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»» I N T R O Schneller, höher, weiter Die Sportarten der antiken Olympischen Spiele waren über- schaubar. Fünfkampf mit Lauf, Ringkampf, Speer- und Diskus- wurf sowie Weitsprung, dann noch unterschiedliche Laufstre- cken, Kampfdisziplinen wie Box- und Faustkampf sowie Pferde- und Wagenrennen. Viel Technik benötigte man dabei nicht. Einen Diskus, der nicht durch die Luft eiert, und einen Speer, der gut geradeaus fliegt. Die Weiten ließen sich mit einem Maßband messen, Millimeter-Ergebnisse waren unwichtig, letztlich gab es nur einen Sieger. Gerannt wurde barfuß und auch beim Boxen waren Handschuhe überflüssig. Heute sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. 302 Wettbe- werbe in 26 Sportarten werden in London ausgetragen. 4.700 Medaillen sind zu vergeben. Olympia ist längst zum Produkt geworden. Internationale Spon- soren sowie hohe Einnahmen durch TV-Übertragungsrechte machen möglich, dass die Spiele in solch gigantischem Ausmaß stattfinden können. Superlative und Rekordverdächtiges finden sich aber nicht nur im Sportge- schehen, sondern besonders bei den Ingenieurleistungen und neuen Technologien, die im direkten Zusammenhang mit dem Sport stehen. // »» R E P O R T A G E Ein Boot mit ausgeklügelter Technik an Bord Die Messboottechnik ist ein von Ingenieuren des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) ausge- klügeltes System, das die Rude- rer aus dem Deutschland-Ach- ter nutzen. »» weiter S. 2 – 4 »» ANWENDUNGSBEISPIELE Superstars Zeitmessung per Sensorsignal, schnellere Tartanbahnen durch Materialmix, Schwimmen mit re- duziertem Wasserwiderstand oder Biomedizin gegen Doping – Olym- pia präsentiert nicht nur die besten Sportler, sondern auch die beste Technik. »» weiter S. 5 + 6 ben Jahren wird am Aufbau und der Inbetriebnahme von Wett- kampfstätten gearbeitet und am reibungslosen Funktionieren von Daten-, Waren- Verkehrs- und Menschenströmen. 11,6 Milliar- den Euro schwer sind die Investi- tionen, die der britische Staat für die Spiele der XXX. Olympiade einkalkuliert hat. Der Ausbau der Straßen und Autobahnen, des Schienennahverkehrs und der Sicherheitstechnik verschlangen einen Teil dieser Summe, aber auch die Errichtung Das Warmlaufen für die Olympischen Sommerspiele und Paralympics 2012, die ab dem 27. Juli in London stattfinden, hat schon lange begonnen. Nicht nur bei den Athleten, sondern vor allem im Hinblick auf die Technik, die bei dem alle vier Jahre stattfin- denden Spektakel zum Einsatz kommt. Schließlich will Groß- britanniens Acht-Millionen-Me- tropole fit sein für fast 15.000 Sportler, einen ebenso großen Tross an Trainern, Betreuern und Funktionären, mehr als 20.000 internationale Journalisten sowie zehn Millionen Zuschauer, die das kunterbunte Sportgesche- hen live vor Ort verfolgen und viereinhalb Milliarden Men- schen, die weltweit vor den TV-Bildschirmen mitfiebern. Die technische und logistische Planung startete bereits kurz nachdem die Londoner im Juli 2005 den Zuschlag des Interna- tionalen Olympischen Komitees (IOC) für das globale Mega- Event erhalten hatten. Seit sie- Technik im Wettkampf um Rekorde Die Olympischen Spiele in London sind ein Mega-Event im Hinblick auf Zuschauerzahlen, Stadien, Infrastruktur, TV-Spektakel, Technologie und Ingenieur-Höchstleistungen »» OLYMPIA 2012 »» weiter S. 2 kompakt © Populous · Foto oben © LOCOG · Foto ganz oben © Yuri Arcurs, Fotolia Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure © Martin Steffen Ausgabe 7 | 2012 Jeden Monat neue Infos aus der Welt der Ingenieure © Steve Bates. Thema: Technik im olympischen Einsatz Thema: Technik im olympischen Einsatz

Ausgabe 7 | 2012 kompakt - think ING. · barfuß und auch beim Boxen ... Heute sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. 302 Wettbe-werbe in 26 Sportarten werden in London ausgetragen

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Page 1: Ausgabe 7 | 2012 kompakt - think ING. · barfuß und auch beim Boxen ... Heute sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. 302 Wettbe-werbe in 26 Sportarten werden in London ausgetragen

»» I N T R OSchneller, höher, weiter Die Sportarten der antiken Olympischen Spiele waren über-schaubar. Fünfkampf mit Lauf, Ringkampf, Speer- und Diskus-wurf sowie Weitsprung, dann noch unterschiedliche Laufstre-cken, Kampfdisziplinen wie Box- und Faustkampf sowie Pferde- und Wagenrennen. Viel Technik benötigte man dabei nicht. Einen Diskus, der nicht durch die Luft eiert, und einen Speer, der gut geradeaus fliegt. Die Weiten ließen sich mit einem Maßband messen, Millimeter-Ergebnisse waren unwichtig, letztlich gab es nur einen Sieger. Gerannt wurde barfuß und auch beim Boxen waren Handschuhe überflüssig.

Heute sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. 302 Wettbe-werbe in 26 Sportarten werden in London ausgetragen. 4.700 Medaillen sind zu vergeben. Olympia ist längst zum Produkt geworden. Internationale Spon-soren sowie hohe Einnahmen durch TV-Übertragungsrechte machen möglich, dass die Spiele in solch gigantischem Ausmaß stattfinden können. Superlative und Rekordverdächtiges finden sich aber nicht nur im Sportge-schehen, sondern besonders bei den Ingenieurleistungen und neuen Technologien, die im direkten Zusammenhang mit dem Sport stehen. //

»» R E P O R T A G EEin Boot mit ausgeklügelter Technik an Bord Die Messboottechnik ist ein von Ingenieuren des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) ausge-klügeltes System, das die Rude-rer aus dem Deutschland-Ach-ter nutzen. »» weiter S. 2 – 4

»» A N W E N D U N G S B E I S P I E L ESuperstars Zeitmessung per Sensorsignal, schnellere Tartanbahnen durch Materialmix, Schwimmen mit re-duziertem Wasserwiderstand oder Biomedizin gegen Doping – Olym-pia präsentiert nicht nur die besten Sportler, sondern auch die beste Technik. »» weiter S. 5 + 6

ben Jahren wird am Aufbau und der Inbetriebnahme von Wett-kampfstätten gearbeitet und am reibungslosen Funktionieren von Daten-, Waren- Verkehrs- und Menschenströmen. 11,6 Milliar-den Euro schwer sind die Investi-tionen, die der britische Staat für die Spiele der XXX. Olympiade einkalkuliert hat. Der Ausbau der Straßen und Autobahnen, des Schienennahverkehrs und der Sicherheitstechnik verschlangen einen Teil dieser Summe, aber auch die Errichtung

Das Warmlaufen für die Olympischen Sommerspiele und Paralympics 2012, die ab dem 27. Juli in London stattfinden, hat schon lange begonnen. Nicht nur bei den Athleten, sondern vor allem im Hinblick auf die Technik, die bei dem alle vier Jahre stattfin-denden Spektakel zum Einsatz kommt. Schließlich will Groß-britanniens Acht-Millionen-Me-tropole fit sein für fast 15.000 Sportler, einen ebenso großen Tross an Trainern, Betreuern und

Funktionären, mehr als 20.000 internationale Journalisten sowie zehn Millionen Zuschauer, die das kunterbunte Sportgesche-hen live vor Ort verfolgen und viereinhalb Milliarden Men-schen, die weltweit vor den TV-Bildschirmen mitfiebern.Die technische und logistische Planung startete bereits kurz nachdem die Londoner im Juli 2005 den Zuschlag des Interna-tionalen Olympischen Komitees (IOC) für das globale Mega-Event erhalten hatten. Seit sie-

Technik im Wettkampf um RekordeDie Olympischen Spiele in London sind ein Mega-Event im Hinblick auf Zuschauerzahlen, Stadien, Infrastruktur, TV-Spektakel, Technologie und Ingenieur-Höchstleistungen

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Ausgabe 7 | 2012

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Thema: Technik im olympischen EinsatzThema: Technik im olympischen Einsatz

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Ein Boot, das voller Tech-nik steckt – und das hin und wieder mit noch mehr Technik aufgerüstet wird. So etwa im Training, wenn es mal wieder heißt: „Diese Woche fahren wir Messboot.“ Bei dieser sogenann-ten Messboottechnik kommt es darauf an, die Kraftübertragung jedes einzelnen Sportlers und der Mannschaft insgesamt festzustellen und Rückschlüsse zu gewinnen, wie man das homogene Miteinander im Boot möglichst optimal umsetzt. Dazu wird dann das Wettkampf-boot umgerüstet und mit einer Menge von Kabeln, Seilzugsen-soren, Dehnungsmessstreifen und Steuereinheiten ausgestat-tet, in denen die gewonnenen Daten zusammenlaufen.

Kraftvoll-dynamisch gleitet das Ruderboot auf dem Dortmund-Ems-Kanal, nicht von einem Motor ange-trieben, sondern allein von menschlicher Kraft. Genauer gesagt von acht durchtrai-nierten Athleten, die absolut synchron mit dem Ruderblatt ins Wasser eintauchen, es durchziehen, den sogenann-ten Riemen in der Luft wieder nach hinten führen, sich dabei auf einem Rollsitz bewegen – und damit sich und das Boot auf Hochtouren bringen. Der Deutschland-Achter, Flaggschiff des deutschen Sports, das bei den Ende Juli beginnenden Olympischen Spielen in London zu den größten Medaillenhoff-nungen Deutschlands zählt.

Ein Boot mit ausgeklügelter Technik an Bord

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Der Deutschland-Achter, eine der großen Medaillenhoffnungen bei Olympia, wird im Training schon mal als Messboot gefahren – eine Entwicklung der Ingenieure und Wissenschaftler vom Institut FES

des riesigen, 250 Hektar großen Olympiaparks mit integrierten Sportstätten wie Leichtathletik-stadion, Aquatics Centre, Bahnradanlagen, Arenen für Basketball, Handball, Wasserball und Feldhockey sowie dem Olympischen Dorf mit Unter-künften für 17.320 Athleten.

Zusammengenommen fast 800 Medaillenentscheidungen bei Olympia und den Paralympics sind nicht nur sportliche, son-dern auch technische Heraus-forderungen. Dagegen verblasst selbst eine Fußballweltmeister-schaft. Experten halten den technisch-organisatorischen Aufwand bei den diesjährigen Olympischen Sommerspielen für ungefähr zehn Mal so groß wie bei der letzten Fußball-WM in Südafrika. Schließlich gibt es in London mehr als 100 ver-schiedene Wettkampf-orte und Sport-stätten. Jene liegen teil-weise hunderte Kilometer voneinander entfernt – von Mountainbikerennen auf dem Gelände der Hadleigh Farm in Essex über Ruder- und Kanuwettkämpfe auf dem Dorney Lake bei Windsor bis hin zu Segelwettbewerben, die an der Südküste Eng-lands ausgetragen werden.

Eine der wichtigsten Diszipli-nen bei Olympischen Spielen ist die Kommunikationstechnik für Audio- und Videoübertragungen. Ein Wettkampf der Fernsehsen-der sozusagen. TV-Zuschauer in aller Welt möchten schließlich jeden Schweißtropfen und jede Freudenträne live und in Farbe sehen. Für diese spektakulären Bilderfluten ist das „International Broadcast Centre“ (IBC) auf dem Olympia-Gelände verantwortlich. Dort schlägt das multimediale Herz der Spiele. Hier laufen alle Fäden der Berichterstattung zu-sammen, die über 1.000 Kameras einfangen und zahlreiche Über-tragungswagen und Satelliten-

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»» Fortsetzung von S. 1: Technik im Wettkampf um Rekorde

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Uplinks übertragen. Durch die Welt flimmern die Bilder dann im HD-Format 1080/50i – die Eröffnungsfeier, das 100-Meter-Finale der Männer sowie Ausschnitte der Abschlussfeier werden sogar in 3D ausgestrahlt.

Auch ohne entsprechende IT-Infrastruktur und Übertragungsra-ten von bis zu 60 Gigabyte wäre ein Event wie Olympia 2012 nicht denkbar. Für alle Aufgaben in die-sem Bereich ist der IT-Dienstleis-ter Atos verantwortlich und hat dazu im Vorfeld 42 Techniktests an Originalschauplätzen veran-staltet, insgesamt mehr als 4.200 Kilometer Telefon-, Netzwerk- und andere Kabel verlegt und ein Rechenzentrum an einem geheim gehaltenen Standort im Osten Londons errichtet. 3.500

Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter beschäftigt das Unter-nehmen während der Spiele, 900 Server sind

aufgestellt und 11.500 Desktop-Rechner sowie 1.100 Note-books werden installiert.

Absolut unverzichtbar bei Olympia ist allerdings die exakte Messung von Zeiten und Weiten. Kein Rennen läuft ohne Lichtschranken, Elektro-kontakte an der Startpistole sowie Fotozellen und Zielka-meras, die die Zeitnahme völlig automatisch vornehmen und Entfernungen exakt berechnen.Schon seit den Olympischen Spielen in Stockholm im Jahr 1964 ist die elektrische Variante der Zeitmessung plus Zielfoto im Einsatz. Noch Jahre später war ihr Erfinder Dr. Siegfried Winter damit aber noch unzu-frieden und meinte kritisch: „Ein guter BH kann den Olympiasieg bringen.“ Das war der Stand der Zeitmessung vor fast 50 Jahren. Heute können Olympia-Athleten die hochauflösen-den Scanner, Sensoren und Infrarotstrahlen nur durch eins beeinflussen – durch körper-liche Höchstleistungen. //

Hier sind Kraft, Technik und Ausdauer gefragt: Der Deutschland-Achter in voller Fahrt beim Weltcupsieg dieses Jahres im serbischen Belgrad; mit an Bord drei Ingenieurstudenten

Ein Blick aus der Luft auf das Olympische Dorf, in dem über 17.000 Athleten und Betreuer wohnen werden

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Wie komplex die Bewegung eines Ruderschlags ist, wird anhand der Messboottech-nik deutlich. Daten werden an sieben Messpunkten pro Ruderplatz erhoben. Insge-samt kommt man also auf 56 Messorte, wobei pro Sekun-de 50 Datensätze entstehen. Hierbei werden zwei Kräfte – einmal die Zugkraft mit den Armen, zum anderen die Stoß-

kraft mit den Beinen – und fünf Bewegungen gemessen: der Weg des Riemens im Wasser, der Weg des Rollsitzes, die Beschleu-nigung, die Geschwindigkeit und die seitliche Neigung des Bootes. Die gewonnenen Daten werden mit Hilfe einer Software

optimal auf das Boot und in Geschwindigkeit umgesetzt werden“, sagt Dr. Stefan Weigelt, Trainingswissenschaftler am Olympiastützpunkt Westfalen.

Konstruiert wurde die Messboot-technik von dem in Berlin ansässigen Institut für Forschung und Entwick-lung von Sportgeräten (FES). Leiter und Chefkon-strukteur des Hightech-labors, das Anfang der 60er Jahre als Ent-wicklungsabteilung für Sport-geräte in der ehemaligen DDR in Leipzig gegründet wurde, ist Harald Schaale. Im Hinblick auf das im Rudersport angewen-dete Messsystem, stellt er fest: „Wir sind absoluter Marktführer in Sachen Messtechnik.“ Der ehemalige Weltklasse-Segler, der unter anderem 1977 Vize-Europameister in der 470er-

analysiert und anschaulich in Kurvendiagrammen dargestellt. Durch Funkübertragung haben die Trainer im begleitenden Mo-torboot sogar die Möglichkeit, die Bewegungsmuster auf dem Laptopmonitor anzuschauen und direkt korrigierende Anweisungen vorzunehmen. Begleitet werden die Trainer in der Regel von Trainingswis-

senschaftlern, die das Mess-system einbauen und sich bestens damit auskennen. „Wir werten den Wirkungsgrad eines jeden Ruderschlags aus und können damit beurteilen, ob die Kräfte, die von der Musku-latur des Sportlers ausgehen,

Klasse wurde, ist seit fast drei Jahrzehnten bei der FES. Nach dem Abitur mit Berufsaus-bildung wurde er zunächst Betonfacharbeiter, studierte dann Informatik und kam als Nachwuchsingenieur zu der Forschungsstätte. Hier wurde er zunächst Projektleiter für den Radsport, seit 1994 ist er Leiter des geschätzten Instituts, in dem eine Vielzahl an hoch-qualifizierten Mitarbeitern tätig ist, darunter Maschinenbau-ingenieure, Konstrukteure, Physiker, Mathematiker, Luft- und Raumfahrtingenieure, Modellbauer, Mess- und Ent-wicklungsingenieure. Die FES-Wissenschaftler ziehen für ihre Überlegungen stets neue Tech-nologien und Werkstoffe heran, tüfteln an modernen Mess- und Rechenverfahren und überprü-fen die Umsetzung in die Praxis – stets im engen Austausch mit Athleten und Trainern.

Nicht wenige Angestellte dieses in der Welt einmaligen Forschungslabors kommen aus dem Sport; einige sogar aus dem Hochleistungsbereich wie die Olympiasieger Wolfgang Gunkel (Rudern) und Thomas Flach (Segeln) oder der Radfahrer Sören Lausberg (Vizeweltmeister

im 1.000-Meter-Zeitfahren). Ihre Hauptaufgabe besteht darin, gerätetechnische Entwicklungen und Verbesserungen unter strik-ter Einhaltung der von den inter-nationalen Verbänden ausgege-benen Regeln vorzunehmen und zwar für viele olympische Sport-arten: Radsport, Kanu, Segeln, Bob, Rodeln, Skeleton, Eisschnell-lauf, Triathlon, Schwimmen, den Skisport und eben Rudern.

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Hier sind Kraft, Technik und Ausdauer gefragt: Der Deutschland-Achter in voller Fahrt beim Weltcupsieg dieses Jahres im serbischen Belgrad; mit an Bord drei Ingenieurstudenten

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Verkabelt und mit einer Menge Technik ausge-stattet: die Innenansicht eines Ruderbootes

An den Dollen, wo die Riemen eingelegt werden, befindet sich ein Messpunkt, an dem mit Seilzugsensoren und Dehnungsmessstreifen Kräfte und Bewegungen gemessen werden

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Ein Jahr lang begleitet THINK ING. die drei Ingenieur-Studenten und Ruder-Weltmeister aus dem Deutschland-Achter Richard Schmidt, Lukas Müller und Andreas Kuffner in einem Olympia-Blog auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen nach London. Was sie an welcher Hochschule studieren, wie das Trio die Doppelbelastung aus Studium und Hochleistungssport meistert und wie es nach Olympia weitergeht, haben wir hier kurz zusammengefasst. Mehr unter s.think-ing.de/ingenieure-am-ruder

Andreas Kuffner 25 Jahre | Größe: 1,96 m | Gewicht: 92 kgStudium: Wirtschaftsingenieurwesen an der Beuth-Hochschule für Technik in BerlinGrößter sportlicher Erfolg: Weltmeister mit dem Deutschland-Achter (2011)

Andreas stammt aus Bayern, steht nach anfänglichen zwei Semestern an der FH Deggendorf kurz vor der Beendigung seines Bachelorstudiums an der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin, für die er sich bewusst entschieden hat: „Sie ist aufgrund ihrer Kooperation mit den Olympiastützpunkten prämiert als Hochschule für den Spitzensport und die Hochschule mit den meisten ingenieurwissenschaftlichen Fächern in ganz Berlin.“ Nur die Bachelorarbeit fehlt ihm noch, dann will er noch ein Masterstudium draufsatteln. Seit über einem Jahr pendelt er zwischen Berlin und Dortmund, wo er sich gemeinsam

mit seiner Mannschaft auf seinen bisherigen sportlichen Höhepunkt vorbereitet.

Lukas Müller25 Jahre | Größe: 2,08 m | Gewicht: 102 kgStudium: Maschinenbau an der FH DortmundGrößte sportliche Erfolge: 2 Mal Weltmeister mit dem Deutschland-Achter (2010, 2011)

Lukas hat nach der 12. Klasse am Technischen Gymnasium in Wetzlar (Hessen) ein einjähriges Praktikum bei einer Bootswerft absolviert und über diesen Weg das Fachabitur erlangt. Da lag es nahe, sich für ein praxisorientiertes Maschinenbaustudium an der FH Dortmund zu entscheiden. Seitdem er im März dieses Jahres

noch zwei wichtige Klausuren in Elektrotechnik und Mathematik II geschrieben und bestanden hat, gilt seine volle Konzentration der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele: „Mathe habe ich damit für meinen Bachelor abgehakt – jetzt kann London kommen.“

Richard Schmidt25 Jahre | Größe: 1,91 m | Gewicht: 96 kgStudium: Wirtschaftsingenieurwesen an der TU DortmundGrößte sportliche Erfolge: 3 Mal Weltmeister mit dem Deutschland-Achter (2009, 2010, 2011)

Richard ist in Trier (Rheinland-Pfalz) aufgewachsen und nach dem Abitur 2007 nach Dortmund gezogen, wo sich das Ruderleistungszentrum rund um den Deutschland-Achter befindet. Nach einem Jahr bei der Bundeswehr studiert er mittlerweile im achten Semester an der TU Dortmund und steht kurz vor dem Bachelorabschluss seines Wirtschaftsin-genieurstudiums. „Wir müssen viel trainieren – bis zu 25 Stunden in der Woche. Dadurch dauert das Studium länger. Wichtig ist mir die Unterstützung durch die Kommilitonen, die einem helfen, wenn ich wegen des Sports mal verhindert bin.“ Sein Blick geht aber schon weiter: „Das Studium macht mir sehr viel Spaß, darum will ich es gerne mit einem

Masterstudiengang fortsetzen und zwischendurch vielleicht noch ins Ausland, um dort weitere Erfahrungen zu sammeln.“

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Unsere Ingenieure am RuderTHINK ING. begleitet Richard, Lukas und Andreas auf dem Weg nach London 2012

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a Früher im Achter – Heute bedeutende Ingenieure

Dr. Armin EichholzStudium: Maschinenbau in Bochum, Vertiefungrichtung: Energie- und VerfahrenstechnikBeruf: Maschinenbauingenieur, Leiter Sparte Braunkohlekraftwerke bei der RWE Power AGGrößte sportliche Erfolge: Olympiasieger 1988 mit dem Deutschland-Achter, Weltmeister im Vierer mit Steuermann (1991), Olympisches Bronze im Deutschland-Achter 1992

Prof. Dr. Roland BaarStudium: Maschinenbau in HannoverBeruf: Ordentlicher Professor an der TU Berlin, Fachgebiet VerbrennungskraftmaschinenGrößte sportliche Erfolge: Fünfmal Weltmeister mit dem Deutschland-Achter (1989, 1990, 1991, 1993, 1995), Silber bei Olympia 1996 und Bronze bei Olympia 1992 mit demDeutschland-Achter

Martin Steffes-MiesStudium: Wirtschaftsingenieurwesen in MainzBeruf: Geschäftsführer Gaul-Gruppe (Baustoffunternehmen)Größte sportliche Erfolge: Viermal Weltmeister mit dem Deutschland-Achter (1989, 1990, 1991, 1993)

Thorsten StreppelhoffStudium: Maschinenbau in Bochum, Zusatzstudium in CambridgeBeruf: Ingenieur für Verfahrenstechnik, Geschäftsführer des deutschen Schreibwarenherstellers „edding“.Größte sportliche Erfolge: Zweimal Weltmeister mit dem Deutschland-Achter (1991, 1993), Silber bei Olympia 1996 und Bronze bei Olympia 1992 mit dem Deutschland-Achter

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Unser Ingenieur-Trio nach dem Sieg in Luzern 2012: Andreas Kuffner (v. l.), Richard Schmidt und Lukas Müller

Termine vormerken!

Der Deutschland-Achter mit Richard, Lukas und

Andreas startet bei den Olympischen Spielen in

London an diesen Terminen (deutscher Zeit):

– Samstag, 28. Juli, ab 11:10 Uhr: Vorlauf

– Mittwoch, 1. August, 13:30 Uhr: Finale

(live im ZDF)

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Links für Studierende

Sport ist ein riesiger Markt, der nach Innovationen schreit. So vielfältig wie die Sportarten von heute sind auch die Sportgeräte, das Material und die Textilien, die zur Ausübung der schweiß-treibenden Aktivitäten notwen-dig sind. Hinzu kommen digitale Zeitmessung, elektronische Leistungsdiagnostik, computer-gestützte Trainingsgeräte oder supermoderne Sport- und Wettkampfstätten. Angehende Ingenieurinnen und Ingenieure können sich diesen spannenden Job-Bereichen an den Hochschu-len auf viele verschiedene Arten nähern. Mit Studiengängen des Sportingenieurwesens, die das Forschungsfeld Sport und Technik miteinander vereinen, im Bereich der Elektrotechnik oder Informatik, die alle technischen Grundlagen für die eingesetzten Technologien liefern, oder per Maschinenbau-, Produktingeni-eur- oder Bauingenieurstudien-gängen, die das naturwissen-schaftlich-technische Basiswissen liefern, das man benötigt, um innovative Sportgeräte oder riesige Sportarenen zu kon-struieren. Schweißtreibend sind jedenfalls alle zuvor genannten Karrierewege. Aber, keine Sorge, durch ingenieurwissenschaftli-ches Arbeiten im Sektor Sport kommt man schnell in Hochform.

Sport und Technik, Bachelor und Master an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg:s.think-ing.de/sport-technik-magdeburgSports Technology, Master an der Deutschen Sporthochschule Köln:s.think-ing.de/sports-technology-koelnSports Engineering, Bachelor und Master an der Technischen Universität Chemnitz:s.think-ing.de/sportsengineering-chemnitzBiomechanik-Motorik-Bewe-gungsanalyse, Master an der Justus-Liebig-Universität Gießen:s.think-ing.de/biomechanik-giessen

Weitere Studiengänge in der IngenieurStudiengang-Suche von THINK ING. unter: www.search-ing.de

Internationale Olympische Komitee (IOC) schreibt genau sechs Gramm Vergoldung als Mindestmaß für die sportli-che Edelmetall-Plakette vor.

Nicht nur neue Materiali-en wie die viel diskutierten und mittlerweile verbotenen Schwimmanzüge mit Haifisch-haut-Nano-Oberfläche sind aus-schlaggebend für neue Bestleis-tungen im Becken, sondern auch das Wasser selbst. Deshalb hat man das Hauptschwimmbecken im Aquatics Centre so gestaltet, dass Wasserverwirbelungen nicht von den Beckenrändern reflektieren und den Schwimmer in seiner Vorwärtsbewegung bremsen. Dazu wurden an den Rändern des Beckens Transfer-kanäle eingebaut, die knapp unter der Wasseroberfläche liegen. Dadurch kann überströ-

Traditionsreicher Olympia-Zeitnehmer ist seit 1932 der schweizer Uhrenhersteller Omega. Die Marke stoppt und misst bereits zum 25. Mal die olympischen Ergebnisse und Rekorde. Der Aufwand ist riesig. 400 Tonnen Messequipment wurden Richtung London transportiert, 450 Fachleute und Zeitmessungsexperten sind permanent vor Ort, riesige Anzeigetafeln prangen in den Stadien und hunderte Kilometer Glasfaserkabel wurden verlegt, damit die neuesten Zeitmess- und Datenerfassungssysteme für die spezifischen Anforderun-gen der einzelnen Sportarten tadellos funktionieren. Ganz zu schweigen von der ständigen Überprüfung aller eingesetzten Stoppuhren, Fotofinish-Kameras, Display Boards, Sender, Emp-fänger und Touchpads …

Automatische Messsysteme sind in jedem Wettkampf der

Leichtathletik zu finden. Die Startblöcke bei Sprints sind mit empfindlichen Sensoren ausgestattet. Sie registrieren den Druck, den die Athleten beim Loslaufen mit ihren Füßen übertragen. Melden die Detek-toren Druck auf dem Startblock, bevor der Startschuss gefallen ist, signalisiert das System automatisch einen Fehlstart. Auch dann, wenn eine zu geringe Zeitdifferenz zwischen dem Schuss und dem Loslaufen besteht, die keine menschen-mögliche Reaktion auf das Startsignal gewesen sein kann.

Das Grundmaterial für die be-gehrten olympischen Medaillen, die es in London zu erringen gibt, stammt aus der Bingham-Canyon-Mine im US-Bundes-staat Utah. Hier wird nahezu das gesamte Medaillen-Metall für die 805 Siegerehrungen gewonnen. Aber es ist nicht alles Gold was glänzt. Basis für

die Produktion der Medaillen ist Kupfer. Aus materialtech-nischer Sicht ist also auch die höchste olympische Aus-zeichnung nur eine „Vergold-medaille“. Das

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Schneller rennen, schnittiger schwimmen und sauber bleibenMesstechnik, Elektronik, Materialwissenschaft oder Strömungslehre – ingenieurwissenschaftliches Know-how steht bei olympischen Wettkämpfen immer mit auf dem Podium

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100-Meter-Läufer sind auf dem olympischen „Sportflex SuperX Performance“-Belag vielleicht noch schneller unterwegs

Kern aus Kupfer und ein Überzug aus Edelmetall – auf der Vorder-seite der olympischen Medaillen ist „Nike“, die griechische Göttin des Sports, abgebildet

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Das Aquatics Centre ist eine von Stararchitektin Zaha Hadid entworfene Wassersport-arena, die nach den Spielen von Vereinen und Schulen öffentlich genutzt wird

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mendes Wasser ungehemmt abfließen. Zudem wird das kühle Nass auf exakt 26 Grad Celsius vorgewärmt. Denn nur H2O dieser Temperatur besitzt die ideale Wasserdichte für noch schnelleres Schwimmen.

In den Wettkampfarenen der Leichtathletik stehen am Rand des Rasens sogenannte Tacheo-meter. Diese Geräte nutzen bekannte Werte wie Winkel und Länge, um beispielsweise die Weite eines geworfenen Speers oder Diskus zu berechnen. Was fehlt ist der zuvor unbekannte Aufschlagpunkt. Jener wird von den Wettkampfrichtern mit

einem Prisma markiert und das Tacheometer sendet einen da-rauf ausgerichteten Infrarotstrahl aus, der reflek-tiert wird. Auf diese Art lassen sich Weiten bis zu einer Entfer-nung von 100 Metern auf fünf Millimeter ge-nau bestimmen.

Die Helden im wohl wer-bewirksamsten olympischen Wettkampf sind die 100-Meter-Sprinter. Jenen wurde in der Londoner Leichtathletik-arena ein ganz

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Impressum

Herausgeber: GESAMTMETALL

Gesamtverband der Arbeitgeberverbände

der Metall- und Elektro-Industrie e. V.

Voßstraße 16 · 10117 Berlin

Objektleitung: Wolfgang Gollub (verantw.)

Druck: color-offset-wälter

GmbH & Co. KG, Dortmund

Redaktion und Gestaltung:

concedra gmbh, Bochum

besonderer Boden bereitet, der dazu beitragen soll, dass Usain Bolts Weltrekord von

9,58 Sekunden aus dem Jahr 2009 vielleicht geknackt wird. Der Kampf um die Hundertstel

Das von Stahlseilen getragene und aus einem großen offenen Innenring bestehende PVC-Membrandach des Olympiastadions wird errichtet. Gerüste und Supportplattformen halfen dabei, die Seilstruktur in sechs Wochen mit 56 hydraulischen Pressen aufzubauen.

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findet auf dem neuen „Sport-flex SuperX Performance“-Belag des italienischen Herstellers

Mondo statt. Der Hightech-Boden hat eine überragende Traktion und besteht aus synthetischem Kautschuk, in den minerali-sche Zusatz-stoffe eingear-beitet sind. Er verformt sich bei maximaler Energieaufnah-me und gibt die Energie wieder zurück. Verantwortlich dafür ist eine in Laufrichtung

ausgerichtete Wabenstruk-tur, die auf die biomecha-nische Belastung, die durch

die Athleten ausgelöst wird, mit einer entsprechenden Rückkoppelung reagiert. Fair geht vor. Doch so mancher Athlet versucht, sich durch die Einnahme verbotener Substanzen einen Wettbe-werbsvorteil zu verschaffen. Um diese schwarzen Schafe zu entlarven, werden ausgefeilte Dopingtests und entspre-chende Geräte entwickelt. Im Gegensatz zu den vergan-genen Sommerspielen wird diesmal kein biochemisches In-stitut oder Anti-Doping-Labor allein für die Durchführung der Kontrollen verantwortlich sein, sondern erstmals in der Ge-schichte tritt mit GlaxoSmith-Kline (GSK) ein Pharma-Riese als Anti-Doping-Sponsor auf. 20 Millionen Pfund lässt sich der britische Konzern dieses Engagement kosten. Unterge-bracht ist das hochmoderne Analysezentrum in einer 30 Kilometer vom Olympia-Park entfernten Glaxo-Niederlas-sung, wo zusammen mit der „World Anti-Doping Agency“ (WADA) und dem „Drug Con-trol Centre“ des IOC bis zu 400 Proben pro Tag auf insgesamt 240 verbotene Stoffe unter-sucht werden können. //

Die Riverbank Arena im Osten von London. Hier werden die olympischen Feldhockey-Wettbewerbe ausgetragen.

Ein Blick auf die Schwimmbecken im Aquatics Centre