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736 | SCHWERPUNKT Autor: Siegfried Huhn Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 08|11 Foto: iStockphoto, N. Dietrich Arzneimitteltherapie Medikamente sicher verabreichen Unter einem Medikament oder Arzneimittel werden alle Stoffe oder Stoffgemische verstanden, die als Mittel zur Heilung oder Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten dienen oder dazu angewendet werden, eine Diagnose zu stellen und/oder eine Beeinflussung oder Besserung der Körperfunktion zu erreichen. Ein Medikament kann sowohl aus natürlichen wie auch che- misch hergestellten Wirkstoffen bestehen. Die Anzahl der in Deutschland verfügbaren Medikamente können nur noch Ex- perten wie Apotheker oder Pharmakologen überschauen. Die Grundlage aller Medikamente bilden etwa 2 500 definierte che- mische Arzneisubstanzen und etwa 900 Heilpflanzen, aus denen sich aber noch eine Vielzahl an Wirkstoffen ableiten. Die einzel- nen Ärzte verwenden jedoch im Praxisalltag je nach Fach- richtung nicht mehr als 200 bis 500 verschiedene Medikamente. Ein Arzneimittel besteht aus einem oder mehreren Wirkstoffen und aus Hilfsstoffen, die zur Konservierung des Arzneistoffes oder zur Steuerung des Wirkeintritts beziehungsweise der Freisetzung des Wirkstoffes dienen. Eine Ausnahme bildet das Placebo, das keinen Wirkstoff enthält, aber echten Medika- menten äußerlich nachempfunden ist. Arzneirezepturen werden in der Apotheke hergestellt. Meistens sind es individuelle Rezepturen, die der Arzt oder Heilpraktiker verordnet hat. Fertigarzneimittel sind industriell produzierte Medikamente, die spezifische Wirkungen haben sollen. Die Arzneimittelspezialitäten machen den größten Teil der verordne- ten Medikamente aus. Das Verändern eines Fertigarzneimittels bedeutet nach Arzneimittelrecht, ein neues Medikament herzu- stellen. Jedes Arzneimittel hat in der Regel drei Namen Chemischer Name: gibt die genaue chemische Bezeichnung der Substanz wieder und ist in der Regel nur für den Apo- theker, den Pharmakologen und den Chemiker interessant, zum Beispiel 2-Actoxybenzoesäure für Acetylsalicylsäure. Internationaler Freiname: wird auch als INN oder „generic name“ bezeichnet, ist zumeist die chemische Kurzbezeich- nung der Substanz. Handelsname: auch Präparatname genannt, dies ist der Name, unter dem der Hersteller das Medikament (Präparat) vertreibt. Das können durchaus Phantasienamen sein, die aus Gründen der besseren Vermarktung gewählt werden und kei- nen direkten Bezug zu dem Substanznamen haben. Was sind Generika? Arzneimittel sind in ihrer Zusammensetzung patentrechtlich geschützt. Das Patent läuft nach 20 Jahren aus. Danach kann das Medikament „kopiert“ und unter einem eigenen Handelsnamen vertrieben werden. Diese Nachahmerpräparate sind die so genannten „Generika“. Wissenswertes zu Medikamenten

Arzneimitteltherapie Medikamente sicher verabreichen · des Arzneistoffes, zum Beispiel eine Creme zur Pilzbehandlung oder eine Tinktur bei Rachen - entzündung. Wird jedoch das Arzneimittel

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Page 1: Arzneimitteltherapie Medikamente sicher verabreichen · des Arzneistoffes, zum Beispiel eine Creme zur Pilzbehandlung oder eine Tinktur bei Rachen - entzündung. Wird jedoch das Arzneimittel

736 | SCHWERPUNKT Autor: Siegfried Huhn

Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 08|11

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Arzneimitteltherapie

Medikamente sicher verabreichen

Unter einem Medikament oder Arzneimittel werden alle Stoffeoder Stoffgemische verstanden, die als Mittel zur Heilung oderVerhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten dienenoder dazu angewendet werden, eine Diagnose zu stellenund/oder eine Beeinflussung oder Besserung der Körperfunktionzu erreichen.Ein Medikament kann sowohl aus natürlichen wie auch che-misch hergestellten Wirkstoffen bestehen. Die Anzahl der inDeutschland verfügbaren Medikamente können nur noch Ex -perten wie Apotheker oder Pharmakologen überschauen. DieGrundlage aller Medikamente bilden etwa 2 500 definierte che-mische Arzneisubstanzen und etwa 900 Heilpflanzen, aus denensich aber noch eine Vielzahl an Wirkstoffen ableiten. Die einzel-nen Ärzte verwenden jedoch im Praxisalltag je nach Fach -richtung nicht mehr als 200 bis 500 verschiedene Medikamente.Ein Arzneimittel besteht aus einem oder mehreren Wirkstoffenund aus Hilfsstoffen, die zur Konservierung des Arzneistoffesoder zur Steuerung des Wirkeintritts beziehungsweise derFreisetzung des Wirkstoffes dienen. Eine Ausnahme bildet dasPlacebo, das keinen Wirkstoff enthält, aber echten Medika -menten äußerlich nachempfunden ist. Arzneirezepturen werden in der Apotheke hergestellt. Meistenssind es individuelle Re zepturen, die der Arzt oder Heilpraktikerverordnet hat. Fertigarzneimittel sind industriell produzierte

Medikamente, die spezifische Wirkungen haben sollen. Die

Arzneimittel spezia litäten machen den größten Teil der verordne-ten Medikamente aus. Das Verändern eines Fertigarzneimittelsbedeutet nach Arzneimittelrecht, ein neues Medikament herzu-stellen.

Jedes Arzneimittel hat in der Regel drei Namen– Chemischer Name: gibt die genaue chemische Bezeichnung

der Substanz wieder und ist in der Regel nur für den Apo -theker, den Pharmakologen und den Chemiker interessant,zum Beispiel 2-Actoxybenzoesäure für Acetylsalicyl säure.

– Internationaler Freiname: wird auch als INN oder „genericname“ bezeichnet, ist zu meist die chemische Kurzbezeich -nung der Substanz.

– Handelsname: auch Präparatname genannt, dies ist derName, unter dem der Hersteller das Medikament (Präparat)vertreibt. Das können durchaus Phantasienamen sein, die ausGründen der besseren Vermarktung gewählt werden und kei-nen direkten Bezug zu dem Substanznamen haben.

Was sind Generika?Arzneimittel sind in ihrer Zusammensetzung patentrechtlichgeschützt. Das Patent läuft nach 20 Jahren aus. Danach kanndas Medikament „kopiert“ und unter einem eigenenHandelsnamen vertrieben werden. Diese Nachahmerpräparatesind die so genannten „Generika“.

Wissenswertes zu Medikamenten

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Medikamentenverordnungobliegt dem Arzt

Die Verordnung von Medika -menten ist gesetzlich geregelt.Sie liegt bei dem behandelndenArzt. Er stützt sich dabei nor-malerweise auf die Angaben desPatienten, auf seine eigenenUntersuchungsergebnisse undauf die Beobachtungen der Pfle-ge- und Betreuungspersonen.Jede ärztliche Arzneimittelver-ord nung muss die folgenden An -gaben enthalten: Name des Be -wohners, Name des Medi ka -ments, Dosierung und Arz -neistoffgehalt, Darrei chungs -form, Zeitpunkt der Verab -reichung, gegebenenfalls Dauerder Behandlung.In der Arztpraxis entspricht dasdem ärztlichen Rezept. In Kran -kenhäusern gelten diese Regelnauch und werden auf Verord -nungsblättern festgehalten. DerArzt muss den Patienten überdie Arzneimitteltherapie aufklä-ren. Die Pflegepersonen könnenim Sinne des Vertrauensgrund -satzes davon ausgehen, dass derArzt seine Patienten über dasMedikament und die Not -wendigkeit der Einnahme aufge-klärt hat und dass die Ein -willigung der betreffendenPerson vorliegt, wenn der Arzteine Anordnung trifft und dele-giert. Das verhält sich dannanders, wenn die Person aus-drücklich eine ablehnende Hal -tung einnimmt sowie auch,wenn sie zum Ausdruck bringt,über die Notwendigkeit derMedikamenteneinnahme nichtausreichend informiert zu sein.

Wenn Pflegepersonen dieMedikamentenversorgungübernehmen, dürfen Sie

normalerweise nur durch denArzt verordnete Medika menteverabreichen. Im Pflege heimgehört dazu die Ver waltung derbewohnereigenen Medikamente,deren Bereitstel lung und dieVerabreichung. Die Medika -mente sind Eigentum des Be -wohners, sodass das Medi ka -mentenmanagement zuvor zwi-schen dem Bewohner und derEinrichtung vereinbart werdenmuss. In Krankenhäusern blei-ben die Medikamente Ei gentumder Klinik und werden demPatienten in therapeutisch not-wendiger Form zur Verfü gunggestellt.

Eine rechtlich korrekte Ein -willigung liegt vor, wenn Pa -tienten aufgeklärt wurden undeinsichtsfähig sind und ihrEinverständnis erklärt haben.Für die Verabreichung müssendie Pflegenden Kenntnisse zufolgenden Punkten des Medi -kaments haben:

erwünschte Arzneimittel -wirkung,

unerwünschte Wirkungen(Nebenwirkungen),

Anzeichen von möglicherÜberdosierung,

Wechselwirkungen mit ande-ren Medikamenten,

Wechselwirkungen mit Nah -rungsmitteln.

Normalerweise kann der ArztKenntnisse über Arzneimittelbei den Pflegefachkräften vor-aussetzen, da die Grundlagender Arzneimittellehre Bestand -teil der beruflichen Ausbildungsind. Wenn der Kenntnisstandder Pflegefachkraft hierzu nichtausreicht, muss sie den Arzt oderApotheker um entsprechendeInformationen bitten. Arzt undApotheker haben dann eineBeratungspflicht. Das ist beson-ders bei der Anordnung neuerMedikamente von Bedeutungoder bei Multimedikation mitmöglichen Wechselwirkungen.

Auswahl der Applikationsformerfolgt individuell

Es werden zwei Formen derArzneimittelanwendung unter-schieden. Bei der lokalen, ört-lichen Anwendung ist das Zieleine örtlich begrenzte Wirkung

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Teil 1: Mit welcher Flüssigkeit werden Medikamenteam besten gegeben? Dürfen Tabletten gemörsert werden? Wie werden Arzneimittel verabreicht, wennder Patient eine PEG-Sonde hat? Rund um das Thema Applikation von Medikamenten existieren vielfach noch Unsicherheiten. Dabei ist die sichereArzneimittelverabreichung unerlässlich, um gefährliche Komplikationen zu vermeiden.

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des Arzneistoffes, zum Beispieleine Creme zur Pilzbehandlungoder eine Tinktur bei Rachen -entzündung. Wird jedoch dasArzneimittel über die Blutbahnin den gesamten Organismuseingebracht, wird von einersystemischen Arzneimit telthera -pie gesprochen. Typisches Bei -spiel ist das Schlucken einesAntibiotikums bei einer In -fektion. Die meisten Arzneimittel liegenin verschiedenen Arzneiformenvor, also in unterschiedlichen Zu-bereitungen und Darrei chungs-formen, sodass es für nahezujedes Medikament verschiedeneMöglichkeiten der Ap pli kationgibt. Die Applikations form hängtjedoch auch von der Art desArzneistoffes und seiner Re-sorptionsfähigkeit (Aufnahme inden Organismus) sowie demgewünschten Ort der Arznei -mittelwirkung, dem Wirkeintrittund der Wirkdauer ab. Nichtzuletzt sollen aber bei derVerabreichungsform der Wunschdes Patienten und seine beson-deren Möglichkeiten berück-sichtigt werden. Die meistenMenschen bevorzugen Tabletten,Dragees oder Kapseln, weil fürsie das Schlucken der Medi -kamente die einfachste Ein -nahmemöglichkeit darstellt.Wenn jedoch jemand unter star-ker Übelkeit leidet, wird er eherein Zäpfchen wünschen. BeiPatienten mit Schluckproble -men (Dysphagie) wird bessereine nicht perorale Arzneiformangeboten. Die Applikations -form wird nach den Möglich -keiten der Patienten/Bewohner,den erwünschten Wirkungenund der Wirkstoffeintrittszeitgewählt. Sublingual oder intra-venös angewendet, wirkt dasMedikament schnell, bei magen-saftresistenten Dragees kommtes spät zum Wirkeintritt.

Bei jeder Arzneimitteltherapiekann es zu unerwünschten Arz -neimittelwirkungen kommen.Diese können harmlos undunbemerkt auftreten, aber auchstörend und sogar gefährlichsein. Alte Menschen zeigen häu-fig sogenannte „paradoxe Re -

aktionen“, bei denen es zurgegenteiligen Wirkung kommtoder das Medikament fremdeReaktionen hervorruft, zumBeispiel Verwirrtheitszustände.Deshalb ist es wichtig, dieseNebenwirkungen zu kennen undentsprechend zu reagieren. DieBeipackzettel in den Medika -mentenpackungen geben hierzuAuskunft. Immer wenn Pa -tienten/Bewohner Veränderun -gen oder Beschwerden schildern,muss an die Medikamenten -wirkung gedacht und Rück-sprache mit dem Arzt ge haltenwerden. Auch Apo theker sindhier geeignete An sprech partner.Aufgrund der häufigen Neben -wirkungen oder auch indirektenWirkungen sollen Arzneimittelbei älteren Menschen nur nachstrenger Indikation verordnetund verabreicht werden.

Was bei der Verabreichungvon Arzneimitteln zu beachten ist

Feste Arzneimittel wie Tab -letten, Kapseln oder Drageessollten immer dann, wenn nichtausdrücklich eine andere An -weisung erfolgt, sitzend oderstehend mit viel Flüssigkeit ein-genommen werden. Das Ein -nehmen in aufrechter Haltungist von besonderer Bedeutung,weil das Medikament dem„natürlichen Gefälle“ folgt. Beiliegender oder halb liegenderPosition kommt es häufig dazu,dass die Medikamente zwar denMund verlassen, aber aus derPosition heraus nicht in denMagen gelangen, sondern in der Speiseröhre hängen blei-ben.

Für jedes Arzneimittel gibt eseinen definierten Raum, in demder Wirkstoff so aufgenommenwerden kann, dass er zu seinervollen, therapeutisch gewünsch-ten Wirkweise kommt. Bleibtnun das Medikament in derSpeiseröhre, fehlt ihm das ent-sprechende Wirkfenster, und eskommt zu Fehlwirkung oderkeiner Wirkung. Vielfach verur-sachen die Arzneimittel aberSchleimhautreizungen, die für

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den Betroffenen oft schmerzhaftund unangenehm sind. Aus demselben Grund sollenfeste Medikamente auch mit vielFlüssigkeit – etwa 150 bis 200ml – eingenommen werden, umsi cherzustellen, dass die Spei -seröhre wirklich passiert wird.Das Medikament muss in denMagen oder Darm gelangen, woes sich auflösen kann, um an sei-nem spezifischen Wirkfensteraufgenommen und in die Blut -bahn abgegeben zu werden. Die beste Flüssigkeit zur Ein -nahme ist Leitungswasser, gege-benenfalls noch Mineralwasser.Bei anderen Flüssigkeiten kannes zu Wechselwirkungen mitdem Arzneistoff und damit zuVeränderungen in der Wirkweisekommen. Insbesondere führt dieEinnahme mit schwarzem Tee,Fruchtsäften, Kaffee oder Milchhäufig zur Beeinflussung in derAufnahme und Verwertung desArzneistoffes (Bioverfügbarkeitdes Arzneistoffes).

Interaktionen vonMedikamenten beachten

Interaktionen sind gegenseitigeBeeinflussungen von Arznei -stoffen, Hilfsstoffen, Flüssig -keiten, Nahrungsmitteln undNahrungsergänzungsmitteln. DieInteraktionen können sowohldie Arzneimittelwirkung ver-stärken als auch die Wirkungabschwächen oder sogar zuneuen Wirkweisen führen. Des -halb sollte stets mit dem verord-nenden Arzt oder dem Apo -theker abgeklärt werden, ob undwann es zu Wechselwirkungenkommen kann: Welche der ver-ordneten Medikamente müsseneinzeln, welche dürfen gleichzei-tig eingenommen werden undwie lang muss die Pause zwi-schen den einzelnen Medika -menten sein? Die schnellsten Interaktionentreten jedoch auf, wenn derArzneistoff frei wird und sichdann bindet, wie etwa beim Auf -lösen von Festarzneistoffen inWasser zur Einnahme als Ge tränkoder beim so genannten Mör sern,wenn das Schlucken der Tab -lette oder Kapsel schwer fällt.

Dies gilt al lerdings auch fürFlüssigarzneimit tel, wenn ver-schiedene Prä parate in demsel-ben Trinkglas gleichzeitig einge-geben werden. Vorsicht: Wichtig zu beachten isthier, dass es unter Umständenauch zu Interaktionen verschie-dener Medikamente kommenkann, wenn diese über einenbestimmten Zeitraum hinausohne trennende Hülle in demsel-ben Behältnis aufbewahrt wer-den. Als Regel gilt, dass nachsieben bis zehn Tagen Inter -aktionen auftreten können.Im Zusammenhang mit Nah -rungs stoffen kommt es häufig zuInteraktionen. Als Leitlinie giltdeshalb, dass die Einnahme vonMedikamenten am besten nüch-tern erfolgt – wenn nicht aus-drücklich etwas anderes er -wünscht ist (Waschzettel), odereine besondere Disposition desBewohners, etwa bei Ma gen-problemen, die eine Nüchtern -einnahme erschwert.Es gibt jedoch auch positiveEffekte bei der Einnahme desArzneimittels zusammen mit derNahrung: So wird bei einerReihe von Medikamenten, wieetwa bei Diazepam, eine bessereBioverfüg bar keit be schrieben,weshalb diese Mittel besondersnach oder während der Mahlzeiteingenommen werden sollen.

Ein Beispiel für Interaktionenmit Nahrungsmitteln: Sie be -treuen einen älteren Menschen,der seit einigen Jahren anMorbus Parkinson leidet. Er istmit L-Dopa eingestellt, aberirgendwie scheint das Medi -kament nicht zu wirken. Viel -leicht liegt es daran, dass derBewohner seine Medikamentedirekt zu den Mahlzeiten ein-nimmt.Gekochtes Ei und Yoghurt stö-ren die L-Dopoa-Resorption imDünndarm. Werden dem Körpermit dem Medikament essentielleEiweiße (die vom Körper nichthergestellt werden können)durch die Nahrung zugeführt,kommt es zu einem „Konkur -renzverhalten“ um die Resorp -tion, bei dem das Medikamentgegenüber dem Nahrungsmittel

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Vielfach werden Tabletten undDragees zerstoßen, um es für denBewohner leichter zu machen,die Medikamente zu schlucken.Kapseln werden oft geöffnet,und der Inhalt „lose“ eingege-ben. Aus der vorherigen Be -schreibung lässt sich jetzt ablei-ten, dass es dadurch in der Regelzu einer Veränderung der Wirk -weise, des Wirkmechanismusund damit auch zu Fehldo -sierungen kommt. Die Verän -derungen können zu einemWirkverlust, aber auch zu Wirk -erhöhung bis hin zu Vergif -tungen führen, wenn etwa ein„Retardprodukt“ plötzlich seineGesamtwirkung entfaltet. Beider beschriebenen Schwimm -kapsel führt die Zerstörungdazu, dass ein kleiner Teil desWirkstoffs im Magen aufgenom-men wird, der größte Teil aberschnell im Dünndarm ver-schwindet und verloren geht.Deshalb gilt in erster Linie dieGrundregel, dass Medikamentein ihrer Darreichungsform nichtverändert werden dürfen. Wennein Medikament geeignet ist,zerkleinert zu werden, wird nor-malerweise eine Bruchkerbe –wie bei der berühmten Spalt -tablette oder bei Beloc-zoc – ein-gelassen. Das garantiert, dassder Wirkstoff so verarbeitetworden ist, dass die Schutzhülleihn gleichmäßig erhält oder ent-sprechend abgibt. Zumeist han-delt es sich bei diesen Tablettenum Einzelteile, die zur besserenDosierung zusammengeklebtwurden und leicht trennbarsind.

unterliegt und nicht aufgenom-men wird.Besonders Bewohnern mitSchluckstörungen wird oft gera-ten, ihr Medikament mit Yog -hurt einzunehmen, damit esleichter rutscht. Für die Auf -nahme des Arzneistoffes ist dasfatal: Das Medikament mussentweder eine halbe Stunde vorden Mahlzeiten oder zwei Stun-den nach den Mahlzeiten einge-nommen werden, um eine aus-reichende Bioverfügbarkeit zugarantieren.Weniger Probleme macht dasklassische deutsche Frühstückmit Kaffee, Brötchen und Mar -melade. Damit wird die Re -sorption nicht behindert, jedochdurch den vollen Magen verzö-gert, was zu einem niedrigerenWirkspiegel führt.

Änderungen der Darreichungs-form sind gefährlich

Die Arzneimittel werden vonden Herstellern bewusst inbestimmten Formen angeboten.Die Form der Darreichung hängt

in den meisten Fällen mit derWirkweise und/oder mit derFreisetzung des Wirkstoffes zu-sammen. So haben viele Medi-kamente einen Überzug, damitsie magensaftresistent sind, sicherst im Dünndarm auflösen unddort den Wirkstoff abgeben.Dieser Überzug ist ein Schutz-mantel, um den Magen vor demWirkstoff zu schützen, oder zumSchutz des Arznei stoffs vor demsauren Milieu des Magens. Dasgilt in vielen Fällen auch fürKapseln. Darüber hinaus ent-halten Kapseln häufig dasMedikament als Perlen, die zueiner Verzögerung der Ab -sorption führen.

Viele Tabletten geben denWirkstoff in unterschiedlicherWeise, langsam, schneller odergleichbleibend ab, um so denSpiegel des Wirkstoffs im Blutzu erhalten oder zu steuern.Andere feste Arzneimittel ent-halten zum Beispiel ein Luft -polster, damit eine „Schwimm -kapsel“ entsteht, die immer aufdem Mageninhalt schwimmt. Sokann der Wirkstoff im Magenlangsam abgegeben werden.

„Die Einnahme von Medikamenten erfolgt am besten nüchtern –

wenn der Waschzettel nicht ausdrücklichetwas anderes vorgibt oder

Magenprobleme die Nüchterneinnahmeerschweren“

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Beispiel: Retard-Arzneimittelgarantieren in intaktem Zustandeine gleichmäßige Wirkstoff -abgabe mit gleichbleibendemWirkspiegel und Wirkweise.Wird durch Mörsern das Me -dikament verändert, kommt eszu einer hohen Wirkstoffan -flutung bis hin zu Vergiftungs -erscheinungen. Handelt es sichzum Beispiel um ein blutdruck-senkendes Mittel, kann es zuplötzlichem Blutdruckabfallkommen und dann wieder zueinem beschleunigten Anstieg –mit nicht unerheblichen Folgenfür den Patienten.Pflegende müssen sich mit denApothekern und Ärzten über dasEinnahmeverhalten und diemögliche Veränderung einesFertigarzneimittels absprechen,damit es nicht zu unerwünsch-ten Interaktionen oder Verän de-rungen in der Wirkweise kommt;sonst kann es zu Pro blemen bis

hin zu lebensgefährlichen Kom-plikationen kommen. Können Medikamente jedochnach Rücksprache mit den Fach -leuten gemörsert oder anderwei-tig verändert werden, so dürfendiese Veränderungen nur einzelnvorgenommen werden. Das be-deutet, dass jede Tablette ein-zeln gemörsert und verabreichtwird. Dann wird das Gefäß ge-reinigt bevor das nächs te Medi-kament zerkleinert wird. Aufkeinen Fall dürfen mehrere ver-schiedene Medikamente gleich-zeitig zerkleinert und verab-reicht werden, weil es dannimmer zu chemischen Prozessenkommt, von denen kaum jemandabsehen kann, was daraus wird.

Was tun bei Magensonde?

Besonders bei Personen mit PEGergibt sich oft die Frage, wieMedikamente verabreicht wer-

den sollen. Zunächst mussimmer geprüft werden, ob derWirkstoff in einer anderenApplikationsform vorliegt, zumBeispiel als Flüssigarznei, Spray,Sublingual- oder Lutschtab -lette, Brausetablette, Pflaster,Injektionslösung und so weiter.Vielfach kann auf andere Dar -reichungsformen zurückgegrif-fen werden. Apotheker könnenhier beraten und auch dieAbsprachen mit dem behandeln-den Arzt treffen.Nur wenn keine Alternativegefunden wird, soll mit denFachleuten (in erster Linie Apo -thekern/Pharmakologen) über-legt werden, ob das Medikamentin Wasser aufgelöst oder zerklei-nert werden kann, ohne seineWirkweise zu verändern. Darüber hinaus muss immerauch die Lage der Sonde be -rücksichtigt werden, damit dasArzneimittel garantiert dort

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ankommt, wo es aufgenommenwerden soll. Wird ein zerkleiner-tes Dragee, das ursprünglichmagensaftresistent ist, über dieSonde in den Magen gebracht,wird es dort von der Magensäurezerstört. Dieses Arzneimitteldarf also über die Sonde nurverabreicht werden, wenn diesenicht im Magen, sondern imDünn darm liegt.Empfohlen wird, die Magen -sonde vor und nach der Ver -abreichung der Medikamentemit Wasser zu spülen, damit esnicht durch zurückgebliebeneMedikamentenbestandteile zurVerstopfung der Sonde kommt.

Transdermale TherapeutischeSysteme (TTS)

Eine Innovation in der Arznei-mittelversorgung sind die so-genannte TTS (Trans dermaleTherapeutische Sys teme). Hier-bei handelt es sich um wirkstoff-haltige Pflaster, die einen Arz-neimittelwirkstoff über einenbestimmten Zeitraum mit einerfestgelegten, gleichbleibendenFreisetzung abgeben. Diese neueArzneiform ist im Namen desPräparates zu erkennen, zumBeispiel Estraderm-TTS . DieAufbewahrung soll unter 25°Cerfolgen. Es gibt je nach Wirkstoff vorge-schriebene Körperregionen zumAufkleben, die sich in der Pa -ckungsbeilage ablesen lassen.Die Körperstelle muss intakt,möglichst glatt, sauber, trockenund wenig behaart sein. Bei fort-gesetzter Therapie mit TTS istdie Körperregion, also dieAufbringstelle, zu wechseln. DieKlebefläche des Pflasters darfnach Entfernen der Schutzfolienicht berührt werden, weil diessonst zu einer Beschädigung derAbgabefläche führt. Die Mehr -

zahl der TTS verfügen über eingeschütztes Wirkstoffreservoir.Deshalb dürfen diese Pflasterauf keinen Fall zerschnittenwerden!

Da nach dem Entfernen des TTSvon der Haut noch ein erheb-licher Restgehalt an Wirkstoff inder Matrix verbleibt, empfiehltsich die Entsorgung zusammenmit Alt-Arzneimitteln über dieApotheke. Sie sind Sondermüllund dürfen keinesfalls über dieToilette oder den Hausmüll ent-sorgt werden.Zu beachten sind die jeweiligenHinweise, inwieweit Baden,Duschen oder Schwimmen mitsolchen TTS erlaubt ist, oder obeventuell mit einer Abdeckfolieder Pflasterbereich zu schützenist. Schwitzen führt erfahrungs-gemäß nicht zu einer Beein -träch tigung der Wirkung desSystems.Für die Pflegeperson ist zubeachten, dass bei Kontakt mitder Innenfläche Wirkstoffbe -standteile an den eigenen Hä n-den sind, weshalb unbedingtdarauf zu achten ist, die Händeschnell und gründlich zu wa -schen und bis dahin jedenKontakt mit den Augen und demMund zu vermeiden.

Im zweiten Teil geht es um das Fehler -management bei der Arzneimittelver -abreichung, die Zusammenarbeit mitApotheken und das Verblistern vonMedikamenten.

Literatur beim Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Siegfried HuhnKrankenpfleger für GeriatrischeRehabilitation und GerontopsychiatriePflegeberatung, Fortbildung,Qualitätssicherung E-Mail: [email protected]

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744 | SCHWERPUNKT Autorin: Elke Bachstein

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Gesetzliche Grundlage fürden Umgang mit Arznei -mitteln ist das Arzneimit -

telgesetz (AMG) und die Arznei -mittelverschreibungsverordnung(AMVV). Das Arzneimittelgesetzregelt den Verkehr mit Arz nei-mitteln im Interesse einer ord-nungsgemäßen und sicheren Arz-neimittelversorgung von Men-schen. Es dient insbesonderedazu, für die Qualität, Wirk -samkeit und Unbedenklichkeitder Arzneimittel zu sorgen.

Schriftliche Anordnungenerhöhen Patientensicherheit

Die Verordnung von Medika -menten im Rahmen von Diag -nostik und Therapie wird demoriginären Aufgabenbereich vonÄrzten zugeordnet – das Vor -bereiten, Stellen/Richten undVerteilen von Medikamentenhingegen zählt gem. § 3 Abs. 2Nr.2 KrPflG und § 3 Abs. 1 Nr. 2AltPflG zu den pflegerischenAufgaben.

Aus der allgemeinen Verschrei -bungs pflicht (§§ 48 AMG i. V. m.§ 2 AMVV) ergibt sich, dass ärzt-

liche Verordnungen bei ver-schreibungspflichtigen Medika -menten generell schriftlich zuerfolgen haben. Dies geschiehtüblicherweise mit Ausstellen desRezeptes durch den niedergelas-senen Arzt in ambulanten undstationären Pflegeeinrichtungensowie in ähnlicher Form durchden behandelnden Arzt durchEintrag in der Patientendoku -mentation in Krankenhäusern.Eine Ausnahme ist nach § 4AMVV dann zulässig, wenn dieAnwendung eines verschrei-bungspflichtigen Arzneimittelskeinen Aufschub duldet. In die-

sem Fall kann der Arzt denApotheker fernmündlich unter-richten und die Verschreibung inschriftlicher oder elektronischerForm nachreichen. Aus der Berufsordnung für diedeutschen Ärztinnen und Ärzteergibt sich eine grundsätzlicheDokumentationspflicht für ärzt-liche Aufzeichnungen, die je -doch keine Aussage zur schrift-lichen Anordnung trifft (§ 10Abs.1 MBO-Ä Muster-Berufs -ordnung für die deutschen Ärz-tinnen und Ärzte, Stand 2006).

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Der rechtssichere Umgang mit Arzneimittelnführt bei Pflegenden immer wieder zuUnsicherheiten. Insbesondere stellen sichimmer wieder Fragen zu bestimmtenProblembereichen wie der Verordnung von Arzneimitteln, dem Umgang mit Generika sowie zur Zulässigkeit vonBedarfsmedikation und telefonischenAnordnungen.

Medikamentengabe

Rechtliche Vorgaben beachten

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Die Schwester Der Pfleger 50. Jahrg. 08|11

dieses Pro -blem sehr kon-trovers diskutiert. So vertrittRoßbruch in seinem Aufsatz dieAuffassung, dass ohne das Vor -

liegen einer eindeutigenschriftlich fixierten ärzt -lichen Anordnung dieDurchführung der Maß -

nahme vom Pflege-personal aus haf-

tungsrechtlichenGründen abzu-lehnen ist (2).

Dieser Aus-legung wider-spricht Sträß -ner in seiner

Duplik auf Roß -bruch und führt

dazu aus, dass dieWahl der Form der

ärztlichen Anordnung impflichtgemäßen Ermessen desArztes liegt und ein Zwang zurBeachtung der Schriftform imAnordnungsverhalten des Arzteshaftungsrechtlich bedenklich ist(3). Ebenso schreibt Bergmannin der 2008 herausgegebenenStu die des DKI Neuordnung vonAufgaben des Ärztlichen Diens -tes: „Eine ärztliche Delegationbedarf aus Rechtsgründen nichtder Schriftform. Soweit diesesProblem in der pflegerechtlichenLiteratur aufgeworfen wird,wird die Bedeutung der Schrift -form verkannt. Sofern jedeDelegation einer ärztlichen Tä -tigkeit und eine Anweisungschriftlich erfolgen müsste, wür -de der Effekt einer Kosten er -sparnis und Arbeitserleichte -rung im Regelfall wieder aufge-hoben und lediglich ein formalerAspekt gewonnen. Das ärztlicheBerufsrecht und die ärztlicheSorgfaltspflicht verlangen ledig-lich, dass die Anordnung klarund eindeutig erfolgt und dieÜbertragung der Leistung zuläs-sig ist. Ein Schriftformerforder -nis wird nicht aufgestellt“ (4).Verzichtet ein Arzt auf dieSchriftlichkeit seiner Anord -

Münd-liche und

telefonischeAnordnungen in

Krankenhäusern sind keineSeltenheit, führen jedoch oft

zu Unsicherheiten beim Pflege -personal, ob sie dieser formlosenAnordnung folgen dürfen oderob sie erst dann tätig werdenkönnen, wenn eine schriftlicheVerordnung vorliegt, da Kom -mu nikationsfehler nie auszu-schließen sind.Eine gesetzliche Formvorschrift,wie im § 125 BGB geregelt, gibtes nicht (1). Es kann auch einemündliche Anweisung vor Ortoder per Telefon erfolgen, diejedoch unverzüglich vom anord-nenden Arzt in der entsprechen-den Dokumentation gegenge-zeichnet werden muss. Wie in der Praxis wird auchin der einschlägigen Literatur

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nung, ist dieser beweis- und dar-legungsverpflichtet, dass seineVerordnung richtig bei derzuständigen Pflegekraft ange-kommen ist. Damit könnenPflegekräfte grundsätzlich vonder korrekten Anordnung desArztes ausgehen. Im Falle einernicht schlüssigen Anordnungsteht der Pflegekraft zu, diese zuhinterfragen beziehungsweisemit der Durchführung abzuwar-ten, bis eine eindeutige Klärung– im Notfall auch durch Hin -zuziehung von Vorgesetzten –erfolgt ist. Sollte ein Arzt dieRichtigkeit der Dokumentationseiner Anordnung durch diePflegekraft anzweifeln, so ist erin der Verpflichtung, das Gegen -teil zu beweisen (5).

Das heißt für die Praxis, dassärztliche Anordnungen nichtunbedingt der Schriftform be -dürfen, andererseits handelt essich bei den meisten Medika -menten im Krankenhaus umverschreibungspflichtige Arz -nei mittel, so dass die Arz nei-mittelverschreibungsverordnunganalog angewandt werden könn-te.Um größtmögliche Sicherheitfür den Patienten/Bewohner zuerreichen und um Kommuni -kationsfehler mit entsprechen-den Folgen für alle Beteiligtenzu vermeiden, sollte in der Regeleine schriftliche Verordnung er -folgen. In einer entsprechendenDienstanweisung des Trägerskönnte die sinnvollste Verfah -rensweise für das Haus geregeltwerden.Viele Krankenhäuser verwendenmittlerweile schon die elektroni-sche Patientenakte (EPA), in deralle Anordnungen nachverfolg-bar eingegeben werden können.Damit dürfte dieses umstritteneThema zumindest in den Kran -kenhäusern in absehbarer Zeitabgeschlossen sein.In der Zwischenzeit sollte die inder Praxis bewährte Vorgehens -weise bei telefonischer Anord -nung beibehalten werden: dieAnordnung wiederholen, diesesofort schriftlich mit dem Ver -merk „telefonische Anordnung(TA) von Dr. …“ mit Datum undUhrzeit fixieren, vorlesen und

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gleiche qualitative und quanti-tative Zusammensetzung ausWirkstoffen und die gleicheDarreichungsform wie dasReferenzarzneimittel aufweistund dessen Bioäquivalenz mitdem Referenzarzneimittel durchgeeignete Bioverfügbarkeits -studien nachgewiesen wurde (7).Obwohl die Wirkstoffe identischsind, können sich Generika vomOriginalpräparat in Bezug aufenthaltene Hilfsstoffe undHerstellungstechnologie (Ad -ditiva, Galenik) unterscheidenund unter Umständen dadurchauch anders wirken. In der Regelsind diese Arzneimittel erheb-lich billiger als das Original -produkt und werden aus Kos -tengründen vermehrt verordnet.

Apotheker sind nach § 129 SGBV („Aut-idem-Regelung“) beider Abgabe verordneter Arznei -mittel an Versicherte zur Abgabeeines preisgünstigen Arznei -mittels verpflichtet, wenn derverordnende Arzt ein Arznei -mittel nicht unter seinem Han -delsnamen, sondern nur unterseiner Wirkstoffbezeichnungverordnet hat oder die Ersetzungdes Arzneimittels durch einwirkstoffgleiches Arzneimittelnicht ausgeschlossen hat. Wird ein Arzneimittel durch einwirkstoffgleiches Arzneimittelersetzt, haben die Apotheken einArzneimittel abzugeben, das mitdem verordneten in Wirkstärkeund Packungsgröße identischsowie für den gleichen Indi -kationsbereich zugelassen ist,und ferner die gleiche oder eineaustauschbare Darreichungs -form besitzt. Der Gemeinsame Bundesaus -schuss gibt in der Arzneimittel-Richt linie Hinweise zur Aus -tauschbarkeit von Darreichungs -formen unter Berücksichtigungihrer therapeutischen Vergleich -barkeit (8).Empfehlung der Bundesapothe -kerkammer: „Sofern die Medi -kation geändert wird, obliegtdem Arzt die Information desPflegepersonals, um die entspre-chende Korrektur der Pflegedo -kumentation zu gewährleisten.Werden nach Rücksprache mit

dem Pflegepersonal bei nichtverschreibungspflichtigen Arz -neimitteln beziehungsweise mitdem Arzt bei Vorliegen einerVerordnung Änderungen derMedikation vorgenommen oderwird das verordnete Arznei -mittel aufgrund der Bestim -mungen des § 129 Abs. 1 Satz 1Nr. 1 SGB V ausgetauscht („autidem“), ist der Lieferung ein ent-sprechender Informationsbogenbeizulegen (9).“ Das Verschrei -ben von Medikamenten gehörtausschließlich zu den ärztlichenTätigkeiten (10), eine Delegationauf Pflegekräfte, auch in Formdes Heraussuchens des entspre-chenden Medikamentes aus ei -ner Liste, ist daher nicht zu -lässig, weil ein Erkennen des Un -terschiedes in der Galenik undder Beigabe von Additiva spe-zielle pharmakologische Kennt -nisse voraussetzt, die von einerPflegekraft nicht erwartet wer-den können (11).Es muss eindeutig erkennbarsein, um welches Präparat essich handelt (zum Beispiel Aus -tauschliste, Dokumentation desWirkstoffnamens, Kenn zeich -nung der Generikumspackungmit dem Namen des Original -präparates) (12). Die Pflegeein -richtung ist in der Pflicht, imRahmen ihrer Organisations -verantwortung den Umgang mitGenerika zu regeln. Dasselbegilt im Prinzip auch für Kran -kenhäuser.

Die Indikation einer Bedarfs-medikation muss eindeutig sein

Das Anordnen einer Bedarfs -medikation ist rechtlich nichtunproblematisch, da es sichunter Umständen um Ausübungvon Heilkunde handeln kann,die zur Zeit nur Ärzten vorbe-halten ist. Eine generelle An -weisung „bei Bedarf“, ohne wei-tere Konkretisierung, ist dahernicht zulässig. In den Qualitäts -prüfungs-Richtlinien des MDKmuss in der Pflegedokumen -tation festgehalten sein, bei wel-chen Symptomen, welches Medi -kament in welcher Einzel- undbis zu welcher Tageshöchst do -sierung zu verabreichen ist (13).

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bestätigen lassen und mit demVermerk „VGU“ (= vorgelesenund genehmigt) versehen.Auch in stationären Pflegeein -richtungen und ambulantenDiensten sollten telefonischeAnordnungen die Ausnahmedarstellen, lassen sich aber nichtimmer vermeiden. In diesenFällen sind folgende Alterna -tiven möglich: Der Arzt über-mittelt die Änderung per Faxoder die Einrichtung faxt einentsprechendes Formblatt an diePraxis mit der Bitte um schrift-liche Bestätigung. Sollte diesalles nicht möglich sein, mussvom Pflegepersonal die Ände-rung in der Dokumentation vor-genommen und mit der Be -merkung „telefonische Anord -nung von Dr. ...“ mit Datum undUhrzeit und dem Vermerk„VGU“ ergänzt werden, nach-dem dem Arzt die Verordnungvorgelesen wurde und er dies sobestätigt hat. Beim nächstenHausbesuch muss diese Ände-rung vom Arzt abgezeichnetwerden. Dies ist zwingend not-wendig, damit die erbrachteLeistung abgerechnet werdenkann und den Pflegekräftenkeine eigenmächtige Heilbe -hand lung unterstellt wird. DieGegenzeichnungspflicht desArztes sollte durch Koopera -tionsvereinbarungen zwischenden Einrichtungsträgern unddem niedergelassenen Arzt si -chergestellt werden (6).

Generika spielen eine immer wichtigere Rolle

Das Europäische Parlament de -finiert den Begriff Generikumals ein Arzneimittel, das die

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Eine Bedarfsmedikation kannunter der Voraussetzung ange-ordnet werden, dass der behan-delnde Arzt Folgendes zuvorschriftlich dokumentiert hat:

Name des Patienten/Bewoh -ners,

eindeutige Bezeichnung desverordneten Medikaments,

Umstände zur Verabreichung(Bedarfsfall) müssen konkreti-siert sein,

die maximale Einzeldosis undTageshöchstdosis sowie eventu-elle Intervalle müssen angege-ben sein, zum Beispiel eine Kap -sel innerhalb von vier Stunden,maximal zwei Kapseln inner-halb von 24 Stunden.

Bei der Verordnung von Medi -kamenten handelt es sich grund-sätzlich um eine ärztliche Tä -tigkeit, die nicht auf Pflege -personal delegiert werden kann.Die ärztliche Entscheidung, einbestimmtes Medikament demPatienten/Bewohner zu verord-nen, muss alle dafür notwendi-gen Informationen umfassenund darf keinen Zweifel zulas-sen. Es ist nicht zulässig, dass esbei einer Bedarfsmedikationdem Pflegepersonal obliegt, an -hand eigener Diagnoseentschei -dung festzulegen, ob es notwen-dig ist, dass der Patient diesesMedikament bekommt und inwelcher Dosierung. Aus rechtli-cher Sicht ist diese Vorgehens -weise als unzulässiges Ausübender Heilkunde anzusehen undkönnte strafrechtliche Konse -quenzen zur Folge haben. Es istAufgabe des Arztes, klare undeindeutige Handlungsanweisun-gen in Bezug auf die Bedarfs-me dikation zu geben (14). ImZwei fel muss sich ein Arzt vomZustand des Patienten/Bewoh -ners überzeugen, da Ferndiag -nosen nicht zulässig sind (15).Verordnungen, die diesen stren-gen Anforderungen nicht ge -recht werden, sollten nicht aus-geführt werden. Die zulässigeAblehnung in diesen Fällenstellt arbeitsrechtlich keine Ar -beitsverweigerung dar, da Ar -beitnehmer keine Tätigkeitenausführen müssen, die unterUmständen zum Schaden desPatienten/Bewohners sind.

Fazit

Sowohl mündliche als auch tele-fonische Anordnungen sind nichtunzulässig, sollten aber aus Qua -litätssicherungsgründen nichtdie Regel sein; sondern derSchriftform ist der Vorzug zugeben. Ebenso kann eine Be -darfsmedikation unter den zu -vor genannten Bedingungen er -folgen und anstatt des Referenz -präparates können Generika zumEinsatz kommen, wenn sicher-gestellt ist, dass diese eindeutigzuzuordnen sind.

Literatur:

(1) Sträßner, Heinz: Haftungsrecht fürPflegeberufe, Kohlhammer Verlag, Stutt -gart 2006, S. 300(2) Roßbruch, Robert: Replik auf Sträßner –Rechtsfragen der Telefonnutzung in derPflege, Pflegerecht 08/2004(3) Sträßner, Heinz: Duplik auf Roßbruch –Zur Anordnungs- und Dokumentations ver -ant wortung des Arztes, Pflegerecht 03/2005(4) Bergmann, Karl-Otto: Die juristischeProblemstellung Kapitel 5 S.56 ff in Neu -ordnung von Aufgaben des ÄrztlichenDienstes DKI 2008(5) Sträßner, Heinz: a.a.O. S. 301(6) Sträßner, Heinz: Duplik auf Roßbruch –Zur Anordnungs- und Dokumentations ver -antwortung des Arztes, Pflegerecht03/2005 (7) Richtlinie 2001/83/EG des EuropäischenParlaments und des Rates vom 6. No -vember 2001 zur Schaffung eines Ge mein -schaftskodexes für Humanarznei mittelArtikel 10 Abs. 2 b(8) http://www.g-ba.de/institution/sys/glossar/11/(9) Empfehlungen der Bundesapotheker -kammer zur Qualitätssicherung Versor -gung der Bewohner von Heimen 2009(10) Persönliche Leistungserbringung –Möglichkeiten und Grenzen der Delegationärztlicher Leistungen Stellungnahme derBundesärztekammer und der Kassen -ärztlichen Bundesvereinigung Stand:29.08.2008(11) Gaibler, Tonja; Trengler, Christine:Rechtliche Grundprinzipien bei arbeitsteili-gem Zusammenwirken im Verhältnis Arzt-Pflegekraft in: Berg; Ulsenheimer; Pa -tientensicherheit, Arzthaftung, Praxis- undKrankenhausorganisation, Springer Ber lin2006, S. 117(12) Qualitätsprüfungs-Richtlinien Trans -parenz vereinbarung 2009, MDK-Anleitungstationär S. 140(13) http://www.mds-ev.org/media/pdf/2010-02-16-MDK-Anleitung_stationaer(1).pdf(14)http://www.wernerschell.de/Rechtsalma-nach/…/Bedarfsmedikation01.pdf(15) Bachstein, Elke: Brennpunkt Medika -mentengabe, DBfK 2003, S. 16

Anschrift der Verfasserin:

Elke Bachstein, Krankenschwester, JuristinHeerstraße 11, 14052 BerlinE-Mail: [email protected]

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