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Lode | COP-21, Paris Vereinte Nationen 4/2015 159 COP-21, Paris Auf dem Weg zu einem bindenden Klimaabkommen für alle Birgit Lode Wird 2015 das Jahr der Nachhaltigkeit? Im Septem- ber 2015 wollen die Vereinten Nationen globale Nachhaltigkeitsziele verabschieden, Ende des Jah- res kommen sie zu einer weiteren Klimakonferenz in Paris zusammen. Ein neues, für alle Staaten ver- bindliches Abkommen ist geplant, das der globa- len Erwärmung Grenzen setzt. Es soll anstelle des im Jahr 2020 auslaufenden Kyoto-Protokolls treten und die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels sicherstel- len. Die Chancen dafür stehen besser denn je. Das geplante Pariser Abkommen soll an die Stelle des im Jahr 2020 auslaufenden Kyoto-Protokolls 1 treten. Im Gegensatz zu Letzterem soll es für alle Vertragsparteien der UN-Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change – UNFCCC) 2 verbindliche Klimaschutzziele festlegen. Damit soll gelingen, das im Jahr 2010 auf der 16. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties – COP) in Cancún 3 vereinbarte Zwei-Grad- Ziel einzuhalten. Dies bedeutet, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf höchs- tens 2°C über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden muss. In den Monaten vor dem Gipfel in Paris wurde versucht, zu möglichst vielen Inhalten des Abkommens eine Einigung zu erzielen. In erster Linie ging es dabei um die Verankerung eines über- geordneten langfristigen Klimaschutzziels und um Klimaanpassungsmaßnahmen. Darüber hinaus stell- ten sich inhaltliche Fragen zu Finanzierung, Kapa- zitätsaufbau, Technologietransfer und -entwicklung, Transparenz und Unterstützung, aber auch Verfah- rensfragen betreffend den möglichen zeitlichen Rah- men, Institutionen und Prozesse, ebenso wie zur Um- setzung und Überprüfung der Einhaltung der Ver- einbarungen. Hinsichtlich sämtlicher Punkte erga- ben sich zudem Fragen zu ihrer möglichen rechtlichen Ausgestaltung. Von Rio über Berlin und Durban nach Paris Seit der 17. Vertragsstaatenkonferenz (COP-17), die im Jahr 2011 im südafrikanischen Durban stattfand, lautet das klare Mandat für Paris (›Durban Man- date‹), ein Protokoll, ein anderes Rechtsinstrument oder ein einvernehmliches Ergebnis mit Rechtskraft unter der UNFCCC 4 zu entwickeln. Mit dem Abkom- men sollen die Ambitionen für den Klimaschutz ge- steigert werden, um die beträchtliche Lücke zu schlie- ßen, die zwischen dem Gesamteffekt der aktuell be- stehenden Minderungspflichten der Staaten und den nach dem Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) erforderlichen Anstrengun- gen zur Begrenzung des Anstiegs der globalen Durch- schnittstemperatur auf höchstens 2°C klafft. 5 Verhandlungsgrundlage ist die im Rahmen des sogenannten Erdgipfels in Rio im Jahr 1992 unter- zeichnete und im Jahr 1994 in Kraft getretene Klima- rahmenkonvention. In ihr sind unter anderem der Grundsatz gemeinsamer, aber unterschiedlicher Ver- antwortlichkeiten und der jeweiligen Fähigkeiten (common but differentiated responsibilities and res- pective capabilities – CBDR-RC) 6 und das Vorsorge- prinzip (precautionary principle) 7 verankert. Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Kyoto-Pro- tokoll aus dem Jahr 1997, das sich explizit auf die UNFCCC bezieht. 8 Es ist das Ergebnis des im Rah- men der COP-1 in Berlin verabschiedeten Berliner Mandats. Dieses enthält die Erkenntnis der Vertrags- staaten, dass die bestehenden Verpflichtungen unter der UNFCCC nicht spezifisch genug und daher nicht ausreichend zur Vermeidung gefährlicher Klimaän- derungen seien. Vielmehr müsse der Versuch unter- nommen werden, ein neues Abkommen auszuhan- deln, welches für Industrieländer auf internationaler Ebene bindende Ziele zur Verringerung der Emission von Treibhausgasen enthält. 9 Das Kyoto-Protokoll verpflichtete demnach die in Anhang I aufgeführ- ten Industrie- und Schwellenländer zu Emissions- Dr. iur. Birgit Lode, geb. 1978, Projekt- leiterin ›Environ- mental Law and Institutions for Air, Climate, and Sustainability‹ (ELIAS), Institute for Advanced Sustaina- bility Studies e.V. (IASS), Potsdam. 1 Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, Annex der Decision 1/CP3, UN Doc. FCCC/CP/1997/7/Add.1 v. 11.12.1997, deutsche Übersetzung: www. unfccc.int/resource/docs/convkp/kpger.pdf 2 Rahmenkonvention der Vereinten Nationen über Klimaänderun- gen, 9.5.1992, UN Treaty Series (UNTS) Vol. 1771, S. 107, deutsche Über- setzung: www.unfccc.int/resource/docs/convkp/convger.pdf 3 Decision 1/CP16, The Cancún Agreements: Outcome of the Work of the Ad Hoc Working Group on Long-term Cooperative Action un- der the Convention, UN Doc. FCCC/CP/2010/7/Add1 v. 15.3.2011. 4 Decision 1/CP.17, Abs. 2, Establishment of an Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action, UN Doc. FCCC/CP/ 2011/9/Add.1 v. 15.3.2012. 5 Decision 2/CP.17, Outcome of the Work of the Ad Hoc Working Group on Long-term Cooperative Action under the Convention, ebd. 6 Art. 3 Abs. 1 UNFCCC. 7 Art. 3 Abs. 3 UNFCCC. 8 Siehe Präambel Kyoto-Protokoll. 9 Decision 1/CP.1 , UN Doc. FCCC/CP/1995/7/Add.1 v. 6.6.1995.

Auf dem Weg zu einem bindenden Klimaabkommen für alle - Zeitschrift … · 2015-08-07 · ersten Quartals 2015 ihre beabsichtigten Verpflich - tungen auf nationaler Ebene (intended

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Lode | COP-21, Paris

Vereinte Nationen 4/2015 159

COP-21, Paris Auf dem Weg zu einem bindenden Klimaabkommen für alle

Birgit Lode

Wird 2015 das Jahr der Nachhaltigkeit? Im Septem-ber 2015 wollen die Vereinten Nationen globale Nachhaltigkeitsziele verabschieden, Ende des Jah-res kommen sie zu einer weiteren Klimakonferenz in Paris zusammen. Ein neues, für alle Staaten ver-bindliches Abkommen ist geplant, das der globa-len Erwärmung Grenzen setzt. Es soll anstelle des im Jahr 2020 auslaufenden Kyoto-Protokolls treten und die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels sicherstel-len. Die Chancen dafür stehen besser denn je.

Das geplante Pariser Abkommen soll an die Stelle des im Jahr 2020 auslaufenden Kyoto-Protokolls1 treten. Im Gegensatz zu Letzterem soll es für alle Vertragsparteien der UN-Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change – UNFCCC)2 verbindliche Klimaschutzziele festlegen. Damit soll gelingen, das im Jahr 2010 auf der 16. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties – COP) in Cancún3 vereinbarte Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Dies bedeutet, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf höchs-tens 2°C über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden muss. In den Monaten vor dem Gipfel in Paris wurde versucht, zu möglichst vielen Inhalten des Abkommens eine Einigung zu erzielen. In erster Linie ging es dabei um die Verankerung eines über-geordneten langfristigen Klimaschutzziels und um Klimaanpassungsmaßnahmen. Darüber hinaus stell-ten sich inhaltliche Fragen zu Finanzierung, Kapa-zitätsaufbau, Technologietransfer und -entwicklung, Transparenz und Unterstützung, aber auch Verfah-rensfragen betreffend den möglichen zeitlichen Rah-men, Institutionen und Prozesse, ebenso wie zur Um-setzung und Überprüfung der Einhaltung der Ver- einbarungen. Hinsichtlich sämtlicher Punkte erga-ben sich zudem Fragen zu ihrer möglichen rechtlichen Ausgestaltung.

Von Rio über Berlin und Durban nach Paris

Seit der 17. Vertragsstaatenkonferenz (COP-17), die im Jahr 2011 im südafrikanischen Durban stattfand, lautet das klare Mandat für Paris (›Durban Man-date‹), ein Protokoll, ein anderes Rechtsinstrument oder ein einvernehmliches Ergebnis mit Rechtskraft unter der UNFCCC4 zu entwickeln. Mit dem Abkom-men sollen die Ambitionen für den Klimaschutz ge-steigert werden, um die beträchtliche Lücke zu schlie- ßen, die zwischen dem Gesamteffekt der aktuell be-

stehenden Minderungspflichten der Staaten und den nach dem Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) erforderlichen Anstrengun-gen zur Begrenzung des Anstiegs der globalen Durch-schnittstemperatur auf höchstens 2°C klafft.5

Verhandlungsgrundlage ist die im Rahmen des sogenannten Erdgipfels in Rio im Jahr 1992 unter-zeichnete und im Jahr 1994 in Kraft getretene Klima-rahmenkonvention. In ihr sind unter anderem der Grundsatz gemeinsamer, aber unterschiedlicher Ver-antwortlichkeiten und der jeweiligen Fähigkeiten (common but differentiated responsibilities and res-pective capabilities – CBDR-RC)6 und das Vorsorge-prinzip (precautionary principle)7 verankert.

Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Kyoto-Pro-tokoll aus dem Jahr 1997, das sich explizit auf die UNFCCC bezieht.8 Es ist das Ergebnis des im Rah-men der COP-1 in Berlin verabschiedeten Berliner Mandats. Dieses enthält die Erkenntnis der Vertrags-staaten, dass die bestehenden Verpflichtungen unter der UNFCCC nicht spezifisch genug und daher nicht ausreichend zur Vermeidung gefährlicher Klimaän-derungen seien. Vielmehr müsse der Versuch unter-nommen werden, ein neues Abkommen auszuhan-deln, welches für Industrieländer auf internationaler Ebene bindende Ziele zur Verringerung der Emission von Treibhausgasen enthält.9 Das Kyoto-Protokoll verpflichtete demnach die in Anhang I aufgeführ-ten Industrie- und Schwellenländer zu Emissions-

Dr. iur. Birgit Lode, geb. 1978, Projekt-leiterin ›Environ-mental Law and Institutions for Air, Climate, and Sustainability‹ (ELIAS), Institute for Advanced Sustaina-bility Studies e.V. (IASS), Potsdam.

1 Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten

Nationen über Klimaänderungen, Annex der Decision 1/CP3, UN Doc.

FCCC/CP/1997/7/Add.1 v. 11.12.1997, deutsche Übersetzung: www.

unfccc.int/resource/docs/convkp/kpger.pdf

2 Rahmenkonvention der Vereinten Nationen über Klimaänderun-

gen, 9.5.1992, UN Treaty Series (UNTS) Vol. 1771, S. 107, deutsche Über-

setzung: www.unfccc.int/resource/docs/convkp/convger.pdf

3 Decision 1/CP16, The Cancún Agreements: Outcome of the Work

of the Ad Hoc Working Group on Long-term Cooperative Action un-

der the Convention, UN Doc. FCCC/CP/2010/7/Add1 v. 15.3.2011.

4 Decision 1/CP.17, Abs. 2, Establishment of an Ad Hoc Working Group

on the Durban Platform for Enhanced Action, UN Doc. FCCC/CP/

2011/9/Add.1 v. 15.3.2012.

5 Decision 2/CP.17, Outcome of the Work of the Ad Hoc Working

Group on Long-term Cooperative Action under the Convention, ebd.

6 Art. 3 Abs. 1 UNFCCC.

7 Art. 3 Abs. 3 UNFCCC.

8 Siehe Präambel Kyoto-Protokoll.

9 Decision 1/CP.1 , UN Doc. FCCC/CP/1995/7/Add.1 v. 6.6.1995.

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es den Industrieländern, ihre jeweiligen Minderungs-ziele selbst festzulegen, einschließlich deren Strenge, der Bestimmung des Basisjahrs und der Anrechnungs-regeln. Entwicklungsländern wurde ein noch grö-ßerer Spielraum eingeräumt. Sie sollten länderspezifi-sche Klimaschutzmaßnahmen (nationally appropriate mitigation actions – NAMAs) formulieren.

So weit so gut, doch auch den Entscheidungen von Kopenhagen und Cancún fehlte der rechtlich bin-dende Charakter. Eine mit Blick auf die Einhal-tung des Zwei-Grad-Zieles erforderliche echte Stei-gerung des Ambitionsniveaus blieb aus. Dessen un- geachtet gelang es der COP-18 in Doha mit der An-nahme eines Änderungsprotokolls zum Kyoto-Pro-tokoll (Doha Amendment) für Industrieländer eine zweite Verpflichtungsperiode für den Zeitraum 2013 bis 2020 festzuschreiben. Ziel war, die Gesamtemis-sionen an den im Protokoll aufgeführten Treibhaus-gasen um mindestens 18 Prozent unter das Niveau von 1990 zu bringen.17 Das Inkrafttreten des ›Doha Amendment‹ steht noch aus.

Bereits jetzt ist klar, dass ein abgeändertes Kyo-to-Protokoll nicht den Weg in die Zukunft weisen wird. Die Vereinigten Staaten sind dem Vertrag bis heute nicht beigetreten. Kanada ist von seinen Ver-pflichtungen aus dem Protokoll im Jahr 2012 zu-rückgetreten. Neuseeland, Japan und Russland ha-ben sich gegen eine Teilnahme an der zweiten Ver- pflichtungsperiode entschieden. Hinzu kommt, dass auch mit dem ›Doha Amendment‹ keine bindenden Emissionsminderungsziele vorliegen, die über das Jahr 2020 hinausreichen. Die Verhandlungen der auf der COP-17 eingerichteten neuen Arbeitsgrup-pe unter der Konvention zur Durban-Plattform für verstärkte Maßnahmen (Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action – ADP) laufen demnach inzwischen auf Hochtouren. Nach der Pleite von Kopenhagen soll es im Dezember 2015 auf der 21. Vertragsstaatenkonferenz in Paris end-lich gelingen, ein einvernehmliches, für alle recht-lich bindendes Abkommen anzunehmen, das zumin-dest eine weitere Phase des Klimaschutzes unter der Konvention regelt. Dieses soll spätestens mit dem Jahr 2020 in Kraft treten. Dann erst könnte es sei-ne Wirkung entfalten und umgesetzt werden.

Worauf wird man sich einigen können?

Gegenwärtig erscheint der Verhandlungsprozess im Rahmen der ADP vielversprechend, einigen Unken-rufen zum Trotz.18 Die einmalige Gelegenheit, ge-meinsam, umfassend und ganzheitlich das Thema Klimaschutz anzugehen und sich zu einer Reihe wich-tiger Fragen zu verständigen, scheint tatsächlich ge-nutzt zu werden. Auf dem Programm steht nicht mehr und nicht weniger als die Einigung auf weitere Maß-nahmen zur Abmilderung des Klimawandels (Miti-gation), Klimaanpassungsmaßnahmen (Adaptation),

minderungen um fünf Prozent bis zum Jahr 2012, verglichen mit dem Niveau von 1990.10 Es fehlten aber Reduktionsziele für Entwicklungsländer und aufstrebende Volkswirtschaften wie zum Beispiel China, Südkorea und Mexiko. Detaillierte Regeln zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls enthalten be-reits die in den ›Marrakesh Accords‹11 zusammen-gefassten Entscheidungen der COP-7, die im Jahr 2001 in Marokko stattfand. In Kraft trat das Kyoto-Protokoll allerdings erst am 16. Februar 2005, nach-dem 55 UNFCCC-Vertragsparteien, auf die insge-samt mindestens 55 Prozent der gesamten Kohlen- stoffdioxid-Emissionen der in Anlage I des Protokolls aufgeführten Vertragsparteien im Jahr 1990 entfal-len, es ratifiziert hatten.

Mit dem Kyoto-Protokoll gelang den Vertrags-staaten zum ersten und bislang einzigen Mal, verbind-liche Emissionsziele in einem völkerrechtlichen Ver-trag zu verankern – jedoch ohne die beiden größten Volkswirtschaften einzubeziehen. Der Senat der Ver-einigten Staaten hatte bereits vor Annahme des Pro-tokolls Vorbehalte12 gegen einen Beitritt der USA geäußert. Diese Vorbehalte bekräftigte Präsident George W. Bush, indem er im Jahr 2001 bekannt-gab, dass die USA nicht die Absicht hätten, Vertrags-partei des Protokolls zu werden.

Die folgenden Jahre waren von der Suche nach einem neuen Lösungsansatz gekennzeichnet. Ziel war zum einen, die USA, den zweitgrößten Treibhaus-gas-Emittenten der Welt, wieder zurück an den Ver-handlungstisch zu holen. Zum anderen ging es da-rum, wichtige Schwellenländer, insbesondere China, inzwischen größter globaler Emittent nach absoluten Zahlen, dazu zu bewegen, einer Begrenzung seiner Emissionen zuzustimmen.13

Da das Kyoto-Protokoll für die Emissionsminde-rungsziele der Industrieländer einen Verpflichtungs-zeitraum zwischen 2008 und 2012 vorsah,14 konzen-trierten sich die Verhandlungen auf das Vorgehen nach Ablauf dieser Periode. Geplantes Ende dieses Prozesses war nach der auf der COP-13 im Jahr 2007 verabschiedeten ›Bali Road Map‹ die COP-15. Die-se fand im Jahr 2009 in Kopenhagen statt und soll-te ein neues umfassendes Abkommen für die Zeit nach 2012 auf den Weg bringen.15 Die dort erzielte Übereinkunft (Copenhagen Accord) wurde jedoch lediglich als politische, rechtlich unverbindliche Er-klärung angenommen. Dies verpasste den Hoffnun-gen auf eine effektive Bekämpfung des Klimawan-dels durch die internationale Staatengemeinschaft einen Dämpfer. Ursprünglich geplant war, einen völ-kerrechtlich bindenden Vertrag abzuschließen. Im-merhin fanden sich die in der ›Bali Road Map‹ vor-gesehenen Ergebnisse letztlich in COP-Entscheidun- gen wieder, die in Cancún, Mexiko (2010), Durban, Südafrika (2011) und Doha, Katar (2012)16 ange-nommen wurden. Der in Kopenhagen und Cancún begonnene Prozess von unten nach oben überließ

Mit dem Kyoto-Protokoll gelang den

Vertragsstaaten, verbindliche

Emissionsziele in einem völkerrecht-

lichen Vertrag zu verankern –

jedoch ohne die beiden größten

Volkswirtschaften einzubeziehen.

Eine mit Blick auf die Einhaltung des

Zwei-Grad-Zieles erforderliche echte

Steigerung des Ambitionsniveaus

blieb aus.

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Lode | COP-21, Paris

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Finanzfragen, Technologietransfer und -entwicklung, Fragen betreffend Transparenz, Unterstützung und Kapazitätsaufbau, den weiteren Zeitplan und weite-re Prozesse, Fragen zur Umsetzung und Einhaltung des neuen Abkommens sowie zum Prozedere und zu den Institutionen.

Ansätze zur Ausgestaltung aller genannten Punk-te sind vorhanden. Seit Februar 2015 gibt es einen offiziellen 90-seitigen Verhandlungstext,19 seit den Zwischenverhandlungen im Juni in Bonn ergänzt durch eine etwas verschlankte und konsolidierte Fas-sung.20 Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Stel-lungnahmen einzelner Vertragsparteien, von Grup-pen gleichgesinnter Staaten und nichtstaatlichen Beobachtern, die beim UNFCCC-Sekretariat ein-gegangen sind.

Möglichkeit: Ein doppeltes Langfristziel

Gleich zu Beginn des Pariser Abkommens (Ab-schnitt C)21 soll demnach ein übergeordnetes lang-fristiges Ziel stehen, das im Einklang mit der Ziel-vorgabe der Konvention steht, diese aber konkre- tisiert. Um hier sowohl entwickelten Ländern wie auch Staaten des Globalen Südens gerecht zu wer-den, könnte es klug sein, zwei Langfristziele in das Abkommen aufzunehmen: ein rigides, möglichst spe-zifisches Mitigationsziel, das unter anderem für die Staaten der Europäischen Union unabdingbar ist, sowie ein Ziel zu langfristig geplanten Klimaan-passungsmaßnahmen. Letzteres soll insbesondere den kleinen Inselstaaten, die den Klimawandel be-reits deutlich zu spüren bekommen, signalisieren, dass es mit Maßnahmen zur Abmilderung nicht getan ist und dass das Thema Adaptation auf Augenhöhe mit Fragen rund um das Thema Mitigation steht. Wün-schenswert wäre, dass man sich in Paris auf eine vor-geschlagene Textvariante einigt, die nicht nur auf das Zwei-Grad-Ziel Bezug nimmt, sondern auch vorsieht, dass die globalen Emissionen langlebiger Treibhaus-gase spätestens 2020 ihren Höhepunkt erreichen und schrittweise bis Ende diesen Jahrhunderts eingestellt werden (phase out).

Selbstverpflichtung auf nationaler Ebene: Die INDCs

Der Verhandlungstext sieht weiter vor, dass das Lang-fristziel flankiert wird von Abschnitten (Abschnitte D und E), die Details zu den vereinbarten Klima-schutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen enthal-ten. Auf den Klimakonferenzen in Warschau (2013) und Lima (2014) haben sich die UNFCCC-Vertrags-staaten darauf geeinigt, sofern möglich, bis Ende des ersten Quartals 2015 ihre beabsichtigten Verpflich-tungen auf nationaler Ebene (intended nationally determined contributions – INDCs) dem UNFCCC-Sekretariat bekanntzugeben. Dieses wurde beauf-tragt, die Beiträge auf seiner Webseite zu veröffent-lichen und bis 1. November 2015 einen zusammen-

fassenden Bericht zur Gesamtwirkung aller bis 1. Ok-tober 2015 eingegangenen INDCs zu erstellen.22 Ge-genwärtig23 liegen INDCs von 49 Parteien vor, die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten inbegriffen. Beispielsweise hat die Schweiz vorge-legt, ihre Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2030 um die Hälfte zu reduzieren, verglichen mit dem Ni-veau von 1990. Die EU, ihre Mitgliedstaaten und Norwegen beabsichtigen im selben Zeitraum und mit gleichem Referenzjahr, eine Verringerung um min-destens 40 Prozent zu erreichen. Russlands Beitrag liegt bei 25 bis 30 Prozent.

Hiermit schwer zu vergleichen, da auf andere Pa-rameter bezogen, sind viele weitere der bereits vor-liegenden INDCs. Die USA beabsichtigen, ihre Emis-sionen bis zum Jahr 2025 um 26 bis 28 Prozent zu reduzieren, verglichen mit dem Niveau von 2005. Auf dieses Referenzjahr stellen auch Kanada und China ab, wobei Kanada beabsichtigt, bis zum Jahr 2030 seinen Ausstoß um 30 Prozent zu verrin-gern, wohingegen China bereits bis zum Jahr 2020 60 bis 65 Prozent24 erzielen will. Noch etwas kom-plizierter wird es, wenn man sich beispielsweise die INDCs von Mexiko und Marokko ansieht: Beide enthalten Ziele, die an gewisse Bedingungen geknüpft sind. Zwar bezieht sich der geplante Beitrag der Me-xikaner auch auf den Zeitraum bis 2030. Einerseits

10 Art. 3 Abs. 1 Kyoto-Protokoll.

11 UN Doc. FCCC/CP/2001/13/Add.1 v. 21.1.2002.

12 »Die Vereinigten Staaten sollen kein Protokoll unterzeichnen […]

durch welches (A) neue Verpflichtungen zur Beschränkung oder Re-

duktion von Treibhausgasemissionen für die Annex I Staaten ange-

ordnet werden, sofern […] nicht im selben Verpflichtungszeitraum

neue spezifische termingebundene Verpflichtungen zur Beschrän-

kung oder Reduktion von Treibhausgasemissionen für Entwicklungs-

länder vereinbart werden und (B) der Wirtschaft der Vereinigten

Staaten ernsthafte Schäden entstehen könnten«, Byrd-Hagel Reso-

lution, 25.7.1997, US Senate, 105th Congress, 1st Session, Report 105-

54, www.nationalcenter.org/KyotoSenate.html

13 Absoluter CO2-Ausstoß nach Ländern unter: data.worldbank.

org/indicator/EN.ATM.CO2E.KT/countries

14 Art. 3 Abs. 1 UNFCCC.

15 UN Doc. FCCC/CP/2007/6/Add.1 v. 14.3.2008.

16 Decision 1/CP16, a.a.O. (Anm. 3); Decision 1/CP17, a.a.O. (Anm. 4);

UN Doc. FCCC/CP/2012/8/Add.1 v. 28.2.2013.

17 Decision 1/CMP.8, UN Doc. FCCC/KP/CMP/2012/13/Add.1 v. 28.2.2013.

18 Vgl. etwa Lutz Wicke, Es ist fast zu spät, Süddeutsche Zeitung,

28.5.2015.

19 UN Doc. FCCC/ADP/2015/1 v. 25.2.2015.

20 Siehe: www.unfccc.int/meetings/bonn_jun_2015/session/8857.php

21 Dieser und folgende Verweise nehmen Bezug auf UN Doc. FCCC/

ADP/2015/1 v. 25.2.2015.

22 UN Dok. FCCC/2014/CP/10/Add.1 v. 2.2.2015.

23 Stand: 27. Juli 2015.

24 Pro Bruttoinlandsprodukt-Einheit.

Wünschenswert wäre, dass sich die Staaten darauf einigen, dass der Höhepunkt der globalen Treibhaus-gasemissionen spätestens 2020 erreicht werden muss.

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Lode | COP-21, Paris

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lens widerspiegele und am ehesten nationale Verän-derungen im Bereich der Exekutive, der Legislative oder auch der Rechtsprechung überstehe.

Ein Modell, das gute Aussichten hat, sich tatsäch-lich im endgültigen Text des Abkommens wieder-zufinden, sieht vor, dass sich die Vertragsstaaten auf internationaler Ebene rechtlich verpflichten, entspre-chend den internationalen Vorgaben auf nationaler Ebene Maßnahmen und Regelungen zu verabschie-den, deren Umsetzung wiederum auf internationa-ler Ebene in regelmäßigen Abständen überprüft wird.

Anpassung an den Klimawandel: Viele offene Fragen

Nach wie vor mit vielen Fragezeichen versehen ist die endgültige Ausgestaltung des Abschnitts zu Kli-maanpassungsmaßnahmen (Abschnitt E). Offen ist etwa die grundlegende Frage, ob überhaupt ein glo-bales Klimaanpassungsziel vereinbart oder nicht bes-ser übergreifende individuelle Verpflichtungen oder Maßnahmen zur Klimaanpassung eingeführt wer-den sollen. Mit Blick auf Letztere ist auch noch un-klar, ob an dem auf der COP-16 (2010) verabschie-deten ›Cancún Adaptation Framework‹ festgehal- ten werden soll. Im Zuge dessen wurde nicht nur ein Prozess zur Aufstellung und Umsetzung nationaler Klimaanpassungspläne (national adaptation plans – NAPs) eingerichtet, sondern auch ein zugehöriger Ausschuss (Adaptation Committee).25 Ein anderer Vorschlag sieht – wie teilweise bereits geschehen – vor, dass die Vertragsparteien eine Klimaanpas-sungskomponente in ihre INDCs aufnehmen. Eben-falls noch kein Einvernehmen besteht zu den in die- sem Zusammenhang diskutierten Fragen zum Um-gang mit Verlusten und Schäden (loss and damage), die aus den Folgen des Klimawandels entstehen. So-wohl ein Festhalten an dem auf der COP-19 (2013) begründeten ›Warsaw International Mechanism for Loss and Damage‹26 als auch die Einrichtung eines neuen Mechanismus oder gar eines eigenen Kapitels zum Thema Verluste und Schäden sind denkbar. Wichtig wird in jedem Fall sein, dass ein solches Maß an Unterstützung gewährleistet wird, dass den Be-dürfnissen für eine Anpassung an den Klimawandel entsprochen werden kann. Vorschläge, wie diese Unterstützung aussehen könnte, enthalten die fol-genden Abschnitte des Verhandlungstextes.

Knackpunkt Klimafinanzierung

Dass der Finanzteil (Abschnitt F) gegenwärtig das längste Kapitel des Verhandlungstextes ist, zeigt die große Bedeutung, die diesem Thema zukommt. Im-merhin liegt die Annahme der ›Cancún Agreements‹ schon fast fünf Jahre zurück, in dessen Rahmen die bereits im Vorjahr in Kopenhagen (COP-15) abge-gebene Selbstverpflichtung der Industrieländer zur Bereitstellung von Mitteln zur Klimafinanzierung offiziell gemacht wurde. Dieser zufolge wollen die

liegt hier jedoch kein Bezug der Emissionen auf ein bestimmtes Referenzjahr vor, sondern auf ein ›Busi-ness-as-usual‹-Szenario (BAU). Andererseits beab-sichtigt Mexiko, die Reduzierung von kurzlebigen Klimaschadstoffen (short-lived climate pollutants – SLCPs), insbesondere Ruß, mit zu berücksichtigen. Nach ihren Berechnungen könnte Mexiko auf diese Weise eine Gesamtreduzierung von 25 Prozent er-zielen, die sich aus einer Verringerung von Treib-hausgasen um 22 Prozent und einer ebensolchen von Rußemissionen um 51 Prozent zusammensetzt. Das Ganze ließe sich unter bestimmten Bedingun-gen auf eine Gesamtreduzierung von bis zu 40 Pro-zent steigern.

Das INDC der Marokkaner enthält, gemessen an einem BAU-Szenario, ein bedingungsloses Ziel zur Reduzierung von Treibhausgasen in Höhe von 13 Prozent bis zum Jahr 2030 und ein an gewisse Bedingungen geknüpftes Ziel von bis zu 32 Prozent.

Ob es dem Klimasekretariat angesichts dieser Un-terschiede tatsächlich gelingen wird, Anfang No-vember 2015 eine Aussage mit hinreichender Ge-nauigkeit zur Gesamtwirkung der eingegangenen INDCs abzugeben, ist fraglich. Diverse INDCs ent-halten zusätzliche Beiträge zu Anstrengungen in puncto Klimaanpassungsmaßnahmen, beispielswei-se das Ziel der Mexikaner, die Entwaldung in ihrem Land bis zum Jahr 2030 auf null herunterzufahren. Einige wichtige Schwellenländer, wie etwa Indien, haben ihre INDCs noch nicht bekannt gegeben.

Hinzu kommt, dass sich die Vertragsparteien bislang noch uneinig sind, ob und wenn ja wo die INDCs im Pariser Abkommen verortet werden sol-len. Unter den Klimarechtsexperten besteht Einig-keit, dass der rechtlich bindende Charakter der INDCs nicht davon abhängen wird, ob sie unmit-telbarer Bestandteil des Abkommens sein werden oder nicht. Vielmehr kommt es darauf an, wie die in ihnen enthaltenen Verpflichtungen auf nationaler Ebene in dem internationalen Abkommen verankert werden. Die Frage hat eher eine praktische Bedeu-tung. Wenn die INDCs beispielsweise in einem An-hang zum Abkommen festgeschrieben werden, wür-den sie Teil des zu ratifizierenden Pakets werden. Für ihre Auflistung außerhalb des eigentlichen Abkom-mens, etwa in einem bloßen ›Informationsdokument‹, spricht die einfachere Aktualisierung. Je nach Aus-gestaltung des Abkommens ist aber auch denkbar, dass INDCs nach Ende der Vorbereitungsphase auf die Pariser Konferenz ihre Bedeutung verlieren und allein die in dem neuen Abkommen verankerten Ver-pflichtungen eine Rolle spielen werden. Fürsprecher für deren rechtlich verbindliche Ausgestaltung fin-den sich insbesondere bei Staatenvertretern der EU oder der Allianz der kleinen Inselstaaten (Alliance of Small Island States – AOSIS). Letztere führen unter anderem an, dass eine rechtlich verbindliche Verpflichtung die höchste Form politischen Wil-

Noch ist unklar, ob die nationalen

Verpflichtungs-erklärungen ins

Pariser Abkommen aufgenommen

werden.

Ebenfalls noch kein Einvernehmen

besteht zum Um- gang mit Verlusten

und Schäden, die aus den Folgen des

Klimawandels entstehen.

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Lode | COP-21, Paris

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Industrieländer gemeinsam bis zum Jahr 2020 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr mobilisieren, um den Entwicklungsländern dabei zu helfen, die nöti-gen Finanzmittel zusammenzutragen, die für den Aufbau von kohlenstoffarmen und klimaresilienten Volkswirtschaften nötig sind. Ein großer Teil die-ser Summe soll über den Grünen Klimafonds (Green Climate Fund – GCF) abgewickelt werden,27 dessen finanzielle Ausstattung sich derzeit auf insgesamt 10,2 Milliarden US-Dollar beläuft.28 Wie viel Geld pro Jahr in die Finanzierung für Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern fließt, lässt sich schwer sagen. Eine Berechnung der ›Climate Policy Initiaitve‹ hat kürzlich ergeben, dass, um das selbstgesteckte Ziel von 100 Milliar-den US-Dollar pro Jahr bis 2020 zu erreichen, noch die bedeutende Lücke von 70 Milliarden US-Dol-lar geschlossen werden müsste.29

Dabei ist zu bedenken, dass die Auswirkungen des Klimawandels zwar jeden von uns treffen werden, die ärmsten Staaten aber über die wenigsten Ressour-cen verfügen, um sich auf entsprechende Veränderun-gen einzustellen und daher am stärksten von den Fol-gen betroffen sein werden. Entsprechend könnte allein schon das durch eine Einigung in der Klimafinan-zierung erzeugte Vertrauen dieser Länder, in ihrem vielfach bereits bestehenden Kampf gegen den Kli-mawandel nicht allein gelassen zu werden, den Aus-gang der gesamten Pariser Konferenz Ende des Jah-res positiv beeinflussen.

Damit es dazu kommt, sollte zum einen sicherge-stellt werden, dass die zur Verfügung gestellten Mit-tel sowohl aus öffentlichen und privaten wie aus bi- und multilateralen, aber auch alternativen Quellen stammen; der Weltbank und anderen multilatera-len Entwicklungsbanken könnte hier eine Schlüssel-rolle zukommen. Zum anderen sollte bei der Mit-telvergabe berücksichtigt werden, dass die Zuwei- sungen ausgewogen auf Klimaschutz- und Klima-anpassungsmaßnahmen verteilt werden. Um darüber hinaus einerseits dafür zu sorgen, dass das für das Jahr 2020 gesetzte Ziel tatsächlich erreicht wird, und andererseits einen Anstoß dafür zu liefern, dass die bereitgestellten Gelder nach 2020 in regelmäßigen Abständen aufgestockt werden, ist zusätzlich die Ein-richtung eines Mechanismus zu erwägen. Dieser soll-te mit Rechten und Pflichten zur regelmäßigen Über-wachung, Berichterstattung und Prüfung (monitoring, reporting, and verification – MRV) ausgestattet sein.

Von Technologietransfer bis Transparenz

Weitere wesentliche Bestandteile des Unterstützungs-pakets, das sich insbesondere an die besonders schutzbedürftigen kleinen Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries – LDCs) richtet, stellen Abschnitte zur Entwicklung und Weitergabe von Technologien (Ab-schnitt G), zum Kapazitätsaufbau (Abschnitt H)

und zur Transparenz von Aktivitäten und Unterstüt-zungsleistungen (Abschnitt I) dar. Unter anderem ist die Einrichtung eines Transparenzrahmens (trans-parency framework) geplant. Dieser könnte neben der Breitstellung von Informationen zur Umsetzung der nationalen Verpflichtungen dazu dienen, für mehr Klarheit und Vergleichbarkeit zu sorgen, für mehr gegenseitiges Vertrauen und Rechenschaftspflicht ge-genüber anderen Vertragsparteien und für die schritt-weise Steigerung des Ambitionsniveaus. An dieser Stelle wäre es wünschenswert, wenn das Pariser Ab-kommen einen gemeinsamen Rahmen enthielte, der einerseits flexibel genug ist, um dem Grundsatz der CBDR-RC Rechnung zu tragen, der andererseits aber auch die nötige Härte besitzt, um die zuverlässige Ver-folgung der erzielten Fortschritte bei der Umsetzung der nationalen Verpflichtungen dokumentieren zu können – idealerweise wie vorgeschlagen unter Zu-grundelegung einheitlicher Vorgehensweisen und Metriken.

Noch weiter geht die Idee (Abschnitt K), nicht nur die Umsetzung, sondern auch die Einhaltung der in den INDCs enthaltenen Verpflichtungen zu überwachen und notfalls durchzusetzen. Die Vor-gehensweisen könnten dabei von Frühwarnsyste-men für potenzielle Verletzungen über unterstützende Maßnahmen für Länder, die zwar bereit, aber nicht in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukom-men, bis hin zu Sanktionen für säumige Vertrags-parteien reichen.

Damit es gelingen kann, sich bei diesen und vie-len weiteren offenen Fragen nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufriedenzugeben, sondern zu Modalitäten zu kommen, die sowohl dem unter-schiedlichen Entwicklungsstand der fast 200 Ver-tragsparteien als auch ihren nationalen Rechtsord-nungen Rechnung tragen, prüfen über 300030 Staa - tenvertreter gemeinsam mit Expertinnen und Ex-perten internationaler und nichtstaatlicher Orga-nisationen die Realisierbarkeit verschiedenster Op-tionen. Die Prüfung erfolgt an erster Stelle in poli- tischer Hinsicht, an zweiter Stelle mit Blick auf ihre völkerrechtliche, das heißt technische Machbarkeit und leider häufig erst an dritter Stelle unter Zugrunde-legung ihrer ökologischen Sinnhaftigkeit und Stär-ke, um der fortschreitenden Erderwärmung endlich mehr als nur ein stumpfes Schwert entgegenzusetzen.

25 UN Doc. FCCC/CP/2010/7/Add. v. 15.3.2011.

26 UN Doc. FCCC/CP/2013/10/Add.1 v. 31.1.2014.

27 UN Doc. FCCC/CP/2010/7/Add.1 v. 15.3.2011, Abs. 98ff.

28 Green Climate Fund, Pledge Tracker, http://news.gcfund.org/

pledge-tracker/

29 Climate Policy Initiative, The Global Landscape of Climate Fi-

nance 2014, http://climatepolicyinitiative.org/wp-content/uploads/

2014/11/The-Global-Landscape-of-Climate-Finance-2014.pdf

30 UN Doc. FCCC/SB/2015/INF.2 v. 10.6.2015.

Es sollte sicher-gestellt werden, dass die zur Ver- fügung gestellten Mittel sowohl aus öffentlichen und privaten wie aus bi- und multi- lateralen Quellen stammen.

Damit es gelingen kann, sich bei diesen Fragen nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufriedenzu-geben, prüfen über 3000 Staa ten-vertreter die Realisierbarkeit verschiedenster Optionen.

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Lode | COP-21, Paris

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Warum Paris ein Erfolg werden könnte

Wenn dem Klimagipfel vom 30. November bis 11. Dezember 201531, anders als noch im Jahr 2009 in Kopenhagen, die meisten Staats- und Regierungs-chefs fern bleiben werden, ist dies kein Grund zur Sorge. Nach dem Chaos von Kopenhagen schicken sie lieber Minister oder andere hochrangige Regie-rungsvertreter, um an ihrer Stelle ein Klimaabkom-men auszuhandeln. Die Leitung der Verhandlungen obliegt dem französischen Außenminister Laurent Fabius, wobei sich die französische Umweltminis-terin Ségolène Royal das Zepter sicher nicht ganz aus der Hand nehmen lassen wird. Komplettieren wird das Triumvirat Präsident François Hollande. Er hat die Angelegenheit kurzerhand zur Chefsache erklärt und geäußert, gleich nach den Menschen-rechten kämen die Rechte der Menschheit, das heißt, das Recht aller Bewohner dieses Planeten, in einer Welt zu leben, in der die Zukunft nicht durch un-verantwortliches Handeln in der Gegenwart aufs Spiel gesetzt wird.32 Dem Vernehmen nach ist sich das Trio zumindest in Bezug auf das ultimative Ziel eines neuen Abkommens einig: die Stärkung des multilateralen, auf detaillierten Vorschriften beru-henden Regimes unter der UNFCCC.

Unterstützung für diesen Kurs brachte die im Juni 2015 veröffentlichte Enzyklika ›Laudato si‘‹ von Papst Franziskus. Darin ist unter anderem die wichtige Erkenntnis zu finden, dass durchsetzbare Übereinkommen dringend vonnöten seien, da lokale Behörden nicht immer in der Lage seien, wirksame Maßnahmen zu ergreifen.33 Papst Franziskus� keines-� keines- keines-falls zufällige Einschaltung in die entscheidende Phase des laufenden Verhandlungsprozesses wurde auch als Bekenntnis der katholischen Kirche verstanden, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um dem über-wiegend menschengemachten Klimawandel wirksam zu begegnen und von dem öffentlichen Gut Klima (Abs. 23) verantwortungsvoll Gebrauch zu machen.

Ebenfalls für einen Erfolg in Paris sprechen die Vorbereitungen auf Seiten einiger der größten Treib-hausgas-Emittenten, insbesondere bei den USA und China. Die beiden Staaten haben bereits im Novem-ber 2014 eine bilaterale Vereinbarung getroffen, in der sie sich verpflichten, im Jahr 2015 ein ambitio-niertes Abkommen zu erzielen – im Lichte des CB-DR-RC-Grundsatzes.34 Die gemeinsame Bekannt-machung gibt ferner Aufschluss über die jeweiligen klimarelevanten Aktivitäten ab dem Jahr 2020. Sie finden sich im Wesentlichen in den in diesem Jahr bekanntgegebenen INDCs beider Staaten wieder. Die darüber hinaus geäußerte Hoffnung Chinas und der USA, die frühzeitige Bekanntgabe ihrer jeweili-gen Ziele könne andere Staaten animieren, es ihrem Beispiel gleich zu tun, scheint zudem nicht völlig illusionär. Immerhin plädierten in der Abschlusser-klärung35 des G7-Gipfeltreffens Anfang Juni 2015

auch Australien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und Kanada für eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts. Es scheint, als bereiteten sich zumindest einige der gro-ßen Kohlendioxid-Emittenten darauf vor, in Paris zu einer Einigung zu kommen.

Selbst für den Fall, dass im September 2015 in New York die Verabschiedung globaler Nachhal-tigkeitsziele scheitert oder dass aktuelle geopolitische Ereignisse sämtliche andere Themen von der inter-nationalen Agenda verdrängen, ist ein Scheitern auf der ganzen Linie fast undenkbar.

Zum einen verläuft von vielen unbemerkt paral-lel zu den Verhandlungen für das Pariser Abkom-men unter der ADP ein sogenannter ›Workstream II‹. Dieser widmet sich dem zweiten Teil des Zieles des ›Durban Mandate‹ und befasst sich mit der Steige-rung des Ambitionsniveaus vor dem Jahr 2020 – das heißt, noch vor dem geplanten Inkrafttreten des Pariser Abkommens. In diesem Zusammenhang wer-den unter anderem Anstrengungen zur Reduzierung von SLCP-Emissionen unter die Lupe genommen. Zu diesen Schadstoffen gehört auch Ruß, dem in-zwischen nach Kohlendioxid das zweitgrößte Treib-hausgaspotenzial attestiert wird. Eine Senkung von Ruß- und anderen SLCP-Emissionen kann, gekop-pelt mit Maßnahmen zur Minderung langlebiger Treibhausgase, den Anstieg der globalen Mittel-temperatur bis zum Jahr 2050 um bis zu 0,5°C ver-ringern.36 Diesem Ziel widmen sich inzwischen über 100 staatliche und nichtstaatliche Akteure, zusam-mengeschlossen in der ›Climate and Clean Air Coa-lition‹ (CCAC) unter dem Dach des UN-Umweltpro-gramms (UNEP).37

Zum anderen stehen immerhin noch zwei volle Verhandlungswochen vor Beginn des eigentlichen Klimagipfels in Paris aus, die Raum für weiteren Austausch zwischen Staatenvertretern untereinan-der und mit Klimaexpertinnen bieten und endlich den Weg für ein globales Klimaabkommen für alle bereiten könnten.

31 Webseite der Konferenz: www.cop21.gouv.fr/en

32 Siehe: www.gouvernement.fr/action/la-cop-21

33 Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si’, 24.5.2015, Abs. 173.

34 The White House, U.S.-China Joint Announcement on Climate

Change, Press Release, 11.11.2014.

35 Abschlusserklärung G7-Gipfel, Schloss Elmau, 7.–8. Juni 2015.

36 Siehe Birgit Lode/Julia Schmale, Clean Air & Stable Climate: Pre-

requisites for Living Well in the Future, The 7th Environment Action

Programme – Integrating Air Quality and Climate Policies, IASS Policy

Brief 2013.

37 Näheres hierzu: Birgit Lode, The Climate and Clean Air Coalition

to Reduce Short-Lived Climate Pollutants (CCAC), ASIL Insights, 17. Jg.,

20/2013.

Papst Franziskus’ Einschaltung in die

entscheidende Phase des laufenden

Verhandlungs- prozesses wurde

als Bekenntnis der katholischen Kirche

verstanden, dass dringender

Handlungsbedarf besteht.

Selbst für den Fall, dass im

September 2015 die Verabschiedung

globaler Nachhaltig-keitsziele scheitert oder aktuelle geo-

politische Ereignisse sämtliche andere Themen von der internationalen

Agenda verdrängen, ist ein Scheitern auf

der ganzen Linie fast undenkbar.