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VII. DER ZUSAMMENBRUCH 1. Politische und militärische Entscheidungen vom Arginusenprozeß bis zur Seeschlacht von Aigospotamoi a) Die Neuberufung des Lysandros und die Vorbereitungen für die mili- tärische Entscheidung Der strategische Erfolg, den die Athener mit der verlustreichen Schlacht bei den Arginusen für sich verbuchen konnten, war relativ gering und hielt kaum an. Zwar hatten die Spartaner und ihre Bundesgenossen fast die Hälfte ihrer Schiffe verloren 1 . Doch war es Eteonikos gelungen, Chios zu halten und dort mit den Resten der spartanischen Truppen zu überwintern 2 . Das erfolglose Friedensangebot, das die Spartaner 406 den Athenern machten, diente wohl in der Hauptsache der Auslösung von Kriegsgefangenen, nicht aber dem Eingeständnis einer entscheidenden Niederlage 3 . Nach einigen Mo- naten des Zögerns entschied sich die spartanische Seite vielmehr wieder für einen energischen Kriegskurs, indem sie auf die Aufforderung der Bündner hin - und gegen erheblichen innenpolitischen Widerstand - den erprobten und fähigen Lysandros erneut zum (de facto-) Nauarchen bestellte 4 . Hatte Kalli- kratidas durch seine verwegenen Flottenaktionen versucht, die Entscheidung gegen Athen in der Zeit seiner Nauarchie zu erzwingen, bemühte sich der wie- der mit dem Kommando betraute Lysandros nun ebenfalls darum, in der ihm gegebenen Frist die Athener definitiv zu schlagen, und zwar gerade aus der Erfahrung heraus, daß er 407 nach schon errungenen Erfolgen den Platz für seinen Nachfolger hatte frei machen müssen. Durch die straffere, teilweise durch brutale Mittel erreichte 5 Unterordnung der Bündner zog er eine riesige Flotte von zweihundert Schiffen zusammen. Der Plan des Lysandros, den Sieg 1 Xen. Hell. I 6,34: 69 Schiffe; Diod. XIII 100,3: 77 Schiffe. 2 Xen. Hell. 16,37 und II 1,1-5. 3 Vgl. o. 396-398. 4 Vgl. o. 134 f. mit einer quellenkritischen Analyse der Angaben Xenophons und Diodors. Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 134.99.128.41 Download Date | 1/3/14 4:25 PM

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VII . DER ZUSAMMENBRUCH

1. Politische und militärische Entscheidungen vom Arginusenprozeß bis zur Seeschlacht von Aigospotamoi

a) Die Neuberufung des Lysandros und die Vorbereitungen für die mili-tärische Entscheidung

Der strategische Erfolg, den die Athener mit der verlustreichen Schlacht bei den Arginusen für sich verbuchen konnten, war relativ gering und hielt kaum an. Zwar hatten die Spartaner und ihre Bundesgenossen fast die Hälfte ihrer Schiffe verloren1. Doch war es Eteonikos gelungen, Chios zu halten und dort mit den Resten der spartanischen Truppen zu überwintern2. Das erfolglose Friedensangebot, das die Spartaner 406 den Athenern machten, diente wohl in der Hauptsache der Auslösung von Kriegsgefangenen, nicht aber dem Eingeständnis einer entscheidenden Niederlage3. Nach einigen Mo-naten des Zögerns entschied sich die spartanische Seite vielmehr wieder für einen energischen Kriegskurs, indem sie auf die Aufforderung der Bündner hin - und gegen erheblichen innenpolitischen Widerstand - den erprobten und fähigen Lysandros erneut zum (de facto-) Nauarchen bestellte4. Hatte Kalli-kratidas durch seine verwegenen Flottenaktionen versucht, die Entscheidung gegen Athen in der Zeit seiner Nauarchie zu erzwingen, bemühte sich der wie-der mit dem Kommando betraute Lysandros nun ebenfalls darum, in der ihm gegebenen Frist die Athener definitiv zu schlagen, und zwar gerade aus der Erfahrung heraus, daß er 407 nach schon errungenen Erfolgen den Platz für seinen Nachfolger hatte frei machen müssen. Durch die straffere, teilweise durch brutale Mittel erreichte5 Unterordnung der Bündner zog er eine riesige Flotte von zweihundert Schiffen zusammen. Der Plan des Lysandros, den Sieg

1 Xen. Hell. I 6,34: 69 Schiffe; Diod. XIII 100,3: 77 Schiffe. 2 Xen. Hell. 16,37 und II 1,1-5. 3 Vgl. o. 396-398. 4 Vgl. o. 134 f. mit einer quellenkritischen Analyse der Angaben Xenophons und Diodors.

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Der Zusammenbruch 573

gegen das geschwächte Athen vor allem durch den Einsatz der überlegenen Ressourcen zu suchen, die Sparta zur Verfügung standen, wurde dadurch begünstigt, daß Kyros aufgrund seiner ehrgeizigen Ziele darauf angewiesen war, sich die künftige Mithilfe griechischer Söldnertruppen zu sichern, und daher Lysandros seine persönlichen Einnahmen aus Kleinasien überließ, bevor er zu seinem kranken Vater aufbrach6.

Auf athenischer Seite hatte man, solange die Untersuchungen gegen die Strategen und der anschließende Arginusenprozeß andauerten, außer Philokles und Adeimantos keine weiteren Strategen bestimmt7, obgleich das neue Amts-jahr eben erst begonnen hatte. Die knappen Angaben Xenophons über die Plünderungsaktionen der Athener im Gebiet des Großkönigs8 zeigen, daß die Strategen in den Herbstmonaten jede riskante Operation vermieden und sich auf Maßnahmen der Truppenversorgung beschränkten. In den Frühjahrsmo-naten setzte man mit Fahrten gegen Chios und Ephesos die bereits von Alki-biades unternommenen Versuche der Rückeroberung Ioniens fort9, bereitete sich aber zum Zeitpunkt der Strategenwahlen im wesentlichen auf die allseits erwartete Seeschlacht mit Lysandros vor: Ol Sè 'Αθηναίοι (...) παρβσκεν ά ζ ο ν τ ο πρός ναυμαχίαν10.

Daß mit dem erneuten Kommando des Lysandros und mit dessen Rü-stungen fur Athen wider Erwarten schnell eine bedrohliche und kritische Situ-ation eingetreten war, kann auch der stadtathenischen Politik nicht entgangen sein". Die aristophanischen „Frösche" mit ihren teils spaßhaften, teils

s Plut. Lys. 8; Diod. XIII 104,5 f. 6 Zu den Varianten im Zusammenhang mit der Bestellung des Lysandros zum Nauarchen und seiner Unterstützung durch Kyros vgl. o. 135-137. 7 Xen. Hell. I 7,1. Zu Diod. ΧΠΙ 104,1 vgl. u. 584. 8 Xen. Hell. Π 1,16. 9 Xen. Hell. Π 1,16. COLIN (1933), 13 nimmt an den Ausführungen Xenophons Anstoß. Man sehe nicht, „comment les Athéniens, partant de Samos, se rendent d'abord à Chios, puis à Ephèse, et cela pour chercher une rencontre avec Lysandre, qui est en Carie". Über-sehen wird hier, daß Xenophon nicht über ein Itinerar berichtet, sondern über wiederholte Attacken, die von Samos aus gegen das Gebiet des Großkönigs und wichtige feindliche Stützpunkte versucht wurden. 10 Xen. Hell. Π 1,16. 11 Zur bedrohlichen Lage vgl. vor allem die plastische Darstellung bei Aristoph. Ran. 704: τήν ττόλιι/ και ταΟτ ' Ιχοι/τες κυμάτων έν άγκάλαις. Hier ist die existentielle

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574 Innenpolitik und Kriegführung

ernsthaften Überlegungen zur Seekriegfuhrung12 reflektieren genau die erregte Diskussion, die Anfang 405 im Zusammenhang mit der bevorstehenden großen Entscheidung ausgetragen wurde. Euripides schlägt im Agon mit Aischylos merkwürdige Wunderwaffen fiir den Seekrieg vor: Kleokritos soll, von dem federleichten Kinesias beflügelt, schwebend die Feinde als Kriegsflugzeug bekämpfen, indem er sie durch das Verspritzen von Essig kampfunfähig macht". Der eher vage Gegenvorschlag des Aischylos spiegelt gegenüber diesem lächerlichen Projekt dagegen eine Konzeption wieder, von der sich konservative Kreise bereits 411 die Rettung erhofft hatten und die mit der um 405 herrschenden Extremsituation wieder aktuell wurde. Man solle al-le Ressourcen auf die Seekriegsfuhrung konzentrieren, dabei das Feindesland in Kleinasien und der Ägäis heimsuchen und auf Verteidigungsmaßnahmen gegen die in Dekeleia sitzenden Feinde verzichten14. Tatsächlich wurde bereits

Not des Staatsschiffs gemeint, vgl. zum Zitat aus Archilochos fr. 2 1 3 C . K U G E L M E I E R ,

Reflexe früher und zeitgenössischer Lyrik in der Alten attischen Komödie, Stuttgart-Leipzig 1 9 9 6 , 9 6 f. M O O R T O N ( 1 9 8 8 ) , 3 5 5 interpretiert den Vers dahingehend, daß Athen keine strategischen Reserven mehr hatte und nun all seine Hoffnung auf die Flotte setzen mußte. S A L V I A T ( 1 9 8 9 ) 1 8 0 legt zumindest nahe, daß der Hinweis auf die bedrohliche Lage erst zur Situation Athens bei der zweiten Auffuhrung der Frösche, also erst nach Aigospotamoi, paßt. Festzuhalten ist aber, daß der Vers zur Parabase gehörte, derentwegen das Stück ein zweites Mal aufgeführt wurde, und dementsprechend nur auf die Situation zu Beginn des Jahres 405 verweisen kann. 12 Aristoph. Ran. 1 4 3 7 - 1 4 4 1 ; 1 4 5 1 - 1 4 5 3 ; 1 4 6 3 - 1 4 6 5 . Vgl. U . V. W L L A M O W I T Z , Zu Aristophanes Fröschen [ 1 9 2 9 ] , in: H. J. N E W I G E R , Aristophanes und die Alte Komödie, Darmstadt 1 9 7 5 , 3 6 1 , Anm. 7 . Als späte Zudichtungen verwirft R A D E R M A C H E R

( 1 9 2 1 / 1 9 5 4 ) , 3 4 4 - 3 4 6 die Verse 1 4 6 0 - 1 4 6 6 . Für die Echtheit aller Verse dagegen D. M. M A C D O W E L L , Aristophanes Frogs 1 4 0 7 - 6 7 [ 1 9 5 9 ] , in: N E W I G E R , 3 6 4 - 3 7 5 , bes. 3 6 7 f. und bereits H. D Ö R R I E , Aristophanes Frösche ( 1 4 3 3 - 1 4 6 7 ) , Hermes 8 4 , 1 9 5 6 , 2 9 6 - 3 1 9 . H. J. N E W I G E R , Zum Text der „Frösche" des Aristophanes, Hermes 1 1 3 , 1 9 8 5 , 4 3 2 - 4 4 8 , bes. 4 4 2

hält die Verse 1 4 6 3 - 1 4 6 6 für unecht. Einige Brüche erklären sich daraus, daß die Komödie ein Jahr später wiederaufgeführt wurde und Teile aus der ursprünglichen Fassung neben der aktualisierten Fassung stehen geblieben sind, vgl. die folgende Anm. 13 Aristoph. 1 4 3 7 - 1 4 4 1 . Zur Deutung vgl. R A D E R M A C H E R ( 1 9 2 1 / 1 9 5 4 ) , 3 4 3 . Die Verse gehören zur ersten, 4 0 5 aufgeführten Version, vgl. S O M M E R S T E I N ( 1 9 9 3 ) , 4 6 9 - 4 7 5 ; H . G .

N E S S E L R A T H , G G A 2 4 6 , 1 9 9 6 , 4 0 ; S O M M E R S T E I N ( 1 9 9 6 ) , 2 8 6 . 14 Aristoph. Ran. 1 4 6 3 - 1 4 6 5 . Um eine bloße Wiederauflage der perikleischen Ratschläge zur Kriegführung geht es kaum, anders A. W. GOMME, Aristophanes and Politics [ 1 9 3 8 ] , in DERS. , More Essays in Greek History and Littérature, Oxford 1 9 5 2 , 7 7 f. (der die Stelle für obskur und ohne Bedeutung hält); G A R L A N ( 1 9 7 4 ) , 6 5 ; M O O R T O N ( 1 9 8 8 ) , 3 5 7 f. („the principles of Athenian power had not changed in twenty-six years") und D O V E R ( 1 9 9 3 ) , 7 5

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Der Zusammenbruch 575

im Winter 406/405 ein Kurs äußerster finanzieller Restriktion gefahren, bei

dem zumindest auch über Einsparungen im Festwesen diskutiert wurde und

bei dem einige Ausgaben durch die Prägung von Notgeld aus Bronze

bestritten wurden15. Auch die von Kallikrates beantragte Einstellung der

Diobeliezahlungen dürfte in diesen Zeitraum zu datieren sein16.

In der Volksversammlung wurde vor allem lebhaft darüber diskutiert,

wie in Zukunft (nach der bevorstehenden letzten Kraftanstrengung gegen

Sparta) verhindert werden sollte, daß die Feinde durch die Rekrutierung

immer neuer Flotten die Seesiege Athens um die gewünschte kriegsentschei-

dende Wirkung bringen konnten. Jedenfalls wird eine solche Diskussion durch

das brutale Psephisma dokumentiert, im Falle eines Seesiegs den gefangenen

mit Anm. 19. Diese Interpretation wird bereits von Schol. Aristoph. Ran. 1463 vertreten, indem betont wird, daß Aischylos την Περικλέους γνώμην λέγει. Zutreffender scheint aber die Interpretation der Passage durch A. SOMMERSTEIN, Frogs 1463-5, CQ 24, 1974, 24, der die ad hoc-Erklärung des Scholions zurückweist und den Ratschlag des Aischylos aus den aktuellen Gegebenheiten des Dekeleischen Kriegs interpretiert: „All the financial resources (πόρος) which the πορισταί (1505) were scraping together should be considered no better than ressourcelessness (άπορία); the only resource that counted was the fleet." Mit dieser Flotte gelte es den Ägäisraum um jeden Preis unter die Kontrolle Athens zu bringen, wobei mit dem Feindesland insbesondere die kleinasiatische Küste gemeint sei. SOMMERSTEIN verweist zu Recht auf Xen. Hell. Π 1,18: ή γαρ ' Ασία (nämlich die Küste) πολέμια αύτοις ήν. Diod. XIII 100,6 ist dagegen gegen SOMMERSTEIN wohl auszu-klammern, vgl. nämlich zur fragwürdigen Historizität o. 544. HEATH (1987), 20 mit Anm. 36 lehnt die Interpretation SOMMERSTErNs ab. Ein Unterschied in der Qualität der Rat-schläge des Aischylos und des Euripides sei nicht festzustellen, da die Empfehlung des Euripides (1446-1450) der ernst gemeinten Empfehlung in der Parabase (718-737) ent-spreche, umgekehrt aber der Ratschlag des Aischylos anachronistisch oder zumindest banal sei. Dem kann angesichts der Tatsache, daß der Ratschlag des Aischylos nur vor dem Hintergrund der auch sonst dokumentierten extremen Finanzierungsnöte nach der Schlacht bei den Arginusen zu verstehen ist, nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. 15 Gegen Kürzungen bei den Ausgaben für die Komödiendichter wehrt sich Aristoph. Ran. 367 f. scherzhaft, vgl. dazu auch SARTOR] (1983) mit einer Diskussion über die Scholien-Notizen, in denen Agyrrhios die Initiative zugewiesen wird. Zu den Bronze-prägungen vgl. Aristoph. Ran. 724 f. Datiert wird die Prägung von Bronzemünzen in der atthidographischen Literatur in das Archontatsjahr des Kallias, vgl. Philochoros FGrHist 328 F 141 b, während die Notausprägung von Goldmünzen bereits zuvor ein Jahr im Archontat des Antigenes erfolgt. Zur Erklärung vgl. W. E. THOMPSON, The Functions of the Emergency Coinage of the Peloponnesian War, Mnemosyne 19, 1966, 337-343; A. GlOVANNINI, Athenian Currency in the Late Fifth and Early Fourth Century B.C., GRBS 16, 1975, 189 f. 16 Vgl. o. 417 f.

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Matrosen der Gegenseite die rechte Hand abzuhauen17. Da Xenophon dieses Psephisma nur in einer Rückblende im Zusammenhang mit den Massenhin-richtungen durch Lysandros erwähnt, ist dessen genaue Datierung zwar schwierig. Doch wegen der Hinweise auf die zu erwartende Seeschlacht muß wohl am ehesten an eine Verbindung mit den Strategenwahlen im Frühjahr 405 gedacht werden, die unter dem Eindruck der Ankunft des Lysandros und der bevorstehenden Entscheidung stattfanden18. Auf diesen Zeitpunkt scheint auch der Umstand hinzuweisen, daß Adeimantos während des Beschlusses in Athen anwesend war und sich gegen ihn ausgesprochen haben soll19. Von den drei im Herbst 406 mit der Fortführung des Krieges betrauten Strategen war nämlich Adeimantos zunächst in Athen verblieben, während nur Philokles zu Konon nach Samos fuhr20. Dies erklärt zumindest teilweise, warum die Diodor vorliegende Tradition überhaupt nur über die - angeblich erst nach dem Strategenprozeß erfolgte - Zuwahl des Philokles und über sein gemeinsames Kommando mit Konon berichtet, die Erhebung des Adeimantos dagegen ganz ignoriert21. Die Anwesenheit des Adeimantos in Athen zu Beginn des Jahres 405 liefert vor allem auch eine Begründung dafür, warum er als einziger Stratege in den zu diesem Zeitpunkt aufgeführten „Fröschen" des Aristo-phanes kräftig attackiert wird22.

17 Xen. Hell. II 1,31. Nach DUCREY (1968), 67 ging es dabei darum, die Abwerbung von Rudermannschaften durch den finanzstärkeren Lysandros zu stoppen. 18 Xen. Hell. Π 1, 31: el κρατήσειαν τη ναυμαχίςι. 19 Xen. Hell. II 1,32. Daß Adeimantos „allein" gegen diesen Volksbeschluß gesprochen haben soll, bedeutet, daß Xenophon auf die Profilierung gegenüber den übrigen von Lysandros hingerichteten Strategen hinweisen will, ist dagegen wohl nicht Indiz für eine völlig isolierte Position innerhalb der Volksversammlung. 20 Andere Interpretation bei BUSOLT (1904), 1616: Adeimantos soll sich nach Athen zu-rückbegeben haben. 21 Auf dieses Problem ist unten ausführlich einzugehen, vgl. 580-586. 22 Vgl. Aristoph. Ran. 1511-1513. Adeimantos wird dabei als Politiker dem Kleophon und den übrigen Demagogen an die Seite gestellt. SALVIAT (1989), 173-175 erklärt die Verfluchung des Adeimantos in V. 1512 f. damit, daß zum Zeitpunkt, an dem diese Passage entstanden sei, die Schlacht von Aigospotamoi (mit dem angeblichen Verrat des Adeiman-tos, vgl. Lys. XIV 38; Xen. Hell. II 1,32) bereits geschlagen worden sein soll, ähnlich DO-VER (1993), 76. Die Passage dürfte nach diesem Erklärungsansatz erst für die Zweitauffüh-rung der Frösche hinzugefügt worden sein

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Der Zusammenbrach 577

Zu der hier vorgeschlagenen Rekonstruktion der Umstände, unter denen der Volksbeschluß im Frühjahr 405 gefaßt wurde, scheint nicht zu passen, daß nach Plutarch Philokles selbst den Volksbeschluß, den ge-fangenen Soldaten die Hand abzuhauen, beantragt haben soll23. Die Version Plutarchs wird allerdings schon durch die unsinnige Variante disqualifiziert, den Kriegsgefangenen habe der rechte Daumen abgeschlagen werden sollen, damit sie zwar ein Ruder ziehen, aber keinen Speer mehr werfen könnten24. Aus der Darstellung Xenophons wird dagegen deutlich, daß in dem von Lysandros veranstalteten Schauprozeß dem Philokles ausschließlich die kollektive Hinrichtung der Mannschaften einer korinthischen und einer andrischen Triere zum Vorwurf gemacht wurde25. Zweifelsohne verrät diese Maßnahme den gleichen Geist wie der Volksbeschluß zur Behandlung von Kriegsgefangenen, und es erscheint wahrscheinlich, daß Philokles - vielleicht durch an die Volksversammlung geschickte Bulletins, in denen auf die Not-wendigkeit einer Hinrichtung der Kriegsgefangenen hingewiesen wurde - den Volksbeschluß mit inspiriert hat26. Er ist aber wohl in Abwesenheit des Philokles gefaßt worden27.

25 Plut. Lys. 9,7 und 13,1. 24 Plut. Lys. 9,7. Unzutreffend MEYER, GdA, 356: „Zugleich aber verfügte die Volksver-sammlung, nach dem Siege allen Gefangenen den rechten Daumen abzuhauen, damit sie nicht mehr als Ruderer zu brauchen seien." Cie. de off. ΙΠ 11,46 berichtet von einer solchen Maßnahme, in der das Abschlagen des Daumens gerade für den Ruderdienst disqualifiziert, in einem anderen historischen Zusammenhang: durius etiam Athenienses, qui seiverunt, ut Aeginetis, qui classe valebant, pollices praeciderentur. hoc visum est utile, nimis enim imminebat propter propinquitatem Aegina Piraeo. Vgl. auch Aelian h. v. II 9; Val. Max. 9,2 ext. 2. Das Abhacken der Hände (nicht der Daumen!) von Ruderern begegnet im Seekrieg zwischen Agathokles und den Karthagem, vgl. Diod. XIX 103,5 und 104,4. 25 Xen. Hell. Π 1,31. 2Í Nicht zugestimmt werden kann m. E. dem Urteil von SMARCZYK (1986), 37, die Ermordung der Besatzung einer andrischen Triere sei lediglich Ausdruck der rückwärts-orientierten Politik des „exzentrischen Strategen" Philokles, der „mit seiner Befürwortung einer Terrorpolitik gegenüber den Kriegsgegnern Athens" wie „ein Relikt aus kleonischer Zeit" erscheine. Demgegenüber kann man daraufhinweisen, daß die - filr den Dekeleischen Krieg keineswegs atypische - Terrorpolitik von einer breiten Mehrheit in der Ekldesia getragen wurde, die um jeden Preis die Entscheidung forcieren wollte. 27 Irreführend P. TREVES, RE XIX (1938), 2486 f., der vom „Vorschlag des Philokles", die „rechte Hand, nach einer anderen Überlieferung den rechten Daumen abzuschlagen", spricht. TREVES diskutiert nicht, daß der Vorschlag bei Xenophon gar nicht dem Philokles

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Was die Vorlage Diodors über das Jahr 405 berichtet hat, läßt im Un-terschied zu Xenophon kaum etwas von der extremen Situation erkennen, in der sich Athen in dieser Zeit befand. Ob in dieser Tradition überhaupt die mit der Krisenstimmung verbundene Brutalisierung der Kriegführung behandelt wurde, ist ungewiß. Jedenfalls scheint in der Grundquelle Diodors der Schau-prozeß von Lampsakos, den Lysandros gegen die attischen Strategen wegen ihrer Verantwortung für die Brutalisierung der Kriegführung inszenierte, nur eine summarische Behandlung gefunden zu haben21. Bei den Parallelzeugen (Plutarch und Cornelius Nepos) sind ebenfalls keine Hinweise darauf zu ent-decken, daß in der im vierten Jahrhundert geformten Alternativtradition zu Xenophon die in diesem Prozeß erläuterten Vorwürfe behandelt worden sind. Gewiß bietet Plutarch einen langen, Xenophon variierenden und aus-schmückenden Bericht über das heroische Verhalten des Philokles und seine geistvolle Antwort auf die Vorwürfe des Lysandros, und man hat vermutet, daß Plutarch diesen Bericht den von ihm ständig benutzten Hellenika Theopomps entnommen habe. Denn Plutarch bzw. die Manuskripttradition gibt hier als Gewährsmann den Theophrast an, der auch sonst mit Theopomp verwechselt wird29. Den überlieferten Namen des Gewährsmanns Plutarchs zu korrigieren ist aber nicht notwendig, da Plutarch den Theophrast wiederholt als historisch interessierten Philosophen rühmt30. Das ethische Oeuvre Theophrasts muß zahlreiche historische Anekdoten enthalten haben, in denen etwa der Grundsatz, daß ein Stratege würdig zu sterben habe, illustriert

zugeschrieben wird. Unzutreffend auch F. KLECHLE, Zur Humanität in der Kriegführung der griechischen Staaten, Historia 7, 1958, 141. 28 Vgl. u. 581-583. 29 LEHMANN (1984), 43 zu Plut. Lys. 13,1 f. Daß in der Lysandros-Biographie Theopomp statt Theophrast zu lesen ist, hat bereits P. TREVES, RE XIX (1938), 2488 erwogen, vgl. auch LOTZE (1964), 36, Anm. 3. Zur durchaus häufigen Verwechslung von Theopomp und Theophrast vgl. die von LEHMANN, 43 angeführten Passagen. 30 Vgl. Plut. Alcib. 10,4: άνδρΐ φιληκόω καΐ Ιστορικω τταρ ' όντινοϋν των φιλο-σόφων. Auf Theophrast geht wahrscheinlich auch die Anekdote in Plut. Lys. 25,5 zurück, für die Plutarch einen άνήρ Ιστορικός καΐ φιλόσοφος als Gewährsmann nennt, vgl. die Budéausgabe von FLACELIÈRE- CHAMBRY (1971), 162.

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Der Zusammenbruch 579

wurde". Offenkundig hat Theophrast dabei mitunter das von Xenophon gebotene Material benutzt und ausgeschmückt32.

Hinzu kommt, daß die von Plutarch gebotene und aus Theophrast ge-schöpfte Philokles-Anekdote sich in vielen Punkten von der bei Diodor ent-haltenen Alternativtradition zu Xenophon unterscheidet. Denn bei Plutarch wird die Ausgangssituation völlig parallel mit Xenophon dargestellt, indem Lysandros zunächst in einer Versammlung der Bundesgenossen die Entscheidung fallt, alle attischen Gefangenen - Xenophon bietet keine Zahl, bei Plutarch ist von 3000 die Rede - hinrichten zu lassen33. Dann wird Philo-kles als erster noch einmal gefragt, welches Los er sich selbst zuerkennt, worauf dieser nach seiner stolzen Antwort allen seinen Mitbürgern in den Tod vorausgeht. Bei Diodor ist aber von gefangenen Athenern überhaupt keine Rede. Vielmehr wird - bewußt im Gegensatz zu Xen. Hell. II 1,28 - berichtet, den meisten Athenern sei die Flucht nach Sestos gelungen34. Dement-sprechend weiß Diodor auch nichts von einer kollektiven Hinrichtung der Athener, denen Philokles vorangeschritten sein soll. Nun könnte dies daran liegen, daß Diodor seine Quellenvorlage gekürzt hat. Aber zu erwägen ist auch die Alternative, daß bereits die Vorlage den ihr aus Xenophon bekannten Bericht über den Prozeß in Lampsakos bewußt auf das äußerste beschränkt und partiell entstellt hat. Dafür sprechen vor allem tiefgreifende Manipu-lationen im Zusammenhang mit dem Kommando des Philokles, die an anderer Stelle zu diskutieren sind.

31 Vgl. W. W. FORTENBAUGH U. a., Theophrastus of Eresus. Sources for his life, writings, thought and influence. Π. Leiden u. a. 1992, 467, Nr. 622 und 623 (unsere Anekdote). 32 Man wird nicht einmal ausschließen können, daß auch die schlagfertige Antwort des Philokles bei Xenophon enthalten war, vgl. nämlich zum Paris, gr. 1642 P. TREVES, RE XIX (1938), 2488. Die Angaben über die Stellung des Philokles als (einzigen) „Strategen der Athener" verdankt Plutarch nicht Theophrast, sondern einer anderen Quelle, vgl. 583. 33 Xen. Hell. II 1,32: έδοξεν άποκτειναι των αιχμαλώτων δσοι ήσαν'Αθηναίοι. 34 Diod. ΧΠΙ 106,6: των Sè στρατιωτών ol πλείστοι μέν κατά γην φυγόντες εις Σηστόν διεσώθησαν. Anders (aber wieder mit wörtlichen Parallelen) Xen. Hell. Π 1,28: toùc Sè πλείστους άνδρας έν ττί yñ συνελεζεν (nämlich Lysandros). Ein kleinerer Teil rettet sich είς τα τειχύδρια. Die Flucht nach Sestos ist von der Diodorquelle viel-leicht aus dem von Alkibiades erteilten Ratschlag, sich nach Sestos zurückzuziehen (Xen. Hell. Π 1,25), gesponnen.

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580 Innenpolitik und Kriegführung

Wurde der große Prozeß von Lampsakos in der Darstellung der Grund-quelle Diodors summarisch abgehandelt, kann man mit guten Gründen ver-muten, daß die Ausnahmebedingungen, unter denen die letzte Kampagne des Dekeleischen Kriegs stattfand, dort eher verschleiert wurden35 und die Kam-pagne von 405 insgesamt einem „Normalniveau" kriegerischer Auseinander-setzungen angenähert wurde. Das gilt auch fur die Darstellung der massiven Rüstungsmaßnahmen, durch die es den Athenern gelang, eine dem Aufgebot des Lysandros kaum unterlegene Flotte von 180 Schiffen zusammenzustellen, und die bezeugen, wie ernst man in Athen die bevorstehende Herausforderung nahm. Diese Maßnahmen sind in der Quellenvorlage Diodors, die das von Xenophon gebotene Zahlenmaterial kannte, offenkundig durch Manipu-lationen der Nachrichten Xenophons entdramatisiert worden36.

b) Das athenische Kommando für die Kampagne von 405 bei Xenophon und in der Alternativtradition

Zur Frage, welche Maßnahmen die Athener für den bevorstehenden Kampf gegen Lysandros trafen, gehört auch die Disposition des Flottenkom-mandos. Hier bieten Xenophon und die Alternativtradition abweichende An-gaben. Nach Xenophon wurde die athenische Kernflotte ab dem Beginn der Kampagne von 405 durch sechs gleichberechtigte Strategen kommandiert, die auch namentlich genannt werden37. Komplizierter scheint die Kommando-struktur bei Diodor. Es werden zwar die των 'Αθηναίων στρατηγοί er"

35 Selbst die verharmlosende Version über den Volksbeschluß zur Behandlung der Kriegsgefangenen bei Plut. Lys. 9,7 geht wohl eher auf Theophrast zurück. 36 Bei Diod. XIII 104,1 f. haben die Athener zunächst 173 Schiffe, von denen 20 in Samos zurückbleiben. Damit fahren die Athener mit nur 153 Schiffen in den Hellespont. In Diod. XIII 105,1 sind es dann 180 Schiffe (also die gleiche Zahl wie bei Xen. Hell. II 1,20; Plut. Lys. 9), aber erst, nachdem auf die Nachricht von der Belagerung von Lampsakos zusätzliche Verstärkungen herbeigeholt worden sind. Bei Xen. Hell. II 1,20 fahren die Athener dagegen schon mit 180 Schiffen in den Hellespont ein, haben also bereits massiv gerüstet, bevor sie vom Fall von Lampsakos erfahren. Auf Aufrüstungen verweist bereits die korrupte Stelle bei Xen. Hell. II 1,12, vgl. zur Deutung BREITENBACH (1884), 168.

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Der Zusammenbruch 581

wähnt3'. Durch namentliche Nennung hervorgehoben werden jedoch nur Philokles und Konon. Möglicherweise sind sie allein mit den των ' Αθηναίων στρατηγοί zu identifizieren". Auf jeden Fall haben sie innerhalb des Strate-genkollegiums eine übergeordnete Position40. Ferner gibt es bei Diodor kein gemeinsames Kommando, sondern die Strategen - anscheinend nur Philokles und Konon - wechseln sich täglich ab, so daß Philokles am Tag, an dem die Schlacht von Aigospotamoi geschlagen wird, das Oberkommando innehat41.

Bevor man - wie dies öfter geschieht - hier die Angaben Diodors mit denjenigen Xenophons harmonisiert, indem man etwa davon ausgeht, die sechs Strategen seien zwar gleichrangig gewesen, hätten sich aber täglich im Oberbefehl abgewechselt42, ist zu prüfen, ob die Erzählung Diodors auf eine gegenüber Xenophon unabhängige und authentische Quelle zurückgeht. Uns scheint auch hier wieder eine Manipulation der xenophontischen Vorlage nachweisbar.

Bei Xenophon nimmt nämlich Philokles durchaus eine prominente Stellung ein, allerdings nicht im athenischen Flottenkommando, sondern im Schauprozeß von Lampsakos. Philokles hatte während seiner Strategie die Be-satzung einer korinthischen und andrischen Triere über Bord werfen lassen und wurde deshalb im Prozeß als erster von Lysandros gefragt, „welche Strafe er dafür verdiente, mit gesetzeswidrigen Handlungen gegen Hellenen den Anfang gemacht zu haben"43. Nun fallen gerade für die Angaben über das Ende des Philokles Gemeinsamkeiten mit Diodor auf. Xenophon berichtet in Hell. II 1,30 zunächst: „Lysandros führte die Schiffe, die Gefangenen und alles übrige nach Lampsakos weg (τάς τε ναϋς και τους αιχμαλώτους καΐ τάλλα πάντα elç Λάμψακον απήγαγε ν). Er nahm auch die Strategen, unter anderem Philokles und Adeimantos, gefangen." Dem läßt Xenophon

37 Xen. Hell. Π 1,16 und 26. Es sind Konon, Adeimantos, Philokles, Menander, Tydeus und Kephisodotos. 38 Diod.XHI 105,1 und 4. 39 Dieser Verdacht liegt deshalb nahe, weil Philokles in der Schlacht von Aigospotamoi nur τοις άλλοις τριηράρχοις Anweisungen erteilt. 40 Diod. ΧΠΙ 104,2: ήγουμένου Κόνωνος καΐ Φιλοκλέους. 41 Diod. ΧΠΙ 106,1: Φιλοκλής έκείνην τήν ήμέραν άφηγούμενος. 42 KAGAN (1987), 388. Vgl. auch BARBIERI (1955), 68; STRAUSS (1983), 29, Anm. 19.

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längere Ausführungen über den Prozeß in Lampsakos, über den Beschluß, alle kriegsgefangenen Athener hinzurichten, und über die Rolle des von Diodor ignorierten Adeimantos folgen. In einem Nachsatz erwähnt Xenophon schließlich, Lysandros habe nach der Befragung den Philokles hinrichten lassen (άπέσφαξεν). Bei Diodor heißt es zur Gefangennahme und Hinrichtung: „Lysandros übernahm und erbeutete die übrigen Schiffe (τάς Χοιπάς ναΰς παραλαβών αΙχμαλώτους), nahm den Strategen Philokles gefangen, führte ihn nach Lampsakos weg (άπαγαγών el ς Λάμψακον) und ließ ihn hinrichten (άπέσφάξεv)'M\

Trotz der Ähnlichkeiten zwischen Xenophon und Diodor ist eine be-wußte Akzentverschiebung festzustellen. Statt von einer kollektiven Hinrichtung der Athener nach einem Kriegsverbrecherprozeß wird bei Diodor ausschließlich von der Gefangennahme und Hinrichtung allein des Strategen Philokles berichtet45, während die meisten Athener entkommen sein sollen46. Dagegen werden bei Xenophon alle athenischen Strategen zusammen mit zahlreichen Athenern gefangen und mit Ausnahme des Adeimantos auch hingerichtet. Den Unterschied könnte man damit erklären, daß Diodor hier die Angaben Xenophons bei rascher Lektüre mißverstanden hat. Gegen diese Erklärung spricht aber, daß auch im übrigen Bericht Diodors vom herausgehobenen Kommando des Philokles ausgegangen wird und dies genau

43 Xen. Hell. II 1,32. 44 Diod. XIII 106,7. Die offenkundige Verwandtschaft der Ausführungen Xenophons und Diodors wird weiter dadurch erwiesen, daß im unmittelbaren Zusammenhang Xenophon und Diodor partiell wieder mit wörtlichen Übereinstimmungen darüber berichten, Lysandros habe durch die Entsendung einer schnellen Triere die Behörden in Sparta vom Sieg in Aigospotamoi benachrichtigt, vgl. Xen. Hell. II 1,30: είς Λακεδαίμονα άπαγγελοϋντα τά γεγονότα; Diod. XIII 106,7: είς Λακεδαίμονα τους τήν νίκην άπαγγελουντας. Während Xenophon allerdings präzise angibt, der Pirat Theopompos sei nach Sparta gefahren, ersetzt die Vorlage Diodors dieses Detail durch allgemeinere Ausfüh-rungen: Lysandros habe die Boten auf der schnellsten Triere, die mit den wertvollsten Waffen und Beutestücken geschmückt worden sei, nach Sparta geschickt, vgl. Diod. XIII 106,7. ACCAME (1938), 412 hält die πολυτελέστατα δττλα für ein Versatzstück des Ephoros, vgl. nämlich die vergoldeten Waffen bei Diod. XIII 68,3. Der adverbiale Superlativ πολυτελέστατα begegnet bei Hell. Oxy. 20,5. Doch läßt sich daraus nicht viel gewinnen. 45 Diod. XIII 106,7: Φιλοκλέα τόν στρατηγών. 44 Vgl. o. 579.

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Der Zusammenbrach 583

mit der Erzählung übereinstimmt, daß Lysandros angeblich allein Philokles gefangennimmt und hinrichten läßt.

Mit seinen Angaben über das Einzelkommando des Philokles steht dar-über hinaus Diodor nicht allein da. Auch einige Stellen aus der Paralleltradi-tion weisen daraufhin, daß dem Philokles bereits in der Grundquelle eine pro-minente und exklusive Rolle zugewiesen wurde, und zwar nicht nur während des Prozesses von Lampsakos. So betont Plutarch, es sei für Lysandros ein leichtes gewesen, in der Seeschlacht Φιλοκλέα τόν 'Α&ηναίων έξαπατάν δημαγωγόν, während die übrigen Strategenkollegen nicht erwähnt werden47. Bei Cornelius Nepos wird die gesamte Verantwortung für die Niederlage der Athener dem Philocles, praetor Atheniensium, zugewiesen48.

Angesichts der Beziehungen, die für den Prozeß in Lampsakos zwi-schen Diodor und Xenophon auffallen, läßt sich der Verdacht nicht von der Hand weisen, daß die herausragende Stellung des Philokles im athenischen Oberkommando von der Grundquelle Diodors bewußt aus seiner Prominenz im Prozeß gesponnen worden ist. Unmittelbarer Anknüpfungspunkt scheint dabei der Hinweis Xenophons gewesen zu sein, daß Philokles der Stratege war, der die Hinrichtung der Korinthier und Andrier angeordnet hatte und aus diesem Grund in Lampsakos an erster Stelle abgeurteilt wurde: Φιλοκλής δ ' ην στρατηγός των 'Αθηναίων, δς τούτους διέφθειρβν49. Daraus konnte dann durch eine leichte Verschiebung Philokles zu dem allein bei Aigos-potamoi kommandierenden Strategen werden.

Offen bleibt aber noch, wie die Grundquelle Diodors darauf kam, daß Konon und Philokles gemeinsam an der Spitze der Flotte standen und sich da-bei täglich im Oberkommando ablösten. Auch in diesem Punkt weist weniger auf eine authentische und unabhängige Information als auf eine Manipulation

47 Plut. comp. Lys. et Sull. 4,8. Vgl. Lys. 13,1: τόν στρατηγόν αυτών (mit komplizier-ter Quellenlage, da neben den von Plutarch permanent benutzten Quellen Theopomp und Xenophon hier die Brechung durch Theophrast hinzutritt). In Lys. 9,7 ist (unter dem Einfluß von Xenophon) von mehreren Strategen, darunter Philokles, die Rede. 48 Nep. Alcib. 8,1 und 8,4. In 8,4 antworten im Unterschied zu Xen. Hell. II 1,26 nicht Tydeus und Menandros dem Alkibiades, sondern allein Philokles, der dann auch allein von Alkibiades angesprochen wird (8,5). Dieser Zug fällt umso mehr auf, als Xenophon durch Nepos oder seine biographische Vorlage benutzt worden sein muß, vgl. 596, Anm. 89. 49 Xen. Hell. Π 1,31

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der Angaben Xenophons hin. Denn es scheinen die Angaben variiert worden zu sein, die Xenophon für die Nachwahl neuer Strategen nach der Amtsent-hebung der Sieger in der Arginusenschlacht macht.

Xenophon zufolge wurden unmittelbar nach der Apocheirotonie der Arginusen-Strategen Adeimantos und Philokles zu Strategen nachgewählt50. Dagegen weiß Diodor nur von der Zuwahl des Philokles, nichts dagegen von Adeimantos und den später hinzugewählten Kollegen51. Das beruht vielleicht auf der Tatsache, daß Adeimantos zunächst in Athen verblieb und allein Phi-lokles zu Konon geschickt wurde. Vielleicht konnte die Grundquelle hier von zutreffenden atthidographischen Darstellungen ausgehen. Verdächtig sind aber die Phasenverschiebungen gegenüber Xenophon, die auch in anderen Zu-sammenhängen bereits aufgefallen sind52. Die Zuwahl des Philokles findet nämlich bei Diodor nicht wie bei Xenophon vor dem Prozeß, sondern erst nach der Verurteilung und Hinrichtung der Arginusen-Strategen statt. Philokles wird dabei mit dem Kommando über die Schiffe betraut, die angeblich nach der Arginusenschlacht nach Athen zurückgefahren sind und nun nach dem Ende des Prozesses erneut von den Athenern zur Flotte Konons zurückgeschickt werden53. Beide - die von Athen aus kommende Flotte des Philokles und die in Samos stationierte Flotte des Konon - vereinigen sich in Samos, und die Kommandeure dieser beiden Kontingente erhalten von den Athenern den Befehl, gemeinsam die vereinten Streitkräfte zu fuhren54.

Die Manipulationen zur athenischen Kommandostruktur in der letzten Kampagne des Dekeleischen Kriegs sind zu tiefgreifend, um sie auf Diodor zurückzufuhren, sieht man davon ab, daß Reflexe dieser Manipulationen - wie

50 Xen. Hell. 17,1. 51 Diod. ΧΙΠ 104,1:'Αθηναίοι μετά τήν άναίρεσιν των στρατηγών έττί τήν ήγεμονίαν έταξαν Φιλοκλέα. 52 Vgl. 136; 497; 542-548. 53 Diod. XIII 104,1: TÒ υαυτικόν αύτω παραδόντες εξέπεμψαν πρός Κόνωνα. Beim ναυτικόν handelt es sich um die in 101, 5 erwähnten Mehrzahl der Schiffe, mit denen die Strategen nach der Arginusenschlacht zurückkehren. Es ist an anderer Stelle gezeigt worden, daß diese sachkritisch unhaltbare Angabe über die Begleitung der Strategen durch die attische Flotte aus der Manipulation einer Angabe Xenophons hervorgegangen ist, vgl. o. 553 f. 54 Diod. ΧΙΠ 104, 1: προστάξαντες κοινώς άφηγεϊσθαι τών δυνάμεων.

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das alleinige Kommando des Philokles bei Aigospotamoi - auch in Paral-lelquellen entdeckt werden können. Sie lassen sich vielmehr dem gleichen Autor zuweisen, der für die Schlacht von Kyzikos aus dem Oberbefehl des Al-kibiades unter Benutzung xenophontischer Elemente ein von den drei Strate-gen Alkibiades, Theramenes und Thrasybulos paritätisch wahrgenommenes Kommando gemacht hat55. Dieser Autor nutzte dabei die Manipulationen zur athenischen Kommandostruktur auch im Sinne der Apologie Konons. Auf der einen Seite galt es nämlich, die Bedeutung Konons zu unterstreichen, der noch im letzten Kriegsjahr als Stratege der Athener tätig war, auf der anderen Seite mußte aber seine führende Beteiligung am Schlachtgeschehen von Aigos-potamoi relativiert werden56. Durch die Fiktion der Vereinigung zweier athenischer Kontingente und des täglichen Wechsels des Oberkommandos zwischen Philokles und Konon wurde diese Quadratur des Kreises erreicht: Konon führte zwar die Flotte, aber nicht am Tag von Aigospotamoi. Cornelius Nepos hat diese Tendenz seiner Grundquelle nicht ganz verstanden, wenn bei ihm zu lesen ist: fuit etiam extremo Peloponnesio bello praetor, cum apud Aegos flumen copiae Atheniensium ab Lysandro sunt devictae, sed tum afuit (seil. Conon), eoque peius res administrata est: nam et prudens rei militaris et diligens erat imperator. itaque nemini erat his temporibus dubium, si adfuisset, illam Atheniensis calamitatem aeeepturos non fuisse51.

Die manipulierten Angaben zum athenischen Kommando bei Aigos-potamoi sind in ihrer Machart nicht von den Angaben zu unterscheiden, die sich in der Alternativtradition zur Kommandostruktur bei Kyzikos oder zu derjenigen nach der Rückkehr des Alkibiades finden lassen. Dabei ist im Falle von Kyzikos gesichert, daß die von Xenophon abweichende Konzeption eines

55 Vgl. o. 67-72. Vereinigungen und Trennungen von Streitkräften bestimmen im hohen Maße bei der Alternativtradition auch das Bild der Vorgeschichte des Angriffs auf Kalchedon oder der athenischen Aktionen im Jahre 408, vgl. 72-74; 484. Dieser Zug läßt sich auch in den Originalfragmenten der Hell. Oxy. ausmachen, vgl. etwa zum Kommando des Pasiphon oder des Xenokles 150 und 156; 145 f. und 193. 56 Die apologetische Beteuerung, die Schlacht von Aigospotamoi sei nicht durch die κ er κότης ήγεμόνοδ verschuldet worden, findet sich bereits bei Lys. II 58, vgl. DOVER (1960), 72; LÉVY (1976). 57 Nep. Con. 1,2 f. Zu ähnlichen Ausführungen über die militärische Begabung Konons in den Parallelquellen vgl. 28, Anm. 28; 100 f.

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Dreierkommandos auf Theopomp zurückgeht58. Weiter verweist die Konon-Tendenz, die die Manipulation der Angaben zur Kommandostruktur bei Aigospotamoi auszeichnet, auf den Autor der Hell. Oxy. Kombiniert man diese beiden Beobachtungen zum Kommando bei Aigospotamoi, hat man ein weiteres Indiz dafür, im Autor der Hell. Oxy. Theopomp zu erkennen. Unabhängig von der Autorenfrage steht aber auch hier auf jeden Fall die Wertlosigkeit der Darstellung der Alternativtradition fest. Die Rekonstruktion der militärischen und politischen Geschichte vor Aigospotamoi, insbesondere zur athenischen Kommandostruktur, darf nur aufgrund der Angaben Xenophons erfolgen.

c) Die Diskussion um die Rückberufung des Alkibiades und das Strate-genkollegium des Jahres 405

Angesichts der großen unmittelbar bevorstehenden Herausforderung gegen Lysandros lag am Anfang des Jahres 405 die Rückberufung des Alki-biades nahe und wurde - wie die in dieser Zeit aufgeführten „Frösche" des Aristophanes belegen - auch offen diskutiert59. Sie blieb aber aus, vermutlich wegen der Nachwirkungen des Arginusenprozesses. Gewiß kann dieser Prozeß nicht als Niederlage der Partei des Alkibiades dargestellt werden, da die Anklage von dem mit Alkibiades verbundenen Archedemos Glamon eröffnet und an die Stelle der abgesetzten Strategen unter anderem Adeimantos gewählt wurde. Auf der anderen Seite betrieb aber Euryptolemos, der zur Hetairie seines Vetters Alkibiades gehörte und im Jahre 408 dessen Rückberufung mit vorbereitet hatte, in diesem Prozeß energisch die Verteidigung der Strategen, insbesondere des jüngeren Perikles. Der Prozeß

58 FGrHist 115 F 5. 59 Aristoph. Ran. 1422-1432, bes. 1423 (δυστοκεί). Zur Frage, ob in diesem Stück Aischylos selbst fiir die Rückberufung des Alkibiades eintritt, vgl. die bei MOORTON (1988), 349 angegebene Literatur. Das Führungsproblem wird auch in der Parabasis diskutiert, vgl. MOORTON, 355 zu Ran. 735-737. In Ran. 1446-50 fordert Euripides in Übereinstimmung mit den Aussagen der Parabasis die Athener auf, ihre Führung zu

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Der Zusammenbruch 587

muß daher zu einer Spaltung der Anhängerschaft des Alkibiades geführt

haben, die so während der Strategenwahlen von 405 nicht mehr in der Lage

war, in einer gemeinsamen politischen Aktion die Rückberufung des

Alkibiades zu betreiben. Wie sehr noch im Frühjahr 405 die durch den Prozeß

bedingten Parteiungen nachgewirkt haben müssen, zeigt sich darin, daß

Theramenes, der nach seinem Prozeßsieg über einen größeren Anhang verfug-

te, zunächst zum Strategen für 405/404 gewählt wurde, dann aber durch die

Mobilisation der im Arginusenprozeß unterlegenen Partei an der Dokimasie

scheiterte60. Erhoben wurden schließlich neben den bereits amtierenden Stra-

tegen wenig bekannte Fachmilitärs, nämlich Tydeus, Menandros und Kephi-

sodotos61. Ob sie bewußt deshalb gewählt wurden, weil sie - etwa aus Erfah-

wechseln (vielleicht eine Passage, die erst für die Wiederaufführung von 404 erarbeitet wurde), vgl. SOMMERSTEIN (1996), 289. 60 Lys. XIII 10. 61 Xen. Hell. II 1,16 berichtet zunächst über Flottenaktionen der Athener, dann über die Zuwahl der Strategen. Mit GILBERT (1877), 390 könnte man den Eindruck haben, daß diese Strategen nur von der Flotte bestellt wurden, vgl. auch COLIN (1933), 13, Anm. 1. HENGE-VELD (1909), 52 nimmt an, die Mobilisierung einer riesigen Flotte habe die Nachwahl von drei Strategen erfordert. Zur militärischen Bewährung des Menandros vgl. Anm. 588, Anm. 63, zu Tydeus vgl. [Lys.] XX 26. Vermutlich war er Sohn des Lamachos, dazu PA 13884; GPN, s. ν. Τυδ€ύς (1). Ob über die sechs namentlich bekannten Strategen hinaus noch weitere gewählt wurden, interessiert Xenophon nicht, da sie nicht an der Kriegsent-scheidung im Hellespont beteiligt waren, ist aber wahrscheinlich. Menandros, Tydeus und Kephisodotos dürften damit in den regulären Strategenwahlen von 405 erhoben worden sein. Man findet oft die Annahme, daß der an der Seeschlacht von Aigospotamoi beteiligte Eryximachos Stratege war, vgl. ζ. B. DAVIES (1971), 463; WYLIE (1986), 13 f.; keine Festlegung in GPN s. ν.Έρυξίμαχος (1). Diese Annahme beruht auf den Ausführungen in seiner durch Lysias verfaßten Verteidigungsrede, vgl. P. Rylands 489 (Lys. f. Eryximachos), 100-106. Dort brüstet sich der Redner damit, aus der Schlacht von Aigospotamoi seine eigene Triere und einen seiner Trierarchen (?) gerettet zu haben. Nun konnten aber schwerreiche Trierarchen auch die Ausrüstung für zwei Trieren stellen, vgl. Xen. Hell. II 3,40: Antiphon stellt im Krieg δύο τριήρεις ev πλεούσας, wobei keineswegs von zwei zeitlich gestaffelten Trierarchien ausgegangen werden muß. Der Redner in Lys. XXI, der sicher kein Stratege war, rühmt sich, aus der Seeschlacht seine eigene Triere und die des Nausimachos gerettet zu haben (Lys. XXI 9 und 11). Das Retten mehrerer Schiffe gehört also zu den Topoi der Selbstrechtfertigung nach 403. Eryximachos muß sich einer ähnlichen Leistung gerühmt haben. Wäre er Stratege gewesen, hätte er den Hinweis auf die in diesem Fall auch von ihm zu verantwortenden Niederlage besser vermieden, vgl. auch Lys. XXI 9. Den Eryximachos mit dem Arzt in Plat. Symp. 185 c-189 b in Verbindung zu bringen, besteht keine Veranlassung.

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rungen in der Sizilienexpedition - persönliche Feinde des Alkibiades waren62, scheint in einem Klima, in dem man sich nicht einigen konnte, ob man Alki-biades nun zurückberufen sollte oder nicht, eher zweifelhaft. Bei einer aus-gewiesenen persönlichen Feindschaft der neugewählten Strategen wäre vor allem kaum zu erklären, warum Alkibiades, der 408 mit äußerster Vorsicht erst dann im Piräus an Land zu gehen wagte, als er in der Menge Leute seiner Hetairie und Verwandtschaft sah, unmittelbar vor der Katastrophe von Aigos-potamoi den persönlichen Kontakt zu ihnen gesucht haben soll. Vielmehr wird man annehmen können, daß Alkibiades zu dem einen oder anderen aus der Strategengruppe in Nahbeziehungen stand. So scheint etwa Menandros sogar 410 unter Alkibiades ein Hoplitenaufgebot kommandiert zu haben, was nachvollziehbar macht, warum Alkibiades glaubte, mit ihm in Verbindung treten zu können63.

Unbeschadet der politisch-persönlichen Orientierung der neuen Strate-gen bedeutete ihre Wahl aber eine bewußte Absage an die Rückberufung des Alkibiades. Die Tatsache, daß bei den Arginusen ein ganzes Strategenkol-legium in enger Abstimmung mit der Volksversammlung einen Sieg davonge-tragen hatte, mochte dazu beitragen, daß demagogische Politiker die Hoffnung hatten, auch die bevorstehende Kampagne mit einem Kollektiv wenig pro-filierter Strategen zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Daß dabei eine relativ unmittelbare Lenkung der Kriegshandlungen durch die Volksversamm-lung beabsichtigt war, läßt nicht nur die Flottenfuhrung durch ein Kollegium

62 BUSOLT (1904), 1616; HENGEVELD (1909), 52. Die Feindschaft des Menandros und des Tydeus zu Alkibiades wird dabei aus der Darstellung ihres Verhaltens bei Xen. Hell. II 1,26 erschlossen. Das Kommando des Tydeus in Katane ist durch [Lys.] XX 26 belegt. Für Kephisodotos vermutet dagegen BUSOLT nur, daß er nicht zu den Freunden des Alkibiades gehörte. Über Kephisodotos (PA 8312; GPN, s. ν. Κηφισόδοτος [5]) ist nichts bekannt, doch ist eine Identifizierung mit der gleichnamigen Person in IG I 376,19 (409/408) zu er-wägen. Nach WYLIE (1986), 132 f. sollen von den Mitgliedern des Strategenkollegiums Adeimantos und Eryximachos (s. aber oben Anm. 61) in gleicher Weise wie Alkibiades von Lysandros bestochen worden sein, während die übrigen Strategen der gegen Alkibiades orientierten Volkspartei angehört hätten. 63 Kommando des Menandros: Xen. Hell. I 2,16. Die Identität mit dem Offizier des Alki-biades ist bei einem so weit verbreiteten (168 Eintragungen in GPN II, s. v.) Namen natür-lich nicht gesichert. Identifizierung angenommen bei GILBERT (1877), 390; BUSOLT (1904),

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von sechs gleichberechtigten Strategen ahnen. Auch die Tatsache, daß in der Volksversammlung überhaupt schon im Vorgriff auf die zukünftigen Entwick-lungen eine Debatte über das Los der Kriegsgefangenen stattfand, dürfte hin-reichend signifikant sein. Bezeichnenderweise leistete allein der Gefolgsmann des Alkibiades, Adeimantos, der als für die Stadtverteidigung zuständiger Stratege zunächst in Athen geblieben war, gegen diesen Beschluß Widerstand, vielleicht nicht nur aus humanitären Gründen, sondern weil er für die immer noch erwartete Rückberufung des Alkibiades nicht dessen Kriegführung vor-ausgreifen wollte und weil er die Maßnahmen für politisch unklug hielt64.

d) Die Aktionen des Lysandros und die Reaktionen der athenischen Flottenfiihrung

Trotz des bis zur Brutalität gesteigerten Willens, den Krieg doch noch zu gewinnen, mußte die athenische Seite 405 die strategische Initiative der überlegenen Führung des Lysandros überlassen. In einem geschickten Ablen-kungsmanöver fuhr Lysandros zunächst nach Rhodos und Karien, um dort nach einigen Plünderungsaktionen zu wenden und entlang der ionischen Küste zum Hellespont zu fahren65. Lysandros hielt sich dabei an die Direktive des Kyros, die auch seinem eigenen Interesse entsprach, nämlich nur risikolose Fahrten zu unternehmen und die Flotte keineswegs ohne eindeutige Sieges-chancen dem Risiko einer Seeschlacht auszusetzen66.

Zu dieser kalkulierten und das Risiko minimierenden Strategie des Lysandros, wie sie von Xenophon beschrieben wird, paßt allerdings kaum, was in der Alternativtradition an Informationen über den Feldzug des

1616, Anm. 2. Vgl. PA 9857 und GPN, s. v. MéiwSpoç (3) und (5). Menandros komman-dierte bereits an der Seite des Nikias, vgl. Thuk. VII 16,1; 43,2; 69,4. 64 Xen. Hell. II 1,32. Die gegen Adeimantos vorgebrachte Beschuldigung, er habe die Flotte verraten (Xen. Hell. Π 1,32) kann nur durch seine Bereitschaft, mit Alkibiades zu kooperieren, erklärt werden, vgl. Lys. XIV 38. Eine andere Verratsversion nennt Adeiman-tos gemeinsam mit Tydeus, vgl. Paus. X 9,11 und IV 17,3. 65 Xen. Hell. II 1,15-17. Die Aktionen im keramischen Golf dienten in der Hauptsache dem Interesse der rhodischen Parteigänger des Lysandros, vgl. hierzu o. 137, Anm. 15. 66 Xen. Hell. Π 1,14.

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590 Innenpolitik und Kriegführung

Lysandros zu finden ist. Diese weiß nämlich vom Bravourstück einer militärisch folgenlosen Flottenfahrt zu berichten, die Lysandros quer über die Ägäis unternommen haben soll und mit der Agis beeindruckt und die Athener eingeschüchtert werden sollten67. Die von Plutarch und Diodor gemeinsam benutzte Vorlage, mit größter Wahrscheinlichkeit der Autor der Hell. Oxy., scheint hier eine militärische Operation frei erfunden zu haben, in der gleichen Art und Weise, in der für die kleinasiatische Kampagne des Agesilaos ein bis nach Leontonkephalai und Gordion reichendes Itinerar ausgesponnen oder in der eine völlig von Xenophon abweichende spartanische Kampagne in Elis konstruiert wurde68. Diese Tradition mag von einem solchen Bravourstück deshalb berichtet haben, weil es ihr darauf ankam, dem knappen Bericht Xenophons über den von Lysandros geführten Flottenkrieg mehr Details hinzuzufügen69. Vielleicht diente diese Erzählung einem Autor, der explizit über den Dekeleischen Krieg schrieb70, aber auch dazu, Agis und Dekeleia stärker in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen, als dies nach der weitgehend auf den ionisch-hellespontischen Raum beschränkten Geschichte Xenophons der Fall war. Aus dem gleichen Grund hat die Diodorvorlage aus einem der vielen kleinen Angriffe, die von Dekeleia aus vorgetragen wurden, einen gewaltigen, von Agis bis an die Mauern Athens herangeführten Sturm gemacht71. Daß für die Attika-Fahrt des Lysandros in gleicher Weise wie für

67 Diod. XIII 104,8 und ausführlicher Plut. Lys. 9,3 f. Für historisch halten diese Fahrt etwa RAHE ( 1 9 7 7 ) , 80-82; BOMMELAER (1981) , 101 f.; BRIANT (1995) , 130: Lysandros und Agis hätten sich getroffen, um sich über die Strategie gegen die Athener abzusprechen. Zur Kritik dieser mit Xenophon unvereinbaren Erzählung vgl. bereits BUSOLT (1904), 1617 f., A n m . 3; HENGEVELD (1909) , 53, ANM. 5; COLIN (1933) , 13 mit A n m . 1, die d iese Erzählung noch auf Ephoros zurückführen. MEYER, GdA, 356 f.; LOTZE (1964), 30 f.; KAGAN (1987), 384 f. harmonisieren beide Versionen, indem Lysandros zunächst nach Attika gefahren sein soll, um nach Rhodos zurückzukehren und von dort entlang der ionischen Küste zum Hellespont zu fahren. 68 Vgl. 93, Anm. 196; 143. Vgl. auch die Vorgeschichte von Sardes. 69 Daß dieser Bericht über die Taten des Lysandros in der Ägäis sich (nach Art der Hell.-Oxy.-Darstellung) in kleinen Details erschöpfte, wird aus der Bemerkung Diodors (XIII 104,8) deutlich: Μετά δέ ταΟτ ' έττί τήν Άττικήν καΐ πολλούς τόπους πλεύσας μέγα μέν ουδέν οϋδ ' άξιον μνήμης έπραξε· διό καΐ ταΟτα μέν ούκ άναγράφειν έσπουδάσαμεν 70 S. ο. 258 f. 71 Diod. XIII 72,3-73,2. Vgl. hierzu 248, Anm. 152.

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Der Zusammenbruch 591

den Angriff des Agis historische Versatzstücke aus anderen Jahren des Dekeleischen Kriegs zur Illustrierung dieser neuen Episode hinzugezogen wurden, zeigt die von Plutarch wiedergegebene Nachricht, Lysandros habe durch seine Flottenfahrt nach Attika demonstriert, daß er „fahren könne, wohin er wolle"72. Hier sind Beziehungen zum Wortwechsel erkennbar, den Xenophon zufolge Lysandros und Kallikratidas bei der Übergabe der Flotte miteinander gefuhrt haben sollen. Behauptete der eine, er sei θαλαττοκράτωρ, konterte der andere mit der höhnischen Aufforderung, diese Beherrschung des Meeres durch eine Fahrt von Ephesos nach Samos zu demonstrieren73. Darüber hinaus dürften Teile der Route der angeblichen Attika-Fahrt des Lysandros, die ihn Anfang 405 über Aigina und Salamis gefuhrt haben soll, einfach aus der nach Aigospotamoi unternommenen Fahrt gesponnen sein, die Xenophon zufolge den Lysandros ebenfalls nach Aigina und Salamis führte74.

Die Operationen der athenischen Seite sind in der Alternativtradition in völliger Abweichung von Xenophon dargestellt worden, auch wenn dies bisher noch nicht deutlich beschrieben worden ist. Gemäß der Darstellung Xenophons sind, wie bereits bemerkt, größere Operationen vor der Einfahrt des Lysandros in den Hellespont unterblieben. Vielmehr führte die athenische Flotte von Samos und Chios aus einen Kleinkrieg an der ionischen Küste. Die Darstellung Diodors leidet zwar darunter, daß die Vorgeschichte von Aigos-potamoi durch die Einlage anderer Episoden auseinandergezogen worden ist. Zu erkennen ist aber, daß die Vorlage gleich von zwei Hellespontfahrten

72 Plut. Lys. 9,4: τήν τοΟ ναυτικού ίχύμην, ώς πλέων ή βοΰλοιτο, κρατών της θαλάττης. 73 Xen. Hell. I 6,2. Die quellenkritischen Beziehungen zwischen den beiden diskutierten Passagen sind allerdings nicht sicher. Der Verweis auf die Freiheit der Fahrt als Demonstration der Thalassokratie ist freilich identisch. 74 Vgl. Plut. Lys. 9,3 (Verwüstung von Aigina und Salamis); Xen. Hell. II 2,9 (Ankunft in Aigina und Rückgabe der Insel an die Verbannten, Verwüstung von Salamis). Daß der Bericht Plutarchs aus einer Dublette zu Xen. Hell. II 2,9 hervorgegangen sein könnte, er-wägt LOTZE (1964), 30, Anm. 6, entscheidet sich aber dann unter dem Eindruck der zusätz-lichen Details anders: „Doch andererseits sind die Abweichungen so groß, daß ich nicht ohne wirklich zwingende Gründe die von Plutarch und Diodor vertretene Tradition verwerfen möchte."

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berichtete und damit das Bild der athenischen Inaktivität relativierte75. Zu-nächst sollen nämlich die Strategen Konon und Philokles schon lange vor der Attika-Fahrt des Lysandros in einer ersten Fahrt Kurs auf den Hellespont genommen haben76. Wie sie sich in der folgenden Zeit während der Attika-Fahrt des Lysandros verhielten, geht aus dem Bericht Diodors nicht hervor, doch läßt sich dem Bericht Plutarchs entnehmen, daß in der gemeinsamen Quellenvorlage zumindest ein athenisches Teilkontingent die Flotte des Lysandros über die Ägäis hinweg verfolgte und daß der Hellespont von Verteidigern entblößt war77. Für das letzte Jahr des Dekeleischen Kriegs dürfte diese Quelle demnach ein aufwendiges Szenario kreuz und quer zwischen Hellespont, Ionien und Attika unternommener großer Operationen geboten haben, wozu der Umstand paßt, daß in der Quellenvorlage Diodors bereits

73 Diod. XIII 104,2: Fahrt Konons und des Philokles zum Hellespont; Diod. XIII 105,1: Reaktion auf die Belagerung von Lampsakos durch Lysandros. In 104,2 haben die Athener 173 Schiffe, von denen sie 20 in Samos zurücklassen. In 105,1 ist dagegen wie bei Xen. Hell. II 1,20 abweichend von 180 Schiffen die Rede, mit denen die alarmierten Athener in den Hellespont einfahren. Ungenau zu Diod. XIII 105,1 BUSOLT (1904), 1609 f., Anm. 2: „Die Fahrt nach dem Hellespontos wird verschleiert, weil bereits von ihr die Rede gewesen ist. Offenbar hat Ephoros die Ereignisse auch in diesem Falle verschoben". Die These von BÖRNER (1894), 42 f., es habe zwei Fahrten zum Hellespont gegeben, nämlich eine, die schon vor der Ankunft des Lysandros allein von Philokles und Konon unternommen worden sei, und eine zweite in Reaktion auf die Fahrt des Lysandros, beschreibt zweifellos zutreffender als BUSOLT die Darstellung der Diodor-Vorlage. Gegen BÖRNER läßt sich aber daraus nichts für die Historizität dieser komplizierten Operationen entnehmen. Der 405/404 zu datierende Vertrag zwischen Athen und Kios ist ein zu schwaches Indiz, um eine erste Hellespontfahrt zu belegen, vgl. zu diesem Vertrag TH. CORSTEN, Die Inschriften von Kios, Bonn 1985, 24 f., dessen Datierungsaltemative 377/376 allerdings nicht existiert, da der Archon dieses Jahres Kalleas (PA 7766) und nicht Kallias heißt. Die zwanzig Schiffe, die bei der ersten Hellespontfahrt in Samos zurückgelassen worden sind, müssen nicht mit den in IG I3 127, Z. 25 ff. erwähnten athenischen Schiffen in Samos in Verbindung gebracht werden, zumal dort keine Zahl genannt ist. 76 Da das zeitliche Verhältnis der Einzelepisoden untereinander bei Diodor keineswegs klar ist, wird man aber aus der Tatsache, daß überhaupt erst in Diod. XIII 104,3 die Ankunft des Lysandros in Ephesos erwähnt wird, nicht folgern dürfen, daß die Fahrt der Athener zum Hellespont sogar vor der Ankunft des Lysandros stattfand. 77 Vgl. Plut. Lys. 9, 4: „Als er (Lysandros) indes erfuhr, daß ihm die Athener auf den Fersen seien, entfloh er auf einem andern Wege durch die Inseln nach Asien, und da er den Hellespont von Verteidigern entblößt antraf (έρημον καταλαβών), so griff er Lampsakos von der See her mit seinen Schiffen an." (Übersetzung K. Ziegler).

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Philokles mit einem großen Schiffskontingent von Attika nach Samos ge-fahren sein soll78.

Der Kurs des Lysandros (von Karien über Attika zum Hellespont) und die Operationen der athenischen Strategen, wie sie in der von Plutarch und Diodor benutzten Tradition wiedergegeben werden, vermitteln das Bild routinierter Flottenoperationen, in dem der besondere Charakter der letzten, kriegsentscheidenden Kampagne völlig ausgeblendet wird. Bei einem solchen Itinerar erscheint in der Altemativtradition die athenische Flottenfuhrung -insbesondere die Strategenleistung Konons - insofern in einem besseren Licht, als die Flotte schon präventiv zum Hellespont gefahren war, dann aber durch die Fahrt des Lysandros nach Attika gezwungen wurde, diesen über die Ägäis hinweg zu verfolgen79.

Dagegen geht aus der Darstellung Xenophons eindeutig das Versagen der attischen Flottenfuhrung hervor: Die attischen Strategen glaubten nämlich, auf eine genaue Erkundung der Bewegungen der Flotte des Lysandros verzichten zu können, begnügten sich mit der Annahme, er habe Kurs in den Süden genommen, und folgten ihm nicht einmal von Chios aus bis zur Sperre von Samos80. Dem vorsichtigen Lysandros gelang es so, von Karien aus unbemerkt Kurs nach Norden zu nehmen und im Kanal zwischen der ionischen Küste und den vorgelagerten Inseln in Richtung auf den von attischen Flottenkontingenten entblößten Hellespont zu fahren, wobei das Risiko dadurch verkleinert wurde, daß auf der gesamten festlandionischen Seite ihm überall sichere Häfen zur Verfugung standen81. Als die Athener endlich vom Kurswechsel des Lysandros erfahren hatten, war eine rasche Verfolgung auf der gleichen Route nicht möglich, weil die Athener an der feindlichen festlandionischen Küste nicht ausreichend Landeplätze zu finden meinten. Um Lysandros rasch einholen zu können, wählten sie daher den Weg übers offene Meer82, doch gelang es ihnen trotz ihrer schnellen Fahrt nicht

78 Vgl. 584. 79 Vgl. zu Plut. Lys. 9,4 Anm. 77. 80 Xen. Hell. II 1,17 setzen die Strategen έκ της Χίου die Verfolgung des Lysandros in Gang. 81 Xen. Hell. II 1,17. 82 Xen. Hell. II 1,17.

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mehr, Lysandros rechtzeitig die Einfahrt in den Hellespont zu sperren. Vielmehr erhielten sie, als sie in Elaius an Land gegangen waren und dort das Frühmahl bereiteten, Nachricht davon, daß Lysandros zusammen mit den von Thorax aus Abydos herbeigeführten Hopliten die gewaltsame Einnahme von Lampsakos gelungen war*3. Die Quellenvorlage Diodors hat die einfache Tatsache, daß die attischen Strategen von der Einfahrt des Lysandros in den Hellespont überrascht wurden, letztlich nicht völlig ignorieren können, aber sie versucht, auch hier die Angaben Xenophons zu variieren, und liefert für die (zweite) Fahrt der athenischen Strategen in den Hellespont eine leicht abweichende Begründung. Alarmiert werden die Strategen nämlich nicht durch die Nachricht von der Einfahrt des Lysandros in den Hellespont, sondern dadurch, daß sie von der Belagerung von Lampsakos erfahren. Auf diese Nachricht hin sammeln sie von überall Trieren, um der belagerten Stadt zu Hilfe zu kommen.84

e) Die Katastrophe von Aigospotamoi als Folge innenpolitischer Auseinandersetzungen

Nach dem freiwilligen Selbstexil des Alkibiades und nach der Hinrich-tung der bei den Arginusen mitwirkenden Strategen war das Potential an stra-tegisch begabten Militärs erschöpft. Man könnte vermuten, daß das bei Xeno-

83 Xen.Hell. II 1,20. 84 Diod. XIII 105,1: Ol δέ των 'Αθηναίων στρατηγοί πυθόμενοι τούς Λακεδαι-μονίους πάση τη δυνάμει πολιορκεϊν Λάμψακον, συνήγαγον τε πανταχόθεν τριήρεις κτλ. Bei Xen. Hell. II 1,20 wird den Athenern τα περί Λάμψακον gemeldet. Damit ist aber die bereits vollzogene Einnahme gemeint. Hätte die Vorlage Diodors unver-ändert diese Nachricht Xenophons übernommen, wäre damit die attische Reaktion, Lampsakos möglichst schnell zu Hilfe zu kommen, nicht verständlich. Daher erklärt sich die bezeichnende Variante Diodors, daß die Athener von der noch nicht beendeten Belagerung erfahren. Die mobilisierte Hilfe kommt aber zu spät. Die Athener finden τήν πόλιν ήλωκυιαν und fahren aus diesem Grund weiter nach Aigospotamoi (Diod. ΧΠΙ 105,2). Hier wird m. E. ein für die Grundquelle Diodors typisches Verfahren deutlich. Neben von Xenophon völlig abweichenden, oft aber aus dessen Angaben gesponnenen Stücken fügt die Quelle Passagen ein, die sich durch eine größere Nähe zu Xenophon auszeichnen, ihn aber gleichwohl um kleine Details variieren.

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phon zumindest zwischen den Zeilen dokumentierte Versagen der Strategen mit deren überspanntem Ehrgeiz zu tun haben könnte, im Unterschied zu Alkibiades die Eroberung von Chios zustande zu bringen. Schon im Frühjahr 405 war man wiederholt gegen Ephesos und Chios ausgefahren85. Daß die Strategen der neuausgerüsteten großen Flotte sich vor der Herbstkampagne dann an der Westküste von Chios aufhielten, statt Lysandros ständig zu ver-folgen", trug, wie gezeigt worden ist, dazu bei, daß Lysandros ungehindert entlang der kleinasiatischen Küste in den Norden fahren konnte. Zwar hätte bereits kurz vor der Arginusenschlacht nicht viel gefehlt, daß Kallikratidas ungestört Kurs auf die Meerengen genommen hätte. Doch war in dieser Zeit das Versagen der athenischen Führung insofern weniger gravierend, als Konon durchaus bis zu seiner Einschließung in Mytilene den Kurs der feindlichen Flotte verfolgt hatte und vor allem ohnehin wenig Möglichkeiten hatte, die numerisch bei weitem überlegene feindliche Flotte zu behindern, die Lysandros und Kallikratidas im großen Stil ausgebaut hatten. Bei den Opera-tionen von 405 waren dagegen beide Flotten gleich stark. Da allerdings die athenische Flotte nur über wenige geübte Ruderer verfugte, ist es unklar, ob selbst bei einem stärker durchdachten Einsatz der Flotte ein Durchbrach des Lysandros zum Hellespont und damit die existentielle Bedrohung Athens mit Sicherheit hätte verhindert werden können. Gravierender ist, daß dann auch die Niederlage von Aigospotamoi das Ergebnis militärischer Fehlleistungen war. Daß dabei diese Niederlage mit der innenpolitischen Konstellation Athens in Verbindung zu bringen ist, zeigt sich gerade in der Erzählung, die Xenophon von der Schlacht und ihrer Vorgeschichte bietet.

In beiden Grundtraditionen zur Geschichte des Dekeleischen Kriegs wird von einer Begegnung zwischen Alkibiades und den Strategen berichtet, die kurz vor der entscheidenden Schlacht bei Aigospotamoi stattgefunden haben soll. Allerdings wird der Besuch des Alkibiades verschieden motiviert. Nach Xenophon beobachtet Alkibiades von seiner Burg aus das dilettantische Vor-gehen der attischen Strategen und gibt ihnen den Rat, sich nach Sestos zurück-

85 Xen. Hell. II 1,16. Zu den Erwartungen, Alkibiades werde Ionien und besonders Chios zurückgewinnen, vgl. o. 488. 86 Xen. Hell. Π 1,17.

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zuziehen, um Probleme bei der Versorgung der großen Flotte zu vermeiden87. In der Version der Grundquelle Diodors haben die Athener selbst schon ihre kritische Lage erkannt, nachdem sie vergeblich versucht haben, Lysandros zum Kampf zu provozieren'8. Daß Alkibiades sie auf drohende Gefahren auf-merksam macht und sie auffordert, den Ankerplatz zu wechseln, ist also in ihrer Version nicht mehr notwendig89. Statt dessen kommt Alkibiades mit einem ganz anderen Anliegen. Durch ein von ihm vermitteltes Bündnis mit den Thraker-königen Medokos und Seuthes soll Lysandros in Lampsakos bedrängt und entweder zur Seeschlacht oder zu einem Landkampf gezwungen werden90.

In der älteren Sekundärliteratur ist diese Version als eine freie Erfindung des Ephoros verworfen worden91, allerdings nicht von allen Forschern. So hielt Hatzfeld den Bericht Xenophons für unzureichend, da Alkibiades seine Burg schwerlich nur deshalb verlassen habe, um die Athener auf ihre gefährdete Position aufmerksam zu machen, die diese - angesichts der mitkämpfenden Veteranen - selbst hätten wahrnehmen müssen, zumal gerade Konon die

87 Xen. Hell. II 1,25. 88 Diod. XIII 1 0 5 , 2 . 89 Bei Nepos, dessen biographische Vorlage zunächst der auch von Diodor benutzten Al-ternativtradition folgt, ist die Aufforderung, den Ankerplatz zu verlassen, zeitlich nach der Aussprache zwischen Alkibiades und den Strategen eingefügt worden, um eine Harmo-nisierung mit Xenophon zu erreichen, vgl. Nep. Alcib. 8,5: discedens Alcibiades „ quon-iam" inquit „victoriae patriae repugnas, illud moneo <ne> iuxta hostem castra habeas nautica. Die Ereignisse der Schlacht werden dann ganz nach Xenophon dargestellt. Beziehungen zu Plut. Lys. 1 0 , 6 sind gegen Z A G A R I A ( 1 9 8 0 ) , 3 0 8 in dieser Disposition nicht zu erkennen, da Plutarch gerade in der Lysandrosbiographie fast ausschließlich Xenophon folgt und nur in der Alkibiadesbiographie die Aiternatiwersion nachträglich einfuhrt, vgl. BUSOLT ( 1 9 0 4 ) , 7 4 4 - 7 4 6 . 90 Diod. XU! 1 0 5 , 3 . Aus der gleichen Tradition Nep. Alcib. 8 , 3 : sibi autem esse facile Seuthem, regem Thraecum deducere, ut eum terra depelleret. Plut. Alcib. 37,2 f. variiert die Vorlage, indem Alkibiades erst nach der Zurückweisung durch die Strategen die Möglichkeit andeutet, er hätte die Lakedaimonier zum Kampf zwingen können. Diese Variante ist durch die Berücksichtigung der Version Xenophons bedingt. Z A G A R I A ( 1 9 8 0 ) , 3 0 2 - 3 0 5 will Un-terschiede zwischen Diodor, Nepos und Plutarch auf verschiedene Quellenvorlagen, nämlich Ephoros und Theopomp, zurückführen, vgl. bereits D I P P E L ( 1 8 9 8 ) , 5 0 f. Eine solche Diffe-renzierung innerhalb der Alternativtradition scheint aber nicht möglich, zumal D I P P E L und Z A G A R I A die eingehende Benutzung Xenophons durch Plutarch nicht ausreichend würdigen. 91 BUSOLT ( 1 9 0 4 ) 1 6 1 9 f., Anm. 4 : „höchst unwahrscheinliche und offenbar willkürlich erfundene Darstellung".

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Gefährlichkeit des Lysandros kannte92. Man müsse daher annehmen, Alkibiades habe in seinem Vorschlag auf die thrakische (statt wie früher auf die persische Karte) gesetzt. Wegen der Entdeckung der Hell. Oxy. als Quel-lengrundlage des Diodor-Ephoros hat die Version vom thrakischen Bündnis in neuerer Zeit weiteren Kredit erhalten und wird Xenophon entweder vorgezogen oder als Bericht einer mit Xenophon gleichwertigen zeitgenössischen Quelle mit der Erzählung Xenophons harmonisiert93.

Mehrere Beobachtungen lassen aber die Erzählung der Altematiwersion als verdächtig erscheinen: 1.) Zunächst sind enge Bezüge dieser Version mit den sachkritisch nicht unproblematischen Darstellungen der Belagerung von Selymbria und Byzanz festzustellen, die Diodor und der Parallelbericht bei Plutarch bieten und die bereits in auffälliger Weise auf das gute Verhältnis zwischen Alkibiades und thrakischen Truppen hinweisen94.

2.) Mit einer Flotte von zweihundert Trieren kommandierte Lysandros ein gewaltiges Aufgebot von mindestens 40.000 Mann, wenn man die Hopliten hinzuzählt. Wie ein solch großes Schiffslager durch einige thrakische Streif-truppen, die erst über den Hellespont hätten gesetzt werden müssen, emsthaft hätte bedroht werden können, bleibt offen95.

92 HATZFELD (1940), 335 f. Die Annahme, an der Entscheidung von Aigospotamoi seien seit 411/410 mitkämpfende Veteranen beteiligt, beruht auf einer Uberinterpretation der Angaben bei Lys. XXI 2 (Hinweis auf sieben Jahre Trierarchie). 93 Bevorzugung der Angaben Diodors bei KAHRSTEDT (1954), 23; DANOV (1976), 327; RAHE (1977), 82 f.; BOMMELAER (1981), 106 f.; P. J. RHODES, What Alcibiades Did or What Happened to Him. Inaugural Lecture 15. November 1984, Durham 1985, 17; WYLIE (1986), 129 f., der sich allerdings nicht definitiv enscheidet. Harmonisierend LOTZE (1964), 33, Anm. 1 und 35 (mit tendenzieller Bevorzugung Xenophons); WILL (1972), 388 f.; STRAUSS (1983) , 26, Anm. 11; KAGAN (1987), 389; STRONK (1995) , 171; DE ROMILLY (1995), 223-225: Alkibiades soll sowohl den von den Strategen gewählten Platz kritisiert als auch ein Bündnis mit thrakischen Königen in Aussicht gestellt haben, bzw. die eine Möglichkeit in internen Gesprächen, die andere vor Ohrenzeugen geäußert haben. ANDRE-WES (1992), 494 f. ist insofern inkonsequent, als er bisweilen Diodor, bisweilen Xenophon den Vorzug gibt, hier aber sich eindeutig für Xenophon entscheidet: „Alcibiades, coming from his Thracian base, warned the Athenians of their danger and urged them to move to a safer position." 94 Vgl. oben 87. 95 Durch die Überlegungen von BOMMELAER (1981), 107 wird dieser Punkt nicht entkräf-tet: „Globalement, on ne doit pas leur opposer que les Thraces n'étaient pas utilisables con-tre Lampsaque. En effet, comme la flotte athénienne était réputée supérieure à celle de l'ad-

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3.) Gerade Xenophon kannte die thrakischen Verhältnisse sehr gut, da er als Truppenführer lange mit eben dem Seuthes zu verhandeln hatte, dessen Unterstützung Diodor zufolge Alkibiades in Aussicht gestellt haben soll96. Hätte Alkibiades wirklich im Flottenlager auf die verlockende Möglichkeit einer Koalition mit den Thrakern hingewiesen, bleibt unerklärlich, warum Xenophon im Unterschied zum Autor der Hell. Oxy. davon nichts gewußt und statt dessen nur von einem relativ einfachen strategischen Ratschlag des Alkibiades berichtet haben soll.

4.) Bei Diodor sind Seuthes und Medokos, deren Hilfe Alkibiades in Aussicht stellt, anscheinend gleichrangig, und der Königsrang für Seuthes wird dabei auch von einem anderen Zeugen der Alternativtradition bestätigt97. Nun sind die machtpolitischen Verhältnisse in Thrakien an der Wende vom fünften zum vierten Jahrhundert kaum mit Sicherheit zu eruieren98. Wenn aber mit guten Gründen angenommen werden kann, daß die bei Diodor genannten Könige mit Seuthes II. und Amadokos zu identifizieren sind99, scheint die

versaire, qui refusait le combat, les stratèges pouvaient organiser un débarquement thrace sur la côte asiatique." Eine solche Verschiffung hätte kaum in Kampfformation erfolgen können, sondern die Flotte wäre gerade in dieser Situation angreifbar gewesen. Realistisch wäre nur die Übersetzung kleinerer Truppeneinheiten gewesen, vgl. etwa die 200 odry-sischen Reiter und 300 Peltasten, die Seuthes dem Derkylidas schickt (Xen. Hell. III 2,2). 96 Vgl. nur Xen. Anab. VII 2,23-3,1. 97 Aus der parallelen Tradition bei Nep. Alcib. 7,4, Alcibiades habe cum quibusdam regibus Thraeciae Freundschaft geschlossen, mag man allein noch nicht auf eine Gleichrangigkeit von Medokos und Seuthes schließen. Aber in Nep. Alcib. 8,3 wird Seuthes als rex Thraecum be-zeichnet. Zu Seuthes vgl. SWOBODA, RE Π A (1923), 2020: Abusive Bezeichnung des Seuthes als König bei Diod. ΧΙΠ 105,3. Im Anschluß an A. HÖCK, Das Odrysenreich in Thrakien, Heimes 26 (1891), 86 f. nimmt SWOBODA an, daß Seuthes schon „im Jahre 405 eine gewisse Machtstellung" eingenommen habe, wobei sich diese Aussage allein auf die bei Nepos und Diodor benutzte Hell.- Oxy .-Tradition stützen kann. Andererseits konstatiert HÖCK richtig, daß zu diesem Zeitpunkt Seuthes nicht einmal die Unterwerfung des väterlichen Erb-teils gelungen war. Seuthes zählte auf die Hilfe der Söldner Xenophons, um das ganze Küstenland für sich zu gewinnen. Umso unwahrscheinlicher ist es daher, daß 405 der Einsatz des Seuthes schlechthin kriegsentscheidend gewesen sein soll. 98 Vgl. i. e. DANOV (1976); TACEVA (1990); STRONK (1995); C. VELIGIANNI, Abdera, Maroneia, Ainos und der Odrysenstaat, Tekmeria 1, 1995, 136-170. Unklar J. WIESNER, Die Thraker, Stuttgart 1963, 128. 99 Anders TACEVA (1990), 384: Nur ein starker König könne mit Alkibiades verhandelt haben, es handele sich daher um Seuthes I., der 405 noch an der Macht gewesen sei. TACE-VA will auch einen Medokos von Amadokos/Amedokos unterscheiden. Die relative

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Historizität des Königsrangs für Seuthes, dessen Unterstützung im Kampf gegen Sparta von Alkibiades versprochen worden sein soll, problematisch. Aus Xenophons Hellenika (IV 8,26) geht nämlich hervor, daß Seuthes als Komman-deur der Küstengebiete dem Amadokos, König der Odrysen, untergeben war100. Diese Angabe wird von Aristoteles bestätigt, bei dem der Thraker Seuthes als dem Amadokos untergeordneter Feldherr ausgegeben wird101. Und der ausfuhrliche Bericht in der Anabasis Xenophons belegt, daß Seuthes zum Zeitpunkt der Rückkehr der Zehntausend zwar einige Kastelle wie Bisanthe für sich erobert hatte, aber als Nachfolger des Paradynasten Maisades nach seiner Erziehung beim König Amadokos noch nicht in den Besitz des von ihm beanspruchten Teils des Odrysenreichs gelangt war102. Selbst als Kommandeur der Küstengebiete kann man Seuthes um 400 nicht bezeichnen, da ein gewisser Herakleides von Maroneia die Einwohner von Parion überhaupt erst daraufhin-weisen muß, daß Seuthes in naher Zukunft die Gebiete am Meer beherrschen werde und es daher nicht notwendig sei, daß sie Geschenke zu dem zwölf Tagesreisen weit weg wohnenden Amadokos brächten103. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß der Autor der Hell. Oxy. von einer Situation aus-geht, in der sich Seuthes bereits von Amadokos unabhängig gemacht und für sich ein eigenes Teilkönigreich geschaffen hat. Das könnte darauf hinweisen, daß das Bündnis mit den beiden, durch Thrasybulos versöhnten Königen von

Chronologie läßt es aber kaum zu, daß der Tod Seuthes' I. erst nach 405 zu datieren ist. Seuthes II. gelangte nämlich erst nach dem Auseinanderbrechen des Odrysenreichs nach dem Tod Seuthes' I. an den Hof des Amadokos. Dieser Aufenthalt muß zum Zeitpunkt der Ankunft Xenophons (wenige Jahre nach der Seeschlacht von Aigospotamoi) schon längere Zeit gedauert haben, vgl. Xen. Anab. VII 2,32 f. STRONK (1995), 191 f. datiert den Tod des Seuthes I. sogar schon in das Jahr 410 und läßt die Schwächephase des Odrysenreichs, in der Seuthes zu Amadokos floh, schon mit dem Tod des Sitalkes I. beginnen. 100 Vgl auch DANOV (1976), 331; Taceva (1990), 390. 101 Aristot. Pol. V 10, 1312 a 14. 102 Xen. Anab. VII 2,31-33. Bisanthe: VII 2,38. Zu Bisanthe vgl. L. ROBERT, Hellenica V, Paris 1948, 54 f. 103 Xen. Anab. VII 2,3,16 f. Seuthes besaß nur einige Burgen am Meer. Alkibiades kämpf-te in der Chersones gegen die von Seuthes nicht kontrollierten άβασιλεΰτοι θράκες, vgl. zu Plut. Alcib. 36,5 KAHRSTEDT (1954), 23.

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600 Innenpolitik und Kriegführung

389 hier in die Ereignisgeschichte des ausgehenden fünften Jahrhunderts zurückprojiziert worden ist104.

5.) Wenn Alkibiades wirklich schon um 405 bei den thrakischen Dynasten großen Rückhalt gehabt hätte, wäre erklärungsbedürftig, warum er nach dem Sieg Spartas bei Aigospotamoi nicht bei Seuthes oder Medokos-Ama-dokos, sondern bei Pharnabazos Zuflucht suchte105. In Wirklichkeit scheint die Position des Alkibiades als auf der Chersones agierender Kleinfurst recht unge-sichert gewesen zu sein. Schon die thrakischen Stämme, die an der Chersones wohnten, konnte er kaum unter Kontrolle halten, wie die Nachrichten zum Kleinkrieg beweisen, den Alkibiades auf der Chersones fuhren mußte104. Es scheint, als habe die gleiche Tradition, die über die großen thrakischen Bünd-nisprojekte des Alkibiades berichtete, diese Erfolglosigkeit bewußt verkannt. Denn die Grundquelle Plutarchs und des Cornelius Nepos berichtet über eine großartige Kampagne des Alkibiades gegen die „königslosen Thraker", in der Alkibiades in panhellenischer Mission die Griechen auf der Chersones aus der Bedrängnis gerettet und reiche Beute gemacht haben soll107. Wenn aber die thra-kischen Erfolge des Alkibiades in der Alternativtradition stark geschönt wurden, ist auch die Kontaktaufnahme des Alkibiades zu den im Landesinnern residierenden thrakischen Dynasten zu bezweifeln, die sich Nepos zufolge

104 Diod. XIV 94,2, wo die Könige als gleichberechtigt erscheinen. Vgl. StV 238 (IG II2

238; Xen. Hell. IV 8,26). 105 Nach Nep. Alcib. 9,1 f. geht Alkibiades zwar zu den Thrakern (nicht zu den Königen), muß aber fliehen, weil diese es nur auf sein Geld abgesehen haben. Es handelt sich aber hier um die bithynischen Thraker, vgl. Plut. Alcib. 37,7. 106 Lys. XIV 26: Erzwungene Aufgabe von Ornoi. Einige der von Alkibiades gehaltenen Plätze sind später von Seuthes dem Xenophon angeboten worden (Xen. Anab. VII 5,8: Neon Teichos, Ganos und Bisanthe). Seuthes muß sie in der Zeit zwischen Aigospotamoi und der Rückkehr der Zehntausend den königslosen Thrakern abgenommen haben, die sie vielleicht schon zu Lebzeiten des Alkibiades erobert hatten. 107 Bei Plut. Alcib. 36,5 wird der Kampf des Alkibiades gegen die άβασίλευτοι θράκες panhellenisch motiviert. Vermutlich schöpft Plutarch hier wieder aus der Hell. Oxy.-Tradi-tion, vgl. auch die weitreichenden panhellenischen Erfolge des Alkibiades bei Nep. Alcib. 7,4: manuque conlecta primus Graecae civitatis in Thraeciam introiit, gloriosius existimans barbarorum praeda locupletari quam Graiorum. Bei Nepos (7,5) wird weiter geschildert, wie Seuthes sich wegen dieser Erfolge mit Alkibiades verbündet: Qua ex re creverat cum fama tum opibus, magnamque amicitiam sibi cum quibus regibus Thraeciae peperat. Im Tenor ähnlich SCHÄFER (1949/50), 299.

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überhaupt erst aus diesen Feldzügen gegen die königslosen Thraker ergeben haben soll. Die thrakische Karte, die Alkibiades im Kampf gegen Sparta gezogen haben soll, ist vielleicht ein Anachronismus, der vor dem Hintergrund der Bedeutung zu verstehen ist, die die thrakischen Dynasten und ihre Sonderbeziehungen zu Strategen wie Charidemos in der Politik der 60er Jahre des vierten Jahrhunderts hatten.

Das Angebot, das Alkibiades vor der Schlacht von Aigospotamoi den athenischen Strategen gemacht haben soll, ist demnach in der Form, in der es von Diodor in seinem Bericht referiert wird, in seiner Historizität eher frag-würdig. Dies läßt nun auch gewisse Zweifel an der Historizität der Gegen-forderung zu, nämlich der Bitte des Alkibiades, an der Flottenfuhrung beteiligt zu werden: διότΐΐρ αυτούς ήξίου μ^ταδοΰναι της ήγβμονίας108. Eine solche Bitte äußert Alkibiades bei Xenophon nicht. Doch lassen sich Beziehungen zur Antwort erkennen, die die Strategen im Bericht Xenophons dem Alkibiades auf seine Ratschläge hin geben, daß nämlich nicht er kommandiere, sondern sie jetzt die Strategen seien109. Bittet also in der Alternativtradition Alkibiades um seine Beteiligung an der Strategie, wird er bei Xenophon umgekehrt demonstrativ aus dem Kriegsrat der Strategen ausgeschlossen. Dabei dürfte es die Vorlage Diodors gewesen sein, die die Antwort der Strategen in eine Forderung des Alkibiades umgemünzt hat, nicht umgekehrt Xenophon, der einen auch den Hell. Oxy. vorliegenden Bericht mißverständlich kontrahiert. Diodor berichtet nämlich in gleicher Weise wie Xenophon (und partiell wörtlich übereinstimmend) von der Aufforderung der Strategen an Alkibiades110, das Lager zu verlassen. Dann fährt er aber abweichend von Xenophon mit der Erzählung fort, die Strategen (also nach seiner Erzählung Konon und Philokles) hätten Angebot und Forderung des Alkibiades abgelehnt, weil sie der Ansicht gewesen seien, Alkibiades werde im Falle eines Sieges den Ruhm für sich allein in Anspruch nehmen, während sie die Schmach einer eventuellen Niederlage

108 Diod. Xm 105,3. 109 Xen. Hell. II 1,26: αύτοί γαρ vüv στρατηγείν, ούκ έκεΐνον. 110 Xen. Hell. Π 1,26: άπιέναι αυτόν ¿κέλευσαν; Diod. ΧΙΠ 105,4: Ταχέως αυτόν ¿κέλευσαν άττιέναι καΐ μηκέτι. προσεγγίζει ν τω στρατοπέδω.

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tragen müßten111. Diese Befürchtungen der Strategen verraten wieder die Handschrift einer Quelle, die die Handlungen ihrer Akteure in umständlicher Weise motivierte. Sie sind darüberhinaus von den eigentümlichen Zügen, mit denen die Diodorvorlage die Reaktion der Athener auf den Seesieg von Kyzikos und auf die Rückkehr des Alkibiades dargestellt hat, kaum zu trennen. Obgleich nämlich der Erfolg von Kyzikos, aber auch die Rückeroberung der Städte Byzanz und Kalchedon das Ergebnis einer gelungenen Kooperation zwischen den Strategen Alkibiades, Thrasybulos und Theramenes gewesen sein soll, soll es Alkibiades durch seine Popularität und seinen breiten Anhang bei allen Vermögensschichten ohne weiteres gelungen sein, allein den gesamten Ruhm zu ernten"2. Erweisen sich damit die angeblichen Befürchtungen der Strategen vor allem als die Wiederholung schon im Zusammenhang mit der Darstellung der Schlacht von Kyzikos und ihrer Folgen benutzter Elemente, dürfte auch die angeblich kurz vor Aigospotamoi erhobene Forderung des Alkibiades, erneut durch die Flotte zum Strategen erhoben zu werden, lediglich aus den analogen Ereignissen des Jahres 411 gesponnen worden sein, als Alkibiades von den demokratischen Flottenfuhrem nach Samos geholt wurde.

Von den beiden Berichten über die Begegnung zwischen Alkibiades und den Strategen, die bei Xenophon bzw. der Diodorquelle zu entdecken und die zweifelsohne nicht unabhängig voneinander entstanden sind, ist daher für die historische Beurteilung derjenige Xenophons vorzuziehen. Alkibiades muß angesichts der unklugen Taktik der Strategen diesen geraten haben, die Position von Aigospotamoi aufzugeben und sich nach Sestos zu begeben, um von dort aus die in Lampsakos stationierte Flotte des Lysandros ohne Verpflegungs-

111 Diod. XIII 105,4: ol Sè των ' Α&ηναίων στρατηγοί νόμισα vre ς τών μέν ελαττωμάτων έαυτοίς τήν μέμψιν άκολουθήσειν, τα δ ' επιτεύγματα προσάψει ν άπαντας ' Αλκιβιάδη (...). Aus der gleichen Grundquelle hat Nep. Alcib. 8,4 noch ein zu-sätzliches Detail, nämlich die Frage nach der Autorität beim Heer: Philocles (...) sentiebat se Alcibiade recepto nullius momenti apud exercitum futurum et, si quid secundi evenisset, nullam in ea re suam partem fore contra ea, si quid adversi accidisset, se unum eius delieti futurum reum. Zu den Gemeinsamkeiten vgl. ZAGARIA (1980), 305. Daß bei Nepos allein Philokles eine Beteiligung des Alkibiades ablehnt, könnte die Grundquelle besser wie-dergeben als Diodor, bei dem auch Konon an der ablehnenden Antwort beteiligt ist. Die Konon-Legende hat nämlich eher die Zusammenarbeit zwischen Alkibiades und Konon betont, vgl. 499 f. 112 Vgl. o. 70 und 483, Anm. 151.

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Probleme beobachten zu können. Natürlich wurde Alkibiades dabei nicht nur von der guten Absicht geleitet, seiner Vaterstadt zu helfen, sondern letztlich vom Ehrgeiz, durch seine Ratschläge seine Popularität im Heer und in der Stadt zu steigern und damit seine Rückkehr vorzubereiten (ohne daß er deshalb konkret bereits einen Strategen-Posten für sich einforderte). Die Möglichkeit, auf die Flottenoperationen und die athenische Kriegführung Einfluß zu nehmen, hatte er letztlich schon durch die keineswegs zufällige Wahl seines Exilorts an der strategisch entscheidenden Hellespontroute vorbereitet, wo er früher oder später in Kontakt mit der athenischen Flotte kommen mußte.

Die athenischen Strategen wurden durch die Ankunft und die Ratschläge des Alkibiades in große Verlegenheit gebracht. Weil das Strategenkollektiv be-wußt von der Volksversammlung für die Führung der erwarteten großen See-schlacht eingesetzt und damit die Rückberufimg des Alkibiades verhindert worden war, mußten die Strategen - und unter ihnen gerade ein ehemaliger Of-fizier des Alkibiades wie Menandros"3 - den Eindruck vermeiden, irgendwel-chen Eingebungen des Alkibiades zu folgen und damit letztlich seine (von einer Mehrheit der Athener zu diesem Zeitpunkt nicht erwünschte) Rückkehr mit vorzubereiten. Eben diese Abwehrhaltung zwang freilich die Strategen, sich auf ihr eigenes, offenkundig taktisch verfehltes Konzept um jeden Preis zu ver-steifen und weitere Tage am ungünstigen Strand von Aigospotamoi zu ver-bringen. So hat die innenpolitische Kontroverse, aus der heraus die Strategen den sachlich begründeten Ratschlag des Alkibiades wider besseres Wissen nicht anzunehmen wagten, letztlich die kampflose und überraschende Niederlage der Athener bei Aigospotamoi verursacht. Wenn die Schlacht von Aigospotamoi ein Desaster war, das durch die fehlerhafte Führung der (durch politische Rücksichten gebundenen) Strategen verursacht wurde, wird damit die Analyse des Thukydides bestätigt, innenpolitische Rivalitäten hätten die Polis zu Fall ge-bracht.

113 Menandros und Tydeus wandten sich besonders heftig gegen Alkibiades, allerdings im Namen aller Strategen, vgl. Xen. Hell. Π 1,24.

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2. Ausblick: Innenpolitik und Kriegführung nach Aigospotamoi

a) Volksversammlung und Rat im Widerstand gegen die Kapitulation

403 wurde aus der Erfahrung mit der Oligarchie der Dreißig das Gerücht verbreitet, bereits die Niederlage von Aigospotamoi sei das Ergebnis demo-kratiefeindlicher Umtriebe gewesen, indem die späteren Oligarchien in der Seeschlacht alles daran gesetzt hätten, besiegt zu werden"4. In Wirklichkeit bedurfte es solcher Umtriebe nicht, sondern hatte allein die Rivalität von Gruppen, die eigentlich das gleiche Ziel der Rückeroberung und Sicherung der athenischen Arche verfolgt hatten, letztlich zur kampflosen Niederlage von Aigospotamoi gefuhrt. Auch nach der Katastrophe von Aigospotamoi standen sich keineswegs demokratische Anhänger einer Kriegspolitik und die Sympathisanten eines oligarchischen Verfassungsmodells, das durch den Frieden mit Sparta eingerichtet werden sollte, in einer offenen Auseinander-setzung gegenüber. Vielmehr bestand gerade in der Zeit nach der Katastrophe von Aigospotamoi zunächst eine relativ große innenpolitische Geschlossenheit, was die Fortsetzung des Kriegs betraf. Das läßt sich nicht so sehr aus den spärlichen Nachrichten über die unmittelbar nach Aigospotamoi anberaumte Nachwahl von Strategen vermuten, bei der Gegner des demokratischen Re-gimes nicht zum Zuge kamen115. Entscheidend ist vor allem die relativ gut doku-mentierte Reaktion der Volksversammlung, die einberufen wurde, nachdem die erste athenische Gesandtschaft zurückgekehrt war und die spartanischen Friedensbedingungen - nämlich die Zerstörung der langen Mauern - vorgestellt hatte.

Folgt man der Darstellung, die Lysias in seiner Rede gegen Agoratos von den Vorgängen Ende 405 gibt, soll Kleophon sich bei dieser Gelegenheit nicht nur im Namen einer Kriegspartei, sondern υπέρ υμών πάντων gegen die spartanischen Friedensbedingungen ausgesprochen und damit Zustimmung

114 Lys. XII 36: ο'ί Ιδιώται μέν δ ντε ς καθ ' δσον έδύναντο εποίησαν ήττηθηναι ναυμαχουντες. 115 Zur Strategenwahl nach Aigospotamoi vgl. Lys. XVIII4. Vgl. auch Lys. XIII 13; XXX 14.

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gefunden haben116. Von der gleichen Volksversammlung berichtet Xenophon, bei dem es allerdings den Anschein hat, als sei das Verbot, über die Friedens-bedingungen zu beraten, durch die Einschüchterung anders Gesonnener zu-stande gekommen117. Die historische Realität wird in der Mitte zwischen diesen beiden Versionen liegen, während die gewalttätigen Drohungen Kleophons, von denen Aischines berichtet, eher in den Bereich der politischen Karikatur gehören11'.

Es bedurfte keiner terroristischen Einschüchterung, um die Gründe, die Kleophon zum Widerstand gegen die Zerstörung der langen Mauern bewogen11®, vielen Athenern nachvollziehbar erscheinen zu lassen. In Mytilene hatte nämlich Kallikratidas die gefangenen Athener in die Sklaverei verkauft, und Lysandros hatte in Lampsakos vielleicht dreitausend Athener hinrichten lassen. Die Athener mußten für sich mit dem gleichen Los rechnen, das sie Melos und anderen Städten zugefugt hatten, ein Motiv, das bei Xenophon nicht von ungefähr gleich dreimal erwähnt wird120. Daß Sparta aus machtpolitischen Gründen letztlich doch gegen den Wunsch Thebens und Korinths an der Weiter-

116 Lys. XIII 8. Vgl. auch Lys. XIII 12: δτι άντειττεν ùirèp υμών μή καθαιρεί^ τα τείχη. 117 Archestratos wurde im Rat in Haft genommen (Xen. Hell. Π 2,15), ferner wurde von der Mehrheit ein Psephisma beschlossen μή έξείναι περί τούτων συμβουλεύει ν (Xen. Hell. Π 2,15). Daß LEHMANN (1972), 204 zufolge die Beratung der von Sparta gestellten Hauptbedingung „zum todeswürdigen Verbrechen" deklariert wurde, kann eindeutig nur an den überzeichneten Ausführungen des Aischines ausgemacht werden, nicht aber an dem trotz demokratiekritischer Haltung doch objektiveren Bericht Xenophons, der sich zu den Sanktionen ausschweigt. 118 Aischin. II 76 und III 150, vgl. dazu 394, Anm. 36. Die Behauptung, einige hätten Kleophon noch in den Fußfesseln eines Sklaven gesehen (Aischin. Π 76), paßt zu der in der Komödie verspotteten angeblichen thrakischen Herkunft. 119 Aus Lys. ΧΠΙ 8 geht eindeutig hervor, daß es beim Widerstand Kleophons nur um das Problem der Mauem (περί τών τειχών της κατασκαφής) ging. Kleophon versuchte keineswegs jeden Friedensschluß zu verhindern, sondern nur denjenigen, der Athen völlig an Sparta auslieferte. Tendenziös verzerrt ist daher die Behauptung von Aischin. II 76, Sparta habe den Besitz von Lemnos, Imbros und Skyros zugestanden und nur die Abtretung der übrigen Arche geboten. Bei der Darstellung des Auftritts Kleophons ist Aischines von der Komödie beeinflußt, vgl. auch zu Aristot. AP 34,1 o. 397. 120 Xen. Hell. Π 2,3; 10; 15.

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existenz Athens interessiert sein würde'21, konnte nach der Niederlage von Aigospotamoi niemand ahnen, und so versetzte man die Stadt in Verteidigungs-bereitschaft.

Die Einsicht, daß man Frieden schließen müsse, war zwar angesichts der Realitäten durchaus vorhanden. Das beweisen schon die Regelungen der Isopolitievereinbarung mit Samos, die bald nach Aigospotamoi unter dem Eindruck des Abfalls aller übrigen Bündner und der von Samos erwiesenen Treue festgesetzt wurden und in denen man bereits von der Eventualität eines Friedensschlusses ausging122. Allerdings wollte man den Frieden nicht um jeden Preis schließen. Vielmehr hoffte man, durch eine Verlängerung des Widerstands die Verhandlungposition verbessern zu können, sobald die nautisch uner-fahrenen Spartaner mit den Schwierigkeiten der •winterlichen Blockade zu kämpfen hatten123. Möglicherweise hoffte man sogar, daß die persische Politik angesichts der drohenden spartanischen Übermacht wieder eine Wende nahm124.

Erst als die Getreidevorräte erschöpft waren, hatte man eine erste Ge-sandtschaft zu Agis und nach Sparta geschickt, die mit dem enttäuschenden Bescheid zurückkehrte, daß Sparta die Preisgabe der Langen Mauern verlangte125. Da man unter diesen Umständen die völlige Auslieferung Athens an Sparta und damit die Versklavung befürchtete, wurde die Beratung über einen Frieden mit diesen Bedingungen durch einen von Kleophon inspirierten Volksversammlungsbeschluß verboten. Gleichzeitig entschloß sich die Volks-versammlung allerdings dazu, Theramenes zu Lysandros zu schicken, um zu erfahren, welche Absichten Lysandros mit der Zerstörung verband, und um

121 Die Feststellung der Athener im Melierdialog, daß die Lakedaimonier den Besiegten gegenüber „nicht sehr schrecklich sein würden", ist von Thukydides (V 91,1) natürlich ex eventu formuliert worden. Zum angeblichen Orakel nach Aigospotamoi (Schol. Aristid. 341; Ael. h. v. IV 6; Athen. V 187 d) Athen, die κοινή έστία τής Ελλάδος, nicht zu zer-stören, vgl. PRITCHETT (1979), 314. Es belegt auf keinen Fall eine aktuelle Diskussion um die Schonung Athens. 122 IG I3127, Z. 14 und 21. 123 BUSOLT (1904), 1625. 124 Diese Erwartungen können allerdings kaum an konkrete Nachrichten über den Gesund-heitszustand Dareios' II. geknüpft gewesen sein, der im Winterhalbjahr 405/404 starb, vgl. BRIANT (1996), 617. 125 Entsendung einer ersten Gesandtschaft zu Agis und nach Sellasia: Xen. Hell. II 2,12-14.

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nach glimpflicheren Friedensbedingungen zu sondieren126. Theramenes muß -sonst hätte man ihn kaum beauftragt - in der Öffentlichkeit die gleichen strategischen Ziele vertreten haben wie Kleophon, auch wenn er insgeheim sich auf die Sicherung seiner Position in einem künftig von Sparta beherrschten Athen vorbereitete.

Kleophon verfügte mit seiner Politik, den Widerstand fortzusetzen, über einen breiten Rückhalt in der Volksversammlung. Aber auch die Boule, die die Verteidigungsmaßnahmen koordinierte und wegen der krisenhaften Heraus-forderung an Bedeutung und Autorität gewonnen hatte, hatte sich darauf fest-gelegt, die Stadt bis zum äußersten zu verteidigen127. Die Formierung und das offene Auftreten einer oppositionellen Friedenspartei war unter diesen Um-ständen nicht möglich. Selbst als die lange Dauer der Blockade mehr und mehr die Widerstandskraft Athens unterminiert hatte, wagten es weder die Oligarchien noch die immer größer werdende Fraktion derer, die eine Kapitulation für un-vermeidlich hielten, mit offenen Karten zu spielen. Vielmehr nutzten die in der Boule tätigen oligarchischen Verschwörer das juristische Instrumentarium der wehrhaften Demokratie, indem Kleophon wegen unerlaubten Verlassens des Wachdienstes zum Tode verurteilt wurde128.

Dabei läßt sich vermuten, daß sich viele Ratsmitglieder durch die Ver-schwörer Satyros und Chremon hinters Licht fuhren ließen, weil diese sich als um die Vaterlandsverteidigung besorgte Demokraten verstellten129. Eine gewisse

126 Lys. X m 8: Theramenes kündigt an, daß er auf die Erhaltung der Mauern hinarbeiten werde, vgl. Lys. XII 68. Xen. Hell. Π 2,16 berichtet wohl zutreffender, Theramenes habe bei Lysandros erkunden wollen, ob die Spartaner mit der Forderung, die Mauern einzureißen, wirklich vorhätten, die Stadt zu versklaven. KRENTZ (1982), 34 f. gibt Lys. XIII (sofortige Entsendung als bevollmächtigter Gesandter, dessen Auftrag wesentlich bedeutender war als bei Xenophon dargestellt) wegen der Parallele mit P. Michigan 5982 hier zu Unrecht den Vorzug, vgl. vielmehr gegen die Version des Lysias LEHMANN (1972), 205; W. J. MCCOY, Aristotle's Athenaion Politela and the Establishment of the Thirty Tyrants, YC1S 24, 1975, 135, Anm. 18. Daß die Athener einerseits sich in ihrem Kurs von Kleophon führen ließen, auf der anderen Seite aber bald darauf Theramenes zu Sondierungen ausschickten, bedeutet keinen Widerspruch. 127 Das geht daraus hervor, daß der Rat Archestratos, der sich für die Annahme der Friedensbedingungen ausgesprochen hatte, verhaften ließ, vgl. Xen. Hell. II 2,15. 128 Lys. ΧΙΠ 12. 129 Maßgebliche Initiative des Satyros und Chremon: Lys. XXX 12 f. Die Verschwörer sollen mit konspirativen Mitteln dafür gesorgt haben, daß das Dikasterion, das über Kleo-

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Rolle müssen dabei auch die zunehmenden Spannungen zwischen Kleophon und dem Rat gespielt haben, die die Bereitschaft im Rat wachsen ließen, Kleophon abzuurteilen. Der Rat, der die Verteidigungsmaßnahmen zu koor-dinieren hatte, wollte die Querschüsse Kleophons nicht dulden, der die unter Ausschluß der Öffentlichkeit getroffenen autoritären Entscheidungen in der Volksversammlung attackierte130. In der gereizten Atmosphäre der belagerten Stadt scheinen diese Spannungen bis hin zum offenen, tumultuarisch ausgetra-genen Zwist gefuhrt zu haben, den der Rat dann nur noch durch die Hinrichtung Kleophons glaubte bewältigen zu können131. Weil einige Zeit später, nach der Kapitulation, der Rat eingeschüchtert und gezwungen wurde, an der Etablierung des Regimes der Dreißig mitzuwirken, mochte es im Rückblick so erscheinen, als ob dieser Konflikt zwischen Kleophon und dem Rat ideologischen Charakter hatte132. Dagegen spricht, daß selbst nach der Kapitulation die Oligarchen immer

phon zu urteilen hatte, die „richtige" Zusammensetzung hatte (Lys. XIII 12 und XXX 12). Dies geschah über eine Sonderregelung, derzufolge das Gericht partiell von der Boule be-schickt wurde (Lys. XXX 11: τήν βουλήν συνδικά^ιυ) . Nun war allerdings Nikomachos, der die Gesetzesvorlage für eine Abordnung von Ratsvertretern in das Dikasterion lieferte, gegen den Eindruck, den Lysias hervorrufen will, kein oligarchischer Verschwörer, sondern konnte nach 403 weiter als Anagrapheus tätig bleiben. Die Beteiligung von Bouleuten an einem Dikasterion, das über die militärische Verfehlung Kleophons entschied, läßt sich zunächst als eine Erweiterung der Kompetenzen der Boule beschreiben, die der Koordi-nierung der Verteidigungsanstrengungen dienen sollte. 130 Vgl. die gegen den Rat gerichtete Äußerung des Kleophon in Lys. XXX 10: σ υ ν εστάναι καΐ ού τα βέλτιστα βουλεύειν tt¡ πόλα . Sie dürfte am ehesten in einer Volksversammlung gefallen sein. 131 Xen. Hell. I 7,35: στάσεως τίνος γενομένης, έν ή Κλεοφών άπέθανεν. Nach Bu-SOLT (1904), 1632 f. führte erst die Hinrichtung des Kleophon zum Tumult. Der Wortlaut Xenophons legt aber die hier vorgeschlagene Ursachenverknüpfung nahe. 132 Angesichts des Verhaltens gegen Archestratos ist eine frühe oligarchische Orientierung des Rats ausgeschlossen. Daß etwa im Beschluß für die Samier IG Ρ 127, Ζ. 6 das gesamte Prytanenkollegium als Antragsteller auftritt, hat mit oligarchischen Tendenzen noch nichts zu tun, vgl. gegen R. A. DE Laix , Probouleusis at Athens. A Study of Political Decision Making, Berkeley 1973, 104 f., der hier allerdings nur eine vorsichtige Hypothese äußert, zuletzt KOCH (1993), 68, Anm. 26. Eindeutig auf der Linie der (zunächst ja als Syngra-pheis-Gremium bestellten) Dreißig lag der (durch die oligarchischen Hetairien einge-schüchterte) Rat erst unmittelbar nach der Kapitulation in der Behandlung der Ver-schwörung der Strategen und Taxiarchen, vgl. Lys. ΧΠΙ20-42. Daß allerdings die unter den Dreißig dann neu eingesetzte Boule (vgl. Aristot. AP 35,1; Xen. Hell. II 3,11; Diod. XIV 4,2) personell großenteils mit derjenigen von 405/404 identisch war, wie Lys. ΧΠΙ 20 be-hauptet, ist keineswegs sicher, da in ΧΠΙ 74 behauptet wird, diese Boule habe großenteils

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noch auf ein konspiratives Vorgehen gegen die demokratischen Institutionen angewiesen waren133. Am Anfang des Jahres 404 dürfte somit nicht nur in der Volksversammlung, sondern auch noch im Rat eine Mehrheit weiterhin dafür eingetreten sein, im Kampf gegen Sparta durchzuhalten und abzuwarten, bis Theramenes mit glimpflicheren Bedingungen von seiner Mission zurückkehrte.

b) Das Psephisma des Patrokleides

Daß der Widerstand lange Zeit von einer großen Mehrheit der Athener unterstützt wurde, berücksichtigten auch die oligarchischen Verschwörer, die sich in der belagerten Stadt auf die Übernahme der Stadt durch Sparta und auf die Beseitigung der Demokratie vorbereiteten. Im Unterschied zur Vorberei-tungsphase des oligarchischen Umsturzes von 411 verzichteten die Verschwörer 404 auf die offene Forderung, das demokratische System zu reformieren. Selbst nach der Kapitulation scheinen Reformvorstellungen von der πάτριος πολιτεία entgegen den Angaben des Aristoteles keine Rolle gespielt zu haben134, sondern man betrieb die Einrichtung einer von Sparta abhängigen Oligarchie, ohne daß die Bevorzugung der in der radikalen Demokratie besonders belasteten „liturgie class" programmatische Bedeutung hatte.

Dieser Befund mag erstaunlich erscheinen, da gerade in den letzten Jah-ren des Dekeleischen Kriegs der vermögendere Teil der Bürgerschaft in hohem Maße belastet und von demagogischer Seite die Entsolidarisierung von Hopliten und Theten dadurch forciert worden war, daß gerade nach dem freiwilligen Exil des Alkibiades eine neue Welle der Verfolgung gegen ehemalige Anhänger der Vierhundert einsetzte. Der Anonymus in Lysias XXV berichtet, das Dreigespann Demophantos, Kleigenes und Epigenes habe - anscheinend bis

aus den ehemaligen Vierhundert bestanden, die in ihrer Masse erst nach der Kapitulation von 404 aus dem Exil zurückgekehrt waren. 133 Die fünf von den Hetairien bestellten Ephoren waren ein geheimer Ausschuß, der nicht wie von Lys. ΧΠ 43-45 behauptet, unmittelbar nach Aigospotamoi, sondern erst nach der Kapitulation aktiv wurde, da der unter der Demokratie verbannte Kritias zu ihm gehörte, vgl. BLANK (1911), 45-47 und LEHMANN (1972), 211, Anm. 26. 134 Aristot. AP 34,3.

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unmittelbar vor der finalen Katastrophe - in immer neuen Prozessen dafür gesorgt, daß einige ohne Urteil hingerichtet, andere enteignet, verbannt oder mit der Atimie belegt worden seien135. Wegen dieser Prozesse wandte sich Aristophanes in seinen Fröschen schon vor der Seeschlacht von Aigospotamoi gegen den , Affen" und Sykophanten Kleigenes und erhob offen die Forderung nach Amnestie für die an den Vierhundert Beteiligten136. Dabei war die Betei-ligung an den Vierhundert nur einer von vielen Anklagepunkten, die allein oder kombiniert mit anderen Vorwürfen vorgebracht werden konnten, deren Verfolgung die „Sykophanten" ebenfalls als Sachwalter des Interesses des Demos erscheinen ließ137. Andokides nennt eine ganze Serie dieser Delikte, die mit dem Entzug der Bürgerrechte geahndet wurden, etwa Schulden gegenüber der Staatskasse aufgrund nicht gezahlter Geldstrafen oder eines nicht bezahlten Pachtzinses sowie bestimmte Dienstvergehen wie die άστρατήα oder die Weigerung, mit seiner Triere in den Kampf zu ziehen (¿ναυμαχία)138. Wie tief

135 Lys. XXV 25. Vgl. hierzu o. 429-432. 136 Aristoph. Ran. 708 f. mit DOVER (1993), 280. In Ran. 687-699 wird nur die Forderung nach der Aufhebung der Atimie für die an den Vierhundert Beteiligten erhoben, während das Patrokleides-Dekret neben der von Aristophanes erwähnten Personengruppe auch andere Kategorien von Atimoi umfaßt. Die Meinung von RADERMACHER (1921/1954) 242f., Aristophanes habe V. 687 ff. zunächst die an den Vierhundert beteiligten und ab 692 ff. allgemein die Atimoi gemeint, also zwei, auf verschiedene Sachverhalte zielende Ratschläge erteilt, ist nicht akzeptiert worden, vgl. HEATH (1987), 19f.: „amnesty for those disfranchised for their part in the oligarchic coup of 411 (688-705)"; HUBBARD (1991), 207. Anders wiederum M. CROISET, Aristophanes and Political Parties at Athens, translated by J. Loeb, London 1909, 155-157. Zunächst erteile Aristophanes den Rat, die Furcht vor Beschuldigungen zu beseitigen, dann generell die άπμία unter den Bürgern zu beseitigen. Vgl. jetzt auch MACDOWELL (1995), 286. 137 Vgl. hierzu 441. 138 Andok. I 73-76. Zu den verschiedenen Kategorien der durch das Patrokleides-Psephisma (Andok. I 77-79) erfaßten Fälle, die insgesamt auf eine fortgeschrittene Verschriftlichung und auf die Existenz zahlreicher Listen verweist, vgl. BOEGEHOLD (1992), passim. Daß die-se auf Listen erfaßten Personen in einen Gegensatz zur bestehenden Verfassung gebracht wurden, war natürlich als Gefahr präsent. Verschuldung, Verfehlungen, Atimie etc. werden bereits von Antiph. Apol. Fragm. I als Gründe dafür genannt, daß jemand nach „einer anderen Staatsverfassung als der bestehenden" strebt. In [Xen.] AP III 12 f. wird auf die zahlreichen Atimoi hingewiesen, die allerdings nicht als Gefahr für das demokratische System empfunden werden. Von der Amnestie nicht erfaßt waren die auf einer Stele verzeichneten ol μή ένθάδ€ μείναντες, zu denen neben Oligarchen von 411 auch Verurteilte wie der Hellenotamias Aristodemos von Bate gehörten, die sich erst später den Oligarchen anschlossen ([Plut.] Vit. X orat. 841 b). Da diese mit den Lakedaimoniem in

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die Verbitterung begüterter Kreise reichte, zeigt sich darin, daß nach der Nieder-lage von Aigospotamoi die Hinrichtung der Sykophanten anscheinend von einer großen Zahl von Athenern begrüßt wurde139.

Allerdings war es kaum diese Erbitterung über die Schlechtigkeit der Sykophanten, die die Demokratie zu Fall gebracht hat140. Gerade die Verschwö-rung der Strategen und Taxiarchen, die in letzter Minute die Rettung der Demo-kratie anstrebte, hatte ja ihr soziopolitisches Fundament eher in den Kreisen, die zu den Opfern der Sykophanten gehörten141. Offenkundig hatte das oft als letzte vergebliche Maßnahme dargestellte Patrokleides-Psephisma durchaus einen gewissen Erfolg gehabt und zur Solidarisierung der gesellschaftlichen Großgruppen beigetragen142. In seiner XXV. Rede beschreibt Lysias in Anspielung auf dieses Dekret, wie die Demokratie sich in der Lage zeigte, durch die Wiederaufnahme der Verbannten, durch die Aufhebung der Atimie und durch Homonoia-Eide die Auswirkungen der sykophantischen Umtriebe der Demagogen Kleigenes, Demophantos und Epigenes zu korrigieren und großzügig die Straflosigkeit denjenigen, die in der „Oligarchie ein Amt

Dekeleia kooperiert hatten, hätte ihre Amnestierung ein großes Sicherheitsrisiko bedeutet. An ältere Tyrannen- und Amnestiegesetzgebung knüpft dagegen die Ausgrenzung der τύραννοι an, vgl. auch Plut. Sol. 19,4. Auch bei der Amnestie von 413 (Marcellinus vit. Thuc. 32-34; FGrHist 328 F 137) war die Ausnahmeklausel ττλήν των Πεισιστρατιδων festgesetzt, vgl. zur Historizität allerdings J. M. STAHL, Über eine angebliche Amnestie der Athener, RhM 39, 1884,458-465. 139 Vgl. Lys. XXV 19; Xen. Hell. Π 3,12; Aristot. AP. 35,3. Als gegen die Sykophanten und Kleophon gerichtete Aufforderung versteht SALVIAT (1989), 181 Aristoph. Ran. 735: χρησθε τοις χρηστοίσιν αύθις. Zur Aussage des Antepirrhema der Parabase (Aristoph. Ran. 717-737) vgl. auch RADERMACHER (1921/1954), 245-249: Der Staat verstehe es nicht, die richtige Männer für die Staatsführung zu benutzen. Ähnlich jetzt auch MACDOWELL (1995), 287 f. Andere Interpretation bei LEHMANN (1972), 204 (Bezug auf die 411 irre-geführten Mitbürger). Zur Deutung der Beziehungen dieser Aussage der Parabase mit dem Statement des Euripides in Ran. 1442-1450 vgl. SOMMERSTEIN (1996), 289 f. 140 So aber Lys. XXV 27. Vgl. WEISSENBERGER (1987), 131. Wider besseres Wissen erfolgt diese Behauptung, weil kurz zuvor die mildernden Wirkungen des Patrokleides-Psephisma beschrieben werden, vgl. u. 612, Anm. 143. 141 Lys. XXX 14 nennt namentlich Strombichides und Kalliades sowie έτεροι πολλοί και καλοί κάγαθοί τών πολιτών. Zur demokratischen Loyalität des Strategen Eukrates vgl. Lys. X V m 4 f. 142 Wortlaut des Psephisma in Andok. I 77-79, vgl. ferner Xen. Hell. Π 2,11 ; Lys. XXV 27 sowie den Kommentar bei Andok. I 76 und 80. Zum Zeitpunkt des Psephismas vgl. DROYSEN (1873), 24-27.

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innegehabt hatten", zuzubilligen143. Und Xenophon bringt sogar die Verlänge-rung des militärischen Widerstands ausdrücklich mit dem Psephisma in Verbin-dung: τους άτΙμους επίτιμους ποιήσαντες έκαρτέρουν144.

Das Patrokleides-Psephisma trug also seinen Teil dazu bei, daß die Er-bitterung der begüterteren Kreise nicht in Systemopposition zur Demokratie umschlug und daß die Entsolidarisierung von Armen und Begüterteren trotz der bevorstehenden extremen Herausforderungen eingegrenzt wurde. Aus diesem Grund sind auch Interpretationen verfehlt, die das Patrokleides-Psephisma und die schon vor Aigospotamoi erhobenen Amnestieforderungen in die Vor-geschichte des oligarchischen Umsturzes einordnen. Salviat zufolge soll das Patrokleides-Psephisma als eine erste Maßnahme zur Vorbereitung des oligar-chischen Umsturzes gedient haben. Und die zweite Auffuhrung der aristopha-nischen Frösche soll Anfang 404 auf Betreiben oligarchischer Hetairien nur deshalb stattgefunden haben, weil die (im Patrokleides-Psephisma dann reali-sierte) Aufforderung zur Amnestierung der Vierhundert die eigenen Umsturz-pläne förderte145. In Wirklichkeit ist aber wohl eine gegenteilige Einschätzung

143 Lys. XXV 27: ύμεις δέ οϋτως διετέθητε ώστε τούς μέν φεύγοντας κατεδεξασθε, τούς δ ' άτιμους έπιτίμους € ποιήσατε, τοις δ ' άλλοις περί όμονοίας δρκους ώμνυτε ' τελευτώντες δε ήδιον dv τούς έν τη δημοκρατίςι συκοφαντουντας έτιμωρήσασθε ή τούς άρξαι/τας έν τη όλιγαρχίςι. Daß die Verbannten zurückberufen wurden, ist trotz der Ausführungen in Andok. I 80 insofern richtig, als im Patrokleides-Pse-phisma nur die Verbannten ausdrücklich ausgeschlossen blieben, deren Namen auf Stelen verzeichnet war (I 78). Die absichtlich überspitzende Bemerkung, die Sykophanten seien härter bestraft worden, als diejenigen, die in der Oligarchie ein Amt bekleidet hätten, geht von der letzten Bestimmung des Psephisma aus, derzufolge diejenigen, die noch eine Kopie der Liste von Atimoi bewahren sollten, wie flüchtige Mörder zu bestrafen waren. Auf das Patrokleides-Psephisma ist die Passage Lys. XXV 27 richtig bezogen von MEYER, GdA, 360, Anm. 2. Der Passage folgen Ausführungen über die Amnestie von 403 (XXV 28). 144 Xen. Hell. II 2,11. 145 Zweifelsohne zeigt sich Aristophanes (allerdings vor Aigospotamoi!) als ein Gegner des Kleophon. Ob er deshalb aber in irgendeiner Form der politischen Richtung zugehörte, die nach Aigospotamoi Kleophon ausschalten wollte, bleibt offen. Aristophanes ist im Zu-sammenhang mit dem Patrokleides-Dekret mit einer zweiten Aufführung der Frösche, aber auch in hochpolitischer Weise durch einen ίπαινος-Beschluß und einen Kranz vom heiligen ölbaum geehrt worden, da er in seinem Stück πολλά χρηστά der Stadt geraten habe, vgl. Aristoph. Ran. Hypothesis 1,39-40 Coulon und Aristoph. test. 1,35-39 Kassel-Austin. Die Annahme SOMMERSTElNs (1993), 461-469, daß die Angaben der Hypothesis letztlich den Text des Ehrendekrets widerspiegeln, ist im hohen Maße plausibel. Allerdings ist schon deshalb kaum anzunehmen, daß dieser Beschluß für einen Gegner Kleophons

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angebracht: Der politische Ratschlag des Aristophanes und das im gleichen Geiste beschlossene Psephisma des Patrokleides dienten der Stabilisierung, nicht dem Sturze der Demokratie. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, daß das Psephisma mit einem feierlichen Homonoia-Eid verbunden war, der an den kollektiven Bürgereid des Demophantos-Psephisma anknüpfte und später als Präfiguration des Versöhnungseids von 403 gelten konnte146.

Der Beschluß, die Stadt in den Verteidigungszustand zu versetzen, das Patrokleides-Psephisma und der Beschluß über die Verleihung der Isopolitie an die Samier beweisen in gleicher Weise wie die Maßnahmen nach der Ein-schließung Konons in Mytilene, daß die Ekklesia der attischen Demokratie gerade in einer extremen Krisensituation zu konstruktiven Entscheidungen fähig war. Das konnte den durch politische Fehler verschuldeten Verlust der Flotte allerdings kaum aufwiegen, der die Kapitulation Athens unausweichlich ge-macht hatte. Die Illusion, den Krieg noch gewinnen zu können, kann aber in Athen nach Aigospotamoi ohnehin niemand mehr gehabt haben, sondern der Widerstand erfolgte aus der Hoffnung heraus, wenigstens die Langen Mauern erhalten zu können. Im nachhinein erscheint dieser Widerstand wenig sinnvoll, wenn auch die Furcht vor der Versklavung und die Hoffnung auf diplomatische Wendungen ihn partiell nachvollziehbar machen. Vor allem muß offen bleiben, ob nicht auch das demokratische Regime zum rechtzeitigen Einlenken bereit gewesen wäre, wenn Theramenes seine Mission korrekt erfüllt und innerhalb weniger Wochen von der Unerbittlichkeit der spartanischen Absichten berichtet hätte. Aber Theramenes ließ sich absichtlich Zeit, weil er ebensowenig an einem vernünftigen Einlenken der Polis interessiert war wie die radikalen Kriegsbefiirworter um Kleophon. Vielmehr wollte er, daß die Ausnahme-

gewissermaßen den Sturz dieses Politikers mit vorbereitet haben soll, da es ja fur die Oligarchen darauf ankam, den Kleophon zu überraschen. Vollends ausgeschlossen ist die Annahme von SALVIAT (1989), 181, die Parabasis sei erst nach dem Patrokleides-Dekret entstanden und fordere über dieses hinausgehend die Rückkehr der Vierhundert. Das ist deshalb unwahrscheinlich, weil das Stück ja gerade διά τήι> έν αϋτω παράβαση zum zweiten Mal aufgeführt worden sein soll, und es ausgeschlossen ist, daß gerade die Parabase dann völlig überarbeitet wurde. 144 Andok. I 76: πίστιν άΧΧήλοις περί όμονοίας δούναι èv άκροπόλει. Vgl. Lys. XXV 27: τοις δ ' άλλοις περί όμονοίας δρκους ώμνυτε. Lysias leitet im folgenden zur Amnestie von 403 über.

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bedingungen der Belagerung künstlich verlängert wurden und daß die Zwistigkeiten innerhalb der belagerten Stadt wuchsen, die die demokratische Ordnung destabilisieren mußten.

Die thukydideische Diagnose, die Athener hätten durch innere Zwistig-keiten die Niederlage herbeigeführt, gilt in der Hauptsache zwar für die politi-schen Entwicklungen bis Aigospotamoi, in gewisser Hinsicht aber auch für die Politik zwischen Aigospotamoi und der Kapitulation. Denn die durch den Schock von Aigospotamoi begründete innenpolitische Geschlossenheit währte nur eine kurze Zeit. Die Bemühungen, durch einen Homonoia-Schwur dieser Geschlossenheit Dauer zu geben, führten zwar dazu, daß viele Angehörige der begüterten Elite weiter an der Sache der Demokratie festhielten. Aber die Aus-sicht, bald unter der Herrschaft der Spartaner zu stehen, gab der 411 diskredi-tierten oligarchischen Bewegung wider Erwarten die Möglichkeit, konspirativ den Umsturz herbeizuführen, etwa durch das desintegrierende Mittel des politi-schen Prozesses. Dabei wirkten die vor Aigospotamoi ausgetragenen Parteien-kämpfe der restaurierten Demokratie nach und trugen insofern zum Erfolg des Umsturzes bei, als Theramenes, der aus dem Arginusenprozeß nur mit äußerster Not als Sieger hervorgegangen war und beim Fortbestand des demokratischen Regimes einen Meinungsumschwung befürchten mußte, sich von der Mit-wirkung an der oligarchischen Bewegung größere politische Überlebenschancen ausrechnen konnte als von der Bewahrung der demokratischen Verfassung. Als die Volksversammlung ihn mit der Gesandtschaft zu Lysandros betraute, nutzte er diese Mission, um Lysandros zu versichern, daß die oligarchischen Ver-schwörer bereit waren, Athen seiner persönlichen Herrschaft auszuliefern. Die innenpolitischen Zwistigkeiten Athens führten nach Aigospotamoi nicht die ohnehin unausweichliche Kapitulation herbei, wohl aber den radikalen System-wechsel, der mit dieser Kapitulation einherging.

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