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DAS MAGAZIN VON ODGERS BERNDTSON | 2019/2020 „TANZ HAT DIE KRAFT, ALTE DENKMUSTER AUFZUBRECHEN“ Der Tänzer und Choreograf Akram Khan spricht über seine Werke und seine Kompanie. Und darüber, wie Tanz gesellschaftliche Veränderungen anstoßen kann.

„TANZ HAT DIE KRAFT, ALTE DENKMUSTER AUFZUBRECHEN“ · Der Tänzer und Choreograf Akram Khan spricht über seine Werke und seine Kompanie. Und darüber, wie Tanz gesellschaftliche

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Page 1: „TANZ HAT DIE KRAFT, ALTE DENKMUSTER AUFZUBRECHEN“ · Der Tänzer und Choreograf Akram Khan spricht über seine Werke und seine Kompanie. Und darüber, wie Tanz gesellschaftliche

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„TANZ HAT DIE KRAFT, ALTE DENKMUSTER AUFZUBRECHEN“Der Tänzer und Choreograf Akram Khan spricht über seine Werke und seine Kompanie. Und darüber, wie Tanz gesellschaftliche Veränderungen anstoßen kann.

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STRESS IST NICHT PER SE NEGATIV, ES KOMMT AUF DIE DOSIS AN.

EDITORIAL

Die Arbeitgeberattraktivität ist heute einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um die aktuelle und vor allem zukünftige Marktpositionierung von Unternehmen geht. Denn Talenten wie Füh-rungskräften ist es ganz und gar nicht einerlei, für wen sie arbeiten, wie ihr Arbeitgeber strate-gisch aufgestellt und für die Zukunft gerüstet ist. Beim Kampf um die besten Köpfe macht die Kultur eines Unternehmens den entscheidenden Unter-schied, wie wir in der diesjährigen positionen am Beispiel unserer eigenen Branche aufzeigen.

Eine besondere Unternehmenskultur wird auch bei Kärcher großgeschrieben. Wie Führungs-kräfte und Mitarbeiter, die neu in das erfolgrei-che Familienunternehmen eintreten, das „gelbe Blut“ bekommen, lesen Sie in unserem Interview mit dem CEO Hartmut Jenner.

Mit seinen Wurzeln und Werten aus Bangladesch setzt sich auch der renommierte britische Tänzer und Choreograf Akram Khan auseinander. In seinen Werken erzählt er Mythen und Geschich-

ten und übt dabei sichtbare Kritik an der Gesell-schaft. Seine Karriere als Solotänzer hat er – mit 44 Jahren – gerade beendet und lässt nun jüngere Künstler ihr Talent zeigen.

Auch wir haben in diesem Jahr einen Generatio-nenwechsel in unserer Führung vollzogen. Mit Daniel Nerlich hat im April ein junger, erfolgrei-cher Kollege das Ruder von Odgers Berndtson in Deutschland übernommen. Gemeinsam ist es unser Ziel, Executive Search als unser Kern-geschäft konsequent weiter auszubauen und gleichzeitig neue innovative HR-Services für unsere Klienten zu entwickeln.

Wir freuen uns darauf, Sie auch in Zukunft bei Ihren personellen Entscheidungen begleiten zu dürfen.

Ihr

Klaus HansenPartner

26SPEZIAL STRESSMANAGEMENT

positionen auch online lesen: www.positionen.de

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INHALT positionen 19/20

INHALT

„WIR GEHEN MIT UNSEREN PRODUKTEN DORTHIN, WO DIE MENSCHEN SIND“

„WIR SIND VON NATUR AUS FÄHIG, GESUND ZU SEIN“

„TANZ HAT DIE KRAFT, ALTE DENKMUSTER AUFZUBRECHEN“

„WIR STEHEN FÜR DAS WOLFSRUDEL, NICHT FÜR DEN EINSAMEN WOLF“

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Hartmut Jenner ist ein waschechter „Kärcherianer“. Bereits nach seinem Studium fing der Diplom-Kaufmann und Ingenieur bei Kärcher an und ging für das Familienunternehmen in die Welt. Im Gespräch mit positionen erzählt Jenner, warum er nach fast 20 Jahren an der Spitze immer noch für Kärcher brennt.

Nicht nur im Tanz ist Akram Khan virtuos, sondern auch im Erzählen von Geschichten. Zwischen zwei Proben nimmt der renommierte Tänzer und Choreograf sich Zeit, um über seine Werke und seine Kompanie zu sprechen. Und darüber, wie Tanz gesellschaftliche Ver-änderungen anstoßen kann.

Vor fünf Jahren hat Melody Harris-Jensbach den Vorstandsvorsitz des Outdoorbekleiders Jack Wolfskin übernommen. Im Interview mit positionen berichtet die Modemanagerin, wie ihr die Neupositionierung der Traditionsmarke gelang.

Der renommierte Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. med. Tobias Esch erläutert im Gespräch mit positionen, wie sich Selbstheilungskräfte zum Abbau von Stress einsetzen lassen.

POSITIONEN INTERVIEW mit Hartmut Jenner, CEO der Alfred Kärcher SE & Co. KG: „Wir gehen mit unseren Produkten dorthin, wo die Menschen sind“ 06KOLUMNE Hans Zippert gibt Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Stress 10EXPERTISE Christiane Pietsch zu den Erfolgsfaktoren von Executive Search im globalen Rückversicherungsmarkt 11BEST PRACTICE Jean-Jacques Henchoz und Herbert Haas über den Besetzungsprozess für den Vorstandsvorsitz der Hannover Rück SE 13THINKTANK Vom Biotop zum Ökosystem für Gründer und Finanzierer: Berlin etabliert sich als Lebensraum für Start-ups 16

POSITIONS-WECHSEL

TITELINTERVIEW mit dem Tänzer und Choreografen Akram Khan: „Tanz hat die Kraft, alte Denkmuster aufzubrechen“ 18INTERVIEW mit Dr. Julian Kawohl, Professor für Strategisches Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW): „Erfolgreich im Ökosystem positionieren“ 24SPEZIAL STRESSMANAGEMENT Prof. Dr. med. Tobias Esch, Gesundheits-wissenschaftler, Dr. Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe der deutschen Fußballnationalmannschaft, und Dr. Markus Reimann, Leiter Betriebliches Gesundheitsmanagement der Deutschen Bank, sowie weitere Experten über einen gesunden Umgang mit Stress 26

PROFILE BRAND MANAGEMENT Melody Harris-Jensbach, CEO von Jack Wolfskin, und Gabriele Stahl über den Turnaround der Traditionsmarke 38CONSULTING-TRENDS Daniel Nerlich über Employer Branding und Mitarbeitergewinnung im Consulting 41MANAGER-BAROMETER Chancen und Risiken agiler Führung: Ausgewählte Ergebnisse der 8. Führungskräftebefragung von Odgers Berndtson 42

PERSÖNLICH INTERIM MANAGEMENT Sascha Hackstein über Interim Management bei Odgers Berndtson 44EVENTS Generationenwechsel bei Odgers Berndtson, Innovation Walk mit der LeadershipGarage, CEOx1Day und Odgers Berndtson ist Partner von appliedAI 46IMPRESSUM 47

In dieser Publikation verwenden wir Bezeichnungen wie „Manager“, „Führungskraft“, „Kandidat“ oder „Mitarbeiter“ stellvertretend und gleichberechtigt für alle Geschlechter.

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INTERVIEW positionen 19/20

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positionen: Herr Jenner, Sie stehen seit 2001 an der Spitze von Kärcher. 1991 haben Sie bei dem Fami-lienunternehmen direkt nach dem Studium ange-fangen. Was hat Sie in Ihrer frühen Karriere geprägt?Hartmut Jenner: In den 1990er-Jahren waren es stürmische Zeiten für Kärcher. Der Maschinenbau befand sich in der Krise. Mit dem Hochdruckrei-niger hatte Kärcher ein neues Produkt für End-kunden auf den Markt gebracht, das sich sehr gut verkaufte. Dafür mussten wir neue Produktions-kapazitäten schaffen, eröffneten ein Werk in Italien. Damals waren wir noch nicht so erfahren und hatten damit einige Probleme. Auch im US-Markt gab es größere Schwierigkeiten. In dieser Zeit haben mich die Führungsverantwortlichen alle zwei Jahre auf eine neue Aufgabe gesetzt. Ich habe immer dann gewechselt, wenn ich so langsam die Früchte meiner Arbeit hätte ernten können.

positionen: Wie haben Sie diesen ständigen Wechsel empfunden? Welches Fazit würden Sie ziehen, wenn Sie Berufsanfänger danach fragen würden?

Hartmut Jenner: Eine ganz wichtige Eigenschaft, die man haben und sich bewahren sollte, ist die Bereitschaft, sich immer wieder auf etwas Neues einzulassen. Was mich betrifft: Es gibt keinen einzigen Aufgabenbereich, den ich nicht geleitet habe. Und das ist kein Witz. Ich war Werksleiter, Leiter Forschung und Entwicklung, Leiter Stra-tegie, Leiter Marketing und Leiter einer Vertriebs-tochter in Nordamerika. Heute bin ich Vor-standsvorsitzender, leite aber unter anderem noch die Bereiche Finanzen, Personal, Facility-Management, Unternehmensentwicklung und IT – Letztere ist heute einer der wichtigsten Be-reiche in einem Unternehmen. Mit diesem ope-rativen Erfahrungshorizont kann Ihnen als Chef keiner ein X für ein U vormachen.

positionen: Wie trägt Ihr Unternehmen zum Erfolg Ihrer Mitarbeiter bei?Hartmut Jenner: Kärcher stellt ideale Bedingungen für die Ausbildung und Förderung seiner Mit-arbeiter bereit. Bereits vor 20 Jahren haben wir

beispielsweise angefangen, in unseren Mitarbei-tergesprächen Zielvereinbarungen zu formulieren. Das ging auf unseren damaligen CFO zurück, der sehr angelsächsisch geprägt war. Ein weiteres Beispiel ist unser international ausgerichtetes Personalentwicklungsprogramm, das sich „GROW@KÄRCHER“ nennt. Aber am Ende ist die Leistungsbereitschaft eines jeden Einzelnen entscheidend. Sie muss in Symbiose mit dem funktionieren, was das Unternehmen anbietet. Dann stellt sich Erfolg ein. Denn Erfolg besteht zu 97 Prozent aus Arbeit, zwei Prozent Talent und ein Prozent Glück.

positionen: Alfred Kärcher hat das Unternehmen 1935 gegründet. Heute tragen seine Kinder Johannes Kärcher und Susanne Zimmermann von Siefart in zweiter Generation die Verantwortung für das Fami-lienunternehmen – allerdings nicht operativ, sondern als Gesellschafter. Wie intensiv ist der Austausch?Hartmut Jenner: Mit beiden gibt es einen regen und regelmäßigen Austausch. Herr Kärcher ist

Im Gespräch beantwortet Hartmut Jenner unsere Fragen mit geballter Information. Direkt danach will er in den Flieger in Richtung China steigen – zusammen mit allen Betriebsräten, um ihnen das Werk in Changshu zu zeigen. Doch vorher erzählt er, warum er für Kärcher nach fast 20 Jahren an der Spitze immer noch brennt.Mit Hartmut Jenner sprach Ewald Manz. Fotos von Frank Blümler

„WIR GEHEN MIT UNSEREN PRODUKTEN DORTHIN, WO DIE MENSCHEN SIND“

Hartmut Jenner

geboren in Winnenden, dem Ort nahe Stuttgart, den Alfred Kärcher als Sitz seiner 1935 gegründeten Firma auswählte. Der Sohn einer Landwirtfamilie ist beides: heimat-verbunden und weltoffen. Nach dem Studium fängt der Diplom-Kaufmann und Ingenieur 1991 bei Kärcher an und geht für das Familienunternehmen in die Welt. Unterschiedlichste Stationen führen Jenner stetig auf der Karriereleiter nach oben. Seit 2001 steht er an der Spitze. Der 53-Jährige legt Wert auf den persönlichen Kon-takt zu seinen Mitarbeitern, be-grüßt und verabschiedet jeden Azubi. Er sieht sich nicht als Ma-nager, sondern als angestellter Unternehmer. Vorbild will er sein, auch beim gemeinsamen Sport. Bereits zwölfmal ist er mit seinen „Kärcherianern“ beim Stuttgarter Halbmarathon gestartet.

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INTERVIEW positionen 19/20

regelmäßig im Büro, mit Frau Zimmermann von Siefart habe ich meine monatlichen Calls. Bei uns herrscht das Prinzip: Offenheit erzeugt Offenheit. Unsere Gesellschafter haben auf alle Daten Zugriff.

positionen: Kärcher hat mittlerweile rund 500 Mit-bewerber, die teils auch im charakteristischen Gelb auftreten. Wie bewahrt das Unternehmen die Ein-zigartigkeit seiner Marke?Hartmut Jenner: Entscheidend ist unsere eigene DNA, die sich vor allem durch unsere Innovations-fähigkeit und Innovationskraft auszeichnet. Und unser Umfeld bietet noch viel Potenzial: Der Reinigungsmarkt kann noch viel ergonomischer, effizienter und umweltfreundlicher werden. Viele Reinigungsarbeiten werden noch manuell ausgeführt.

positionen: Derzeit bauen Sie an Ihrem Hauptsitz in Winnenden ein neues Bürogebäude. Das Wachs-tum steht stellvertretend für den Konzern. Wo liegt dabei der geografische Fokus? Hartmut Jenner: Als ich zu Kärcher kam, stammten über 60 Prozent des Umsatzes aus dem deutschen Markt. Heute liegt der Anteil bei 15 Prozent. Wir gehen mit unseren Produkten dorthin, wo die Menschen sind. Auch wenn es banal klingt: Mehr Menschen heißt mehr Reinigung. Geografisch

Hartmut Jenner: Jenseits der üblichen Auswahl-kriterien wie Können, Lebenslauf und Erfahrung haben wir einen sehr dezidierten Test, der auf unsere Kultur, unsere Werte und auf die von uns gewünschten Fähigkeiten zugeschnitten ist. Be-werber für die zweite und dritte Führungsebene sowie Talente durchlaufen diesen Test. Nach der Einstellung spielt das Onboarding-Programm eine wichtige Rolle. Ich bezeichne diesen Prozess als „Einkärchern“. Ein Mitarbeiter begleitet den Neuling für mehrere Monate auf Schritt und Tritt. Bevor er hinausgeschickt wird, bekommt er das „gelbe Blut“. So wollen wir vermeiden, dass Schwächen aus der Zentrale heraus entstehen.

positionen: Was genau zeichnet die Kärcher-Kultur aus?Hartmut Jenner: Wenn man Weltmarktführer ist, hat man einen ganz anderen Anspruch an sich selbst. Wen soll denn die Nummer eins überholen? Deswegen müssen Sie sich selbst ganz eigene

übersetzt heißt das, dass wir vor allem in Asien wachsen. Dort steigen die Einkommen stark an. Die Menschen arbeiten mehr und haben somit weniger Zeit, selbst sauber zu machen. Gleich-zeitig steigt die Bereitschaft, Geld für Reinigung auszugeben. In China und Japan sehen wir starkes Wachstum, Indien und Indonesien ziehen lang-sam nach. Größter Bestandsmarkt sind für uns die USA – das Land mit den meisten versiegelten Flächen.

positionen: Mit welchen Produkten will Kärcher weiter wachsen?Hartmut Jenner: Produktstrategisch gibt es drei Megatrends: erstens Robotik, zweitens Energie-speichermedien, also Akkutechnologie, und drittens Digitalisierung. Letzteres teilt sich wie-derum in zwei Bereiche auf: digitale Produkte als Plattform und Produkte, die in ihrer Hard-ware um Funktionen angereichert und so im Sinne des Internet of Things miteinander ver-netzt werden. Beispielsweise eine Gartenbe-wässerungsanlage, die den Wasserbedarf auf die gemeldete Regenhäufigkeit abstimmt. Ein anderes Beispiel sind Produkte, die mit dem Nutzer interagieren. So könnten wir das Pro-blem abstellen, dass zahlreiche unserer Produkte im Winter einen Frostschaden erleiden, denn das Wasser wird oft nicht rechtzeitig aus dem Pumpsystem gelassen. Gäbe es ein entsprechen-des Frühwarnsystem, das auf die Temperatur-entwicklung im Außenbereich reagiert und den Nutzer vor einem Frostschaden warnt, würde das nicht passieren.

positionen: Sie selbst haben etliche Geräte von Kärcher in Ihrem eigenen Zuhause im Einsatz. Welches ist Ihr „Lieblingsspielzeug“?Hartmut Jenner: Derzeit sind es 37 Geräte von uns, die bei mir zu Hause ihren Dienst tun – vom Fenstersauger bis zur kommunalen Kehrmaschi-ne. Der Akkubesen ist eines meiner Lieblingsge-räte. Ich habe auf jedem Stockwerk einen. Auch wenn er am Markt nicht der absolute Erfolg war.

positionen: Welches Produkt vermissen Sie noch?Hartmut Jenner: Was ich sehr gern noch hätte, wäre ein Schuhputzgerät. Das ist aber technisch schwierig in der Umsetzung. Die Schuhe sind alle unterschiedlich in Größe und Form. Dann gilt es, verschiedene Arbeitsabläufe zu absolvieren – nass reinigen, eincremen, polieren. Das ist alles andere als trivial.

positionen: Anfang 2018 hatte das „Employee World Meeting“ bei Kärcher Premiere. Damals haben die Teilnehmer konkrete Vorschläge erarbeitet. Was davon hat bereits Spuren hinterlassen?Hartmut Jenner: Positiv war, dass die Teilnehmer des World Meetings wie Botschafter in ihre Länder zurückgekehrt sind und die Ideen und den fri-

schen Geist des Treffens mitgenommen haben. Als ein Punkt kristallisierte sich heraus, dass der Austausch zwischen den Bereichen und den einzelnen Ländern verbessert und verstärkt werden sollte. Der im letzten Sommer eingeführ-te „Mystery Lunch“ hilft uns, das umzusetzen. Über ein Onlinetool verabreden sich Mitarbeiter untereinander zum Essen, ohne zu wissen, wen genau sie treffen werden. Dabei machen 300 Mit-arbeiter aus fast allen Ländern mit. Das Ganze funktioniert hierarchieübergreifend.

positionen: Wie war Ihr letzter „Mystery Lunch“? Hartmut Jenner: Der war sehr interessant. Ich war u. a. mit einer Kollegin verabredet, die noch relativ neu bei Kärcher war. Wir haben uns ge-nauer über den Bewerbungsprozess unterhalten, und es stellte sich heraus, dass die Benutzer-oberfläche unseres Onlinebewerbungstools nicht sehr bedienungsfreundlich ist. Nach unserem Lunch habe ich gleich veranlasst, dass zwei Dinge verbessert werden.

positionen: Für den langfristigen Erfolg eines Un-ternehmens ist essenziell, dass jüngere Manager rechtzeitig für die Nachfolge im Top-Führungsgre-mium aufgebaut werden. Wie früh fängt Kärcher damit an?Hartmut Jenner: Kärcher hat Führungskräfteent-wicklung schon immer sehr professionell betrie-ben. Ich selbst wäre nicht so früh Führungskraft geworden, wenn ich nicht diese Unterstützung gehabt hätte. Heute verstehe ich mich als oberster Talent Scout im Unternehmen. In jeder der Kär-cher-Gesellschaften bearbeite ich die obersten beiden Führungsebenen persönlich. Generell sehen wir uns als Menschenkümmerer. Bei allem Fokus auf Leistung wollen wir den Menschen nahe sein.

positionen: Wie stellen Sie im Auswahlprozess sicher, dass ein Bewerber das Potenzial mitbringt, ein „Kärcherianer“ zu werden?

„WENN MAN ERSTER IST, MUSS MAN BESTREBT SEIN, NOCH BESSER ERSTER ZU SEIN.“

und ganz andere Ziele setzen. Wenn man wie Kärcher Erster ist, muss man bestrebt sein, noch besser Erster zu sein.

positionen: Welche Bilanz kann Kärcher zum Thema Vielfalt ziehen? Wie hoch ist der Anteil von Frauen und der ausländischen Manager in Führungspositionen? Hartmut Jenner: Weltweit haben wir rund 100 Top-Führungskräfte. 70 Prozent davon sind Nicht-Deutsche, was schon allein damit zusammenhängt, dass wir im Ausland nur lokale Führungskräfte beschäftigen. Ich bin überzeugt, dass eine Aus-landsgesellschaft nur von jemandem geführt werden kann, der aus dem Land kommt. Expats setzen wir nur ein, wenn vorübergehend eine Lücke gefüllt werden muss oder wenn konzern-weite Systeme oder Strukturen eingeführt wer-den müssen – beispielsweise ein System zur Qualitätssicherung. Unser Frauenanteil beträgt weltweit 28 Prozent – davon sind 23 Prozent potenzielle Führungskräfte. Dieses Potenzial

Odgers Berndtson-Partner Ewald Manz im Gespräch mit Hartmut Jenner.

Kärcher

Die gelben Hochdruckreiniger sind zum Markenbegriff geworden. Man

reinigt nicht, sondern „kärchert“ seine Terrasse. Das Familienunternehmen ist Weltmarktführer und Spezialist für Reinigungstechnik und beschäftigt heute weltweit 13.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen, das vor Kurzem

in eine europäische SE umgewandelt wurde, erzielte 2018 einen Umsatz

von 2,525 Milliarden Euro. Das Produkt-angebot reicht vom Hochdruckreiniger über Akkufensterreiniger bis zu Kehr-

maschinen. Für 2019 hat Vorstandschef Jenner eine digitale Plattform angekün-digt, die Reinigung nach Bedarf ermög-licht, und eine Energiespeicherlösung,

die es erlaubt, dieselben Akkus für gewerbliche und Endverbraucher-

geräte zu verwenden.

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EXPERTISE positionen 19/20

haben wir noch nicht ausgeschöpft, da wir auf der zweiten und dritten Managementebene derzeit erst 17 Prozent Frauen haben. Im Vorstand sitzt bislang noch keine Frau.

positionen: Welchen Stellenwert haben ältere Mitarbeiter, also 50 plus?Hartmut Jenner: Der Anteil von Mitarbeitern, die älter als 50 sind, liegt bei uns weltweit bei 25 Pro-zent. Zu ihrer Förderung entwickeln wir gerade ein Projekt mit dem Namen „58 plus“. Ich bin ein großer Freund der Vielfalt – von der Mischung aus Alt und Jung, Frau und Mann. Mitte der 1990er-Jahre habe ich in einer Einheit gearbeitet, die ohne die älteren Mitarbeiter gekippt wäre. Die Mitar-beiter gerieten damals in eine Situation, in der sie unter einem enormen Druck standen. Die Jungen konnten dem nicht standhalten, die Älteren haben dagegen die Einheit stabilisiert.

positionen: Bald sind es 20 Jahre, seit Sie Kärcher führen. Was sind Ihre persönlichen Kraftquellen?Hartmut Jenner: Zum einen habe ich natürlich eine intrinsische Motivation durch die Verantwortung, die ich für die Mitarbeiter und die Kunden habe. Generell muss es einem Spaß bereiten, was man macht. Aber natürlich muss ich auf mich achten, gerade weil ich so viel unterwegs bin und im Flieger sitze. Nicht zu viel Alkohol, regelmäßig Sport. Ich habe vor einiger Zeit meine Ernährung komplett umgestellt und deutlich abgenommen. Eine intakte Familie und eine gute Ehe zu haben, ist ebenfalls elementar.

positionen: Herr Jenner, wir danken Ihnen für das Gespräch.

ZIPPERTS POSITION

Stress hier nicht rum

Hans Zippert ist freier Journalist und Autor der Kolumne „Zippert zappt“ in der WELT sowie WELT AM SONNTAG.

Wer Verantwortung trägt, ist automatisch einem ungeheu-ren Stress ausgesetzt. Die meisten Menschen verhalten sich daher lieber unverantwortlich, das ist nicht so anstrengend. An einigen wenigen bleibt am Ende doch die Führungsauf-gabe hängen und die müssen sich um ein Stressmanage-ment kümmern. Wichtig ist zunächst einmal, den Stress nicht während der Arbeitszeit entstehen zu lassen, sondern ihn in den Feierabend- und Freizeitbereich zu verlegen. Stress in der Familie oder Partnerschaft kann extrem positive Effek-te haben, man freut sich regelrecht darauf, endlich wieder arbeiten zu dürfen. Hier können Überstunden gezielt zur Stressreduktion eingesetzt werden. Bewährt hat sich auch das Verfahren, Stress direkt an Untergebene zu delegieren, die oft besser in der Lage sind, damit umzugehen, weil sie keine Verantwortung tragen.

Wer lieber selbst an sich arbeiten will, sucht sich eine Po-sition im höheren Stressmanagement als Achtsamkeitsrats-vorsitzender oder Chill Executive Officer (CEO). Der Grad individueller Belastung wird im Allgemeinen durch einen Stresstest ermittelt. Banken und Kernkraftwerke werden überprüft, aber auch die SPD befindet sich wegen Leitungs-problemen seit Jahren in einem Stresstest. Möglicherweise muss die Partei bald vom Netz genommen werden. Aus-gebildete Stressbewältiger raten, immer positiv zu denken, das negativ besetzte Wort Stress zu vermeiden und lieber von Ressourcenmanagement zu sprechen. Wobei Stress tatsächlich eine unserer größten körperlichen Ressourcen ist. Der Mensch besteht zu sechzig Prozent aus Wasser, zu dreißig Prozent aus Stress und zu zehn Prozent aus unver-daulichem Mikroplastik. Er kann jederzeit körpereigenen Stress in fast unbegrenzter Menge produzieren, das hat ihm evolutionär eine Top-Position eingebracht, noch vor dem Schimpansen und dem Erdferkel.

Wer aber unbedingt eine stressfreie Arbeit in leitender Funktion sucht, dem ist ein Posten in einer Landesmedien-anstalt oder im Aufsichtsrat eines russischen Energieversorgers zu empfehlen. Oder man lässt sich zum Bundespräsidenten wählen und tritt nach sechs Monaten aus persönlichen Gründen zurück – danach kann man sich ganz entspannt im Hier und Jetzt einrichten und seinen Kontostand beob-achten.

Rückversicherer sind Spezialisten für große Risiken. Sie nehmen Erstversicherern, die an Privatpersonen und Unternehmen Versicherungsschutz verkaufen, die Belastung durch besonders hohe Schäden ab. Die-se können zum Beispiel durch Naturkatastrophen wie Stürme, Überschwemmungen oder Erdbeben entste-hen, aber auch durch Feuer in Industrieanlagen oder Haftpflichtschäden durch Medikamente oder fehler-haftes Baumaterial.

Rückversicherer agieren globalRückversicherungen sind seit jeher international ausgerich-tet und haben eine lange Tradition. Die ältesten bekannten Rückversicherungen gehen auf das 14. Jahrhundert in Ita-lien zurück, wo sie vor allem zur Absicherung von See-transportrisiken eingesetzt wurden. Inzwischen hat sich die internationale Rückversicherung zu einer hoch spezia-lisierten Finanzdienstleistung entwickelt. Durch sie werden große Risiken global gestreut und damit erst versicherbar. Die Rückversicherer ihrerseits verteilen über sogenannte Retrozessionen übernommene Großrisiken auf andere Risiko-träger.

Hurrikan Katrina sorgte 2005 beispielsweise für Schäden von 75 Milliarden Dollar. Und doch wurden nur sehr wenige Versicherer wegen des Sturms insolvent, fast alle hatten ausreichenden Rückversicherungsschutz. Die Schadenslast teilten sich mehrere Rückversicherer weltweit unter-

EXECUTIVE SEARCH IM RÜCKVERSICHERUNGSMARKTFinanzmärkte sind global. Dies gilt vor allem für das Geschäft der Rückversicherer. Sie verteilen die Last großer Risiken, wie etwa aus Naturkatastrophen, auf mehrere Versicherer weltweit. Da die Vertragsbedingungen individuell ausgehandelt werden, haben Rückversicherer eine hohe Expertise in der adäquaten Risikobewertung entwickelt. Dazu benötigen sie Spezialisten und Führungskräfte aus den unterschiedlichsten Bereichen – idealerweise mit einer globalen Expertise.Von Kathrin Lochmüller

„ICH BIN EIN GROSSER FREUND DER VIELFALT – VON DER MISCHUNG AUS ALT UND JUNG, FRAU UND MANN.“

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BEST PRACTICE positionen 19/20

Im Rahmen seines MBAs lernte Jean-Jacques Henchoz die Swiss Re kennen und entschied sich für einen Einstieg in die Versicherungs-branche. Seitdem ist der Schweizer von der Vielseitigkeit und Inter-nationalität des Rückversicherungsgeschäfts fasziniert. Angesprochen von Odgers Berndtson hat er im Mai dieses Jahres nun den Vorstands-vorsitz der Hannover Rück SE übernommen. Mit Jean-Jacques Henchoz sprach Christiane Pietsch. Fotos von Frank Blümler

positionen: Herr Henchoz, Sie sind seit mehr als 20 Jahren in der Rückversicherungsbranche tätig, mehrheitlich bei der Swiss Re. Was fasziniert Sie an der Branche?Jean-Jacques Henchoz: Ich bin relativ spät, erst mit 34 Jahren, in die Branche gekommen. Damals wie heute begeistern mich die Vielseitigkeit und die Internationalität des Geschäfts. Es ist eine

Branche, die multidisziplinär in den verschie-densten Bereichen tätig ist und die – eigentlich schon seit dem 19. Jahrhundert – wirklich global agiert. Außerdem fasziniert mich die gesell-schaftliche Relevanz der Rückversicherung. Durch sie werden große Investitionen in so wichtige Bereiche wie Industrietechnologie oder Klimaschutz erst möglich.

positionen: Seit Anfang Mai dieses Jahres sind Sie Vorstandsvorsitzender der Hannover Rück. Was hat Sie als Schweizer zu dem Wechsel nach Han-nover bewogen? Was reizt Sie an Ihrer aktuellen Position?Jean-Jacques Henchoz: Ich habe die Hannover Rück schon seit Langem als Wettbewerber beobachtet und immer wieder gedacht: Das ist eine erst-klassige Adresse! Die Hannover Rück ist über die Jahre stets überdurchschnittlich gewachsen, hat aber trotzdem ihren Fokus auf Qualität be-wahrt. Wir sind sehr viel kundenorientierter als die meisten anderen in der Branche und besitzen eine hohe Flexibilität und Agilität. Deshalb musste ich auch nicht lange zögern, hierherzukommen.

positionen: Eine Stellenbesetzung für ein börsenno-tiertes Unternehmen ist immer eine Gratwanderung zwischen dem Vertrauensschutz des Kandidaten und dem Informationswunsch vieler Stakeholder. Wie haben Sie dieses Spannungsfeld in Ihrem Be-setzungsverfahren erlebt?Jean-Jacques Henchoz: Die Branche ist klein, man kennt sich. Insofern sind meine häufigeren Reisen nach Hannover tatsächlich etwas erklärungsbe-dürftig gewesen. Ich hatte aber mit Ihnen, mit der Hannover Rück und der Talanx von Anfang an eine sehr vertrauensvolle Basis. Das war die entscheidende Vorbedingung. Der gesamte Pro-zess ist sehr gut und professionell gelaufen.

positionen: Was sind aus Ihrer Sicht die erfolgskri-tischen Faktoren bei der Besetzung der Position des Vorstandsvorsitzenden für eine Rückversiche-rungsgesellschaft?

„GEFRAGT SIND PERSÖNLICH-KEITEN, DIE ÜBER UMFANG-REICHE INTERNATIONALE ER-FAHRUNGEN VERFÜGEN UND EINE GLOBALE SICHT AUF DAS GESCHÄFT HABEN.“

ei nander auf und nahmen diese in „verdaulichen Häppchen“ in ihre Schadensbilanzen. Auf diese Weise ermöglichten sie, dass die Erstversicherer die Extremschäden bezahlen und die zerstörten Städte nach der schweren Katastrophe wieder aufgebaut werden konnten.

Markt mit vielfältigem WachstumspotenzialNach Schätzungen lagen die durch Naturkatastrophen sowie Menschen verursachten Schäden für die Versicherungs-wirtschaft mit 79 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr auf dem vierthöchsten Stand in der Geschichte. Die insge-samt entstandenen wirtschaftlichen Kosten von geschätz-ten 155 Milliarden US-Dollar zeigen, dass der Markt noch deutliches Potenzial hat, denn nur gut die Hälfte der Schä-den war versichert. Ein entsprechendes Wachstum wird vor allem in den neuen Märkten des asiatisch-pazifischen Raums erwartet, wo bislang nur 20 Prozent aller ökono-mischen Werte versichert sind.

Auch die Digitalisierung bietet Wachstumspotenziale für Rückversicherer. So tragen neue Technologien wie künst-liche Intelligenz dazu bei, dass Datenanalysefähigkeiten und Instrumente für Risikobewertung, Schadenverhütung und Schadenbearbeitung verbessert werden. Neben Effi-zienzgewinnen entstehen aber auch ganz neue Produkte für bisher nicht versicherte Risiken, etwa für Epidemien oder Bedrohungen durch Cyberkriminalität. In solchen unge-sättigten Märkten gibt es ein großes Wachstumspotenzial. Beispielsweise sind im Netz derzeit nur etwa ein Prozent der Verluste weltweit versichert.

Branchenkenntnisse und internationaler BackgroundDie Anforderungen an Führungskräfte in der Rückversi-cherungsbranche sind angesichts der wachsenden globalen Risiken vielfältig. „Top-Manager von Rückversicherungs-unternehmen müssen sich in einem stark international geprägten Umfeld sicher bewegen können und in der Lage

sein, Führungskräfte und Mitarbeiter an den verschiedens-ten Standorten erfolgreich zu führen“, sagt Christiane Pietsch, Partner bei Odgers Berndtson und langjährige Expertin für Versicherungen. Dies stellt hohe Anforderun-gen an die interkulturelle Kompetenz der Personen. Von erheblicher Bedeutung ist darüber hinaus die Fähigkeit, die Chancen und Risiken neuer Geschäftsfelder richtig einschätzen zu können und die erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen zu ihrer Erschließung zu gewährleisten. „Gefragt sind daher Persönlichkeiten, die über umfangrei-che internationale Erfahrungen verfügen und eine globale Sicht auf das Geschäft haben“, erläutert Pietsch, die seit fast 25 Jahren Top-Führungspositionen im Versicherungssektor besetzt. „Gefordert ist zudem ein tiefes Verständnis für das Kerngeschäft. Aufgrund der Spezialkenntnisse, die man für die Führung eines Rückversicherers benötigt, kommen geeignete Kandidaten daher fast ausnahmslos aus der Versicherungsbranche selbst“, so die Beraterin.

Komplexer internationaler SuchprozessEin Besetzungsprozess für eine Top-Position in einem börsennotierten Rückversicherer muss diese Anforderun-gen in jeder Phase des Verfahrens berücksichtigen und vor allem global ausgerichtet sein. Hier profitiert Odgers Berndtson von seinen international vernetzten Industry Practices, in denen die Berater weltweit in derzeit 29 Län-dern an 62 Standorten zusammenarbeiten. So werden Länder und Büros, die für die Besetzung der Top-Füh-rungsposition relevant sind, von vornherein in den Such-prozess eingebunden. Im Zuge dessen wird eine Long- und Shortlist für den Klienten erstellt. Diese basiert auf fun-dierten Auswahlgesprächen zu den bisherigen Erfahrun-gen, Kenntnissen und Fähigkeiten der Kandidaten. Umge-kehrt erhalten die Kandidaten in diesen Gesprächen die Möglichkeit, alle wichtigen Fragen zur offenen Position zu klären.

Wichtig ist während des gesamten Suchprozesses der Vertrauensschutz der Kandidaten, der dem durchaus nachvollziehbaren Informationswunsch der Stakeholder gegenübersteht. „Trotz des engen Marktes muss es in jeder Phase des Verfahrens sichergestellt sein, dass nicht be-rücksichtigte Kandidaten unbeschadet in ihrer bisherigen Position weiterarbeiten können“, sagt Pietsch.

Die Begleitung eines globalen Besetzungsprozesses für einen Rückversicherer erfordert sehr gute Branchen-kenntnisse und eine hohe Sensibilität für verschiedene Kulturen. Mit einer größtmöglichen Transparenz, einem klaren Prozessplan, der alle Projektmeilensteine umfasst, sowie einem straffen Projektmanagement gelingt es, in diesem Umfeld die beste Besetzung zur Zufriedenheit al-ler beteiligten Personalentscheider und der einbezogenen Kandidaten zu erzielen.

„MICH FASZINIERT DIE GESELLSCHAFTLICHE RELEVANZ DER RÜCKVERSICHERER“Christiane Pietsch

ist Partner bei Odgers Berndtson und hat sich auf die Besetzung von Top-Ma-nagementpositionen im Seg-ment Versicherungen spezia-lisiert. Seit fast 25 Jahren besetzt sie hier Positionen der obersten Führungsebe-nen in Deutschland und der Schweiz. Aufgrund ihrer profunden Branchenkennt-nisse ist sie eine exzellente Sparringspartnerin für alle Personal- und Management-themen innerhalb des Versi-cherungssektors.

Jean-Jacques Henchoz

ist seit mehr als 20 Jahren in der Rückversiche-rungsbranche tätig. Nach seinem Studium der Politikwissenschaften und Tätigkeiten im öffent-lichen Sektor stieg der heute 54-jährige Schwei-zer bei der Swiss Re ein. Hier hatte er zunächst verschiedene leitende Positionen im In- und Ausland inne, bevor er 2011 die Leitung der Re-gion Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) der Swiss Re übernahm und in dieser Region sowohl für das Personen- wie das Schadenrück-versicherungsgeschäft verantwortlich war. Von 2012 an war er in dieser Funktion auch Mitglied der Konzernleitung der Swiss-Re-Gruppe. An-fang April 2019 wechselte Henchoz zur Hanno-ver Rück SE, wo er im Mai den Vorstandsvorsitz übernommen hat. Er ist damit einer der wenigen Konzernchefs in einem deutschen Großunter-nehmen mit einem Schweizer Pass.

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BEST PRACTICE positionen 19/20

„DIE BESETZUNG DES CEOS IN EINEM BÖRSENNOTIERTEN UNTERNEHMEN IST VON HOHER RELEVANZ FÜR DEN KAPITALMARKT“

positionen: Herr Haas, welche Erwartungen hatten Sie als Anteilseigner und Aufsichtsratsvorsitzen-der an das Besetzungsverfahren für die Position des Vorstandsvorsitzenden der Hannover Rück? Herbert Haas: Für mich war die Findung eines Vorstandsvorsitzenden für die Hannover Rück bisher eine der größten Herausforderungen in meiner Funktion als Aufsichtsratsvorsit-zender. Rückversicherung ist das größte und mit Abstand profitabelste Geschäftssegment in unserem Konzern. Es ist aber ein kleiner, hoch spezialisierter Markt mit einer sehr überschaubaren Anzahl von Anbietern, die zudem vorwiegend in den USA und/oder auf Bermuda domizilieren. Hier einen Kandidaten

zu finden, der die Erfahrung und Reputation für eine derartige Position mitbringt, der die deutsche Sprache gut beherrscht, unser Ge-haltsniveau akzeptiert und zudem noch bereit ist, in der „Weltmetropole“ Hannover seine Heimat zu finden, war eine Aufgabe, vor der ich höchsten Respekt hatte.

positionen: Was sind aus Ihrer Sicht die Eigen-heiten eines solchen Verfahrens?Herbert Haas: In einem börsennotierten Un-ternehmen ist die Besetzung des CEOs von hoher Relevanz für Aktionäre und potenzielle Investoren. An erster Stelle steht daher die absolute Vertraulichkeit des gesamten Pro-zesses. Zweite Priorität hat die Akzeptanz des Kandidaten durch die Stakeholder, insbe-sondere den Kapitalmarkt. Unsere Aktionäre müssen ebenfalls davon überzeugt sein, dass wir einen Nachfolger gefunden haben, der die Erfolgsgeschichte Hannover Rück fortschreiben kann. Andernfalls macht sich das sofort im Börsenkurs bemerkbar.

positionen: Welche Persönlichkeit und welche Kompetenzen sind aus Ihrer Sicht erforderlich, um ein Unternehmen wie die Hannover Rück erfolgreich zu führen? Herbert Haas: Die Hannover Rück hatte bisher in ihrer über 50-jährigen Geschichte nur fünf Vorstandsvorsitzende. Sie alle haben insbe-sondere drei Eigenschaften ausgezeichnet: Unternehmertum, Teamplayer und ein tiefes Verständnis und Gespür für die dem Rückver-sicherungsgeschäft inhärenten Risiken und Chancen.

positionen: Sie sind seit mehr als 35 Jahren mit großer Leidenschaft in der Versicherungsbranche tätig und haben zahlreiche Veränderungen be-gleitet. Vor welchen Herausforderungen stehen Versicherungsgesellschaften heute? Herbert Haas: Im Gegensatz zu einem Groß-teil der deutschen Industrie musste sich die deutsche Versicherungswirtschaft bisher nicht so stark einem gnadenlosen, internatio-nalen Wettbewerb stellen. Langfristige Kun-denbeziehungen, die Erträge aus den Finanz-anlagen sowie eine intensive Regulierung, die vor branchenfremden Anbietern (noch) Schutz bietet, lassen die Branche wie eine Insel der Glückseligen erscheinen. Das wird sich jedoch in den nächsten Jahren grund-legend ändern. Ein stagnierender Markt, gestiegene Transparenz und Preissensibili-tät der Kunden, das Eindringen branchen-fremder Anbieter mit entsprechenden Öko-systemen wie Amazon, Google & Co., die digitale Transformation, die steigenden Kundenanforderungen an Flexibilität und Effizienz sowie das anhaltend niedrige Zins-niveau werden den Wettbewerb erheblich intensivieren. „Survival of the fittest“ wird dann auch für die Versicherungsbranche der Maßstab sein.

positionen: Welchen Rat geben Sie Herrn Henchoz mit auf den Weg? Herbert Haas: Die einzigartige Unternehmens-kultur der Hannover Rück zu bewahren und zu nutzen.

positionen: Vielen Dank für das Gespräch.

Herbert Haas ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Talanx AG

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Jean-Jacques Henchoz: Es gibt hier kein einheit-liches Profil, das ist sehr stark von der Versiche-rungsgesellschaft abhängig, also davon, welche strategische Positionierung und welche Unter-nehmenskultur sie hat. Sicherlich ist eine lang-jährige Markterfahrung, wie ich sie mitbringe, von Vorteil, ebenso eine ausgeprägte internatio-nale Perspektive. Wichtig sind aber auch Erfah-rungen im Change-Management, denn sowohl die Erstversicherer als auch die Rückversiche-rer befinden sich derzeit in einem Umfeld mit hoher Veränderungsdynamik. Offenheit für Neues sowie Anpassungsfähigkeit sind ebenfalls hilfreich und da das Rückversicherungsgeschäft nach wie vor ein „People Business“ ist, sollte man auch über Empathie sowie gute Kommuni-kationsfähigkeiten verfügen.

positionen: Rückversicherung ist ein Spezialmarkt. Können Sie unseren Lesern erläutern, was ein Rückversicherer genau macht? Jean-Jacques Henchoz: Eine Rückversicherung ist die „Versicherung der Versicherungen“. Wir sind Experten für komplexe Großrisiken und schützen Erstversicherer auf der ganzen Welt im Falle von Großschadenereignissen wie Naturkata-

Odgers Berndtson-Partner Christiane Pietsch im Gespräch mit Jean-Jacques Henchoz.

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strophen, Flugzeugabstürzen oder Industrieun-fällen. Auf diese Weise stellen wir die Resilienz der Versicherungswirtschaft sicher. In den letz-ten 20 bis 30 Jahren hat sich der Rückversiche-rungsmarkt im Bereich der Lebensversicherung stark entwickelt; hier unterstützen die Rück-versicherer vor allem beim Kapitalmanagement und bei der Produktentwicklung.

positionen: Die Hannover Rück gehört wie Ihr vor-heriger Arbeitgeber, die Swiss Re, zu den größten Rückversicherern weltweit. Sie werben mit dem Slogan „somewhat different“. Was macht Ihr Un-ternehmen anders als andere Rückversicherer?Jean-Jacques Henchoz: Dass sich die Hannover Rück aus meiner Sicht von ihren Wettbewerbern vor allem durch ihre Flexibilität und Agilität unterscheidet, habe ich schon erwähnt. Das zeigt sich konkret in der Fähigkeit, schnell und prag-matisch maßgeschneiderte Lösungen für die Kunden anbieten zu können, also wirklich kun-denorientiert zu denken und zu handeln. Dieses Feedback bekommen wir auch von unseren Maklern weltweit, die unsere kurzen Entschei-dungsprozesse und hohe Anpassungsfähigkeit sehr zu schätzen wissen.

positionen: Ihr Unternehmen gehört zu gut 50 Prozent zum Talanx-Konzern, der Rest befindet sich im Streubesitz. Welche Konsequenzen hat dies für die Gestaltung der Corporate Governance?Jean-Jacques Henchoz: In einem langfristigen Ge-schäft wie der Rückversicherung ist es sehr gut, einen Ankerinvestor wie die Talanx zu haben, die ebenfalls sehr langfristig orientiert ist. Die Corporate Governance in dieser Struktur unter-scheidet sich aber nicht wesentlich von der in anderen börsennotierten Unternehmen. Wichtig ist, dass man als Führungsgremium Transparenz schafft und im Interesse aller Aktionäre handelt. Für mich persönlich hat die Talanx als Hauptei-gentümer aber den Vorteil, dass wir die Perspek-tive der Erstversicherer, also die Perspektive unserer Kunden, besser verstehen und dadurch einschätzen können, was die wirklichen Trends und Anliegen unserer Kunden sind. So hoffe ich,

dass wir auch zukünftig besser in der Lage sein werden, die Marktbedürfnisse zu decken und geeignete Lösungen anzubieten.

positionen: Naturkatastrophen wie der Sturm „Friederike“ oder der Hurrikan „Florence“ haben in den letzten Jahren – gefühlt – stark zugenom-men. Wie wirken sich solche Ereignisse auf das Geschäft von Rückversicherern aus?Jean-Jacques Henchoz: Die Tendenz bei den Natur-katastrophen ist in der Tat steigend – sowohl in ihrer Frequenz als auch im Ausmaß der Schäden. Die Schadenbelastung für Rückversicherer ist viel höher als noch vor 30 oder 40 Jahren. Ein Grund hierfür ist der Klimawandel, das lässt sich längst nicht mehr negieren. Auch die Rück-versicherer haben dies seit Langem erkannt. Der Katastrophenschutz ist also teurer, was wir in unseren Produkten und in unserer Tarifierung entsprechend berücksichtigen müssen. Gleich-zeitig ist das Wettbewerbsumfeld jedoch extrem kompetitiv, was die Preise unter Druck bringt. Die Preisgestaltung wird für uns so zunehmend anspruchsvoller.

positionen: Welche Herausforderungen sehen Sie noch durch die zunehmenden Naturkatastrophen?Jean-Jacques Henchoz: Für mich ist beim Katas-trophenschutz die Deckungslücke, auch „Pro-tection Gap“ genannt, das zentrale Thema, also

die Unterversicherung der Menschen – vor allem in ärmeren Ländern, aber auch in Industrielän-dern wie den USA oder in Europa. Diese Lücke wird stetig größer. Rückversicherer wie Erst-versicherer spielen hier meines Erachtens eine wichtige Rolle, um diese Lücke zu schließen, da-ran sollten wir aktiv arbeiten. Ein erster wichti-ger Schritt ist es, Menschen, die in gefährdeten Gebieten leben, für die Notwendigkeit eines Versicherungsschutzes zu sensibilisieren. Außer-dem müssen wir bezahlbare Produkte kreieren, damit Menschen zum Beispiel in den Emerging Markets sich Versicherungsschutz überhaupt leisten können. Und nicht zuletzt ist der Dialog mit Regierungen und internationalen Organisa-

tionen wichtig, um Themen wie Baustandards, Gefährdungen in Ballungszentren und Flutgebie-ten zu adressieren.

positionen: Die digitale Transformation hat mittler-weile in allen Unternehmen und Branchen Einzug gehalten. Inwiefern verändert die Digitalisierung das Geschäftsmodell der Erstversicherer, aber auch der Rückversicherer?Jean-Jacques Henchoz: Die Erstversicherer inves-tieren derzeit sehr viel in die digitale Transfor-mation, das haben wir als Konsumenten noch gar nicht richtig gespürt, was aber noch große Auswirkungen haben wird. Investiert wird mehrheitlich im Vertrieb für standardisierte

Prozesse, zum Beispiel bei Prämienzahlungen, aber auch bei Schadenszahlungen. Das verfol-gen wir als Rückversicherer natürlich ganz ge-nau, um zu sehen, was das für uns bedeutet. Big Data wird für die Datenanalyse immer stärker an Bedeutung gewinnen. Wir haben eine Un-menge an Daten zur Verfügung aus Sensoren, Autos, Häusern etc. Mit diesen Daten kann man einerseits Risiken vermindern, andererseits eine präzisere Tarifierung und neue, innovative Produkte anbieten. Das ist das große Potenzial der Digitalisierung.

positionen: Herr Henchoz, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Hannover Rück SE

Die Hannover Rück SE ist eine Rückversicherungsgesellschaft mit Hauptsitz in Hannover und gehört mehrheitlich zum Talanx-Konzern,

welcher 50,2 Prozent der Aktien hält. Die übrigen Aktien der im MDAX der

Deutschen Börse notierten Gesell-schaft befinden sich im Streubesitz.

Mit einem Prämienvolumen von mehr als 19 Mrd. Euro gehört die Hannover

Rück zu den vier größten Rückver- sicherern weltweit. Sie betreibt alle

Sparten der Schaden- und Personen-Rückversicherung und verfügt über

ein Netzwerk von Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, Nieder- lassungen und Repräsentanzen auf allen fünf Kontinenten mit mehr als

3.300 Mitarbeitern.

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THINKTANK positionen 19/20

Vom Biotop zum Ökosystem für Gründer und Finanzierer. Das ist das heutige Berlin, wie es Nelson Holzner beschreibt. Als Gründer ist er seit gut zehn Jahren in Deutschlands Start-up-Metropole unterwegs. Erst im November 2018 hat er dort das FinTech-Unternehmen Modifi mitgegründet. Nur ein Jahr, nachdem der Zahlungsdienstleister BillPay an das schwedische Unternehmen Klarna verkauft wurde. Holzner hatte BillPay 2009 zusammen mit Rocket Internet gestartet.

„Mittlerweile ist hier die zweite oder dritte Generation an Gründern und Start-up-Firmen aktiv“, führt Holzner als ein Indiz für den Reifeprozess an. „Einige Unternehmen von früher sind richtig groß geworden.“ Zalando ist nur eines davon. Eine Erfolgsgeschichte made in Berlin: 2008 mit Kapital von Rocket Internet, dem Beteiligungsunternehmen der Samwer-Brüder, gegründet, ging der Onlinehändler im Oktober 2014 an die Börse. Das Unternehmen ist mittler-weile 9,4 Milliarden Euro wert.

Doch ist der Weg zum Erfolg kein leichter. „Der Exit über die Börse oder durch einen Weiterverkauf an ein anderes Un-ternehmen glückt nicht vielen“, stellt Kristin van der Sande fest, die als Partner bei Odgers Berndtson u. a. für Portfolio-unternehmen von VC- und Private Equity-Firmen Führungs-positionen besetzt. „Manche Gründungen enden direkt wieder nach der Seed-Finanzierung.“

Auch wenn München, Hamburg und Köln/Düsseldorf sich ebenfalls zu Gründerzentren entwickelt haben, bleibt Ber-lin die unbestrittene Nummer eins, wie das aktuelle Start-up-Barometer von Ernst & Young (EY) belegt: 40 Prozent aller verzeichneten Finanzierungsrunden in Deutschland entfielen 2018 auf Start-ups in der Bundeshauptstadt. Ins-gesamt wurden rund 4,6 Milliarden Euro in deutsche Wachstumsfirmen investiert.

Doch sind einzelne Finanzierungsrunden, die eine Milli-arde übersteigen, immer noch eher typisch für Unternehmen in den USA. „In Deutschland sind diese Größenordnungen

BERLIN ETABLIERT SICH ALS LEBENSRAUM FÜR START-UPSNicht nur in Berlin werden Unternehmen gegründet. Doch im Vergleich zu München, Hamburg und Köln übt die Metropole mehr Anziehungskraft auf Gründer und Investoren aus. Das liegt nicht nur an der Reife des Standorts.Von Ina Lockhart

selten“, sagt van der Sande. Das meiste Geld wurde 2018 laut EY-Bericht in die Branche E-Commerce investiert. Fin-Tech und Software & Analytics, wozu die neuen Technolo-gien wie Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Cybersi-cherheit und Kryptowährungen/Blockchain gehören, folgen auf den Plätzen zwei und drei.

Berlin ist auch erwachsener geworden, was die Inves-toren betrifft. „Das Funding ist besser geworden – nicht unbedingt immer einfacher, aber besser, was die Breite und Tiefe angeht“, sagt Holzner. Zum einen investieren mitt-lerweile internationale Dickschiffe wie Sequoia Capital ihr Geld in Berlin. 2018 kam Tourlane, ein Onlineanbieter für Individualreisen, in das Portfolio des renommierten und bereits 1972 in Kalifornien gegründeten Geldgebers. Zum anderen haben neue Investoren wie Cherry Ventures oder Awesome Capital die Bühne betreten. Während Awe-some Capital erst letztes Jahr von Digitalexperte Andreas Winiarski (siehe unten stehendes Interview) gegründet wurde und sich auf den chinesischen Markt konzentriert, rangiert der 2012 gegründete VC-Finanzierer Cherry Ven-tures mittlerweile unter den Top Ten in Deutschland. Zu seinen Portfoliounternehmen gehört die Gebrauchtwa-genplattform AUTO1 Group, die 2018 mit einem Volumen von 460 Millionen Euro das meiste Investorenkapital anzog.

Doch nicht nur das Kapital ist mittelfristig ein entschei-dender Erfolgsfaktor. Talent ist mindestens genauso wichtig. „Das Schwierige ist, Talente längerfristig zu halten“, sagt van der Sande. „Nach zwei bis drei Jahren werden Leis-tungsträger anfällig für Abwerbeversuche.“ Nicht wenige Konzerne gingen mit ihren Inkubatoren oder Digitalable-gern dorthin, wo die Talente sind. Klöckner, in Duisburg beheimatet, hat sein Digitalunternehmen beispielsweise in Berlin angesiedelt.

Modifi-CEO Holzner stellt fest, dass das Kandidatenangebot in Berlin größer und vielfältiger geworden ist: „Wir sto-ßen auf Kandidatenprofile, die es vorher so in Berlin nicht gegeben hat, was Herkunft und Erfahrung betrifft. Bei-spielsweise gibt es Bewerber, die bereits Amazons Prä-senz in einzelnen Ländern aufgebaut haben.“ Van der Sande hat bei ihren Personalsuchen immer wieder mit etablierten Top-Managern zu tun: „Diese Führungskräfte sind konzern-müde und sehen in einer Top-Position bei einem Start-up einen Hebel für unternehmerisches Wirken.“

Mehr Auswahl, Erfahrung und Qualifikation – das heißt aber auch mehr Geld. Die Cash-Komponente bei den Gehäl-tern sei deutlich gestiegen, konstatiert Holzner. Mit einer kleinen Beteiligung am Equity als Wette auf die künftige Wertsteigerung des Unternehmens gäben sich viele nicht mehr zufrieden.

Mit Blick auf die internationale Konkurrenz wie die USA, Großbritannien und Israel könnte Deutschland als Start-up-Standort weiter oben mitspielen, wenn die Bundesre-gierung systematische Finanzierungsprogramme ins Leben rufen oder fördern würde. „Die Förderung wird oft weder koordiniert noch in bestimmten Programmen gebündelt noch werden ausreichend Akzente auf Schwerpunktbran-chen gesetzt“, merkt Holzner kritisch an.

Doch es gibt zaghafte Schritte: Im vergangenen Jahr gab es erste Gespräche unter dem Stichwort „Zukunftsfonds Deutschland“. Die Idee: Der Staat könnte nach dem Vorbild eines in Dänemark bereits praktizierten Modells Versicherer und Pensionsfonds animieren, einen Teil ihrer Milliarden in Start-up-Unternehmen zu investieren. Ab Juli dieses Jahres will die staatliche Förderbank KfW ihr Förderkreditpro-gramm, das bislang Mittelstandsfirmen vorbehalten ist, für innovative Wachstumsfirmen öffnen.

DAS INTERVIEW IM VIDEOErfahren Sie mehr über den Menschen hinter seiner Rolle als Gründer und VC-Manager. Das Video zum Gespräch mit Andreas Winiarski finden Sie in der Onlineausgabe dieses Magazins unter www.positionen.de

„ICH HABE EINE GANZ EIN- FACHE SICHT AUF DIE DINGE“positionen: Herr Winiarski, wie sieht für Sie der perfekte Start in den Tag aus?Andreas Winiarski: Ein Tag, der mit Sport beginnt. Ich gehe morgens laufen oder mache Eigenge-wichtstraining. Und dann lese ich als Medien-mensch gern und viel Zeitung.

positionen: In einem Interview haben Sie mal ge-sagt, dass Sie wie ein Junge vom Brandenburger Land auf die Welt blicken. Welche Welt sieht dieser Junge?Andreas Winiarski: Brandenburg ist fernab der Elite Münchens, Berlins oder auch Londons. Andererseits ist Brandenburg das, was Berlin umschließt. Brandenburg ist quasi ein Teil von Berlin und umgekehrt. Der Blick vom Branden-burger Land ist eine ganz einfache Sicht auf die Dinge. Und die ist besonders wichtig, wenn man

in meiner Branche in Verhandlungen steckt und sich im Rausch dieser Parallelwelt befindet.

positionen: Was meinen Sie damit genau?Andreas Winiarski: Frisch vom Uber-Fahrer an einer Fünf-Sterne-Adresse abgesetzt, bestellt man nach erfolgreicher Verhandlung Lachs-Su-shi. Das ist aber nicht das Wesentliche. Worum es eigentlich geht, sind die Dinge, wonach auch der Bauer vom Brandenburger Land fragen würde: Wie viel Umsatz machst du? Wie viele Leute hast du?

positionen: Wie haben Sie es geschafft, sich diesen Blick zu bewahren?Andreas Winiarski: Ich würde eher umgekehrt fragen: Wie ist es möglich, dass Leute ihn ver-lieren? Ich habe diesen Prozess natürlich bei

anderen Menschen beobachtet, wenn sie Karriere machen, Chef werden, mehr Geld verdienen und sich dadurch verändern. Aber genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Denn wenn man die ganz Großen trifft, stellt man fest, dass sie meist ein ganz einfaches Leben führen, das sehr regelbasiert ist und auf bestimmten Werten beruht. Das ist für mich ein Vorbild.

positionen: Sie sind Mitglied der CDU, einer Partei, die für christliche Werte steht. Welche Werte sind Ihnen besonders wichtig?Andreas Winiarski: Für mich ist die Nächstenliebe der wichtigste christliche Wert. Wir sind alle Gottes Schöpfung. Jeder Mensch ist anders. Und trotzdem hat Gott sie alle gleich lieb. Und das sollten wir auch: alle Menschen wertschätzen und uns gegenseitig helfen.

positionen: Können denn genau diese Werte in unserer heutigen digitalen Welt eine Rolle spielen?Andreas Winiarski: Diese Werte sind natürlich durch die Digitalisierung herausgefordert, weil die Technik es beispielsweise ermöglicht, dass

Roboter zu Kriegsmaschinen werden. Gerade deswegen ist es aber wichtig, sich seiner Werte bewusst zu sein.

positionen: Wie stark haben Sie Ihre Karriere geplant?Andreas Winiarski: Ich bin ein sehr planerischer Mensch und führe für alles meine Listen. Ich glaube aber auch an die Vorsehung. Gerade jetzt, wo sehr viel in meiner Karriere zusam-menkommt, ist es fast unheimlich, wie viel Glück ich habe. Aber man verkennt oft, wie viel Arbeit hinter Dingen steckt, die vermeintlich leicht aussehen.

positionen: Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?Andreas Winiarski: Letztes Jahr hatte ich einen sehr schweren Verkehrsunfall und habe eine Nahtoderfahrung gemacht. Ich bin ganz allein auf der Autobahn bei hoher Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen. Mein Auto hatte Totalschaden, ich konnte mich ohne nen-nenswerte Verletzungen daraus retten. In die-sen Millisekunden habe ich – damals 39 Jahre

alt, Ehefrau, zwei kleine Kinder – mit meinem Leben abgeschlossen. Ich habe praktisch alles einmal verloren. Seitdem bin ich deutlich ent-schiedener und klarer. Viele Sachen sind mir jetzt egal.

positionen: Herr Winiarski, vielen Dank für das Gespräch.

ANDREAS WINIARSKI ist Experte für Disruption, Transformation und Neubeginn. Seit Oktober 2018 ist „andwin“ mit seinem eigenen VC-Fonds Awesome Capital am Markt. Der ehemalige PR-Chef von Rocket Internet arbeitet zudem als Venture-Partner für den 1 Mrd. Euro schwe-ren VC-Finanzierer Earlybird. Der 40-jährige gebürtige Brandenburger ist zweifacher Vater und Mitglied der CDU.

GRÜNDERSZENE

40%aller verzeichneten Finanzierungsrunden in Deutschland entfielen 2018 auf Start-ups in Berlin.

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In den Mountview Studios in Peckham im südlichen London studiert Akram Khan derzeit mit seinen Tänzern ein neues Stück ein. Im Sommer hat „Outwitting the Devil“ in Stuttgart Weltpremiere. Zwischen zwei Proben nimmt er sich Zeit, um über seine Arbeit und seine Kom-panie zu sprechen. Und darüber, wie Tanz gesellschaft-liche Veränderungen anstoßen kann.Mit Akram Khan sprach Dr. Nicola Müllerschön. Fotos von Nick Dave

„TANZ HAT DIE KRAFT, ALTE DENKMUSTER AUFZUBRECHEN“

positionen: Herr Khan, Sie haben gerade eine sehr wichtige Auszeichnung erhalten: den „Outstanding Achievement in Dance Award“ der Laurence Olivier Awards, die seit 1976 als höchste Auszeichnungen im britischen Theater für Bühnenproduktionen ver-liehen werden. Herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt sich das für Sie an?Akram Khan: Für jeden Künstler ist es immer sehr bewegend, wenn seine Arbeit auf diese Weise anerkannt wird. Und die Olivier Awards sind etwas ganz Besonderes, das fühlt sich sehr gut für mich an. 2012 habe ich einen Olivier Award für mein erstes langes Solostück „Desh“ erhalten. Jetzt wird „Xenos“, das mein letztes Solostück sein wird, ausgezeichnet. Der Kreis schließt sich also. Ich fühle mich sehr geehrt und vom Glück gesegnet.

positionen: Sie sind gerade mitten in den Proben für die neue Produktion ihrer Kompanie, „Outwitting the Devil“. Sie selbst werden nicht tanzen, aber Sie bringen als Choreograf sechs Einzeltänzer zu-

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gebiet sagte: „Die Zukunft liegt vor uns und die Vergangenheit hinter uns. Sie ist weg, doch die Zukunft kommt noch.“ Der Stammesanführer antwortete ihm: „Die Vergangenheit liegt vor uns, weil wir sie sehen können. Die Zukunft liegt hinter uns, weil wir sie nicht sehen können.“ Mich reizt es, die Trennlinie zwischen Vergangenheit und Zukunft aufzuweichen. Wir können die Zu-kunft nur betrachten, wenn wir auch die Vergan-genheit verstehen.

positionen: Wie übertragen Sie diese Geisteshaltung auf Wirtschaft, Gesellschaft und unser Alltagsleben?Akram Khan: Wir haben keine Wahl mehr. Irgend-wie leiden wir alle an einer Art Demenz, was unsere Fehler der Vergangenheit betrifft. Wir sehen die Vergangenheit nicht als eine Zeit, in der Fehler passiert sind. Wir führen gerade dieses Interview und tun so, als ob alles in Ord-nung wäre. Aber nichts ist in Ordnung. Die Natur wird uns ausradieren. Aber vielleicht macht es uns Hoffnung, wenn wir jeden Tag aufs Neue aufstehen und aktiv sind. Uns bewegen. Bewe-gung ist Hoffnung. Deswegen haben wir uns aufgemacht und führen dieses Interview.

sammen. Wie schaffen Sie es immer wieder, neue Talente zu entdecken, und wie wissen Sie, dass sie in die Kompanie, die ein besonderes Selbstverständnis auszeichnet, passen?Akram Khan: Wir haben immer ein offenes Vor-tanzen, wenn wir die Tänzer und Tänzerinnen aussuchen, die unserem Gefühl nach zu unserem Projekt passen. Offen heißt, dass sich jeder be-werben kann und wir dann eine engere Auswahl treffen. Wie weiß ich, dass sie die Richtigen sind? Eigentlich wissen wir das erst, wenn wir ge-meinsam gearbeitet haben. Vortanzen und Vor-stellungsgespräche haben immer den Nachteil, dass sich der Kandidat von seiner besten Seite zeigt, um die Rolle oder die Stelle zu bekommen. Mir geht es nicht nur um Talent oder um eine besondere Persönlichkeit. Ich suche vielmehr Menschen, die sich auf eine ganz bestimmte Reise begeben wollen. Wir wollen nicht, dass sie nur Tänzer sind. Wir fordern sie auf, frei zu denken.

positionen: Sie sind in England geboren, Ihre Familie stammt aus Bangladesch. Sie sind das beste Bei-spiel eines interkulturellen Botschafters. Ist diese Rolle ein Segen oder Fluch?Akram Khan: Ich verstehe mich nicht als ein Bot-schafter für eine bestimmte Hautfarbe mit einem bestimmten Erbe. Es gibt so viele von uns. Ich hatte einfach nur das große Glück, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort die richtige Hilfe und Unterstützung erfahren zu haben. Allerdings ist es meiner Meinung nach wichtig zu hinterfragen, wer die Geschichten erzählt. Zu lange haben wir hingenommen, dass der weiße Mann aus dem Westen die Geschichte erzählt und für uns Ge-schichte schreibt. Das ist einfach nicht richtig. Das ist nicht fair. Fair ist es nie gewesen. Wie Sie eben schon sagten, ich bin ein britischer Bang-ladescher. In diese Schublade werde ich einsor-tiert. Es wird zu meiner Identität und meiner Stimme. Und es ist genau das, was ich wieder loswerden will. Ich will nicht, dass die Menschen fragen, woher jemand kommt. Sondern vielmehr, welche Fragen diese Person stellt. Nicht was er ist, sondern was er macht, ist wichtig. Das bricht die Identität auf.

positionen: Kann Tanz dazu beitragen?Akram Khan: Auf jeden Fall. Deswegen liebe ich Bewegung und den Tanz so sehr. Denn er hat die potenzielle Kraft, Schubladendenken und alte Denkmuster aufzubrechen. Im Tanz gibt es keine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es gibt nur eine natürliche, ewige Zeit.

positionen: Meinen Sie damit auch neue Perspek-tiven, wie wir auf Dinge schauen?Akram Khan: Ein Freund von mir hat mir eine Geschichte erzählt, die sehr viel aussagt. Sie handelt von einem westlichen Pressefotografen, der zu Mitgliedern eines Stammes im Amazonas-

positionen: Gibt Ihnen Ihre Arbeit in der Kompanie auch die Möglichkeit, diese Botschaft und Ihre Vision zu verbreiten?Akram Khan: Jetzt auf jeden Fall mehr als je zuvor. Nicht nur meine Kompanie sollte das tun, son-dern alle Unternehmen dieser Welt. Wir müssen es tun. Für unsere Kinder, die wir hinterlassen. Wir sind die erste Generation, die sich bewusst ist, dass wir unseren Planeten vernichten. Gleich-zeitig sind wir die letzte Generation, die daran etwas ändern kann. Bereits diese Aussage ist alarmierend. Es geht also nicht nur um die Ver-antwortung eines jeden Einzelnen, sondern um die Verantwortung von uns allen. Wir lassen uns so sehr von der Gegenwart einnehmen, dass wir die Zukunft nicht mehr sehen, indem wir aus unseren Fehlern der Vergangenheit lernen. Zu dieser Erkenntnis müssen die Menschen kommen, die ganz oben sind, die an der Spitze von Unter-nehmen stehen oder als Politiker Länder führen. Denn sie haben doch auch Kinder. Geld wird sie nicht retten.

positionen: Wie würden Sie die DNA Ihrer Kompanie beschreiben?Akram Khan: Sie besteht daraus, Geschichten zu erzählen. Allerdings waren diese Geschichten früher meine Geschichten, weil ich sie ausge-wählt habe und ich einen Bezug zu ihnen hatte. Seit ich angefangen habe, mich als Tänzer von der Bühne zurückzuziehen, hat sich das lang-sam verändert. Jetzt sind wir stärker daran in-teressiert, die Geschichten anderer Menschen zu erzählen.

positionen: Ist das ein Akt gesellschaftlicher Ver-antwortung?Akram Khan: Ein Akt künstlerischer Verantwor-tung, der natürlich eine Art gesellschaftliche Verantwortung ist. Wenn wir Geschichten er-zählen, müssen wir wieder neu lernen, wie wir sie erzählen. Die westliche Art kennt nur richtig oder falsch, gut oder böse, Himmel oder Hölle, rechts oder links. Deswegen liebe ich Mythen so sehr, vor allem die der orientalischen Welt. Richtig und falsch existiert auch, aber in einem sehr komplexen Verständnis. Falsch ist nicht komplett falsch und richtig ist nicht komplett richtig. Und genau das ist sehr menschlich. Es entspricht der Komplexität der menschlichen Existenz.

positionen: In Ihrer neuesten Produktion, „Outwitting the Devil“, arbeiten Sie mit einem älteren Tänzer zusammen, mit dem faszinierenden Dominique Petit. Warum ist Ihre Wahl auf ihn gefallen?Akram Khan: Ich wollte Zeit und Körper reflektie-ren – im doppelten Wortsinn. Widerspiegeln, wie wir als globale Gesellschaft – aber vor allem als westliche Gesellschaft – das Alte als unwich-tig bewerten. Dabei vergessen wir, dass das Alte gleichzeitig das Neue ist.

Akram Khan

Nicht nur im Tanz ist Akram Khan virtuos, son-dern auch im Erzählen von Geschichten. Sein Stil ist episch und anrührend, aber zugleich in-telligent und fantasievoll. Der renommierte und mehrfach ausgezeichnete Tänzer und Choreo-graf übt in seinen Werken, die oft große Mythen wie Prometheus und Epen wie Mahabharata oder Gilgamesch interpretieren, Kritik an der Gesellschaft. In seiner Arbeit mutet er fast schon aktivistisch an. Khan wurde vor 44 Jahren in Wimbledon geboren und ist verheiratet mit der japanischen Tänzerin Yuko Inoue, mit der er zwei Kinder hat. Ausgebildet im klassischen indischen Tanz „Kathak“, hat der Sohn einer Familie aus Bangladesch eine ihm eigene Tanzsprache kreiert, die Kathak und den mo-dernen Tanz voller Respekt, aber auch Experi-mentierfreude zusammenbringt. Seine Karriere als erfolgreicher Solotänzer hat Khan gerade beendet. Jetzt konzentriert er sich stärker auf seine Rolle als Choreograf.

„ICH SUCHE MENSCHEN, DIE SICH AUF EINE GANZ BESTIMMTE REISE BEGEBEN WOLLEN.“

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positionen: Was ist der Vorteil, wenn Sie ältere Menschen in die Arbeitswelt integrieren?Akram Khan: Ich sage Ihnen lieber, was nicht so gut zwischen alter und junger Generation gelaufen ist: das patriarchalische, hierarchische System. Also habe ich ein System eingeführt, das flach ist. Egal, ob ich 20 oder 70 bin, ich bin weder mehr noch weniger wert. Wir alle haben dieselbe Ver-antwortung.positionen: „Xenos“ steht für Ihren Abschied als Solotänzer von der Bühne. Empfinden Sie „Xenos“ eher als Übergang oder als Wendepunkt in Ihrer Tänzer- und Choreografenkarriere?Akram Khan: Auf jeden Fall ein Übergang. Vor allem, wenn es um das persönliche Empfinden geht. Mein Körper ist meine Stimme. Wenn mir das jemand nimmt – sei es durch bestimmte Umstände wie mein Alter oder die Zeit – was bleibt dann übrig?

positionen: War es denn eine Entscheidung, die jemand für Sie getroffen hat?Akram Khan: Nein, ich habe diese Entscheidung getroffen. Sonst wäre sie für mich getroffen wor-den. Ich konnte sehen, wie mir die Zeit diese Entscheidung nach und nach abnehmen würde. Also habe ich es entschieden. Zumindest denke ich, dass es so war.positionen: Wie gut können Sie Entscheidungen treffen?Akram Khan: Ich treffe zwar die finale Entschei-dung, doch bin ich nicht die einzige Stimme, die das Sagen hat. Ich entscheide nie ganz allein. Das habe ich nie getan. Es ist immer ein Mitei-nander. Es fing mit meiner Mutter an, ging viele Jahre später weiter mit meinem Produzenten Farooq Chaudhry. Wieder viele Jahre später war es dann meine Dramaturgin Ruth Little. Und jetzt muss ich mich mit meiner sechsjährigen Tochter abstimmen, die kämpferisch und lei-denschaftlich zugleich ist.

positionen: Worum geht es bei Ihren Auseinander-setzungen?Akram Khan: Meine Tochter ist erst sechs. Wir streiten oft. Nicht selten darüber, wie sie mit digitaler Technologie umgeht. Sie ist beispiels-weise mit mir im Studio. Ich tanze und zeige ihr etwas. Es dauert nur zwei Minuten und sie hängt am iPad. Ich erkläre ihr, dass viele Men-schen extra ins Theater kommen, um mich auf der Bühne zu sehen. Und dass sie gerade eine Exklusivvorstellung bekommt. Dann sagt sie nur „Yeah“ und schaut wieder Beyoncé auf ihrem iPad zu. Mit Beyoncé, die sicherlich fantastisch ist, kann ich einfach nicht mithalten. Ich kann aber auch nicht mit digitaler Technologie wett-eifern. Denn sie gibt uns Menschen Informationen in einer Geschwindigkeit, die uns das reale Leben nicht bieten kann. Deswegen ist meine Tochter so schnell gelangweilt.

positionen: Vor 20 Jahren haben Sie Ihre Kompanie gegründet. Damals haben Sie die treibende Kraft und die zugrunde liegenden Regeln dafür mit fol-genden Worten beschrieben: „Mut zum Risiko, kei-ne Angst vor großen und gewagten Ideen, Neugier auf Unbekanntes, keine Lust auf Kompromisse und lasst uns künstlerisch glaubwürdig, durch unsere Art zu tanzen, Geschichten erzählen, die fesseln und die wichtig sind.“ Haben diese Regeln immer noch Bestand?Akram Khan: Nun ja, die Regeln sind für mich kom-plex geworden. Mut zum Risiko – ja, auf jeden Fall sollten wir uns auf unbekanntes Gebiet wagen. Die Schwierigkeit ist doch, dass wir uns zu oft und zu sehr in unserer Komfortzone bewegen. Wir haben ein Zuhause und ein Umfeld aus unseren Freunden. Alles ist etabliert und strukturiert. Eine Struktur, die uns ein Gefühl der Sicherheit gibt. Dagegen müssen wir uns dem Ungewohnten

aussetzen. Mut zum Risiko ist also ganz wichtig. Keine Angst vor großen und gewagten Ideen – nein, hier würde ich heute eher sagen: keine Angst vor kleinen und gewagten Ideen.

positionen: Warum klein?Akram Khan: Schneller, größer, weiter, besser. Das ist der Weg zum Erfolg. Dieses westliche Konzept ist an sich ein Problem. Wir stellen die falschen Fragen. Think big? Nein, think small. Nicht nur klein, sondern klitzeklein. Wir fragen uns immer, wie wir ganz nach oben kommen, große Ziele erreichen. Wir schauen uns aber nicht die Moleküle und Atome an, die sich direkt vor unserer Nase befinden. Wir müssen unsere Sichtweise ändern.

positionen: Wie sieht es mit den restlichen Regeln aus?Akram Khan: Neugier auf Unbekanntes – das gilt auf jeden Fall auch heute noch. Keine Lust auf Kompromisse? Nein, heute gilt für mich: Lerne, Kompromisse zu schließen!

positionen: Würden Sie das alles auch so dem 24-jährigen Akram sagen?Akram Khan: Nein, auf keinen Fall. Damals musste ich genau das tun, was ich getan habe. Und ich tat es nicht allein, sondern zusammen mit meinem Produzenten Farooq. Wir haben es gemeinsam getan.

positionen: Hat es sich damals also richtig angefühlt?Akram Khan: Ja, und es zeigt auch unser Alter. Wir wollten uns selbst beweisen. Wir wollten ganz groß sein, alles und alle in den Schatten stellen. Das Witzige dabei ist, dass ich immer introver-tiert war. Keinesfalls extrovertiert. Gerade im Westen, vor allem in den USA, werden Extrover-tierte gefeiert. Je lauter man ist, desto wichtiger ist man. Doch bei genauem Hinsehen sind eigent-lich alle großen Künstler – und dabei lasse ich mich außen vor – eher introvertierte Menschen.

positionen: Welchen Rat würden Sie Führungskräften geben, wenn sie Regeln festlegen und Visionen vor-geben?Akram Khan: Zuerst zuhören, dann reden.

positionen: Herr Khan, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Dr. Nicola Müllerschön

ist bei Odgers Berndtson in Frankfurt verantwortlich für die Beratung von Unternehmen und Organisatio-nen aus den Bereichen Kunst & Kultur, Bildung sowie Philanthropie.

KONTRASTREICHER KANN EIN INTERVIEW KAUM SEIN: Was äußerlich wie Baustellenatmosphäre pur anmutet, fühlt sich im Gespräch vertraut, intensiv und sehr persönlich an. Das oberste Stockwerk der Mountview Studios, die Probenräume einer der renommiertesten Schauspielschulen Großbritanniens, wird gerade erst fertiggestellt. Die Betonwände sind noch unverputzt. Der Boden ist abgeklebt mit einer dicken Folie. An der Wand lehnt eine lange Leiter. Mitten in dem Provisorium stehen zwei Stühle bereit. Zum Gespräch kommt Khan, Großbritanniens Tanzsuper-star, in bequemen Sneakers, dunkelgrauem Wollmantel und hellgrauem Rollkragenpullover. Sein Markenzeichen, den kahl geschorenen Kopf, hat er unter einer hellgrauen Woll-mütze versteckt. Anfang April ist es einfach noch zu kalt in London, dessen Skyline den perfekten Hintergrund zu diesem außergewöhnlichen Interview liefert.

Das Video zum Gespräch von Akram Khan und Dr. Nicola Müllerschön finden Sie in der Onlineausgabe dieses Magazins: www.positionen.de

TANZSUPERSTAR OHNE STARALLÜRENAKRAM KHAN WILL MIT SEINEN WERKEN nicht nur unterhalten, sondern auf Menschen wirken und gesellschaftliche Veränderungen anstoßen. Seine Werke sind enorm vielfältig: Sie reichen von Solos (im Bild das Projekt „Xenos“) über Produktionen mit seiner vor 20 Jahren gegründeten, international anerkannten Kompanie bis hin zu gemeinsamen Werken mit anderen Künstlern: Mit Juliette Binoche tanzte Khan die Bedeutung von Liebe und mit dem Bildhauer Anish Kapoor setzte er 2002 sein erstes erfolgreiches Ensemblestück „Kaash“ in Szene. 2012 schuf Khan in der Er-öffnungszeremonie der Olympischen Spiele in London mit seiner Choreografie zu dem beliebten Kirchenlied „Abide with me“ (Bleib bei mir, Herr) einen spannungs-geladenen Moment.

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INTERVIEW positionen 19/20

ERFOLGREICH IM ÖKOSYSTEM POSITIONIERENDigitalisierung und neue Technologien durchdringen derzeit jede Industrie. Dadurch werden nicht nur Kundenerwartungen neu definiert, sondern auch Branchengrenzen durchbrochen: Automobil-hersteller schließen sich mit Mobilitätsplattformen zusammen, Techplayer dringen in den Gesund-heitssektor vor und Versicherer kooperieren im Bereich Wohnen. Unternehmen positionieren sich zunehmend in sogenannten Ökosystemen.Mit Prof. Dr. Julian Kawohl sprach Kathrin Lochmüller

PROF. DR. JULIAN KAWOHL hat seit 2015 die Professur für Strategisches Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) inne. Der 40-Jäh-rige ist der einzige ehemalige Strategiechef eines EURO STOXX 50-Unternehmens (AXA-Konzern) unter Deutsch-lands Wirtschaftsprofessoren. Sein Fokus als Autor, Key-note Speaker und Senior Advisor für Unternehmen aus verschiedenen Branchen liegt u. a. auf den Themenfeldern digitales Management, digitale Transformation und digi-tale Ökosysteme.

Markus Trost ist Partner bei Odgers Berndtson Deutschland und Experte für Transformationsprozesse durch die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

positionen: Herr Professor Kawohl, Ökosysteme sind gerade in aller Munde und werden zum neuen Buzzword. Was ist ei-gentlich ein Ökosystem?Prof. Dr. Julian Kawohl: Wenn wir von Ökosystemen spre-chen, verstehen wir darunter Business-Ökosysteme, also Partnerschaften, bei denen mehrere Unternehmen auf Augenhöhe miteinander interagieren, um gemeinsam ei-nen Service bereitzustellen, den jedes Unternehmen für sich genommen nicht anbieten könnte. Ökosysteme ent-stehen vor allem im Bereich digitaler Technologien und gehen mit der Auflösung der Grenzen zwischen Branchen und einzelnen Unternehmen einher.

positionen: Warum sollten sich Unternehmen überlegen, eigene Ökosysteme zu bauen oder Teile von ihnen zu sein?Prof. Dr. Julian Kawohl: Ein Ökosystem bietet Unterneh-men die Chance, die Wünsche ihrer Kunden besser zu erfüllen und teilweise auch ganz neue Bedürfnisse zu wecken. Beispiel autonomes Fahren: Autofahrer, die sich zukünftig nicht mehr um die Steuerung ihres Wagens kümmern müssen, verfügen über neue zeitliche Kapazi-täten und sind ansprechbar für weitere Services, etwa mobile Gesundheits- oder Entertainmentangebote. Um diese Services anzubieten, schließt sich ein Automobil-hersteller beispielsweise mit einem Onlineärztenetzwerk oder einer Plattform für Film- bzw. Musikinhalte zusam-men. Dabei herrscht in einem Ökosystem oft eine viel hö-here Innovationsdynamik als in nur einem Unternehmen allein. Ein weiterer Treiber für den Aufbau von Ökosyste-men ist aber natürlich auch der zunehmende Wettbe-werb. Frei nach dem Motto: Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer.

positionen: Sie haben gerade mit Praktikern den ECOSYSTEMIZER erarbeitet, einen Ansatz, der Unternehmen dabei hilft, eine Positionierung in Ökosystemen zu erarbeiten. Warum ist das wichtig?Prof. Dr. Julian Kawohl: Um mit einem Ökosystem zu wachsen, ist es wichtig, festzulegen, welche Angebote ein Unternehmen einbringt und welche Rolle es in einem Ökosystem spielen will. Kern-gegenstand unseres Konzepts ist daher die Ein-ordnung der Positionierung von Unternehmen in sogenannte Life Areas, welche die wesentlichen Bereiche des Alltagslebens eines Kunden be-schreiben und in denen Unternehmen jeweils als „Orchestrator“, „Realizer“ oder „Enabler“ von Produkten und Services tätig werden können. Unser Ansatz hilft darüber hinaus dabei, vor-handene Ressourcen zu optimieren und Unter-nehmen ein substanzielles Verständnis ihres Ökosystems, der relevanten Player und Wettbe-werber, ihrer eigenen Assets und Kompetenzen sowie potenzieller Partner zu vermitteln.

positionen: Nach der Klärung der Positionierung geht es um die Umsetzung, wie sollten Unternehmen hier vorgehen?Prof. Dr. Julian Kawohl: Unternehmen erarbeiten eine Prioritätenliste, mit welchen Angeboten, welchen Partnern und in welchen Bereichen sie sich positionieren wollen. Auf dieser Basis ist im Sinne des „Make or buy“-Prinzips zu entscheiden, welche Produkte und Services selbst angeboten und welche zugekauft werden sollen. Hierfür sind geeignete Partner zu identifizieren und in einen Onboarding-Prozess einzubinden. Da es sich bei Ökosystemen oft um neue, digitale An-gebote handelt, müssen im Rahmen dieses Pro-zesses vor allem die notwendigen IT-Schnitt-stellen geschaffen und über die Nutzung bzw. Interpretation von Kundendaten entschieden werden.

positionen: Welche Empfehlungen haben Sie für Unternehmen, die sich erstmals mit dem Thema Ökosystem beschäftigen?Prof. Dr. Julian Kawohl: Unternehmen sollten sich systematisch und konzeptionell mit dem Thema auseinandersetzen und vor allem ihr Angebotsportfolio definieren. Dabei muss man nicht gleich ein eigenes Ökosystem bauen, son-dern kann zunächst auch Teil eines solchen wer-den. Sinnvoll ist es auch, mit kleinen Initiativen zu starten und auf diese Weise Erfahrungen zu sammeln. Wenn ein Ökosystem funktioniert, verknüpft es die jeweiligen Partner so mitein-ander, dass neue Synergien entstehen – Syner-gien, die noch vor wenigen Jahren nicht möglich gewesen wären.

AUS DEM EXECUTIVE SEARCH

WELCHE AUSWIRKUNGEN HABEN ÖKO-SYSTEME AUF DAS MANAGEMENT UND DIE AUSWAHL VON FÜHRUNGSKRÄFTEN?Ökosysteme brechen die klassischen Grenzen zwischen Branchen und Anbietern zuguns-ten eines attraktiveren Angebotsportfolios auf. Produkte werden mit Services zu einer Gesamtlösung verbunden, die dem Kunden ein positives Erlebnis gewährt. Um sich er-folgreich in einem Ökosystem zu positionie-ren, muss das Management eines Unter-nehmens das damit verbundene „Mindset“ glaubwürdig vorleben. Gefragt sind Füh-rungskräfte, die eine hohe Offenheit und Fehlertoleranz besitzen und bereit sind, Kundenorientierung neu zu denken, die außerdem in der Lage sind, tragfähige

Partnerschaften und Kooperationen aufzu-bauen und die das Management komplexer Aufgaben und Prozesse beherrschen. Das Führen interdisziplinärer Teams aus un-terschiedlichen Unternehmen und Branchen erfordert darüber hinaus hervorragende Kommunikations- und Dialogfähigkeiten. Schließlich betreten Führungskräfte in Ökosystemen oft Neuland und müssen daher in der Lage sein, flexibel auf sich ständig wandelnde Märkte zu reagieren und nach-haltige Entscheidungen unter hoher Unsi-cherheit zu treffen. Und sie benötigen starke Konfliktlösungsfähigkeiten, denn in sol-chen Partnerschaften werden Fragen wie: „Wem gehören diese Daten?“ oder: „Wessen Intellectual Property ist das?“ immer wie-der zu klären sein.

NUTZEN VON ÖKOSYSTEMENÖKOSYSTEME STEHEN FÜR NEUE WACHSTUMSCHANCEN und Innovationen durch starke Partnerschaften, in denen ein gemeinsames Wertversprechen (Value Proposition) für den Kunden angeboten und dabei neben Start-ups und Dienstleistern auch mit Wettbewerbern kooperiert wird. In der öffentlichen Diskussion werden in diesem Zuge immer wieder Technologiegiganten wie Amazon, Apple und Facebook herausgestellt. Ihre Strategie zielt auf das Aufbrechen der klassischen Branchengrenzen und die Fokussie-rung auf Kundenbedürfnisse. Die dadurch entstehenden Produkte und Dienstleistungen lassen keine klaren Trennlinien zwischen den einzelnen Anbietern in einem Ökosystem mehr erkennen. Prof. Dr. Kawohl hat mit Forscherkollegen auf Basis von Gesprächen mit über 300 hochrangigen Praktikern einen Ansatz entwickelt, der es ermöglicht, dass Unternehmen klare Leitplanken und Strategieoptionen für die Ökosystempositionierung entwickeln können. Aktuell schreibt Prof. Kawohl gerade an einem Managementhandbuch zu diesem ECOSYSTEMIZER. Eine Vorstellung und gemeinsame Veranstaltung mit Odgers Berndtson ist für Ende 2019 geplant. Mehr Infos unter www.ecosystemizer.com

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MIT STRESS GESUND UMGEHENWenn unser Körper die Notbremse zieht, ist es höchste Zeit für grundlegende Veränderungen. Damit Stress uns nicht lähmt, sondern beflügelt. Der entschei-dende Faktor in diesem Prozess sind wir selbst.Von Ina Lockhart

„Wenn ich drei Treppen hochgelaufen bin, war ich platt.“ So fühlt sich Ralf Rangnick, damals noch Trainer bei Schalke 04, kurz bevor er im September 2011 seinen Burn-out öffentlich macht. „Es war, als hätte man mir die Stromkabel durch-geschnitten“, sagt Starkoch Tim Mälzer im Rückblick auf seinen totalen Erschöpfungszustand im Jahr 2006. 40, 50 Stunden könne er in der Woche arbeiten. „Aber 80 Stunden? Vergiss es.“ Das ist der O-Ton der Ärzte, die Matthias Platzeck nach seinem leichten Schlaganfall beraten. Für den Politi-ker aus Leidenschaft braucht es schließlich zwei Hörstürze, einen Nervenzusammenbruch, einen Burn-out und einen leichten Schlaganfall, bis er 2013 als Ministerpräsident Brandenburgs zurücktritt. 2006 hatte er bereits den SPD-Bundesvorsitz aufgegeben.

Der Burn-out ist nur eine Art, wie der eigene Körper ei-nem die rote Karte zeigt. Die andere ist häufig der Herzin-farkt, früher landläufig noch als „Managerkrankheit“ be-zeichnet. Im November 2018 etwa erwischt es Alain Capar-ros, der an der Spitze von C & A Europa steht. Eine schwere Herzattacke wirft ihn aus der Bahn. Zehn Tage später ist er schon wieder auf einer wichtigen Branchenveranstaltung und gesteht in aller Öffentlichkeit, dass ihn diese Grenz-erfahrung über Grundsätzliches habe nachdenken lassen. Doch er macht weiter. Erst im März dieses Jahres kommen die Einsicht und sein Rücktritt: „Ich habe das Unternehmen mit Leidenschaft und Engagement geführt. Leider sehe ich mich aufgrund meines Herzinfarkts im vergangenen Jahr nicht mehr in der Lage, meine Position mit dem erforder-lichen Einsatz auszufüllen“, sagt Caparros.

Notbremse des KörpersBurn-out, meist von Depressionen begleitet, und Herzin-farkt sind stressbezogene Krankheiten, die viele, aber

nicht nur Führungskräfte aus ihrem bisherigen Leben reißen und eine Zwangspause einfordern. In etlichen Fällen enden sie auch tödlich, weil der Körper sich selbst für immer aus-knipst oder die Betroffenen sich aus Verzweiflung irgend-wann selbst das Leben nehmen. Oft auch, weil sie unter enormem Druck stehen oder persönliche Niederlagen erlebt haben. Die Suizide des ehemaligen Chefs des Zurich-Versi-cherungskonzerns Martin Senn im Mai 2016, des ehemaligen Siemens-Finanzchefs Heinz-Joachim Neubürger im Februar 2015 und des Fußballbundesligatorwarts Robert Enke im November 2009 sind nur einige prominente Beispiele.

Diesen Erkrankungen vorzubeugen ist eine persönliche Herausforderung. Denn mögliche Stressfaktoren sind viel-fältig, individuell sehr unterschiedlich und haben oft sys-temische Ursachen. Gleichzeitig ist es unbequem, sich – be-vor es der Körper per Notbremse für einen tut – mit seinem Gesundheitszustand und seinen stressbegünstigenden Verhaltens- und Lebensweisen selbstkritisch auseinander-zusetzen. Zumal diese persönliche Analyse nur der erste Schritt ist. Sie bildet die Basis für einen Veränderungspro-zess, in dem der Betroffene vorbeugend persönliches Stressmanagement lernen soll.

Integrativer GesundheitsansatzEin Stressfaktor könne etwa sein, ob ein Mensch sein beruf-liches oder privates Umfeld als feindselig empfindet, sagt Prof. Dr. med. Tobias Esch, Leiter des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung in Witten (siehe Interview ab Seite 29). „Dieser Faktor korre-liert nachweislich mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder insgesamt einer erhöhten Sterblichkeit. Dieses Empfinden gibt es häufig bei Führungskräften, doch kommt es durch-aus auch bei Mitarbeitern ohne Führungsaufgaben vor.“

Spezial Stressmanagement

Interview mit dem Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Tobias Esch 29

Interview mit Dr. Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe der deutschen Fußball- nationalmannschaft 32

Interview mit Dr. Markus Reimann, Leiter Betriebliches Gesundheitsmanagement der Deutschen Bank 35

Kommentar von Christine Kuhl 37

SPEZIAL STRESSMANAGEMENT positionen 19/20

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FAKTEN ZUM STRESS

Mit seinem integrativen Ansatz will sich Esch von klas-sisch ausgebildeten Ärzten abgrenzen: „Sie sind pathogene-tisch geschult und somit spezialisiert darauf, Krankheiten zu erkennen und zu behandeln. Sie sind aber keine Exper-ten dafür, die Widerstandsressourcen eines Menschen zu stärken oder die Stressbelastung zu reduzieren.“

Doch was ist eigentlich Stress? „Die unspezifische Re-aktion des Organismus auf jegliche Anforderung.“ Diese Antwort stammt von dem Endokrinologen Hans Selye, der als „Vater der Stressforschung“ gilt und in den 1930er-Jah-ren die Grundlagen der Stressforschung entwickelte. Seine Definition mutet faktisch-neutral und wissenschaftlich an. Seine andere oft zitierte Aussage, „Stress ist die Würze des Lebens“, scheint lebensnaher. Stress ist also nicht per se negativ. Es kommt auf die Dosis an, wie auch Dr. Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe der deutschen National-elf, im Interview ab Seite 32 erörtert.

Stress kann auch beflügelnThomas Lurz, ehemaliger Olympiaschwimmer im Freiwas-ser, fühlte sich durch positiven Stress meist zu besserer Leistung angespornt. Sofern er selbst mit sich im Reinen war. „Ohne meine Mannschaft, meinen Trainer und mein gesamtes Umfeld hätte ich nie etwas gewonnen. Schwim-men ist zwar ein Einzelsport. Doch ist es wichtig, dass man in einem guten Team trainiert. Jeden Tag muss dich ein Teamkollege neu herausfordern.“

Damit wird die persönliche Auseinandersetzung mit seiner eigenen Stressbelastung noch komplexer. Denn wie kann ich spüren und wissen, wann ich die unsichtbare Trennlinie überschreite, an der positiver Stress zu negati-vem wird und mir schadet? YourPrevention™ hat eine Me-thode gefunden, Stressbelastung zu objektivieren. Sie ver-folgen den Anspruch, systemisch verstehen zu wollen, wieso ihr Klient jetzt an diesem Belastungspunkt ange-kommen ist.

Neurobiologische StressantwortDafür haben Vater und Sohn den Integralen Stress Test™ entwickelt, dessen wissenschaftliche Qualität und Validität

in einem Forschungsprojekt derzeit kritisch überprüft wird. „Mit einer ausführlichen Diagnostik zur psychischen und neurobiologischen Stressantwort wollen wir neurowis-senschaftlich verstehen, wo eine bestimmte Person steht“, erklärt Florian Wolf. Der Test beleuchtet die biografische, biochemische und biophysische Dimension. Dafür füllt der Betroffene einen neuropsychologischen Fragebogen aus, es werden das Stresshormon Cortisol im Speichel und die Botenstoffe Noradrenalin, Dopamin, Adrenalin und Sero-tonin im Urin untersucht. Zusätzlich wird die Herzraten-variabilität (HRV) – also die biologischen Reaktionen des Herzschlages im Verlauf des Tages und der Nacht – über drei Tage gemessen (siehe auch Abbildung oben).

Im Leistungssport hat sich die Bestimmung der HRV als sensibler Indikator für optimale Regeneration und Leis-tungsoptimierung etabliert, um Krankheit durch Übertrai-ning zu vermeiden. Aus ihm lässt sich frühzeitig der Be-darf an Regeneration ableiten. Regeneration ist aber nicht gleich Entspannung, wie der ehemalige Leistungsschwim-mer Lurz, der bei den Olympischen Spielen in London 2012 über zehn Kilometer im Freiwasser die Silbermedaille ge-holt hat, aus seiner Jugend weiß: „Für mich war damals der schlimmste Stress die Doppelbelastung durch Schule und Leistungssport. Ich wollte in der Schule gut sein, mein Abitur machen und gleichzeitig weiterhin schwimmen. Am Sonn-tag, meinem einzigen trainingsfreien Tag, zum Angeln zu gehen war für mich die Ressource, die mir in diesen Stress-phasen Energie, Spaß und Ruhe zurückgegeben hat.“

Spaß und RegenerationHeute als 39-jähriger Familienvater und Assistent von Bernd Freier, Gründer und CEO von s.Oliver, bedeutet ihm das Angeln immer noch sehr viel. Spaß und Regeneration bringen ihm aber auch seine Familie und sein täglicher Sport. „Ich persönlich fühle mich schlecht, wenn ich zwei oder drei Tage lang keinen Sport gemacht habe.“ Viermal die Woche schwimmt er frühmorgens eine Stunde, zwei-mal geht er laufen und zweimal absolviert er sein Kraft-training. Generell empfiehlt er, sich mindestens ein- bis zweimal die Woche zu bewegen. Entscheidend sei dabei

SPEZIAL STRESSMANAGEMENT positionen 19/20

Der renommierte Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. med. Tobias Esch erläutert im Gespräch mit positionen, wie sich Selbstheilungskräfte zum Abbau von Stress einsetzen lassen.Mit Prof. Dr. Tobias Esch sprach Ina Lockhart. Fotos von Björn Wunderlich und Kay Gropp

„WIR SIND VON NATUR AUS FÄHIG, GESUND ZU SEIN“

positionen: Herr Professor Esch, Sie erforschen, wie wir unsere Selbstheilungskräfte nutzen können, um gesund zu werden und zu bleiben. Können Sie bitte kurz erklären, was das über-haupt ist – Gesundheit?Prof. Dr. Tobias Esch: Es gibt drei Arten, wie wir Gesundheit definieren können. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einem Zustand des vollständigen Wohlbefindens. Voll-ständig bezieht sich auf die drei Ebenen psychisch, sozial und biologisch. Also eigentlich ein Idealzustand, den wir prinzipiell nicht erreichen werden. Folglich wären wir nach dieser Definition immer krank. Demgegenüber kann Gesundheit als Normalzustand begriffen werden. Wenn also ein Arzt anhand von Befunden und Laborwerten unter Berücksichtigung von relevanten Referenzwerten zu dem objektiven Schluss kommt, dass ein Mensch gesund ist. Die dritte Definition finde ich am interessantesten, weil sie auch am wenigsten verbreitet ist. Gesundheit ist dem-nach auch ein Individualzustand. Jeder Mensch interpre-tiert selbst und subjektiv und durchaus unabhängig von

Arztmeinung und Befunden, ob er sich gesund oder nicht gesund fühlt.

positionen: Menschen sollten Ihrer Ansicht nach ihre Selbst-heilungskompetenz stärken. Verfügt jeder über Selbstheilungs-kräfte?Prof. Dr. Tobias Esch: Von Natur aus ist es unsere Vorein-stellung, gesund zu sein. Wir sind von Natur aus fähig, gesund zu sein und wieder gesund zu werden.

positionen: Sie verfolgen einen sogenannten integrativen Gesundheitsansatz. Was verstehen Sie darunter?Prof. Dr. Tobias Esch: Eine wichtige Grundlage für den inte-grativen Ansatz ist die Erkenntnis, dass der Mensch nicht entweder gesund oder krank ist, sondern dass er sich in einem Gesundheits- bzw. Krankheitskontinuum befindet. Der integrative Gesundheitsansatz ergänzt den klassischen Ansatz um die Säule der Selbsthilfekompetenz – das Ver-schieben in Richtung Gesundheit auf dem beschriebenen

HERZRATENVARIABILITÄTSMESSUNG EINES GESTRESSTEN 50-JÄHRIGEN MANAGERSDie orangen Phasen zeigen eine permanente Aktivierung und Stressbelastung. Am Tag existieren keinerlei regenerative Phasen und die Regeneration im Schlaf (blaue Bereiche) ist massiv beeinträchtigt.

7 h

Quelle: YourPrevention™

11 h 15 h 21 h 3 h9 h 13 h 19 h 1 h17 h 23 h 5 h8 h

Stressful morning

Waking upBusiness dinnerTravel

Lunch meetingWorkplace

Meeting

MeetingMeeting Meeting

12 h 16 h 22 h 4 h10 h 14 h 20 h 2 h18 h 0 h 6 h 7 h

48% der Deutschen fühlen sich in

ihrem Leben häufig gestresst, wie eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2016 zeigt.

46% geben ihre Arbeit als größten

Stressfaktor an. 43 Prozent nennen hohe Ansprüche an sich selbst als Stressfaktor Nummer zwei. Bei Frauen sind es hier sogar 48 Prozent.

36% der 40- bis 49-jährigen

Deutschen bestätigen, dass sie in den letzten drei Jahren seelische Beschwerden hat-ten. In der Altersgruppe da-runter (30 bis 39 Jahre) sowie darüber (50 bis 59 Jahre) trifft dies nur auf jeden Fünften zu.

Sleep

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Kontinuum. Chronischer Stress beispielsweise boykot-tiert diese Bemühungen.

positionen: Können Sie uns aus neurobiologischer Sicht erklä-ren, was Stress eigentlich ist?Prof. Dr. Tobias Esch: Biologisch gesehen ist Stress ein Überlebensmechanismus aus der Zeit, in der Menschen noch Jäger und Sammler waren und sich in wilder Natur behaupten mussten. Kommen wir unter Stress, sorgen Botenstoffe dafür, dass körperliche Vorsichtsmaßnahmen vorgenommen werden. Das Blut wird dicker, um im Fall einer Verletzung nicht zu verbluten. Das Immunsystem wird hochgeregelt, um Infektionen von Wunden zu ver-hindern. Die Muskulatur spannt sich an, um Kopf und Genick bei einem möglichen Schlag zu stabilisieren.

positionen: Wie kann ein Mensch lernen, seinen Stress zu managen? Prof. Dr. Tobias Esch: Strategien zum Stressmanagement müssen alltagspraktisch sein, auch damit der Betroffene in seinem Alltag das Erfolgserlebnis einer Besserung hat. Stressmanagement setzt bei vier Bereichen an: Bewegung, Entspannung, Ernährung und Verhalten. Rituale und Re-gelmäßigkeit sind hier wichtig. In der Summe sollte ein Mensch am Tag 20 Minuten mit innerer Einkehr und Ent-spannungseinheiten verbringen. Diese können aber in klei-

ne Meditationsrituale oder Atemübungen aufgeteilt sein, die nur wenige Minuten dauern müssen. Bewegung muss ebenfalls kein schweißtreibender Sport sein, sondern das berühmte Treppenlaufen statt Aufzugfahren, längerer Fußweg vom geparkten Auto zum Arbeitsplatz und Ähn-liches. Wichtig ist, dass Bewegung und auch das Essen bewusst erlebt werden.

positionen: Wie kann ich mein Verhalten ändern, um weniger Stress zu empfinden?Prof. Dr. Tobias Esch: Das Aufbrechen kognitiver Stress-muster ist die Königsdisziplin. Darunter fällt beispiels-weise das Grübeln über Vergangenes und sorgenvolle Annahmen über die Zukunft. Um sich hier zu ändern, braucht der Mensch auch soziale Unterstützung und Wertschätzung. Meditation, aber auch klassische Ent-spannungsmethoden helfen ebenfalls.

positionen: Inwiefern lässt sich messen, ob mein Stressmanage-ment erfolgreich war?Prof. Dr. Tobias Esch: Dafür gibt es eine Vielzahl von Indi-katoren. Beispielsweise die Rekonvaleszenzzeiten eines Menschen, die Häufigkeit von Neuerkrankungen, aber auch die Herzfrequenzvariabilität, die Größe des Mandel-kerns als Stresszentrum im Gehirn, der Hautleitwiderstand oder etwa der Nachweis von Stresshormonen bzw. deren Abbauprodukten im Blut, Speichel oder Urin. Die Korrela-tionen wurden bereits in zahlreichen Studien untersucht.

positionen: Unterscheidet sich die Stressbelastung, unter der eine Top-Führungskraft steht, von der eines Mitarbeiters ohne Führungsaufgaben? Prof. Dr. Tobias Esch: Das Kriterium, inwieweit ein Mensch seine Arbeit selbst gestaltet, kann einen deutlichen Unter-schied in der Stressbelastung machen. Für Führungskräfte, die prinzipiell mehr Gestaltungsfreiheiten haben, ist das trotz hoher Arbeitsbelastung ein Schutzfaktor. Bei Mitar-beitern ohne Führungsaufgaben kommt es dagegen häufig zu der ungesunden Kombination aus hoher Arbeitsbelas-tung und wenig Einflussmöglichkeiten.

positionen: Gibt es auch Unterschiede der Belastung zwischen Mann und Frau?Prof. Dr. Tobias Esch: Ja, wenn es darum geht, wie gut man von seiner Arbeit abschalten kann. Diese Fähigkeit ist mitunter bei Frauen nicht ganz so ausgeprägt wie bei Männern. Allerdings haben solche Feststellungen auch etwas mit soziokulturell geprägten Rollenbildern und Verhaltensmustern zu tun. Schaut man sich Strategien der Stressbewältigung näher an, gibt es ebenfalls Unter-schiede: Bei Männern steht Sport an erster Stelle, bei Frauen eher das Gespräch. Aber Achtung: Hier können ebenfalls Stereotype dahinterstecken – wir sehen Anglei-chungstendenzen, bei Frauen spielt Sport heute eine zu-nehmend große Rolle!

positionen: Vor etwa einem halben Jahr haben Sie in Witten eine Ambulanz für Integrative Gesundheitsversorgung eröff-

net, deren Leistungen von privaten und gesetzlichen Krankenkassen anerkannt sind. Welche Behandlung bieten Sie an?Prof. Dr. Tobias Esch: Bei uns werden die Patientenge-spräche nicht in den sonst üblichen Slots von drei bis acht Minuten abgehandelt. Wir nehmen uns mehr Zeit: Eine halbe Stunde spricht der Arzt mit dem Patienten, er oder sie wird ausführlich untersucht, eine weitere halbe Stunde arbeitet der Case Manager den Fall mit dem Patienten auf – viele Patienten kommen ja mit dicken Akten ihrer Krankheitsgeschichte zu uns. Schließlich kommt dann noch der Experte für Ge-sundheitsförderung zu einem weiteren Gespräch dazu: Wir machen uns ein ausführliches Bild, was Lebens-stil, Ernährung, Verhalten, Bewegung und Entspan-nung angeht.

positionen: Wie geht es nach dem Erstgespräch weiter?Prof. Dr. Tobias Esch: Ein gutes Drittel der Patienten geht für acht Wochen in eine Gruppe, um zu lernen, was man selbst für seine Gesundheit tun kann. Die übrigen Patienten werden primär ärztlich weiter be-treut oder bekommen ausgewählte naturheilkundliche Therapieangebote. Oder auch digitale Hilfen wie etwa unsere „7Mind-App“ als Unterstützungsangebot. Die Treffen in den Gruppen vor Ort sind wöchentlich und dauern zwei Stunden. Die ersten Gruppen sind be-reits abgeschlossen und die Resultate, d. h. die Ver-änderungen auf Seiten der Patienten, decken sich mit der wissenschaftlichen Lage, also auch mit unse-ren Erwartungen. Aber noch viel eindrucksvoller sind die persönlichen Schilderungen der Patienten. Man sieht ihnen an, dass sich etwas positiv bewegt – das motiviert ungemein für diese Art der Arbeit.

positionen: Herr Professor Esch, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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Prof. Dr. med. Tobias Esch

leitet in Witten die bundesweit erste Universi-tätsambulanz für Integrative Gesundheitsver-sorgung und Naturheilkunde. Zudem steht er an der Spitze des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsför-derung in Witten. Sein Buch „Der Selbsthei-lungscode“ ist ein Ratgeber zur eigenen Selbstheilungskompetenz und wurde als Wissensbuch des Jahres nominiert.

die Regelmäßigkeit. „Bewegung ist sehr wichtig, um Stress gut bewältigen zu können. Ist der Körper fit, denkt auch der Geist anders. Man ist ausgeglichener und hat eine größere innere Zufriedenheit.“

Lurz, der selbst viele Vorträge über Motivation, Fitness und Stress hält, befolgt für sein persönliches Stressma-nagement ein Dreistufenmodell: „Erstens ordne ich in hei-ßen Phasen Verantwortlichkeiten und Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Damit gelingt es mir dann in der zweiten Stufe, den Stress zu reduzieren und Zeit für Entspannung zu finden. Drittens achte ich darauf, dass ich ausreichend Sport mache, nicht weniger als sechs Stunden schlafe, mich überwiegend gesund ernähre und Zeit für Spaß und Regeneration habe.“

Bewegung als Ritual im AlltagWas bei Olympiaschwimmer Lurz schon immer Teil des Alltags war, ist für viele gestresste Menschen ein Novum und erfordert dauerhaftes Umdenken: Bewegung oder Sport als eine Art Ritual in den Tag einzubauen. „Stress positiv zu managen bedeutet oft, an den eigenen Denkmustern zu arbeiten“, sagt Florian Wolf. „Um diesen Veränderungs-prozess auszulösen, muss an bestimmten Stellschrauben gedreht werden, um die betroffene Person ins Tun zu brin-gen. Wichtig ist dabei, dass die Einstiegsbarrieren mög-lichst niedrig sind.“

In einer Umfrage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2012 geben 48 Prozent der Führungskräfte an, dass der von ihnen empfundene Stress in den vergangenen zwei Jahren zugenommen habe. Die Menge an Arbeit sei der Hauptgrund, warum der Druck zugenommen habe. Weibliche Führungskräfte (24 Pro-zent) empfinden diesen stärker als ihre männlichen Kolle-gen (19 Prozent). Fachlich fühlen sich nur 5 Prozent der Männer und Frauen in Leitungsfunktionen überfordert.

Vor allem Unternehmen können an diesem Punkt ge-gensteuern, indem sie ihr betriebliches Gesundheitsma-nagement möglichst attraktiv, lehrreich und im Alltag praktikabel gestalten. Die Deutsche Bank setzt beispiels-weise alle zwei Jahre einen thematischen Akzent: „2014 haben wir angefangen, ein Jahresthema Gesundheit zu etablieren“, sagt Dr. Markus Reimann, der bei der Deut-schen Bank für diesen Bereich verantwortlich ist (siehe Interview ab Seite 35). „Mittlerweile läuft das zum Thema angebotene Programm zwei Jahre, damit alle Mitarbeiter im Konzern in den unterschiedlichen Regionen und Divisi-onen ausreichend Zeit haben, die Angebote wahrzunehmen.“ Aktuell gibt es einen Schwerpunkt zum Thema Achtsamkeit.

„BEWEGUNG IST SEHR WICHTIG, UM STRESS GUT BEWÄLTIGEN ZU KÖNNEN.“

THOMAS LURZ

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positionen: Herr Dr. Hermann, als Teamsportpsy-chologe unterstützen Sie die Spieler, damit diese auch mental leistungsfähig bleiben. Wie genau machen Sie das?Dr. Hans-Dieter Hermann: Durch Training im Kopf und für den Kopf, also zum Beispiel mithilfe von Trainings zur Konzentrationssteigerung, zur Ent-scheidungsfähigkeit oder auch zur Aktivations-regulation von Spannung und Entspannung. Das kann zunächst als Übung allein oder in der Gruppe gemacht werden. Dabei können auch technische Hilfsmittel eingesetzt werden, auch, wenn die Trainerin bzw. der Trainer es einbau-en möchte, im Rahmen des Trainings auf dem Platz. Ziel ist immer, dass Spielerinnen und Spieler letztlich die Techniken selbstständig einsetzen können, also sich psychisch selbst regulieren können.

positionen: Was sind für Sie warnende Anzeichen, dass ein Spieler vom Kopf her nicht mehr leistungs-fähig ist?Dr. Hans-Dieter Hermann: Die Kombination aus ungewohnten Fehlern, erhöhter, unverhältnis-mäßiger Aggressivität und schlechter Regene-ration.

positionen: Ist Stress per se schlecht, wenn es um die Leistungsfähigkeit von Top-Sportlern geht?Dr. Hans-Dieter Hermann: Der Urvater des Stress-begriffs, Hans Selye, nannte Stress „die Würze des Lebens“. Es käme nur auf die Dosis an. Ich würde noch ergänzen, dass es auch auf die Re-generationsmöglichkeiten und -fähigkeiten an-kommt. Anders ausgedrückt: Eine moderate Form von Stress ist aus psychologischer und physiolo-gischer Sicht für Top-Sportler sogar die Voraus-setzung für Höchstleistung. Nur gilt auch hier wie in jedem Trainingsplan: Die Erholung muss gewährleistet sein. Dann führt kurzzeitig erleb-ter Stress nicht zu negativen Konsequenzen im

Sinne von Leistungseinbrüchen oder gar länger-fristig zu Krankheit.

positionen: Wie helfen Sie Spielern, dass sie mit dem Stress des öffentlichen Leistens umgehen können?Dr. Hans-Dieter Hermann: Dafür gibt es eine Vielzahl an Methoden, denn das erste Ziel der Sportpsychologie ist immer die mentale Ge-sundheit der Spieler und erst dann kommt die Steigerung der Leistung. Die sportpsychologische Basismethode für Stresssituationen ist ein gut vorbereitetes Training unter hoher psychischer Beanspruchung, das sogenannte Prognosetrai-ning. Hierbei lernen Spielerinnen und Spieler im Training, mit Drucksituationen umzugehen und Strategien zu entwickeln, die sie im Ernstfall einsetzen können.

positionen: Ein Spieler bräuchte eine psychologische Pause, muss aber dranbleiben, damit er nicht seine Position im Team verliert. Wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um?Dr. Hans-Dieter Hermann: Wenn er psychisch er-schöpft ist, gibt es keine Wahl: Er muss pausieren. Erschöpft würde er auf Dauer ohnehin keine gute Leistung bringen und die Position im Team wäre früher oder später sowieso gefährdet. Wichtig hierbei ist vor allem, wie der Trainer reagiert, wenn der Spieler die Thematik ver-traulich bei ihm anspricht. Sportpsychologisch kann man in solchen Situationen beide Seiten unterstützen, dann haben der Spieler, der Trainer und auch die Mannschaft letztlich einen Gewinn.

positionen: Brauchen Frauen und Männer als Leis-tungssportler unterschiedliche Arten von Mental-training?Dr. Hans-Dieter Hermann: Nein, hier gibt es keine Genderunterschiede. Allerdings zeigen Forschung und Erfahrung, dass Frauen vom klassischen

mentalen Training, also dem Training mit inne-ren Bildern, mehr und nachhaltiger profitieren als Männer.

positionen: Bitte erlauben Sie uns noch eine per-sönliche Frage: Wenn Sie auf Ihre Karriere zurück-blicken, was war für Sie der größte Erfolg? Gibt es ein Erlebnis, das Sie besonders in Erinnerung haben?Dr. Hans-Dieter Hermann: Sie meinen für die Zeit bei der Fußballnationalmannschaft? Ich erlebe es als größten Erfolg, dass mir in all den Jahren seit 2004 beide Seiten, also Trainer und Spieler, immer vertraut haben. Aber es gab auch Drama-tisches: Das einschneidendste Erlebnis war sicher-lich der Suizid von Robert Enke. Er beschäftigt mich bis heute.

positionen: Herr Dr. Hermann, vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Hans-Dieter Hermann ist seit 2004 Sport-psychologe der deutschen Fußballnationalelf und begleitete die Mannschaft bei den zu-rückliegenden drei Europameisterschaften und vier Weltmeisterschaften (WM) – den Titelge-winn bei der WM in Brasilien eingeschlossen. Neben diesem Höhepunkt seiner Karriere erinnert sich der 59-jährige promovierte Psy-chologe besonders gern an die Stimmung im Bus nach dem Spiel um Platz drei bei der WM 2006. Vor seiner Tätigkeit für den DFB betreute Hermann Olympioniken aus über 20 Sportarten im In- und Ausland, zudem betreibt er eine Praxis für Sportpsychologie in Schwetzingen.

„ES KOMMT AUF DIE REGENERATIONS- MÖGLICHKEITEN AN“Mit dem Sportpsychologen der deutschen Fußballnationalmannschaft, Dr. Hans-Dieter Hermann, sprach Ewald Manz. Foto Johannes Simon/picture alliance

stattdessen entscheidet, private Sport- und Gesundheits-angebote zu nutzen. Darüber ist sie uns als Arbeitgeber keine Rechenschaft schuldig.“

Auf jeden Fall müssen die angestrebten Veränderungen im Umgang mit den persönlichen Stressverstärkern alltags-tauglich sein, damit Betroffene Erfolgserlebnisse haben, wie Prof. Dr. Esch betont. Und damit sich Rückfälle in Grenzen halten. „Rückfälle sind unter besonders belasten-den Bedingungen immer möglich, weil wir auf bewährte Überlebensmuster zurückgreifen“, sagt Florian Wolf. „Über Jahre angeeignete Denk- und Verhaltensmuster kann man nicht einfach ändern.“

stimulieren und zu verändern“, erklärt Florian Wolf die Herangehensweise. „Nur wer innere Kraft – mental und körperlich – hat, kann nachhaltig an seinen persönlichen Stressverstärkern arbeiten.“ DFB-Sportpsychologe Her-mann bezeichnet es als Fähigkeit, sich psychisch selbst regulieren zu können.

Ganz am Anfang der Zusammenarbeit mit dem Klienten stehen bei YourPrevention™ die Diagnostik und eine aus-führliche Besprechung der individuellen Messergebnisse. Der medizinische Ansatz schafft bei den Klienten ein gro-ßes Vertrauen und überzeugt manchen Skeptiker, wie es Daniel Baumann* war, als er sich auf ein Coaching mit

Rolle des ArbeitgebersLetztlich liegt es aber bei dem einzelnen Mitarbeiter selbst, ob er mitmacht. Rein rechtlich dürfen die Anreize des Arbeitgebers nicht weiter gehen, als etwa die Kursge-bühr zu erstatten. Wieso werden Zielvereinbarungen nicht als Anreizinstrument genutzt, damit Mitarbeiter die be-trieblichen Gesundheitsangebote wahrnehmen? „Würden wir das persönliche Engagement für die eigene Gesundheit in berufliche Zielvereinbarungen aufnehmen, wäre das ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und den Daten-schutz“, erläutert Reimann. „Außerdem müssen wir wert-schätzen und tolerieren, wenn eine Führungskraft sich

Körpergefühl zurückgewinnenAber wie wird ein stressgeplagter Mensch zu einem Üben-den, der das Gelernte in Stresssituationen selbstständig anwenden soll? Meist nicht aus eigener Kraft, sondern durch eine Diagnostik und ein Coaching, wie es etwa die Wolfs mit ihrer Firma YourPrevention™ anbieten. Das übergeordnete Ziel ist es, den Betroffenen innerlich zu festigen. Gleichzeitig soll er sein eigenes Körpergefühl zu-rückgewinnen, damit er körpereigene Warnsignale früh wahrnimmt und deuten kann. „Dafür werden im Coaching-prozess gezielte Achtsamkeitsübungen gelernt, um die stressverarbeitenden Areale im Gehirn wieder positiv zu

SPEZIAL STRESSMANAGEMENT positionen 19/20

* Name von der Redaktion geändert.

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SPEZIAL STRESSMANAGEMENT positionen 19/20

„LERNEN, SELBST- REGULIEREND MIT STRESS UMZUGEHEN“

positionen: Herr Dr. Reimann, seit 2012 sind Sie in der Deutschen Bank für das betriebliche Gesund-heitsmanagement verantwortlich. Davor gab es bereits gesundheitsbezogene Angebote für die Mitarbeiter, aber nicht so strukturiert. Was hat sich konkret verändert?Dr. Markus Reimann: Im Wesentlichen sind es drei Punkte: Erstens haben wir ein Netzwerk aus Gesundheitspaten etabliert. Das sind Kolle-gen aus der Personalabteilung, die aber nicht in der Zentrale, sondern in den Regionen und Divi-sionen arbeiten. Über sie vermarkten wir unsere Gesundheitsangebote. Zweitens kam es zum stärkeren Schulterschluss mit unserer betriebs-eigenen, in Düsseldorf ansässigen Krankenkasse, zum Beispiel bei der Entwicklung des „Jahres-themas Gesundheit“. Drittens haben wir unsere Zusammenarbeit mit den Kollegen der Arbeits-sicherheit verbessert.

Florian Wolf einlässt. Eigentlich aus beruflicher Neugier, weil sein eigenes Unternehmen in einem ähnlichen Bereich tätig ist und der neurobiologi-sche Ansatz neu für ihn ist.

Schnell wird klar, dass sein schwerer Autoun-fall im Jahr 2001, bei dem er ein Schleudertrauma erleidet, sich noch heute auf sein Leben auswirkt. Er nimmt seitdem dauerhaft Schonhaltungen ein, um Rücken und Hals zu entlasten. Die Waage zeigt

immer mehr Kilos an. Seine Schlaflosigkeit wird zum Hauptthema im Coaching. „Die habe ich seit meinem Unfall nicht in den Griff bekommen“, er-zählt Baumann. Schon morgens, wenn er aufsteht, ist sein Noradrenalinwert ungewöhnlich hoch.

Stärken, die auch Schwächen sindAls die Messungen abgeschlossen sind, erhält er eine 20-seitige Auswertung über seine Person.

Und er sieht die persönlichen Stresswerte, die auch teils seine für ihn typische Ungeduld im Leben widerspiegeln. Baumann, der vor der eigenen Unternehmensgründung lange Jahre als Inte-rimsmanager in Führungspositionen in unter-schiedlichen Konzernen gearbeitet hat, erkennt sich wieder. Mit seinen Schwächen, die gleichzei-tig auch Stärken sind. „Ich habe unendlich Kraft und Energie, die ich in meine Arbeit stecke.“ Doch die HRV-Messung führt Baumann vor Au-gen, wie hoch der Preis dafür ist: „Ich habe gese-hen, wie schlecht ich regenerieren kann und wie ich mich somit permanent selbst überschätze.“ Er will lernen, wie er seine Kräfte besser eintei-len und wie er mehr in sich ruhen kann.

In Abstimmung mit Coach Florian Wolf ent-schließt sich Baumann vor knapp einem Jahr zu radikalen Änderungen in seinem Leben: Statt sich frühmorgens im Bett schlafsuchend von ei-ner Seite auf die andere zu wälzen, steht der 62-jährige Unternehmer jetzt jeden Morgen um 4:45 Uhr auf und steigt für 30 Minuten auf den Stepper oder das Fitnessfahrrad. Er erlernt be-wusste Atemtechniken, die gegen seine Schlaf-losigkeit helfen: „Wenn man wirklich auf sein Atmen achtet, kann man an nichts anderes den-ken, was einem vom Schlafen abhält.“ Mittler-weile gehe er auch viel früher ins Bett. Statt der sonst üblich drei bis vier Stunden Schlaf komme er heute im Schnitt auf sechs Stunden.

Radikale ErnährungsumstellungGleichzeitig stellt er seine Ernährung auf kom-plett kohlenhydratfrei um. Er verliert etliche Ki-los und erreicht sein Idealgewicht. Am Anfang des Veränderungsprozesses nimmt Baumann noch von Wolf empfohlene Nahrungsergänzungsmit-tel, „um gewisse Probleme in den Griff zu be-kommen“, wie er es formuliert. „Das hilft, um aus der Spirale rauszukommen. Außerdem hat man Erfolgserlebnisse, die einem helfen, weiter-zumachen.“ Jetzt brauche er diese Mittel aber nicht mehr.

Einen Rückfall habe er bislang nicht gehabt. Ganz im Gegenteil. Sein Umgang mit schwerwie-genden Krankheitsfällen in der Familie zeige ihm, dass er belastbarer und gelassener gewor-den sei, sagt Baumann. „Vorher wäre ich da noch in Panik geraten.“ Im Beruf habe er gelernt abzu-geben. „Ich muss nicht alles selbst regeln. Und ich muss auch nicht alle Probleme sofort lösen. Ich nehme mir jetzt bewusster eine Pause und analysiere die Situation gründlicher.“

Durch die neurobiologischen Messungen weiß Baumann jetzt besser, wann er am Tag gut regenerieren kann. „Für mich ist meine beste Er-holungsphase morgens zwischen 6:30 Uhr und 7:15 Uhr, wenn ich mit den öffentlichen Ver-kehrsmitteln ins Unternehmen fahre und Zei-tung lese. Lesen tut mir sehr gut, um zu regene-rieren.“ In seinen Arbeitstag hat er etliche

Dr. Markus Reimann wacht bei der Deutschen Bank über die Gesundheit der Mitarbeiter. Alle zwei Jahre stehen bestimmte Themen im Fokus wie aktuell „Achtsamkeit“.Mit Dr. Markus Reimann sprach Ina Lockhart. Foto von Mario Andreya

WAS BELASTET SIE IN IHREM JOB?

BERUFSTÄTIGE, DIE SCHLECHT ABSCHALTEN KÖNNEN, HABEN HÄUFIGER GESUNDHEITLICHE PROBLEME

Deutschland: 2016; 681 Befragte, ab 18 Jahre, Selbstständige und Angestellte; Quelle: Statista-Umfrage 2018. ©Statista

Deutschland: Forsa, 2016; 1.200 Befragte, ab 18 Jahre; Quelle: Techniker Krankenkasse. ©Statista 2018

Termindruck

Rückenschmerzen, Muskelverspannungen

Zu viel Arbeit

Erschöpfung, Ausgebranntsein

Konflikte mit Kollegen/Chef

• Berufstätige, die nicht abschalten können  • Gesamt

Lärm, Hitze, Kälte etc.

Vereinbarkeit Beruf und Familie

Ungenaue Vorgaben

Niedergedrückte Stimmungen, Depressionen

Mangelnde Anerkennung

Kopfschmerzen

Zu wenig Handlungsspielraum

Ständige Erreichbarkeit

Informationsflut

Angstzustände

Störungen

Nervosität, Gereiztheit

Ungerechte Bezahlung

Schlafstörungen

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Mikropausen eingebaut: fünf Minuten, in denen er einfach nichts macht, außer bei sich selbst zu sein. „Komme ich wieder in Akutsituationen und drohe in alte Verhaltens-muster zurückzufallen, kann ich mich durch gezielte Ent-spannungs- und Achtsamkeitsübungen runterfahren.“

Einmal Coach, immer Coach?Seinen Coach Florian Wolf trifft Baumann noch einmal im Monat für eine Stunde auf Skype. Er empfindet die Gespräche mittlerweile mehr als Austausch. Braucht man als Üben-der ein Leben lang einen Coach, um nicht rückfällig zu wer-den? Nein, niemand brauche das, antwortet Florian Wolf. „Doch kommen wir in unseren Lebenszyklen immer wie-der in Phasen, die für uns widrig sind. Punktuell hilft es dann, jemanden zu haben, der die Dinge von außen be-trachtet, der für uns da ist und uns zuhört, ohne zu bewer-ten und zu urteilen.“

In seiner kritischen Phase damals im Spätsommer 2011 hört Fußballmanager Rangnick auf Ärzte, die mit ihm den ganzheitlichen Weg gehen wollen. Er gibt seinem eige-nen Körper und dessen Selbstheilungskraft eine Chance. Er will nicht mit Psychopharmaka nachhelfen. Die Ärzte

stellen fest, dass bei ihm Hormon- und Blutwerte kom-plett durcheinandergeraten sind. So durcheinander, dass seine körpereigenen Kraftwerke, die Mitochondrien, nur noch mit 70 Prozent Energie produziert haben. Ein Wert, den die Ärzte gegenüber Rangnick als sehr niedrig be-zeichnen.

Selbstheilungskräfte nutzen und stärkenDen Selbstheilungsprozess unterstützt der damals 53-Jäh-rige mit einem radikal geänderten Essverhalten. Er ver-zichtet ganz und gar auf Kohlenhydrate, um seinen eige-nen Energiestoffwechsel wieder auf Trab zu bringen. Gleichzeitig räumt er der Nahrungsaufnahme wieder den Stellenwert in seinem Alltag ein, die sie eigentlich haben sollte. Nicht nur drei regelmäßige Mahlzeiten morgens, mittags und abends, sondern auch ein bewusstes Erleben der Essenaufnahme.

Bereits im Juni 2012 wagt sich Rangnick wieder zurück ins Fußballbusiness – als Sportdirektor des Bundesligis-ten RB Leipzig. Sein Comeback gelingt, auch als Trainer. Denn in der Saison 2018/2019 führt er RB Leipzig ins DFB-Pokalfinale gegen den FC Bayern.

positionen: Wie individuell erfolgt die gesundheitliche Betreuung der Mitarbeiter? Dr. Markus Reimann: Seit 2008 bieten wir allen unseren Mitarbeitern ab 40 einen individuellen Gesundheits-check an. Für Führungskräfte der ersten beiden Füh-rungsebenen, also Managing Director und Director, gibt es dieses Angebot bereits seit Mitte der 1990er-Jahre ohne Altersbeschränkung. Während Führungskräfte diese mehrstündige, umfassende Untersuchung alle zwei Jahre in Anspruch nehmen können, steht sie allen anderen Mit arbeitern ab 40 alle drei Jahre offen. Der Umfang der Untersuchung ist für beide Mitarbeiter-gruppen identisch.

positionen: Welche Rolle spielt Prävention im Hinblick auf die mentale Gesundheit? Dr. Markus Reimann: Wir versuchen mit unseren Angeboten den Mitarbeitern Ideen und Kompetenzen zu vermitteln, wie sie selbstregulierend mit Stress umgehen können. Sie werden sich beispielsweise klar darüber, worüber sie sich und wie schnell sie sich über Dinge ärgern. Und wie sie diesen Stress besser steuern können. Sie lernen auch, sich besser zu artikulieren, um Stresssituationen zu vermeiden oder mittelfristig positiv zu verändern.

positionen: Gibt es ein konkretes Angebot zum Thema Stressmanagement und wie sieht dieses aus? Dr. Markus Reimann: Für 2019 und 2020 lautet unser Jahres-gesundheitsthema „Achtsam durch den Tag“. Speziell für Führungskräfte bietet die Bank ein Resilienztraining an. Sie können dabei lernen, wie sie ihre eigenen Resilienzen stärken. Sie trainieren aber auch, wie sie das von ihnen geführte Team resilienter machen können.

positionen: Wie vertraulich wird mit den Gesundheitsinfor-mationen umgegangen – gerade, wenn es vielleicht Hinweise auf ein Problem gibt, das die Arbeitsleistung eines Mitarbei-ters beeinträchtigt?Dr. Markus Reimann: Prinzipiell gilt, dass ich als Gesund-heitsmanager und die Bank als Arbeitgeber davon nichts erfahren darf. Informationen zur individuellen gesund-heitlichen Verfassung dürfen nicht weitergegeben werden. Das deutsche Recht räumt dem Schutz sensibler Daten wie solchen über die individuelle Gesundheit zu Recht einen hohen Stellenwert ein. Insofern ist es wichtig, die bestehenden Angebote des Gesundheitsmanagements immer wieder zu bewerben. Betroffene Mitarbeiter können zum Beispiel schnelle Hilfe finden beim betriebsärztlichen Dienst, der auch Psychologen beschäftigt.

positionen: Haben Sie die Wirksamkeit des betrieblichen Gesundheitsmanagements untersucht?Dr. Markus Reimann: Der regelmäßige Gesundheitscheck liefert pro Jahr über 3.000 bis 4.000 Untersuchungser-gebnisse. In aggregierten Längsschnittbetrachtungen konnten die Präventivmediziner uns so verlässliche Hinweise geben, dass sich der durchschnittliche Gesund-heitszustand der Teilnehmer deutlich verbessert hat. Bei 250 Mitarbeitern haben wir dank dieser regelmäßi-gen Untersuchung vorher nicht erkannte koronare Er-krankungen und somit ein erhöhtes Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallrisiko feststellen können.

positionen: Lässt sich dieses Untersuchungsergebnis auch in einer Kennziffer auf den Punkt bringen?Dr. Markus Reimann: Wir haben den ROI, also die Kapital-rendite, errechnet. Die Check-ups amortisieren sich be-reits im ersten Durchlauf und der ROI liegt bei 1,6. Für jeden Euro, den die Bank in ihr Gesundheitsmanagement investiert, bekommt sie 1,60 Euro zurück.

positionen: Erlauben Sie uns zum Abschluss noch eine per-sönliche Frage: Nehmen Sie selbst betriebliche Gesundheits-angebote wahr?Dr. Markus Reimann: Ich bin ein begeisterter Teilnehmer des Gesundheitschecks. Prinzipiell hat mich das Ergebnis in dem, wie ich mich fit halte, bestätigt. Ein Erkenntnis-gewinn für mich als passionierter Läufer war der Hinweis des Arztes, dass ich mit gezieltem Krafttraining den alters-bedingten Muskelabbau kompensieren muss.

positionen: Herr Dr. Reimann, vielen Dank für das Gespräch.

„FÜR 2019 UND 2020 LAUTET UNSER JAHRESGESUNDHEITSTHEMA ,ACHTSAM DURCH DEN TAG′.“

Dr. Markus Reimann

Über seine Spezialisierung im Arbeitsrecht kam Dr. Markus Reimann im Jahr 2000 in die Personalabteilung der Deutschen Bank. „Mich interessiert der Mensch mehr als der Fall“, sagt der Jurist von sich selbst. Seit 2012 verantwortet der 48-Jährige das Betriebliche Gesundheitsmanagement.

SPEZIAL STRESSMANAGEMENT positionen 19/20

In den vergangenen Jahren hat das Gesundheitsbewusstsein bei Führungskräften enorm zugenommen. So ist es heute fast eine Selbstverständlichkeit, dass Manager als Ausgleich für ihre beruf-liche Tätigkeit einem Sport nachgehen – sei es Joggen, Radfahren oder Yoga – und auf eine gesunde Ernährung achten, um leistungs-fähig zu sein. Auch die Unternehmen tragen bereits seit vielen Jahren zur gesundheitlichen Prävention ihrer Führungskräfte bei, zum Beispiel mit regelmäßigen Gesundheits-Check-ups oder betrieblichen Sportangeboten einschließlich Corporate-Läufen. Wenn es um die Besetzung von Top-Positionen geht, spielen diese Themen in unse-ren Gesprächen mit Klienten und Kandidaten faktisch keine Rolle. Entsprechende Maßnahmen werden von beiden Seiten einfach vo-rausgesetzt.

Von zunehmender Bedeutung sind für Unternehmen jedoch die mentale Gesundheit ihrer Manager sowie ihre Fähigkeit zur Resilienz. Wie Menschen sich selbst managen und mit Stresssituationen um-gehen, hängt dabei ganz wesentlich von ihrer Persönlichkeit ab.

Daher werden wir von unseren Klienten immer öfter darum gebe-ten, bei der Besetzung einer Führungsposition auch Methoden der Managementdiagnostik einzusetzen, um mehr über die Persönlich-keitseigenschaften der Kandidaten in Erfahrung zu bringen. So lässt sich das Führungsverhalten eines potenziellen Kandidaten besser einschätzen und das Risiko einer Fehlbesetzung minimieren. Auch die Manager selbst achten mehr auf ihre mentale Gesundheit und wollen ihre Resilienz stärken. Das beobachte ich vor allem im Rahmen meiner Coaching-Mandate. In Business Coaching-Situatio-nen sind die Gespräche mit Führungskräften in der Regel offener und persönlicher. Hier sprechen wir oft auch über konkrete Maßnahmen zum Stressabbau – neben regelmäßigem Sport können dies ganz einfache Verhaltensänderungen sein wie „Abendspaziergang statt E-Mails checken“ oder „Buch statt iPad vor dem Schlafengehen“ etc. Top-Manager nutzen Coaching-Gespräche auch zum Sparring und dazu, einmal ehrlich den Spiegel vorgehalten zu bekommen – eine Situation, die auf C-Level leider noch eher selten ist.

Aus dem Executive Search

Christine Kuhl ist Partner bei Odgers Berndtson Deutschland

KOMMENTAR

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INTERVIEW positionen 19/20BRAND MANAGEMENT positionen 19/20

WIE DIE MARKE JACK WOLFSKIN DEN TURNAROUND SCHAFFTE

Die Erwartungen waren groß, als der Finanzinvestor Blackstone den Outdoorausrüster Jack Wolfskin 2011 kaufte. Die globale Wirtschaft boomte, Outdoorbekleidung zog die Massen an, die Aussicht auf zweistellige Umsatzraten die-ser Branche schien keine Fantasterei. Doch die Erwartun-gen erfüllten sich nicht. Es folgten einige turbulente Jahre,

in denen Jack Wolfskin sogar in eine existenzbedrohende Krise geriet. Die Umsätze gingen stark zurück, die Schulden dagegen stiegen ebenso stark. Mitten in dieser dramati-schen Lage übernahm die Top-Managerin Melody Harris-Jensbach den Chefposten. Sie war bereits bei Puma und Esprit als Vorstand für diese globalen Marken verant-wortlich.

Melody Harris-Jensbach erkannte schnell, dass sich Jack Wolfskin zu stark auf den bereits gesättigten Markt in Deutschland fokussiert hatte und man sich auf einen rui-nösen Preiskampf eingelassen hatte. Die Marke Jack Wolf-skin drohte auf den Wühltischen zu landen. Auch hatte es Jack Wolfskin verpasst, einen schlagkräftigen Omnichan-nel-Vertrieb aufzuziehen.

Harris-Jensbach gelang es, Jack Wolfskin zu reanimieren, indem sie die wichtigsten Faktoren einer Restrukturie-rung berücksichtigte. „Vom ersten Tag an kommunizierte sie fair und transparent mit allen Mitarbeitern“, weiß Ga-briele Stahl, Leiterin der Industry Practice & Services von Odgers Berndtson. „Es müssen alle bitteren Fakten auf den Tisch gebracht werden, statt scheibchenweise die Wahrheit über den Zustand des Unternehmens zu kommu-nizieren“, sagt Stahl. Vor allem die Führungskräfte seien zwingend als Verbündete zu gewinnen, damit diese ihre

Wenn ein über Jahre erfolgreiches Unternehmen in die Krise gerät, sind umfangreiche Gegenmaßnah-men erforderlich. Organisation und Strukturen müssen infrage gestellt, die finanzielle Situation überprüft werden. Ebenso wichtig ist es aber, den Markenkern zu schärfen, die Produktpalette den Konsumenten-bedürfnissen anzupassen und das Unternehmen neu zu positionieren, wie das Beispiel Jack Wolfskin zeigt.Von Martin Scheele

„WIR STEHEN FÜR DAS WOLFSRUDEL, NICHT FÜR DEN EINSAMEN WOLF“positionen: Frau Harris-Jensbach, Sie stehen seit rund fünf Jahren an der Spitze von Jack Wolfskin. Wie hat sich der Outdoormarkt seitdem verändert? Harris-Jensbach: Zwischen 2005 und 2008 boomte der Outdoormarkt regelrecht. Als ich als CEO von Jack Wolfskin startete, stagnierte die Branche jedoch und hatte teilweise mit rückläufigen Umsätzen zu kämpfen. Das lag daran, dass viele Wett-bewerber, insbesondere international tä-tige Unternehmen, auf den Markt drängten. Zudem kamen Handelsmarken immer stärker auf. In der Folge entstand ein Überangebot, das auf die Preise drückte. Zudem erhielt das angestammte stationäre Geschäft Konkurrenz durch Onlineplayer.

positionen: Wie definieren Sie Outdoor heute?Harris-Jensbach: Das Verständnis von Out-door hat sich vor allem in den letzten Jah-ren stark geändert. War Outdoor einst begrenzt auf Sportarten wie Klettern und etwa Kayaking, ist es heute wesentlich breiter gefasst. Wer vor die Haustür geht und ein paar Meter weiter mit Schnee, Re-gen oder Wind zu kämpfen hat, braucht Funktionskleidung. Bereits da fängt unser Geschäft an.

positionen: Sie haben die Marke Jack Wolf-skin in den letzten Jahren neu positioniert, das Image poliert und modernisiert. Wie ist Ihnen das gelungen?Harris-Jensbach: Die Ausgangslage war nicht einfach, der Markt war, wie gesagt, übersättigt, unser Image hatte gelitten. Die erste Stellschraube war, auf Umsatz zu verzichten und in der Distribution auf-zuräumen. Zweitens haben wir die Pro-duktpalette aufgefrischt. Dieser Wandel musste durch eine veränderte Marketing- und Kommunikationsstrategie begleitet werden. Wir setzen seitdem stark auf Social-Media-Kommunikation – und haben darüber neue Zielgruppen angesprochen. Zudem haben wir uns wieder dem Kern unserer Marke, wie sie zur Gründung be-stand, gewidmet. Viele junge Leute neh-men sich nach der Schulzeit ihre erste Auszeit und gehen für ein paar Monate

ins Ausland, etwa nach Australien. Das bekomme ich persönlich im Freundeskreis meines Sohnes mit. Die jungen Leute inte-ressieren sich für unser Angebot, ganz im Gegensatz zur jungen Generation früherer Tage. positionen: Wie ist das neue Markenimage bei Ihren Kunden angekommen?Harris-Jensbach: Die Veränderung lässt sich leicht an der Kundenstruktur unse-res Onlineshops erkennen. Die größte Käufergruppe sind mittlerweile die 35- bis 45-Jährigen. Vor fünf Jahren waren dies noch die 45- bis 55-Jährigen. Wir haben also die gewünschte Verjüngung unserer Zielgruppe erreicht. Hinzu kommt, dass das neue Markenimage auch ganz neue Zielgruppen anspricht. Wer heute Aktivi-täten draußen unternimmt, ob Caravaning oder E-Biken, der kauft sich spezielle Kleidung dafür. Hinzu kommt der Grup-pengedanke: Jack Wolfskin war und ist immer stark, wo es um Gruppenaktivitä-ten geht. Wir stehen für das Wolfsrudel, nicht für den einsamen Wolf.

positionen: Welche Rolle spielen Frauen als Konsumenten von Outdoorbekleidung? Was unternimmt Jack Wolfskin, um in diesem Bereich stärker zu werden?Harris-Jensbach: Der Anteil der Käuferin-nen beläuft sich derzeit auf rund 45 Pro-zent, mit steigender Tendenz. Frauen möchten nicht wie Männer aussehen, auch was Outdoorkleidung angeht. Wir sehen, dass Frauen tendenziell weichere Materialien, eine andere Linienform und feminine Farben bevorzugen. Darauf re-agieren wir mit dem passenden Angebot.

positionen: Sie sind eine Kooperation mit der Luxusmarke Versace eingegangen. Was war Ziel dieser Kooperation? Wie wurde die neue Linie angenommen?Harris-Jensbach: Wir wollten überraschen – das ist uns gelungen. Auch diese Koopera-tion der sehr gegensätzlichen Partner hat die Wahrnehmungen bei den Verbrauchern positiv geändert. Wir sind kein Nischenan-bieter, sondern stehen für Performance

und Wachstum. Auch mit dieser Koopera-tion haben wir die Definition von Outdoor erweitert.

positionen: Jack Wolfskin hat sich im Be-reich Nachhaltigkeit schon früh engagiert. Welche nachhaltigen Maßnahmen setzen Sie bei der Produktion Ihrer Kollektionen um? Harris-Jensbach: Bereits seit über 20 Jahren sind wir mit nachhaltiger Produktion un-terwegs. So haben wir es geschafft, PVC aus unserer Produktion zu verbannen. Der Schritt hat vier Jahre gedauert. Unsere neueste Aktion dreht sich um recyceltes Plastik. In Kooperation mit der spanischen Firma Seaqual stellen wir innovative Fasern ausschließlich aus recyceltem Meeresmüll her. Dafür ist eine Flotte von 400 Booten und rund 1.500 Fischern in

JACK WOLFSKINist ein deutscher Hersteller von Funktionsbekleidung, Outdoorausrüs-tung und -schuhen mit Sitz in Idstein im Taunus. Das Unternehmen ist zudem als Franchisegeber im deutschen Sportfachhandel tätig. Die Arti-kel werden in vielen europäischen Ländern und China sowie zukünftig auch verstärkt in den USA und Japan angeboten. Die internationale Expansion soll vor allem durch den US-amerikanischen Golfausrüster Callaway Golf Company vorangetrieben werden, der seit Anfang 2019 alleiniger Eigentümer von Jack Wolfskin ist.

Melody Harris-Jensbach

studierte an der Parsons School of Design in New York und kam 1986 nach Deutsch-land. Hier war die heute 58-Jährige zu-nächst Chefdesignerin für verschiedene Modelabels wie Viventy, Laurel und Esprit. 2008 wechselte die amerikanisch-südko-reanische Managerin zu Puma und war dort der erste weibliche Vizechef eines deutschen börsennotierten Unternehmens. 2012 kehrte sie als Product- & Designchefin zu Esprit zurück, bis sie 2014 den Vorstands-vorsitz des Outdoorbekleiders Jack Wolf-skin übernahm.

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CONSULTING-TRENDS positionen 19/20

Mitarbeiter von den notwendigen Einschnitten überzeugen können.

Am Anfang stand die Überprüfung der Cash-Situation, um eine Perspektive für mögliche Investitionen zu erlangen. Mit einer finanziellen Restrukturierung ging auch die Überprüfung von Entscheidungsstrukturen und internen Prozessen einher. Die Consumer-Expertin Harris-Jensbach entschlackte Strukturen, trimmte Prozesse auf Effizienz, reduzierte die Anzahl von Verkaufspunkten und straffte nicht zuletzt das Produktportfolio. Ihr Finanzchef und die Personalabteilung waren in alle Maßnahmen eingebunden. Das Ergebnis war beeindruckend: Umsatz und Gewinn stiegen wieder nachhaltig – und Jack Wolfskin konnte ein 25-Millionen-Euro-Darlehen der Eigentümer frühzeitig zurückzahlen.

Ihre ganze Konzentration widmete Harris-Jensbach anschließend der Belebung der Marke Jack Wolfskin. Sie fokussierte das Geschäft stärker auf sportlich aktive Frauen und jüngere Zielgruppen, sie ging ungewöhnliche Koope-rationen ein, legte neue Linien auf und reanimierte das Produktportfolio. Digitalexperten sorgten für einen pro-fessionellen interaktiven Auftritt im Netz, um das Online-geschäft zu stärken. Schnellere Abläufe in der Logistik unterstützten maßgeblich die Erfolgsstory. Heute sagt Harris-Jensbach: „Produktseitig stecken wir noch im Um-bruch, aber wir sind schon sehr weit vorangekommen.“

Lesen Sie weitere Einzelheiten zum Turnaround von Jack Wolfskin in dem nebenstehenden Interview.

„VOM ERSTEN TAG AN KOMMUNIZIERTE SIE FAIR UND TRANSPARENT MIT ALLEN MITARBEITERN.“Gabriele Stahl

Die Arbeitgeberattraktivität ist heute einer der entschei-denden Faktoren, wenn es um die aktuelle und vor allem zukünftige Marktpositionierung von Unternehmen geht. Dies gilt im besonderen Maße für Unternehmensberatungen, deren Wertbeitrag für Kunden fast ausschließlich über die Kompetenz der eigenen Köpfe erbracht wird.

Hohe Arbeitgeberkonkurrenz aus Industrie und Start-upsEin Blick in die Arbeitgeberrankings zeigt, dass nicht Con-sulting-Unternehmen an der Spitze stehen, sondern klassische Industrieunternehmen. Im aktuellen Trendence-Ranking für Wirtschaftswissenschaftler belegen Automobilhersteller vier der fünf Top-Plätze, die stärkste Gesellschaft im Pro-fessional Service ist PwC auf Rang 9. Noch schmerzhafter aus Sicht der Berater: Die Bestenlisten für Informatiker und Naturwissenschaftler weisen keine einzige Firma ih-resgleichen unter den besten zehn aus. Warum sollten sich Absolventen auch in die Rolle des externen Ratgebers be-geben, wenn derzeit fast jedes Industrieunternehmen spannende Transformationsprojekte und somit erstklas-sige Stellenprofile bieten kann?

Zudem sind in den letzten Jahren neue Player am Arbeits-markt erschienen: die Start-up-Welt mit ihren diversen Möglichkeiten für Unternehmertum und Verantwortungs-übernahme sowie einem coolen Lifestyle.

Die Kultur macht den UnterschiedWie also gelingt es dem Consulting angesichts dieser starken Konkurrenz, attraktiv für die Besten zu sein? Und wenn Professionals grundsätzliches Interesse an der Beratung haben, wie können sie die Vor- und Nachteile zwischen den Beratungshäusern unterscheiden?

Ein entscheidender Faktor bei annähernd vergleichbarem Leistungsportfolio ist die Kultur. Mit welchen Menschen möchte man zusammenarbeiten, wenn man de facto mehr

Zeit mit diesen verbringt als mit der Familie? Eine Bera-tung, der es nicht gelingt, im Markt für eine einzigartige, differenzierende Kultur bekannt zu sein, hat schlechte Karten bei der Gewinnung von Talenten. Anders ausge-drückt: Wenn die Kultur so stark ist, dass selbst vermeint-liche Nachteile wie Reisebelastung und lange Arbeitszeiten in Kauf genommen werden, dann kann Consulting auch im Wettbewerb gegen Industrie- und Start-up-Unternehmen bestehen.

Einige Positivbeispiele: Vor Kurzem hat BCG in Deutsch-land eine neue Employer-Branding-Kampagne gestartet, in der junge Menschen gezeigt werden, die man auch auf einer Berliner Hipster-Party antreffen könnte. „Welcome to the Group“ lautet das Motto der Kampagne. Eine Recrui-ting-Kampagne von KPMG zeigte vor einigen Jahren Füh-rungskräfte in Freizeitsituationen. Der Mensch hinter der Beraterrolle stand hier im Mittelpunkt. Einen Schritt weiter ging EY: Hier stellte man mit „Building a better working world“ den Purpose, also den Sinn für das eigene Tun, in den Vordergrund. Dieser Slogan wurde später sogar Teil des Unternehmenslogos.

Drum prüfe, wer sich …Wer mit einem Einstieg ins Consulting liebäugelt oder in-nerhalb der Beratung wechseln möchte, sollte eine genaue Analyse durchführen: Neben den harten Kriterien wie Un-ternehmensgröße, Marktpositionierung, fachliche Kom-petenz oder Karriereperspektive sollte großer Wert auf die „softe“ Seite gelegt werden. Wer am Ende ein Störgefühl bei den Themen Kultur und Kommunikation wahrnimmt, sollte die Finger von der Option lassen, selbst wenn alle anderen Indikatoren positiv erscheinen. „Culture eats strategy for breakfast“ – Managementguru Peter Drucker hat mit dieser Aussage noch immer – und immer mehr – recht.

EMPLOYER BRANDING IM CONSULTINGMcKinsey, BCG, Bain, Berger – aus Bewerbersicht sind diese Beratungshäuser nicht leicht zu differenzieren. Und wie können Beratungen gegen starke Arbeitgeber-marken in der Industrie konkurrieren und die Top-Bewerber überzeugen? Employer Branding und Mitarbeitergewinnung im Consulting – derzeit kein leichtes Unterfangen.Von Daniel Nerlich

Daniel Nerlich ist Managing Partner von Odgers Berndtson Deutsch-land und Leiter der Industry Practices Business & Professi-onal Services sowie Techno-logy. Sein Schwerpunkt ist die Begleitung von Beratern auf dem Weg zur Partner-schaft oder in Richtung einer Führungs- und Expertenposi-tion in Industrieunternehmen.

Gabriele Stahl ist Partner bei Odgers Berndtson. Als Leiterin der Industry Practice Consumer Products & Services in Deutschland berät sie inter-nationale und nationale Markenunternehmen in den Food- und Non-Food-Seg-menten sowie Handelskon-zerne und Multichannel- Unternehmen.

der spanischen Mittelmeerregion jeden Tag im Einsatz. Die aus PET-Plas-tik gesponnenen Garne finden sich seit diesem Sommer in rund 25 Prozent unserer Kollektion.

positionen: Die Digitalisierung hat längst auch in der Outdoorbranche Einzug gehalten. Welche neuen Technologien setzen Sie in Ihrem Unternehmen ein?Harris-Jensbach: Die Digitalisierung hilft uns, Prozesse effizienter zu ma-chen. An erster Stelle in der Logistikkette, aber auch im Onlineshop. Was Produktionstechnologien angeht, sind andere Branchen in der Digitalisie-rung noch weiter, etwa die Lebensmittelbranche. Aber auch bei diesem Thema ist unser Eigentümer Callaway ein Leuchtturm. Callaway testet be-kanntlich die Performance von Golfschlägern in automatisierten Prozessen.

positionen: Sie erwähnten gerade Callaway: Welche Konsequenzen hat die neue Eigentümerschaft auf die Führung und Ausrichtung von Jack Wolfskin?Harris-Jensbach: Wir sind sehr froh, dass wir einen so starken strategischen Eigentümer haben, den wir inspirieren können und der unsere Marke vor-antreiben möchte. Vorteilhaft sind auch die komplementäre Ausrichtung unserer Firma und die des Eigentümers. Callaway ist ein US-Unternehmen, das eher im Sommergeschäft unterwegs und stark auf dem Heimatmarkt ist. So haben wir die Chance, als Lager für Callaway in Europa zu fungieren – und Callaway kann uns den US-Markt öffnen. Oder nehmen Sie den asiati-schen Markt. In China sind wir als Distributor präsent, in Japan sind wir kaum vertreten. Callaway ist dagegen stark in Japan vertreten. So können beide Unternehmen Umsatzpotenziale heben.

positionen: Sie haben eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Sie waren Chef-designer verschiedener Modelabels, waren 2008 bei Puma der erste weibliche Vizechef eines börsennotierten Unternehmens in Deutschland und stehen jetzt an der Spitze von Jack Wolfskin. Welche Ziele haben Sie noch?Harris-Jensbach: Ich möchte mit Jack Wolfskin weiter expandieren. Nachdem uns in den vergangenen Jahren die finanzielle Restrukturierung gelang und wir der Marke neue Strahlkraft gegeben haben, wollen wir jetzt die inter-nationale Expansion vorantreiben.

positionen: Der Anteil von Frauen in Top-Führungspositionen in Deutschland erhöht sich nur sehr langsam. Haben sich die Bedingungen für Frauen in Führungspositionen im Vergleich zu früher verbessert?Harris-Jensbach: Nein, ich kann keine Veränderung feststellen. Um Karriere machen zu können, muss in erster Linie hart gearbeitet werden, egal ob man Frau oder Mann ist. Von Frauenförderprogrammen halte ich nichts. Für mich kam es auch nie infrage, an einem dieser Programme teilzuneh-men. Es ist die Leistung, die zählt, die ist genderunabhängig. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen wie Teilzeit gegeben sein, sodass Mütter Beruf und Karriere verbinden können.

positionen: Was würden Sie jungen, karrierewilligen Frauen raten?Harris-Jensbach: Man muss in erster Linie sehr gut organisiert sein. Dies gilt insbesondere für Mütter, die sich um die Betreuung ihrer Kinder kümmern müssen. Man braucht zudem einen Partner, der viel Verständnis mitbringt und die Entscheidungen mitträgt. Hilfreich ist auch ein Freundes- und Bekanntenkreis, der einen stützt. Außerdem möchte ich jungen Frauen empfehlen, ihre Karriere langfristig zu planen, gern in 3- oder 5-Jahres-Schritten. Jeder neue Schritt muss dabei gut gewählt sein. Das heißt konkret, nicht jeden angebotenen Job anzunehmen, sondern wählerisch zu sein. Das kann auch bedeuten, dass man einige Jahre warten und sich entwickeln muss – um dann den entscheidenden Sprung in den Traumjob zu machen.

positionen: Frau Harris-Jensbach, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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MANAGER-BAROMETER positionen 19/20

Agilität bedeutet „Beweglichkeit“. Insofern ist unter „Agiler Führung“ eine flexible, vernetzte und kommunikative Führungskultur jenseits starrer Hierarchien und Prozes-se zu verstehen. Agilität hilft Unternehmen dabei, flexibel auf die sich ständig wandelnden Märkte zu reagieren.

Bei diesem Managementstil übergibt die Führungskraft wesentliche Entscheidungskompetenzen an ihr Team, das sich eigenverantwortlich auf ein Vorgehen einigt. Führung bedeutet in dieser Philosophie, dass die Mitarbeiter zum Manager aufschließen. Führung wird somit fast ausschließ-

lich durch die Persönlichkeit bestimmt, nicht mehr durch Erfahrung, Seniorität oder Hierarchie.

Manager stehen agilen Führungsmethoden positiv gegenüberObwohl Agiles Management erst seit wenigen Jahren in Unternehmen etabliert wird, stößt es bei Führungskräften in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits auf große Zustimmung, wie das aktuelle Manager-Barometer 2018/2019 von Odgers Berndtson zeigt. 73 Prozent der 2.460 teilnehmenden Manager halten Führungsmethoden der „Agile Leadership“ für positiv und sinnvoll. 25 Prozent sehen das neue Führungsprinzip eher mit gemischten Ge-fühlen, nur rund zwei Prozent lehnen dieses ab.

Dabei bestätigen 56 Prozent aller Teilnehmer, dass in ihrem Unternehmen agile Führungsmethoden – in einigen Unternehmensbereichen (25 Prozent), im eigenen Verant-wortungsbereich (23 Prozent) oder sogar im gesamten Unternehmen (acht Prozent) – bereits angewandt werden. Weitere 18 Prozent der Manager gehen davon aus, dass Agilität in ihrem Unternehmen zukünftig eine größere Rolle spielen wird. „Die Begeisterung, auf die das Schwerpunkt-thema unserer diesjährigen Befragung bei den Teilnehmern gestoßen ist, hat uns fast überrascht“, kommentiert Olaf H. Szangolies, Partner bei Odgers Berndtson und Leiter der aktuellen Befragung, die Ergebnisse. „Für ein junges und komplexes Thema wie Agile Leadership ist das eine enorm hohe Akzeptanz und Verbreitung“, so der Berater.

TMT-Branche führendDie höchsten Zustimmungswerte kommen dabei von Ma-nagern aus der TMT-Branche (71 Prozent), dem Energie-sektor (66 Prozent) und der Beratungsbranche (65 Prozent). Betrachtet nach Unternehmensbereichen ist der IT-Bereich beim Einsatz agiler Methoden führend (37 Prozent), gefolgt

ZUR METHODIK DES MANAGER-BAROMETERS:Odgers Berndtson befragt jährlich Führungskräfte von Unternehmen aller Branchen und Größenklassen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ziel der Befragung, die Odgers Berndtson bereits zum achten Mal durchgeführt hat, ist es, zu ermitteln, was Führungskräfte bewegt, was sie für ihren weiteren Berufsweg motiviert, wozu sie bereit sind und wozu nicht. Die Befragung, die zu den umfassendsten Führungskräfteerhebungen im deutsch-sprachigen Raum gehört, liefert so wichtige Erkenntnisse zur Einstellung und Motivationslage im deutschsprachigen Management. Am Manager- Barometer 2018/2019 haben 2.460 Manager teilgenommen. Die vollständigen Ergebnisse finden Sie zum Download unter www.odgersberndtson.com

von den Bereichen Produktion (29 Prozent) sowie For-schung & Entwicklung (27 Prozent). Am wenigsten agil zeigen sich Führungskräfte im Bereich Recht/Steuern/Compliance (17 Prozent). „Dass Agiles Management vor allem in den IT-Bereichen der Unternehmen gelebt wird, liegt nahe, kommen doch viele dieser Methoden aus der Softwareent-wicklung und damit aus der IT selbst“, erläutert Szangolies.

Breites Spektrum agiler Methoden kommt zum EinsatzKurze informelle Projekttreffen („Stand-up Meetings“) wenden über 84 Prozent der Führungskräfte in ihren Un-ternehmen an, das Arbeiten in Teilprojektgruppen („Kan-ban“) bestätigen rund 80 Prozent der Teilnehmer. Regel-mäßige Projektreviews („Retroperspektive“) sowie das Arbeiten in crossfunktionalen Teams („Scrum“) finden zu 79 Prozent bzw. 74 Prozent statt. Meetings zum konstruk-tiven Umgang mit Fehlern, sogenannte „Fuck-up Mee-tings“, oder ein organisierter, funktionsübergreifender Themenaustausch („Open Fridays“) spielen eher noch eine untergeordnete Rolle in den Unternehmen. Olaf H. Szango-lies dazu: „Die Tatsache, dass ,Fuck-up Meetings‘ weit unten in der Rangliste der angewandten Methoden stehen, zeigt, dass Fehler in vielen Firmen hierzulande noch immer mit Versagen gleichgesetzt werden. Hier sind uns US-Unter-nehmen um Längen voraus.“

CHANCEN UND RISIKEN AGILER FÜHRUNGAgile Führungsmethoden halten Einzug in deutsche Chefetagen und stellen die bisherigen Hierarchien auf den Kopf. Bei Managern in Deutschland, Österreich und der Schweiz stößt das noch junge Führungsprinzip auf überraschend große Zustimmung, wie das aktuelle Manager-Barometer von Odgers Berndtson ergeben hat.Von Kathrin Lochmüller

Olaf H. Szangolies ist Partner im Frankfurter Büro von Odgers Berndtson und Mitglied der Industry Practices Automotive und Industrial. Er berät Unternehmen bei der Besetzung von Executive-Posi-tionen in der Automobil-, Nutzfahrzeug- und Zulieferbranche.

WAS HALTEN SIE PERSÖNLICH VON AGILEN FÜHRUNGSMETHODEN?

•  Die Führungsmethoden der Agile Leadership halte ich für sinnvoll und positiv.

•  Die Führungsmethoden der Agile Leadership sehe ich mit gemischten Gefühlen.

•  Die Führungsmethoden der Agile Leadership sehe ich eher negativ.

Führungskräfte, die agile Methoden für sinnvoll und positiv halten

73,1 %

25,3 %

1,6 %

Quelle: Odgers Berndtson Manager-Barometer 2018/2019

WELCHE METHODEN DER AGILE LEADERSHIP KOMMEN IN IHREM UNTERNEHMEN ZUR ANWENDUNG?

0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %

•  ja •  nein •  weiß nicht

1,7 %

1,8 %

3,3 %

4,5 %

5,1 %

3,6 %

6,4 %

5,2 %

6,4 %

7,7 %

Delegation von Verantwortung an den Einzelnen/einzelne TeamsKurze informelle Projekttreffen („Stand-up Meetings“, „Morning Meetings“ etc.)Förderung der Vernetzung und Kommunikation aller Mitarbeiter

Gliederung von Projekten in kleine Teilprojekte („Kanban“)

Regelmäßige Projektreviews („Retrospektive“)

Eigenverantwortliche crossfunktionale Teams („Scrum“)

Regelmäßiges Kundenfeedback im ProjektfortschrittErhöhung der Organisationseffizienz (z. B. durch flachere Hierarchien oder Zusammenlegung von Abteilungen)Ermutigung zu konstruktivem Umgang mit Fehlern („Fuck-up Meetings“)Organisierter freiwilliger, funktionsübergreifender Themenaustausch („Open Friday“)

90,1 % 8,2 %

13,8 %84,4 %

15,5 %81,2 %

15,9 %79,6 %

16,1 %78,8 %

22,7 %73,7 %

22,5 %71,1 %

38,8 %56,0 %

54,8 %38,8 %

57,9 %34,4 %

Quelle: Odgers Berndtson Manager-Barometer 2018/2019

Quelle: Odgers Berndtson Manager-Barometer 2018/2019

WELCHE BEDEUTUNG HAT AGILE LEADERSHIP FÜR IHR UNTERNEHMEN?

• �Agile Führungsmethoden werden bereits von einigen Unternehmensbereichen umgesetzt.

• �Agile Führungsmethoden werden bereits von meinem eigenen Bereich/meiner Abteilung umgesetzt.

• �Agiles Führen wird von allen Unternehmensbereichen und Führungsebenen umgesetzt.

• �Agile Führungsmethoden werden in meinem Unternehmen noch nicht angewandt, sollen aber zukünftig eine größere Rolle spielen.

• �Agile Leadership spielt keine Rolle in meinem Unternehmen.

• �Weiß nicht.

24,6 %

23,3 %

8,2 %

18,0 %

22,8 %

Führungskräfte, in deren Unternehmen agile Methoden bereits eingesetzt werden

3,1 %

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INTERIM MANAGEMENT positionen 19/20

auch um die Weiterbildung des Teams und das Überwinden möglicher Widerstände und Interessenskonflikte.

Die Profession der Interim Manager ist mittlerweile in Deutschland fest etabliert, weiß Sascha Hackstein, Geschäfts-führer der neuen Berndtson Interim. „Der Markt wächst kontinuierlich, die Bedarfe werden immer größer.“ Während einige Marktteilnehmer aber nur als „Provider“ unterwegs sind, das heißt Unternehmen die Kandidatenprofile von Interim Managern zur Verfügung stellen, bietet Berndtson

Die Digitalisierung verändert Strukturen und Prozesse in den Unternehmen in eklatanter Weise. Kaum eine Firma etwa, die Produkte vertreibt, kann auf eine Omnichannel-Strategie verzichten. Nur woher die Expertise zum Aufbau eines digitalen Vertriebskanals nehmen – wenn die Ver-triebsorganisation bisher auf dem klassischen Weg die Waren verkauft hat? Die Aufgabenbeschreibung ist wie gemacht für einen Interim Manager. Zumal es nicht nur um die Errichtung eines neuen Vertriebskanals geht, sondern

Odgers Berndtson hat seine Aktivitäten im Interim Management gebündelt und baut diese seit Februar 2019 unter der Marke Berndtson Interim systematisch weiter aus. Mit dem Anspruch auf Qualitätsführerschaft bietet die neue Gesellschaft eines der umfassendsten Angebotsportfolios für Interim Management am Markt: von der branchenerfahrenen Beratung bis zur ergebnis-orientierten Umsetzung mit funktionalem, situativem sowie Programm- bzw. Projektfokus. Die beauftragten Interim Manager übernehmen temporär Managementaufgaben in Linienfunktionen und Projekten. Darüber hinaus können Unternehmen besonders auf ihre Expertise in komplexen Veränderungsvorhaben vertrauen.

MANAGER AUF ZEITWenn Unternehmen temporär nicht das richtige Personal haben, um in eine neue Ära zu starten, kommen sie ins Spiel: die Interim Manager. Sie bringen die notwendige Führungserfahrung mit, die sie vorher in vergleichbaren Situationen gesammelt haben. Der Erfolg ihrer Mission hängt aber von einigen Faktoren ab.Von Martin Scheele

Interim nicht nur Hilfe bei der temporären Übernahme von erfolgskritischen Managementaufgaben, sondern auch Ma-nagementlösungen für Unternehmen in komplexen Trans-formationssituationen.

Umfassendes Verständnis für die Unternehmenssituation Für Sascha Hackstein zählen zu den entscheidenden Erfolgs-faktoren eines jeden Mandats das umfassende Verständnis für die Unternehmenssituation, die Kultur des Auftragge-bers und die aktuelle Ausgangslage. Darauf aufbauend ist ein klares Konzept, das alle Schritte bis zur Verankerung der Ergebnisse im Unternehmen umfasst, ein weiterer Erfolgs-faktor. „Nur mit diesem fundierten und praxisorientierten Vorgehen lässt sich die langfristige Wirksamkeit der er-zielten Resultate sicherstellen“, erläutert Hackstein, der seit vielen Jahren erfolgreich im Interim Management für mit-telständische Unternehmen und internationale Konzerne tätig ist. Beispiel: Maschinenbau. Der Spardruck ist auch in der erfolgsverwöhnten deutschen Vorzeigebranche hoch. Nicht zuletzt, weil Fachkräfte im rohstoffarmen Deutsch-land teuer sind, antworten Unternehmen auf die Heraus-forderung mit einer zunehmenden Automatisierung ihrer Produktion. Doch Kenntnisse in Industrie 4.0 und anderen modernen Produktionsprozessen sind nicht überall in den Unternehmen vorhanden. Ein Aufbau dieser Strukturen mit eigenen Mitteln würde Jahre dauern, das Risiko, dann den Anschluss zu verlieren, wäre extrem hoch. Eine ideal-typische Ausgangssituation für einen Interim Manager. Der Experte kann mit seinen Fähigkeiten und seinem Netzwerk die Produktion schnell auf das zeitgemäße Niveau umstellen.

Notwendige Entscheidungsbefugnisse und FührungserfahrungIn diesem Beispiel bleibend: Bevor der Maschinenbauer jedoch einen Interim Manager anheuert, sollten sich die Verantwortlichen bewusst sein, wofür diese Profession steht. Der externe Manager braucht zwingend die notwen-digen Befugnisse, um ins operative Tagesgeschäft eingreifen und Durchführungsverantwortung übernehmen zu können. Konkret muss der Interim Manager für die Umsetzung eines erfolgskritischen Projekts Menschen, Daten und Ressourcen in Anspruch nehmen können.

Schließlich sollte er in einer zeitlich begrenzten Phase - üblicherweise sind die Manager auf Zeit durchschnittlich neun Monate bei dem Unternehmen – ein herausforderndes Problem des Kunden lösen oder mindestens ein Programm zur Ergebnis- oder Wachstumsverbesserung initiieren. Da-für bringt der Interim Manager die notwendige Führungs-erfahrung mit, die er vorher in vergleichbaren Situationen gesammelt hat – und über die das bestehende Management entweder gar nicht oder nicht in ausreichendem Maße im laufenden Betrieb verfügt.

Notwendigerweise muss die Unternehmensführung von dem Projekt vollends überzeugt sein, überdies muss sie den Neuen in mögliche Konfliktfelder einweihen und problematische Teamkonstellationen im Unternehmen nennen. „Die Unternehmensspitze muss die Veränderung von oben anstoßen und dann zügig und überzeugend die unteren Hierarchien miteinbeziehen, damit die Mission zum Erfolg wird. Andernfalls sind Konflikte vorprogram-miert“, weiß Hackstein aufgrund der Vielzahl der Mandate, die er begleitet hat. Die Einbindung der entscheidenden

Interessensgruppen ist ebenfalls vonnöten, damit der In-terim Manager reüssiert. Weil der Interim Manager kein persönliches Interesse hat und keine Karriere im Unter-nehmen gewollt ist, kann er viel deutlicher den Finger in die Wunde legen, aufzeigen, wo falsch gelebte Prozesse verändert werden müssen.

Höchste Methodenkompetenz und belastbares NetzwerkNicht zuletzt sollten sich Unternehmen darüber im Klaren sein, dass nicht nur der Einsatz eines Interim Managers Geld kostet, sondern auch dessen Lösungsvorschläge meistens Investitionen nach sich ziehen. Wenn es beispielsweise in der Logistikkette ein Verzögerungsproblem gibt, dann werden aus der Analyse Handlungsfelder und Maßnahmen abgelei-tet. Wie erfahrene Interim Manager wissen, gibt es meis-tens nicht einen einzelnen Grund für die schlechte Perfor-mance, sondern viele Ursachen. Die müssen zunächst adressiert und dann nachhaltig gelöst werden. Dies kann ebenfalls mit Investitionen verbunden sein.

Sascha Hackstein zufolge ist ein Interim Manager idea-lerweise jemand, der höchste Methodenkompetenz mit-bringt, nicht nur aus einer profunden Erfahrung heraus agiert, sondern zukunftsorientiert denkt und handelt und sich ständig mit neuen Technologien beschäftigt. „Damit grenzt sich der Interim Manager auch von den Beratern ab“, sagt Hackstein. „Die Herausforderung, der er sich stellen soll, darf ihm nicht neu sein. Er muss für deren Lösung Kommunikationsstärke, eine hohe fachliche Expertise und idealerweise Branchenkenntnis mitbringen – sowie ein breites und belastbares Netzwerk, das ihn bei Bedarf un-terstützen kann“, so der Experte.

INTERIM MANAGEMENT VON ODGERS BERNDTSON

Sascha Hackstein ist Gründer und Geschäftsfüh-rer von Berndtson Interim. Er ist seit vielen Jahren erfolgreich im Interim Management für mittelständische Unternehmen und internationale Konzerne tätig, verfügt über ein ausge-zeichnetes Netzwerk und einen breiten Branchenhintergrund, der sich vom Maschinen- und Anlagenbau über den techni-schen Handel bis zu Private Equity erstreckt.

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IMPRESSUM positionen 19/20EVENTS positionen 19/20

INNOVATION WALK MIT DER LEADERSHIPGARAGE

CEO x1DAY

„Die Digitalisierung führt zum Erfolg, wenn sie mit einer Digital Culture in den Unternehmen kombiniert wird“, so Dr. Sabine Remdisch, Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg und Gründerin der Leadership-Garage, auf dem diesjährigen „Innovation Walk“. Rund 130 Gäste hatten sich zur gemeinsamen Veranstaltung von Odgers Berndtson und der LeadershipGarage in der Klassikstadt Frankfurt eingefunden, um sich zum Thema Digital Culture auszutauschen. Acht Großunternehmen, u. a. Airbus, AOK, Audi, DB, E.ON und IBM, sowie acht Mittelständler berich-teten über ihre Erfahrungen in der Umsetzung laufender Projekte. Fazit der Runde: Für den nachhaltigen Erfolg von Digitalisierungsprojekten sind viele kleine Schritte notwendig.

Odgers Berndtson hat in diesem Jahr erneut seine Nachwuchsaktion CEOx1Day durchgeführt. Die Aktion findet derzeit in 12 Ländern statt und richtet sich an Bachelor- und Masterstudenten, die ihr Führungsta-lent unter Beweis stellen wollen. Bisher haben an dem Wettbewerb rund 17.000 Studenten und mehrere 100 CEOs weltweit teilgenommen. Die Sieger des umfangreichen Selektionsprozesses erhalten die Gelegenheit, CEOs renommierter Unternehmen und Organisationen für einen Tag über die Schulter zu schauen und dabei einen Einblick in die Aufgaben und Herausforderungen erfolgreicher Top-Führungskräfte zu erhalten. Gleichzeitig bietet die Aktion amtierenden CEOs die Möglichkeit, Kon-takt zu jungen Managementtalenten aufzubauen und deren Motivation und Karrieretreiber besser zu verstehen.

IMPRESSUM

Herausgeber:ODGERS BERNDTSONUnternehmensberatung GmbHTaunusTurmTaunustor 160310 Frankfurt

Verantwortlich:Klaus Hansen (V. i. S. d. P.)

Redaktion:Kathrin Lochmüller, eyetoeye PR Consulting & CommunicationIna Lockhart, Martin Scheele

Realisation:Group of Peers und TYPODROM, Frankfurt

Creative Direction:Stefan Nigratschka

Fotos und Illustrationen: Nick Dave (S. 1, 18–22)Frank Blümler (S. 6–10, 12–15, 25, 37, 40–41, 43, 45)Hans Zippert (S. 10)iStockphoto, behindlens (S. 11)Adobe Stock, Tim David Collection (S. 16–17)Felix Peschko (S. 16–17)Jean Louis Fernandez (S. 23)Dr. Julian Kawohl (S. 24)iStockphoto, PeopleImages (S. 26)© Björn Wunderlich – bjoernwunderlich.de (im Auftrag des Beltz-Verlags) (S. 29)Kay Gropp (im Auftrag der Universität Witten/Herdecke) (S. 30)picture-alliance, Johannes Simon (S. 32)Mario Andreya (S. 35)Jack Wolfskin (S. 39)Adobe Stock, Jozef Micic (S. 41)Adobe Stock, Yuliia (S. 44)Sven Allendörfer, Sven-Oliver Funke, Enes Kucevic Photography (S. 46)

Druck:Schmidt printmedien GmbH, Ginsheim-Gustavsburg

© 2019 Odgers Berndtson

ODGERS BERNDTSON IST PARTNER VON appliedAI

Anfang Mai 2019 fand im Rahmen der Initiative appliedAI die Veranstal-tung „KI für den Mittelstand“ in München statt. Führende KI-Experten und -Anwender teilten ihr Wissen mit Vertretern kleiner und mittlerer Unternehmen. appliedAI hat sich die schnellere Integration von KI in Industrie und Gesellschaft zum Ziel gesetzt. Die Initiative ist Teil der UnternehmerTUM – Zentrum für Innovation und Gründung an der TU München. UnternehmerTUM bietet Gründern und Start-ups einen Rund-um-Service von der ersten Idee bis zum Börsengang. Ein Team aus er-fahrenen Unternehmern, Wissenschaftlern und Managern unterstützt Gründer bei der Entwicklung ihrer Produkte, Dienstleistungen und Ge-schäftsmodelle. Odgers Berndtson ist seit 2018 Partner von appliedAI und UnternehmerTUM.

GENERATIONENWECHSEL BEI ODGERS BERNDTSONDaniel Nerlich (zweiter von rechts) ist seit April 2019 neuer Geschäftsfüh-rer der Odgers Berndtson Unternehmensberatung GmbH. Gleichzeitig hat sich die deutsche Muttergesellschaft von Odgers Berndtson eine neue Unternehmens- und Managementstruktur gegeben, welche die Aktivitä-ten in den Geschäftsbereichen „Search Services“ und „Leadership Services“ bündelt. Neben den zentralen Funktionen wie Marketing, HR, Finance oder IT wird die Holding, die von den beiden ehemaligen Geschäftsführern Klaus Hansen (rechts) und Peter Herrendorf (zweiter von links) geführt wird, zukünftig den Aufbau neuer HR-Services vorantreiben. Michael Proft (links), ebenfalls bisher Geschäftsführer der Beratung, wird sich künftig auch um den Aufbau eines weiteren Geschäftsfeldes im Bereich der HR-Services kümmern. Mit diesen Maßnahmen will Odgers Berndtson in der Führung einen Generationenwechsel vollziehen und weiteres Wachstum in der Dienstleistungsbreite schaffen.

Page 25: „TANZ HAT DIE KRAFT, ALTE DENKMUSTER AUFZUBRECHEN“ · Der Tänzer und Choreograf Akram Khan spricht über seine Werke und seine Kompanie. Und darüber, wie Tanz gesellschaftliche

www.odgersberndtson.com