13
Im Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Zwei bedeutende „pädagogische Köpfe”: Nikolaus Clasen (1783-1850) und Anton Godart (1817-1876) Text: Monique Hermes, Fotos: Jean Welter. Teil I veröffentlicht in „Die Warte“ am 11. Dezember 1986. Überarbeitet und ergänzt im November/Dezember 2017. Ende des Jahres 1986 gedenkt die Stadt Grevenmacher, dank der Initiative ihrer Kulturkommission, eines ihrer hervorragenden Pädagogen, dem nachträglich der Titel: „Vater der moselländischen Volkskunde“ zuerkannt wurde für sein Büchlein: „Alterthümliche Merkwürdigkeiten der Stadt Grevenmacher“, das im Jahre 1885 im Verlag Josef Eßlen herauskam, Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886), der am 13. Juli 1886 in den Fluten der Mosel den Tod fand. Wir nutzen die Gelegenheit, um in der Schulgeschichte des Moselstädtchens zu blättern und verschiedene „pädagogische Köpfe“ zu würdigen, die der Moselmetropole im (vor)vergangenen Jahrhundert „zum Segen gereichten“ und fast „ein Jahrhundert hindurch die Methodik des Landes befruchteten.“ (Paul Noesen). Es handelt sich u. a. um Nikolaus Clasen (1783-1850), der „die Reihe vorzüglicher Lehrer und Oberprimärlehrer inaugurierte“ und um einen Schüler von Clasen, Anton Godart (1817-1876), zuerst Unterlehrer in seiner Heimatstadt, dann Reorganisator des Schulwesens der Hauptstadt, zudem Gründer der Oberprimärschule in Luxemburg und Verfasser äußerst zahlreicher bekannter und viel gebrauchter Schulbücher für unsere Primärschule, „die während mehr als einem halben Jahrhundert das Feld behaupteten und für den Fleiß und das methodische Können ihrer Verfasser Zeugnis ablegten.“ (Noesen). Auch verschiedene andere bedeutende Lehrpersonen, die sich in Grevenmacher, und darüber hinaus, einen Namen machten und so der Stadt zur Ehre gereichten, sollen an dieser Stelle erwähnt werden. Sie haben letztlich dazu beigetragen, dass das Schulwesen sich im Moselstädtchen und im ganzen Lande ausbreiten konnte. NIKOLAUS CLASEN (1783-1850): EINE HERVORRAGENDE LEHRERGESTALT DES GROSSHERZOGTUMS SEIN LEBEN Geboren wurde Nikolaus Clasen in der Stadt Luxemburg am 5. März 1783 als Sohn eines wohlhabenden Lohgerberhändlers. Politische Unruhen zwangen seine Eltern Henri Clasen und Marguerite Chrisnach, die Hauptstadt zu verlassen und nach Grevenmacher umzuziehen. Nikolaus zog mit nach dem

Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Im Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886)

Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher

Zwei bedeutende „pädagogische Köpfe”: Nikolaus Clasen (1783-1850)

und Anton Godart (1817-1876)

Text: Monique Hermes, Fotos: Jean Welter.

Teil I veröffentlicht in „Die Warte“ am 11. Dezember 1986.

Überarbeitet und ergänzt im November/Dezember 2017.

Ende des Jahres 1986 gedenkt die Stadt Grevenmacher, dank der Initiative

ihrer Kulturkommission, eines ihrer hervorragenden Pädagogen, dem

nachträglich der Titel: „Vater der moselländischen Volkskunde“ zuerkannt

wurde für sein Büchlein: „Alterthümliche Merkwürdigkeiten der Stadt

Grevenmacher“, das im Jahre 1885 im Verlag Josef Eßlen herauskam,

Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886), der am 13. Juli 1886 in den Fluten der

Mosel den Tod fand.

Wir nutzen die Gelegenheit, um in der Schulgeschichte des Moselstädtchens zu

blättern und verschiedene „pädagogische Köpfe“ zu würdigen, die der

Moselmetropole im (vor)vergangenen Jahrhundert „zum Segen gereichten“ und

fast „ein Jahrhundert hindurch die Methodik des Landes befruchteten.“ (Paul

Noesen). Es handelt sich u. a. um Nikolaus Clasen (1783-1850), der „die Reihe

vorzüglicher Lehrer und Oberprimärlehrer inaugurierte“ und um einen Schüler

von Clasen, Anton Godart (1817-1876), zuerst Unterlehrer in seiner

Heimatstadt, dann Reorganisator des Schulwesens der Hauptstadt, zudem

Gründer der Oberprimärschule in Luxemburg und Verfasser äußerst

zahlreicher bekannter und viel gebrauchter Schulbücher für unsere

Primärschule, „die während mehr als einem halben Jahrhundert das Feld

behaupteten und für den Fleiß und das methodische Können ihrer Verfasser

Zeugnis ablegten.“ (Noesen).

Auch verschiedene andere bedeutende Lehrpersonen, die sich in Grevenmacher,

und darüber hinaus, einen Namen machten und so der Stadt zur Ehre gereichten,

sollen an dieser Stelle erwähnt werden. Sie haben letztlich dazu beigetragen,

dass das Schulwesen sich im Moselstädtchen und im ganzen Lande ausbreiten

konnte.

NIKOLAUS CLASEN (1783-1850): EINE HERVORRAGENDE

LEHRERGESTALT DES GROSSHERZOGTUMS

SEIN LEBEN

Geboren wurde Nikolaus Clasen in der Stadt Luxemburg am 5. März 1783 als

Sohn eines wohlhabenden Lohgerberhändlers. Politische Unruhen zwangen

seine Eltern Henri Clasen und Marguerite Chrisnach, die Hauptstadt zu

verlassen und nach Grevenmacher umzuziehen. Nikolaus zog mit nach dem

Page 2: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Moselstädtchen und übte dort bis zum Jahre 1812 den Beruf eines Lohgerbers

aus, das Geschäft seines Vaters weiterführend.

Im Jahre 1812 wurde der Posten eines Schullehrers in Grevenmacher vakant,

und der Gemeinderat hatte ein Auge auf den jungen Clasen geworfen. Er sollte

seine Wahl später in keinem Augenblick bereuen.

Clasen nahm den ihm angebotenen Posten schließlich an. Anfangs stand ihm

sein Bruder Anton zur Seite. Der neue Lehrer hatte jedoch die Bedingung

gestellt, sich weiter ausbilden zu dürfen und besuchte in der Folgezeit die

bekannten Lehrkurse des Trierer Pädagogen und Geistlichen Victor (Josef

Aloysius) Devora (1774-1837). Durch diesen Pädagogen wurde er mit den

pädagogischen Strömungen seiner Zeit bekannt, lernte bedeutende Leute wie

Johann Ignaz von Felbiger (1724-1788), Johann Heinrich Pestalozzi (1726-

1827), Bernhard Heinrich Overberg (1754-1826) und Johann Michael Sailer

(1751-1832), kennen und schätzen und zog Nutzen aus deren Lehren für seine

Grevenmacher Schüler.

Im Jahre 1818 entdeckte der vom König-Großherzog Wilhelm I. mit der

Inspektion unserer Schulen beauftragte berühmte Verfasser des holländischen

Schulgesetzes von 1806, Van den Ende, in unserem Land lediglich zwei

vollkommene Schulen: die des Lehrers Jean-Pierre Charles Bernard (1782-

1849) in Wiltz und die des Lehrers Nikolaus Clasen in Grevenmacher. Beide

Musterlehrer erhielten als Belohnung ein Brevet ersten Ranges, damals eine

außergewöhnliche Auszeichnung, die nur sehr wenigen Lehrpersonen zuteil

wurde. Dieses Brevet sollten bis zum Jahre 1868, Jahr, in dem zum ersten Mal

ein Examen dafür abgelegt wurde, noch drei weitere Grevenmacher

Lehrpersonen erhalten. Wir werden später noch auf sie zurückkommen.

Nikolaus Clasen lebte nur für seine Schule und für seine Schüler. Als man ihm

den Posten eines Professors an der 1818 geschaffenen Modellschule in

Luxemburg anbot, lehnte er ab mit der Begründung, er wolle sich weiterhin

unermüdlich für die Jugend seiner Adoptivvaterstadt einsetzen.

Von ihm wird berichtet, er habe beim großen Brand vom 18. November 1822,

Brandkatastrophe, die in Grevenmacher 147 Wohnhäuser von etwa 340

bestehenden zerstörte, sein eigenes Wohnhaus in den Flammen aufgehen lassen,

um zu helfen, das brennende Schulhaus zu retten. (Luxemburger Wochenblatt

Nr. 47, 1822, sowie Philippe Knaff: „Geschichtliche Abhandlung über die Stadt

und ehemalige Festung und Landrichterei Grevenmacher“ (1867), S. 104. Knaff

bemerkt in einer Fußnote: „Herr Clasen war einer der hervorragendsten

Lehrer, die je das Großherzogtum besaß.“)

DIE SCHULE VON NIKOLAUS CLASEN

war nicht nur Primär- und Volksschule, sondern ebenfalls Progymnasium und,

besonders in den schweren Jahren von 1830-1840, die durch einen regelrechten

Page 3: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Verfall des Unterrichtes gekennzeichnet waren, zum Teil auch Normalschule.

Nach Angaben von Dr. Auguste Neyen (1809-1882) in seiner „Biographie

Luxembourgeoise“ (1860), gingen eine große Schar (über 100) bedeutende

Männer aus ihr hervor, die in der Folgezeit landesweit bedeutende und führende

Stellen in vielen Berufen einnehmen sollten. „On peut dire sans exagération

que, de 1831-1845, Grevenmacher a été le centre de notre pays, sous le rapport

de l’enseignement primaire“, schreibt Regierungsrat Louis Simmer (1889-1987)

in seinem Werk: „Etude sur la formation du personnel de notre enseignement

primaire depuis 1815“. (Dieses 1926 veröffentlichte Werk wurde lange Zeit als

Standardwerk betrachtet.)

Bei Gelegenheit des Schulabschlussfestes von 1847 hielt der frühere Professor

der Modellschule Luxemburg und damalige Direktor des Athenäums, der

Geistliche Michel-Nicolas Müller (1793-1876), eine schmeichelhafte Lobrede,

aus der wir nur drei Sätze zurückbehalten wollen: „Mais ce n’est pas seulement

aux études supérieures et aux parages élevés de la société que votre école a

préparé la jeunesse; elle rendu un service immense à la classe moyenne et aux

enfants pauvres.“ (In Grevenmacher florierte besonders im (vor)letzten

Jahrhundert das Handwerk. Wagner, Gerber, Weber, Kupferschmiede,

Schuster… hatten im heimeligen Moselstädtchen ihre Zelte aufgeschlagen. Es

gab jedoch auch viele Tagelöhner, die sich von Tag zu Tag ein oft karges

Einkommen für ihre Familien sichern mussten.)

Müller bemerkt wieder: „Plus de 40 instituteurs y ont été formés; ils y ont

appris, comme dans un atelier, non seulement la théorie, mais surtout la pratique

des bonnes méthodes.“ Und abschließend meint er : « Messieurs, vous avez

orné cette salle de guirlandes festivales : permettez-moi d’y ajouter une en

imagination. Si tous les élèves formés dans cette école et qui sont disséminés

aujourd’hui, pouvaient soudainement se réunir sur votre nouvelle esplanade

(gemeint ist hier der neue Marktplatz, der nach der Feuersbrunst von 1822

eingerichtet wurde ; dort befand sich damals das Schulhaus, nachdem vorher

wahrscheinlich u. a. in einem Hause in der Peter-Osburg-Straße, die damals

noch „Schulhausgasse“ geheißen haben soll, unterrichtet worden war. Eine

Studie über die verschiedenen Schulhäuser und Lehranstalten von

Grevenmacher, die wir für später planen, dürfte Klarheit in dieser Sache

bringen), en se donnant les mains, ils formeraient, comme autant de fleurons,

autour de leur respectable instituteur, une couronne vivante, la plus belle que la

Ville de Grevenmacher puisse ambitionner.“ (cit. Simmer).

Bereits zu Lebzeiten wurden Clasens Verdienste anerkannt. Im Jahre 1842

ernannte man ihn zum Ehreninspektor der Gemeinde Mertert. Im Jahre 1844

wurde ihm auf Vorschlag des damaligen Schulinspektors des Kantons

Grevenmacher vonseiten der Königlich-Großherzoglichen

Unterrichtskommission eine öffentliche Ehrmeldung zugedacht. Darin hieß es:

„Wie unermüdet und wie segensreich Sie seit langen Jahren in der Schule von

Page 4: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Grevenmacher wirken, ist bekannt. Die schönste Belohnung für Ihre

mühevollen Leistungen finden Sie wohl in der Erkenntlichkeit Ihrer zahlreichen

Schüler und in der Hochachtung Ihrer Mitbürger.“ Weiter wurde seine Schule

als „Musterschule“ und er selbst als „ein Muster eines vortrefflichen Lehrers“

betitelt. („Luxemburger Schulbote“; Erster Jahrgang, Nr. 2, SS. 126-127).

Kurz vor seinem Tode, nämlich im Jahre 1849, wurde Classen zusammen mit

seinem Kollegen Bernard aus Wiltz zum Ritter der Eichenlaubkrone ernannt,

eine damals für Schullehrer äußerst seltene Auszeichnung. Die Stadt

Grevenmacher organisierte daraufhin am 8. Juli 1849 ein wahres Volksfest für

ihren Lehrer, an dem u. a. der Regierungsvertreter Norbert Metz (1811-1885),

der Grevenmacher Bürgermeister Pierre Muller-Walse (Bürgermeister von

1849-1861), der Schulinspektor Dr. J. B. Knaff (1808-1882), (er war Doktor

der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe sowie Pharmakologe. Er wirkte als

praktischer Arzt, dann ab 1842 als Kantonalarzt. 1849, nachdem er „die

Medizin verlassen hatte“, wurde er Schulinspektor für den Kanton

Grevenmacher; zudem war er von 1869 (?) -1874 Bürgermeister der

Moselmetropole), Notar Joseph Ritter (1796-1864), Mitglied der

Abgeordnetenkammer, (er war Bürgermeister von Grevenmacher von 1861-

1863), Dechant Gaspar B(o)urg, Dechant in Grevenmacher von 1841-1866),

teilnahmen. „Cette fête, qui s’est prolongée jusque vers minuit, et pendant

laquelle la plus franche cordialité n’a cessé de régner, servira de cimenter

d’avantage la bonne harmonie qui existe parmi les habitants de Grevenmacher

et à relever l’instruction primaire de la dépréciation dans laquelle elle paraît être

tombée lors des derniers événements politiques“, hieß es im „Schulboten“ von

1849. (S. 77).

Am 19. Januar 1850 wurde der bedeutende Nikolaus Clasen aus seinem

geliebten Beruf herausgerissen. Die Stadt Grevenmacher und mit ihr der ganze

Kanton trauerten um einen erstklassigen Pädagogen, einen Freund, einen Lehrer

und Wohltäter, „der es nicht nur beim Leben in seiner Schule bewenden ließ,

sondern der auch seiner ganzen Umgebung stets durch ein gutes Beispiel

vorleuchtete. (…) Man kann frei behaupten, dass seit Grevenmacher steht,

alldort keine Beerdigung mehr mit solch allgemeiner Teilnahme stattgefunden“,

lesen wir im Nachruf im „Schulboten“ von 1850. (SS. 50-54). Die Lehrer des

Kantons schlossen sich dem Grevenmacher Bürgerverein an, um dem

Verstorbenen ein Denkmal zu errichten. (Bei diesem Denkmal handelt es sich

wohl um den einst imposanten, heute stark verwitterten Grabstein auf dem

Grevenmacher Friedhof am Fuß des Kreuzerbergs.)

SEINE FAMILIE

Nikolaus Clasen hatte die aus dem benachbarten Herborn stammende Catharina

Schmit geheiratet. Dieser Ehe entsprossen zwei Söhne, die ihren Eltern alle

Ehre machten: Bernard Isidor Clasen, geboren am 20. März 1829 in

Page 5: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Grevenmacher, und Theophilus Antonius Clasen, geboren am 9. September

1830 in Grevenmacher, sowie eine Tochter, Mathilde Elisabeth Clasen, geboren

am 3. August 1832, ebenfalls in Grevenmacher. Clasens Ehefrau, die um mehr

als 20 Jahre jünger war als er, starb am 18. September 1834 in Grevenmacher

im blühenden Alter von 29 Jahren.

Ein Wort noch zu Clasens beiden Söhnen: Der älteste Sohn, Bernard Isidor,

wurde Geistlicher und war Religionsprofessor an der Normalschule in

Luxemburg von 1854-1870. Am 24. Mai 1870 wurde er Dechant in der

Abteistadt Echternach, wo er im Willibrordus-Bauverein das Restaurationswerk

der Basilika förderte und ebenfalls großes Interesse für die Restaurierung des

Echternacher „Dingstuhl“ zeigte. Am 24. Februar 1886 erhielt Bernard Isidor

Clasen seine Ernennung zum Domherrn an der Kathedrale in Luxemburg. Er

starb am 11. Januar 1902 in seinem geliebten Echternach. Es würde sich lohnen,

einmal etwas näher auf diesen eminenten Mathematiker und auf die allgemein

beliebte und geschätzte Persönlichkeit einzugehen. Sein Werk: „Die elementare

Arithmetik in ihrer wissenschaftlichen Begründung und praktischen

Anwendung” (1865) stieß weltweit auf große Anerkennung. Sein Bruder Anton

wurde Advokat in Luxemburg und soll später Professor in Brüssel gewesen

sein.

SEIN WERK

Dass Nikolaus Clasen ein hervorragender Pädagoge war, brauchen wir nicht

mehr besonders zu betonen. Damals fehlte es an geeigneten Handbüchern für

die Schule. Clasen arbeitete diese für die meisten Fächer der Primärschule aus.

Deutsche und französische Lesebücher, u. a. „Der Leseschüler“ oder „Übungen

im Lesen und Denken zur Begründung eines stufenmäßigen und fruchtbaren

Unterrichts in der Muttersprache“, Luxemburg, 1840, eine deutsche

Grammatik: „Theoretisch-praktische Anleitung zur Kenntniß der deutschen

Sprache (in katechetischer Form)“ unter dem Motto: „Es bedarf nicht vieler

Regeln, sondern vieler Beispiele“, 1833-1844, 4. Aufl. verschiedene Verlage,

ein kleines Rechenbuch „Gründliche Darstellung des metrischen oder

Dezimalsystems der Maßen und Gewichte samt der Rechnung der gewöhnlichen

Fraktionen und Dezimalen“. Luxemburg, Verlag von Kuborn, und das

„Elementarbüchlein zur Erlernung des Lesens und des Verstehens der

französischen Sprache für Anfänger“, 4. Auflage, Luxemburg, J. Lamort, 1938,

entstammen seiner Feder. Alle diese Schulbücher waren seinen Schülern

gewidmet. „Alle seine Bücher verraten den gewandten Methodiker und den tief

religiösen Erzieher, den das ganze Land in diesem Manne verehrte“, schreibt

Paul Noesen (1891-1960). („Das publizistische Werk von Paul Noesen steht im

Zeichen der Schulpädagogik“, vermerkt Claude D. Conter im „Luxemburger

Autorenlexikon“.)

Page 6: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Dem Grevenmacher Oberlehrer Nikolaus Clasen verdanken wir weiter die

ersten Ansätze zum Kindertheater in unserem Land. Im Büchlein: „Theater in

Luxemburg“, das ein weiterer bedeutender Sohn der Stadt Grevenmacher,

nämlich Abbé Joseph Hurt (1892-1962) geschrieben hat, lesen wir: „Im Jahre

1821 spielten am 25. Oktober in dem Städtchen Grevenmacher 12 Schulkinder

aus besseren Familien ein französisches Stück ‚Le jardinier‘. Der damalige

Lehrer Clasen (1783-1850) organisierte alljährlich mit den Kindern ein

Schulfest, das weit über die Grenzen der Ortschaft Anklang und Bewunderung

erregte. In dieser Zeit, wo sonst im Lande der Schulmeister dem Range nach

sich nicht wesentlich vom Dorfhirten unterschied, blühte in Grevenmacher eine

Schule, die eher als Progymnasium oder Normalschule bewertet werden konnte

und dies dank des Lehrers Clasen, der zu den leuchtendsten Lehrergestalten des

Landes gerechnet werden muss.“ (S. 96).

Und Paul Noesen schreibt in seiner „Geschichte der Luxemburger

Jugendliteratur“: „Im Jahre 1843 wurde von der Schule des Herrn Clasen das

Schauspiel: ‚Die beschämte Unverträglichkeit oder die kleinen Zigeunerinnen‘

bei Gelegenheit der öffentlichen Prüfung aufgeführt, wie wir aus den in dem

Stück vorkommenden Liedern, die 1843 bei J. Lamort, Luxemburg, im Druck

erschienen.“ (S. 80).

Mit einem weiteren Zitat von Paul Noesen möchten wir diese erste Folge aus

der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher, eine Geschichte, in der zu blättern

es der Mühe wert ist, abschließen: “So ragt die Gestalt des Lehrers Clasen nicht

nur in die Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher, sondern ebenso mächtig in

die des ganzen Landes hinein.”

Auf dem neuen Grevenmacher Marktplatz wurde lange Zeit Schule gehalten.

(Postkarte: Stadtarchiv Grevenmacher)

Page 7: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher

Bedeutende „pädagogische Köpfe“: Nikolaus Clasen (1783-1850), Anton Godart (1817-

1876) und Marie-Anne de Thierry (1808-1892)

Teil II veröffentlicht in „Die Warte“ vom 18. Dezember 1986.

Überarbeitet und ergänzt im November/Dezember 2017.

ANTON GODART (1817-1876):

„EIN LEHRER DES GANZEN LANDES“

„Ein Schüler von Nikolaus Clasen war Anton Godart (1817-1876), erst

Unterlehrer in seiner Heimatstadt, dann Reorganisator des Schulwesens der

Hauptstadt und gleichzeitig ein Lehrer des ganzen Landes“, schreibt Paul

Noesen im Beitrag: „Der Anteil Grevenmachers am geistigen Schaffen unserer

Heimat.“ Damit wären Gestalt und Werk eines weiteren bedeutenden Sohnes

des Moselstädtchens mit einem einzigen Satz umrissen. Es lohnt sich jedoch,

etwas näher auf diesen Schulmann, dem das Luxemburger Schulwesen eine

ganze Reihe von Schulbüchern verdankt, einzugehen.

SEIN LEBEN

Geboren wurde Anton Godart am 29. Oktober 1817 in Grevenmacher als Sohn

der Eheleute Johannes Godart und Eva Bastian. Sein Vater, Johannes Godart,

war „Karcher“, was soviel bedeutet, wie „Landfuhrmann“ oder „Kärrner“ Laut

Luxemburger Wörterbuch.

Herangebildet wurde Godart an der vortrefflichen Schule des bedeutenden

Grevenmacher Lehrers Nikolaus Clasen. Dieser war dem jungen,

wissbegierigen Studenten Vorbild und väterlicher Freund. Godart kam alsdann

für kurze Zeit nach Trier zu einem Verwandten, der Professor am Gymnasium

der Römerstadt war und der ihm Privatunterricht in verschiedenen Fächern

erteilte. In Trier nahm der musikalisch begabte junge Mann ebenfalls

Musikunterricht und lernte u. a. das Orgelspielen. Später sollte ihm das

Musizieren zum Vorteil gereichen. Ende der vierziger Jahre des letzten

Jahrhunderts gab er die erste Auflage seiner „Theoretisch-praktischen

Gesangschule“ heraus.

Zurück in seiner Heimatstadt Grevenmacher, wirkte der junge Godart zuerst

neun Jahre lang, von 1835-1844, an der Schule von Clasen. Er erwarb 1839 ein

Lehrerbrevet 3. Ranges. In dieser Zeit soll es nach Neyen zu Reibereien

zwischen Godart und den Grevenmacher Gemeindeautoritäten gekommen sein.

Bürgermeister des Moselstädtchens war damals Charles Hess (von September

1833 bis November 1843).

Anfang der 40er Jahre, und nach dem Gesetz von 1843 über den

Primärschulunterricht, wollt die Stadt Luxemburg ihr Primärschulwesen neu

gestalten. Godart, der sich eigentlich voll und ganz der Schuljugend seiner

Heimatstadt widmen wollte, wie sein Vorbild, Nikolaus Clasen, nahm

Page 8: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

schließlich doch das Angebot der Stadt Luxemburg an und lehrte ab 1844 dort

im sogenannten Obergrad. Clasen kam von Luxemburg nach Grevenmacher,

Godart sollte demnach den umgekehrten Weg gehen.

1845 erwarb der talentierte junge Mann ein Brevet 2. Ranges, 1847 wurde

Anton Godart zum Ehrenprofessor für die Sommerkurse an der Normalschule

ernannt. Im selben Jahr sagte der Direktor des Athenäums, Michel-Nikolaus

Müller, in seiner Rede bei Gelegenheit der Schulabschlussfeier zu den

Grevenmacher Autoritäten: „Un des plus intelligents, des plus pratiques comme

des plus zélés instituteurs primaires de Luxembourg (…) nous vous l’avons

enlevé.“ (cit. Simmer).

1852 sprach die Unterrichtskommission den beiden Lehrern Anton Godart aus

Luxemburg und Nikolaus Post (1807-1881) aus Mersch ein Brevet 1. Ranges

für ihre Verdienste im Unterrichtswesen und für ihr gutes Resultat beim

Wettbewerb zwischen den Lehrern 2. Ranges (1845) zu. Kurze Zeit später

wurde Godart zum Direktor der neu gegründeten Knaben-Oberprimärschule

ernannt. Zugleich wurde er Hauptlehrer (Oberlehrer) und zudem auch noch

Inspektor an den Untergraden der Schulen der Stadt Luxemburg.

Im Jahre 1860 wollte König-Großherzog Wilhelm III. die Verdienste von Anton

Godart anerkennen und verlieh ihm, genau wie seinem Lehrer Clasen, das

Ritterkreuz des Ordens der Eichenlaubkrone. Wir betonen nochmals, dass diese

hohe Auszeichnung damals für Schullehrer eine außergewöhnliche war.

„Mais une médaille, quelque brillante qu’elle soit, même si elle est du plus pur

métal, peut parfois finir par ne plus plaire“, schreibt Neyen in seiner

Biographie. In der Tat, nur fünf Jahre später, im Jahre 1865, entschloss Godart

sich, aus dem Lehrfach auszutreten. „Intrigen zwangen ihn dazu“, heißt es bei

Michel Molitor. Welcher Art diese Intrigen waren, konnten wir leider nirgends

herausfinden. Fest steht, dass Anton Godart, der außergewöhnlich viel für die

Schulen der Stadt und des Landes geleistet hatte, keine Pension bekommen

sollte.

Es war dies jedoch nicht das Ende der Karriere von Anton Godart. In den Jahren

1870/71 ersetzte er den erkrankten Professor Theodor Görens (Goerens; 1817-

1871; mit ihm zusammen gab Godart u. a. im Jahre 1851 das „Zweites

Lesebuch für die Primärschulen des Großherzogtums Luxemburg“ heraus) und

erteilte Kurse in deutscher Sprache.

Zudem war Godart im Jahre 1868 mit großer Mehrheit in den Gemeinderat der

Stadt Luxemburg gewählt worden, wohl ein Beweis dafür, wie sehr die

Einwohner der Hauptstadt sein Können und seinen Einsatz zu schätzen und ihm

zu danken wussten. Dieses Mandat übte er bis zu seinem Tode aus.

Page 9: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Darüber hinaus setzte Anton Godart sich zuerst als Mitglied und später als

Präsident der Vinzenzkonferenz aktiv für die Armen und Notleidenden der Stadt

Luxemburg ein.

Anton Godart starb am 13. Dezember 1876 in Luxemburg. Eine Straße in

Bonneweg und eine ganze Reihe von Schulbüchern in unserer

Nationalbibliothek erinnern noch heute an den hervorragenden Pädagogen und

„Lehrer des ganzen Landes“.

SEIN WERK

Dass Anton Godart allein auf pädagogischem Gebiet viel für die Schulen des

Großherzogtums leistete, braucht man wohl nicht mehr zu betonen. Bleibt ein

Blick auf die „schriftstellerische Tätigkeit“ dieses bedeutenden Lehrers zu

werfen. „Er setzte das Werk seines Lehrers Clasen fort, indem er entweder

allein oder mit anderen – es waren dies u. a. der bereits zitierte Professor

Theodor Görens, sowie Professor Hyacinthe Schaack (1831-1915) –

Handbücher für unsere Primärschulen schuf, die während mehr als einem

halben Jahrhundert das Feld behaupteten und für den Fleiß und das

methodische Können ihres Verfassers Zeugnis ablegten“, schreibt Paul Noesen

im bereits zitierten Beitrag „Der Anteil Grevenmachers am geistigen Schaffen

unserer Heimat.“

Es würde zu weit führen, die unzähligen Schulbücher, die Anton Godart

herausgab und die meistens in mehreren Auflagen erschienen, alle hier

aufzuzählen, deshalb beschränken wir uns auf einige Werke:

- Im Jahre 1845 erschien bei J. P. Kuborn in Luxemburg das Rechenbuch:

„Anfangsgründe der Arithmetik für niedere und höhere Primärschulen.“

- 1847 kam bei V. Bück in Luxemburg das „Rechenbuch für höhere

Primärschulen, niedere Gewerbs- und Handwerkerschulen“ heraus.

- 1849 war es das Büchlein: „Erstes Lesebuch für die Primärschulen“, das

bei V. Bück in Luxemburg erschien. Zusammen mit Theodor Görens

veröffentlichte Anton Godart bereits zwei Jahre später, nämlich 1851, das

Buch: „Zweites Lesebuch für die Primärschulen des Großherzogtums

Luxemburg“. Schließlich war es im Jahre 1860 das Büchlein:

„Theoretisch-praktische Gesangschule, nebst einer Auswahl von Liedern,

zunächst für die Primärschulen des Großherzogtums Luxemburg“, das

bei Victor Bück erschien.

(Hinzugefügt sei an dieser Stelle, dass Godart von 1850-1866 Dirigent des

Kathedralchores „Maîtrise“ war.)

Zudem war Anton Godart Mitarbeiter bei der Zeitschrift: „Der Luxemburger

Schulbote, eine Zeitschrift zunächst für die Schullehrer des Großherzogtums

bestimmt“, die ab 1844 herauskam; er lieferte ebenfalls eine bedeutende Anzahl

von Beiträgen für das 1848 gegründete „Luxemburger Wort“.

Page 10: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

MARIE-ANNE DE THIERRY (1808-1892)

UND DIE GREVENMACHER MÄDCHENSCHULE

Eine weitere bedeutende Schülerin und Nachfolgerin von Nikolaus Clasen, die

sowohl ihrem früheren Lehrer als auch ihrer Heimatstadt Ehre machen sollte,

war die Lehrerin Marie-Anne de Thierry, an manchen Stellen auch Anne-Marie

de Thierry geheißen.

IHR LEBEN UND WERK

Marie-Anne de Thierry wurde am 29. Februar 1808 in Grevenmacher als

Tochter von Gérard de Thierry und Anne-Marie Beving geboren. Die Familie

de Thierry, die wahrscheinlich aus Frankreich stammte und nach Neyen am 3.

Juni 1712 in den Adelsstand erhoben wurde (nach Ries erst nach dem Besuch

Napoleons in Grevenmacher, im Jahre 1804), war eine der bedeutendsten und

vornehmsten adeligen Familien Grevenmachers, die beträchtliche Güter besaß.

Ihre Wohnung stand dort, wo sich heute der Marktplatz befindet, und wurde

1837 von der Gemeinde gekauft.

Der Großvater von Marie-Anne de Thierry, Ferdinand de Thierry, war

Bürgermeister von Grevenmacher zur Zeit der französischen Revolution und

des Kaiserreiches. In drei Sachen sind sich die Geschichtsschreiber allerdings

nicht einig, was die Familie de Thierry betrifft: Es handelt sich dabei zuerst um

den richtigen Namen des zitierten Bürgermeisters von Grevenmacher: Hieß er

nun Ferdinand oder Heinrich mit Vornamen? Letzteren gibt Dr. Prosper Kayser

in der „Familienchronik der Stadt Grevenmacher“ (2002 + 2017) an.

Umstritten ist ebenfalls die Dauer seiner Amtszeit. War er Bürgermeister von

1794-1807, wie Nicolas Ries angibt – de Thierry soll jedoch bereits 1805

gestorben sein – oder war er es nur von 1803-1805, wie wir in der Aufstellung

in „Grevenmacher, la Bonne Ville“ (S. 242) lesen können? Oder gab es etwa

zwei verschiedene Bürgermeister, die den Familiennamen de Thierry trugen,

kurz vor und kurz nach 1800? Wie dem auch sei, es soll Bürgermeister

Ferdinand de Thierry gewesen sein, der, zusammen mit seinem Adjunkten (nach

J. Engling) und den Notabilitäten der Stadt, am 9. Oktober 1804 Kaiser

Napoleon in Grevenmacher empfing. Dieser Besuch sowie der Empfang sind

mehrfach dokumentiert.

Die beiden Brüder von Marie-Anne de Thierry waren Leutnant-Colonel

Ferdinand Nikolaus de Thierry (1812-1870), der es in der belgischen

Feldartillerie bis zum Oberstleutnant brachte und dem 10 verschiedene Orden

verliehen wurden, und Johann-Nikolaus de Thierry (1814-1894), der es bis zum

Provinzialdirektor der Steuer- und Zollverwaltung in Belgien brachte.

Die Mädchenschule, die unter der Obhut von Marie-Anne de Thierry stand, bis

1854/55 Gemeindeschule, danach Privatschule, genoss den Ruf eines kleinen

Lyzeums und einer kleinen Normalschule. Im Jahre 1847 widmete der Direktor

Page 11: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

des Athenäums, Michel-Nikolaus Müller, ihr folgendes Lob: „Messieurs,

l’école de vos filles est le digne pendant de celle de vos garçons. Vous avez tous

les avantages d’un pensionnat de filles, sans en éprouver les inconvénients et

les dépenses. Sous le rapport d’une éducation laborieuse, modeste, religieuse et

morale, votre école ne cède en rien à celle de Ste-Sophie; sous le rapport de

l’enseignement elle lui est peut-être supérieure. » (cit. Simmer). Mehr denn

einmal sollte in der Folgezeit der Lehrerin Marie-Anne de Thierry eine

vortreffliche Führung dieser Schule bescheinigt werden.

Im Jahre 1850 wurde das Brevet ohne Rang der „Oberlehrerin der

Grevenmacher Mädchenschule“ durch Beschluss der Unterrichtskommission zu

einem Brevet ersten Ranges erklärt, „in Erwägung langer und ausgezeichneter

Dienste.“ Zusammen mit Marguerite Defer-Philippe war Marie-Anne de

Thierry bis 1867 eine der beiden einzigen Lehrerinnen des Großherzogtums,

denen ein Brevet ersten Ranges zuerkannt worden war.

Marie-Anne de Thierry starb am 24. April 1892 in Grevenmacher. Begraben

liegt sie auf dem Grevenmacher Friedhof.

WEITERE BEDEUTENDE LEHRPERSONEN

DES MOSELSTÄDTCHENS

Nach dem Tode von Nikolaus Clasen wurde ein Mann namens Johann Schon

Oberlehrer in Grevenmacher. Über ihn wissen wir leider sehr wenig, außer dass

auch ihm im Jahre 1867 ein Brevet ersten Ranges zuerkannt wurde. Damit

„glänzte“ die Grevenmacher Lehrerschaft im wahrsten Sinne des Wortes.

Zählen wir das Brevet von Godart hinzu, so waren es gleich vier Diplome ersten

Ranges, die ihr für ausgezeichnete Dienste an der Jugend Grevenmachers und

darüber hinaus am Schulwesen des ganzen Landes zuerkannt wurden. Erinnern

wir zudem nochmals daran, dass zwei Grevenmacher Lehrer, nämlich Godart

und Clasen, mit dem Ritterkreuz des königlich-großherzoglichen Ordens der

Eichenlaubkrone ausgezeichnet wurden.

Über den späteren Staatsarchitekten Peter-Anton Kemp (1841-1895), der in den

sechziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts eine Zeitlang als Zeichenlehrer an

der Grevenmacher Oberprimärschule tätig war, kommen wir zum Hauptlehrer

Anton Wagner (1844-1866), dessen Gedächtnis Ende 1986 in Grevenmacher

besonders begangen wird (wurde), ist (war) es doch das 100. Todesjahr des

bedeutenden Lehrers, Pädagogen und Folkloristen.

„VATER DER MOSELLÄNDISCHEN VOLKSKUNDE“

Geboren wurde Anton Wagner am 15. Dezember 1844 im schmucken Berburg,

im Hause Nummer 10 „um Bierg“ als ältester Sohn des Leinewebers Mathias

Wgner und dessen Gattin Catharina George.

Page 12: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Nach Absolvierung der Normalschule unterrichtete er, der den Lehrerberuf

ergriffen hatte, von 1865 bis 1869 in Junglinster, bevor er in das Moselstädtchen

umzog. Hier sollte er fortan leben, lehren, sich schriftstellerisch betätigen, in

verschiedenen Vereinen aktiv sein und im Alter von nur 42 Jahren sterben.

Grevenmacher war dem Familienvater, Lehrer, Pädagogen und Schriftsteller

Anton Wagner zur zweiten Heimat geworden.

Das Luxemburger Schulwesen verdankt ihm, genau wie seinen beiden

Vorgängern Nikolaus Clasen und Anton Godart, eine Reihe von Schulbüchern;

zählen wir deren nur drei davon auf:

- eine „Deutsche Grammatik, zunächst für die luxemburger Schuljugend in

den Oberprimärschulen, Pensionaten und höheren Lehranstalten, nebst

einem Fremdwörterbuch als Anhang“, Luxemburg P. Brück, 1880/1885.

- ein „Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache, zunächst für

die luxemburger Schulen“. Luxemburg, Verlag von N. Breisdorff, 1883,

Buchdruckerei der Obermoselzeitung, Grevenmacher.

- eine „Geographie für die luxemburger Schulen, nebst einem Verzeichnis

der Ortschaften unseres Landes und der wichtigsten Städte der übrigen

Länder.“ Luxemburg, Verlag von N. Breisdorff, 1884. Buchdruckerei J.

Eßlen, Grevenmacher.

Die Stadt Grevenmacher jedoch, und mit ihr die Luxemburger Volkskunde,

verdankt Anton Wagner „ein ungemein wertvolles Buch, das für spätere

Schriftsteller zu einer unerschöpflichen Fundgrube wurde.“ (Paul Noesen). Im

Jahre 1885 kam nämlich im Grevenmacher Verlag Joseph Eßlen das Büchlein:

„Alterthümliche Merkwürdigkeiten der Stadt Grevenmacher“ heraus. Es ist, wie

Wagner selbst im Untertitel schreibt, „eine Sammlung von Sagen und Märchen,

Sitten und Gebräuchen, Volksmeinungen, Liedern, Sprüchen und Spielen“, die

„X. Mosellanus“ seinen Mitbürgern widmete; wohl, weil er sich des Wertes

dessen, was man allgemein als Volksgut bezeichnet, bewusst war und eben

dieses Volksgut nicht verlorengehen lassen wollte…

******************************

Wenn die Stadt Grevenmacher Ende 1986 auf Bestreben ihrer

Kulturkommission den „Vater der moselländischen Volkskunde“ und mit ihm

zusammen einige bedeutende „pädagogische Köpfe“, die sie aufzuweisen hat,

mit einer Ausstellung und einem Vortrag zum Thema: „Zu Maacher virun 100

Joer … vu Leit a Liewen“, ehrt, so trägt sie damit einem Rat von Professor

Joseph Hess (1889-1973) Rechnung, der im Jahre 1919 in seinem Vorwort zur

„Luxemburger Volkskunde“ schrieb:

„Es gilt zu retten, was noch zu retten ist. So rasch vollzieht sich der materielle

Aufstieg unserer Zeit, dass wir Gefahr laufen, von den Wurzeln unseres Daseins

abgeschnitten zu werden, und haltlos, ohne das beruhigende Gefühl der

Page 13: Aus der Schulgeschichte der Stadt Grevenmacher Schulgeschichte.pdfIm Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Hauptlehrer Anton Wagner (1844-1886) Aus der Schulgeschichte der Stadt

Verbundenheit mit dem mütterlichen Heimatboden und mit unseren Vorvätern,

nur unserer Zeit zu leben. Zurückschauen heißt aber nicht zurückschreiten.

Wer, mit der Vergangenheit verwachsen, seines Weges dahinzieht, strauchelt

nicht so leicht wie einer, der ‚von der Hecke gepflückt‘ ein Zufallsleben führt.“

QUELLENANGABE:

Dr. Auguste Neyen: Biographie Luxembourgeoise. Histoire des hommes distingués

originaires de ce pays. Luxembourg, Bruck 1860.

Louis Simmer: Etude sur la formation du personnel enseignant de notre enseignement

primaire depuis 1815. Luxembourg, Beffort 1926.

Michel Molitor: Der luxemburgische Lehrer in seiner schriftstellerischen Betätigung

von 1815-1830. Luxemburger Lehrerverband, Bourg-Bourger 1931.

Paul Noesen: Geschichte der Luxemburger Jugendliteratur. L.K.A. Sankt-Paulus-

Druckerei 1951.

Jos. Hurt: Theater in Luxemburg, 1. Teil. Eine Studie. Luxemburg, Friny Gilson,

Jong-Hemecht, Gustave Soupert 1938.

Dr. P. J. Muller: Tatsachen aus der Geschichte des Luxemburger Landes. 4. erweiterte

Auflage, Luxemburg, 1968.

Karl Arendt: Porträtgalerie hervorragender Persönlichkeiten aus der Geschichte des

Luxemburger Landes, mit biographischen Notizen, Neuauflage 1972, Verlag Edouard

Kutter, Druck: Sankt-Paulus-Druckerei.

Verschiedene Jahrgänge von „Der Luxemburger Schulbote“. Eine Zeitschrift,

zunächst für die Schullehrer des Großherzogtums bestimmt.

Philippe Knaff: Geschichtliche Abhandlung über die Stadt und ehemalige Festung

und Landrichterei Grevenmacher, Luxemburg. Druck und Verlag von Gebrüder

Heintze. 1867.

Paul Noesen: Der Anteil Grevenmachers am geistigen Schaffen unserer Heimat, in:

Grevenmacher, 1252-1852, La Bonne Ville S. 209-227.

Vic Kalmes: Vom Tagelöhnerkittel zum Gehrock. 36. Folge in „Ecole et Vie“,

Syndicat National des Enseignants, 6/86.

Stadtarchiv Grevenmacher.

(Foto: Archiv Jean Welter)