24
Britische Empfehlungen zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit Seite 15 Antikoagulation vor und nach elektiven chirurgischen Eingriffen . . . Seite 15 Behandlung von Paracetamol-Vergiftungen Seite 17 Stufentherapie bei Zytostatika-bedingtem Erbrechen Seite 2 Anaphylaktoide Reaktionen Seite 4 Medikamentöse Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen Seite 8 Langwirksame Antirheumatika – wo einsetzen? Seite 9 Mibefradil – Calciumkanalblocker einer neuen Generation Seite 17 Metoclopramid Seite 20 Warn-Signale Seite 11 Unser Spontanerfassungssystem – das unbekannte Wesen Seite 12 Kreislaufkollaps unter Venlafaxin Seite 12 Mitteilungen der AkdÄ im Deutschen Ärzteblatt Seite 14 Kontrolle der Blutdrucktherapie durch konventionelle oder maschinelle Messung Seite 22 Bedroht ein wachsender Arzneimittelmarkt die Qualität der Arzneimittelverschreibung? Seite 22 Keine klinische Wirksamkeit von Tocopherol und Betacaroten Seite 23 Arzneimittelverbrauch während der Schwangerschaft Seite 23 Chlamydia pneumoniae und koronare Herzkrankheit Seite 24 Randomisierte Behandlung von koronarkranken Patienten mit Roxithromycin Seite 24 Arzneiverordnung in der Praxis Impressum Redaktion: Prof. Dr. med. D. Höffler (v.i.S.d.P.); Prof. Dr. med. K.-O. Haustein; Prof. Dr. med. H. Ippen; Prof. Dr. med. U. Schwabe; J. D. Tiaden, Arzt und Apotheker; M. Voss, Arzt; E. Besche; R. Bartscherer Anschrift der Redaktion: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte- schaft, Vorsitzender: Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen, Geschäftsführer: Dr. med. K.-H. Munter Postfach 41 01 25, 50861 Köln, Telefon: 02 21 / 40 04 -525, Telefax: 02 21 / 40 04 -539 ISSN 0939-2017 Realisation und Vertrieb: nexus GmbH, Aachener Str. 6, 40223 Düsseldorf, Telefon: 02 11 / 905 35 86, Telefax: 02 11 / 905 36 36 Layout: Jentzsch u. Jentzsch, Düsseldorf Druck: W.A. Meinke, Düsseldorf Abonnement: Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für 4 Ausgaben AVP einschl. 4 Sonderhefte Thera- pieempfehlungen beträgt DM 58,– (für Studen- ten/AiP: DM 35,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-Anforderung richten Sie bitte an die Arzneimittelkommission. Wir möchten darauf hinweisen, daß die in „Arzneiver- ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationen prinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie in jeder anderen Zeitschrift – haben. Die gemäß Arznei- mittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu veröffentlichenden Therapie- empfehlungen in ihrer aktuellen Fassung werden als solche gekennzeichnet. Herausgegeben von den Mitgliedern der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Doppelausgabe 4/1997 u.1/1998 / Januar 1998 Aus der Praxis – Für die Praxis Therapie aktuell Neue Arzneimittel – kritisch betrachtet Die preisgünstige Verordnung Unerwünschte Arzneimittelwirkungen – vorbeugen, erkennen, behandeln … was uns sonst noch auffiel In dieser Ausgabe… . . . Beiträge zur medikamentö- sen Therapie des Zytostatika- bedingten Erbrechens und ana- phylaktoider Reaktionen . . ., . . . Informationen zum neuen Calciumkanalblocker Mibefradil. . . . . . und im Preisvergleich: Metoclopramid. ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT

Arzneiverordnung in der Praxis (AVP), Ausgabe 1, Januar 1998

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Page 1: Arzneiverordnung in der Praxis (AVP), Ausgabe 1, Januar 1998

Britische Empfehlungen zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit Seite 15Antikoagulation vor und nach elektiven chirurgischen Eingriffen... Seite 15Behandlung von Paracetamol-Vergiftungen Seite 17

Stufentherapie bei Zytostatika-bedingtem Erbrechen Seite 2Anaphylaktoide Reaktionen Seite 4Medikamentöse Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen Seite 8Langwirksame Antirheumatika – wo einsetzen? Seite 9

Mibefradil – Calciumkanalblocker einer neuen Generation Seite 17

Metoclopramid Seite 20

Warn-Signale Seite 11Unser Spontanerfassungssystem – das unbekannte Wesen Seite 12Kreislaufkollaps unter Venlafaxin Seite 12Mitteilungen der AkdÄ im Deutschen Ärzteblatt Seite 14

Kontrolle der Blutdrucktherapie durch konventionelle oder maschinelle Messung Seite 22Bedroht ein wachsender Arzneimittelmarkt die Qualität der Arzneimittelverschreibung? Seite 22Keine klinische Wirksamkeit von Tocopherol und Betacaroten Seite 23Arzneimittelverbrauch während der Schwangerschaft Seite 23Chlamydia pneumoniae und koronare Herzkrankheit Seite 24Randomisierte Behandlung von koronarkranken Patienten mit Roxithromycin Seite 24

Arzneiverordnungin der Praxis

ImpressumRedaktion:Prof. Dr. med. D. Höffler (v.i.S.d.P.); Prof. Dr. med. K.-O. Haustein; Prof. Dr. med. H. Ippen; Prof. Dr. med. U. Schwabe; J. D. Tiaden, Arzt und Apotheker; M. Voss, Arzt;E. Besche; R. Bartscherer

Anschrift der Redaktion:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte-schaft, Vorsitzender: Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen, Geschäftsführer: Dr. med. K.-H. MunterPostfach 41 01 25, 50861 Köln, Telefon: 02 21 / 40 04 -525, Telefax: 02 21 / 40 04 -539ISSN 0939-2017

Realisation und Vertrieb:nexus GmbH, Aachener Str. 6, 40223 Düsseldorf,Telefon: 0211/9053586, Telefax: 0211/9053636Layout: Jentzsch u. Jentzsch, DüsseldorfDruck: W.A. Meinke, Düsseldorf

Abonnement:Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für4 Ausgaben AVP einschl. 4 Sonderhefte Thera-pieempfehlungen beträgt DM 58,– (für Studen-ten/AiP: DM 35,–; Nachweis erforderlich). IhreAbo-Anforderung richten Sie bitte an die Arzneimittelkommission.

Wir möchten darauf hinweisen, daß die in „Arzneiver-ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationenprinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie injeder anderen Zeitschrift – haben. Die gemäß Arznei-mittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzteund Krankenkassen zu veröffentlichenden Therapie-empfehlungen in ihrer aktuellen Fassung werden alssolche gekennzeichnet.

Herausgegeben von den Mitgliedern der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Doppelausgabe 4/1997 u.1/1998 / Januar 1998

Aus der Praxis – Für die Praxis

Therapie aktuell

Neue Arzneimittel – kritisch betrachtet

Die preisgünstige Verordnung

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen – vorbeugen, erkennen, behandeln

… was uns sonst noch auffiel

In dieser Ausgabe…

. . .Beiträge zur medikamentö-sen Therapie des Zytostatika-bedingten Erbrechens und ana-phylaktoider Reaktionen. . .,

. . . Informationen zum neuen CalciumkanalblockerMibefradil. . .

. . .und im Preisvergleich:Metoclopramid.

ARZNEIMITTELKOMMISSIONDER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT

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2 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Therapie aktuell

Stufentherapie bei Zytostatika-bedingtemErbrechenBei einer Therapie mit Zytostatika sindfür den Patienten Übelkeit und Er-brechen oft die schlimmsten Neben-wirkungen. Deshalb ist eine effektiveantiemetische Therapie der entschei-dende Beitrag zur Lebensqualität. DieKenntnis patientenindividueller Fakto-ren und des emetogenen Potentials dereingesetzten Zytostatika stellen dieBasis der Planung einer antiemetischenStufentherapie dar.

Differentialdiagnostisch muß auch anandere häufige Ursachen von Erbrechenbei Krebskranken gedacht werden: Hirn-und Lebermetastasierung, gastrointesti-nale Obstruktion, Soorbefall des oberenGastrointestinaltraktes, Sepsis, Hyper-kalzämie, metabolische Störungen sowiedas Tumorlysesyndrom. Die emetogeneWirkung der verschiedenen Zytostatikaist der Tabelle 2 zu entnehmen.

Individuell sind als erhöhtes Emesis-Risiko zu bewerten: Alter unter 50 Jah-ren, weibliches Geschlecht, fehlender(!)Alkoholabusus mit mehr als 100 g täg-lich, Vorerfahrung mit Übelkeit undErbrechen und reduzierter Allgemein-zustand. Finden sich mindestens dreidieser Kriterien, ergibt sich ein indivi-duell ungünstiges Emesis-Risiko.

Akutes Erbrechen – Klinik undPathophysiologieDer Beginn setzt meist 1 bis 6 Stundennach Zytostatikaapplikation ein undhält bis zu 1 bis 2 Tagen an. Eine Schä-digung der enterochromaffinen Zellender intestinalen Mukosa durch Zytosta-tika- oder Strahlentherapie führt zurSerotoninfreisetzung und Erregung vonSerotoninrezeptoren des Subtyps 3 (5-HT3-Rezeptoren), die in hohen Konzen-trationen peripher im Gastrointestinal-trakt, in Leber und Gefäßen, zentral inder Area postrema (Kerngebiet desHirnstammes mit der Chemotherapie-

Triggerzone) vorkommen. Über vagaleAfferenzen wird das Brechzentrum akti-viert. Dort werden auch Afferenzen desVestibularapparates und der höherenkortikalen Strukturen verarbeitet undder Brechreflex koordiniert.

Akutes Erbrechen – Wirkstoffeund TherapieAus der Pathophysiologie leiten sich dierelevanten Wirkstoffgruppen entspre-chend ihrer rezeptorblockierendenEigenschaften ab, jedoch mit unter-schiedlicher Bindungsaffinität, häufigan mehrere Rezeptortypen.

• Histamin-H1-Rezeptor-Antagoni-sten: Dimenhydrinat (Vomex A® u.a.),Meclozin (Bonamine® u.a.).

• Dopamin-D2-Rezeptor-Antagoni-sten: Phenothiazine wie Levomepro-mazin (Neurocil® u.a.) und Triflupro-mazin (Psyquil® u. a.), Butyrophe-none wie Haloperidol (Haldol® u.a.),Droperidol (Dehydrobenzperidol®

u. a.) und Domperidon (Motilium®)und substituierte Benzamide wieMetoclopramid (Gastrosil® u.a.) undAlizaprid (Vergentan® u.a.).

• 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten:Odansetron (Zofran®), Granisetron(Kevatril®) und Tropisetron(Navoban®).

• Co-Antiemetika: Benzodiazepine wieLorazepam (Tavor® u.a.), Dikalium-clorazepat (Tranxilium®), Diazepam(Valium® u.a.).

• Glucocorticoide wie Dexamethason(Fortecortin® u.a.) und Methylpredni-solon (Urbason® u.a.).

Auch nach Einführung der selektiven 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten stellt eineMonotherapie mit Metoclopramid oderAlizaprid die antiemetische Standardbe-handlung für schwach bis mittelgradigemetogene Zytostatika oder die Strah-lentherapie dar. Hiermit kann das Er-brechen komplett verhindert oder zu-friedenstellend beherrscht werden. Inhöheren Dosen wird der Einsatz vonMetoclopramid ausgeprägter als beiAlizaprid durch Nebenwirkungen(extrapyramidale Symptome, Somno-lenz, Diarrhoe, Unruhe, Kopfschmer-zen) begrenzt. Durch die Kombinationvon Dopamin-D2-Antagonisten (z.B.Metoclopramid oder Alizaprid) mit Ben-zodiazepinen und vor allem mit Dexa-methason läßt sich die Dosis reduzierenund die Toxizität vermindern.

Tabelle 1: Kombinationsmöglichkeiten von Antiemetika

Primäres Antiemetikum Wirkungssteigerung mit

Metoclopramid/Alizaprid Dexamethason, Scopolamin (?)

Phenothiazin/Butyrophenon Dexamethason

5-HT3-Antagonist Dexamethason, Phenothiazine,Butyrophenone, Benzodiazepine

Dexamethason Benzodiazepine

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3Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Die 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten zeig-ten in mehreren randomisierten Studi-en eine höhere Wirksamkeit als hoheDosen von Metoclopramid. Durch Zuga-be von Dexamethason zu einer hochdo-sierten Metoclopramid- oder Alizaprid-Therapie kann bei hoch emetogenenZytostatikatherapien eine ähnlich hoheWirksamkeit von 70 bis 80% wie miteinem 5-HT3-Rezeptor-Antagonistenerreicht werden. Eine weitere Steige-rung der antiemetischen Wirkung auf80 bis 90% Effektivität bei sehr hochemetogenen Therapien ist mit einerKombination von 5-HT3-Rezeptor-Anta-gonisten mit Dexamethason und Benzo-diazepinen oder Phenothiazinen erziel-bar.

5-HT3-Rezeptor-Antagonisten

Der antiemetische Effekt einer hochdo-sierten Metoclopramid-Therapie beruhtauf einer Teilblockade der 5-HT3-Rezep-toren. Mit diesem Wissen wurden dieselektiven 5-HT3-Rezeptor-Antagoni-sten Ondansetron, Granisetron und Tro-pisetron entwickelt. Sie sind vergleich-bar stark antiemetisch wirksam (es feh-len allerdings direkte Vergleichsstudien)und haben ein ähnliches Nebenwir-kungsprofil (Kopfschmerzen 9 bis 15%,Obstipation ca. 4%). Unterschiede erge-ben sich im Dosierungsintervall (s.Tabelle 2). Der wesentliche Fortschrittdieser Substanzgruppe: hocheffektiv,nebenwirkungsarm, dadurch oraleambulante Therapie möglich.

Sonderformen des ErbrechensVerzögertes Erbrechen: In ca. 60%kommt es 36 bis 72 Stunden z.B. nachCisplatingabe (geringer ausgeprägtauch nach Cyclophosphamid) zu erneu-ter Übelkeit und Erbrechen, anhaltendbis zu 7 Tagen. Zur Prophylaxe emp-fiehlt sich die Kombination Metoclopra-mid oder Alizaprid mit Dexamethason.Die Therapie mit 5-HT3-Rezeptor-Anta-gonisten ist weitgehend wirkungslos.

Antizipatorisches Erbrechen: Eine vonAnfang an effektive antiemetische The-rapie ist der beste Weg, diesen psycho-gen konditionierten Zustand zu verhin-

Schwache emetogene Wirkung:Vinblastin, Vindesin, Methotrexat, Fluorouracil, Busulfan, Chlorambucil, Melphalan, Procar-bacin, Bendamustin, Mitomycin C, Cyclophosphamid oral, Hydroxycarbamid, Fludarabin,Docetaxel, PaclitaxelStrahlentherapie: extraabdominelle FelderTherapie: bei günstigem Individualrisiko keine Therapie, bei ungünstigem IndividualrisikoStufe 1

Mittelgradige emetogene Wirkung:Carboplatin, Epirubicin, Mitoxantron, Ifosfamid, Etoposid, CytarabinStrahlentherapie: partielles AbdomenTherapie: bei günstigem Individualrisiko Stufe 2, bei ungünstigem Individualrisiko Stufe 3

Hochgradige emetogene WirkungCisplatin < 50 mg/m2, Carmustin, Lomustin, Cyclophosphamid i.v., Actinomycin D, Doxoru-bicin, DaunorubicinStrahlentherapie: HalbkörperbestrahlungTherapie: bei günstigem Individualrisiko Stufe 3, bei ungünstigem Individualrisiko Stufe 4

Sehr hochgradige emetogene Wirkung:Cisplatin > 50 mg/m2, Dacarbacin, ChlomethinStrahlentherapie: Ganzkörperbestrahlung, gesamtes Abdomen mit Strahleneinwirkung aufDünndarmTherapie: bei günstigem Individualrisiko Stufe 5, bei ungünstigem Individualrisiko Stufe 6

Therapiestufe 1:Metoclopramid: 3–4 x 10–20 mg p.o.

oder Alizaprid: 3–4 x 50–100 mg p.o.Bei Versagen: Stufe 2

Therapiestufe 2:Dexamethason: 8 mg i.v. oder 3 x 4 mg p.o.

undMetoclopramid: 3–4 x 10–20 mg p.o. oder Alizaprid: 3–4 x 50–100 mg p.o.Therapiedauer: 1–2 Tage

Therapiestufe 3:Dexamethason: 8 mg i.v.

undDikaliumclorazepat: 25–50 mg i.v.

undAlizaprid: 3–4 x 2,5–7,5 mg/kgKG i.v. oder

Metoclopramid: 3–4 x 0,5–1,5 mg/kgKGWeiterbehandlung: ab 3. Tag R Stufe 2, ab 4.–5. Tag R Stufe 1

Therapiestufe 4:Am Vorabend: Benzodiazepin p.o.Dexamethason: 8 mg i.v.

undAlizaprid: 5 x (alle 2 Std.) 7,5–15 mg/kgKG i.v. oder

Metoclopramid: 5 x (alle 2 Std.) 2 mg/kgKG i.v.und

Lorazepam: 2–3 x 1 mg p.o.Weiterbehandlung: ab 3. Tag R Stufe 2, ab 4.–5. Tag R Stufe 1

Therapiestufe 5:Am Vorabend: Benzodiazepin p.o.

5-HT3-Rezeptor-Antagonist (Dos. s. u.)undDexamethason: 8 mg i.v.und

Lorazepam: 3 x 1 mg p.o.Weiterbehandlung: ab 3. (–7.) Tag R Stufe 2

Therapiestufe 6:Am Vorabend: Benzodiazepin p.o.

5-HT3-Rezeptor-AntagonistundDexamethason: 8–20 mg i.v.und

Dikaliumclorazepat 2 x 25 mg i.v.Weiterbehandlung: ab 3. (–7.) Tag R Stufe 2

Dosierung von 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten:• Ondansetron: 2–3 x tgl. 0,15 mg/kg i.v. oder 8 mg i.v. oder 8 mg p.o.• Granisetron: 1–2 x tgl. 0,04 mg/kg i.v. oder 3 mg i.v. oder 1,0–3,0 mg p.o.• Tropisetron: 1 x tgl. 5 mg i.v. oder 5 mg p.o.

Alle Dosierungsangaben beziehen sich auf die Anwendung bei Erwachsenen.

Tab. 2: Emetogene Wirkung und Beispiel einer risikoadaptiertenantiemetischen Stufentherapie (mod. nach BREMER)

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dern. Ist das Erbrechen erst eingetreten,sind psychologische und verhaltensthe-rapeutische Maßnahmen, ggf. anxiolyti-sche Pharmaka, indiziert.

Literatur:

1. BREMER, K.: Individuelle risikoadap-tierte antiemetische Stufentherapie.Dtsch. Med. Wschr. 119, 598–604(1994)

2. GRUNSBERG, S.M., P. J. Hesketh.: Control of chemotherapy-inducedemesis. New Engl. J. Med. 329,1790–1797 (1993)

3. FRITZE, D., K. M. Josten: Antiemeti-sche Therapie. In D. Fritze (Hrsg.): Palliative Krebsbehandlung, Zuck-schwerdt, München 1996, S. 275f.

Dr. med. Hans HarjungBessunger Str. 10164347 Griesheim

Gegengelesen von Prof. Dr. med. P.Drings, Heidelberg, und Prof. Dr. med.D. Fritze, Darmstadt

FAZITEine individuelle risikoadaptierte Stu-fentherapie gewährleistet unter Ver-wendung der „konventionellen“ Stan-dardantiemetika (D2-Antagonisten,H1-Antihistaminika) als Monotherapieoder in Kombination mit Dexamethasonund/oder Benzodiazepinen zumeisteine effektive Antiemese. Treten intole-rable Nebenwirkungen auf oder mußdie Antiemese bei hoch oder sehr hoch emetogenen Chemo- oder Radio-therapieverfahren durchgeführt wer-den, sind die noch teuren 5-HT3-Rezep-tor-Antagonisten indiziert.Die Standardempfehlungen von BREMER (1) sind ein praktikables Bei-spiel einer solchen Stufentherapie(Tabelle 2) mit dem Ziel, therapeutischeFehlschläge und unnötige Kosten zuvermeiden.

Anaphylaktoide ReaktionenEinleitung

Der Begriff Anaphylaxie wurde im Jahre1902 von den Franzosen Richet undPortier geprägt, die beim Versuch derImmunisierung von Hunden mit See-anemonenextrakt bei einer Reinjektioneine tödliche Überempfindlichkeitsreak-tion beobachteten und diese als„Schutzlosigkeit“ (= Anaphylaxie) ansa-hen. Heute versteht man unter eineranaphylaktischen Reaktion die denganzen Organismus betreffende Maxi-malvariante der allergischen Sofortre-aktion. Im klassischen Sinne ist derAnaphylaxie-Begriff damit auf die IgE-vermittelte Sofortreaktion beschränkt.Aber auch andere Mechanismen könnenklinisch nahezu identische Symptomehervorrufen, ohne daß eine Sensibilisie-rung und die Bildung von IgE-Antikör-pern vorausgegangen sind, d.h., die Sym-ptome können auch bereits beim erstenKontakt auftreten. Solche Mechanis-men sind z.B. die „Immunkomplexana-phylaxie“ durch zirkulierende IgG- oderIgM-Antikörper oder die nichtimmuno-logische Überempfindlichkeit im Sinneder Pseudoallergie. Dabei werden dieMediatoren direkt oder durch Komple-mentaktivierung aus den Mastzellenfreigesetzt. Wurden speziell diese Reak-tionen früher als „anaphylaktoid“bezeichnet und Anaphylaxie als über-

greifender Sammelbegriff verwendet, sofavorisiert die 1994 abgehaltene inter-disziplinäre Konsensuskonferenz (1) dieBezeichnung „anaphylaktoide Reaktio-nen“ zur allgemeinen Beschreibungakuter Unverträglichkeitsreaktionenmit den Symptomen einer Anaphylaxie,ohne daß damit eine Aussage über denPathomechanismus verbunden ist. MitBlick auf die Therapie ist eine solcheVerallgemeinerung sicher möglich. Fürdie Pathogenese, Diagnostik, Prophyla-xe und Prognose muß aber stets eineDifferenzierung angestrebt werden.

Schwere und lebensbedrohliche ana-phylaktoide Reaktionen sind relativ sel-ten. Skandinavische Studien gehen voneiner jährlichen Inzidenz von 1,1–3,2pro 100.000 Einwohner aus. Verant-wortlich dafür sind vorwiegend Medika-mente, wie z.B. Antibiotika, perioperativangewandte Substanzen (Volumener-satzmittel!), nichtsteroidale Antirheu-matika und Allergenextrakte. Danebenspielen Röntgenkontrastmittel, Latex,Insektengifte und Nahrungsmittel einebesondere Rolle. Vergleicht man dieAngaben zur Häufigkeit der Reaktionenauf Volumenersatzmittel zwischen 1977(3) und 1994 (2), scheint eine deutlicheZunahme ablesbar zu sein. Todesfälle alsFolge anaphylaktoider Reaktionen sindweitaus seltener.

IgE-Allergen-InteraktionKomplementaktivierung

Direkte Mediatorfreisetzungf e d

Vasodilatation Bronchialobstruktion Kardiotoxizität:erhöhte vaskuläre Larynxödem – Arrhythmie

Permeabilität Lungenödem – IschämieVomitus, Diarrhoe – negative Inotropie

DIC, Blutunge

HYPOXIEe

AZIDOSEe

b dHYPOVOLÄMIE HERZVERSAGEN

d fAnaphylaktoide Reaktion

Abb. 1: Pathogenese anaphylaktoider Reaktionen

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Pathogenese

Pathogenetisch wird die klassische, IgE-vermittelte Anaphylaxie von den kli-nisch oft nicht zu unterscheidenden,durch andere Mechanismen ausgelöstenpseudoallergischen Reaktionen abge-grenzt. Bei der klassischen Anaphylaxieführt die Interaktion von an der Ober-fläche von Effektorzellen (Mastzellen,basophile Granulozyten und anderenEntzündungszellen) fixierten spezifi-schen IgE-Antikörpern mit dem Aller-gen zur Freisetzung proinflammatori-scher Mediatorsubstanzen sowie vonZytokinen und Chemokinen. Die Bedeu-tung der Mediatoren kann unterschied-lich sein: sie können eine dominante,beitragende, aber auch nur begleitendeRolle spielen.

Wesentliche Teilkomponenten, die zumSchockbild beitragen, sind eine Hypo-volämie, ein Herzversagen und eineBronchialobstruktion (Abb. 1). DieHypovolämie entsteht durch Flüssig-keitssequestration ins Gewebe infolgeerhöhter Gefäßpermeabilität, durchFlüssigkeitsverlust bei Erbrechen undDurchfall, eventuell auch infolge vonBlutungen bei disseminierter intravas-kulärer Gerinnung. Ein wesentlicherFaktor ist auch die Vasodilatation impostkapillären und venösen Bereich. DieVasodilatation durch Histamin wirdsowohl durch H1- wie auch H2-Rezepto-ren vermittelt. Das Herzversagen istdirekte Folge einer kardiotoxischen Wir-kung von Mediatoren wie Histamin undLeukotriene, die positiv bathmotrop,negativ inotrop und koronarkonstrikto-risch wirken. Ein primärer Kreislauf-stillstand ist möglich, ohne daß zuvorpulmonale oder kutane Symptome auf-getreten sind. Wesentlich zum Herzver-sagen beitragen kann eine respiratori-sche Insuffizienz mit Hypoxie und Azidose bedingt durch eine Bronchial-obstruktion, ein Larynxödem oder einallergisches Lungenödem. Für das Ent-stehen von bleibenden Schäden, z.B.eines zerebrovaskulären Insultes odereines Myokardinfarktes, sind, ebensowie für einen tödlichen Verlauf, meistvorbestehende Herzkreislaufkrankhei-ten mitverantwortlich.

Klinische Symptomatik

Bei einer anaphylaktoiden Reaktion sindmeist mehrere Organsysteme beteiligt,die dann spezifische klinische Zeichenaufweisen:

• Haut:Rötung, Juckreiz, Urtikaria, Angioödem

• Mund:Parästhesie, Juckreiz, Schwellung,(metallischer Geschmack)

• Augen:bilaterale Rötung, Juckreiz, Tränen

• Nase:Juckreiz, Niesreiz, Rhinorrhoe,Schwellung

• Larynx:Heiserkeit, inspiratorischer Stridor

• Lungen:Husten, Tachypnoe, Luftnot, Enge-gefühl, „Wheezing“, Atemstillstand

• Herz/Kreislauf:Tachykardie, Rhythmusstörungen,Schwindel, Schwächegefühl, kalterSchweiß, Blutdruckabfall, Kollaps,Bewußtlosigkeit, Herzstillstand

• Gastrointestinaltrakt:Übelkeit, Dysphagie, Erbrechen,Bauchkrämpfe, Diarrhoe; Stuhl- und Urininkontinenz; Uteruskontraktionen.

Im allgemeinen entwickeln sich dieersten Anzeichen einer Reaktion inner-halb von Sekunden bis Minuten nachdem Kontakt mit dem kausalen Agens.Selten beträgt die Latenzzeit mehr alseine Stunde. Die klinische Symptomato-logie ist die Basis für die Diagnose eineranaphylaktoiden Reaktion.

Differentialdiagnostische Erwägungen sind:

• Lunge:Akute Hyperventilation, Asthma

• ZNS:Vasovagale Reaktion, Panikattacke,transient ischämische Attacke, Tetanie

• Haut:Physikalische Urtikaria, Mastozytose,hereditäres Angioödem, Serumkrankheit

• Herz/Kreislauf:Rhythmusstörungen u. Schock an-derer Ursache, hypertensive Krise

Tabelle 1: Stadieneinteilung und Symptomatik anaphylaktoider Sofortreaktionen

Stadium Symptomatik

0: lokal: lokal begrenzte kutane Reaktion(am Ort des Kontaktes mit dem Auslöser)

I: leichte Allgemeinreaktion: disseminierte kutane Reaktionen(z.B. Flush, generalisierte Urtikaria,Pruritus), Schleimhautreaktionen (z.B. Nase, Konjunktiven),Allgemeinreaktionen (z.B. Unruhe, Kopfschmerz)

II: ausgeprägte Allgemeinreaktion: Kreislaufdysregulation (Blutdruck-, Pulsveränderung),Luftnot (leichte Dyspnoe, beginnender Bronchospasmus),Stuhl- bzw. Urindrang

III: bedrohliche Allgemeinreaktion: Schock (schwere Hypotension, Blässe),Bronchospasmus mit bedrohlicherDyspnoe, Bewußtseinstrübung, -verlust,ggf. mit Stuhl- bzw. Urinabgang

IV: vitales Organversagen: Atem-, Kreislaufstillstand

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Der Nachweis eines erhöhten Serum-Histamins oder einer erhöhten Serum-Tryptase bzw. die Feststellung eineserhöhten Methylhistamins im Urinkann u.U. die unter Beteiligung vonMastzellen oder basophilen Leukozytenablaufende anaphylaktoide Reaktionwahrscheinlich machen. BesondereAlarmsymptome einer beginnendenReaktion können periorales oder/undperianales bzw. palmoplantares Juckenund Brennen sein. Für die klinische Pra-xis und insbesondere im Hinblick auf diezeitgerechte Einleitung einer adäquatenTherapie ist es sinnvoll, anaphylaktoideReaktionen in 4 Stadien zu unterteilen(Tab. 1).

TherapieDie erste Maßnahme bei allen Überemp-findlichkeitsreaktionen sollte die Been-digung der Zufuhr des vermutlichenAuslösers sein. Das kann durch Anlageeiner Staubinde und/oder in entspre-chenden Fällen (z.B. Insektenstich)durch Umspritzung der Eintrittspfortemit Adrenalin erfolgen. Durch sofortigeÜberwachung der Vitalparameter soll-ten fortlaufend Informationen über die

Funktion von Herz, Lunge und Kreis-lauf (Herzrhythmus, Oxygenierung,Blutdruck, Gewebsperfusion) verfügbarsein. Frühzeitig (Stadium I) muß eingroßvolumiger venöser Zugang gelegtund Sauerstoff supplementiert werden.Die Lagerung des Patienten erfolgt inder Regel flach (Ausnahme: Lungen-ödem). Die weitere Therapie richtet sichnach der Schwere der Symptome unddem Manifestationsort. Der sequentielleEinsatz der einzelnen Medikamentesowie ihre Dosierung gehen aus denTabellen 2, 3 und 4 hervor (nach 1).Grundpfeiler der Therapie schwererReaktionen sind Katecholamine undVolumensubstitution. Histaminantago-nisten (H1- und H2-wirksam) haben ins-besondere dann ihre Bedeutung, wenntrotz primär eingeleiteter Maßnahmenkeine Stabilisierung des Kreislaufs ein-tritt, wobei Substanzen mit schnellemWirkungsbeginn bevorzugt werden soll-ten (Kurzinfusion über 5 Minuten). Kor-tikosteroide entfalten keine Sofortwir-kung. Hohe Dosen führen frühestensnach 10 bis 30 Minuten zu unspezifi-schen Effekten („Membranstabilisie-rung“). Spezifische Wirkungen durch

Neusynthese von Proteinen (Hemmungder Freisetzung bzw. Bildung vonMediatoren und Zytokinen) sind erstnach 1 bis 2 Stunden zu erwarten. Ihrebesondere Indikation ergibt sich des-halb bei progredienten Erscheinungenan Haut und Lunge. Der Einsatz vonCalcium ist obsolet! Nach Abschluß der Akutbehandlungmuß die intensive Suche nach dem Aus-löser und zusätzlichen modulierendenFaktoren erfolgen. Dies hat insbesonde-re die Prävention weiterer Ereignissezum Ziel. Sollte die Ursache der Reakti-on nicht ermittelt werden können odereine Allergenkarenz nicht sicher mög-lich sein, muß dem Patienten ein Not-fallset zur Selbstbehandlung rezeptiertwerden. Dies muß enthalten: ein adre-nalinhaltiges Präparat (z.B. AdrenalinFastjekt®, Anaphylaxie-Besteck®), einAntihistaminikum der älteren Generati-on mit schnellem Wirkungseintritt (z.B.Fenistil®-Tropfen, Tavegil®-Saft) und einGlukokortikoid (z.B. Celestamine®N li-quidum). Außerdem muß der Patientüber eine sachgerechte Anwendung derMedikamente informiert und mit einemNotfallausweis ausgestattet werden.

Stadium Kutane Reaktionen, Pulmonale Kardiovaskuläre Progredienz/ Progredienzsubjektive Reaktionen Reaktionen unzureichender erwartetBeschwerden Therapieerfolg

0 –

I H1-(+H2-) möglichst: möglichst: Kortikosteroide i.v.,Antagonisten i.v.-Zugang, i.v.-Zugang, (H1-+H2-(Kortikosteroide) Sauerstoff Sauerstoff Antagonisten)

II H1-(+H2-) obligat: obligat: H1-+H2- Kortikosteroide i.v.,Antagonisten i.v.-Zugang, i.v.-Zugang, Antagonisten, (H1-+H2-(Kortikosteroide) Sauerstoff; Sauerstoff; Adrenalin i.v., Antagonisten)

1. Betamimetika- 1. Ringer-Laktat (i.m.)inhalation* 2. Kolloide

2. Kortikosteroide i.v.

III obligat: obligat: nach etwa 1 mgi.v.-Zugang, i.v.-Zugang, Adrenalin:Sauerstoff; Sauerstoff; 1. Noradrenalin1. Betamimetika- 1. Kolloide 2. H1-+H2-

inhalation* 2. Ringer-Laktat Antagonisten2. Kortikosteroide i.v. Katecholamine:3. Theophyllin i.v. – Adrenalin i.v.,

(endotr.)– Dopamin i.v..

IV Reanimation:– allgemeine

Maßnahmen– Adrenalin

(+ Dopamin,Noradrenalin)

– Volumen

Tabelle 2: Sequentieller Einsatz von Medikamenten zur Therapie akuter anaphylaktoider Reaktionen

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7Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Literatur1. AHNEFELD, F. W., J. Barth, W. Dick et

al.: Akuttherapie anaphylaktoiderReaktionen – Ergebnisse einer inter-disziplinären Consensuskonferenz.Anaesthesist 43, 211–222 (1994)

2. LAXENEIRE, M. C., C. Charpentier, L.Feldmann: Reactions anaphylactoi-des aux substituts colloidaux du plas-ma: incidence, facteurs de risque,mecanismes. Enquête prospectivemulticentrique française. GroupeFrançais d’Etude de la Tolerance desSubstituts Plasmatiques. Ann. Fr.Anesth. Reanim. 13, 301–310 (1994)

3. RING, J., K. Messmer: Incidence andseverity of anaphylactoid reactions tocolloid volume substitutes. Lancet I,466–469 (1977)

Prof. Dr. med. Wolfgang LeupoldKlinik für KinderheilkundeUniversitätsklinikum Carl Gustav Carusder Technischen Universität DresdenFetscherstr. 7401307 Dresden

Gegengelesen von: Prof. Dr. med. D.Höffler, Darmstadt

* Anmerkung der Redaktion:Bis Juni 1996 stand in der Bundesrepu-blik Deutschland als einziges Adrenalin-haltiges Arzneimittel zur Inhalation derAdrenalin Medihaler® zur Verfügung, einefür viele Ärzte durchaus sinnvolle Arznei-form zur Therapie anaphylaktoider Reak-tionen, besonders geeignet bei pulmona-ler Symptomatik der Stadien II und III. Der Adrenalin Medihaler® ist ein FCKW-getriebenes Dosieraerosol mit dem

Wirkstoff Epinephrin. Aufgrund derFCKW-Halon-Verbots-Verordnung vom1. August 1991, die für Epinephrin keineAusnahme bei FCKW-Verwendung vor-sieht, wurde nach Angaben des Herstel-lers auf einen Antrag auf Nachzulassungverzichtet. Formulierungsversuche mitdem Alternativtreibgas HFA 134a schei-terten. Nach Ablauf der Abverkauffristwurde das Produkt am 30. Juni 1996vom Markt genommen.

Tabelle 4 : Dosierung spezieller Medikamente bei Kindern

Adrenalin 0,005–0,01 mg/kg als Bolus(i.v.; endotracheal 2–3fach höher) 0,05–0,5 µg/kg/min als Dauerinfusion

Dopamin 1,5–2,5 µg/kg/min als Dauerinfusion

Noradrenalin 0,05–1,0 µg/kg/min als Dauerinfusion

H1-Antagonisten(Fenistil®) 0,1 (–0,5) mg/kg i.v.(Tavegil®) 0,025–0,05 mg/kg i.v.

H2-Antagonisten(Tagamet®) 2,5–5,0 mg/kg i.v.

Kristalloide (z.B. Ringer-Laktat) 20–30 mg/kg(Wiederholung evtl. alle 20–30 min)

Kolloide (z.B. 5%iges Albumin, HES) 10–20 ml/kg

Prednisolon 2–5 (20) mg/kg i.v.

Theophyllin 5 mg/kg als langsamer Bolus0,5–1,0 mg/kg/h als Dauerinfusion

Tabelle 3: Dosierung von Medikamenten zur Akuttherapie anaphylaktoider Reaktionen (Erwachsene)Behandlungsformen Stadium I Stadium II Stadium III Zur Prophylaxe

bei RezidivgefahrKatecholamine• Betamimetika, Bis Auftreten von Tremor Bis Auftreten von Tremor

Inhalation* oder/und Tachykardie oder/und Tachykardie• Adrenalin 1 mg/10 ml: 0,1 mg/minb 1 mg/10 ml: 0,1 mg/min• Dopamin 2,5–5 mg/70 kg KG/min,

ggf. nach 10 min Steigerung der Dosis

• Noradrenalin 1 mg/10 ml: 0,05–1 mg/mind

• Kortikosteroideparenteral 50–125 mga 250–500 mg 1000 mg 8stündlich für 24 Std. (Prednisolon- 80–100 mg per os Äquivalente) oder parenteral

• Theophyllin 5 mg/kg KG, weiter 10 mg/kg/24 Std.(cave: Tachykardie)

Histaminantagonisten• H1-Antagonisten Dimetinden 8 mg Dimetinden 8 mgc Dimetinden 8 mgd 8stündlich für 24 Std.

Clemastin 4 mg Clemastin 4 mg Clemastin ≥ 4 mg Dosierung wie unter II per os oder parenteral

• H2-Antagonisten 1. Cimetidin 400 mg 1. Cimetidin 400 mgc 1. Cimetidin ≥ 400 mgd 8stündlich für 24 Std. 2. Ranitidin 100 mg 2. Ranitidin 100 mg 2. Ranitidin ≥ 100 mg Dosierung wie unter II per

os oder parenteralVolumen• Kristalloide Ringer-Laktat ≥ 500 mg Unter Umständen mehrere• Kolloide Liter Ringer-Laktat,

z.B. HES: 1–2 Liter > 2 Liter Ringer-Laktat

a Bei bekannter Allergiedisposition (z.B. Hyposensibilisierungsbehandlung, Allergietestung); b Bei zunehmender Kreislaufsymptomatik trotz Volumengabe undGabe von H1- und H2-Antagonisten; c Bei zunehmender Kreislaufsymptomatik trotz Volumengabe; d Bei unzureichendem Therapieerfolg nach Volumengabeund Adrenalin

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8 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Medikamentöse Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen

Die klinische Forschung auf dem Gebietder medikamentösen Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen be-müht sich um eine bessere Definition derRolle und Effektivität bislang etablierterTherapieformen sowie die Entwicklungneuer selektiver Therapieansätze.Aminosalicylate und Corticosteroide sind

weiterhin Eckpfeiler einer rationalenmedikamentösen Therapie bei aktiverErkrankung. Bei protrahierten/kompli-zierten Krankheitsverläufen hat Azathio-prin mittlerweile einen festen Platzinnerhalb des erweiterten Medikamen-tenspektrums. Der Stellenwert andererImmunsuppressiva und vor allem neue-

rer, mehr selektiv immunmodulierenderSubstanzen wie z.B. IL-10 und TNF-alpha-Antikörper muß durch kontrol-lierte klinische Studien evaluiert werden.5-Aminosalicylsäure-(5-ASA bzw. 5-ASA-freisetzende)Präparate werden zur Rezi-divprophylaxe chronisch-entzündlicherDarmerkrankungen eingesetzt. Nachjüngsten Langzeitbeobachtungen liegtdie Lebenserwartung von Patienten mitColitis ulcerosa und Morbus Crohn inEuropa mittlerweile nur gering unter derder Normalbevölkerung. Dies kann u.a.als Erfolg verbesserter medikamentöserTherapie- und Remissionerhaltungsstra-tegien interpretiert werden.Auf den Abbildungen 1 und 2 sind diemedikamentösen Therapieprinzipienzur Behandlung der Colitis ulcerosa unddes Morbus Crohn beispielhaft schema-tisch zusammengefaßt.

Dr. med. Michael N. Göke Prof. Dr. med. Michael P. MannsAbteilung Gastroenterologie und Hepa-tologieZentrum Innere Medizin und Dermato-logieMedizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg-Straße 130625 Hannover

Gegengelesen von Prof. Dr. med. RolandGugler, Karlsruhe

Abbildung 1: Medikamentöse Therapie des Morbus Crohn

Abbildung 2: Medikamentöse Therapie der Colitis ulcerosa

Leichte/mittelschwereErkrankung

Schwere Erkrankungmit entzündlicher

Stenose

Corticosteroidez.B. Prednisolon 50 mg/d. p. o.,dann stufenweise Reduktion

über 6–12 WochenBei Kontraindikation/Ablehnung:

z.B. 5-ASA 4,5 g/d. p. o.Alternativ:

topisch wirksames Corticosteroidz.B. Budesonid 3 x 3 mg/d. p. o.

bei Ileozökalbefall

Parenterale Ernährung/Elementardiät +Corticosteroide parenteral

(z.B. Prednisolon 100 mg/d. i. v.)Experimentell:

Ciclosporin z.B. 4 mg/kg/d. i. v.,IL-10, TNF-a-AK, Heparin?

Besserung

Besserung

KeineBesserung

KeineBesserung

Steroid-abhängigkeit

Rezidivprophylaxemit 5-ASA

z. B. 1,5 g/d. p. o.Alternativ: (im

Dünndarm freigesetztes)Fischöl?

Immunsuppressivaz.B. Azathioprin 1–2,5 mg/kg/d. p. o.

(oder 6-Mercaptopurin)+ niedrig dosiertes Corticosteroid?Methotrexat, z.B. 25 mg/Wo. i. m.

ggf. chirurgische Intervention

oder

Proktitis/Proktorektosigmoiditis

Linksseitige ColitisLeichte/mittelschwere

extensive Colitis/Pancolitis

Schwereextensive Colitis/

Pancolitis

5-ASA-Suppositorienz.B. 2–3 x 500 mg/d.

Rezidivprophylaxemit reduzierter5-ASA-Dosis

(z.B. jd. 2. Tag)

Rezidivprophylaxemit reduzierter5-ASA-Dosis

(z.B. jd. 2. Tag)

Rezidivprophylaxe5-ASA p. o.

(z.B. 1,5–3 g/d.)

Versuch mitCiclosporin i.v.

(z.B. 4 mg/kg/d.)Experimentell: Heparin

Bei chron. Verlaufevtl. Azathioprin p. o.(z.B. 1–2,5 mg/kg/d.)

StufenweiseReduktion

desSteroids

Steroidschaum/-klysmaz. B. Hydrocortison

2 x 100 mg/d.Alternativ: topischwirksame Steroide

z.B. Budesonid-Klysmen 1 x 2 mg/d.

5-ASA-Klysmenz.B. 4 g/d.

5-ASA-Tablettenz.B. 4 g/d.

Steroide (z.B. Prednisolon1 mg/kg/d.) p. o. oder i. v.

mit/ohne 5-ASA

BesserungBesserung Besserung BesserungKeine

Besserung

KeineBesserung

KeineBesserung

Rückfall

KeineBesserung

BesserungKeine

Besserung

Experimentell: Butyrat-Klysmen, evt. Ciclosporin rektal

Anm.:5-ASA (Mesalazin): 5-Aminosalicylsäure(freisetzende)-Präparate, IL-10: Interleukin 10, TNF: Tumor-Nekrose-Faktor

ChirurgischeIntervention

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9Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Langwirksame Antirheumatika – wo einsetzen?

Über der altehrwürdigen Pyramide derRheumatherapie geht endgültig dieSonne unter! Basierend auf aktuellenStudien stellten verschiedene Expertenauf dem Kongreß der Deutschen Gesell-schaft für Rheumatologie in Bambergüberarbeitete Therapiestrategien für diechronische Polyarthritis (cP) und ver-wandte Erkrankungen vor.

Die gelenkzerstörenden Entzündungs-prozesse spielen sich bei der cP vorallem in den ersten beiden Krankheits-jahren ab. Radiologisches Korrelat hier-für sind die zunehmende gelenknaheOsteoporose sowie Erosionen. Für diecP gilt die Gleichung:

Entzündung x Zeit = Destruktion.

Um das Ausmaß der Gelenkdestruktionzu vermindern, muß also die Zeit, in derdie Entzündung auf den Knochen un-gehindert einwirken kann, drastischverkürzt werden. Daher darf die in derTherapie bisher geübte abwartende Hal-tung nicht länger als etwa 6 Monateandauern. Spätestens zu diesem Zeit-punkt gehört der Patient in die Händeeines Rheumatologen, der die Diagnosesichern hilft und eine Therapie mit lang-wirksamen Antirheumatika (LWAR;früher Basistherapie) einleitet. Es gibtmittlerweile genügend Evidenz dafür,daß bei frühem Therapiebeginn (zwi-schen 6 und 24 Monaten) mit einemeffektiven LWAR ein günstiger Krank-heitsverlauf erzielt werden kann. Früh-zeitige Entzündungshemmung trägtüber eine Verbesserung der Gelenkfunk-tion und der Mobilität zur Osteoporose-vorbeugung bei. Als unterstützendeBehandlung kommen sowohl der konse-quenten Physiotherapie als auch derFrührehabilitation hohe Bedeutung zu.

Unter den LWAR stehen heute Metho-trexat und Sulfasalazin in vordersterLinie, gefolgt von injizierbarem Goldund Azathioprin. Weiter hinten in derWirksamkeitsskala sind (Hydroxy-)Chloroquin und oral zu applizierende

Goldverbindungen angesiedelt. D-Peni-cillamin steht als Ausweichpräparat zurVerfügung. In Kürze wird Ciclosporindie Palette der LWAR ergänzen.

Bei gesicherter florider cP erweist sichniedrig dosiertes Methotrexat (MTX) inder Mehrzahl der Fälle als hochwirksam(Wirkungseintritt nach ca. 4 bis 6Wochen). Gewöhnlich wird eine Dosisvon 15 bis 20 mg einmal wöchentlichabends oral verabreicht, in schwererenFällen alternativ auch parenteral. BeiEinsetzen der Remission kann die Dosisvorsichtig zurücktitriert werden (7,5 bis15 mg/Woche als Langzeittherapie). DieZugabe von Folinsäure bzw. Folsäure (5 bis 10 mg am Tag nach der MTX-Gabe) vermindert die Frequenz uner-wünschter Wirkungen (UAW), ohne dieWirkung des MTX wesentlich abzu-schwächen. Strenge Kontrazeption isteine conditio sine qua non bei jungen(weiblichen und männlichen) Patien-ten.

Steht die Diagnose vor allem bei serone-gativer Polyarthritis noch nicht eindeu-tig fest, kann die Erstbehandlung auchmit Sulfasalazin (SASP) erfolgen, wel-ches sich auch bei Spondarthritiden mitperipherer Beteiligung, chronischenreaktiven Arthritiden und M. Reiter so-wie Psoriasisarthritis bewährt hat. SASPwird einschleichend gegeben (wöchent-lich um 1 Tabl. = 500 mg steigern) bis zueiner Erhaltungsdosis zwischen 2 und 3 g/Tag je nach Krankheitsaktivität. Mitdem Eintritt der Wirkung ist nach etwa8 bis 12 Wochen zu rechnen.

Die klassische parenterale Goldtherapieist aufgrund der besseren Wirksamkeitund Verträglichkeit der MTX-Therapiezwar in den Hintergrund getreten, aberkeineswegs verlassen worden. Neben derüblichen Monotherapie (Einschleich-phase, Aufsättigungsphase, Erhaltungs-phase ab 20. Woche mit 50 mg Auro-thiomalat alle 14 Tage i.m.) besteht dieMöglichkeit einer MTX-Gold-Kombina-tion in therapierefraktären Fällen. Die

UAW zeigen sich besonders in Haut-reaktionen, Proteinurie, Blutbild- undLeberenzymveränderungen.

Azathioprin ist bei florider cP im Gegen-satz zu MTX auch bei Patienten mit Nie-renfunktionseinschränkungen einsetz-bar, gehört aber wegen seiner UAW zur2. Therapielinie. Initial beträgt die Dosis2 mg/kg KG. Eine Dosisreduktion mußmit Einsetzen der Wirkung (ca. nach 6bis 12 Wochen) angestrebt werden. Gän-gig ist die Komedikation mit niedrigdosierten Glucocorticoiden. Engma-schige Kontrollen (Blutbild, Leber- undNierenfunktion) sind erforderlich.

Als milde LWAR mit protrahiert einset-zender Wirkung sind die Chloroquinde-rivate anzusehen. 1 Tablette Chloro-quinphosphat à 250 mg täglich ent-spricht der Empfehlung von 4 mg/kg KGbei einem 70 kg schweren Erwachsenen.Eine ähnliche Empfehlung gilt auch fürdas Hydroxychloroquin (4 bis 6,5mg/kg). Chloroquinderivate sind eben-falls als Kombinationspartner für MTXeinsetzbar. Reversible Corneaeinlage-rungen und die Möglichkeit einer irre-versiblen Retinopathie (geringe UAW-Frequenz) machen augenärztliche Kon-trollen in ca. 3monatlichen Abständenerforderlich.

Ebenfalls als mildes LWAR ist oral zuapplizierendes Gold anzusehen, welcheswegen seiner Diarrhoe-induzierendenWirkung von manchen Patienten nichtgut toleriert wird. Bei gering aktiver cPkann eine Therapieeinleitung mit 2 x 3mg Auranofin/Tag sinnvoll sein. DieWirkung ist vielfach jedoch erst nach 3bis 6 Monaten zu beurteilen. Daher eig-net es sich nicht für die Frühbehand-lung der aktiven cP. In seiner Wirksam-keit ist es dem injizierbaren Gold ein-deutig unterlegen, zeigt aber auch –wegen unterschiedlicher Verstoffwech-selung – geringere UAW bezüglich Pro-teinurie und Blutbildveränderungen.

Obwohl D-Penicillamin für viele Jahrezu den Standardpräparaten unter denLWAR gehörte, ist es wegen seines UAW-Potentials gegenüber MTX und SASP inden Hintergrund gerückt und bleibtSonderfällen vorbehalten.

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10 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Größere Studien belegen die progressi-onsverlangsamende Wirkung desCiclosporins bei chronischer Polyar-thritis. Noch beschränkt sich seineAnwendung überwiegend auf therapie-refraktäre Fälle, wobei Indikation undKontraindikationen sorgfältig gegen-einander abgewogen werden müssen.Die Ciclosporin-Dosis wird über das S-Kreatinin-Monitoring angepaßt undbeträgt durchschnittlich 3 bis 5 mg/kgKG. Da die Ciclosporin-Plasmaspiegelbei dieser Standarddosis deutlich unterdenjenigen bei Transplantationspatien-ten liegen, ist eine Therapieanpassungüber Plasmaspiegelbestimmung wenigsinnvoll. Engmaschige Nierenfunkti-ons- und Blutdruckkontrollen sind ein-zuhalten. Eine Kombinationstherapiemit MTX soll die Wirkung intensivierenbei gleichzeitiger Möglichkeit der Dosis-reduktion.

Hochakute, mit systemischen Auswir-kungen (Vaskulitis) einhergehendeKrankheitsverläufe erfordern eine The-rapie mit Alkylanzien. Je nach klinischerSituation wird man entweder eineCyclophosphamid-Stoßtherapie (0,75bis 1 mg/kg KG i. v.) oder eine Lang-zeittherapie (1 bis 2 mg/kg KG/Tag p.o.),jeweils kombiniert mit Glucocorti-coiden, bevorzugen. Zu den gravie-renden UAW zählen Leukozytopenie,systemische Infektionen sowie eineerhöhte Malignomfrequenz bei Über-schreiten einer Gesamtdosis von etwa10 g.

Bei ungenügender Wirkung einerMonotherapie ist zur Vermeidung vontoxischen Höchstdosen die Kombina-tion mit weiteren LWAR zulässig. Dabeilassen sich Ergebnisse auch mit redu-zierten Einzeldosen erreichen. MTXwurde erfolgreich mit Gold, Chloro-quin, Sulfasalazin und Ciclosporin kom-biniert. Über Kombinationen zwischenanderen LWAR liegen ebenfalls positiveBerichte vor. Die Vielzahl der Studienbelegt aber auch, daß es für eine ab-schließende Bewertung der günstigstenKombinationen noch zu früh ist.

Die günstige Beeinflussung der rheu-matischen Krankheitsverläufe durcheine Comedikation mit niedrig dosier-ten Glucocorticoiden (4 bis 7 mg Pred-nison bzw. Prednisolon/Tag) wird kaumnoch bestritten. Offenbar können auchGlucocorticoide, sofern sie frühzeitiggegeben werden, die Destruktionsten-denz der Gelenke verringern. Bei vielenRheumatikern sollte den relativ neben-wirkungsarmen Glucocorticoiden derVorzug gegeben werden vor einerBegleitmedikation mit nichtsteroidalenAntirheumatika (NSAR). Wegen ihrerpotentiellen UAW am Gastrointestinal-trakt und an den Nieren verschlechternNSAR häufig die Verträglichkeit derlangwirksamen Antirheumatika undführen zu Therapieproblemen. Im Ein-zelfall ist jedoch die Gabe von NSAR oftnicht zu vermeiden. Ob die Entwicklungvon Cyclooxygenase 2-Hemmern (wiez.B. Meloxicam) in der Zukunft ein

günstigeres UAW-Profil ergibt, wird der-zeit intensiv untersucht.

Prof. Dr. med. M. H. WeberAbteilung Innere Medizin I, Nieren- undHochdruckkrankheitenStädtische Kliniken OldenburgDr.-Eden-Str. 1026133 Oldenburg

Gegengelesen von Prof. Dr. med. D. Höffler, Darmstadt

FAZITDie chronische Polyarthritis sollteheute bereits im Frühstadium mit lang-wirksamen Antirheumatika (LWAR),ggf. in Kombination mit Glucocorticoi-den, aggressiv behandelt werden, umGelenkdestruktionen zu vermeiden.Methotrexat in Niedrigdosierung hatsich wegen des schnellen Wirkungs-eintritts und geringer Nebenwirkungenals weltweit führendes Therapeutikumherauskristallisiert, gefolgt von Sulfa-salazin. Die Kombinationstherapie (z.B.MTX mit Chloroquin-Derivaten) stellteine neue, noch nicht abschließendbeurteilbare Therapievariante dar.Niedrigdosiertes Prednisolon ergänztdie LWAR-Therapie ideal, da es eben-falls Gelenkdestruktionen vermindernhilft. Dagegen trägt die unkritischeGabe von NSAR zur gehäuften Ulkus-bildung besonders bei über 65jährigenPatienten bei.

• Die Therapie der Akne vulgaris

• Der Stellenwert von Tramadol und Tilidin/Naloxon in der analgetischen Therapie

• Die Therapie der Otitis media

• Die Behandlung von Krätze und Kopfläusen

Die nächste Ausgabe der AVP erscheint im April 1998 – u.a. mit folgenden Beiträgen:

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11Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen – vorbeugen, erkennen, behandeln

Warn-Signale

Unter der Behandlung mit Co-trimoxa-zol (Trimethoprim/Sulfamethoxazol)entwickelte ein älterer Patient eineHypoglykämie, die schon mehrfach inder Literatur beschrieben wurde (Ann.Pharmacother. 31: 727 [1997]).

R

Die britische Radiologen-Gesellschafthat ihre Mitglieder angewiesen, Patien-ten, die Metformin erhalten, dahinge-hend zu unterrichten, 48 Stunden vorund nach einer Kontrastmittel-Nephro-graphie das Medikament nicht einzu-nehmen. Die gestörte Nierenfunktionkann eine Laktazidose auslösen (Brit.Med. J. 351: 690 [1997]).

R

Die Beschaffung von Medikamentenüber Internet kann zu schweren Vergif-tungen führen. Dies zeigt die Beobach-tung eines akuten Nierenversagens beieinem 31jährigen Mann, der sich füreine Aromatherapie Wermut-Öl (Arte-misia absinthium) bestellt und etwa 10 ml davon getrunken hatte (N. Engl. J.Med. 825 [1997]).

Die AkdÄ hat 1997 zwei Pressemittei-lungen zur Problematik Arzneimittelvia Internet herausgegeben.

R

Mit einem angioneurotischen Ödem istnicht nur unter ACE-Hemmern wieCaptopril, sondern auch nach Anwen-dung von Angiotensin II-Rezeptor-Anta-gonisten wie Losartan zu rechnen(South Med. J. 90: 552 [1997]).

R

Einen Tag nach Beginn einer Behand-lung mit Paroxetin entwickelte sich beieiner 91jährigen Frau ein akut doppel-

seitiges Glaukom, wie es bereits früherin ähnlichen Fällen beobachtet wurde(Brit. J. Ophthalmol. 81: 252 [1997]).

R

Bei einer 30jährigen Patientin, die Imi-penem intravenös erhielt, trat innerhalbvon fünf Tagen eine gelb-braune Verfär-bung der Zähne auf (Austral. N. Z. Med.27: 190 [1997]).

R

Unter der Einnahme eines australischenGelee Royal-Präparates entwickelte eine53jährige Frau eine hämorrhagischeKolitis, die möglicherweise auf dernicht ganz seltenen Allergie auf die-ses „Alternativ-Medikament“ beruht (J.Gastroenterol. Hepatol. 12: 495 [1997]).

R

H2-Antagonisten wie Cimetidin undProtonen-Pumpen-Hemmer wie Ome-prazol machen unter 332 Berichtenüber eine Arzneimittel-Gynäkomastienicht weniger als 30% der Ursachen aus (Austr. Adv. Drug React. Bull. 16[11.08.1997]).

R

Die unter Gyraseinhibitoren (z.B.Ciprofloxacin) gelegentlich beobachte-ten Achillessehnenrupturen könnenauch doppelseitig auftreten (Med. J.Austral. 166: 665 [1997]).

R

Wenige Tage nach Beginn einer Schizo-phrenie-Behandlung mit Risperidontraten bei einer 34jährigen Frau tödlichendende kardiale Arrhythmien auf (Ann.Pharmacother. 31: 867 [1997]).

R

Über 10 % der mit Fluorouracil-Infusio-nen behandelten Patienten entwickelteneine Zwerchfell-Lähmung (Brit. J. Can-cer 76 (Supp. 1) 42 [1997]).

R

Darf man bei älteren Patientenlängerfristig gegebene Diuretika absetzen?

Das Absetzen eines Diuretikums nachlängerer Gabe führt in den meisten Fäl-len bei älteren Menschen zu Zeichen desHerzversagens oder auch zu einemAnstieg des Blutdruckes. Jeder Versuch,die Diuretikatherapie zu beenden, erfor-dert eine sorgfältige Überwachung vorallem während der ersten vier Wochen.

Zu diesem Ergebnis kommen E. P.Walma et al. nach einer Doppelblindstu-die an 202 Patienten, die Diuretika ohneAnzeichen eines Herzversagens odereiner Hypertonie eingenommen hatten.Dabei trat in der Verumgruppe nachAbsetzen ein mittlerer Anstieg des systo-lischen Blutdrucks um 13,5 und desdiastolischen um 4,6 mm Hg ein, jedochstanden Zeichen der Herzinsuffizienzim Vordergrund (Brit. Med. J. 315: 464–468 [1997]). IP

HinweisAlle Verdachtsfälle über uner-wünschte Arzneimittelwirkungensollten auf dem bekannten, re-gelmäßig im Deutschen Ärzte-blatt abgedruckten Berichtsbogen(letzte Ausgabe eines Monats, 3. Umschlagseite) mitgeteilt wer-den an:

Arzneimittelkommission derdeutschen ÄrzteschaftPostfach 41012550861 KölnTel.: 0221/4004-521Fax: 0221/4004-539

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Page 12: Arzneiverordnung in der Praxis (AVP), Ausgabe 1, Januar 1998

12 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Unser Spontanerfassungssystem – das unbekannte Wesen

In Gesprächen mit erfahrenen und inter-essierten Ärzten stellt man fest, daß dasSystem der Spontanerfassung der un-erwünschten Arzneimittelwirkungen(UAW) nicht durchschaut wird, obwohleine Meldung von UAW sogar in der ärzt-lichen Berufsordnung verankert wurde.

Das Spontanerfassungssystem funktio-niert so, daß Meldungen an das Bun-desinstitut für Arzneimittel und Medi-zinprodukte (BfArM), die Herstellerfir-men oder die Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) nacheinem international gültigen Schemaausgewertet und elektronisch gespei-chert werden. Es ist sinnvoll, alle ver-muteten (also allein für möglich gehal-tenen) UAW zu melden, sofern zumin-dest ein zeitlicher Zusammenhang zwi-schen Arzneimittelanwendung und Er-eignis besteht. Es ist durchaus nichtsinnvoll, Meldungen zu unterlassen,nur weil man sich des Kausalzusam-menhanges (im strengen naturwissen-schaftlichen Sinne) unsicher ist.

Umgekehrt gilt: gerade wenn noch offe-ne Zusammenhänge bestehen bzw.lediglich vermutete UAW gemeldet wer-den, kann es zu neuen Erkenntnissenkommen. Das System wird keineswegsdadurch beeinträchtigt, daß Ereignisseals UAW gemeldet werden, die – beigenauer Nachprüfung – mit der Arznei-mittelgabe nichts zu tun haben.

1. Beispiel (fiktiv):Unter der Gabe von Acetylsalicylsäurekam es zu einem Wiederaufflammeneiner bis dahin ruhenden Fußmykose.Hier besteht zwischen dem Ereignis undder Arzneimittelgabe kein Zusammen-hang (jedenfalls nicht nach heutigemWissensstand). Da diese Meldung abernur von einem Arzt gemeldet wird, störtoder beeinträchtigt sie das System inkeiner Weise. Die Meldung wird abge-speichert, und es kommen keine weite-ren dazu.

2. Beispiel:Im zeitlichen Zusammenhang mit derVerabreichung von Fluorochinolonen(Ciprofloxacin, Ofloxacin u. a.) tretenVerwirrtheitszustände auf. Dies wirdauch wiederholt gemeldet; in dem Spon-tanerfassungssystem zeigt sich, daßunter den Meldungen über Fluorochi-nolone diese UAW mit an der Spitzesteht. Nunmehr ist ein Kausalzusam-menhang in Betracht zu ziehen; es kön-nen die Einzelheiten untersucht, dieÄrzteschaft unterrichtet und Vorsorge-maßnahmen getroffen werden.

Nach dem aufgeführten Beispiel ist esganz entscheidend, daß diese UAW denbehandelnden Ärzten überhaupt be-kannt ist, denn rechtzeitig erkannt, sinddie Gegenmaßnahmen wie Umsetzenauf ein anderes Antibiotikum, notfalls

kurzfristige Gabe von Diazepam oderHaloperidol, geeignet, jeden Schadensicher abzuwenden.

Ein großer Nachteil des Spontanerfas-sungssystems ist, daß über die Häufig-keit einer UAW nur sehr relative Aussa-gen getroffen werden können. Natürlichwird eine UAW häufiger beobachtet,wenn ein Medikament auch häufig ver-ordnet wird oder wenn sie den Ärztengrundsätzlich schon bekannt ist. DieseTatsache ist selbstverständlich den Ver-antwortlichen bei AkdÄ und BfArMbekannt. Nur steht leider bisher keineffektiveres Verfahren zur Verfügung.Immerhin war es in der Vergangenheitmit dem System möglich, eine Vielzahlwichtiger UAW rechtzeitig zu erkennen.

Prof. Dr. med. Dietrich HöfflerMedizinische Klinik IIIKlinikum DarmstadtGrafenstraße 964276 Darmstadt

FAZITDie AkdÄ fordert noch einmal alle Kol-leginnen und Kollegen auf, bezüglichUAW unbedingt aufmerksam zu seinund sich gegebenenfalls der geringenMühe einer Meldung zu unterziehen.Denn dieser wichtige Beitrag zur Arz-neimittelsicherheit ist weit mehr alseine lästige Pflichterfüllung oder einbürokratischer Verwaltungsakt.

Kreislaufkollaps unter Venlafaxin

KasuistikEin 86jähriger Patient mit Schritt-macherimplantation vor 8 Jahren er-hielt bis dato wegen Herzinsuffizienz 0,2 mg b-Acetyldigoxin sowie wegenDepression im Senium unregelmäßig0,25 bzw. 0,5 mg Flunitrazepam. Ver-schiedene Behandlungsversuche mitAntidepressiva wie Moclobemid, Fluoxe-tin und Amitriptylin waren in der Ver-

gangenheit wegen (meist leichten) Un-verträglichkeiten abgebrochen worden.

Aktuell wurde eine Therapie mit demSerotonin-Noradrenalin-Wiederauf-nahme-Hemmer Venlafaxin (1/2 TabletteTrevilor®, entspricht 37,5 mg Venlafaxin)begonnen. Etwa 1 Stunde nach Tablet-teneinnahme kollabierte der Patient aufdem Weg zur Toilette und stürzte zu

Boden. Er wirkte verwirrt und desorien-tiert und war nur schwer in der Lage,Angehörige zu erkennen. Im Laufe desTages kam es zu einem weiteren Kollapsmit Sturz. Der Patient wirkte weiterhinbewußtseinsgetrübt und hatte überStunden Wortfindungsstörungen. EineBesserung trat nach etwa 24 Stundenam folgenden Tag ein.

Ein ähnlicher Zustand wurde nachAbsetzen des Medikamentes in der Fol-gezeit nicht mehr beobachtet.

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Haut und Hautanhangsgebilde 5,7

Muskel- und Skelettsystem 7,1

Zentrales und peripheres Nervensystem 47,1

Vegetatives Nervensystem 31,4

Sehstörungen 1,4

Psychiatrische Störungen 62,9

Verdauungstrakt 30,0

Leber- und Gallenveränderungen 5,7

Stoffwechselstörungen 1,4

Herz-Kreislauf-System allgemein 18,6

Myo-, Endo- und Perikard, Herzklappen 7,1

Herzrhythmusstörungen 12,9

Gefäßveränderungen (außer Herz) 10,0

Respirationstrakt 4,3

Veränderungen des weißen Blutbildes 4,3

Thrombozytenveränderungen, Gerinnungsstörungen 4,3

Niere und ableitende Harnwege 2,9

Generalisierte Störungen 27,1

Veränderungen der Widerstandskraft 2,9

Begriffe spezifischer Vergiftung 1,4

13Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Ein Fallbericht kann mehrere UAW beinhalten. Die %-Bezugsgröße ist die Anzahl der Fallberichte. Daher kann der %-Wert über 100 steigen.

Hinweis: Die in den AVP veröffentlichten Daten zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) basieren – soweit nicht ausdrücklich anders

erwähnt – auf einer Auswertung der in der Phoenix-Datenbank der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft enthaltenen Berichte aus

dem Spontanerfassungssystem zu Arzneimittelnebenwirkungen der Jahre 1990 bis 1997 (Stand: 28. 11. 1997). Es ist zu beachten, daß aus den Daten

eines Spontanerfassungssystems keine Aussagen über absolute Häufigkeiten (Inzidenzen) des Auftretens von UAW möglich sind!

SOC-Nebenwirkungsprofil (>1%): Venlafaxin

0 10 20 30 40 50 60 70

in Prozent

Stellungnahme eines Mitgliedesder Arzneimittelkommission derdeutschen Ärzteschaft:

Venlafaxin ist ein relativ neues Antide-pressivum, das sich im Wirkmechanis-mus von den klassischen Antidepressiva(Trizyklika und Maprotilin) unterschei-det. Der wesentliche Unterschied ist,daß die rezeptorblockierenden Wirkun-gen der klassischen Antidepressiva bei Venlafaxin nicht oder nur geringvorliegen. Stark ausgeprägt ist die Noradrenalin- und Serotoninrückauf-nahmehemmung, also die Wirkung amNoradrenalin- und Serotonintranspor-ter. Diese Wirkung hat das Venlafaxinmit den klassischen Antidepressivagemeinsam. Von weiteren neuen Anti-depressiva wie der Gruppe der selekti-ven Serotoninrückaufnahmehemmer(SSRI) unterscheidet sich das Venlafa-xin nur dadurch, daß es außer der Sero-toninrückaufnahme auch und gleich-zeitig die Noradrenalinrückaufnahmehemmt.

Das Risikoprofil dieser Substanz unter-scheidet sich bei Betrachtung größererFallzahlen signifikant von dem der tri-zyklischen Antidepressiva und desMaprotilins und auch etwas von demder SSRI. Es ist richtig, daß Venlafaxindurchschnittlich weniger Kreislauf-komplikationen und insbesondere weni-ger Hypotonien macht als die klassi-schen Antidepressiva. Aufgrund derebenfalls fehlenden anticholinergenWirkung geht man allgemein von einerbesseren Verträglichkeit bei Alterspati-enten aus, da Störungen beim Wasser-lassen und Obstipation ebenso wie Seh-störungen und delirante Syndrome sel-tener zu erwarten sind als bei denanticholinerg wirksamen Trizyklika.

Dies sind Hinweise und Anhaltspunkte,die für die Allgemeinheit gelten, aber siemüssen nicht im Einzelfall zutreffen.Die Meldung einer schweren Hypotonieist deshalb sehr wichtig, weil die Insi-denz relativ seltener Ereignisse für neueSubstanzen noch nicht ausreichend

FAZITEine Hypotension wie hier wird als sel-ten, d. h. bei weniger als 1 % der Be-handlungen, angegeben. Aus der Phar-makologie ist sie nicht ohne weiteresals Regulationsstörung abzuleiten; viel-leicht ist sie die Folge einer peripherenVasodilatation und vom Typ der Ortho-stase, wie sie ja auch vom berichtendenArzt beschrieben wird. Man wird diediesbezüglichen Meldungen sorgfältigverfolgen müssen, um zu klären, ob die-ses Ereignis nicht doch häufiger als bei1% der Behandlungen auftritt.

bestimmt ist. Häufiger als eine Hypoto-nie ist beim Venlafaxin eine hypertoneDysregulation. Deswegen werden regel-mäßige Kontrollen des Blutdrucks inder Fachinformation empfohlen. Blut-druckanstiege sollen gelegentlich, d.h.bei 1 bis 10% der Behandlungen undinsbesondere bei Tagesdosen ab 200 mg,beobachtet werden. DT

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14 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Mitteilungen der Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im Deutschen Ärzteblatt

schwerwiegender Hautreaktionen mitnachfolgendem stationären Aufenthaltmit 1:300 bis 1:100 deutlich höher alsbei Erwachsenen (Inzidenz 1:1000). DieAkdÄ empfiehlt eine sorgfältige Auf-klärung der Patienten und eine beson-dere Aufmerksamkeit hinsichtlich mög-licher Nebenwirkungen. Sie bittet – wieauch in den anderen Mitteilungen – umMeldung entsprechender Beobachtun-gen (auch Verdachtsfälle).

Über das Ruhen der Zulassung für Fenfluramin und Dexfenfluramin(Ponderax® und Isomeride®) sowie denRückruf dieser Arzneimittel wurde

ebenfalls informiert. Grund für dieseMaßnahme waren Beobachtungen vonHerzklappenveränderungen bei adipö-sen Patienten, die durchschnittlich ca. 9Monate lang eine Kombination von Fen-fluramin und Phentermin eingenom-men hatten.

Sehstörungen unter Omeprazol gabenzum wiederholten Male Anlaß, sich ineiner Mitteilung mit dieser Substanz zubefassen. Von besonderer Bedeutungerschienen zwei Beobachtungen überdas Auftreten visueller Störungen nachoraler Gabe von Omeprazol in üblicherDosierung. Die AkdÄ bittet daher bei derVerordnung von Omeprazol um erhöhteAufmerksamkeit hinsichtlich diesesRisikoprofils.

(Stand: 1. Dezember 1997)

Seit Anfang September 1997 hat dieAkdÄ weitere Mitteilungen im Deut-schen Ärzteblatt veröffentlicht, diejederzeit auch als Fax über den AID-Fax-service (Tel./Fax-Nr. 0221/4004-510und 511) abrufbar sind.

Das Antiepileptikum Lamotrigin ist mitdem Risiko schwerer Hautreaktionenbehaftet. Als Risikofaktoren stellte die AkdÄ eine hohe Anfangsdosierungsowie die begleitende Anwendung vonValproinsäure mit konsekutiver Verdop-pelung der durchschnittlichen Halb-wertszeit von Lamotrigin heraus.Zudem ist bei Kindern die Inzidenz

SCH

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Aus der Praxis – Für die Praxis

Britische Empfehlungen zur Behandlungder Alzheimer-Krankheit

Im Februar 1997 hat die Arzneimittel-kommission der deutschen Ärzteschaft(AkdÄ) ihre Therapieempfehlungen zurIndikation Demenz veröffentlicht. Am07.03.1997 verfaßte eine Gruppe briti-scher Gerontopsychiater knappe Emp-fehlungen für die Pharmakotherapie derAlzheimer-Krankheit. Diese decken sichweitgehend mit den Empfehlungen derAkdÄ.

Insbesondere wird auch hier auf dieMMST-Skala* als wichtiges Instrumentzur Überprüfung der Therapiebedürftig-keit und des Krankheitsverlaufs verwie-sen. Selbstverständlich müssen weitereklinische Kriterien und die Ergebnissedes Interviews (ggf. mit Angehörigen)hinzutreten.

Nur bei leicht bis mittelschwer ausge-prägten Formen der Erkrankung ist dieWirksamkeit von Nootropika ausrei-chend belegt. Die Reaktion auf die medi-kamentöse Behandlung sollte in dreiPhasen überprüft werden:

1. Nach 2 Wochen hinsichtlich Neben-wirkungen (insbesondere bei Verord-nung von Tacrin)

2. Nach 3 Monaten hinsichtlich derBesserung kognitiver Symptome

3. 6monatlich hinsichtlich des gesam-ten Krankheitsstatus.

Das schwierigste Problem ist die Ent-scheidung über das Absetzen der Medi-

kation: unter Umständen frühzeitig,wenn die Verträglichkeit und/oder Com-pliance (!) nicht ausreichend ist, wennsich der Krankheitszustand nach 3–6Monaten wieder auf das Vorbehand-lungsniveau hin verschlechtert hat bzw.bei sich beschleunigender Verschlech-terung. Auslaßversuche z.B. über 6Wochen können hilfreich sein für dieEntscheidung, ob die Therapie fortge-setzt werden sollte.

Lovestone, S. et al.: Guidelines on drugtreatments for Alzheimer’s disease, Lancet 350: 232-233 (1997)

* MMST-Test (Mini-Mental-Status-Test)zu beziehen über:

Testzentrale des Berufsverbandesdeutscher Psychologen, Robert-Bosch-Str. 25, 37079 Göttingen, Fax:0551/50688-24

Antikoagulation vor und nach elektivenchirurgischen Eingriffen bei Patientenunter Phenprocoumon/Warfarin

Bekanntlich wird das Rezidivrisiko nachVenenthrombosen und Lungenemboli-en durch eine Antikoagulation um ca.80% reduziert. Ohne diese beträgt dasRezidivrisiko einer Venenthrombose50% innerhalb von 3 Monaten. Beichronischem Vorhofflimmern kann dieAntikoagulation das Risiko arteriellerThromboembolien um 2/3 senken, nachHerzklappenersatz sogar um 3/4. EineAntikoagulation bei diesen Zuständenist also gut begründet.

Was ist nun zu tun, wenn bei einem sol-chen Patienten eine Operation erforder-lich wird? Dazu besteht bislang keinKonsens. In einer Übersicht im New

England Journal of Medicine versuchenKearon und Hirsh das Risiko throm-boembolischer Komplikationen auf dereinen Seite und das Risiko einer uner-wünschten Blutung auf der anderenSeite zu quantifizieren. Es werden hier-zu nur die Daten prospektiver und ran-domisierter Studien ausgewertet.

Als extreme Lösungen stehen sichgegenüber:

1. Therapie mit Phenprocoumon (Mar-cumar®) 4 Tage präoperativ beendenund so bald wie möglich postoperativwieder beginnen; dadurch bedingtsubtherapeutische Wirkstoffspiegel

für jeweils 2 Tage prä- und postopera-tiv. Das Thromboembolierisiko er-höht sich so unvermeidlich. Nachden vorliegenden Daten entsprichtdas Risiko für arterielle Embolienpräoperativ und postoperativ und fürvenöse Thromboembolien präopera-tiv dem allgemeinen Risiko nachBeendigung einer Marcumar-Thera-pie. Postoperativ ist bei größerenEingriffen dagegen das Risiko fürvenöse Thromboembolien bei Pati-enten mit einer solchen Behand-lungspause 100fach erhöht. VenöseThromboembolien weisen eine Leta-lität von 6% auf, zusätzlich treten bei2% der Patienten Dauerschäden ein.Arterielle Thromboembolien sind bei20% der Patienten tödlich und kön-nen bei 40% Dauerfolgen hinterlas-sen.

2. Nach Absetzen des Phenprocou-mons/Warfarins intravenöse Gabe

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16 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

FAZITDie Durchführung elektiver chirurgi-scher Eingriffe erfordert das Absetzeneiner bestehenden Antikoagulati-onstherapie. Eine Heparinisierung kannbei diesen Patienten das Thromboem-bolierisiko perioperativ senken, sieführt allerdings unter bestimmten Vor-aussetzungen auch zu einer Erhöhungdes perioperativen Blutungsrisikos. DieHeparin-Gabe ist in Abhängigkeit vonder Vorgeschichte und der Indikationzur Marcumarisierung individuell zuplanen.

von Heparin bis zum 2. postoperati-ven Tag. Das Blutungsrisiko wirddurch die präoperative intravenöseHeparin-Gabe nicht wesentlicherhöht. Eine postoperative intra-venöse Heparinisierung erhöht aller-dings das Blutungsrisiko um minde-stens 3%. Diese Blutungen habeneine Letalität von 3% und führen inder Hälfte der Fälle zu Reoperatio-nen.

Risiko und Nutzen einer perioperativenintravenösen Heparin-Therapie (2 Tagepräoperativ und 2 Tage postoperativ)sind in Abhängigkeit von der primä-ren Indikation zur Phenprocoumon-Therapie ganz unterschiedlich zu be-werten:

1. Venenthrombose als Indika-tion für Phenprocoumon

Im ersten Monat nach dem Ereigniserhöht sich das Rezidivrisiko ohne Mar-cumar-Therapie täglich um 1%. Durchdie perioperative Heparinisierung wirddie postoperative Blutungsrate zwar ver-doppelt, dennoch kann dadurch dieMorbidität gesenkt werden.

Im zweiten und dritten Monat sinkt dasRisiko einer Rezidivthrombose deutlich.Eine präoperative Heparinisierung ist inder Regel nicht gerechtfertigt, postope-rativ sollte allerdings Heparin i.v. ge-geben werden wegen des bekannten100fach höheren Rezidivrisikos.

Drei Monate nach der Tiefvenenthrom-bose ist weder eine präoperative Marcu-mar-Therapie noch eine perioperativeHeparin-Gabe erforderlich. Diese Pa-tienten sollten perioperativ niedermole-kulares Heparin subkutan erhalten.

2. Phenprocoumon-Therapienach arterieller Thromboembolie

Im ersten Monat ist die präoperativeintravenöse Heparin-Gabe indiziert,postoperativ sollte dies nur bei kleinenEingriffen ohne hohes Blutungsrisikodurchgeführt werden. Liegt die arteriel-le Thromboembolie länger als einenMonat zurück, ist der Schaden einer

perioperativen Heparin-Therapie grö-ßer als der Nutzen.

Ein wesentliches Problem bei der Aus-wertung der vorliegenden Studien istdie Validität der Daten. Vor allem die zurFrage einer postoperativen Blutung undihrer möglichen Folgen publiziertenDaten sind relativ unsicher. Die Validitätwurde in der vorliegenden Arbeit über-prüft: Hierzu wurden das Thromboem-bolierisiko und das Blutungsrisiko ver-suchsweise verdoppelt bzw. halbiert.Auch unter diesen Voraussetzungenergab sich keine Änderung der Empfeh-lungen, so daß die Daten als ausrei-chend valide angesehen werden können.

Zusammenfassend werden die folgenden Empfehlungengegeben:

1. Venöse Thromboembolie inder Vorgeschichte

Im ersten Monat nach dem Ereignissollten möglichst keine elektiven chir-urgischen Eingriffe vorgenommen wer-den. Falls es doch erforderlich wird, soll-te sowohl prä- als auch postoperativHeparin intravenös gegeben werden.

Die Heparin-Therapie sollte dann 6Stunden präoperativ beendet und späte-stens 12 Stunden postoperativ wiederbegonnen werden.

Bei notwendigen Operationen innerhalbvon 2 Wochen nach einer venösenThromboembolie wird die prophylakti-sche Implantation eines Cava-Filterserwogen.

Im zweiten und dritten Monat nach demEreignis sollte präoperativ eine Hepari-nisierung nur beim Vorliegen zusätzli-cher Risiken (Bettlägerigkeit) erfolgen.Postoperativ ist eine Heparin-Gabeimmer zu empfehlen.

2. Arterielle Thromboemboliein der Vorgeschichte

Wenn möglich, sollte auch hier imersten Monat jeder chirurgische Eingriffvermieden werden. Ist er aber zwingenderforderlich, muß präoperativ Heparin

verabreicht werden. Eine postoperativeHeparin-Gabe ist nur bei niedrigem Blu-tungsrisiko indiziert.

3. Phenprocoumon-Therapiebei Klappenersatz und chronischem Vorhofflimmern

Eine intravenöse Heparin-Gabe ist wederprä- noch postoperativ erforderlich; diesePatienten sollten wie andere Risikopati-enten niedermolekulares Heparin sub-kutan erhalten.

Literatur

C. KEARON, J. HIRSH: Management ofanticoagulation before and after electivesurgery, New Engl. J. Med. 336, 1506 (1997)

Übersetzt und gekürzt: Prof. Dr. med. C. Petermann, Darmstadt

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17Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Behandlung von Paracetamol-Vergiftungen

Nachtrag zum Artikel „Überdosierun-gen von Paracetamol“ in Arzneiverord-nung in der Praxis, Ausgabe 2/97

Zu den „Maßnahmen bei einer Paraceta-mol-Intoxikation“ ist ergänzend anzu-merken, daß (unabhängig von der indiesem Zusammenhang erwähnten Dia-lyse) unverzüglich eine Bestimmungder Plasmakonzentration von Paraceta-mol zu veranlassen ist. Bei Kindern istdies auch deshalb unbedingt erforder-lich, da im Ergebnis häufig auf die Gabevon N-Acetylcystein verzichtet werdenkann.

Wenn keine Konzentrationsbestim-mung möglich ist, sollte N-Acetylcy-stein bei einer vermuteten Aufnahmevon mehr als 100 mg Paracetamol/kgKörpergewicht gegeben werden. DieFormulierung „in den ersten 8 Stundenist die intravenöse Gabe von N-Acetyl-cystein sinnvoll“ kann mißverstandenwerden. Da N-Acetylcystein heute dasam häufigsten erfolgreich angewandte

Antidot bei akuten Vergiftungen über-haupt ist, vorausgesetzt, die Indikation(wenn irgendmöglich nach toxikologi-scher Analytik) ist gegeben, ist die Gabenicht nur sinnvoll, sondern unabding-bar notwendig. Nach aktueller Literaturist die intravenöse Gabe von N-Acetyl-cystein nicht nur innerhalb der ersten 8 Stunden sinnvoll, vielmehr wird beigegebener Indikation eine Zeitspannebis zu 16 Stunden angegeben.

Darüber hinaus sollte bedacht werden,daß bei Alkoholabusus mit der Folgeeines Glutathionmangels und beiInduktion des Cytochrom-P450-Systemsdurch entsprechende Arzneimittel (z.B.verschiedene Antiepileptika) die Indika-tion für die Gabe von N-Acetylcysteingroßzügig gestellt werden sollte. Ob essinnvoll ist, bei dem schnell resorbier-ten Paracetamol noch nach 6 Stundenbei „Verdacht auf Intoxikation“ eineMagenspülung zu empfehlen, ist bei derkontroversen Diskussion über Nutzenund Risiko der Magenspülung fraglich.

Kliniker werden dies unterschiedlichbeurteilen.

Der tragische Zwischenfall einer tödli-chen Intoxikation bei einem Kind sollteMahnung sein, auch bei vermeintlichharmlosen nicht-rezeptpflichtigen Arz-neimitteln vor der Verordnung die sach-gerechte Dosierung und Dosierungs-intervalle zu überdenken. BesondereSorgfalt ist in jedem Fall bei Kindernangezeigt, da sich Dosierungen fürErwachsene nicht proportional aufkindgerechte Dosierungen umrechnenlassen. Dosierungsempfehlungen fürKinder und Jugendliche sind primärunter Beachtung des Körpergewichteszu ermitteln. Bisher beschriebene Into-xikationen bei Kindern durch Paraceta-mol belegen, daß bei einer Dosis von150 bis 200 mg/kg Körpergewicht mitschweren und gegebenenfalls tödlichenVergiftungen zu rechnen ist.

Anmerkung der Redaktion:

Wir danken Herrn Prof. Dr. med. G.Hennighausen, Rostock, und HerrnProf. Dr. med. U. Schwabe, Heidelberg,für diesen kritischen Nachtrag.

Neue Arzneimittel – kritisch betrachtet

Mibefradil – Calciumkanalblocker einerneuen Generation?

Seit September 1997 ist der Calcium-kanalblocker Mibefradil (Cerate®, Posi-cor®) zur Behandlung der essentiellenHypertonie und der stabilen Angina pec-toris auf dem Markt. Mibefradil wird seitetwa 10 Jahren tierexperimentell undelektrophysiologisch untersucht. Esblockiert selektiv die vor allem im Vor-hof und Reizleitungssystem des Her-zens, in der Gefäßmuskulatur, in denNieren und Nebennieren sowie im ZNSvorkommenden Calcium-T-Kanäle.

kulatur, Niere, Nebenniere) als die L-Kanäle (Myokard, Gefäßmuskulatur).T-Kanäle („transient opening“) unter-scheiden sich von den L-Kanälen („longlasting opening“) durch ihre Öffnungs-dauer (L- >> T-Kanäle) und die Ionen-transportkapazität für Calcium, die bei den L-Kanälen sehr viel größer ist.Darüber hinaus benötigen T-Kanäleschwächer depolarisierende Reize(Schwellenpotential bei –70 mV) als L-Kanäle (–10 mV). Während die L-Kanäleauf Grund ihrer größeren Ionentrans-portkapazität für die elektromecha-nische Kopplung (z.B. im Myokard) mitverantwortlich sind, beeinflussen T-Kanäle bei geringerer Ionentrans-

Diese Kanäle unterscheiden sich vonden im Myokard und in Gefäßen vor-kommenden L-Kanälen, die Angriffs-punkt für alle bisher therapeutischgenutzten Calciumkanalblocker sind (s. Abb. 1) [1].

Pharmakologischer Hintergrund: T-Ka-näle zeigen ein anderes Verteilungs-muster im menschlichen Organismus(Vorhofgewebe, insbes. Sinusknoten,Koronarien und periphere Gefäßmus-

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18 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

schieden, so daß eine eingeschränkteNierenfunktion keine Dosierungspro-bleme mit sich bringt. Mit Interaktio-nen bei gleichzeitiger Einnahme vonCiclosporin, Chinidin, Metoprolol, Ter-fenadin, Statinen und Digoxin ist zurechnen, nicht jedoch unter Atenolol,Enalapril oder Theophyllin.

Bei den bisher durchgeführten klini-schen Studien wurden ein dosisabhän-giger blutdrucksenkender Effekt [2] so-wie ein günstiger Effekt bei der stabilenAngina pectoris (ST-Streckensenkung,Nitratverbrauch, Belastungstests) nach-gewiesen [3]. Auch die Dauer und Häu-figkeit von stillen ischämischenAttacken wurden durch Mibefradilgesenkt. Über die Beeinflussung derAktivität des Sinusknotens, nicht aberdes AV-Knotens, wird die Herzfrequenzgesenkt, was sich auch auf die Ökono-misierung der Herzarbeit auswirkt. Dieantihypertensive und antiischämischeWirkung nahm unter der einmaligentäglichen Gabe von 50, 100 oder 150 mgzu. Für die Therapie werden bisher nurdie 50- und 100-mg-Tagesdosis wegender zunehmenden Häufigkeit uner-wünschter Wirkungen empfohlen. Her-vorzuheben ist die über 24 Stundenanhaltende antihypertensive Wirkungvon Mibefradil, die nur geringe zirka-diane Blutdruckschwankungen erken-nen läßt, offensichtlich aufgrund seinerlangen Eliminationshalbwertszeit [2].Derzeitig wird in einer internationalangelegten Studie (MACH I) die Wirk-samkeit von Mibefradil bei der chroni-schen Herzinsuffizienz geprüft, derenErgebnisse aber erst im Jahre 2002 ver-fügbar sein werden.

Als unerwünschte Arzneimittelwirkun-gen (UAW) ergaben sich aus den bishernicht sehr umfangreichen Studien Kopf-schmerz (7,5%), Beinödeme (5,1%),Flush (4,3%), Schwindel (4,1%), Herz-klopfen (3,1%), Müdigkeit (2,9%) undObstipation (1,8%) bei Beurteilungeines Patientengutes von 491 Hyperto-nikern [4]. Bei den vergleichsweisegeprüften Stoffen Amlodipin, Diltiazemund Nifedipin GITS traten z.B. Kopf-schmerz und Beinödeme häufiger,Flush, Schwindel und Herzklopfen sel-tener auf [4]. Als kardiale unerwünschte

Abbildung 1: Verteilung der Calcium-T- und L-Kanäle

portkapazität die Impulsbildung imSinusknoten bzw. in Schrittmacherzel-len, den Tonus in den Koronarien undden peripheren Gefäßen, Wachstums-prozesse (proliferative Prozesse im Myo-kard und in den Gefäßen) sowie dieSekretion von Renin und Aldosteron inden Nieren und von Katecholaminen inden Nebennieren.

Aus diesen Wirkungen resultieren einevasodilatierende und herzfrequenzsen-kende Wirkung, die Hemmung derRenin- und Aldosteronsekretion sowieeine verminderte Sympathikusaktivität.Der unterschiedliche Angriff von Mi-befradil (T-Kanäle) und Nifedipin (L-Kanäle) an den peripheren Gefäßenführt offensichtlich zu unterschiedlichschnell einsetzenden und unterschied-

unterscheidet, blockiert T-Kanäle und ingeringerem Umfang partiell L-Kanäle. InTierversuchen wurden blutdrucksen-kende und antiischämische Eigenschaf-ten nachgewiesen, wobei Mibefradil

• sich mehr auf die intramyokardialenals epikardialen Gefäße auswirkt,

• einen antiischämischen Effekt beiniedrigen Perfusionsdrucken bewirkt,

• stärker auf die Gefäße als auf das Myokard wirkt,

• den Sinus- und AV-Knoten in geringe-rem Maße als das Myokard beeinflußt,

• die Proliferation der glatten Gefäß-muskelzelle hemmt, womit es

lich stark ausgeprägten vasodilatieren-den Effekten, die im Falle des Nifedipindie plötzlich einsetzenden blutdruck-senkenden Effekte erklären, die auchnoch Gegenregulationsmechanismenauslösen können, während die Wirkungvon Mibefradil verzögert einsetzt undohne Freisetzung von Katecholamineneinhergeht. Die in therapeutischenDosen kaum nachweisbare negativinotrope Wirkung von Mibefradil wirdals besonderer Vorteil gegenüber Vera-pamil und Diltiazem gesehen.

Wirkung: Mibefradil, welches sich in sei-ner chemischen Struktur von allen bis-her bekannten Calciumkanalblockern

• zur Rückbildung der hypertrophier-ten Aortenintima bei hypertensivenVersuchstieren kommt [1].

Die pharmakokinetischen Eigenschaf-ten von Mibefradil sind wegen seinerhohen Bioverfügbarkeit (>90%) undder langen Eliminationshalbwertszeit(15 bis 22 Stunden) hervorzuheben, weildamit die einmalige tägliche Gabe von50 bis 100 mg Mibefradil (bisher emp-fohlene Tagesdosis) ausreichend ist.Mibefradil wird zu einem großen Teilüber das Cytochrom-P450-System abge-baut. Ein Teil wird auch hydrolytischgespalten. Mibefradil wird überwiegend(3/4) über die Galle und nur zu einemkleinen Teil (1/4) über die Nieren ausge-

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19Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Wirkungen wurden AV-Blocks 1. Grades(bei 8,4% der Patienten unter 100 mgMibefradil) sowie vorzeitige supraven-trikuläre Kontraktionen (bei 4,6% derPatienten unter 100 mg Mibefradil)beobachtet.

Der Arzneimittelkommission der deut-schen Ärzteschaft (AkdÄ) liegen inzwi-schen mehrere Berichte über uner-wünschte Arzneimittelwirkungen imZusammenhang mit der Gabe von Mibe-fradil vor, darunter vier Verdachtsfälleeiner Bradykardie nach Kombinations-behandlung mit einem Betarezeptoren-blocker (Carvedilol, Metoprolol, Propra-nolol).

Eine kombinierte Anwendung vonMibefradil mit Betablockern sollte – wieauch in den Fachinformationen aus-drücklich erwähnt – nur unter Vorsichtund in dem Wissen um die möglichenWirkungen erfolgen, wobei eine engma-schige Überwachung der Patienten not-wendig ist. Von einer Behandlung beieiner Ausgangsherzfrequenz von unter55 Schlägen/Minute ist abzuraten.

Das Risiko für das Auftreten einer Rhab-domyolyse kann durch die kombinierteAnwendung von Mibefradil mit HMG-CoA-Reduktasehemmern (Statine) wieSimvastatin oder Lovastatin erhöhtsein. Diese UAW wird durch Wechselwir-kungen am Cytochrom P450-IsoenzymCYP 3A4 ausgelöst, indem der Abbau derStatine durch Mibefradil verzögert wird.

Einschätzung: Mit der Gruppe der T-Kanal-Blocker wurden neue Möglich-keiten für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gefunden. Fürdie in der Zulassung angegebenen Indi-kationen essentielle Hypertonie und sta-bile Angina pectoris liegen mehrerekleine, aber solid durchgeführte Studienvor. Mit künftigen Untersuchungenmuß die auf Tierexperimente sich stüt-

zende Behauptung gesichert werden,Mibefradil wirke weniger negativ ino-trop und beeinflusse das Reizleitungs-system weniger als andere Calciumka-nalblocker (Verapamil und Diltiazem).Diese günstigen Effekte müßten sich ineiner signifikant geringeren Häufigkeitvon unerwünschten Arzneimittelwir-kungen niederschlagen, weshalb bei derkommenden Anwendung in der ärztli-chen Praxis darauf besonderes Augen-merk gelegt werden sollte. Von besonde-rem Interesse dürften weitere Belege fürdie wachstumshemmenden Eigenschaf-ten auf das hypertrophierte Myokardoder die hypertrophierten Gefäße beiHypertonikern sein.

Literatur:

[1] LÜSCHER TF, CLOZEL JP, NOLL G:Pharmacology of the calcium anta-gonist mibefradil. J Hypertens 15(Suppl 3): S11–S18 (1997)

[2] LACOURCIÈRE Y, POIRIER L, LEFEBRE Jet al.: The anihypertensive efficacyof the novel calcium antagonistmibefradil in comparison with nife-dipine GITS in moderate to severehypertensives with ambulatoryhypertension. Am J Hypertens 10:189–196 (1997)

[3] BAKX ALM, van der Wall EE, Braun Set al.: Effects of the new calciumantagonist mibefradil (Ro 40–5967)on exercise duration in patientswith chronic stable angina pectoris:A multicenter placebo-controlledstudy. Am Heart J 130: 748–757(1995)

[4] KOBRIN I, CHARLON V, LINDBERG E etal.: Safety of Mibefradil, a new once-a-day, selective T-type calcium chan-nel antagonist. Am J Cardiol 80(4B): 40C–46C (1997)

FAZITMibefradil bietet ein neuartiges Prinzipzur Behandlung der Hypertonie undAngina pectoris dar. Die Substanz hateine Halbwertszeit von 15 bis 22 Stun-den, so daß Phänomene, hervorgeru-fen durch rasches An- und Abfluten,nicht zu erwarten sind. Nach denbisherigen Studien fehlen Mibefradildie ausgeprägten negativ inotropenund den Herzrhythmus beeinflussen-den Eigenschaften anderer Calcium-kanalblocker wie Verapamil und Diltia-zem.Die bradykardisierende Wirkung vonMibefradil darf nicht unterschätzt wer-den, insbesondere wenn die Substanzmit Betablockern oder mit Verapamilkombiniert wird. Gefahrvoll für denPatienten kann auch eine Kombina-tion mit HMG-CoA-Reduktasehem-mern sein.Der therapeutische Wert von Mibe-fradil kann aufgrund der bisherigenErfahrungen noch nicht hinreichendbeurteilt werden, wird sich aber nicht zuletzt am Auftreten von uner-wünschten Arzneimittelwirkungen und -wechselwirkungen messen lassenmüssen, die es sorgfältig zu registrie-ren gilt. Derzeit sollte Mibefradil auchwegen seiner hohen Tagestherapieko-sten als Arzneimittel der 2. Wahl denje-nigen Patienten vorbehalten bleiben,deren arterielle Hypertonie oder stabi-le Angina pectoris mit den bislang ver-fügbaren und bewährten Antihyperto-nika nicht zufriedenstellend eingestelltwerden konnte.

Prof. Dr. med. Knut-Olaf HausteinKlinikum der Friedrich-Schiller-Uni-versität JenaKlinische Pharmakologie ErfurtNordhäuser Straße 7899089 Erfurt

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20 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Die preisgünstige Verordnung

Quelle: Präparatenamen und Packungspreise laut ABDA-Datenbank (Stand: 1. Dezember 1997); alle Preisangaben in DM

Metoclopramid

Die folgende Übersicht erlaubt einenPreisvergleich von Metoclopramid-haltigen Fertigarzneimitteln. Die auf-geführten Packungsgrößen spiegeln eineAuswahl wider. Als Grundlage derberechneten Tagestherapiekosten wurde

eine Gesamtdosis von 30 mg Metoclopra-mid, berechnet auf die Base, festgelegt.

Ausnahme: Für die hochdosierteMetoclopramid-Therapie bei Zytosta-tika-bedingter Übelkeit und Erbrechenwurde eine Tagesdosis von 500 mgMetoclopramid (Base) zugrunde gelegt.

Für die unterschiedlichen (in der Regelnur marginal abweichenden) Mengenvon Metoclopramid pro abgeteilte Formbestehen unterschiedliche Festbeträge,was unseres Erachtens die Vergleichbar-keit der Fertigarzneimittel unnötigerschwert und nicht zur Transparenzbeiträgt.

Packungspreis Präparat Tagestherapiekosten

Tropfen, 3,6 mg/ml, 30 ml, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 5,07 DM

Tropfen, 3,9 mg/ml, 30 ml, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 5,38 DM

Tropfen, 5,05 mg/ml, 30 ml, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 6,64 DM

Suppositorien 20 mg, 5 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 7,23 DM

Tbl., Filmtbl., Kps., 8,9 mg, 50 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 16,10 DM

3,90 Metoclopramid AL Tropfen 1,08

3,98 Gastrotranquil® Tropfen Azupharma 1,11

4,00 MCP-beta Tropfen 1,11

4,20 MCP Hexal® Tropfen 1,17

4,50 MCP Stada® Lösung 1,25

4,84 DuraMCP® Tropfen 1,34

4,99 Paspertin® Tropfen Solvay 1,39

4,15 MCP v.ct Tropfen 1,06

4,54 MCP-ratiopharm® Tropfen 1,16

4,90 Metoclopramid Tropfen PB 0,97

FB 6,64 Gastrosil® Tropfen Heumann 1,31

5,85 Gastronerton® Suppositorien Dolorgiet 1,76

FB 7,23 Gastrosil® 20 Suppositorien Heumann 2,17

FB 7,23 Paspertin® 20 mg Zäpfchen Solvay 2,17

12,26 Metoclopramid AL 10 Tabletten 0,83

13,10 Gastrotranquil® Tabletten Azupharma 0,88

13,10 MCP Hexal® 10 Tabletten 0,88

13,10 MCP Stada® Tabletten 0,88

13,08 MCP-Isis® 10 mg Tabletten 0,88

13,06 Metoclopramid 10 PB Tabletten 0,88

16,07 DuraMCP® Tabletten 1,08

FB 16,10 Cerucal® 10 mg Tabletten Asta 1,09

FB 16,10 Gastronerton® Kapseln Dolorgiet 1,09

FB 16,10 Gastronerton® Tabletten Dolorgiet 1,09

FB 16,10 Gastrosil® Tabletten Heumann 1,09

FB 16,10 Metoclopramid Kapseln Dolorgiet 1,09

FB 16,10 Paspertin® Filmtabletten Solvay 1,09

FB 16,10 Paspertin® Kapseln Solvay 1,09

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21Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Quelle: Präparatenamen und Packungspreise laut ABDA-Datenbank (Stand: 1. Dezember 1997); alle Preisangaben in DM

Packungspreis Präparat Tagestherapiekosten

Tbl., Filmtbl., Kps., 10 mg, 50 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 17,61 DM

Ret.-Kapseln mite, 13,4 mg, 50 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag 34,50 DM

Ret.-Kapseln, 17,8 mg, 50 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag 36,21 DM

Ret.-Kapseln, 21,2 mg, 50 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 37,33 DM

Ret.-Kapseln, 25,4 mg, 50 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 38,50 DM

Ret.-Kapseln, 26,7 mg, 50 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 38,84 DM

Ampullen, 8,9 mg, 10 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 11,11 DM

Ampullen, 8,5 mg, 5 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 5,38 DM

Ampullen, 42,31 mg, 5 Amp. à 10 ml, Festbetrag: 16,63 DM, Tagesdosis: 500 mg

Ampullen, 8,9 mg, 5 Stück, Tagesdosis: 30 mg, Festbetrag: 5,57 DM

Ampullen, 44,6 mg, 5 Amp. à 10 ml, Festbetrag: 17,24 DM, Tagesdosis: 500 mg

13,17 MCP-ratiopharm® 10 Tabletten 0,79

FB 34,50 Gastrosil® retard mite Kapseln Heumann 1,54

FB 36,21 Paspertin® retard Kapseln Solvay 1,22

31,80 Gastronerton® retard Kapseln Dolorgiet 0,90

26,25 Metoclopramid AL retard Kapseln 0,62

26,85 Gastrotranquil® retard Kapseln Azupharma 0,63

29,97 MCP retard v.ct Kapseln 0,71

32,23 MCP-ratiopharm® 30 Retard-Kapseln 0,76

FB 38,50 Gastro-Timelets® Retard-Kapseln Temmler 0,91

FB 38,84 Gastrosil® retard Kapseln Heumann 0,87

FB 11,11 Cerucal® 10 mg Ampullen Asta 3,74

4,63 MCP v.ct SF Ampullen 3,27

4,76 MCP-ratiopharm® SF Ampullen 3,36

5,03 DuraMCP® Ampullen Durachemie 3,39

5,05 MCP Hexal® injekt Ampullen 3,40

5,35 Gastronerton® Ampullen Dolorgiet 3,61

FB 5,57 Gastrosil® Ampullen Heumann 3,76

FB 5,57 Paspertin® Ampullen Solvay 3,76

14,70 MCP-ratiopharm® 50 SF Ampullen 34,74

FB 17,24 Gastrosil® 50 Ampullen Heumann 38,65

FB 17,24 Paspertin® 50 mg/10 ml Ampullen Solvay 36,65

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22 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

… was uns sonst noch auffiel

Kontrolle der Blutdrucktherapie durch konventionelle oder maschinelle Messung

Merkwürdigerweise erwähnen weder dieAutoren noch der Kommentator denleicht gangbaren Mittelweg, nämlich diemaschinelle Blutdruckmessung miteinem nichttragbaren Gerät in einemruhigen Raum der Praxis, eine Methode,mit der leichter und schneller wichtigeInformationen gewonnen werden kön-nen. Die Blutdruck-Selbstmessung bie-tet keine ganz überzeugende Alternative,da sie durch Erwartungshaltung undAnspannung des Patienten oft um 20 bis30 mm Hg überhöhte Werte liefert.

Literatur

STAESSEN, J.A. et al.: AntihypertensiveTreatment Based on Conventional orAmbulatory Blood Pressure Measure-ment – A Randomized Controlled Trial,JAMA 278: 1065–1072 (1997)

Eine belgische Forschergruppe teilte419 Hochdruck-Patienten randomisiertin zwei Gruppen auf. Bei der einenGruppe wurde die Blutdruckbehand-lung anhand konventioneller Messun-gen, bei der anderen mit Hilfe einesautomatischen tragbaren Blutdruck-meßgerätes über 10 Tagesstunden ge-steuert (CBP-Gruppe/ABP-Gruppe). DieTherapiedosis wurde stufenweise – so-weit nötig – erhöht.

Es zeigte sich, daß bei mehr Patientender ABP-Gruppe als der CBP-Gruppe dieantihypertensive Therapie beendet wer-den konnte (26,3% vs. 7,3%, p <0,001).Bei ABP wurde deutlich seltener eine

Mehrfachbehandlung durchgeführt(27,2% vs. 42,7%, p <0,001). DieErsparnis an Medikamentenkosten inder ABP-Gruppe wurde allerdings durchdie höheren Kosten der maschinellenBlutdruckmessung aufgehoben.

Die Studie zeigt, daß die Blutdruckhöhebei konventioneller Messung in der Pra-xis häufig überschätzt wird („Weißkit-telhypertonie“). Der Artikel wird ineinem Editorial kommentiert, in demder Kommentator mit den Wortenschließt, die Studie sei ein Schritt vor-wärts, um die Vorherrschaft der Blut-druckmessung in der ärztlichen Praxisaus dem Sattel zu heben.

Bedroht ein wachsender Arzneimittelmarkt die Qualität der Arzneimittelverschreibung?

1995 wurde Schweden Mitglied derEuropäischen Union (EU). Einer langenTradition folgend, ließen die Überwa-chungsbehörden in Schweden nur sol-che pharmazeutischen Produkte zu, diesich im Vergleich zu den bereits auf demMarkt befindlichen Arzneimitteln alsgleich gut oder besser darstellten. InDeutschland dagegen werden Arznei-mittel nach den Kriterien Wirksamkeit,Qualität und Unbedenklichkeit zuge-lassen.In Schweden waren 3.000 Präparate –verglichen mit 10.000 in England und70.000 in Deutschland – im Handel. Seitdem Eintritt Schwedens in die EU ist derArzneimittelmarkt um 15% gewachsen.

Ergebnisse

Wie eine Studie – durchgeführt mit 120niedergelassenen Ärzten aus der Region

Stockholm – zeigt, nahm mit der stei-genden Anzahl von zugelassenen Arz-neimitteln auf dem schwedischen Marktauch die Zahl der Verschreibungen zu.Die höchsten Anteile betrafen dabei dieBereiche der kardiovaskulären Arznei-mittel (ATC-Gruppe C) sowie der Antiin-fektiva (ATC-Gruppe J).

Anmerkung

Wie das schwedische Arzneimittelkomi-tee ist auch die Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) unab-hängig von den Einflüssen der pharma-zeutischen Industrie. Die AkdÄ hat bis-lang 8 von insgesamt rund 20 geplantenTherapieempfehlungen publiziert.Diese Therapieempfehlungen sind fürdie Ärzteschaft als Sonderhefte der „Arz-neiverordnung in der Praxis“ (AVP) imRahmen eines Abonnements zu bezie-

hen. Die Empfehlungen bieten für dasjeweilige Indikationsgebiet – nebenHinweisen auf nichtmedikamentöseBehandlungsmöglichkeiten – eineÜbersicht der Wirkstoffe für eine ratio-nale und rationelle Pharmakotherapie.Die AkdÄ ist überzeugt, daß bei konse-quenter Einhaltung ihrer The-rapieempfehlungen Kostenersparnisseim Arzneimittelbereich erzielt werdenkönnen.

Quelle

Pharmacoepidemiology and DrugSafety, Vol. 6, Supp. 2, August 1997

FAZITUm dem im Titel genannten Trend zubegegnen, muß nach Aussage derAutoren das nationale Arzneimittelko-mitee seine Empfehlungen professio-nell vermarkten. Nur so kann einehochqualifizierte Verschreibung beieiner limitierten Anzahl von gut doku-mentierten Arzneimitteln erreicht wer-den.

KHM

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23Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Arzneimittelverbrauch während derSchwangerschaft

In einer retrospektiven Studie wurden1000 Frauen in Brasilien nach derGeburt des Kindes über ihren Arznei-mittelverbrauch während der Schwan-gerschaft befragt.Dabei wurden folgende Daten erhoben:• wieviele Arzneimittel?• für welche Indikationen?• verschreibungspflichtige

Arzneimittel?• Selbstmedikation?• in welchem Trimenon?

Korrelationen mit Alter, Herkunft, Aus-bildung und Berufstätigkeit sowieAnzahl der Schwangerschaftsvorsorge-untersuchungen wurden untersucht.

Ergebnisse

97% der Frauen hatten vorgeburtlicheVorsorge, 47,1% davon begannen damit

im 1. Trimenon. 94,6% der Patientin-nen nahmen mindestens ein Medika-ment während der Schwangerschaft, derDurchschnitt lag bei 3 Medikamenten.89% dieser Medikamente wurden ver-schrieben. 21,5% der Arzneimittel wur-den im 1. Trimenon, 35,7% im 2. und42,8% im 3. Trimenon eingenommen.Impfstoffe wurden nicht berücksichtigt.Die 5 häufigsten Arzneistoffe warenButylscopolamin, Eisensulfat, Metami-zol, Nystatin sowie Multivitaminpräpa-rate.

Anmerkung

Die Arzneimittelkommission der deut-schen Ärzteschaft (AkdÄ) wird anläßlichdes 22. Interdisziplinären Forums derBundesärztekammer in Köln am 31.Januar 1998 ein Symposium zumThema „Medikamente und Schwanger-

schaft“ ausrichten. Nähere Informatio-nen sind über die Geschäftsstelle derAkdÄ (Tel. 0221/4004-528) erhältlichoder können über den AID-Faxservice(Tel./Fax: 0221/4004-510 u. -511) abge-rufen werden.

Quelle

Pharmacoepidemiology and DrugSafety, Vol. 6, Supp. 2, August 1997

FAZITDas Wissen um den Medikamenten-verbrauch während einer Schwanger-schaft kann – so die Autoren – helfen,erzieherische Lernprogramme für diePatientinnen zu entwickeln und einekontinuierliche Ausbildung des medizi-nischen Personals zu fördern.

Keine klinische Wirksamkeit von Tocopherol und Betacaroten

Eine finnische Arbeitsgruppe ging derFrage nach, ob unter der Gabe von Toco-pherol und Betacaroten, also einer Anti-oxidanzien-Therapie, Patienten miteiner koronaren Herzkrankheit profitie-ren. Sie untersuchten 1862 rauchende

Männer zwischen 50 und 69 Jahren, diezuvor einen Herzinfarkt durchgemachthatten. Die Studie war randomisiert,doppelblind und placebokontrolliert. Die Ergebnisse zeigt (zusammengefaßt)die Tabelle:

Das relative Risiko, an einem koronarenEreignis oder einem tödlichen Infarktzu erkranken (bei Placebo definitions-gemäß 1,00), ist danach nicht reduziert.Da unter Betacaroten sogar eine Steige-rung des relativen Risikos gefundenwurde, warnen die Autoren vor der Gabesolcher Präparate. Auch Tocopherolempfehlen sie bei der genannten Patien-tengruppe nicht. Die Rote Liste 1997führt 9 Tocopherol-Präparate auf, vondenen für eines auch als Indikation arte-riosklerotisch bedingte Durchblutungs-störungen der Herzkranzgefäße ge-nannt ist.

Literatur

RAPOLA, J.M. et al.: Randomised trial of a-tocopherol and b-carotene supple-ments on incidence of major coronaryevents in men with previous myocardialinfarction, Lancet 349: 1715–1720(1997)

Tocopherol Tocopherol+ Caroten PlaceboCaroten

Patientenzahl 466 497 461 438

Zahl derkoronaren Ereignisse 94 123 113 94relatives Risiko 0,94 1,14 1,11 1,00

Zahl dertödlichen Herzinfarkte 54 67 74 39relatives Risiko 1,33 1,58 1,75 1,00

KHM

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Page 24: Arzneiverordnung in der Praxis (AVP), Ausgabe 1, Januar 1998

24 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Doppelausgabe 4/1997 u. 1/1998

Gruppe I II III IV

Patientenzahl 59 74 40 40

Titer gegen Chlamydia pneumoniae negativ niedrig hoch hoch

Behandlung mit Azithromycin nein nein nein ja

Myokardiale Ereignisse 4 (7%) 11 (15%) 11 (28%) 3 (8%)

Chlamydia pneumoniae und koronare Herzkrankheit

Gupta et al. untersuchten 213 Männermit überstandenem Herzinfarkt. Siefanden, daß bei Patienten mit negativemTiter gegen Chlamydia pneumoniaemyokardiale Ereignisse im Beobach-tungszeitraum (18 +/– 4 Monate) selte-ner auftraten als bei solchen mit niedri-gem oder hohem Titer. Als „myokardiale

Ereignisse“ bezeichneten sie Tod, insta-bile Angina pectoris, Myokardinfarktund die Indikation zur PTCA oder zurBypassoperation. Die Gruppe mit hohenChlamydien-Titern teilten die Autorenund gaben der Hälfte Azithromycin fürdrei oder sechs Tage (was offenbar kei-nen Unterschied machte). Hierdurch

konnte das Risiko eines myokardialenEreignisses auf das der Gruppe mitnegativen Chlamydien-Titern gesenktwerden.

Die Autoren versuchten, andere Fakto-ren wie Diabetes, Hypertonie, Hyperli-pidämie und Rauchen soweit wie mög-lich bei ihrer Auswertung zu berück-sichtigen. Sie betonen, daß ihre Studiedie erste Interventionsstudie sei, daßaber im Hinblick auf die relativ niedrigeZahl der Patienten weitere Studienerforderlich seien.

Literatur

GUPTA, S. et al.: Elevated Chlamydiapneumoniae Antibodies, CardiovascularEvents, and Azithromycin in Male Survi-vors of Myocardial Infarction. Zirkula-tion 96: 404–407 (1997)

213 Patienten mit überstandenem Herzinfarkt:HÖ

Die Autoren wollen für ihr Ergebniszwei Erklärungen gelten lassen:

• Roxithromycin unterdrückt infolgeseiner antichlamydialen Aktivität diechronischen Infektionen.

• Roxithromycin führt aufgrund antiin-flammatorischer Aktivitäten zu einerAbschwächung der bestehenden Ent-zündung in den atheromatösen Pla-ques, was zu einer Stabilisierungbeiträgt.

Wie Gupta et al. schließen sie, daß wei-tere Untersuchungen mit größerenZahlen erforderlich sind.

Literatur

GURFINKEL, E. et al.: Randomised trial ofroxithromycin in non-Q-wave coronarysyndromes: ROXIS pilot study. Lancet350: 404–407 (1997)

Randomisierte Behandlung von koronar-kranken Patienten mit Roxithromycin

Wie brandaktuell die Problematik derantibakteriellen Behandlung der koro-naren Herzkrankheit ist (s. BeitragGupta et al.), zeigt die im Lanceterschienene Arbeit von Gurfinkel et al.Die Autoren untersuchten 202 Patien-ten mit koronarer Herzkrankheit, dierandomisiert für 30 Tage 150 mg Roxi-thromycin 2 x tägl. oral oder Placebo

bekamen. Im Gegensatz zu Gupta et al.unterteilten sie die Patienten nicht insolche mit hohem oder niedrigem Titergegenüber Chlamydia pneumoniae. Einerhöhter Titer (> 1/64) fand sich bei bei-den Gruppen in knapp der Hälfte derFälle. Die Ergebnisse zeigt die Tabelle(vereinfacht).

Placebo Roxithromycin

Patientenzahl 93 93

wiederholte Angina pectoris-Anfälle 5 1

Herzinfarkt 2 0

Tod 2 0

Tod im erneuten Infarkt* 4 0

erneute schwere Angina, erneuter Infarkt; Tod** 9 1

* von den Autoren als „doppelter Endpunkt“ bezeichnet

** von den Autoren als „dreifacher Endpunkt“ bezeichnet

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