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Unfallchirurg 2012 · 115:427–432 DOI 10.1007/s00113-010-1889-2 Online publiziert: 17. Dezember 2010 © Springer-Verlag 2010 T. Ramczykowski 1  · S. Grüning 2  · A. Gurr 3  · G. Muhr 1  · C. Horch 2  · R. Meindl 2  · J. Swol 1 1  Chirurgische Klinik und Poliklinik, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum    Bergmannsheil GmbH Bochum 2  Abteilung für Neurotraumatologie, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum    Bergmannsheil GmbH Bochum 3  Universitätsklinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, St.-Elisabeth-Hospital,    Ruhr-Universität Bochum Aspirationspneumonie  nach HWS-Verletzung Präventiver Effekt von PEG-Sonden Nach einer Verletzung des Rückenmarks kommt es unabhängig von der Ursache zu einem individuellen Defizit motori- scher, sensibler und vegetativer Funktio- nen, bis hin zum vollständigen Verlust aller Qualitäten. Die Unterbrechung der kortikospinalen Bahn führt initial zum Bild des spinalen Schocks mit ausgepräg- ten kardiovaskulären, pulmonalen und vegetativen Komplikationen. Jede neu aufgetretene Läsion des Rückenmarks erfordert, gleich welcher Ursache, eine intensivmedizinische Überwachung. Vor allem respiratorische Störungen wie Pneumonien und Atelektasen stehen in der Akutphase im Vordergrund der Be- handlung [1]. Die Inzidenz der respirato- rischen Komplikationen korreliert hier- bei direkt mit der Lähmungshöhe und dem Ausmaß (komplett/inkomplett) der Funktionseinschränkung [2]. Mit Eintritt einer Tetraplegie und dem damit verbun- denen funktionellen Verlust der thoraka- len Atemmuskulatur besteht eine verän- derte Atemmechanik sowohl für In- und Exspiration. Atelektasen, Sekretretention sowie ein insuffizienten Hustenstoß begünsti- gen die bakterielle Besiedelung. Neben den motorischen Defiziten auftretende vegetative Phänomene fördern die Ent- wicklung von Infektionen. Bereits weni- ge Stunden nach Eintritt einer Tetraplegie können eine Hypersekretion des Bron- chialepithels sowie eine Einschränkung der mukozilliären Clearance beobachtet werden [5]. Bei hohen Querschnittsver- letzungen in den Segmenten C1–C4 fin- den sich in bis zu 84% der Fälle behand- lungsbedürftige pulmonale Komplikatio- nen sowie zu 60% bei Läsionen in Höhe C5–C8 [3]. Fishburn et al. [4] beschrie- ben bei hohen Schädigungen des Rücken- marks (C3–C5) eine Inzidenz von bis zu 74% für das Auftreten von Pneumonien innerhalb der ersten 30 Tage nach Eintritt der Verletzung. Aspirationsgefahr Eine lähmungsassoziierte Dysphagie ist ein häufig beobachtetes Phänomen nach Eintritt einer HWS-Verletzung. Vor al- lem bei einer hohen Läsion des zervika- len Myelons tritt regelhaft eine gestörte Schluckmotorik auf, die verbunden mit einer Hypersalivation die Grundlage einer Aspiration darstellen kann [8]. Die Erken- nung der Aspirationsgefahr, das Verhin- dern der Aspirationspneumonie und ein adäquater Kostaufbau über enterale Son- den sind für den weiteren Verlauf ent- scheidend. Methodik In die Studie wurden alle Patienten mit einer neu aufgetretenen Rückenmark- verletzung eingeschlossen, die vom 01.01.2008 bis 31.12.2008 auf der chirur- gischen Intensivstation der Klinik und Poliklinik des Berufsgenossenschaftli- chen Universitätsklinikums Bergmanns- heil GmbH Bochum behandelt wurden. Hiernach erfolgten eine weitere Iden- tifizierung und Aufschlüsselung des Patientenkollektivs mit tetraplegischen Verletzungsmustern nach respiratori- schen Komplikationen unter besonderer Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs und der Therapie während der Verweil- zeit auf der Intensivstation. Die Quantifizierung respiratorischer Infekte erfolgte anhand der ärztlichen Dokumentation sowie einer Durchsicht und Kontrolle der Röntgenaufnahmen, mikrobiologischen Befunde und Labor- Tab. 1Pneumonierisiko innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt einer Tetraplegie Patientendaten PEG-Gruppe Non-PEG-Gruppe Keine Schluckstörung n=11 n=9 n=7 Männer 8 (73%) 6 (67%) 7 (100%) Frauen 3 (27%) 3 (33%) 0 Anzahl Pneumonien innerhalb  30 Tagen nach Verletzung 3 (27%) 6 (67%) 3 (42%) PEG perkutane endoskopische Gastrostomie. Redaktion W. Mutschler, München  V. Braunstein, München 427 Der Unfallchirurg 5 · 2012| Originalien

Aspirationspneumonie nach HWS-Verletzung; Aspiration pneumonia after spinal cord injury;

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Page 1: Aspirationspneumonie nach HWS-Verletzung; Aspiration pneumonia after spinal cord injury;

Unfallchirurg 2012 · 115:427–432DOI 10.1007/s00113-010-1889-2Online publiziert: 17. Dezember 2010© Springer-Verlag 2010

T. Ramczykowski1 · S. Grüning2 · A. Gurr3 · G. Muhr1 · C. Horch2 · R. Meindl2 · J. Swol1

1 Chirurgische Klinik und Poliklinik, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum 

  Bergmannsheil GmbH Bochum2 Abteilung für Neurotraumatologie, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum 

  Bergmannsheil GmbH Bochum3 Universitätsklinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, St.-Elisabeth-Hospital, 

  Ruhr-Universität Bochum

Aspirationspneumonie nach HWS-VerletzungPräventiver Effekt von PEG-Sonden

Nach einer Verletzung des Rückenmarks kommt es unabhängig von der Ursache zu einem individuellen Defizit motori-scher, sensibler und vegetativer Funktio-nen, bis hin zum vollständigen Verlust aller Qualitäten. Die Unterbrechung der kortikospinalen Bahn führt initial zum Bild des spinalen Schocks mit ausgepräg-ten kardiovaskulären, pulmonalen und vegetativen Komplikationen. Jede neu aufgetretene Läsion des Rückenmarks erfordert, gleich welcher Ursache, eine intensiv medizinische Überwachung. Vor allem respiratorische Störungen wie Pneumonien und Atelektasen stehen in der Akutphase im Vordergrund der Be-handlung [1]. Die Inzidenz der respirato-rischen Komplikationen korreliert hier-bei direkt mit der Lähmungshöhe und dem Ausmaß (komplett/inkomplett) der Funktionseinschränkung [2]. Mit Eintritt einer Tetraplegie und dem damit verbun-denen funktionellen Verlust der thoraka-len Atemmuskulatur besteht eine verän-derte Atemmechanik sowohl für In- und Exspiration.

Atelektasen, Sekretretention sowie ein insuffizienten Hustenstoß begünsti-gen die bakterielle Besiedelung. Neben den motorischen Defiziten auftretende vegetative Phänomene fördern die Ent-wicklung von Infektionen. Bereits weni-ge Stunden nach Eintritt einer Tetraplegie können eine Hypersekretion des Bron-chialepithels sowie eine Einschränkung

der muko zilliären Clearance beobachtet werden [5]. Bei hohen Querschnittsver-letzungen in den Segmenten C1–C4 fin-den sich in bis zu 84% der Fälle behand-lungsbedürftige pulmonale Komplikatio-nen sowie zu 60% bei Läsionen in Höhe C5–C8 [3]. Fishburn et al. [4] beschrie-ben bei hohen Schädigungen des Rücken-marks (C3–C5) eine Inzidenz von bis zu 74% für das Auftreten von Pneumonien innerhalb der ersten 30 Tage nach Eintritt der Verletzung.

Aspirationsgefahr

Eine lähmungsassoziierte Dysphagie ist ein häufig beobachtetes Phänomen nach Eintritt einer HWS-Verletzung. Vor al-lem bei einer hohen Läsion des zervika-len Myelons tritt regelhaft eine gestörte Schluckmotorik auf, die verbunden mit einer Hypersalivation die Grundlage einer Aspiration darstellen kann [8]. Die Erken-nung der Aspirationsgefahr, das Verhin-dern der Aspirationspneumonie und ein adäquater Kostaufbau über enterale Son-

den sind für den weiteren Verlauf ent-scheidend.

Methodik

In die Studie wurden alle Patienten mit einer neu aufgetretenen Rückenmark-verletzung eingeschlossen, die vom 01.01.2008 bis 31.12.2008 auf der chirur-gischen Intensivstation der Klinik und Poliklinik des Berufsgenossenschaftli-chen Universitätsklinikums Bergmanns-heil GmbH Bochum behandelt wurden. Hiernach erfolgten eine weitere Iden-tifizierung und Aufschlüsselung des Patientenkollektivs mit tetraplegischen Verletzungsmustern nach respiratori-schen Komplikationen unter besonderer Berücksichtigung des Krankheitsverlaufs und der Therapie während der Verweil-zeit auf der Intensivstation.

Die Quantifizierung respiratorischer Infekte erfolgte anhand der ärztlichen Dokumentation sowie einer Durchsicht und Kontrolle der Röntgenaufnahmen, mikrobiologischen Befunde und Labor-

Tab. 1  Pneumonierisiko innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt einer Tetraplegie

Patientendaten PEG-Gruppe Non-PEG-Gruppe Keine Schluckstörung

n=11 n=9 n=7

Männer 8 (73%) 6 (67%) 7 (100%)

Frauen 3 (27%) 3 (33%) 0

Anzahl Pneumonien innerhalb 30 Tagen nach Verletzung

3 (27%) 6 (67%) 3 (42%)

PEG perkutane endoskopische Gastrostomie.

RedaktionW. Mutschler, München V. Braunstein, München

427Der Unfallchirurg 5 · 2012  | 

Originalien

Page 2: Aspirationspneumonie nach HWS-Verletzung; Aspiration pneumonia after spinal cord injury;

werte. Alle diagnostizierten Infekte konn-ten gesichert und belegt werden. Es erfolg-te eine eingehende Erfassung der Thera-piemaßnahmen insbesondere in Hinblick auf prophylaktische Maßnahmen zur Ver-meidung einer Pneumonie. Ein Ziel der Studie war es, eine Korrelation zwischen respiratorischen Infekten und bestehen-den Schluckstörungen zu quantifizieren. Das Ausmaß einer Schluckstörung wurde durch standardisierte logopädische Diag-nostik evaluiert.

Im Rahmen der routinemäßig durch-geführten Untersuchung erfolgte bei al-len Patienten zunächst eine Beobach-tung der anatomischen Strukturen in Ruhe und bei willkürlichen Bewegun-gen. Durch Stimulation der Rachenhin-terwand mit einem Watteträger wurden Schutzreflexe beurteilt. Falls diese ausrei-chend vorhanden waren, erfolgten eine Screeninguntersuchung des Schluck-vorgangs zunächst mittels Speichel und

Wasser („50-ml-Wasserschlucktest“), bzw. ein Schluckversuch mit angedick-ter, blau markierter Flüssigkeit. Anhand des beobachteten Schluckakts bzgl. Nah-rungstransport, Koordination der Ra-chenmuskulatur und Retention der Test-nahrung konnten Aussagen über eine Dysphagie getätigt werden. Die HNO-ärztliche Untersuchung mittels flexib-ler Endoskopie ergänzte in Zweifelsfäl-len die logopädische Diagnostik, sodass hinreichend Daten zum Schluckakt des Patientenkollektivs gewonnen werden konnten und die Patienten bzgl. Aspira-tionsgefahr klassifiziert wurden.

Des Weiteren ließen sich Daten über den enteralen Kostaufbau mit Sonden ( nasogastral/perkutan) oder oral (per os) gewinnen. Anhand der gewonnen Daten erfolgte eine Auswertung in Bezug auf Kor-relation zwischen Lähmung, Dysphagie, respiratorischem Infekt, deren Behand-lung und Prophylaxe (. Tab. 1 und 2).

Ergebnisse

Insgesamt konnten 27 Patienten mit einem hohen Querschnitt (C1–C8) identi-fiziert werden, die nach einer frischen Lä-sion des Rückenmarks im Behandlungs-zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2008 auf der chirurgischen Intensivstation des Berufsgenossenschaftlichen Universitäts-klinikum Bergmannsheil in Bochum be-handelt wurden. Hierbei handelte es sich um primär in unserer Klinik aufgenom-mene Patienten sowie um sekundär zu-verlegte, die kurz nach Eintritt einer Querschnittslähmung zur weiteren Be-handlung und weiterführenden rehabili-tativen Maßnahmen übernommen wur-den. Alle 27 Patienten (21 männlich, 78%; 6 weiblich, 22%) konnten in die Studie mit eingeschlossen werden. Das Durch-schnittsalter betrug 52,5 (Range 9–85 Jah-re). Bei 25 Patienten war die Rückenmark-verletzung eine direkte Traumafolge, bei

Tab. 2  Patientenkollektiv

Laufende Nummer

Schluck-störung

PEG Pneumonie in-nerhalb 30 Tagen

Geschlecht (M/W)

Alter (Jahre)

Verlet-zungshöhe

Komplett/inkomplett

Tracheotomie Relevante  Begleiterkrankung

1 Ja Ja   M 56 Sub C4 Komplett Ja  

2 Ja Ja   M 70 Sub C4 Komplett Ja  

3 Ja Ja   M 56 Sub C4 Komplett Ja  

4 Ja Ja   W 60 Sub C5 Komplett Ja  

5 Ja Ja   M 80 Sub C2 Komplett Ja  

6 Ja Ja Ja W 81 Sub C2 Inkomplett Nein  

7 Ja Ja   M 15 Sub C3 Komplett Ja  

8 Ja Ja Ja M 68 Sub C7 Inkomplett Ja COPD

9 Ja Ja   M 50 Sub C2 Inkomplett Ja  

10 Ja Ja   W 85 Sub C2 Inkomplett Ja  

11 Ja Ja Ja M 49 Sub C7 Komplett Ja Rekurrensparese

12 Ja Nein Ja M 62 Sub C6 Komplett Ja  

13 Ja Nein Ja M 42 Sub C6 komplett Ja  

14 Ja Nein Ja M 74 Sub C5 Inkomplett Ja Bronchialkarzinom

15 Ja Nein   W 20 Sub C1 Inkomplett Nein  

16 Ja Nein   W 19 Sub C7 Komplett Nein  

17 Ja Nein   W 9 Sub C2 Komplett Ja  

18 Ja Nein Ja M 69 Sub C5 Komplett Ja Larynxkarzinom

19 Ja Nein Ja M 43 Sub C6 Inkomplett Ja  

20 Ja Nein Ja M 16 Sub C4 Komplett Ja  

21 Nein Nein Ja M 30 Sub C5 Komplett Ja  

22 Nein Nein   M 32 Sub C6 Inkomplett Nein  

23 Nein Nein   M 69 Sub C5 Komplett Nein  

24 Nein Nein   M 52 Sub C7 Inkomplett Ja  

25 Nein Nein Ja M 65 Sub C6 Inkomplett Ja  

26 Nein Nein   M 71 Sub C5 Inkomplett Nein  

27 Nein Nein Ja M 82 Sub C5 Inkomplett Ja  PEG perkutane endoskopische Gastrostomie, COPD „chronic obstructive pulmonary disease“.

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Originalien

Page 3: Aspirationspneumonie nach HWS-Verletzung; Aspiration pneumonia after spinal cord injury;

2 Patienten nichttraumatisch als Kompli-kation einer Spondylodiszitits. Bei 15 Pa-tienten (55,5%) lag ein kompletter Quer-schnitt vor, bei 12 (44,4%) ein inkomplet-ter. Einundzwanzig Patienten wurden frühzeitig tracheotomiert, bei den übri-gen 6 war keine Tracheotomie indiziert.

Die Patienten erhielten frühzeitig eine adäquate neurorehabilitative Behandlung anhand der AWMF-Leitlinien (AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftli-chen Medizinischen Fachgesellschaften) für die Therapie Querschnittsgelähmter [12]. Die logopädische Erstuntersuchung erfolgte, sobald der Allgemein zustand und die Vigilanz des Patienten dies zulie-ßen. Bei 20 Patienten (74%) wurde eine behandlungsbedürftige Schluckstörung diagnostiziert, die eine Aspirationsge-fahr darstellte. Elf Patienten (41%) erhiel-ten aufgrund der bestehenden Dyspha-gie während des intensivmedizinischen Aufenthalts frühzeitig (innerhalb der ers-ten 14 Tage) eine perkutane enterale Son-de (Perkutane-endoskopische-Gastro-stomie- [PEG-]Gruppe) zur Langzeit-ernährung. Neun Patienten (33%) mit diagnostizierter Schluckstörung wurden ohne perkutane Sonde weiter logopä-disch behandelt, da die Prognose bzgl. der Remission der Dysphagie als günstig ein-geschätzt wurde oder die Patienten oder deren Betreuer eine empfohlene PEG-Anlage ablehnten (Non-PEG- Gruppe). Die Indikation zur PEG-Anlage wurde aufgrund des Ausmaßes der bestehen-den Dysphagie gestellt. Dazu zählten im Wesentlichen Faktoren wie fehlende bis aufgehobene Schutzreflexe, eine stark be-einträchtigte Koordination der Schluck-motorik und eine stattgehabte Aspiration.

In der Non-PEG-Gruppe erfolgte der Kostaufbau zunächst über nasogastrale Sonden, bis eine orale Nahrungsaufnah-me gewährleistet werden konnte. Bei 7 Pa-tienten (26%) lag keine behandlungsbe-dürftige Schluckstörung vor, sodass ein oraler Kostaufbau ungehindert möglich war.

In der Non-PEG-Gruppe entwickelten 6 Patienten innerhalb der ersten 30 Tage nach Verletzungseintritt eine Pneumonie. Unter den 11 Patienten, die frühzeitig mit einer PEG versorgt wurden, entwickel-ten im selben Zeitraum 3 Patienten eine Pneumonie.

Bis auf einen Patient konnten alle Patienten mit diagnostizierten Schluck-störungen erfolgreich logopädisch thera-piert werden, sodass nach Abschluss der rehabilitativen Maßnahmen keine rele-vante Dysphagie mehr vorlag. Die per-kutanen Sonden konnten in diesen Fällen problemlos entfernt werden.

Diskussion

Pneumonien sind in der Frühphase einer Rückenmarkverletzung die häu-figsten Komplikationen. Hierbei wird eine Inzidenz von bis zu 74% angenom-men [4], die direkt mit der Lähmungs-höhe und bestehenden Komorbiditäten

Zusammenfassung · Abstract

Unfallchirurg 2012 · 115:427–432   DOI 10.1007/s00113-010-1889-2© Springer-Verlag 2010

T. Ramczykowski · S. Grüning · A. Gurr · G. Muhr · C. Horch · R. Meindl · J. Swol

Aspirationspneumonie nach HWS-Verletzung. Präventiver Effekt von PEG-Sonden

ZusammenfassungHintergrund.  Pulmonale Infekte sind nach Eintritt einer hohen Querschnittsläh-mung gefürchtete Komplikationen. Präven-tive  Maßnahmen sind für den weiteren Ver-lauf und die Mortalität entscheidend. Eine  gestörte Schluckmotorik ist bei frisch verletz-ten  Tetraplegikern häufig zu beobachten und kann die Grundlage einer Aspirationspneu-monie darstellen.Methodik.  In diese Studie wurden frisch ver-letzte tetraplegische Patienten eingeschlos-sen. Es wurden die Identifizierung und die Aufschlüsselung respiratorischer Kompli-kationen erfasst und deren Therapie und Prophylaxe unter Berücksichtigung einer  Dysphagie.Ergebnisse.  Einen hohen Querschnitt (C1–C8) wiesen 27 Patienten auf. Bei 20 Patien-ten (74%) wurde eine relevante Schluckstö-rung mit einem hohen Aspirationsrisiko logo-pädisch nachgewiesen. Von diesen erhielten 11 frühzeitig eine perkutane gastrale Sonde 

(PEG, perkutane endoskopische Gastrosto-mie). Neun Patienten (Non-PEG-Gruppe) wur-den ohne PEG behandelt. In der Non-PEG-Gruppe entwickelten 6 Patienten (67%) in-nerhalb der ersten 30 Tage nach Verletzungs-eintritt eine Pneumonie. In der PEG-Gruppe entwickelten im selben Zeitraum 3 Patienten (27%) ein pneumonisches Infiltrat.Schlussfolgerung.  Eine Dysphagie ist nach Eintritt einer hohen Querschnittslähmung ein Risikofaktor für die Entstehung einer Pneu-monie. Eine frühzeitig angelegte perkutane Ernährungssonde (PEG) zeigt einen präven-tiven Effekt hinsichtlich der Entwicklung von Aspirationspneumonien bei Patienten mit einer gestörten Schluckmotorik.

SchlüsselwörterQuerschnittslähmung · Dysphagie ·  Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) · Aspirationspneumonie · Tetraplegie

Aspiration pneumonia after spinal cord injury. Placement of PEG tubes as effective prevention

AbstractBackground.  Pulmonary infections are dreaded complications in acute spinal cord injuries. The prevention of pneumonia is es-sential for reducing mortality and the  period of hospitalization. Swallowing disorders  occur frequently in patients with cervical cord injuries and are accompanied by aspiration with a high risk of pneumonia.Patients and methods.  In this study the identification and analysis of patients with newly acquired cervical cord injuries were carried out with respect to respiratory com-plications, treatment and prevention.Results.  A total of 27 patients with a cervi-cal cord injury (tetraplegia) were identified. Of these 20 patients (74%) were identified with a swallowing disorder and a high risk of 

aspiration. Of these patients 11 (PEG group) received a percutaneous feeding tube (PEG tube), 9 patients (non-PEG group) with diag-nosed dysphagia were treated without PEG tube. A total of 6 patients in the non-PEG group (67%) acquired pneumonia compared to 3 patients (27%) in the PEG group.Conclusion.  A swallowing disorder is a ma-jor risk factor for a pulmonary infection after a cervical cord injury. An early placement of a PEG tube has a preventive effect with respect to aspiration pneumonia in patients with dys-phagia.

KeywordsSpinal cord injury · Dysphagia · Feeding tube · Aspiration pneumonia · Tetraplegia

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Page 4: Aspirationspneumonie nach HWS-Verletzung; Aspiration pneumonia after spinal cord injury;

korreliert. Im Durchschnitt ist mit dem Auftreten einer respiratorischen Kompli-kation bereits innerhalb der ersten 5 Ta-ge nach Eintritt einer Verletzung des Rü-ckenmarks zu rechnen [3]. Neben einer lähmungsassoziierten verminderten Be-weglichkeit der Thoraxmuskulatur und einer hierdurch entstehenden Minder-belüftung der Lunge ist v. a. eine Hyper-sekretion der Bronchialschleimhaut und der Speicheldrüsen ein wesentli-cher Risikofaktor zur Entwicklung eines Infekts. Eine Hypersekretion der Bron-chialschleimhaut tritt bereits 1 h nach Lähmungseintritt auf und lässt sich re-gelhaft nachweisen [5]. Ursächlich wird ein Zusammenhang zwischen vermehr-ter parasympathischer Aktivität und dem Verlust eines sympathisch innervierten Kontrollmechanismus angenommen [7]. Das Sekret ist visköser und in der Menge vermehrt. Der genaue Pathomechanis-mus konnte bisher nicht definitiv geklärt werden und ist medikamentös kaum be-einflussbar. Auch unter Einsatz hoch do-sierter Kortikosteroide, eingesetzt zur supportiven Therapie der Rückenmark-verletzung, zeigte sich kein Effekt auf die Mukusproduktion wie bei anderen res-piratorischen Erkrankungen unter Korti-koidtherapie [7]. Zudem kann eine korti-kosteroidinduzierte Immunsuppression die Entstehung einer Pneumonie be-günstigen. Im weiteren Krankheitsver-

lauf zeigt sich die beschriebene Dyskri-nie zumeist rückläufig. In der Frühphase der Erkrankung besteht eine Prädisposi-tion für pulmonale Komplikationen.

Dysphagie

Eine besondere Gefahr ergibt sich, wenn neben den genannten Faktoren eine relevante Dysphagie auftritt, die einen geordneten Schluckakt unmöglich macht (. Abb. 1, 2).

Posttraumatische Schluckstörungen bei tetraplegischen Patienten werden durch mehrere Faktoren beeinflusst, zu dem auch die intraoperative Reizung der Nerven (Nn. laryngeus superior, laryn-geus, recurrens und hypoglossus) zählt. Das einliegende Osteosynthesematerial kann auf Höhe der HWS eine raumför-dernde Wirkung ausüben, die im engen Rachenraum nicht zu unterschätzen ist. Liegende Trachealkanülen stören die Kehlkopfhebung, eine geblockte Tracheal-kanüle engt den schmalen Schlucktrans-portweg zusätzlich ein und schützt nicht vor einer Aspiration. Halskrawatten, die postoperativ für 8–12 Wochen angelegt werden, bestimmen zudem eine starre Körper- und Kopfhaltung, die einen phy-siologischen Schluckakt behindern.

Im untersuchten Patientenkollektiv lag die Inzidenz behandlungsbedürfti-ger Schluckstörungen bei 74%. Eine logo-

pädische Untersuchung zur Quantifizie-rung der Dysphagie wurde vor Beginn der oralen Nahrungsaufnahme durchgeführt, sobald es die Vigilanz des Patienten zuließ (. Abb. 3).

Neben der Beobachtung des Schluck-vorgangs spielen v. a. standardisierte Screeninguntersuchungen eine wichtige Rolle bei der Diagnose einer Schluck-störung. Hierzu gehört insbesondere der 50-ml-Wasserschlucktest in Verbin-dung mit der Überprüfung der Sensibili-tät der Rachenwand. Beim 50-ml-Wasser-schlucktest werden kleine Wasserportio-nen unter Kontrolle von Aspirations-hinweisen wie Hustenreize und Kontrolle der Stimmqualität verabreicht [14]. Bei fehlender Sensibilität der Rachenwand, erloschenen Schutzreflexen und stattge-habter Aspiration ist dieser Test obso-let und eine relevante Dysphagie bereits bewiesen. Weitere Erkenntnisse erbrin-gen Schluckversuche mit blau markierter angedickter Testnahrung, bei denen eine Speiseretention durch eine unkoordinier-te Rachenmotorik erkannt werden kann (. Abb. 2).

Eine weiterführende ergänzende Untersuchung, die sich auf der Inten-sivstation als praktikabel erweist, ist die fiberoptische transnasale Endoskopie. Bei der flexiblen Endoskopieuntersuchung FEES („flexible endoscopic evaluation of swallowing“) kann der Untersucher den

Abb. 1 8 Physiologische Pharynx- und Hypopharynxdarstellung nach Schluckdiagnostik mit farbig markierter Speise. Die blaue Linie kennzeichnet den physiologischen Nahrungsweg. Die grünen Linien veranschaulichen den typischen Aspirationsweg bei Tetraplegikern. TB Zungenbasis, V Vallecula, E Epiglottis, VF Stimmband, AEF Plica aryepiglottica, PS Sinus piriformis, H kaudaler Hypopharnyx

Abb. 2 8 Retention farbig markierter Speise als typischer Dysphagiebefund. R Retention, TB Zungenbasis, V Vallecula, E Epiglottis

430 |  Der Unfallchirurg 5 · 2012

Originalien

Page 5: Aspirationspneumonie nach HWS-Verletzung; Aspiration pneumonia after spinal cord injury;

Schluckakt und die Kehlkopfkoordina-tion direkt beurteilen. Ergänzend können durch applizierte Luftstöße Schutzreflexe beobachtet werden [13]. Die videofluoro-skopische Untersuchung des Schluck-akts VFSS („videofluoroscopic swallo-wing study“), bei der der Schluckakt unter Durchleuchtung mit einer röntgendichten Testnahrung evaluiert wird, ist als Alter-native zur flexiblen Endoskopie auf einer Intensivstation nicht praktikabel.

Gilt nach Durchführung der logo-pädischen Diagnostik eine erhöhte Aspi-rationsgefahr als unwahrscheinlich, kann unter Kontrolle geschulten Personals ein langsamer Kostaufbau erfolgen. Die Schluckkoordination sollte hierbei stän-dig kontrolliert werden.

Logopädische Therapie

Die logopädische Therapie einer Schluck-störung sollte schnellstmöglich beginnen, da eine Aspiration aufgrund der oben ge-nannten Gründe bei einem frisch verletz-ten Tetraplegiker unbedingt vermieden werden muss.

Generell zeigen Schluckstörungen im Rahmen einer Verletzung des zervika-len Rückenmarks gute Remissions raten. Nach dem Unfallereignis können jedoch Wochen vergehen, bis ein suffizienter Schluckakt durchgeführt werden kann. Die logopädische Therapie beschleunigt die Remission und minimiert das Aspira-tionsrisiko [13]. Zudem ist die Logopädie

im Rahmen des Trachealkanülenmanage-ments und zur Förderung der Sprach-funktion unverzichtbar.

In der funktionellen Schlucktherapie wird zwischen restituierenden, kompen-satorischen und adaptiven Verfahren unterschieden:F  Unter restituierenden Verfahren ver-

steht man Übungen zur Wiederher-stellung des physiologischen Schluck-akts; hierzu gehören Übungen zur Kräftigung der Zungen- und Rachenmuskulatur, um eine verbes-serte Koordination zu erzielen. Die Übungen können vom Patienten unter Anleitung zur selbstständigen Durchführung erlernt werden.

F  Einen wichtigen Stellenwert nehmen adaptive Verfahren ein. Die Nahrung des Patienten wird in der Form zube-reitet, wie sie von ihm geschluckt wer-den kann. Hierzu zählt insbesonde-re das Andicken flüssiger Nahrung, da dünnflüssige Substanzen schneller den Rachen passieren und sich so der Boluskontrolle unterziehen können.

F  Kompensatorische Verfahren, die den Schluckakt durch eine veränderte Körperhaltung beeinflussen sollen, sind aufgrund der Lähmung nur schwer durchführbar.

Die Logopädie ist in der Frühphase einer hohen Rückenmarkverletzung ein fester Bestandteil der Therapie. Bisher liegen jedoch nur wenige Daten und randomi-sierte Studien über den Therapieerfolg bei Querschnittslähmungen vor. Die Untersuchung verdeutlicht jedoch, dass eine logopädische Therapie alleine nicht ausreichend zu sein scheint, um ein zu-frieden stellendes Ergebnis hinsichtlich der Aspirationsgefahr zu erzielen. Nur die Patienten, die im Rahmen der Dys-phagietherapie eine PEG erhielten, profi- tierten hinsichtlich der Pneumonieent-stehung.

Perkutane Ernährungssonden

Um eine adäquate Ernährung eines Patienten mit relevanter Dysphagie auch auf lange Sicht zu gewährleisten, haben sich gastrale Sonden etabliert. Eine suf-fiziente Ernährungstherapie und die Ver-meidung von Mangelzuständen sind

v. a. bei kritisch kranken Patienten ein wesentliches Therapieziel. Bei Patienten, die enteral ernährt werden können und keine Zeichen der Mangelernährung auf-weisen, ist eine frühzeitige enterale Er-nährung anzustreben und der parente-ralen vorzuziehen [9]. Zudem wird bei frühzeitiger enteraler Ernährung von In-tensivpatienten eine signifikante Reduk-tion der Infekthäufigkeit und Kranken-hausverweildauer angenommen [10]. Ziel der weiteren Ernährungstherapie ist es, die orale Nahrungsaufnahme zu forcie-ren, um einen physiologischen Zustand herzustellen und zudem die Lebensqua-lität des Patienten zu erhöhen.

Der orale Kostaufbau stellt jedoch bei Patienten mit ausgeprägten Schluckstö-rungen ein Aspirationsrisiko dar. Auf-grund der bestehenden Dyskrinie im Bronchialsystem und einer insuffizienten Atem- und Hustenmechanik ist bereits eine geringe Menge aspirierter Nahrung der Ausgangspunkt einer schwerwiegen-den respiratorischen Komplikation. So-lange eine relevante Dysphagie besteht, ist ein oraler Kostaufbau obsolet, um das Risiko einer mit hoher Letalität einherge-henden Aspirationspneumonie zu mini-mieren.

Bei Planung einer Langzeiternährung (>2 Wochen) sollten frühzeitig perkutane Ernährungssonden in Erwägung gezogen werden, da sie Vorteile gegenüber her-kömmlichen Magensonden bieten [6]. Nasogastrale Sonden stören die Thera-pie der Dysphagie, neigen zur Disloka-tion und stellen zudem ein nicht zu unter-schätzendes Aspirationsrisiko dar.

Die Anlage einer PEG ist bei fach-gerechter Durchführung ein komplika-tionsarmer Eingriff [11]. Therapiebedürf-tige Komplikationen treten in ca. 1–4% der Fälle auf, wobei es sich bei den meis-ten Komplikationen um lokale Wundin-fekte handelt. Schwere Komplikationen wie die Perforation, eine intraabdominel-le Blutung oder eine Peritonitis sind sel-ten (<0,5%; [15]). Da aus den vorliegen-den Daten postuliert werden kann, dass eine frühzeitig gelegte PEG das Aspira-tionsrisiko bei Tetraplegikern mit Dys-phagie erheblich reduziert (27 vs. 67%), ist die PEG-Anlage bei einer „number needed to treat“ von 2,5 medizinisch ver-tretbar.

Abb. 3 8 Logopädische Untersuchung des Schluckakts bei einem frisch verletzten  Tetraplegiker auf der Intensivstation

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Da die beschriebene Dysphagie eine gute Rückbildungstendenz zeigt, dient die PEG nur als temporäre Maßnahme zum Nahrungsaufbau, bis eine suffiziente orale Aufnahme möglich ist. Die Entfer-nung der PEG erfolgt entweder endosko-pisch kontrolliert durch Bergung der in-neren Halteplatte, oder durch Abschnei-den des äußeren Katheters und Abgang der gastralen Platte via naturalis. Kompli-kationen treten bei der Entfernung selten auf. In der vorliegenden Studie persistierte die Dysphagie lediglich bei einem Patient mit einer Lähmungshöhe sub C2. Die PEG konnte bei den übrigen Patienten in-nerhalb 3 Monaten nach Anlage problem-los entfernt werden.

Therapievergleich

Die Patienten, die in unserer Studie früh-zeitig eine PEG-Sonde zur Therapie der diagnostizierten Dysphagie erhielten, wiesen eine deutlich niedrigere Pneu-monieinzidenz auf als die Patienten mit diagnostizierten Schluckstörungen, die ohne PEG-Sonde behandelt wurden (27 vs. 67%). Von 7 Patienten bei denen keine behandlungsbedürftige Schluckstörung diagnostiziert wurde, entwickelten 3 eine Pneumonie.

Die Gesamtinzidenz nachgewiesener Infiltrate innerhalb der ersten 30 Tage nach Verletzungseintritt ist mit 44% im untersuchten Gesamtkollektiv mit der in der gängigen Literatur beschriebenen ver-einbar [1]. Die Patientengruppen waren hinsichtlich Lähmungshöhe und Komor-biditäten vergleichbar. Maßnahmen zur Prophylaxe einer Pneumonie, wie früh-zeitige Mobilisation und 45° Oberkörper-hochlage, wurden regelmäßig bei allen Patienten durchgeführt.

Zwar liegt nur ein relativ kleines Patientenkollektiv vor, jedoch muss auf-grund der gewonnen Daten davon aus-gegangen werden, dass eine relevan-te Schluckstörung ein entscheidender Risiko faktor für die Entwicklung einer Pneumonie ist. Durch eine logopädische Screeninguntersuchung kann diese be-reits frühzeitig auf der Intensivstation er-kannt werden. Wurde eine Dysphagie dia-gnostiziert, zeigte sich ein günstiger Ein-fluss einer PEG-Sonde zur Prävention von Aspirationspneumonien.

Fazit

Anhand der erfassten Daten und der  Erkenntnisse in unserer Klinik wird neben gängigen rehabilitativen Maß-nahmen eine logopädische Anbin-dung zu einem frühestmöglichen Zeit-punkt, soweit es die Vigilanz des Patien-ten zulässt, empfohlen. Bei wachen und  kooperativen Patienten sollten die Mög-lichkeiten der Kommunikation und des Schluckakts mit Hinblick auf patholo-gische  Bewegungsmuster des Mundes, der Zunge und der Mundhöhle frühest-möglich logopädisch untersucht wer-den. Unter entblockter sowie geblock-ter  Kanüle werden der Schluckakt, die Sensibilität des Rachens und der Husten- und Würgereflex beobachtet. Im Falle der  Aspirationsgefahr wird eine weiter-führende HNO-Diagnostik mit fiberopti-scher Untersuchung mit blau markierter Testnahrung empfohlen, um das Ausmaß der Dysphagie zu quantifizieren. Naso-gastrale Magensonden führen zu Mikro-aspirationen, stellen ein Hindernis beim Wiedererlernen der Schluckfähigkeit dar und begünstigen die Keimwanderung entlang der Sonde in den Rachen und die Verbreitung dieser in die Atemwe-ge. Eine logopädische Behandlung be-schleunigt zwar die Remission der Dys-phagie, bietet aber alleine keinen ausrei-chenden Aspirationsschutz. Besteht eine erhöhte Aspirationsgefahr durch eine ge-störte Schluckmotorik, sollte eine PEG-Anlage frühzeitig in Erwägung gezogen werden, um eine adäquate enterale Er-nährung zu gewährleisten und das Aspi-rationsrisiko mit den Folgen einer Pneu-monie zu reduzieren.

Korrespondenzadresse

T. RamczykowskiChirurgische Klinik und  Poliklinik,  Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum  Bergmannsheil GmbH BochumBürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

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