzt-

lich zwar die übergeordnete

biogeographische Region des

jeweiligen Mitgliedstaats der

EU, in der das Vorhaben liegt.

Je nach Verbreitung und Ge-

fährdungsgrad der betroffenen

Arten spielen bei der entspre-

chenden Bewertung aber auch

die konkrete lokale Popula-

tion, die Bestände im Naturraum oder auf der

Ebene des Bundeslandes eine Rolle.

Die Entscheidung steht im pfl ichtgemäßen

Ermessen der Behörde.

Da die Voraussetzungen für Ausnahmen

dezidiert geregelt sind, ist bei deren Vorliegen

regelmäßig die Ausnahme zu gewähren (sog.

„intendiertes Ermessen“); dies gilt insbesondere

für den Ausnahmegrund in § 45 Abs. 7 Nr. 5

BNatSchG, weil die dort vorgesehene Abwä-

gung die maßgeblichen Ermessenserwägungen

umfasst.

Hierzu bedarf es, neben den Darlegungen des

Antragstellers zum Ausnahmegrund und zum

Fehlen von Alternativen in der Regel fach-

gutachterlicher Aussagen im Rahmen eines

Antrags auf artenschutzrechtliche Ausnahme an

die zuständige Behörde (hier: Regierungspräsi-

dien, nach Vorabstimmung mit der zuständigen

unteren Naturschutzbehörde).

Funktionsunfähiger Nistkasten für Höhlenbrüter mit fehlender Frontplatte. Ohne Kontrolle und Instandhaltung bleibt auch bei Nistkästen eine Funktion nicht gewährleistet.

d) Ähnlich funktionserhaltender Maßnahmen, aber mit

gelockerter räumlicher und zeitlicher Bindung. Abkürzung

von „Favourable Conservation Status“.

e) Methodischer und zeitlicher Umfang des Monitorings

sowie in Frage kommende und vorgesehene Vorsorge- und

Korrekturmaßnahmen (inkl. Benennung ggf. erforderlicher

Flächen), falls die geplanten Maßnahmen nicht oder unzu-

reichend funktionieren sollten.

f) Die rechtliche Sicherung der Maßnahmen kann durch

Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit

nach § 1090 BGB (bei Duldungs- oder Unterlassungspfl ich-

ten) oder einer Reallast nach § 1105 BGB (bei Vornahme

eines aktiven Tuns) in das Grundbuch erfolgen. Bei Maß-

nahmen, die im Zusammenhang mit der Bauleitplanung

erforderlich sind, können diese durch Bebauungsplan oder

Abschluss eines städtebaulichen Vertrags rechtlich gesichert

werden (entsprechend § 1a Abs. 3 Satz 2 bis 4 und § 11

BauGB).

a) Hier orientiert am entsprechenden Merkblatt des Regie-

rungspräsidiums Stuttgart (Stand 2016).

b) I. d. R. mit Dokumentation der Einzelnachweise inklusive

einer Kartendarstellung.

c) Inklusive zeitlichem Ablauf, Benennung der konkreten

Flurstücke und Nachweis deren Eignung (z. B. vorhandene

Habitatqualität und die erforderliche Habitataufwertung,

ggf. inklusive erforderlicher dauerhafter Pfl ege, Erreich-

barkeit für die Arten) für die Maßnahmenumsetzung. Die

Flächen müssen eine ausreichende Kapazität für die „neu“

aufzunehmenden Funktionen haben.

Page 65: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

65

Die Wirksamkeit erforderlicher Maßnahmen ist dauerhaft zu sichern (soweit es sich nicht ausdrücklich um nur befristete handelt) und tritt teils erst nach einem gewissen Vorlauf ein.

Links: Maßnahme für die Zauneidechse unmittelbar nach Herstellung. Bis zur Funktions-erreichung vergehen noch ca. eineinhalb Jahre.

Mit Vorlauf hergestellter Zauneidechsen-Lebensraum in günstiger Struktur und gutem Bestand der Art.

Wegen Pfl egedefi zit ist die Funktion nur noch teilweise gegeben. Es ist dringend eine Nachbesserung geboten (Gehöl-ze entfernen).

Page 66: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

66

vor (u. a. zu Fledermäusen). Hieraus ergibt sich

zunächst ein Prüferfordernis, zudem können

in Folge z. B. funktionserhaltende Maßnahmen

erforderlich werden, für die Flächen im Außen-

bereich entsprechend der Lebensraumansprüche

betroffener Arten neu entwickelt oder optimiert

werden müssen. Jene sind auch rechtlich in

diesen Funktionen zu sichern.

BESONDERE FÄLLE DES ARTEN-SCHUTZES IM INNEN- UND AUSSENBEREICHVorab zur Bestimmung des unbeplanten Innen-

und Außenbereichs:

• Der unbeplante Innenbereich ist in § 34

Abs. 1 Satz 1 BauGB defi niert und erstreckt

sich auf diejenigen Flächen, die innerhalb

der im Zusammenhang bebauten Orts-

teile liegen. Dort kann unter bestimmten

Rahmenbedingungen ein vereinfachtes oder

beschleunigtes Verfahren zur Aufstellung,

Änderung oder Ergänzung eines Bauleit-

plans in Frage kommen.

• Der bauplanungsrechtliche Außenbereich

nach § 35 BauGB umfasst alle unbeplanten

Flächen, die nicht innerhalb des (unbe-

planten und beplanten) Innenbereichs der

jeweiligen Stadt oder Gemeinde gelegen

sind. Hier ist eine Bebauung i. d. R. nicht

zulässig. Ausnahmen sind etwa „privilegier-

te“ Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGBa).

Der Artenschutz ist bei Vorhaben im Innen-

wie im Außenbereich unabhängig von den

verfahrensrechtlichen Anforderungen nach der

Landesbauordnung zu beachten. Allerdings

ergibt sich hier eine Besonderheit für bestimmte

Maßnahmen, bei denen es sich

• nicht um Eingriffe im Sinne der Eingriffsre-

gelung,

• zugleich aber auch nicht um solche Maßnah-

men handelt, auf welche die Erleichterungen

des § 44 Abs. 5 BNatSchG bzgl. Vorhaben in

Bebauungsplangebieten ausgerichtet sind.

ARTENSCHUTZ IM VEREINFACH-TEN UND BESCHLEUNIGTEN BAULEITPLANVERFAHREN Im vereinfachten Bauleitplanverfahren nach

§ 13 BauGB sowie im beschleunigten Bebau-

ungsplanverfahren nach § 13a BauGB (Bebau-

ungsplan der Innenentwicklung) und nach

§ 13b BauGB (Bebauungsplan für Wohnnut-

zungen im Anschluss an den Siedlungsbereich)

entfällt zwar die Pfl icht zur Anwendung der

Eingriffsregelung und zur Durchführung der

förmlichen Umweltprüfung (sowie weiterer

verfahrensbezogener Umweltvorschriften). Die

Vorschriften des Artenschutzrechts und die

allgemeinen Anforderungen an die bauleitpla-

nerische Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) gelten

allerdings auch für diese besonderen Verfah-

rensstypen.

Auch bei einem Verfahren nach § 13, 13a oder

13b BauGB ist daher entsprechend der Ausfüh-

rungen in Kap. 8 der Artenschutz zu behan-

deln, soweit es die artenschutzrechtlich nach

§ 44 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG in den Blick zu

nehmenden Arten (derzeit europäische Vogel-

arten sowie Arten des Anhangs IV der FFH-

Richtlinie, s. Abb. auf S. 16) betrifft.

Fallbeispiel

(Innerörtliche Nachverdichtung)

Im Rahmen der innerörtlichen Nachverdich-

tung sollen bisherige Grünfl ächen und einzelne

unbebaute, aber innerhalb bereits bebauter

Ortsteile gelegene Parzellen einer Wohnbe-

bauung zugeführt werden. Hierzu soll ein

Bebauungsplan der Innenentwicklung nach

§ 13a BauGB aufgestellt werden (weniger als

20.000 m² Grundfl äche). Umweltprüfung (und

Eingriffsregelung) kommen im vorliegenden Fall

nicht zum Tragen. Die Flächen mit mehreren

älteren Obstbäumen stellen jedoch bekannter-

maßen Lebensraum geschützter Vogelarten dar

und es liegen ausreichende Hinweise auf weite-

re artenschutzrechtlich relevante Sachverhalte

Hinweise zu besonderenFallgestaltungen

11

a) Z. B. einem land- oder forstwirt-

schaftlichen Betrieb dienende Vorha-

ben, die nur einen untergeordneten

Teil der Betriebsfl äche einnehmen

(§ 35 Abs. 1 Nrn. 1 BauGB).

Page 67: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

67

Beispiel ist das Verputzen einer bisher unver-

fugten Mauer im Außenbereich. Denn hier

liegt kein Eingriff vor (fehlender Grundfl ächen-

bezug). Auch (baurechtlich) unbedeutende

Dachausbauten und Sanierungsmaßnahmen

im Innenbereich können als Beispiele genannt

werden, da diese nicht als Vorhaben im Sinne

des § 29 Abs. 1 BauGB zu beurteilen sind.

In solchen Fällen sind alle übrigen national

geschützten Arten (etwa Wildbienen, bestimm-

te Falterarten, Siebenschläfer) den europarecht-

lich geschützten Arten artenschutzrechtlich

zunächst gleichgestellt: Für sie gelten dann die

Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG vollum-

fänglich.b) Zudem ist das Instrumentarium

bestimmter Individuenschutz- und funktionser-

haltender Maßnahmen zur Verbotsvermeidung

(§ 44 Abs. 5 Sätze 2 bis 4) nicht anwendbar.

In solchen Fällen sollte bei möglicher Betroffen-

heit geschützter Arten die untere Naturschutz-

behörde kontaktiert und das weitere Vorgehen

abgestimmt werden.

Fallbeispiel (Fassadensanierung)

Ein im Außenbereich ansässiger landwirt-

schaftlicher Betrieb beabsichtigt neben der

Errichtung eines neuen Betriebsgebäudes (hier

nicht weiter behandelt) zusätzlich die Sanierung

eines bestehenden Gebäudes ohne sonstige

Veränderungen von Gestalt und Nutzung von

Grundfl ächen. In der alten, bislang unverputz-

ten und nach Süden exponierten Außenfassade

dieses Gebäudes nisten mehrere besonders

geschützte Wildbienenarten in zahlreichen

Individuen (teils in Ritzen des Mauerwerks,

teils in Spalten verbauten Holzes). Die arten-

schutzrechtlichen Zugriffsverbote der Tötung

oder Verletzung (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG)

sowie der Zerstörung oder Beschädigung von

Fortpfl anzungs- oder Ruhestätten (§ 44 Abs. 1

Nr. 3 BNatSchG) erstrecken sich in diesem spe-

ziellen Fall in ihrem Schutz vollumfänglich auch

auf die Wildbienenarten. Die Sanierung bedarf

voraussichtlich einer artenschutzrechtlichen

Befreiung durch die zuständige Naturschutzbe-

hörde, in deren Rahmen bestimmte Nebenbe-

stimmungen etwa zum Zeitraum der Sanierung

(möglichst geringe Beeinträchtigungen immobi-

ler Fortpfl anzungsstadien) und zur Einrichtung

geeigneter Ersatznistplätze zu erwarten und

angemessen sind.

ARTENSCHUTZ BEI „ALTEN“ BEBAUUNGSPLÄNENBebauungspläne, bei deren Aufstellung (oder

Änderung) die Belange des besonderen Ar-

tenschutzes noch nicht bzw. nicht ausreichend

abgearbeitet wurden, können im Vollzug Prob-

leme bereiten. Für die im Bebauungsplan vor-

gesehenen, aber bislang noch nicht umgesetzten

Nutzungen können sich Genehmigungshürden

ergeben. Die Bebauungspläne sind i. d. R. wei-

terhin rechtsverbindlich, sie können jedoch

• für weitere zu realisierende Vorhaben nicht

vollzugsfähig sein, wenn aller Voraussicht

nach artenschutzrechtliche Verbote entge-

genstehen;

• oder jedenfalls in größerem Umfang zu-

sätzliche Maßnahmen erforderlich machen,

für die zu prüfen ist, ob diese im Rahmen

des jeweiligen Baugenehmigungsverfahrens

als Nebenbestimmungen festgesetzt und

tatsächlich realisiert werden können.

Darüber hinaus können sich – auch in B-Plan-

gebieten mit ausreichender Abarbeitung des

Artenschutzes im Aufstellungsverfahren –

mit zunehmender Zeitspanne zwischen dem

Satzungsbeschluss und der Realisierung von

Vorhaben wesentliche Veränderungen im

B-Plangebiet ergeben, die auch Bestände

geschützter Arten betreffen. Dies kann auf Nut-

zungsänderungen oder Sukzessionsprozesse auf

Flächen im Plangebiet selbst, aber auch auf die

natürliche Ausbreitung und Neuansiedlung von

Arten oder auf entsprechend begünstigende

b) Das Störungsverbot ist allerdings

durch seine Beschränkung auf streng

geschützte Arten und europäische

Vogelarten (§ 44 Abs. 1 Nr. 2) dann

auch nur für national streng geschütz-

te Arten einschlägig.

Page 68: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

dieser Anteil an Maßnahmen keiner spezifi schen

Prüfung durch die Baurechtsbehörde unterfällt

(vgl. Tab. auf S. 50). Aber selbst wenn eine Ge-

nehmigung erforderlich ist, ist es teils schwie-

rig, ohne nähere Untersuchung entsprechende

Konfl ikte mit dem Artenschutz zu erkennen,

spezifi sch zu bewerten und über die ggf. geeig-

neten Maßnahmen aufzufangen. Für den Fall

einer erforderlichen Baugenehmigung wird auf

Kap. 9, insbesondere ab S. 59 verwiesen.

Um seitens des Bauherren eine gute Einschät-

zung darüber zu erlangen, dass ein Vorhaben

nicht gegen das Artenschutzrecht verstößt bzw.

was hierzu an vorbereitenden oder begleiten-

den Maßnahmen ergriffen werden sollte, kann

zunächst auf die Materialien unter artenschutz-

am-haus.de verwiesen werden. Darüber hinaus

ist zu empfehlen, einen Ortstermin mit Personen

durchzuführen, die eine qualifi zierte Einschät-

zung zu Lebensraumstrukturen insbesondere an

Gebäuden und zur möglichen Betroffenheit des

Artenschutzes abgeben können (s. a. Kap. 6).

Ob und inwieweit sich dann weitere vertiefende

Untersuchungen anschließen müssen, ergibt sich

im Einzelfall. Weitere Hinweise fi nden sich in

der o. g. bereits genannten Tab. in Kap. 9 auf

S. 50.

Zu typischerweise bei Abriss, Sanierungen und

Renovierungen betroffenen Arten gehören

Gebäudebrüter unter den Vögeln wie Mauerseg-

ler, Schwalben, Haussperling, Hausrotschwanz

und Turmfalke sowie gebäudebewohnende

Fledermausarten. Für letztere können zwar

insbesondere große, bislang nicht ausgebaute

und zugleich für die Tiere zugängliche Dach-

stühle besonders bedeutende Vorkommen

beherbergen. Potenzial für Quartiere mehrerer

Tiere oder gar Wochenstuben weisen aber auch

Fassadenverkleidungen und andere Bauteile mit

68

Nutzungsänderungen im Umfeld zurückzufüh-

ren sein.

So kann der Fall vorliegen, dass während der

Aufstellung und im Zeitpunkt des Satzungs-

beschlusses für einen B-Plan dessen größter

Flächenanteil aus intensivem Grünland und

Ackerparzellen ohne konfl iktträchtige Arten-

vorkommen bestand. In Erwar-

tung der Nutzungsänderung

fi elen Flächen brach und es

haben sich über mehrere Jahre

Staudenfl uren und Einzelge-

büsche entwickelt, in denen

sich Reviere gefährdeter und

artenschutzrechtlich relevanter

Vogelarten sowie bestimmter

Schmetterlingsarten etabliert

haben.

Vor der Realisierung konkreter Bauvorhaben

in B-Plangebieten, und der Durchführung

etwa von Erschließungsmaßnahmen seitens der

Gemeinde, kann daher zunächst eine Plausi-

bilitätsprüfung angezeigt sein (ähnlich dem in

Kap. 6 beschriebenen Relevanzcheck), ob sich

artenschutzrechtlich relevante Veränderungen

ergeben habena). Liegen hierfür Anhaltspunkte

vor, ist als erforderlicher Prüfauftrag im Rah-

men des einzelnen Bauvorhabens (s. Kap. 9,

S. 52 ff.) ggf. eine erneute, auf diese Änderun-

gen und ihre Bewertung fokussierte Bestands-

prüfung von Arten erforderlich. Bei schwieri-

geren Sachverhalten kann es erforderlich sein,

hierzu übergreifend die gesamte verbliebene,

noch nicht umgesetzte B-Planfl äche und ggf.

deren Umfeld in den Blick zu nehmen und

hierfür das Vorgehen vorab mit der zuständigen

Naturschutzbehörde abzustimmen.

ARTENSCHUTZ BEI ABRISS, SANIERUNG UND RENOVIERUNGDie energetische Sanierung oder anderweitig

veranlasste Sanierungs- und Renovierungs-

maßnahmen sowie der Abriss von Gebäuden

und sonstigen baulichen Anlagen bieten einen

umfangreichen „Berührungsbereich“ mit fach-

lichen und rechtlichen Aspekten des Arten-

schutzes. Vielfach sind solche Maßnahmen nach

der LBO verfahrensfrei oder ggf. lediglich im

Kenntnisgabeverfahren durchzuführen, so dass

Durch mehrjähriges Brachliegen zwischen Satzungsbeschluss und Beginn einer Bebauung können sich artenschutzrechtlich rele-vante Bestandsveränderungen ergeben.

Rechts: Auch die verfahrensfreie Dämmung eines Daches oder anderweitige energetische Sa-nierungsmaßnahmen können artenschutzrechtliche Konfl ikte auslösen.

a) In der Planungspraxis hat sich als

Orientierungswert der Zeitraum von

fünf Jahren etabliert, für den Daten

zu Artvorkommen i. d. R. als noch

aktuell angesehen werden, wenn sich

nicht etwa deutliche Veränderungen

(Lebensraumausstattung des Gebiets

selbst, wesentliche Veränderungen im

Umfeld) ergeben haben. Es können

aber auch deutlich längere Zeiträume

aufgrund einer Plausibilitätsprüfung

akzeptabel sein, ohne dass eine

(jedenfalls vollständige) Neuerfassung

erfolgen müsste. Dies ist im Einzelfall

nachvollziehbar fachlich zu begründen.

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69

Spalten auf. Entsprechend muss es sich nicht

um historische Gemäuer, Kirchen o. ä. handeln,

auf die Artenschutzkonfl ikte an Gebäuden im

Zusammenhang mit o. g. Maßnahmentypen

fokussiert sind.

Es kann davon ausgegangen werden, dass

bereits in sehr großem Umfang Lebensstätten

gebäudebewohnender Tierarten wie der oben

genannten durch Sanierungs-, Renovierungs-

und Abrissmaßnahmen zerstört wurden. Dies

zeigen auch die immer wieder auftretenden

Fälle von „Notmaßnahmen“ während laufender

Arbeiten und mit zumindest zeitweise seitens

der Behörden angeordnetem Baustopp. Dem

kann auch bei verfahrensfreien Vorhaben und

Maßnahmen durch eine ausreichende Vorein-

schätzung von Konfl ikten und ggf. weitergehen-

den Ermittlungen begegnet werden.

Fallbeispiel (Sanierung)Ein hohes Gebäude mit Vorkommen des

Mauerseglers soll energetisch saniert wer-

den. Die Arbeiten können aus verschiedenen

Gründen jedoch nur während der Brutzeit des

Mauerseglers erfolgen. Um den Mauerseglern

auch für die betreffende Brutperiode Nistmög-

lichkeiten zur Verfügung zu stellen, wird das

Gerüst vor Beginn der Brutzeit gestellt, in den

Bereichen mit Brutplätzen mit blickdichter

Folie be-

spannt (zur Vermeidung von Störungen) und

dann werden an das Gerüst an möglichst exakt

übereinstimmender Positionierung zu den bis-

herigen Brutplätzen Mauerseglerkästen als

Interimsmaßnahmen angebracht. Als dauerhafte

Maßnahme werden an denjenigen Stellen, an

denen Brutplätze in der Fassade waren, Mauer-

seglernisthilfen mit übereinstimmender Einfl ug-

situation in das Wärmedämmverbundsystem

integriert. Zur Erhöhung der Prognosesicherheit

der Maßnahmen wird eine deutlich höhere

Zahl an Nisthilfen eingebaut als Brutplätze

vorhanden waren (Orientierungswert 5:1). Zur

Vermeidung von Kältebrücken werden die

Kästen separat mit hochdämmenden Platten

hinterfüttert. Das Gerüst bleibt bis zum Ende

der Brutperiode stehen, die Nistkästen als In-

terimsmaßnahme werden dann zusammen mit

dem Gerüst wieder abgebaut.

Fallbeispiel (Sanierung)Bei der artenschutzfachlichen Untersuchung

zu einer geplanten Gebäudesanierung wurde

ein kurzzeitig besetztes Einzelquartier der

Zwergfl edermaus festgestellt. Zur funktionalen

Kompensation des Verlustes dieses Quartieres

werden als Interimsmaßnahme ein bis drei

Fledermauskästen an je einen Baum im Garten

gehängt. Im Zuge der Sanierung werden an

geeigneten Stellen (warm, freier Anfl ug, nahe

der Gebäudekanten) drei handelsübliche Fleder-

mausfassadenquartiere in das Wärmedämmver-

bundsystem integriert.

Fallbeispiel (Abriss)Eine Hälfte eines älteren Doppelhauses soll ab-

gerissen und neu errichtet werden. Bei Prüfung

der artenschutzfachlichen Aspekte wird die

Mehlschwalbe, die in mehreren Brutpaaren in

den extra angebrachten Nisthilfen vorkommt,

als potenziell betroffene Art identifi ziert. Maß-

nahmen zur Vermeidung von Verbotstatbestän-

den nach § 44 Abs. 1 BNatSchG sind demnach

erforderlich. Da der Gebäu-

deabriss vor der eigentlichen

Brutzeit der Art terminiert

werden kann, werden die

Nisthilfen an den verbleiben-

den Teil des Doppelhauses in

gleichfalls geeignete Position

umgehängt. Ein Funktions-

erhalt ist auf diese Weise zu

prognostizieren und die Tö-

tung nicht fl uchtfähiger Individuen (Eier, nicht

fl ügge Jungvögel) wird vermieden.

Für solche und vergleichbare Maßnahmen ist

i. d. R. eine vorherige Abstimmung mit der

Naturschutzbehörde erforderlich.

Genutzte Nisthilfen der Mehlschwalbe können nach Abstimmung mit der zuständigen Naturschutzbehörde bei Sanie-rungsmaßnahmen außerhalb der Brutzeit vorübergehend entfernt oder dauerhaft an geeignete Stellen umgehängt werden.

Page 70: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

70

verbunden sein. Sie ist aber auch dann erfor-

derlich, wenn Einzelmaßnahmen besonderer

Lenkung bedürfen, um in bestimmten Zeiträu-

men oder überhaupt ihre Funktion mit hoher

Prognosesicherheit erfüllen zu können. Eine gute

ökologische Baubegleitung kann für die Vorha-

bendurchführung in der beabsichtigten Art und

Weise sowie im beabsichtigten Zeitplan auch für

den Bauherren von zentraler Bedeutung sein.

Zu ihren Aufgaben gehört auch die Durchfüh-

rungskontrolle (Wurden bestimmte Maßnahmen

korrekt umgesetzt?).

Funktionskontrollen dienen der Prüfung der

Wirksamkeit durchgeführter und in der Planung

bzw. in Nebenbestimmungen festgelegter Maß-

nahmen. Hierbei wird geprüft, ob die vorgese-

henen Funktionen qualitativ und quantitativ

erreicht worden sind, ggf. erst teilweise, und wei-

terhin vollständig erreicht werden können. Dabei

kann es sich um rein technische Funktionskon-

trollen bereits während der Vorhabendurchfüh-

rung handeln (etwa die Kontrolle auf Dichtheit

eines eingesetzten Reptilienschutzzauns), oder

um solche nach (Teil-)Abnahme durch den Bau-

herren, wobei die tatsächliche Nutzung durch

die im Fokus stehende Art bzw. die entsprechen-

den Arten zu untersuchen ist (etwa die Belegung

einer künstlichen Nisthilfe durch den Mauer-

segler). Funktionskontrollen dienen auch dazu,

die Wirksamkeit von Maßnahmen gegenüber

der Behörde nachzuweisen oder einen Bedarf an

Nachsteuerungsmaßnahmen aufzuzeigen.

Unter einem Monitoring wird gegenüber einer

einfachen Funktionskontrolle eine mehr oder

minder kontinuierliche, sich jedenfalls zeitlich

weiter erstreckende und regelmäßige Beobach-

tung verstanden. Dies ist insbesondere dann

erforderlich, wenn besondere Unsicherheiten

bezüglich der längerfristigen Zielerfüllung

einer Maßnahme bestehen, diese bis zur vollen

Wirksamkeit ohnehin länger braucht oder in der

Pfl ege über einen längeren Zeitraum auf Basis

Eine ökologische Baubegleitung hat – abhängig

von den spezifi schen Eigenschaften eines Vor-

habens (Größe, Lage, Komplexität, betroffene

Arten) – vor allem die Aufgaben

• Nebenbestimmungen sowie anderweitig

geregelte, ökologisch relevante Maßnah-

men fachlich und zeitlich in den Bauablauf

einzuordnen und dies den Beteiligten zu

kommunizieren;

• entsprechende Probleme zu erkennen, zu

kommunizieren und ggf. durch zusätzliche

Maßnahmen zu vermeiden bzw. deren Behe-

bung zu veranlassen (z. B. bei neu auftre-

tenden artenschutzfachlichen Konfl ikten

während der Baumaßnahme);

• die ordnungsgemäße Vorhabendurchfüh-

rung zu dokumentieren.

Ihre Tätigkeit wird u. a. als „moderierend und

kontrollierend“ beschrieben. Im artenschutz-

rechtlichen Kontext betrifft dies in erster

Linie Vermeidungs- und Minderungs- sowie

(vorgezogene) funktionserhaltende Maßnahmen.

Da dies logistisch aufwändig sein kann und

insbesondere funktionserhaltende Maßnahmen

einen längeren zeitlichen Vorlauf vor Beginn

der eigentlichen, mit dem Vorhaben beabsich-

tigten Bautätigkeiten erfordern können, ist die

Bestellung und Einbindung einer ökologischen

Baubegleitung sehr frühzeitig zu empfehlen.

Optimalerweise ist sie bereits in ersten Pla-

nungsphasen und bei Ausschreibungen betei-

ligt. Bei Fragen des Artenschutzes muss entspre-

chend spezifi sche Kompetenz der ökologischen

Baubegleitung vorliegen oder dieser weiteres

Fachpersonal zur Seite gestellt sein.

Eine ökologische Baubegleitung kann durch die

Behörde im Rahmen der Nebenbestimmungen

vorgeschrieben werden. Dies wird insbesondere

bei komplexeren Aufgaben wie der Kombinati-

on vorgezogener funktionserhaltender Maßnah-

men mit der Vergrämung oder dem Fang und

der Verbringung von Tieren in Ersatzhabitate

Ökologische Baubegleitung, Funktionskontrollen und Monitoring

12

Page 71: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

71

von Bestandskontrollen nachgesteuert werden

muss. Ein Monitoring ist letztlich auch als Teil

eines Risikomanagements zu verstehen, da Be-

urteilungen zur Wirksamkeit von Maßnahmen

immer eine Prognose – mit fall- und artbezogen

unterschiedlicher Aussagesicherheit – darstellen.

Für Funktionskontrollen und ein Monitoring,

soweit diese jeweils erforderlich sind, ist die

Festlegung einer Vorgehensweise einschließ-

lich der Phasen und der Dauer notwendig. Die

methodischen Ansätze können je nach Art und

zu erfüllenden Funktionen sehr unterschiedlich

sein und von einer oder mehreren Begehun-

gen in bestimmten jahreszeitlichen Phasen

mit Beobachtung bzw. gezielter Suche nach

bestimmten Arten bis hin zum Einsatz automa-

tischer Erfassungsgeräte (etwa in neu herge-

richteten Fledermausquartieren) reichen. Die

Beauftragung der ökologischen Baubegleitung

sowie von Funktionskontrollen oder Monitoring

obliegt dem Planungs- bzw. Vorhabenträger. Die

zuständige Behörde kann hierüber einen Nach-

weis sowie eine Dokumentation der Durchfüh-

rung und Ergebnisse verlangen. Dies kann als

Teil von Nebenbestimmungen auch Vorausset-

zung etwa für eine Baufreigabe sein.

ZEITLICHE EINORDNUNG UND

WEITERE HINWEISE

I. d. R. bereits im Vorfeld erforderli-

cher Ausschreibungen und bauvor-

bereitender Maßnahmen zu bestellen

(z. T. notwendig bzw. empfohlen).

Nach Fertigstellung/(Teil-)Abnahme

von Maßnahmen, fallweise auch

Zwischenkontrollen.

Spezifi sche Fachkompetenz (auch) in

der Erkennung/Erfassung der betref-

fenden Art(en) ist i. d. R. notwendig.

Ein zeitlicher Vorlauf zur Feststellung

des Ausgangszustands kann – soweit

vorgeschrieben oder fachlich ge-

boten – notwendig sein, ebenso die

Einbeziehung von Referenzfl ächen.

Spezifi sche Fachkompetenz (auch) in

der Erkennung/Erfassung der betref-

fenden Art(en) ist notwendig.

ZENTRALE INHALTE/AUFGABEN

Kommunikation von Zulassungsvoraussetzungen (Festset-

zungen im B-Plan, Nebenbestimmungen der Baugeneh-

migung etc.), fachliche und inhaltliche Einordnung in den

Bauablauf, konkrete Begleitung der relevanten Maßnahmen,

Erkennen von im Bauablauf auftretenden (fallweise auch neu-

en) Problemen bzw. Mängeln, Vorschläge für entsprechende

ggf. ergänzend erforderliche Maßnahmen/Nachsteuerung,

Dokumentation einer zulassungskonformen Vorhabenausfüh-

rung.

Wird hier als Teil der ökologischen Baubegleitung (s. oben)

eingeordnet. Sie mündet letztlich in eine technische

Zustandsfeststellung der jeweiligen Maßnahme mit Fest-

stellung der Funktionsfähigkeit als solcher zum Zeitpunkt der

(Teil-)Abnahme durch den Bauherren.

Konkrete Kontrolle darauf, ob die Wirkung einer Maßnahme

gegeben ist. Dies muss – z. B. im Fall einer neu hergestellten

Habitatfl äche – nicht nur einen strukturell günstigen Zustand

bestätigen, sondern den Nachweis der Nutzung durch die

Art im Rahmen des gesetzten Ziels beinhalten. Der Übergang

zum Monitoring (s. u.) ist fl ießend.

Wiederholte, i. d. R. mehr- bis langjährige Kontrollen mit

festgelegter Methodik, die auf die Überprüfung der Zielerrei-

chung und langfristigen Sicherung des gesetzten Ziels, auch

unter Veranlassung einer Nachsteuerung soweit erforderlich,

ausgerichtet sind. Je geringer die Prognosesicherheit einer

Maßnahme bzw. je komplexer diese ist, und je ungünstiger

der Erhaltungszustand der betreffenden Art, desto intensiver

und länger wird sich ein Monitoring i. d. R. erstrecken.

ARBEITSFELD

Ökologische

Baubegleitung

Durchführungs-

kontrolle

Funktions-

kontrolle

Monitoring

Übersicht zu vorrangigen Aufgaben und Inhalten von ökologischer Baubeglei-tung, Durchführungs- und Funktionskontrollen sowie Monitoring. Deren Bearbei-tung erfordert im artenschutz-fachlichen Kontext spezifi sche Fachkompetenz, die von einer allgemein bzw. übergreifend ausgerichteten Umweltbaube-gleitung oftmals nicht erwartet werden kann.

Page 72: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

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• dass in der Ablaufplanung konsequent

berücksichtigt wird, dass (bestimmte) bau-

liche Tätigkeiten davon abhängig sind, ob

bestimmte artenschutzrechtliche Maßnah-

men ggf. vorgezogen durchgeführt werden

müssen oder wegen des Artenschutzrechts

jahreszeitliche Beschränkungen einzuhalten

sind;

• dass in allen (voraussichtlich) komplexe-

ren Fällen unabhängig von den konkreten

Nebenbestimmungen in der Genehmigung

eine ökologische Baubegleitung eingesetzt

werden kann.

Es ist sehr empfehlenswert, eine konzeptionelle

Herangehensweise z. B. auf kommunaler Ebene

oder im Gebäudebestand von Wohnungs-

baugenossenschaften in Abstimmung mit der

zuständigen unteren Naturschutzbehörde zu

erarbeiten. Dadurch kann eine bessere zeitli-

che Abwicklung von Vorhaben gewährleistet

werden, indem beispielsweise frühzeitig Lücken

im (artenschutzbezogenen) Funktionserhalt

vermieden werden, die ansonsten zu Umset-

zungsverzögerungen führen können.

Fallbeispiel 1Eine Kommune weist ein Sanierungsgebiet aus,

in dem Maßnahmen der energetischen Gebäu-

desanierung gefördert werden. Zur frühzeitigen

Berücksichtigung des Artenschutzes beauf-

tragt die Kommune als Dienstleistung für ihre

Bürger ein Gutachterbüro, das in dem Sanie-

rungsgebiet Gebäude bewohnende Vögel und

Fledermäuse gebäudegenau erfasst. Geht bei

der Kommune ein Antrag auf Förderung einer

konkreten Maßnahme ein, wird geprüft, ob an

diesem Gebäude artenschutzrechtlich zu be-

rücksichtigende Vorkommen bekannt sind. Der

Bauherr wird über das Prüfergebnis informiert

und es werden Vorschläge zum weiteren Vorge-

hen gemacht. Unter Beteiligung fachkundiger

Personen werden darauf aufbauend die erforder-

lichen Artenschutzmaßnahmen – einschließlich

Auf Ebene der Bauleitplanung bestehen Opti-

mierungsmöglichkeiten insbesondere darin,

• die steuernde Funktion des Flächennut-

zungsplans für die räumlich-strukturelle

Entwicklung im gesamten Gemeindegebiet

strategisch zur möglichst weitgehenden

Konfl iktvermeidung bezüglich des Arten-

schutzes zu nutzen (verringert zeitliche

Probleme und Aufwendungen für spätere

Prüfungen auf Ebene des Bebauungsplans

sowie für erforderliche Maßnahmen);

• in der Regel bereits auf Ebene der Flächen-

nutzungsplanung bestimmte Prüfungen zum

Vorkommen artenschutzrechtlich relevanter

Tier- und Pfl anzenarten durchzuführen,

sofern nicht bereits – etwa durch Ermittlun-

gen aus einem aktuellen Landschaftsplan –

ausreichende Daten vorliegen (vgl. Kap. 7);

• den teilweise mehrjährig erforderlichen

zeitlichen Vorlauf durch erforderliche Unter-

suchungen, insbesondere aber auch vorge-

zogene wirksame Maßnahmen frühzeitig in

die Planung einzubeziehen; dies betrifft ins-

besondere die Ebene des Bebauungsplans;

• auf Gemeindeebene etwa im Rahmen eines

„Biodiversitäts-Checks“ verbesserte Beurtei-

lungsgrundlagen für artenschutzfachliche

und -rechtliche Fragestellungen vorsorgend

auch für die Bebauungsplanung bereit zu

stellen; dies kann im Siedlungsbereich etwa

durch Übersichtserfassungen bestimmter

Gebäudebrüter ergänzt werden (v. a. Schwal-

ben, Mauersegler).

Auf Ebene der einzelnen Bauvorhaben sind

Optimierungsmöglichkeiten insbesondere darin

zu sehen,

• dass sich Bauherr und Entwurfsverfasser

bereits bei der Vorbereitung und Erstel-

lung des Planentwurfs vor Einreichung des

Bauantrages damit befassen, ob Fragen des

Artenschutzes berührt sein könnten (zu den

Möglichkeiten hierzu s. Kap. 9, auch mit

entsprechenden Schemata und Tabellen);

Abläufe optimieren

13

Page 73: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

73

solcher zur Tötungsvermeidung – geplant und

umgesetzt. Für den Fall, dass im Rahmen des

jeweiligen Vorhabens keine Möglichkeiten zur

Umsetzung von Interimsmaßnahmen bestehen,

hat die Gemeinde an kommunalen Gebäuden

Ersatzquartiere für die im Zuge der vorbereiten-

den Erfassung festgestellten Arten angebracht,

die als Interimsmaßnahmen den einzelnen

Vorhaben zugeordnet werden können.

Fallbeispiel 2

Eine Wohnbaugesellschaft plant, in den nächs-

ten Jahren einen Teil ihrer Gebäude energetisch

zu sanieren. Zur vorgezogenen Kompensation

der zu erwartenden Betroffenheit von Spalten

bewohnenden Fledermausarten und Gebäu-

de brütender Vogelarten werden an anderen

Gebäuden, die bereits saniert sind oder erst

deutlich später saniert werden, nach fachlicher

Beurteilung dort funktional sinnvolle Nisthil-

fen und Spaltenquartiere angebracht. Diese

werden einem Monitoring unterzogen und die

besiedelten Nisthilfen sukzessive den Vorhaben,

entsprechend der dort festgestellten Arten,

zugeordnet. Auf diese Art und Weise wird

innerhalb des Gebäudebestandes der Wohnbau-

gesellschaft ein Funktionserhalt erreicht. Zur

Organisation dieser Tätigkeiten hat die Firma

ein internes „Nistkasten-Konto“ in Abstim-

mung mit der unteren Naturschutzbehörde ein-

gerichtet. Maßnahmen zur Tötungsvermeidung

werden separat berücksichtigt.

Vereinfachte „Jahresuhr“ für die Planung mit wichtigen Phasen (beinhaltet nicht alle Artengrup-pen). Achtung: Fallweise können sich Abweichungen ergeben.

* Auch Artenschutz zu beachten,

s. S. 14-15

** Soweit ansonsten artenschutz- und

naturschutzrechtlich zulässig, insbe-

sondere wenn Funktionserhalt sicher

gestellt ist.

Brutvögel

(Schwerpunkt Erfassung /

Hauptbrutzeitraum)

73

Zulässiger Fäll-/Rodungszeitraum

vieler Gehölze*

Fachlich i. d. R. unkritischer Zeitraum

für Eingriffe in Vogelbrutstätten**

Regelzeitraum für erforder-liche Bestandserfassungen Fauna/Artenschutz

Reptilien

(Erfassung / Hauptaktivität)

Haselmaus

(Erfassung / Hauptaktivität)

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FCS-Maßnahme Maßnahme zur Verhinderung einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen einer Art im Rahmen einer arten-schutzrechtlichen Ausnahme.

FFH-Richtlinie/FFH-RL Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG)

FNP Flächennutzungsplan

GG Grundgesetz

Günther A, Nigmann U, Achtziger R, Gruttke H, Bearb., (2005): Analyse der Gefährdungsursachen planungsrelevanter Tiergruppen in Deutschland. Naturschutz und Biologische Vielfalt 21. Bonn-Bad Godesberg.

Grüneberg C, Bauer HG, Haupt H, Hüppop O, Ryslavy T, Südbeck P (2015): Rote Liste der Brutvö-gel Deutschlands, 5. Fassung, 30. November 2015. Berichte zum Vogelschutz 52: 19-67.

Landratsamt Tübingen, Hrsg. (2016): Artenschutz am Haus. Hilfestellung für Bauherren, Architekten und Handwerker. Tübingen.

LBO Landesbauordnung Baden-Württemberg

LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg

MLR – Ministerium für Ländlichen Raum und Ver-braucherschutz Baden-Württemberg, Hrsg. (2013): Biodiversitäts-Check für Gemeinden. Aktionsplan Biologische Vielfalt. Stuttgart.

OGBW Ornithologische Gesellschaft Baden-Würt-temberg e.V.

Pimm SL, Jenkins CN, Abell R, Brooks TM, Gittle-man JL, Joppa LN, Raven PH, Roberts CM, Sexton J O (2014): The biodiversity of species and their rates of extinction, distribution, and protection. Science 344, 1246752. doi: 10.1126/ science.1246752.

Regierungspräsidium Stuttgart, Hrsg. (2016): Erforderliche Informationen für einen Antrag auf Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatschG bei Betroffenheit streng geschützter Arten.

Runge H, Simon M, Widdig T, Louis HW (2010): Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maß-nahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvor-haben. FuE-Vorhaben im Rahmen des Umweltfor-schungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz – FKZ 3507 82 080. Hannover, Marburg.

ABKÜRZUNGEN UND ZITIERTE

QUELLEN

AGF Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V.

BArtSchV Bundesartenschutzverordnung

BauGB Baugesetzbuch

BauGB-DVO Durchführungsverordnungzum BauGB

BfN Bundesamt für Naturschutz

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz

B-Plan Bebauungsplan

BT-Drs. 16/5100 Deutscher Bundestag, Druck-sache 16/5100 v. 25.4.2007. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzge-setzes.

Bundesamt für Naturschutz, Hrsg. (2009): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pfl anzen und Pilze Deutsch-lands. Band 1: Wirbeltiere. Naturschutz und Biologi-sche Vielfalt 70(1). Bonn-Bad Godesberg.

Bundesamt für Naturschutz, Hrsg. (2015): Artenschutz-Report 2015. Tiere und Pfl anzen in Deutschland. Bonn-Bad Godesberg.

BVerfG Bundesverfassungsgericht

BVerwG Bundesverwaltungsgericht

Ceballos G, Ehrlich PR, Barnosky AD, García A, Pringle RM, Palmer TM (2015): Accelerated modern human–induced species losses: Entering the sixth mass extinction. Science Advances, 1: e1400253.

CEF-Maßnahme Maßnahme zur Sicherstellung einer kontinuierlichen ökologischen Funktiona-lität (funktionserhaltende Maßnahme) von Fort-pfl anzungs- und Ruhestätten zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Verbote, die im räumlichen Zusammenhang mit dem Ort der Beeinträchtigung wirken muss und i. d. R. zeitlich vorgezogen durch-zuführen ist.

EG-Artenschutzverordnung Verordnung über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pfl anzenarten durch Überwachung des Handels (Verordnung EG Nr. 338/97).

Europäische Kommission, Hrsg. (2007): Leitfa-den zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG. Endgültige Fassung, Februar 2007.

14

Anhang

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Trautner J (2020): Artenschutz - Rechtliche Pfl ich-ten, fachliche Konzepte, Umsetzung in der Praxis.Stuttgart (im Erscheinen begriffen).

VGH Baden-Württ. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Vogelschutzrichtlinie Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (2009/147/EG)

HINWEISE AUF WEITERFÜHRENDE

QUELLENHinweise auf wichtige Quellen zu artenschutz-fachlichen sowie -rechtlichen Fragen zum Thema Licht und Glas

Schweizerische Vogelwarte, Hrsg. (2012): Vogel-freundliches Bauen mit Glas und Licht. 2. überarb. Aufl .. Sempach.

Rössler M, Doppler W (2014): Vogelanprall an Glasfl ächen, Geprüfte Muster. 3. Aufl .. Faltblatt.

Huggins B, Schlacke S (2019): Schutz von Arten vor Glas und Licht. Rechtliche Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten. Schriftenreihe Natur und Recht, 18: 282 S.. Berlin. Wichtige Webseite mit weiterführenden Infos zum Thema Artenschutz am Hauswww.artenschutz-am-haus.de

HINWEISE FÜR DEN

SIEDLUNGSBEREICHDie nachfolgenden Hinweise zu verschiedenen Aspekten beziehen sich auf den durch Gebäude, Gärten und weitere typische Elemente gekennzeich-neten Siedlungsbereich. Für Planungen zu ander-weitig ausgestatteten Flächen im Außenbereich oder diesem ähnlichen Flächen, die sich z. B. als Reste der früheren Landschaft bis in den Siedlungsbereich erstrecken oder dort verblieben sind, sind sie nicht einschlägig.

Aspekte zur Relevanzprüfung vorhande-ner Gebäude für den ArtenschutzDies stellt keine vollständige Liste dar, sondern kann als Orientierung dienen. Die Relevanz kann in den meisten Fällen nur durch Fachpersonal beurteilt werden.

A) Fassade und Dach (von außen)• relevante Schadstellen / Einfl ugmöglichkeiten Dach• relevante Schadstellen / Einfl ugmöglichkeiten Fassade• Hinweise auf größere Hohlräume unter einer Verschalung• Fensterläden oder Rollladenkästen vorhanden• Bewuchs vorhanden (Fassadenbegrünung, mglw. Dachbegrünung)• Kellerfenster mit Zugangsmöglichkeit zu Keller- räumen (nicht vollständig und dauerhaft verschlossen; soweit von außen erkennbar)

• Dachfenster oder -luken mit Zugangsmöglichkeit zum Dachstuhl (nicht vollständig und dauerhaft verschlossen; soweit von außen erkennbar)• Nischen und/oder Ansitze (für Vögel) vorhanden• Nisthilfen vorhanden• Nester vorhanden• Sonstige Tierspuren erkennbar (u. a. Nistmate- rial, Fledermauskot auf Absätzen oder unter dem Trauf, charakteristische Verfärbungen von ein-/ ausschlüpfenden Tieren – häufi g nur von Fach- personal erkennbar)• Regelmäßig an-/abfl iegende bzw. ein-/ausfl iegende Vögel in bestimmten Bereichen des Gebäudes• Unverfugte Mauer und Holzbalken mit Nistmög- lichkeiten für Wildbienen (nur in bestimmten Fällen artenschutzrechtlich relevant)

B) Dachstuhl/Keller (Innenraumkontrolle)• Kellerfenster mit Zugangsmöglichkeit zu Keller- räumen (nicht vollständig und dauerhaft verschlossen; soweit von innen erkennbar)• Dachfenster oder -luken mit Zugangsmöglichkeit zum Dachstuhl (nicht vollständig und dauerhaft verschlossen; soweit von innen erkennbar)• für Fledermäuse geeignete Bedingungen (u. a. dunkel, keine Zugluft)• nutzbare Nischen/Spalten/Hangplätze• Nester vorhanden• Sonstige Tierspuren erkennbar (u. a. Nistmaterial, Kot, charakteristische Verfärbungen an Spalten – häufi g nur von Fachpersonal erkennbar)

Aspekte zur Relevanzprüfung vorhande-ner Freifl ächen im SiedlungsbereichDies stellt keine vollständige Liste dar, sondern kann der Orientierung dienen. Die Relevanz kann in den meisten Fällen nur durch Fachpersonal beur-teilt werden.• älterer Baumbestand• Baum- bzw. Spechthöhlen• Baumspalten• Totholz• Vogelnester• gut besonnte Saumstrukturen• größere Flächen mit Ruderal- und Spontan- vegetation• Weidenröschen- und Nachtkerzenbestände• besonnte, insbesondere unverfugte Mauern• besonnte Schotter-/Kiesfl ächen• Gewässer• Anbindung an besondere Strukturen (u. a. Nachbarschaft zu Bahngelände, größeren besonnten Straßenböschungen)

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Art GebäudebrüterRegelmäßig in

Freiflächen oder Gehölzen1

Arten der Parkteiche

Unter bestimmtenRahmenbedingungen

vorkommend

Alpensegler X

Amsel F

Bachstelze X

Blässhuhn X

Blaumeise H

Bluthänfling X2

Buchfink F

Buntspecht H

Dohle X

Eichelhäher F

Eisvogel X3

Elster F

Feldsperling X4

Flussregenpfeifer X5

Gänsesäger X3

Gartenbaumläufer H

Gartengrasmücke F

Gartenrotschwanz X5

Gebirgsstelze X3

Girlitz F

Goldammer B X6

Graugans X

Grauschnäpper X

Grünfink F

Grünspecht X7

Haubenmeise X8

Hausrotschwanz X

Haussperling X

Heckenbraunelle F

Höckerschwan X

Hohltaube X9

Klappergrasmücke X6

Kleiber H

Kohlmeise H

Mauersegler X

Mäusebussard X7

Mehlschwalbe X

Mittelspecht X4

Mönchsgrasmücke F

Nachtigall X10

VÖGEL IM SIEDLUNGSBEREICH BADEN-WÜRTTEMBERGS

Page 77: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

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Art GebäudebrüterRegelmäßig in

Freiflächen oder Gehölzen1

Arten der Parkteiche

Unter bestimmtenRahmenbedingungen

vorkommend

Orpheusspötter X11

Rabenkrähe F

Rauchschwalbe X

Ringeltaube F

Rotkehlchen B

Saatkrähe F

Schleiereule X

Schwanzmeise X12

Sommergoldhähnchen X8

Star X4

Steinkauz X4

Stieglitz X2

Stockente X

Sumpfmeise H

Teichhuhn X

Türkentaube F

Turmfalke X

Wacholderdrossel X13

Waldkauz X14

Waldohreule X15

Wanderfalke X

Wasseramsel X13

Weißstorch X

Zaunkönig B

Zilpzalp B

Zwergtaucher X

sel

VÖGEL IM SIEDLUNGSBEREICH BADEN-WÜRTTEMBERGS

1) differenziert in Höhlen-/Halbhöhlenbrüter (H), Freibrüter in Gehölzen (F), Bodenbrüter (B)

2) benötigt im Umfeld samenreiche Ruderalfl uren oder Brachen zur Nahrungssuche

3) Fließgewässer mit jeweils als Brutplatz geeigneten Strukturen

4) Art der ortsrandnahen Streuobstwiesen oder älterer Park- und Gartenanlagen

5) große vegetationsarme Brachen

6) ortsrandnahe Hecken oder Gebüsche

7) Art mit großem Raumanspruch, brütet in älteren Bäumen, in der Regel Betroffenheit von Nahrungsfl ächen

8) besiedelt ausschließlich Nadelbäume

9) Bäume mit großen Höhlen in Gärten in parkartigen Bereichen

10) meist Gebüsche feuchter Standorte

11) große Ruderalfl uren mit starker Verzahnung von skelettreichen, vegetationsarmen Böden und Gehölzen in frühem bis

mittlerem Sukzessionsstadium (z. B. Brombeeren)

12) dichte größere Gebüsche/Gehölze im Ortsrandbereich

13) parkartige Bereiche mit großen Bäumen (oft Pappeln) und regelmäßig gemähtem Grünland (häufi g Sportplätze, Freibä-

der, Parkanlagen)

14) Bäume mit großen Höhlen in Gärten mit park- bzw. streuobstartiger Struktur, seltener auch in Gebäuden

15) Folgenutzer von Rabenkrähennestern in Nadelbäumen, winterliche Gemeinschaftsschlafplätze oft in Bäumen in Gärten

und Parks

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Art Gebäudequartiere Baumquartiere im Siedlungsbereich

Großer Abendsegler X X

Kleiner Abendsegler (X) X

Große Bartfledermaus X

Kleine Bartfledermaus X (X)

Bechsteinfledermaus (X) X

Breitflügelfledermaus X (X)

Braunes Langohr X X

Graues Langohr X (X)

Fransenfledermaus X X

Rauhautfledermaus X X

Großes Mausohr X X

Mopsfledermaus X

Mückenfledermaus X X

Nordfledermaus X

Wasserfledermaus X X

Weißrandfledermaus X

Wimperfledermaus X

Zweifarbfledermaus X

Zwergfledermaus X X

FLEDERMÄUSE IM SIEDLUNGSBEREICH BADEN-WÜRTTEMBERGS

(X) in geringem Umfang

Page 79: Artenschutz in der Bauleitplanung und bei …...Schutz und Entwicklung einer menschen-würdigen Umwelt sowie der natürlichen Lebensgrundlagen, • Förderung von Klimaschutz und Klima-anpassung,

Auf 100 % Recyclingpapier

gedruckt

Energie-Effizienz- Produktions-

konzept

Ökodruckfarben auf Basis nachwach-

sender Rohstoffe

Klimaneutral und emissionsarm

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Für diese Druck-produktion wird

ein Baum gepflanzt