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Global vernetzt arbeiten Die traditionelle Stärke von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ist das fle- xible und kooperative Arbeiten, meist in firmeninternen Teams, die schnelle Entscheidungen durch kurze Wege ermöglichen. Die zunehmende Globalisierung der Märkte und die sich damit schnell ändernden Wettbewerbsbedingungen erfordern jedoch die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit sowie Kooperation auch über regionale Grenzen hinaus. Dieser Wandel birgt speziell für KMU die Gefahr, dass die bestehende Flexibilität, Agilität und Innovationsfähigkeit eingeschränkt wird. Ein Schlüsselfaktor für den Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) zur mobilen Unterstüt- zung der Zusammenarbeit in virtuellen, vernetzten Teams. AUS DER PRAXIS 48 Bild: Phototom - Fotolia.com

AUS DER PRAXIS Global vernetzt arbeiten€¦ · etwa für MS Dynamics CRM, Sales-force.com und SAP Business One. Firmenspezifische Anpassungen werden dabei automatisch über-nommen

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Global vernetzt arbeitenDie traditionelle Stärke von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ist das fle-xible und kooperative Arbeiten, meist in firmeninternen Teams, die schnelle Entscheidungen durch kurze Wege ermöglichen. Die zunehmende Globalisierung der Märkte und die sich damit schnell ändernden Wettbewerbsbedingungen erfordern jedoch die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit sowie Kooperation auch über regionale Grenzen hinaus. Dieser Wandel birgt speziell für KMU die Gefahr, dass die bestehende Flexibilität, Agilität und Innovationsfähigkeit eingeschränkt wird. Ein Schlüsselfaktor für den Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) zur mobilen Unterstüt-zung der Zusammenarbeit in virtuellen, vernetzten Teams.

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Dies ist Ausgangspunkt für das Projekt »Coves – Collaborative Vir-tual Engineering for SMEs« [1], das von der Europäischen Union ge-fördert wird. Ziel von Coves ist die Entwicklung einer flexiblen Platt-form für die kollaborative virtuelle Produktentwicklung, die speziell auf die Bedürfnisse von KMU zuge-schnitten ist. Die Plattform ermög-licht darüber hinaus den mobilen Zugang zu relevanten Daten und Applikationen – so können Mit-glieder eines Projektteams oder in-nerhalb eines Unternehmensnetz-werks auch geografisch verteilt oder

von unterwegs zusammenarbeiten. Um neue Vorgehensweisen und Methoden für effizientes mobiles Zusammenarbeiten zu entwickeln, hat das Projektteam von Coves drei typische Anwendungsszenarien definiert, den »Manager auf Ge-schäftsreise«, die »Ingenieure vor Ort« (zum Beispiel beim Kunden oder Partner) und die »Virtuelle Teamzusammenarbeit«. Auf Basis des so genannten Mashup-Kon-zepts [2] wurden die Szenarien in einer offenen und erweiterbaren Kollaborationsplattform umge-setzt, die Unternehmensapplikati-onen (PDM, ERP, SCM etc.) sowie Projektmanagement und Kommu-nikationsdienste (Voip, Chat etc.) mit geringem Aufwand integriert. Der Zugriff auf diese Plattform ist vor allem auf den mobilen Einsatz ausgerichtet und ermöglicht des-halb den Einsatz von Smartphones und Laptops.

Offene und flexible Softwareintegration

Mashup (englisch für »Ver-knüpfung«) – auch Remix genannt – ist ein neues Konzept aus dem Web 2.0-Umfeld. Es steht für die nahtlose Kombination bestehen-der Informationen zur Generierung neuer Inhalte. Bemerkenswert dabei ist, dass dieses Zusammen-führen von Informationen auf der Ebene der Benutzeroberfläche mit-tels Web-Technologien vorgenom-men wird.

Im Projekt Coves wird diese Technologie genutzt, damit der Anwender über einen flexiblen Mechanismus in einer Ansicht alle Informationen aus unterschied-lichen Quellen überblicken kann. Abgesehen vom Single-Sign-On – dem einmaligen Anmelden in der Coves-Umgebung – ist keine direkte Kommunikation zwischen den Datenservern notwendig. Da-her unterscheidet sich dieser An-satz deutlich von den heute an-gepriesenen serviceorientierten Architekturen. Die Vorteile des Co-ves-Ansatzes sind niedrige Kosten und geringe Aufwände bei der Ein-führung in die industrielle Praxis.

In Coves sind auf Basis von zwei existierenden Kollaborationsplat- tformen exemplarische Mashup-Umgebungen realisiert. Das Kon-zept des Coves-Projekts hat das Projektteam neben der kommer-ziellen Lösung VCS der Firma VEA auch anhand der Open Source Groupware phpCollab umgesetzt.

Kontextsensitive Integration

Als Weiterentwicklung ge-genüber bisherigen Mashup-Ent-wicklungen wurde im Coves-Pro-jekt Wert darauf gelegt, dass die integrierten Mashup-Inhalte kon-textsensitiv sind. Der besondere Nutzen dabei ist, dass der Kontext des zur Verfügung stehenden Ar-beitsumfelds des Anwenders er-fasst und gebraucht wird. In bis-herigen Umgebungen muss der Anwender, Systemverantwortliche oder Softwareentwickler manu-ell die Beziehungen von Objekten aufbauen. Datenstrukturen müssen erstellt werden, Mapping-Informa-tionen zwischen unterschiedlichen Datenbeständen definiert werden und die Implementierung von Ser-vices muss diesen Gegebenheiten angepasst werden. In Coves wer-den diese Beziehungen zwischen Informationen über den Kontext hergestellt. In der herkömmlichen Oberfläche der Groupware kann der Anwender seine Projekte ver-walten. Das bedeutet, dass alle für das Projekt relevanten Infor-mationen im System zu finden sind, wie beispielsweise Aufgaben oder Dokumente zu den einzelnen Tasks. Dieser Arbeitskontext kann den integrierten Mashup-Kom-ponenten zur Verfügung gestellt werden. Beispielsweise verwendet eine selbstentwickelte Skype-Inte-gration diese Informationen, um selbständig eine Liste mit Projekt-partnern zu erstellen. Damit ent-fällt die Suche in umfangreichen Adressbüchern.

Ein weiteres Beispiel sind die Komponenten des im Projekt ent-wickelten FEM-Servers. Auch hier sieht der User je nach Projekt un-terschiedliche Inhalte. Dazu zählt eine Liste mit nutzbaren FEM-Web-

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anwendungen, die der Anwender sofort aufrufen kann. Darüber hin-aus kann er die Ergebnisdokumen-te auf dem FEM-Server abrufen. Auch hier wird nach projektrele-vanten Dateien gefiltert, die im Projektkontext stehen. Obwohl di-ese Daten auf anderen Servern im Internet liegen und die Dokumente nicht manuell referenziert wurden, bietet sich dem Anwender den-

noch eine integrierte Ansicht aller projektrelevanten Daten.

Um die Integrationskosten niedrig zu halten, wurden für die Realisierung dieses Ansatzes be-währte Webtechnologien einge-setzt. Es können nahezu alle be-liebigen Webseiten als Mashup integriert werden, zumindest bei einer Darstellung in den kleinen Bereichen.

Mit »Mobilisierung« von An-wendungen und Daten ist in Coves nicht nur der Zugriff mittels Note-books gemeint, sondern auch der Zugriff über kleinere Geräte wie Pocket PC oder Smartphones. Im Entwicklungsprojekt kamen alle typischen Windows-Geräte wie Notebooks/Desktops und Windows Mobile Geräte zum Einsatz. Für Ko-operationen im Sinne von Coves spielt die Verfügbarkeit von Daten eine zentrale Rolle. Daher soll der Datenzugriff – speziell für KMU – so effizient wie möglich sein. Typische Daten von hoher Bedeutung bei KMU-Kollaborationen sind Dateien auf unterschiedlichen Servern und Datenbank-Informationen, die durch unterschiedliche Anwen-dungen verwaltet werden.

Vernetzt unterwegs

In Coves wurde ein Service entwickelt, mit dem man über ein mobiles Gerät auf Dateien zugrei-fen kann, die in mehreren LANs gespeichert sind, Die Dateien kön-nen heruntergeladen und danach lokal wie gewohnt bearbeitet wer-den. Die Synchronisierung mit den Dateiservern ist bi-direktional und für den Internetzugriff optimiert. Für den Fall, dass eine Datei so-wohl auf dem Server als auch im Client modifiziert wurde, bietet der Service die Möglichkeit, Kollisions-trategien zu definieren.

Eine weitere Eigenschaft dieses Services ist die Option, die Synchronisierung von mehreren Servern zu ermöglichen. So können mehrere Firmen zusammenarbeiten und für die Kollaborationszwecke Dateien zu Verfügung stellen. Sie können die Daten dann in einem Schritt von mehren Servern auf ein Notebook herunterladen und syn-chronisieren. Der Prozess ist für den Benutzer komplett transparent – es besteht kein Unterschied, ob die Daten aus einem oder mehre-ren LANs stammen.

Für die IT-technische Unter-stützung einer Kooperation ver-wenden Firmen häufig Kollabo-rationsplattformen. Hinderlich ist dabei meist die Scheu davor, alle

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Die Coves Arbeitsumgebung basiert auf einer offenen Softwarearchitektur.

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projektrelevanten Daten und Da-teien auf den für alle zugänglichen Servern der Kollaborationsplatt-form abzulegen. In Coves können die zusammenarbeitenden Firmen frei entscheiden, ob sie die zu ver-waltenden Dateien auf den zentra-len Server der Plattform hochladen wollen oder die originären Dateien lokal verwalten. In dem zweiten Fall bleiben die Dateien auf den lo-kalen Dateiservern und nur die Me-tadaten werden durch die zentrale Plattform verwaltet.

Ein häufiges Problem von Un-ternehmen, die ein PDM-System einsetzen, ist die Zusammenarbeit mit externen Partnern. Die gilt ins-besondere bei kurzfristigen, zeitlich begrenzten Projekten mit hohem Datenaustausch. Äußerst selten verwenden beide Partner das glei-che PDM-System. Die Kosten hierfür wären zu hoch, außerdem bleibt keine Zeit für eine Einführung und Schulungen. In dieser Situation ex-portiert ein Partner üblicherweise die notwendigen Daten des rele-vanten PDM-Projekts und stellt di-ese dem externen Partner zur Ver-fügung. Dieses Vorgehen hat aber mehrere Nachteile: Ändern sich Daten, müssen die Änderungen kommuniziert werden, oft läuft es auf manuelles Einpflegen der Da-ten beim Partner hinaus.

Zugriff auf PDM-Dateien

Auf Basis der oben beschrieben Vorgehensweisen und Technologien zur Synchronisierung von Unterneh-mensdaten kann der Datenaustausch zwischen den Unternehmen verein-facht werden. In Coves wurde es für das PDM9000 der Firma Logotec En-gineering implementiert.

Die in KMU genutzten Anwen-dungen können in folgende Gruppen klassifiziert werden: Webtaugliche Anwendungen, die auch offline (mit bi-direktionaler Synchronisierung) verwendet werden können, web-taugliche Anwendungen, die nur online verwendet werden können sowie lokale Anwendungen (kein Zugriff über Web möglich). Derzeit kommen Anwendungen der ersten Gruppe kaum vor; auch die zweite

Gruppe hat nur eine geringe Verbrei-tung. Dabei sind Anwendungen mit einem mobilen Client noch seltener. Aber: Schätzungsweise 90 Prozent aller Anwendungen, die heutzutage von KMU genutzt werden, gehören zur Gruppe drei.

Coves bietet für dieses Problem folgende Lösungsmöglichkeiten: Für einige populäre und nicht-mo-bile Anwendungen wird ein Service angeboten, der mobile Versionen vollständig automatisch erstellt, etwa für MS Dynamics CRM, Sales-force.com und SAP Business One. Firmenspezifische Anpassungen werden dabei automatisch über-nommen. Der Prozess dauert nur etwa 15–20 Minuten und erfordert keine lokale Installation auf den Firmenservern. Die Daten werden dabei nicht gespiegelt, sondern bleiben auf den Firmenservern. Der Service erstellt nur die mobile Anwendung und kümmert sich um die Synchronisierung. Daher ist für die erstellten Applikationen sowohl ein Offline-Zugang (mit Synchroni-sation) als auch ein Online-Zugang auf die Daten möglich.

Coves bietet darüber hinaus einen »Application-Generator«, der es ermöglicht, individuelle, mobile Anwendungen in relativ kurzer Zeit ohne Programmierung zu erstellen. Dieser Generator eignet sich be-sonders gut für firmenspezifische Anwendungen, die »mobilisiert« werden sollen.

Der in Coves gewählte Ansatz, verschiedene digitale Inhalte über eine gemeinsame Benutzeroberfläche zusammenzuführen, steht in Konkur-renz zu serviceorientierten Architek-turen (SOA), bei denen deutlich mehr Kommunikation zwischen den einzel-nen Servern erfolgt. Sicherlich kann die Mashup-Technologie nicht überall eingesetzt werden, aber überall dort, wo flexible und schnell realisierbare Integrationen ohne hohe Kosten ge-fragt sind, bietet Coves großes Po-tenzial. Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts ist die Möglichkeit, Daten mobil zur Verfügung zu stellen, die für Personen außerhalb des Unter-nehmens oft unerreichbar sind. Ge-rade für KMU, deren Leitungs- und Entscheidungsträger viel reisen, bie-ten die entwickelten Applikationen kostengünstige Lösungen. -sg-

Literatur[1] Coves Projekt; www.coves-project.org, 2009[2] Dryndos, J.; Kazi, A. S.; Langenberg, D.; Löh, H.; Stark, R.: Collaborative Virtual Engi-neering for SMEs: Technical Architecture. In: Proceedings of the 14th ICE 2008. Lisbon, Portugal, 23.-25. Juni 2008, Nottingham Uni-versity Business School, 2008, S. 507–514.

Fraunhofer-Institut IAO, Mehmet Kürümlüoglu, www.iao.fraunhofer.de Universität Stuttgart (IAT), Judith Finger, www.iat.uni-stuttgart.de Logotec Engineering S.A., Jerzy Dryndos, www.logotecgroup.com Fraunhofer-Institut IPK, Dirk Langenberg, www.ipk.fraunhofer.de Virtual Dimension Center, www.vdc-fellbach.de, www.coves-project.org

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Die Grafik zeigt, wie externe Ressourcen in die phpCollab-Oberfläche integriert werden können.