43
1 Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und Verwertung dieser Beweisen im Strafprozess Landesbericht Österreich Prof. Dr. Gudrun Hochmayr Teil I. Beweise aus operationellen Tätigkeiten der Polizei 1. Sind die Polizei oder andere polizeiähnliche Dienste zur Erlangung von Informationen über konkrete Personen im Rahmen operationeller Tätigkeiten befugt? Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) ermächtigt in seinem 4. Teil die Sicherheitsbehörden dazu, personenbezogene Daten 1 zu verwenden, d.h. zu ermitteln, auf sonstige Weise zu verarbeiten 2 und zu übermitteln. Gem. § 52 SPG dürfen personenbezogene Daten nur verwendet werden, soweit dies für die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden erforderlich ist. Es gilt der Grundsatz der Aufgabenbezogenheit der Datenverwendung. Demnach ist es den Sicherheitsbehörden untersagt, Daten „auf Vorrat“ im Hinblick auf eine sich möglicherweise in Zukunft stellende Aufgabe zu ermitteln. 3 Die Ermittlung und Weiterverarbeitung personenbezogener Daten ist nach § 53 Abs. 1 SPG unter anderem für folgende Aufgaben zulässig: a) für die Abwehr krimineller Verbindungen (§ 53 Abs. 1 Z. 2 SPG). Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Vorsatz, fortgesetzt gerichtlich strafbare (von Amts wegen zu verfolgende) Handlungen zu begehen (§ 16 Abs. 1 Z. 2 SPG). Der Vorsatz muss sich auf die Begehung mehrerer selbständiger, noch unbestimmter Straftaten erstrecken. 4 Im Vordergrund dieses eigenständigen sicherheitspolizeilichen Begriffs steht den Gesetzesmaterialien zufolge nicht die Gefahr der Begehung von Straftaten, sondern die Eigendynamik, die von einem kriminellen Zusammenschluss ausgeht. 5 b) für die erweiterte Gefahrenerforschung(§ 53 Abs. 1 Z. 2a SPG). Diese sicherheitsbehördliche Aufgabe greift zu einem Zeitpunkt ein, zu dem noch keine Gefahr vorliegt. Personen oder Personengruppen dürfen auf dieser Grundlage beobachtet und Informationen über sie gesammelt werden, obwohl noch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass kriminelle Aktivitäten geplant sind. 6 Bereits der bloße Verdacht, es könnte künftig Gefahr von den Personen ausgehen, löst die Ermittlungsbefugnisse aus. 7 Es handelt sich um Ermittlungen im Vorfeld des Vorfelds von Kriminalität, die rechtsstaatlichen 1 Es werden nicht nur automatisch verarbeitete Daten (EDV-Daten), sondern auch konventionell verarbeitete Daten, wie manuell geführte Karteien und nach bestimmten Kriterien strukturierte Listen erfasst; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 51 Anm. 8. 2 Zum umfassenden Begriff des Verarbeitens Hauer/Kepplinger, SPG, § 51 Anm. 2. 3 Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 52 Anm. 6. 4 Zur „fortgesetzten“ Begehung Giese, in: Thanner/Vogl, SPG, § 16 Anm. 4; Hauer/Kepplinger, SPG, § 16 Anm. 5.5. 5 EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. 5. 6 Bei diesen Anhaltspunkten würde sich die Aufgabe der normalen Gefahrenerforschung stellen: § 28a Abs. 1 und § 21 Abs. 1 SPG; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 83. 7 Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 88.

Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

1

Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und Verwertung dieser Beweisen im

Strafprozess

Landesbericht Österreich

Prof. Dr. Gudrun Hochmayr

Teil I. Beweise aus operationellen Tätigkeiten der Polizei

1. Sind die Polizei oder andere polizeiähnliche Dienste zur Erlangung von

Informationen über konkrete Personen im Rahmen operationeller Tätigkeiten befugt?

Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) ermächtigt in seinem 4. Teil die Sicherheitsbehörden

dazu, personenbezogene Daten1 zu verwenden, d.h. zu ermitteln, auf sonstige Weise zu

verarbeiten2 und zu übermitteln.

Gem. § 52 SPG dürfen personenbezogene Daten nur verwendet werden, soweit dies für

die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden erforderlich ist. Es gilt der Grundsatz der

Aufgabenbezogenheit der Datenverwendung. Demnach ist es den Sicherheitsbehörden

untersagt, Daten „auf Vorrat“ im Hinblick auf eine sich möglicherweise in Zukunft stellende

Aufgabe zu ermitteln.3

Die Ermittlung und Weiterverarbeitung personenbezogener Daten ist nach § 53 Abs. 1

SPG unter anderem für folgende Aufgaben zulässig:

a) für die Abwehr krimineller Verbindungen (§ 53 Abs. 1 Z. 2 SPG). Es handelt sich

dabei um einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Vorsatz, fortgesetzt

gerichtlich strafbare (von Amts wegen zu verfolgende) Handlungen zu begehen (§ 16 Abs. 1

Z. 2 SPG). Der Vorsatz muss sich auf die Begehung mehrerer selbständiger, noch

unbestimmter Straftaten erstrecken.4 Im Vordergrund dieses eigenständigen

sicherheitspolizeilichen Begriffs steht den Gesetzesmaterialien zufolge nicht die Gefahr der

Begehung von Straftaten, sondern die Eigendynamik, die von einem kriminellen

Zusammenschluss ausgeht.5

b) für die „erweiterte Gefahrenerforschung“ (§ 53 Abs. 1 Z. 2a SPG). Diese

sicherheitsbehördliche Aufgabe greift zu einem Zeitpunkt ein, zu dem noch keine Gefahr

vorliegt. Personen oder Personengruppen dürfen auf dieser Grundlage beobachtet und

Informationen über sie gesammelt werden, obwohl noch keine konkreten Anhaltspunkte dafür

vorliegen, dass kriminelle Aktivitäten geplant sind.6 Bereits der bloße Verdacht, es könnte

künftig Gefahr von den Personen ausgehen, löst die Ermittlungsbefugnisse aus.7 Es handelt

sich um Ermittlungen im Vorfeld des Vorfelds von Kriminalität, die rechtsstaatlichen

1 Es werden nicht nur automatisch verarbeitete Daten (EDV-Daten), sondern auch konventionell verarbeitete

Daten, wie manuell geführte Karteien und nach bestimmten Kriterien strukturierte Listen erfasst; Weiss, in:

Thanner/Vogl, SPG, § 51 Anm. 8. 2 Zum umfassenden Begriff des Verarbeitens Hauer/Kepplinger, SPG, § 51 Anm. 2.

3 Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 52 Anm. 6.

4 Zur „fortgesetzten“ Begehung Giese, in: Thanner/Vogl, SPG, § 16 Anm. 4; Hauer/Kepplinger, SPG, § 16

Anm. 5.5. 5 EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. 5.

6 Bei diesen Anhaltspunkten würde sich die Aufgabe der normalen Gefahrenerforschung stellen: § 28a Abs.

1 und § 21 Abs. 1 SPG; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 83. 7 Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 88.

Page 2: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

2

Bedenken ausgesetzt sind.8 Begründet wurden die Befugnisse mit den von Extremismus

ausgehenden Gefahren.9 Bemerkenswert ist, dass diese Erweiterung der

sicherheitspolizeilichen Aufgabe schon vor den Ereignissen vom 11.9.2001 erfolgt ist.10

§ 21 Abs. 3 Z. 2 SPG erlaubt das Beobachten einer Gruppierung, wenn im Hinblick auf

ihre bestehenden Strukturen und aktuelle Entwicklungen in ihrem Umfeld damit zu rechnen

ist, dass es zu mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Kriminalität

kommt.11

Um eine Gruppierung handelt es sich bereits bei einem Zusammenschluss von

wenigstens drei Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks.12

Der Verdacht muss

sich einerseits auf die Strukturen der Gruppierung13

und andererseits auf Entwicklungen in

ihrem Umfeld stützen. Die Gesetzesmaterialien nennen folgende Beispiele: „Entwicklungen

im Heimatstaat ethnisch definierter Gruppen“ sowie „andere strategische Zielsetzungen

seitens der Führung dieser Gruppierungen“.14

Die Gruppierung darf noch nicht auf die

Begehung von Straftaten ausgerichtet sein, sonst handelt es sich um eine „kriminelle

Verbindung“, die mittels der dafür vorgesehenen, vorrangigen Eingriffstatbestände

abzuwehren ist.15

Der sehr weite Eingriffstatbestand kann beispielsweise auf politische

Organisationen oder religiöse Gruppen, die mit Gewalt sympathisieren, oder auf Fußball-

Fanclubs, die schwerem Rowdytum nahestehen, zur Anwendung kommen.16

Als Reaktion auf die Attentate in Norwegen durch A. Brejvik wurde zusätzlich die

Möglichkeit zur „erweiterten Gefahrenerforschung“ gegenüber Einzelpersonen ins SPG

eingeführt.17

Sie setzt gem. § 21 Abs. 3 Z. 1 SPG voraus, dass sich eine Person öffentlich oder

in elektronischer Kommunikation18

für Gewalt gegen Menschen oder Sachen ausspricht oder

sich Mittel und Kenntnisse verschafft, die sie in die Lage versetzen, Sachschäden in großem

Ausmaß oder die Gefährdung von Menschen herbeizuführen, und damit zu rechnen ist, dass

sie eine mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundene weltanschaulich19

oder

8 Vgl. Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz im Sicherheitsrecht, in:

Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz

(2007), S. 90 f.; Wimmer. in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 1 und 17. 9 EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. 5. Für eine Analyse der Motive der Gesetzesinitiatoren siehe Wiederin,

Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 79 ff. Der Autor zieht als Fazit: „Vieles deutet darauf hin,

dass die Materialien die Motive des Gesetzgebers eher verschleiern als offen legen wollten.“ 10

Die entsprechende Novelle des SPG trat am 01.10.2000 in Kraft. 11

Der Verweis auf weltanschaulich oder religiös motivierte Gewalt hat in § 21 Abs. 3 Z. 2 SPG keine

normative Bedeutung. Die Ermächtigung erstreckt sich daher auch auf bloßes Rowdytum; Wimmer, in:

Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 37. 12

Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 33. 13

Nach Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 89 ist vor allem von Bedeutung, wie die

Gruppierung „hierarchisch gegliedert ist, wie ihre Aktivitäten organisiert werden, aus welchen Quellen die

zu ihrer Finanzierung verwendeten Geldmittel fließen und welche Personen in ihr welche Funktionen

innehaben.“ 14

EBRV 81 BlgNR 21. GP., S. 6. Nach Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 89 ist

maßgeblich, „ob die Gruppierung Kontakte zu Personen oder Organisationen unterhält, die gewaltsam

agieren oder die ihrerseits enge Beziehungen zu Terrorgruppen pflegen; sodann, ob es einen globalen oder

regionalen Trend gibt, Gewalt als Mittel zur Verfolgung der Gruppierungsziele zu akzeptieren; schließlich

auch, ob Gegner – von rivalisierenden Bewegungen über feindliche Lager bis hin zu fremden Staaten – auf

die Gruppierung Druck ausüben, der innerhalb der Gruppe die Bereitschaft fördert, zur Durchsetzung ihrer

Anliegen zu Gewalt zu greifen.“ 15

Salimi, JBl 2013, 699; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 85 f. 16

Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 90. 17

BGBl I 2012/13; Salimi, JBl 2013, 700. 18

Zu diesen Begriffen Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 22 f. 19

Zu den Schwierigkeiten, diesen Begriff mit Inhalt zu füllen, siehe Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21

Anm. 32.

Page 3: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

3

religiös motivierte Gewalt herbeiführt. Unter schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit

wird die Gefahr der Begehung von Vorsatzdelikten, die mit mehr als dreijähriger

Freiheitsstrafe bedroht sind, und die gegen die Sicherheit des Staates, der Person, des

Eigentums oder der öffentlich-rechtlichen Rechtsordnung gerichtet sind, verstanden.20

Da

allerdings mittlerweile das öffentliche Auffordern zu terroristischen Straftaten, das Gutheißen

terroristischer Straftaten sowie das Verschaffen einer Anleitung zur Begehung einer

terroristischen Straftat aus dem Internet eigene Straftaten darstellen (§ 282a, § 278f Abs. 2

StGB),21

für die bereits strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen sind, ist der

Anwendungsbereich der „erweiterten Gefahrenerforschung“ nach § 21 Abs. 3 Z. 1 lit. a SPG

sehr schmal. Die sicherheitspolizeiliche Ermittlungsbefugnis kommt etwa dann zur

Anwendung, wenn die Publizitätserfordernisse des § 282a StGB nicht vorliegen oder die von

§ 278f Abs. 2 StGB geforderte Absicht, eine (konkrete) terroristische Straftat zu begehen,

nicht nachweisbar ist.22

2012 wurde dem Rechtsschutzbeauftragten nur ein einziger

Anwendungsfall gemeldet.23

Die „erweiterte Gefahrenerforschung“ bedarf stets einer Genehmigung des

Rechtsschutzbeauftragten (dazu näher unten c). Für besondere Ermittlungsmaßnahmen ist

eine jeweils eigene Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten erforderlich (§ 91c Abs. 3

SPG).

Eine zeitliche Begrenzung der „erweiterten Gefahrenerforschung“ ist nur gegenüber

Einzelpersonen vorgesehen. Der Rechtsschutzbeauftragte hat die nötige Ermächtigung auf

maximal drei Monate zu begrenzen. Eine Verlängerung ist grundsätzlich nur einmal um

weitere drei Monate zulässig (§ 91c Abs. 3 SPG). Bedenklich ist, dass eine entsprechende

zeitliche Begrenzung für die Beobachtung von Gruppierungen fehlt.

c) für die Abwehr gefährlicher Angriffe (§ 53 Abs. 1 Z. 3). Das ist nach § 16 Abs. 2 und

3 SPG ein zumindest im Vorbereitungsstadium befindlicher, drohender Angriff auf ein

Rechtsgut durch eine vorsätzliche, gerichtlich strafbare (von Amts wegen zu verfolgende)

Handlung.

d) für die Vorbeugung wahrscheinlicher gefährlicher Angriffe gegen Leben, Gesundheit,

Sittlichkeit, Freiheit, Vermögen oder Umwelt (§ 22 Abs. 2 und 3) (§ 53 Abs. 1 Z. 4)

e) für Fahndungszwecke (§ 53 Abs. 1 Z. 5).

Allgemeine Voraussetzungen für ein sicherheitspolizeiliches Einschreiten sind der

Vorrang der Sicherheit von Menschen (§ 28 SPG), die Erforderlichkeit des Eingriffs in die

Rechte eines Menschen (§ 28a Abs. 3 SPG) und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs (§ 29

SPG).

Handelt es sich um sensible Daten24

oder strafrechtlich relevante Daten, sind angemessene

Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen (§ 51

20

Hauer/Kepplinger, SPG, § 21 Anm. 11.2.; Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 36. 21

Diese wurden ebenfalls durch BGBl I 2011/103 eingeführt. 22

Salimi, JBl 2013, 700. 23

Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24

Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen nach der Legaldefinition in § 4 Z. 2 DSG „Daten

natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung,

Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr

Sexualleben“.

Page 4: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

4

Abs. 1 SPG). Die Gesetzesmaterialien nennen als Beispiele für solche Vorkehrungen die

Verschlüsselung der Daten bei der Übermittlung, Beschränkungen des Zugangs zu den Daten

und Schulungen der mit den Daten befassten Personen.25

Das Datenschutzgesetz (DSG) findet

Anwendung, soweit im SPG nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird.

Für die Zollbehörden findet sich eine entsprechende Ermächtigung zur Ermittlung und

Verarbeitung personenbezogener Daten in § 7 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG).

2. Sind im Rahmen solcher Tätigkeiten zulässig:

a) verdeckte Kontrolle von Korrespondenz und Sendungen,

Eine verdeckte Kontrolle von Briefen und anderen Sendungen, die dem durch die

Verfassung geschützten Briefgeheimnis unterliegen, darf die Polizei nicht vornehmen.

Zu einer Kontrolle derartiger Sendungen ist allein die Staatsanwaltschaft auf Grund einer

gerichtlichen Bewilligung berechtigt (§ 137 Abs. 1 i.V.m. §§ 135 Abs. 1, 134 Z. 1 StPO).

Dabei dürfen nur Sendungen geöffnet und zurückbehalten werden, die der Beschuldigte

abschickt oder die an ihn gerichtet werden (§ 134 Z. 1 StPO). Die Maßnahme muss

erforderlich sein, um eine vorsätzlich begangene Straftat, die mit mehr als einjähriger

Freiheitsstrafe bedroht ist, aufzuklären und der Beschuldigte muss sich wegen einer solchen

Tat in Haft befinden oder seine Vorführung oder Festnahme muss deswegen angeordnet

worden sein (§ 135 Abs. 1 StPO). Nach Beendigung der Ermittlungsmaßnahme ist diese dem

Beschuldigten und den von ihrer Durchführung Betroffenen unverzüglich bekanntzugeben.

Ein Aufschub der Mitteilung ist nur bei einer Gefährdung des Zwecks eines Strafverfahrens

zulässig (§ 138 Abs. 5 StPO).

b) verdecktes Lauschen, auf Erlangung von Informationen ausgerichtet, die unter

Einsatz von (technischen) Kommunikationsmitteln übermittelt werden,

Die Sicherheitsbehörden sind nicht befugt, Telefongespräche zu überwachen. Das gilt

auch für die Internettelefonie. § 54 Abs. 4 S. 2 SPG stellt klar, dass das Fernmeldegeheimnis

unberührt bleibt.26

Zwar enthält § 53 Abs. 4 SPG eine generelle Ermächtigung für die Sicherheitsbehörden,

personenbezogene Daten durch den Einsatz geeigneter Mittel zu ermitteln, wenn dies zur

Erfüllung einer in § 53 Abs. 1 SPG genannten Aufgabe erforderlich ist. Es gilt der „Grundsatz

der Unbeschränktheit der Quellen und Mittel der Informationserhebung“.27

Diese

Generalermächtigung ist jedoch einschränkend auszulegen. Ermittlungsbeschränkungen und -

verbote, die sich aus spezifischen, im SPG vorgesehenen Ermächtigungen ergeben, dürfen

nicht umgangen werden.28

Zudem darf die Ermittlung nur im Rahmen der Rechtsordnung

erfolgen.29

Das Vorgehen der Sicherheitsbehörden darf insbesondere nicht gegen die

Strafgesetze verstoßen. Im Hinblick auf die Strafbestimmung des § 120 Abs. 1 StGB, die es

für strafbar erklärt, ein Tonaufnahmegerät oder ein Abhörgerät zu benützen, um sich (oder

einem anderen Unbefugten) von einer nichtöffentlichen und nicht zu seiner Kenntnisnahme

bestimmten Äußerung eines anderen Kenntnis zu verschaffen, dürfen die Sicherheitsbehörden

25

EBRV 1138 BlgNR 21. GP, S. 28. 26

Siehe Hauer/Kepplinger, SPG, § 54 Anm. 11. 27

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 13.1.; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 61. 28

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 62 ff. 29

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 62 ff.

Page 5: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

5

für das verdeckte Lauschen weder ein Tonaufzeichnungsgerät noch ein Tonübertragungsgerät

benutzen.30

§ 54 Abs. 4 Z. 1 SPG untersagt es ausdrücklich, Tonaufzeichnungsgeräte zur

Aufzeichnung von nichtöffentlichen31

und nicht in Anwesenheit eines Ermittelnden

erfolgenden Äußerungen zu verwenden. Nur öffentliches oder im Beisein des Ermittlers

vorgenommenes Verhalten darf im Rahmen einer sicherheitsbehördlichen Observation oder

verdeckten Ermittlung heimlich mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten festgehalten

werden.32

Der Inhalt von Telefongesprächen darf nur im Dienste der Strafjustiz in den in § 135 Abs.

3 StPO genannten Fällen ermittelt werden. Diese Ermittlungsmaßnahme wird als

„Überwachung von Nachrichten” bezeichnet.33

Sie setzt eine Anordnung der

Staatsanwaltschaft und eine gerichtliche Bewilligung voraus (§ 137 Abs. 1 StPO).

c) verdecktes Lauschen, auf Erlangung von Informationen ausgerichtet, die ohne

Einsatz von Kommunikationsmitteln übermittelt werden,

§ 54 Abs. 2 SPG regelt, in welchen Fällen personenbezogene Daten durch Beobachten

(Observation) ermittelt werden dürfen. Der Begriff „Beobachten“ wird weit verstanden. Er

umfasst auch akustische Wahrnehmungen, also das Lauschen, sowie die verdeckte

Beobachtung.34

Entscheidend ist, dass die Informationen planmäßig, also systematisch, und

nicht mehr oder weniger zufällig, wie anlässlich eines Streifendienstes, wahrgenommen

werden.35

Auch kurzfristiges Beobachten, etwa einer Drogenübergabe, stellt eine Observation

dar.36

Im Unterschied zur verdeckten Ermittlung beschränkt sich der Observant auf eine

passive Rolle, ohne aktiv in das Geschehen einzugreifen.37

Die Maßnahme ist für folgende Zwecke zulässig:

Erstens zur „erweiterten Gefahrenerforschung“ (§ 54 Abs. 2 Z. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3

SPG).

Zweitens, um geplante Straftaten gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit,

Vermögen oder Umwelt noch im Vorbereitungsstadium verhindern zu können (§ 54 Abs. 2 Z.

30

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 13.2; Berka, Redaktionsgeheimnis, § 36 Rn. 57; a.A. Schmoller, ÖJZ

1996, 21 (24); Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 123 f., 125 f., die den Einsatz von

Übertragungstechnik im Rahmen von Observation und verdeckter Ermittlung für zulässig halten. 31

Als öffentlich gilt das Verhalten, wenn es akustisch oder visuell von einem größeren, unbestimmten

Personenkreis wahrgenommen werden kann; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 24. 32

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 24, die kraft Größenschlusses auch den Einsatz von

Übertragungsgeräten für zulässig hält; es handle sich um einen Rechtfertigungsgrund im Hinblick auf § 120

Abs. 1 StGB. 33

Dabei handelt es sich nach § 134 Z. 3 StPO um „das Ermitteln des Inhalts von Nachrichten (§ 92 Abs. 3 Z 7

TKG), die über ein Kommunikationsnetz (§ 3 Z 11 TKG) oder einen Dienst der Informationsgesellschaft (§

1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes) ausgetauscht oder weitergeleitet werden“. 34

Vgl. 1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 9; Wiederin, Privatsphäre und

Überwachungsstaat (2003), S. 110 f. 35

Hauer/Kepplinger, SPG, § 54 Anm. 5.1.; Vogl, Videoüberwachung und Sicherheitspolizei, in: BMI (Hrsg.),

Videoüberwachung zu sicherheits- und kriminalpolizeilichen Zwecken (2004), 25 (27). 36

Überzeugend Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 111. 37

Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 130.

Page 6: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

6

2 SPG). Wie sich aus dem Verweis auf § 16 Abs. 3 SPG38

ergibt, muss die Straftat das dem

Versuchsbeginn unmittelbar vorangehende Stadium erreicht haben.39

Drittens, wenn die Abwehr eines gefährlichen Angriffs (§ 16 Abs. 2 und 3 SPG) oder

die Abwehr einer kriminellen Verbindung (§ 16 Abs. 1 Z. 2 SPG) sonst gefährdet oder

erheblich erschwert wäre (§ 54 Abs. 2 Z. 3 SPG).

Zur Anordnung der Maßnahme ist die Sicherheitsbehörde zuständig. Sicherheitsbehörde

sind in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden, in zweiter Instanz die

Landespolizeidirektionen, in letzter Instanz der Bundesminister für Inneres (§ 4 SPG).

Der Rechtschutzbeauftragte ist über die Maßnahme zu informieren (§ 91c Abs. 1 SPG).

Die Observation zur „erweiterten Gefahrenerforschung” (§ 21 Abs. 3 SPG) darf nur mit

Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten erfolgen (§ 91c Abs. 3 SPG). Es handelt sich

dabei um eine Voraussetzung, von der die Zulässigkeit des Grundrechtseingriffs abhängt.40

Das Institut des Rechtsschutzbeauftragten wurde 1997 durch eine Novelle der StPO

geschaffen41

und auch für das SPG und das Militärbefugnisgesetz (MBG) eingerichtet. Die

Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten wurde inzwischen verfassungsrechtlich

abgesichert. Da der von einer geheimen Ermittlungsmaßnahme Betroffene seine Rechte

naturgemäß nicht wahrnehmen kann, ist es die Aufgabe des Rechtsschutzbeauftragten,

stellvertretend für ihn diese Rechte auszuüben. Dazu gehören das Recht, Akteneinsicht zu

nehmen, die Durchführung der Maßnahmen vor Ort zu überwachen, die Pflicht, den

Betroffenen über rechtswidrige Ermittlungsmaßnahmen zu informieren,42

die Einhaltung von

Löschungspflichten zu kontrollieren und im Fall einer Rechtsverletzung Beschwerde an die

Datenschutzkommission zu erheben (§ 91d SPG). Fraglich erscheint allerdings, ob sich ein

Organ, das in die Ermittlungen eingebunden ist, sie teils sogar zu genehmigen hat, zur

Kontrolle eben dieser Ermittlungen eignet.43

Eine zeitliche Begrenzung der „erweiterten Gefahrenerforschung“ ist nur gegenüber

Einzelpersonen vorgesehen (siehe oben 1.b).

Hinzuweisen ist auf die spezielle Löschungspflicht in § 63 Abs. 1b SPG. Nach

Beendigung der „erweiterten Gefahrenerforschung” sind die Daten zu löschen, wenn sich

nach Ablauf der Zeit, für die die Ermächtigung dazu erteilt wurde, keine Aufgabe der Abwehr

eines gefährlichen Angriffs oder einer kriminellen Verbindung stellt.

Die Abwehr eines gefährlichen Angriffs hat unverzüglich zu erfolgen; § 21 Abs. 2 SPG.

Ein Einschreiten darf nur ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn das Interesse an der

38

§ 16 Abs. 3 SPG lautet: „Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet

ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen

Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.” 39

Giese, in: Thanner/Vogl, SPG, § 16 Anm. 6. 40

1188 BlgNR 22. GP., S. 10. 41

BGBl. I 105/1997. 42

Die Beschränkung der Informationspflicht auf rechtswidrige Ermittlungsmaßnahmen ist aus

rechtsstaatlichen Gründen bedenklich; vgl. Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz

im Sicherheitsrecht, in: Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz,

Datenschutz, Informationsschutz (2007), S. 103. 43

Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz im Sicherheitsrecht, in: Studiengesellschaft

für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz (2007), 103 f. hält aus

diesem Grund den Rechtsschutzbeauftragten für ein „rechtsstaatliches Sedativum“.

Page 7: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

7

Abwehr einer kriminellen Verbindung oder an der Verhinderung eines Verbrechens gegen

bestimmte Rechtsgüter überwiegt (§ 23 Abs. 1 SPG), Leben und Gesundheit Dritter durch das

Zuwarten nicht gefährdet werden und Vorsorge dafür getroffen ist, dass ein aus der Tat

entstehender Schaden zur Gänze gutgemacht werden kann (§ 23 Abs. 2 SPG).

§ 7 Abs. 3 ZollR-DG ermächtigt darüber hinaus die Zollbehörden zur Observation von

Personen oder Warenbewegungen schon während der Vorbereitung einer

Zollzuwiderhandlung. Das Beobachten darf nur unter Wahrung des

Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen, wenn die Verhinderung der Zollzuwiderhandlung

sonst gefährdet oder wesentlich erschwert würde. Eine Ermächtigung zur Observation findet

sich darüber hinaus in § 22 Abs. 3 MBG.

d) verdeckte Beobachtung des Einzelnen durch Dienste,

Es gilt das zu Frage c) Ausgeführte.

e) verdeckte Beobachtung des Einzelnen unter Einsatz von technischen Mitteln zur

Aufzeichnung des Geschehens.

Wenn ja, dann nennen Sie

- Voraussetzungen für die Anwendung solcher Maßnahmen,

- die Frist, innerhalb deren sie angewendet werden können,

- das zur Anordnung ihrer Anwendung befugte Organ.

§ 53 Abs. 4 SPG enthält eine generelle Ermächtigung der Sicherheitsbehörden,

personenbezogene Daten durch den Einsatz aller geeigneter Mittel zu erheben. Für besondere

Ermittlungsmethoden sieht § 54 SPG Einschränkungen vor. Zu diesen gehört die

Videoüberwachung, die nur unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 4, 4a, 5, 6, 7 SPG

zulässig ist.44

In verdeckter Form darf die Videoüberwachung nach § 54 Abs. 4 und 4a i.V.m. Abs. 3

SPG nur in folgenden Fällen erfolgen:

zur Abwehr eines gefährlichen Angriffs oder einer kriminellen Verbindung, welche

die Begehung einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung erwarten lassen, wenn deren

Abwehr sonst gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Dies wird bereits dann angenommen,

wenn das Ziel mit einem weniger eingriffsintensiven Mittel, wie einem offenen Einsatz von

Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten oder einer Echtzeitüberwachung, nicht erreicht werden

kann.45

Die Eingriffsgrenze der Gefahr einer „mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung“

erweist sich als Etikettenschwindel. Da nach der Legaldefinition in § 17 SPG bereits eine mit

über einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohte Tat als eine solche Handlung gilt, ist nur leichte

Kriminalität ausgenommen.46

zur „erweiterten Gefahrenerforschung“, wenn der Einsatz anderer

Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre. Eine verdeckte Videoüberwachung kommt für

diese Aufgabe demnach nur als ultima ratio in Betracht.47

44

Vgl. Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 21. 45

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 22; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S.

120. 46

Die Regierungsvorlage hatte die Grenze bei Verbrechen gezogen; EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. 6 f. 47

1188 BlgNR 22. GP., S. 7.

Page 8: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

8

Es dürfen nur Äußerungen oder Verhaltensweisen aufgezeichnet werden, die öffentlich

oder im Wahrnehmungsbereich des Ermittelnden erfolgen. Ein sog. „großer Späh- oder

Lauschangriff“ ist verboten.48

Zulässig ist nur der „kleine Späh- oder Lauschangriff“, in den

eine der beteiligten Personen (hier: der Ermittler) eingeweiht ist.

§ 54 Abs. 4a SPG betont die besondere Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

beim Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten.

Für die Fristen und Zuständigkeiten siehe die Antwort auf Frage 2.c. Der

Rechtsschutzbeauftragte ist über eine verdeckte Videoüberwachung zu informieren (§ 91c

Abs. 1 SPG). Kommt die Maßnahme zur „erweiterten Gefahrenerforschung“ zur Anwendung,

bedarf sie seiner Genehmigung (§ 91c Abs. 3 SPG). Sobald die Daten für den betreffenden

Zweck nicht mehr benötigt werden, sind sie nach § 63 SPG zu löschen. Im Jahr 2009 betrafen

fast drei Viertel der Anwendungsfälle der Maßnahme Diebstähle und die Drogendelikte.49

Hinzuweisen ist darauf, dass auch die StPO ein verdecktes Spähen und Lauschen mit

sicherheitspolizeilichem Einschlag ermöglicht, und zwar bei einem dringenden Verdacht, dass

eine von der Überwachung betroffene Person eine andere entführt oder sich ihrer sonst

bemächtigt hat. In diesem Rahmen dürfen nur Geschehnisse zur Zeit und am Ort der

Freiheitsentziehung überwacht werden (§ 136 Abs. 1 Z. 1 StPO). Die Kriminalpolizei darf

diese Überwachung im Dienste der Strafrechtspflege aus eigener Macht durchführen (§ 137

Abs. 1 StPO).

§ 7 Abs. 5 ZollR-DG erlaubt darüber hinaus den Zollbehörden den verdeckten Einsatz von

Bildaufzeichnungsgeräten im Rahmen der zollamtlichen Aufsicht im grenzüberschreitenden

Warenverkehr hinsichtlich von Beförderungsmitteln, Waren und des öffentlichen Verhaltens

von Personen, wenn ansonsten die Aufdeckung eines bestimmten Finanzvergehens gefährdet

oder wesentlich erschwert wäre.

3. Können die Polizei bzw. andere polizeiähnliche Dienste im Rahmen solcher

Tätigkeiten

a) verdeckt Daten über die unter Einsatz von Kommunikationsmitteln

stattgefundenen Verbindungen einer konkreten Person erlangen,

aa) Unzulässigkeit der „großen Rufdatenerfassung“

Die verdeckte Ermittlung der Kommunikationsverbindungen einer Person (sog. „große

Rufdatenerfassung“) ist den Sicherheitsbehörden verwehrt. Auskünfte über telefonische

Verbindungen, Verbindungen per E-Mail oder sonstige Internetverbindungen dürfen nur im

Dienste der Strafjustiz erlangt werden. Diese Ermittlungsmaßnahme wird als „Auskunft über

Daten einer Nachrichtenübermittlung“ bezeichnet (§ 134 Z. 2 StPO)50

. Die Fälle, in denen die

Maßnahme zulässig ist, sind in § 135 Abs. 2 und 3 StPO umschrieben. In den in § 135 Abs.

2a StPO genannten Fällen darf auch auf Vorratsdaten zurückgegriffen werden. Die

48

EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. ; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 24. 49

Burgstaller/Salimi, SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (44). 50

Es handelt sich der gesetzlichen Definition zufolge um „die Erteilung einer Auskunft über Verkehrsdaten

(§ 92 Abs. 3 Z 4 TKG), Zugangsdaten (§ 92 Abs. 3 Z 4a TKG), die nicht einer Anordnung gemäß § 76a

Abs. 2 unterliegen, und Standortdaten (§ 92 Abs. 3 Z 6 TKG) eines Telekommunikationsdienstes oder eines

Dienstes der Informationsgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes)“.

Page 9: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

9

Maßnahme steht unter einem Richtervorbehalt und bedarf der Anordnung der

Staatsanwaltschaft (§ 137 Abs. 1 StPO).

bb) „Kleine Rufdatenerfassung“

Die Sicherheitsbehörden sind nach § 53 Abs. 3a Z. 1 SPG dazu ermächtigt, von den

Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskünfte über Namen, Anschrift und

Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses zu verlangen (sog. „kleine

Rufdatenerfassung”). Voraussetzung ist, dass die Auskünfte zur Erfüllung einer der den

Sicherheitsbehörden übertragenen Aufgaben erforderlich sind.

Zur Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht51

oder zur Abwehr eines

gefährlichen Angriffs darf sogar eine nachträgliche Rufdatenerfassung erfolgen (§ 53 Abs 3a

Z. 4 SPG). Diese Maßnahme wird als „kleine passive Rufdatenrückerfassung” bezeichnet. Sie

dient dazu, anhand der Telefonnummer der angerufenen Person und des Zeitpunkts des

Anrufs den Anrufer zu ermitteln.52

Dafür hat der Betreiber Verbindungsdaten heranzuziehen.

Die Maßnahme ist beispielsweise zulässig, um bei telefonischen Notrufen die Identität der

hilfsbedürftigen Person oder die Identität des Täters zur Beendigung von Erpressungen

herauszufinden.53

Da die Ermächtigung auf ein „von diesem Anschluss geführtes Gespräch”

und auf eine „Teilnehmernummer” Bezug nimmt, ist sie auf den Bereich der klassischen

Sprachtelefonie beschränkt.54

§ 99 Abs. 3 FinStRG ermöglicht auch den Finanzbehörden für die Durchführung eines

Finanzstrafverfahrens eine „kleine Rufdatenerfassung”. Ebenso haben die Zollbehörden das

Recht, von den Betreibern öffentlicher Kommunikationsdienste Auskunft über Namen,

Anschrift und Teilnehmernummer zu verlangen, wenn sie diese Daten als wesentliche

Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben

benötigen (§ 7 Abs. 5 ZollR-DG). In § 22 Abs. 2a MBG findet sich eine entsprechende

Ermächtigung für den militärischen Nachrichtendienst.

cc) Ermittlung von IP-Adressen und deren Inhaber

Zudem dürfen die Sicherheitsbehörden von den Betreibern öffentlicher

Telekommunikationsdienste oder sonstigen Diensteanbietern55

die Internetprotokolladresse

(IP-Adresse) verlangen, wenn diese als wesentliche Voraussetzung zur Abwehr einer

konkreten Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen im Rahmen

der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (§ 19 SPG) oder zur Abwehr eines gefährlichen

Angriffs (§ 16 Abs. 1 Z. 1 SPG) oder einer kriminellen Verbindung (§ 16 Abs. 1 Z. 2 SPG)

erforderlich ist. Es darf dann die IP-Adresse zu einer bestimmten Nachricht und ihren

Übermittlungszeitpunkt erfragt werden (§ 53 Abs. 3a Z. 2 SPG). Zur „erweiterten

51

Diese Pflicht besteht bei einer gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Gefährdung von Leben,

Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen, wenn die Abwehr der Gefährdung in die Zuständigkeit

einer Verwaltungsbehörde fällt oder zum Hilfs- und Rettungswesen oder zur Feuerpolizei gehört; § 19

Abs. 1 SPG. 52

Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 27 f. 53

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 10.6. 54

Feiler, Die SPG-Novelle 2007, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem Weg zum Überwachungsstaat? (2009), 48, 49. 55

Zu ersteren zählen insbesondere Anbieter von Internet- oder Telefondiensten. Sonstige Diensteanbieter sind

beispielsweise Betreiber von Suchmaschinen oder von Gastzugängen (Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal

2010, 27; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 30).

Page 10: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

10

Gefahrenerforschung” sind derartige Auskunftsverlangen nicht zulässig, weil es an der

vorausgesetzten konkreten Gefahr fehlt.56

Nicht geklärt ist die Reichweite des in § 53 Abs. 3a Z. 2 SPG verwendeten Begriffs der

„Nachricht”. Erfasst der Begriff auch Einträge in öffentlichen Foren oder Blogs, Suchverläufe

im Internet oder etwa das Bearbeiten von Profilen auf Facebook? Die Unbestimmtheit des

Begriffs wirft verfassungsrechtliche Bedenken auf.57

Manche Autoren befürworten eine enge

Auslegung des Begriffs, um die sicherheitsbehördlichen Befugnisse nicht ausufern zu lassen.

Erfasst seien nur Gedankenerklärungen, die von einem Menschen stammen und mittels

Internetprotokoll an einen beschränkten Personenkreis gesendet wurden, nicht also etwa

Mitteilungen in einem öffentlichen Blog.58

Andere Autoren sprechen sich für einen weiten

Begriff der „Nachricht” aus.59

Danach ist jede „Mitteilung einer Gedankenerklärung von

einem Menschen an (einen) andere(n) Menschen unter Verwendung des Internet-Protokolls“

als „Nachricht” anzusehen. Für die weite Auslegung lässt sich anführen, dass sich auch an die

Allgemeinheit gerichtete Mitteilungen zwanglos als „Nachricht“ bezeichnen lassen. Der

Absender einer solchen Mitteilung ist nicht schutzwürdiger als jemand, der sich nur an einen

beschränkten Personenkreis wendet. Im Gegenteil, indem er sich an die Allgemeinheit

wendet, hat er den Bereich der vertraulichen Kommunikation bewusst verlassen. Im Hinblick

auf den Schutzzweck der Befugnis, eine konkrete Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder

die Freiheit eines Menschen, einen gefährlichen Angriff oder eine kriminelle Verbindung

abzuwehren, sollten auch Mitteilungen im Internet als „Nachricht“ eingestuft werden.

Die IP-Adresse des Empfängers einer Nachricht darf wohl nicht ermittelt werden, zumal

dieser die Nachricht nicht veranlasst hat.60

Da die Ermächtigung auf „bestimmte” Nachrichten

begrenzt ist, ist es auch nicht zulässig, ein Bewegungsprofil zu erstellen oder den Verlauf des

Surfens im Internet nachzuvollziehen.61

Die Befugnis gilt überdies nur für bereits übermittelte

Nachrichten, für die es ein Internet-Protokoll gibt. Sie erstreckt sich folglich nicht auf

Mitteilungen mittels SMS.62

Unter den gleichen Voraussetzungen wie für die Erfragung der IP-Adresse darf Auskunft

darüber verlangt werden, welchem Benutzer eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt

zugewiesen war (§ 53 Abs. 3a Z. 3 SPG). Dazu darf auf Vorratsdaten zurückgegriffen

werden, wenn diese nicht länger als drei Monate gespeichert wurden (§ 53 Abs. 3a Z. 3 SPG

i.V.m. § 99 Abs. 5 Z. 4 TKG). Für den Zugriff auf Vorratsdaten ist weder eine

Mindeststrafhöhe noch ein Richtervorbehalt vorgesehen. Die Ermächtigung des § 53 Abs. 3a

Z. 3 SPG widerspricht damit der Regelung des § 102a Abs. 1 TKG. Diese bestimmt, dass eine

Auskunft über Vorratsdaten ausschließlich aufgrund einer gerichtlich bewilligten Anordnung

der Staatsanwaltschaft zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, deren Schwere eine

Anordnung nach § 135 Abs. 2a StPO rechtfertigt, zulässig ist. Die Umsetzung der

Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie, die erst nach einer Verurteilung von Österreich wegen

56

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 10.5. 57

Feiler, Die SPG-Novelle 2007, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem Weg zum Überwachungsstaat? (2009), 43, 80. 58

Feiler, Die SPG-Novelle 2007, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem Weg zum Überwachungsstaat? (2009), 43, 52

ff.; Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 28. 59

Kunnert, Der sicherheitspolizeiliche Griff nach Telekommunikationsdaten. Möglichkeiten - Grenzen -

Kritik, in: Jahnel [Hrsg.], Datenschutzrecht und E-Government: Jahrbuch 2008 [2008] 126; siehe auch

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 34 ff. 60

Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 29. 61

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 34 ff. 62

Feiler, Die SPG-Novelle 2007, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem Weg zum Überwachungsstaat? (2009), 43, 52;

Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 28.

Page 11: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

11

Nicht-Umsetzung der Richtlinie erfolgte, ist damit widersprüchlich und über die europäischen

Vorgaben hinausgehend erfolgt.63

In der bisherigen Praxis kamen in einem Fünftel der Fälle,

in denen IP-Adressen ermittelt wurden, Vorratsdaten zum Einsatz.64

Derzeit ist vor dem

EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren wegen eines möglichen Verstoßes der

Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie gegen die Europäische Grundrechtecharta anhängig, das

u.a. vom österreichischen Verfassungsgerichtshof veranlasst wurde.65

Die in § 53 Abs. 3a Z. 2 und Z. 3 SPG genannten Methoden können miteinander

kombiniert werden, etwa um den Absender einer E-Mail herauszufinden. Der Betroffene muss

über die Maßnahme nicht informiert werden.66

Zu den allgemeinen Erfordernissen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit oben .

Der ersuchte Diensteanbieter hat die Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Für die

rechtliche Zulässigkeit des Auskunftsbegehrens ist nach § 53 Abs. 3c SPG ausschließlich die

Sicherheitsbehörde verantwortlich.

Falls für eine Auskunft zu einer bestimmten IP-Adresse die Verwendung von Vorratsdaten

erforderlich war, ist der Betroffene darüber zu informieren. Ein Aufschub der Information ist

möglich, wenn ansonsten der Ermittlungszweck gefährdet würde (§ 53 Abs. 3c SPG). Der

Rechtsschutzbeauftragte ist nach § 91c Abs. 1 über Auskunftsersuchen gem. § 53 Abs. 3a Z. 2

bis Z. 4 SPG ehestmöglich zu informieren. Eine richterliche Genehmigung ist nicht

erforderlich. Es ist umstritten, ob IP-Adressen vom Fernmeldegeheimnis (Art. 10a

Staatsgrundgesetz) geschützt sind und daher von Verfassungs wegen eigentlich einem

Richtervorbehalt unterliegen würden.67

Der Verfassungsgerichthsof hat jüngst entschieden,

dass nur der Gesprächsinhalt, nicht die äußeren Gesprächsdaten durch das

Fernmeldegeheimnis geschützt sind.68

In der Praxis kommt die Maßnahme meist zur Abwehr gefährlicher Angriffe oder

krimineller Verbindungen zur Anwendung. Dabei geht es vorwiegend um Vermögensdelikte,

insbesondere Betrug, und um Freiheitsdelikte, wie Nötigung und gefährliche Drohung.69

b) verdeckt personenbezogene Daten von Banken, anderen ähnlichen

Geldinstituten bzw. Versicherungsanstalten erlangen,

Die Sicherheitsbehörden sind nicht berechtigt, verdeckt personenbezogene Daten von

Banken oder Versicherungsanstalten zu erlangen. Auskünfte über Bankkonten und

Bankgeschäfte dürfen nur nach § 116 StPO aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft

mit gerichtlicher Bewilligung eingeholt werden.

c) verdeckt personenbezogene Daten von Einrichtungen erlangen, in denen

Informationen zu statistischen Zwecken gesammelt und gespeichert werden.

63

Siehe Feiler/Stahov, MR 2011, 111, 114, 115. 64

Burgstaller, ÖJZ 2013, 400. 65

VfGH 28. 11. 2012, G 47/12 ua. 66

Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 28. 67

Zum Meinungsstand Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 10.3.2. 68

VfSlg 19.657/2012. 69

Für das Jahr 2009 siehe den Bericht von Burgstaller/Salimi, SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (40).

Page 12: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

12

Wenn ja, dann

- nennen Sie Voraussetzungen für die Anwendung solcher Methoden,

- sind es Methoden, deren Anwendung durch Fristen beschränkt ist,

- welches Organ ist zur Anordnung der Anwendung einer solchen Methode

befugt?

Die Sicherheitsbehörden dürfen nach § 53 Abs. 3 SPG Auskünfte von den Dienststellen

der Gebietskörperschaften, den anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie den

von diesen betriebenen Anstalten verlangen. Es handelt sich dabei um die Inanspruchnahme

von Amtshilfe.70

Voraussetzung ist, dass sie die Auskünfte für die Abwehr eines gefährlichen

Angriffs, für die „erweiterte Gefahrenerforschung“ (dies nur bei Genehmigung des

Rechtsschutzbeauftragten, § 91c Abs. 3 SPG) oder für die Abwehr krimineller Verbindungen

benötigen. Die angefragten Stellen dürfen eine Auskunft nur dann verweigern, wenn andere

öffentliche Interessen (etwa die auswärtigen Beziehungen)71

die Abwehrinteressen

überwiegen oder eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht besteht, die über die

Amtsverschwiegenheit hinausgeht, wie die ärztliche Schweigepflicht.72

Aufgaben der amtlichen Statistiksammlung obliegen der „Statistik Austria“. Es handelt

sich dabei um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts, die der Auskunftspflicht des § 53

Abs. 3 SPG unterfällt. Nach § 17 Abs. 2 Bundesstatistikgesetz 2000 dürfen die Organe der

Bundesstatistik personenbezogene Daten an Dritte übermitteln, wenn dies in einem

Bundesgesetz vorgesehen ist. Da § 53 Abs. 3 SPG eine entsprechende bundesgesetzliche

Ermächtigung darstellt und die mit Aufgaben der Statistik betrauten Personen nur zur

Amtsverschwiegenheit verpflichtet sind (§ 17 Abs. 3 und 4 Bundesstatistikgesetz 2000), sind

diese zur Auskunftserteilung an die Sicherheitsbehörden verpflichtet.

4. Kann die Polizei oder andere ähnliche Dienste im Rahmen solcher Tätigkeiten

Daten aus Datenbanken öffentlicher bzw. privater Subjekte zu

Rasterfahndungszwecken erlangen und sie automatisch verarbeiten?

Wenn ja, dann

- nennen Sie Voraussetzungen für die Anwendung dieser Methode,

- ist ihre Anwendung durch Fristen beschränkt,

- welches Organ ist zur Anordnung der Anwendung dieser Methode befugt?

§ 53 Abs. 2 SPG untersagt es den Sicherheitsbehörden einen automationsunterstützten

Datenabgleich im Sinne des § 141 StPO (= Rasterfahndung) vorzunehmen. Demnach ist es

den Sicherheitsbehörden verboten, Daten verschiedener Datenanwendungen

automationsunterstützt zu vergleichen. Aus der Systematik der Regelung des § 53 Abs. 2 SPG

wird abgeleitet, dass sich das Verbot nur auf Dateien erstreckt, die von den

Sicherheitsbehörden nach anderen Bundes- oder Landesgesetzen angelegt wurden. Diese

Daten dürfen zwar umgewidmet werden, d.h. für andere Zwecke als jene, für die sie angelegt

wurden, verwendet werden. Sie dürfen aber nicht mit sicherheitspolizeilichen Daten

automationsunterstützt abgeglichen werden. Ein automationsunterstützter Abgleich von

kriminalpolizeilichen mit sicherheitspolizeilichen Daten ist den Sicherheitsbehörden damit

70

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 24. 71

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 27. 72

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 27.

Page 13: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

13

verwehrt. Dagegen wird es als zulässig angesehen, verschiedene sicherheitspolizeiliche (also

nach dem SPG angelegte) Dateien untereinander abzugleichen.73

Der Bundesminister für Inneres als oberste Sicherheitsbehörde ist darüber hinaus nach §

16a Abs. 11 MeldeG 1991 befugt, das Zentrale Melderegister mit den Fahndungsevidenzen

der Sicherheitsbehörden abzugleichen.

Schließlich gestattet § 75 Abs. 5 StPO den Sicherheitsbehörden die Verwendung von

Daten, die durch einen von der Staatsanwaltschaft mit gerichtlicher Bewilligung angeordneten

automationsunterstützten Datenabgleich (§§ 141 ff. StPO) gewonnen wurden, für bestimmte

Fälle der Gefahrenabwehr, nämlich zur Abwehr vorsätzlich begangener Straftaten, die mit

mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, oder zur Abwehr erheblicher Gefahren für

Leben, Leib oder Freiheit einer Person oder für erhebliche Sach- und Vermögenswerte.

5. Kann die Polizei oder andere ähnliche Dienste im Rahmen der operationellen

Tätigkeit auch andere als oben genannte verdeckte Methoden zur Erlangung von

personenbezogenen Informationen anwenden? Wenn ja, dann nennen Sie solche

Methoden, Voraussetzungen für ihre Anwendung, die Frist, innerhalb deren sie

angewendet werden können und das zur ihrer Anordnung befugte Organ.

aa) Echtzeitüberwachung

§ 54 Abs. 8 SPG erlaubt den Sicherheitsbehörden den Einsatz von

Bildübertragungsgeräten zur Echtzeitüberwachung. Die Überwachung setzt voraus, dass die

Sicherheitsbehörden zum Einsatz von Bildaufzeichnungsgeräten befugt sind oder der Einsatz

zur Erfüllung einer sicherheitspolizeilichen Aufgabe oder zur Unterstützung des

Streifendienstes erforderlich ist. Die Echtzeit-Videoüberwachung darf demnach zur Erfüllung

jeglicher sicherheitspolizeilichen Aufgabe oder zu Zwecken des Streifendienstes erfolgen,

wenn sie nur erforderlich ist. Es besteht weder eine Pflicht zur öffentlichen Kennzeichnung

der Überwachung noch zur Information des Rechtsschutzbeauftragten.74

Die Weite der

Ermächtigung stößt im Schrifttum zu Recht auf Kritik.

bb) Einsatz von Peilsendern im Rahmen der Observation

Wäre die Observation75

sonst aussichtslos oder erheblich erschwert, darf sie gem. § 54

Abs. 2a SPG durch technische Mittel unterstützt werden, die durch die Übertragung von

Signalen die Feststellung des Aufenthaltsortes der beobachteten Person oder des beobachteten

Gegenstands ermöglichen. Der Peilsender wird entweder am Fahrzeug, das die beobachtete

Person voraussichtlich verwenden wird, oder an einem Gegenstand, den sie mit sich führt,

angebracht.76

2012 wurden dem Rechtsschutzbeauftragten 19 Observationen unter Einsatz

von Peilsendern gemeldet. In der Mehrzahl der Fälle erfolgte die Peilung zur Verhinderung

weiterer Diebstähle.77

73

EBRV 1138 BlgNR 21. GP, S. 29. Zum Ganzen Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 6; Weiss, in:

Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 22; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 133 ff. 74

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. zu Abs. 8. 75

Zur Zulässigkeit der Observation gem. § 54 Abs. 2 SPG siehe oben . 76

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 16 und 17. 77

Burgstaller, ÖJZ 2013, 397.

Page 14: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

14

Zur Verhinderung bestimmter gerichtlich strafbarer Finanzvergehen, wie eines

Abgabenbetrugs (§ 39 Abs. 1 FinStrG), dürfen auch die Zollbehörden unter Mitwirkung des

Bundesministeriums für Inneres technische Hilfsmittel zur Peilung von Beförderungsmittel

einsetzen.

cc) Peilung von Mobiltelefonen

§ 53 Abs. 3b SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden zur Peilung von Mobiltelefonen, um

den Aufenthaltsort eines gefährdeten Menschen festzustellen. Bei einer gegenwärtigen Gefahr

für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen dürfen die

Sicherheitsbehörden von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über

Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) der Endeinrichtung, die

von einer gefährdeten Person oder einer diese begleitenden Person mitgeführt wird, verlangen

und technische Mittel zur Lokalisierung der Endeinrichtung einsetzen. Die Betreiber der

Telekommunikationsdienste müssen die Funkzelle, in der sich das Mobiletelefon befindet,

bekanntgeben. Anschließend darf die Sicherheitsbehörde mit sogenannten IMSI-Catchern und

Peilempfängern/-antennen das Mobiltelefon exakt orten. Voraussetzung sind konkrete

Anhaltspunkte für eine entsprechende Gefahr der Person, die durch die Peilung des

Mobiltelefons gesucht wird. Seit einer vom Rechtsschutzbeauftragten angeregten Erweiterung

der Ermächtigung78

darf auch das Mobiltelefon einer „begleitenden“ Person, also

beispielsweise des Gefährders, geortet werden. In der Praxis kommt die Maßnahme am

häufigsten wegen eines befürchteten Selbstmords zur Anwendung.79

Der

Verfassungsgerichtshof fordert eine einschränkende Interpretation der Ermächtigung dahin

gehend, dass nur solche technische Mittel zum Einsatz kommen dürfen, die auf eine

Ermittlung des Standorts des Mobiltelefons beschränkt sind. Technische Einrichtungen, mit

denen der Gesprächsinhalt ermittelt werden kann, dürfen nicht verwendet werden.80

Für die

Peilung darf erforderlichenfalls auf Vorratsdaten, also auf in der Vergangenheit liegende

Standortdaten, zurückgegriffen werden. Dies wird jedenfalls bei Lebensgefahr für einen

Menschen als verhältnismäßig angesehen.81

2012 wurden in 1 % der Standortermittlungen

Vorratsdaten verwendet.82

Die Sicherheitsbehörde muss bei Ermittlung von Standortdaten und der IMSI dem

Diensteanbieter innerhalb von 24 Stunden eine schriftliche Dokumentation nachreichen. Aus

der Regelung ist zu schließen, dass um die Auskünfte zunächst mündlich ersucht werden

darf.83

Das Erfordernis einer zumindest nachträglichen schriftlichen Begründung soll einem

Missbrauch der Befugnis vorbeugen.84

Über die Verwendung von Vorratsdaten ist der

Betroffene zu informieren. Die Information kann bei sonstiger Gefährdung des

Ermittlungszwecks aufgeschoben werden (siehe zum Ganzen § 53 Abs. 3c SPG). Zwar ist der

Rechtsschutzbeauftragte gem. § 91c Abs. 1 SPG einzubinden. Es bedarf aber keiner

richterlichen Genehmigung.

78

Siehe Burgstaller, ÖJZ 2013, 397. Die Änderung erfolgte durch die SPG-Novelle 2011, BGBl. I 2012/13. 79

Im Jahr 2009 ging es in 69 % der Fälle um einen befürchteten Suizid. In mehr als einem Drittel der Fälle

konnte die betroffene Person durch die Peilung gerettet werden; siehe den Bericht von Burgstaller/Salimi,

SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (39). 80

VfGH 1.7.2009, G 31/08, JBl 2010, 107. 81

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 50. 82

Burgstaller, ÖJZ 2013, 399. 83

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 11.4. 84

Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 30.

Page 15: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

15

Teilweise wird vertreten, dass Standortdaten eines Mobiltelefons auch nach § 53 Abs. 4

i.V.m. § 54 Abs. 1 SPG auf freiwilliger Basis, also ohne Verpflichtung der Diensteanbieter

zur Auskunftserteilung, erbeten werden dürfen.85

Gegen diese Ansicht ist einzuwenden, dass

§ 53 Abs. 3b SPG eine abschließende Sonderregelung für einen Grundrechtseingriff durch

Auskünfte über Standortdaten darstellt.

dd) Verwendung von personenbezogenen Bilddaten über öffentliches Verhalten

§ 53 Abs. 5 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden zur (heimlichen) Verwendung von

personenbezogenen Bilddaten über öffentliches Verhalten, die von öffentlichen Rechtsträgern

oder von Privaten mittels Bild- und Tonaufzeichnungen rechtmäßig ermittelt und den

Sicherheitsbehörden freiwillig überlassen wurden. Die Ermächtigung bezieht sich demnach

auf die Verwendung von Videoaufzeichnungen und Fotos, die von Dritten (etwa mittels eines

Mobiltelefons) angefertigt wurden. Die größte Rolle kommt in der Praxis Aufzeichnungen

von an Bankomaten angebrachten Videokameras zu.86

Aufzeichnungen im Zuge einer

Videoüberwachung sind dann rechtmäßig zustande gekommen, wenn die Voraussetzungen in

§§ 50a ff. DSG eingehalten wurden.87

Die Begrenzung der Ermächtigung auf Bilddaten über

öffentliches Verhalten stellt klar, dass die Regelungen der StPO nicht umgangen werden

dürfen.88

Die Bilddaten dürfen nur „im Einzelfall“ verwendet werden, also nur wenn ein konkreter

Anlassfall im Rahmen der Aufgaben der Sicherheitspolizei gegeben ist. Eine Übermittlung

und Verwendung ohne konkreten Anlassfall, etwa zu einem Abgleich mit Fahndungsdaten, ist

nicht zulässig.89

Eine weitere Voraussetzung für die Verwendung ist, dass die Abwehr eines

gefährlichen Angriffs oder einer kriminellen Verbindung ansonsten gefährdet oder erheblich

erschwert wäre (§ 54 Abs. 3 SPG). Zusätzlich müssen bestimmte Tatsachen auf eine schwere

Gefahr für die öffentliche Sicherheit schließen lassen. Diese Wendung wird mit Blick auf §

136 Abs. 4 StPO dahin gehend ausgelegt, dass die Gefahr der Begehung von Verbrechen (also

von vorsätzlichen Straftaten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind)

gegeben sein muss.90

Eine Verwendung zur „erweiterten Gefahrenerforschung” darf nur als

ultima ratio erfolgen, wenn der Einsatz anderer Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre (§

53 Abs. 5 i.V.m. § 54 Abs. 3 SPG). Außerdem ist die Verwendung der Bilddaten zum Zweck

der sicherheitspolizeilichen Fahndung zulässig.

Eine vorhandene Tonspur dürfen die Sicherheitsbehörden außerhalb eines

Ermittlungsverfahrens nicht verwenden. Die Verwendungsbefugnis nach Maßgabe des § 53

Abs. 5 SPG ist auf das Bildmaterial beschränkt.91

Der Rechtsschutzbeauftragte ist über die Maßnahme zu informieren (§ 91c Abs. 1 SPG).

Erfolgt die Maßnahme zur „erweiterten Gefahrenerforschung”, bedarf sie der Genehmigung

des Rechtsschutzbeauftragten (§ 91c Abs. 3 SPG). § 63 Abs 1 SPG bestimmt, dass die Daten

zu löschen sind, sobald sie für die Erfüllung der Aufgabe, für die sie verwendet worden sind,

85

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 10.3.4. 86

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. zu Abs. 5. 87

Dazu unten . 88

1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 77. 89

1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 67. 90

1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 69. 91

Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. zu Abs. 5.

Page 16: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

16

nicht mehr benötigt werden. Im Jahr 2009 kam die Maßnahme nach § 53 Abs. 5 SPG in über

90 % der Fälle zu Zwecken der Fahndung zur Anwendung.92

Die Sicherheitsbehörden sind nicht berechtigt, die Herausgabe der Bilddaten zu verlangen.

Private sind also nicht verpflichtet, die Bilddaten herauszugeben.93

Eine Herausgabepflicht

besteht nur zu strafprozessualen Zwecken. Soweit die Bilddaten zur Klärung des Sachverhalts

beitragen können, dürfen sie im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sichergestellt und

beschlagnahmt werden (§ 110 Abs 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 4, § 115 Abs 1 Z. 1 StPO). Die

Sicherstellung bedarf regelmäßig einer Anordnung der Staatsanwaltschaft (§ 110 Abs. 2 und 3

StPO). Für die Beschlagnahme ist stets eine gerichtliche Bewilligung erforderlich (§ 115 Abs.

2 StPO).

ee) Abgleich von Kfz-Kennzeichen mit Fahndungsdateien

Darüber hinaus dürfen die Sicherheitsbehörden nach § 54 Abs. 4b SPG verdeckt Geräte

einsetzen, die Kennzeichen von Kraftfahrzeugen erkennen und mit Fahndungsdateien

abgleichen. Diese Ermächtigung wurde durch die SPG-Novelle 2005 eingeführt. Sie soll es

den Sicherheitsbehörden erleichtern, auch bei hoher Verkehrsdichte Kraftfahrzeuge, nach

denen gefahndet wird, zu erkennen.94

Es darf nur das Kennzeichen selbst, nicht ein Bild des

Fahrzeugs oder der Insassen aufgezeichnet werden.95

Das vom Kennzeichenerkennungsgerät

automatisch erfasste Kennzeichen wird sofort mit der Fahndungsdatei abgeglichen. Die

Daten, die keinen Treffer ergeben haben, werden unmittelbar nach dem Abgleich automatisch

gelöscht. Im Fall eines Treffers löst das Gerät Alarm aus.96

Die Treffer-Daten sind zu löschen,

sobald sie für die konkrete Fahndung nicht mehr benötigt werden. Das Gerät darf aus

Verhältnismäßigkeitsgründen höchstens einen Monat lang an einer bestimmten Stelle

positioniert sein. Über den Einsatz des Geräts ist der Rechtsschutzbeauftragte zu informieren

(§ 91c Abs. 1 SPG). Die größte Bedeutung kommt in der Praxis der Fahndung nach

gestohlenen Kraftfahrzeugen zu.97

ff) Resümee

Im Vergleich zu den Instrumenten, die den Sicherheitsbehörden bei Einführung des SPG98

zugestanden wurden, haben die zahlreichen Novellen dieses Gesetzes zu einer bedenklichen

Expansion der sicherheitspolizeilichen Befugnisse geführt.99

Die Ausgestaltung der

Befugnisse wirft rechtsstaatliche Bedenken auf:

Zu bemängeln ist, dass die Befugnisse zu heimlichen Maßnahmen, wie verdeckter

Ermittlung und verdeckter Bild- und Tonaufzeichnungen, nicht auf schwerwiegende

Straftaten beschränkt sind. Dieser Umstand stellt die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in

92

Bericht des Rechtsschutzbeauftragten; siehe Burgstaller/Salimi, SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (41). 93

Vgl. 1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 21. 94

AB 723 BlgNR 22. GP., S. 2. 95

Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 30. 96

Siehe dazu Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 29; AB 723 BlgNR 22. GP., S. 2 f. 97

2009 betraf dies nahezu 75 % aller Fälle; Burgstaller/Salimi, SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (44). 98

BGBl. Nr. 566/1991, in Kraft getreten am 1.5.1993. 99

Vgl. Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz im Sicherheitsrecht, in:

Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz

(2007), S. 91.

Page 17: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

17

Frage.100

Auch gibt es keinen absolut geschützten Intimbereich für Angehörige, in dem sich

diese ungestört von staatlichen Eingriffen frei austauschen können.101

Eine Begrenzung der zeitlichen Dauer der Ermittlungsmaßnahmen fehlt fast

durchgängig.102

Erforderlich wären zudem eine Pflicht zur schriftlichen Dokumentation der

gewonnenen Erkenntnisse und eine Pflicht zur nachträglichen Information der Betroffenen.103

Alle Eingriffsmaßnahmen werden allein durch ein Verwaltungsorgan, die

Sicherheitsbehörde, angeordnet. Dabei sind Antrags- und Anordnungsbefugnis nicht getrennt.

Die Maßnahmen brauchen nicht schriftlich begründet zu werden. Sie sind einer Kontrolle

weitgehend entzogen.104

Das Institut des Rechtsschutzbeauftragten vermag diese Defizite nicht auszugleichen. Der

Rechtsschutzbeauftragte ist nicht Richter, sondern ein Verwaltungsorgan. Auch wenn seine

Weisungsfreiheit mittlerweile verfassungsrechtlich abgesichert wurde, bildet er auch aus

strukturellen Gründen kein echtes rechtsstaatliches Gegengewicht zu den heimlichen

Ermittlungsmaßnahmen. Er kann den fehlenden individuellen Rechtsschutz nicht ersetzen.105

In der Zusammenschau der Kritikpunkte erscheint fraglich, ob die gesetzliche

Ausgestaltung der Ermittlungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden rechtsstaatlichen

Anforderungen genügt.

6. Kann das von der Polizei bzw. anderen ähnlichen Diensten im Rahmen der

operationellen Tätigkeiten erlangte Material als Beweismittel im Strafverfahren

verwertet werden?

Die Verwertbarkeit des Materials, das im Rahmen sicherheitspolizeilicher Tätigkeit

erlangt wurde, ist nicht geregelt. Ob und – bejahendenfalls – inwieweit die Ergebnisse

sicherheitspolizeilicher Ermittlungen im Strafverfahren verwertbar sind, wurde bislang nicht

näher diskutiert.

Bereits vor der Normierung ausdrücklicher Beweisverwertungsverbote in der StPO106

wurde aus einem rechtlichen Vernichtungsanspruch ein Verwertungsverbot abgeleitet.

Maßgeblich ist dafür die Erwägung, dass es widersprüchlich wäre, rechtlich zu vernichtende

Gegenstände als Beweismittel zuzulassen.107

Eine Verwertung im Strafverfahren ist folglich

nur dann zulässig, wenn die Gegenstände nicht zu vernichten sind.

Dieser Gedanke hat auch im Beweisverwertungsverbot des § 140 StPO Ausdruck

gefunden. § 140 StPO untersagt die Verwendung der Ergebnisse geheimer strafprozessualer

100

So bereits Schmoller, ÖJZ 1996, 26; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 216. 101

Vgl. Schmoller, ÖJZ 1996, 26. 102

Schmoller, ÖJZ 1996, 26; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 221. Eine Ausnahme

bildet die „erweiterte Gefahrenerforschung“ in Bezug auf Einzelpersonen, die nach § 91c Abs. 3 SPG

zeitlich zu begrenzen ist. 103

Schmoller, ÖJZ 1996, 26 f.; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 221, 243 f. 104

Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 220. 105

Vgl. die Kritik bei Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 221 ff. 106

Ausdrückliche Beweisverwertungsverbote finden sich heute in § 123 Abs. 6 und 7, § 140, § 159 Abs. 3, §

166 StPO. 107

Arnold, AnwBl 1980, 57 f.; Schmoller, JBl 1994, bei Fn. 30; vgl auch Bertel/Venier, StPO-Kommentar, §

281 Rn. 7.

Page 18: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

18

Ermittlungsmaßnahmen, wenn die materiellen Eingriffsvoraussetzungen oder die gerichtliche

Bewilligung und Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht vorlagen. Das

Beweisverwertungsverbot gründet auf dem rechtlichen Vernichtungsanspruch, der in § 139

Abs. 4 StPO festgeschrieben ist. Es kommt auf die Ergebnisse sicherheitspolizeilicher

Ermittlungen dann zur Anwendung, wenn die Regelungen der StPO umgangen wurden.108

Im

Allgemeinen enden die Befugnisse nach dem SPG, sobald eine bestimmte Person einer

Straftat verdächtig ist. Ab diesem Zeitpunkt richten sich die polizeilichen Befugnisse nach

den Regeln der StPO.109

Wird dennoch nach dem SPG vorgegangen, sind die Ergebnisse

aufgrund von § 140 StPO nicht verwertbar.

Diesem Gedanken entsprechend kann sich ein Beweisverwertungsverbot auch aus einer

datenschutzrechtlichen Löschungspflicht ergeben. Nach § 74 Abs. 1 StPO ist das

Datenschutzgesetz auf die Verwendung von Daten im Strafprozess anwendbar. Die Regelung

bildet die Rechtsgrundlage für die Verwendung personenbezogener Daten im Strafverfahren.

Wurden die Daten unter Verstoß gegen das DSG erhoben, bestimmt § 75 Abs. 1 StPO, dass

die Daten unverzüglich zu löschen sind. Der Löschungspflicht korrespondiert nach dem oben

Gesagten ein Beweisverwertungsverbot. Eine Verwertung der Ergebnisse

sicherheitspolizeilicher Überwachung ist folglich nur dann zulässig, wenn die Daten

zulässigerweise ermittelt und übermittelt wurden. Die Zulässigkeit der Datenermittlung hängt

von der Einhaltung der Regelungen des SPG ab. § 56 Abs. 1 Z. 2 SPG ermächtigt die

Sicherheitsbehörden zur anschließenden Übermittlung der Daten an die

Strafverfolgungsbehörden.110

Nach dem SPG rechtmäßig ermittelte Daten sind somit im

Strafverfahren verwertbar. Wurden die Daten dagegen rechtswidrig ermittelt, bestehen eine

Löschungspflicht und damit ein Beweisverwertungsverbot.

Teilweise wird aus § 140 StPO abgeleitet, dass die Ergebnisse jener

sicherheitspolizeilicher Instrumente, die den strafprozessualen Instrumenten entsprechen, wie

verdeckte Ermittlung, Auskunftsverlangen von Telekommunikationsanbietern oder

Standortpeilung, generell nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen. Die

Hauptverhandlung und das Urteil seien auf solche Beweise beschränkt, die nach den in der

StPO vorgesehenen Überwachungsvoraussetzungen zustande gekommen sind.111

Vor dem

Hintergrund, dass auch von Privaten ermittelte Beweise verwertet werden dürfen (siehe

unten), erscheint diese Ansicht allerdings als zu eng.

Umgekehrt betonen manche Autoren die generelle Verwertbarkeit der Ergebnisse

sicherheitspolizeilicher Ermittlungen im Strafverfahren. In den Grenzen des

108

Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 140 Rn. 32. 109

Näher Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 134 Rn. 76 f. 110

Danach dürfen die Sicherheitsbehörden personenbezogene Daten für Zwecke der Strafverfolgung

„inländischen Behörden“, für welche die Übermittlung der Daten durch die Sicherheitsbehörden eine

wesentliche Voraussetzung bildet, um die ihnen gesetzlich übertragene Aufgabe der Strafverfolgung

wahrzunehmen, weitergeben. Zu diesen Behörden zählen auch Staatsanwaltschaften und Gerichte; Hauer/Kepplinger, SPG, § 56 Anm. 4.2.

111 Zerbes, Spitzeln, Spähen, Spionieren (2010), S. 304 f. In diese Richtung auch die Gesetzesmaterialien zur

früheren Rechtslage: EB RV 49 BlgNR 20. GP., S. 17; Miklau/Pilnacek, JRP 1997, 286 (); Soyer, ÖJZ

1999, 829 (bei Fn. 51). Vgl. Theuer, JSt 2011, 205 Fn. 53, der vorschlägt, danach zu unterscheiden, ob die

aufgrund von Maßnahmen nach dem SPG gewonnenen Erkenntnisse entlastender oder belastender Art sind.

Entlastende Umstände seien stets zu berücksichtigen. Für belastende Umstände sei wegen der

unterschiedlichen Zwecksetzungen von SPG und StPO ein generelles Verwertungsverbot zu erwägen.

Jedenfalls seien solche Erkenntnisse nicht verwertbar, die unter Umgehung der Regelungen der StPO nach

dem SPG gewonnen wurden.

Page 19: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

19

Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes seien alle nach dem SPG zu präventiven Zwecken

ermittelten Daten im Strafverfahren verwertbar.112

Vereinzelt wird davon ausgegangen, dass sich Beweisverwertungsverbote für

sicherheitspolizeiliche Überwachungsmaßnahmen direkt aus den Grundrechten ergeben

können. Wurde das Beweismittel unter Verstoß gegen die Grundrechte – wie das Recht auf

Achtung des Privat- und Familienlebens gem. Art. 8 EMRK, das Fernmeldegeheimnis nach

Art. 10a StGG oder das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG – erlangt, dürfe es nicht

verwertet werden, wenn durch die Verwertung der Zweck des Grundrechts vereitelt würde.

Beispielsweise sei ein Beweismittel, das durch eine gesetzwidrige geheime staatliche

Überwachungsmaßnahme gewonnen wurde, wegen Verletzung von Art. 8 EMRK nicht

verwertbar.113

Wenn ja, dann welche Bedeutung hat die Tatsache,

a) dass das Beweismittel unter Verletzung der Vorschriften erlangt wurde, auf

deren Grundlage diese Methode angeordnet wurde?

Entsprechend dem oben Dargestellten folgt aus der Pflicht zur Löschung der Daten ein

Beweisverwertungsverbot. Die Daten wurden unzulässigerweise verarbeitet, sodass die

betroffene Person einen Anspruch auf Löschung der Daten hat (§ 63 Abs. 1 SPG; § 27 DSG).

b) dass das Beweismittel im Einklang mit den die Anwendung einer solchen

Methode begründenden Vorschriften, jedoch entgegen dem Inhalt des einschlägigen

Beschlusses eines befugten Organs erlangt worden ist?

Auch in dieser Konstellation wurden die Daten unter Verstoß gegen das SPG erlangt. Es

besteht die Pflicht, die Daten zu löschen (§ 63 Abs. 1 SPG), und damit ein

Beweisverwertungsverbot.

c) dass ein bestimmtes Beweismittel im Einklang mit den die Anwendung einer

bestimmten Methode begründenden Vorschriften, jedoch entgegen den Grundsätzen

der strafprozessualen Beweiserhebung erlangt worden ist?

Das Beweismittel ist grundsätzlich verwertbar. Es kann aber ein besonders begründetes

strafprozessuales Beweisverwertungsverbot eingreifen. So ergibt sich bei einer Umgehung der

strafprozessualen Vorschriften über geheime Ermittlungsmaßnahmen aus § 140 StPO ein

ausdrückliches Beweisverwertungsverbot.

d) dass eine bestimmte Methode, mit der ein Beweismittel erlangt worden ist, den

Vorschriften zur Regelung der Beweiserhebung im Strafverfahren überhaupt nicht

bekannt ist?

In Österreich gilt der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel. Alles, was für die

Wahrheitsfindung dienlich ist und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegt, darf als

112

Ebert, Landesbericht Österreich, in: Gropp (Hrsg.), Besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung

der Organisierten Kriminalität (1993), 627 ff., insb. 631; vgl. auch Schmoller, ÖJZ 1996, 21 (24); Soyer,

JRP 1994, 272. 113

Simon, Grundsätzliches zu technischen staatlichen Überwachungsmaßnahmen, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem

Weg zum Überwachungsstaat? (2009) 27, 41.

Page 20: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

20

Beweismittel verwendet werden.114

Ist mit der Methode der Beweiserlangung ein

Grundrechtseingriff verbunden, ist entscheidend, dass der Grundrechtseingriff gesetzlich

vorgesehen war und die Bedingungen eingehalten wurden. Sonst begründet die Pflicht zur

Löschung der Daten (§ 63 Abs. 1 SPG; § 27 DSG) ein Beweisverwertungsverbot.

e) dass die Methode, mit der ein Beweismittel erlangt worden ist, den

Strafverfahrensvorschriften zwar bekannt, allerdings nicht in Bezug auf eine konkrete

Straftatenkategorie vorgesehen ist?

Werden die Grenzen strafprozessualer Ermittlungsbefugnisse umgangen, greift das in §

140 StPO vorgesehene Beweisverwertungsverbot ein.

FALL:

Im Zusammenhang mit der nahenden großen Sportveranstaltung leiteten die

Polizei und Sonderdienste vorbeugende Aktivitäten ein. Als eine potentielle

Gefahrenquelle wurden Mitglieder der Gruppe A bezeichnet, die auf ihrer Internetseite

Inhalte verbreitete, die auf ihre feindliche und aggressive Einstellung gegenüber der

geplanten Veranstaltung hindeuteten. Anhand der vom Netzbetreiber verdeckt

erlangten Informationen wurden X, Y und Z als Mitglieder dieser Gruppe identifiziert.

Infolge der gegenüber von X, Y und Z verdeckt eingesetzten technischen Mitteln

wurden Ton- und Bildaufzeichnungen erlangt, aus denen hervorging, dass

X und Y eine Bombe konstruierten, um während der Sportveranstaltung einen

terroristischen Anschlag zu verüben,

Z einen Verkehrsunfall verursachte, in dem er einen Passanten angefahren hat

und vom Unfallort geflüchtet ist,

der (nicht invigilierte) Sohn von X Drogendealer ist.

FRAGEN:

- Konnten die Polizei bzw. andere Dienste in dieser Situation verdeckt aus Datenbanken

der Betreiber elektronischer Kommunikationsdienstleistungen Daten über Personen erlangen,

die solche Inhalte auf Webseiten brachten?

a) Die Gruppe als „kriminelle Verbindung“

§ 53 Abs. 3a Z. 2 und 3 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden dazu, vom Betreiber

eines Telekommunikationsdienstes oder einem sonstigen Diensteanbieter die IP-Adresse zu

einer bestimmten Nachricht und anschließend Name und Anschrift der Person, der die IP-

Adresse zuzuordnen ist, zu verlangen. Vereinzelt wird vertreten, dass Mitteilungen auf einer

Internetseite keine „Nachricht“ im Sinne von § 53 Abs. 3a Z. 2 SPG darstellen.115

Nach dieser

Auslegung käme die Ermächtigung nicht zur Anwendung. Diese Interpretation erscheint

allerdings als zu eng. Auch Mitteilungen an die Allgemeinheit lassen sich zwanglos als

„Nachricht“ bezeichnen. Da das Gesetz nicht nach dem Adressatenkreis bzw. nach der

Öffentlichkeit oder Privatheit der Mitteilung unterscheidet, sollten unter Berücksichtigung des

Schutzzwecks der Ermächtigung auch Mitteilungen im Internet als eine „Nachricht“

eingestuft werden.

114

OGH EvBl 1995/21; Seiler, Strafprozessrecht, 12. Aufl., Rn. 325. 115

Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 28.

Page 21: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

21

Die Daten müssen eine wesentliche Voraussetzung sein, um eine konkrete Gefahr für das

Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen im Rahmen der ersten allgemeinen

Hilfeleistungspflicht, einen gefährlichen Angriff oder eine kriminellen Verbindung

abzuwehren:

Für den ersten Eingriffstatbestand müsste die Gefahr bereits gegenwärtig sein oder

zumindest unmittelbar bevorstehen (§ 19 SPG). Als gegenwärtig gilt die Gefahr, „wenn die

Beeinträchtigung (Schädigung) der geschützten Rechtsgüter mit an Gewissheit grenzender

Wahrscheinlichkeit eintritt“. Die Gefahr steht unmittelbar bevor, „wenn sich der maßgebliche

Sachverhalt naturgesetzlich oder den bisherigen Erfahrungen nach in allernächster Zeit zu

einer gegenwärtigen Gefahr entwickeln wird“.116

Vorliegend fehlt es an dieser Voraussetzung,

da es um Ermittlungen im zeitlichen Vorfeld der sportlichen Großveranstaltung geht. Es liegt

noch keine konkrete Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen

vor, noch steht eine solche unmittelbar bevor.

Da noch völlig unklar ist, ob und – falls ja – welche Straftaten geplant sein könnten,

und es daher auch keine Hinweise darauf gibt, dass bereits das versuchsnahe

Vorbereitungsstadium einer Straftat erreicht wurde, liegt noch kein gefährlicher Angriff nach

§ 16 Abs. 2 SPG vor. Das allenfalls in Frage kommende Organisationsdelikt der kriminellen

Vereinigung gem. § 278 StGB, das bereits bei einem auf längere Zeit angelegten

Zusammenschluss von wenigstens drei Personen zur Begehung einer der aufgezählten

Straftaten verwirklicht ist, begründet gerade keinen gefährlichen Angriff im Sinne des SPG.

Damit kommt auch der zweite Eingriffstatbestand nicht in Betracht.

Für den dritten Eingriffstatbestand der kriminellen Verbindung i.S. von § 16 Abs. 1 Z.

2 SPG genügt zwar ein Zusammenschluss von drei Personen. Allerdings müssten sich diese

zur fortgesetzten Begehung vorsätzlicher Straftaten zusammengeschlossen haben. Es

erscheint fraglich, ob sich allein aus der im Internet zum Ausdruck kommenden feindlichen

und aggressiven Einstellung gegenüber der Sportveranstaltung auf einen Zusammenschluss

zur Begehung mehrerer selbständiger, noch unbestimmter Straftaten schließen lässt. Nur falls

dies zu bejahen ist, dürfen die Sicherheitsbehörden verdeckt die IP-Adresse des Betreibers der

Website und Namen und Anschrift ihres Inhabers erlangen.

b) Die Gruppe als bloße Gefahrenquelle („erweiterte Gefahrenerforschung“)

Reichen die Angaben auf der Internetseite nicht aus, um die Gruppe als kriminelle

Verbindung i.S. des SPG einzustufen, ist zu prüfen, ob die Situation zu einer „erweiterten

Gefahrenerforschung“ nach § 21 Abs. 3 SPG berechtigt. Eine „erweiterte

Gefahrenerforschung“ ist nach § 21 Abs. 3 Z. 1 lit. a SPG unter anderem dann zulässig, wenn

sich eine Person öffentlich oder in elektronischer Kommunikation für Gewalt gegen

Menschen oder Sachen ausspricht oder damit zu rechnen ist, dass sie eine mit schwerer

Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundene weltanschaulich oder religiös motivierte

Gewalt herbeiführt. Unter schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit wird die Gefahr der

Begehung von Vorsatzdelikten, die mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, und

die gegen die Sicherheit des Staates, der Person, des Eigentums oder der öffentlich-

rechtlichen Rechtsordnung gerichtet sind, verstanden.117

116

Giese, in: Thanner/Vogl, SPG, § 19 Anm. 4 117

Hauer/Kepplinger, SPG, § 21 Anm. 11.2.; Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 36.

Page 22: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

22

Falls die Angaben auf der Internetseite für den von § 21 Abs. 3 Z. 1 SPG vorausgesetzten

Verdacht nicht genügen, könnte die „erweiterte Gefahrenerforschung“ auf § 21 Abs. 3 Z. 2

SPG gestützt werden. Die Beobachtung einer Gruppierung ist danach zulässig, wenn ihre

bestehenden Strukturen und aktuelle Entwicklungen in ihrem Umfeld den Verdacht

begründen, dass es zu mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Gewalt

kommt.118

Es genügt ein Zusammenschluss von wenigstens drei Personen zur Verfolgung

eines gemeinsamen Zwecks.119

Der Verdacht muss sich einerseits auf die Strukturen der

Gruppierung und andererseits auf Entwicklungen in ihrem Umfeld stützen, wie auf

„Entwicklungen im Heimatstaat ethnisch definierter Gruppen“ oder „andere strategische

Zielsetzungen seitens der Führung dieser Gruppierungen“.120

Kann die Gruppierung der Aufgabe der „erweiterten Gefahrenerforschung“ zugeordnet

werden, ist für diese sicherheitsbehördliche Aufgabe die Genehmigung des

Rechtsschutzbeauftragten einzuholen (§ 91c Abs. 3 SPG). Die Sicherheitsbehörden sind

allerdings nicht befugt, von Diensteanbietern die Herausgabe von Daten zu verlangen. Denn

die besondere Ermittlungsbefugnis in § 53 Abs. 3a Z. 2 und 3 SPG ist auf die dort genannten

Eingriffstatbestände beschränkt.

- Konnten die Polizei bzw. andere befugte Dienste in dieser Situation gegenüber diesen

Personen verdeckt: Lauschen, Beobachtung, Beobachtung unter Einsatz von technischen

Mitteln führen?

a) Die Gruppe als „kriminelle Verbindung“

Ist die Gruppe als „kriminelle Verbindung“ i.S. des SPG einzuordnen, gilt Folgendes:

Die Sicherheitsbehörden dürfen die betroffenen Personen observieren, wenn die

Abwehr der kriminellen Verbindung ansonsten gefährdet oder erheblich erschwert wäre; § 54

Abs. 2 SPG. Die Observation umfasst auch das verdeckte Lauschen und Beobachten. Wäre

die Observation sonst aussichtslos oder erheblich erschwert, darf sie durch Peilsender

unterstützt werden; § 54 Abs. 2a SPG.

Wäre die Abwehr der kriminellen Verbindung ansonsten gefährdet oder erheblich

erschwert, darf gegen die kriminelle Verbindung verdeckt ermittelt werden; § 54 Abs. 3 SPG.

Äußerungen sowie Verhaltensweisen, die öffentlich oder im Wahrnehmungsbereich

eines Ermittlers erfolgen, dürfen verdeckt mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten

festgehalten werden, wenn sonst die Abwehr der kriminellen Verbindung gefährdet oder

erheblich erschwert wäre und die Begehung einer Vorsatztat, die mit mehr als einjähriger

Freiheitsstrafe bedroht ist, zu erwarten ist; § 54 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3, Abs. 4a SPG. Es dürfen

dann also Agenten mit Mikrophonen und Kameras eingeschleust werden.

b) Die Gruppe als bloße Gefahrenquelle („erweiterte Gefahrenerforschung“)

Falls – wie oben beschrieben – die Voraussetzungen der „erweiterten

Gefahrenerforschung“ erfüllt sind, dürfen die Sicherheitsbehörden mit Genehmigung des

118

Der Verweis auf weltanschaulich oder religiös motivierte Gewalt hat in § 21 Abs. 3 Z. 2 SPG keine

normative Bedeutung. Die Ermächtigung erstreckt sich daher auch auf bloßes Rowdytum; Wimmer, in:

Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 37. 119

Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 33. 120

EBRV 81 BlgNR 21. GP., S. 6.

Page 23: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

23

Rechtsschutzbeauftragten folgende der in der Fragestellung genannten verdeckten

Maßnahmen vornehmen:

Die Sicherheitsbehörden dürfen die betroffenen Personen observieren – also auch

belauschen und verdeckt beobachten –, wenn die „erweiterte Gefahrenerforschung“ durch

Einsatz anderer Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre; § 54 Abs. 2 SPG. Wäre die

Observation sonst aussichtslos oder erheblich erschwert, darf sie durch Peilsender unterstützt

werden; § 54 Abs. 2a SPG.

Wäre die „erweiterte Gefahrenerforschung“ durch andere Ermittlungsmaßnahmen

aussichtslos, darf verdeckt ermittelt werden; § 54 Abs. 3 SPG.

Äußerungen sowie Verhaltensweisen, die öffentlich oder im Wahrnehmungsbereich

eines Ermittlers erfolgen, dürfen verdeckt mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten

festgehalten werden, falls der Einsatz anderer Ermittlungsmethoden aussichtslos wäre; § 54

Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 SPG.

- Werden die erlangten Aufzeichnungen in Strafverfahren gegen X, Y, Z und gegen den

Sohn von X 1) als Beweise, 2) lediglich als Quelle von Informationen über Beweise und

Richtung der Ermittlertätigkeit, 3) gar nicht verwertet werden? Begründen Sie, bitte, Ihre

Antwort.

Da es um die Ermittlung personenbezogener Daten geht, ist das DSG anzuwenden (§ 74

Abs. 1 StPO). Die Aufzeichnungen sind in einem Strafverfahren nur dann verwertbar, wenn

die Ermittlung rechtmäßig war. Andernfalls besteht ein Löschungsanspruch nach § 63 Abs. 1

SPG, § 27 DSG und damit ein Beweisverwertungsverbot (näher oben ).

Die dabei erlangten Informationen dürfen jedoch zum Anlass für weitere Ermittlungen

genommen werden. Eine Fernwirkung von Beweisverboten („fruits of the poisonous tree“-

Doktrin) wird überwiegend abgelehnt.121

Ob und unter welchen Voraussetzungen Zufallsfunde der Sicherheitsbehörden verwertbar

sind (Verkehrsunfall des Z, Tätigkeit des X als Drogendealer), ist nicht geklärt. In der StPO

ist für prozessuale Ermittlungen als Mindesterfordernis der Verwertung von Zufallsfunden

vorgesehen, dass die Ermittlungsmaßnahme zum Nachweis der betreffenden Straftat hätte

angeordnet werden können (siehe § 140 Abs. 1, § 123 Abs. 7 StPO).122

Dieser Grundsatz

erscheint auf außerprozessuale verdeckte Ermittlungen übertragbar. Da die Aufklärung des

Verkehrsunfalls nur nach den Regelungen der StPO zulässig wäre, dürfen die Informationen

nicht in einem Strafverfahren gegen den Z verwertet werden. Anderes gilt für die

Zufallsfunde zum Nachteil des Sohns von X. Zum Zeitpunkt der verdeckten Maßnahmen

dauerte seine Tätigkeit als Drogendealer an, sodass es sich dabei um einen gefährlichen

Angriff i.S. von § 16 Abs. 2 Z. 4, Abs. 3 SPG handelte. Dieser würde die verdeckten

Maßnahmen erlauben. Eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Beweise an die

Strafverfolgungsbehörden bietet § 56 Abs. 1 Z. 2 SPG. Diese Bestimmung erlaubt zugleich

einen Wechsel des Zwecks der Datenverwendung vom präventiven zum repressiv-

121

Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 88; Schmoller, Unverwertbares Beweismaterial im Strafprozess, Schriftenreihe

des BMJ 45, 206 ff. A.A. R. Seiler, JBl 1974, 130 f.; Murschetz, Verwertungsverbote, StPdG, . 122

Anzumerken ist, dass der VfGH vor kurzem die Bestimmung des § 140 Abs. 3 StPO, die es zuließ, nach

der StPO rechtmäßig erlangte Beweise in anderen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren zu

verwerten, als einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz aufgehoben hat;

VfGH 1.10.2013, G 2/2013.

Page 24: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

24

polizeilichen Bereich.123

Da diese Verwendung nicht mit den Zwecken, für die die Daten

ermittelt wurden, unvereinbar ist (§ 6 Abs. 1 Z. 2 DSG), erscheint eine Verwertung der

Zufallsfunde zulässig.

- Ist es vom Standpunkt der Grundsätze für die Verwertung von Aufzeichnungen

von Belang, ob es Ton- oder Bildaufzeichnungen sind?

Nein, das spielt keine Rolle.

Teil II. Privat erhobene Beweismittel

1. Ist in Ihrem Land Privatermittlung zulässig? (Wenn ja, nach welchen

Grundsätzen; liegen einschlägige Rechtsregelungen vor?)

Die StPO enthält keine Regelungen über private Ermittlungen. Im Zuge der Reform des

strafprozessualen Vorverfahrens war ursprünglich geplant, ein Ermittlungsrecht des

Verteidigers ausdrücklich zu normieren.124

Dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt. Auch

ohne ausdrückliche Einräumung eines Ermittlungsrechts gelten eigene Ermittlungen des

Verteidigers im Rahmen der Gesetze als zulässig.125

Ein Recht des Verteidigers auf eigene

Ermittlungen wird aus dem Recht auf Verteidigung nach Art. 6 Abs. 2 lit. b und c EMRK

abgeleitet. Da die EMRK in Österreich Verfassungsrang besitzt, handelt es sich um ein

verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht.126

Die Grenzen für eigene Ermittlungen des

Verteidigers ergeben sich aus den allgemeinen Strafvorschriften (z.B. §§ 105, 288, 289, 299

StGB). Darüber hinaus hat der Anwalt im Umgang mit Personen, die als Zeugen in Betracht

kommen, jeglichen Anschein einer Beeinflussung zu unterlassen (§ 8 der Richtlinien der

Berufsausübung).127

Darüber hinaus wird diskutiert, ob der Verteidiger zu eigenen Ermittlungen sogar

verpflichtet sein kann. Der Diskussionsentwurf 1998 weist darauf hin, dass eine sachgerechte

Ausübung des Beweisantragsrechts den Verteidiger zu eigenen Ermittlungen verpflichten

könne.128

Eine Pflicht zu eigenen Ermittlungen wird teils auch aus der Pflicht des

Rechtsanwalts zur gewissenhaften Vertretung der Rechte seiner Partei (§ 9 Abs. 1

Rechtsanwaltsordnung) abgeleitet.129

Die Ermittlungen können insbesondere in Form des

123

Das Weiterverwenden der Daten umfasst gem. § 4 Z. 8 i.V.m. Z. 12 DSG auch die Datenverwendung für

ein anderes Aufgabengebiet des Auftraggebers. Vgl. Ebert, Landesbericht Österreich, in: Gropp (Hrsg.),

Besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (1993), 629 f. 124

§ B 12 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des strafprozessualen

Vorverfahrens, JMZ 578.017/2-II.3/1998. 125

Arbeitsgruppe Strafrecht und Arbeitskreise Berufsrecht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages,

AnwBl 2007, 183 ff., 185; Bockemühl, JSt 2010, 59, 65; Ruhri, in: Soyer (Hrsg.), Strafverteidigung –

Konflikte und Lösungen (2004), S. 50 f. 126

Z.B. Ruhri, S. 51; Soyer, Die (ordentliche) Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 77 ff. 127

Zu den Schwierigkeiten, dieses Verbot mit Befragungen des Zeugen durch den Anwalt zu vereinbaren,

Ruhri, in: Soyer (Hrsg.), Strafverteidigung – Konflikte und Lösungen (2004), S. 54. 128

S. B 24; in diese Richtung auch Ruhri, S. 51. 129

Bockemühl, JSt 2010, 59, 64; tendenziell auch Ruhri, S. 51; eine Ermittlungspflicht ablehnend dagegen

Arbeitsgruppe Strafrecht und Arbeitskreise Berufsrecht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages,

AnwBl 2007, 183 ff., 185.

Page 25: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

25

Einholens von Auskünften, Befragung von Zeugen, Besichtigung des Tatorts und

Beauftragung eines privaten Sachverständigen erfolgen.130

Aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Verteidigung nach Art. 6 Abs. 3

lit. c EMRK ergibt sich auch die Zulässigkeit eigener Ermittlungen des Beschuldigten.

Ermittlungen anderer Privater sind insbesondere im Rahmen von Compliance

anerkannt.131

2. Ist in Ihrem Land die Verwertung von privat beschafften Beweismitteln im

Strafverfahren zulässig? (Wenn ja, nach welchen Grundsätzen; liegen einschlägige

Rechtsregelungen vor?)

Zur Verwertbarkeit von privat beschafften Beweismitteln im Strafverfahren gibt es keine

Regelungen.

Der OGH betont, dass die Beweisverwertungsverbote, die für die Ergebnisse einer

optischen und akustischen Überwachung nach der StPO vorgesehen sind, auf eine von einem

Privaten vorgenommene Überwachung nicht anwendbar sind. Zur Frage der Verwertbarkeit

einer Aufzeichnung aus einer Videoüberwachung, die Betreiber eines Asylheimes aus

Sicherheitsgründen vorgenommen hatten, führt der Gerichtshof aus, dass das in der StPO

festgelegte Verwertungsverbot (nunmehr: § 140 StPO) sich nur auf eine strafprozessuale

optische und akustische Überwachung (nunmehr: § 136 StPO) beziehe. Ein

Verwertungsverbot der gegenständlichen Videoaufzeichnung lasse sich daraus nicht ableiten.

Zwar gebe es neben ausdrücklich geregelten auch nicht ausdrückliche

Beweisverwertungsverbote. Diese könnten sich insbesondere aus Verfahrensgrundsätzen oder

den Grundrechten ergeben. Ob ein nicht ausdrückliches Beweisverwertungsverbot eingreift,

lässt der OGH jedoch offen, da ein solches vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht

worden war.132

Im Schrifttum wird teils davon ausgegangen, dass Beweismittel, die in gesetzwidriger

Weise von Privaten erlangt wurden, grundsätzlich verwertbar seien, weil die Vorschriften der

StPO über die Beweiserhebung für Private keine Geltung hätten.133

Reindl-Krauskopf erwägt

dagegen, den Begriff „Ergebnis“ in § 140 StPO weiter als die Rspr. auszulegen und das

Beweisverwertungsverbot auf die Ergebnisse einer privaten Überwachung zu erstrecken

(näher unten 3.g). Nach Schmoller hängt die Verwertbarkeit von der datenschutzrechtlichen

Zulässigkeit der Erhebung und Verwendung des Beweismittels ab. Soweit die Daten zu

löschen sind, sei eine Verwertung nicht zulässig.134

3. Welche von den unten aufgezählten Materialien dürfen in Ihrem Land als

Beweismittel im Strafverfahren verwertet werden, und welche nicht. Begründen Sie

bitte Ihre Antwort.

a) auf Privatantrag erstellte Sachverständigengutachten,

130

Arbeitsgruppe Strafrecht und Arbeitskreise Berufsrecht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages,

AnwBl 2007, 183 ff., 185. 131

Dazu z.B. Wess, AnwBl 2013, 223 ff.; Zerbes, Zugriff auf Beweise zwischen Effizienz und Rechtsschutz,

in: (Hrsg.), Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht und Organverantwortlichkeit 2012, S. 105 (112 ff.). 132

OGH EvBl 2007/121. 133

Seiler, Strafprozessrecht, 12. Aufl., Rn. 333. 134

Schmoller, FS Machacek/Matscher (2008), S. 1068; im Anschluss daran auch Stolzlechner/Horvath, SIAK-

Journal 2010, 18 ff.

Page 26: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

26

Ein privater Sachverständiger gilt nicht als Sachverständiger i.S. der StPO. Dies wird

damit begründet, dass die Unparteilichkeit eines privaten Gutachters nicht gewährleistet

sei.135

Die StPO räumt dem Beschuldigten lediglich das Recht ein, zur Befragung des gerichtlich

bestellten Sachverständigen einen privaten Sachverständigen heranzuziehen (§ 249 Abs. 3

StPO). Der private Sachverständige darf den Verteidiger bei der Fragestellung unterstützen.136

Ein eigenes Fragerecht kommt ihm jedoch nicht zu.137

Zwar würde § 252 Abs. 2 StPO die Möglichkeit bieten, das im Privatauftrag erstellte

Gutachten durch Verlesung als „Schriftstück anderer Art“ gem. § 252 Abs. 2 StPO in die

Hauptverhandlung einzuführen. Wird das Privatgutachten solcherart zum Gegenstand des

Beweisverfahrens, hat sich das Gericht damit auseinanderzusetzen.138

Jedoch ist das Gericht

nach Ansicht von Rspr. und h.L. nicht verpflichtet, ein Privatgutachten zum Akt zu nehmen

und nach § 252 StPO verlesen zu lassen.139

In einigen Entscheidungen wird eine Verlesung

nach § 252 StPO sogar als unzulässig angesehen.140

Eine ausnahmsweise Pflicht, ein

Privatgutachten gem. § 252 Abs. 2 StPO zu den Akten zu nehmen, wird von der Rspr. nur in

dem Sonderfall angenommen, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger den Befund

nicht mehr mit vergleichbarer Qualität erheben könnte.141

Die Rspr. lehnt es auch ab, den privaten Gutachter als Zeugen zu vernehmen. Zeuge sei

gemäß § 154 Abs. 1 StPO nur, wer über wahrgenommene Tatsachen im Verfahren aussagen

kann, nicht hingegen wer Schlussfolgerungen oder Wertungen präsentiere.142

So bleibt dem Beschuldigten nur die Möglichkeit, sich in einem Antrag auf Hinzuziehung

eines weiteren gerichtlich bestellten Sachverständigen auf das Privatgutachten zu beziehen. Er

kann mit Hilfe des privaten Gutachtens Mängel des Gutachtens des gerichtlich bestellten

Sachverständigen aufzeigen und auf diese Weise erreichen, dass sich das Gericht mit dem

Befund des privaten Sachverständigen auseinanderzusetzen hat.143

In jüngster Zeit wurde Kritik an dieser für den Beschuldigten nachteiligen Rechtslage laut.

Die Kritik entzündet sich daran, dass seit der 2008 in Kraft getretenen Reform des

Ermittlungsverfahrens amtliche Sachverständige im Ermittlungsverfahren von der

135

Seiler, Strafprozessrecht, 12. Aufl., Rn. 428. 136

Wie der OGH klargestellt hat, ist dem Beschuldigten dieses Konfrontationsrecht auch dann zu gewähren,

wenn er bereits die Gelegenheit hatte, Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu stellen, und

erst im Anschluss eine private Expertise eingeholt hat; OGH JBl 2009, 801 mit zustimmender Anm.

Hinterhofer. 137

Kritisch Bruckmüller/Schumann, juridikum 2008, 72, 75; Eder-Rieder/Mitterauer, JSt 2008, 11, 14; Ratz,

ÖJZ 2010/47, 388 verweist darauf, dass das Strafgericht trotz des Fehlens eines Fragerechts dem

Privatsachverständigen gestatten kann, direkt Fragen an den Amtssachverständigen zu stellen. Eine solche

Erlaubnis könne indes ohne das Erfordernis einer Begründung wieder entzogen werden. 138

OGH 11 Os 86/91. 139

OGH 13 Os 131/12g; 13 Os 135/03; 12 Os 61/03; 13 Os 110/02; Hinterhofer, WK-StPO, § 123 Rz. 26;

Seiler, Strafprozessrecht, 12. Aufl., Rn. 428; für eine Pflicht zur Verlesung dagegen Eder-

Rieder/Mitterauer, JSt 2008, 11, 13 unter Verweis auf das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 3

lit. d EMRK. 140

OGH 13 Os 131/12g; 13 Os 151/08t; 13 Os 141/11a, 160/11w; Kirchbacher, WK-StPO, § 252 Rz. 40. 141

OGH 13 Os 135/03; Hinterhofer, WK-StPO, § 125 Rz. 26. 142

OGH 13 Os 131/12g. 143

Bertel/Venier, Strafprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 440.

Page 27: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

27

Staatsanwaltschaft (§ 126 Abs. 3 StPO) und nicht mehr, wie zuvor, von einem unabhängigen

Richter (dem durch die Reform abgeschafften Untersuchungsrichter) bestellt werden. Der von

der Staatsanwaltschaft bestellte Sachverständige kann anschließend auch im Auftrag des

Gerichts tätig werden. § 126 Abs. 4 StPO stellt klar, dass die vorherige Tätigkeit im

Ermittlungsverfahren keine Befangenheit des Sachverständigen begründet. Diese Rechtslage

wird als mit dem Recht auf ein faires Strafverfahren unvereinbar angesehen.144

Während der

OGH eine Gesetzesänderung dahin gehend angeregt hat, dass der Sachverständige schon im

Ermittlungsverfahren vom Gericht zu bestellen ist, wird von Strafverteidigern eine gesetzliche

Anerkennung von Privatgutachtern gefordert.145

b) durch Privatpersonen erstellte Notizen über den Hergang eines Gesprächs bzw.

Geschehens,

Schriftliche Aufzeichnungen einer Person über ein Gespräch oder den Ablauf eines

Geschehens gelten als indirektes Beweismittel. Aufgrund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ist

die betreffende Person in der Hauptverhandlung als Zeuge zu vernehmen. Das Original-

Beweismittel darf nicht durch ein indirektes Beweismittel ersetzt werden (§ 13 Abs. 3 StPO).

Es ist indes zulässig, zusätzlich zum originalen Beweismittel ein indirektes Beweismittel

heranzuziehen. Daher dürfen zusätzlich zur Zeugenaussage die Notizen der Person als

Beweismittel aufgenommen werden. Dies hat im Wege einer Verlesung der Aufzeichnungen

gem. § 252 Abs. 2 StPO zu erfolgen.146

Falls es aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, die Person als Zeuge zu vernehmen –

etwa weil sie in der Zwischenzeit verstorben ist –, darf auf das mittelbare Beweismittel,

vorliegend die schriftlichen Aufzeichnungen der Person, auch ohne das originale

Beweismittel (ihre Vernehmung als Zeuge) zurückgegriffen werden.147

Ist die Zeugenvernehmung aus rechtlichen Gründen nicht möglich, ist aus Gründen der

Fairness des Verfahrens ein Rückgriff auf ein mittelbares Beweismittel nur dann zulässig,

wenn es zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte kommt.148

Macht

ein Zeuge von einem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, darf eine frühere Zeugenaussage

nur dann als Beweismittel herangezogen werden, wenn diese im Rahmen einer gerichtlichen

Vernehmung im Beisein der Parteien erfolgte, sodass das Fragerecht der Verteidigung

gewährleistet war (§ 252 Abs. 1 Z. 2a StPO). Es wäre in diesem Fall unzulässig, schriftliche

Aufzeichnungen des Zeugen als Beweismittel aufzunehmen. Anderes gilt nur dann, wenn

Ankläger und Angeklagter mit der Verlesung einverstanden sind (§ 252 Abs. 1 Z. 4 StPO).149

c) Aufzeichnung des Zeugenberichts über den Hergang eines bestimmten

Geschehens mit dessen Zustimmung,

Es wird davon ausgegangen, dass mit der Formulierung „Aufzeichnung des

Zeugenberichts“ eine Tonaufnahme oder eine Videoaufzeichnung mit Tonspur gemeint ist.

144

Birklbauer, JSt 2013, 167; Todor-Kostic, Sachverständigenbeweis und Sachverständigenauswahl, AnwBl

2011, 132 (134); a.A. Riffl, RZ 2013, 232. 145

Ruhri, Der Standard 2013/40/08. 146

Kirchbacher, WK-StPO, § 252 Rn. 124. 147

Schmoller, WK-StPO, § 13 Rn. 11 ff. 148

Schmoller, WK-StPO, § 13 Rn. 14. 149

Näher Schmoller, WK-StPO, § 13 Rn. 16 f.

Page 28: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

28

Tonaufnahmen sowie Videoaufzeichnungen beinhalten vom DSG geschützte

personenbezogene Daten (§ 4 Z. 1 DSG).150

Da jedoch der Zeuge der Einführung der

Aufzeichnung in das Strafverfahren zugestimmt hat, berührt ihre Verwertung nicht das

Datenschutzrecht (vgl. § 1 Abs. 2 DSG).

Die Heranziehung als Beweismittel ist damit unter denselben Voraussetzungen wie zu

Frage b) dargestellt zulässig:151

Die Aufzeichnung darf eine mögliche Einvernahme des

Zeugen nicht ersetzen. Sie darf nur als ergänzendes Beweismittel verwertet werden, es sei

denn, die Zeugenvernehmung ist aus tatsächlichen Gründen nicht mehr durchführbar. Bei

rechtlicher Unmöglichkeit, den Zeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen, ist die

Verwertung der Aufzeichnung nur dann zulässig, wenn die Fairness des Verfahrens

gewährleistet ist.

d) Aufzeichnung des Zeugenberichts über den Hergang eines bestimmten

Geschehens ohne dessen Zustimmung,

Wie oben (Frage c) wird angenommen, dass sich die Frage auf eine Tonaufnahme oder

eine Videoaufzeichnung mit Tonspur bezieht.

Eine heimliche Tonaufnahme ist nach § 120 Abs. 1 StGB strafbar, es sei denn, die

Äußerung war zur Kenntnis der Person bestimmt, die sie aufgezeichnet hat. Die Wiedergabe

der Tonaufnahme im Strafverfahren kann den Straftatbestand des § 120 Abs. 2 StGB

verwirklichen. Nach dieser Strafvorschrift macht sich strafbar, wer ohne Einverständnis des

Sprechenden die Tonaufnahme einer nichtöffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten,

für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht. Damit kann auch das Abspielen der

Tonaufnahme im Zuge eines Gerichtsverfahrens strafbar sein, soweit nicht ein

Rechtfertigungsgrund eingreift.

Wie weit es ausnahmsweise erlaubt ist, eine Tonaufnahme ohne Einverständnis des

Sprechenden im Strafprozess abzuspielen, ist nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht

darüber, dass die Verwendung der Tonaufnahme durch Notwehr oder Notstand gerechtfertigt

sein kann. So ist anerkannt, dass ein Rechtfertigungsgrund bei einer Verwendung zu

Verteidigungszwecken eingreifen kann.152

Das Interesse, sich von dem strafrechtlichen

Vorwurf zu entlasten, kann das Recht am eigenen Wort wesentlich überwiegen. Das gilt

jedenfalls dann, wenn es um den Vorwurf einer mittelschweren oder schweren Straftat

geht.153

Die Rspr. hat eine Rechtfertigung sogar beim Vorwurf einer leichten Straftat, wie

einer Beleidigung, angenommen.154

Geht es umgekehrt darum, die Tonaufnahme als Beweismittel gegen den Beschuldigten zu

verwenden, kommt eine Rechtfertigung durch Notstand nicht in Betracht, selbst wenn es sich

um eine schwere Straftat handelt. In Österreich gilt das staatliche Strafverfolgungsinteresse

als nicht notstandsfähig. Anders als in Deutschland ist ein Eingreifen von rechtfertigendem

150

Das gilt auch für bloße Tonaufnahmen, da anhand der Stimme der Sprechende ermittelt werden kann; vgl.

zu dieser Einordnung Dohr ua, DSG-Kommentar, § 1 Anm. 2. 151

Für die grundsätzliche Verwertbarkeit einverständlich zustande gekommener Tonaufnahmen auch

Schmoller, JBl 1994, bei Fn. 30, der eine Einschränkung bei intimem Inhalt erwägt. 152

OGH EvBl 2006/78; Thiele, SbgK, § 120 Rn. 77. 153

Schmoller, JBl 1994, 153. 154

OGH EvBl 1992/197; Lewisch/Reindl-Krauskopf, WK-StGB, § 120 Rn. 27, 30; zweifelnd Schmoller, JBl

1994, 153 bei Fn. 41.

Page 29: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

29

Notstand nur zum Schutz von individuellen Rechtsgütern anerkannt.155

Im staatlichen

Interesse darf nur dann in die Rechte Dritter eingegriffen werden, wenn dies gesetzlich

ausdrücklich vorgesehen ist. Die gesetzlichen Grenzen der staatlichen Eingriffsbefugnisse

dürfen nicht unter Berufung auf rechtfertigenden Notstand erweitert werden. Rechtfertigender

Notstand kommt daher nicht in Betracht.156

Soweit die Tonaufnahme verwertbar ist, wird aber das Abspielen der Aufnahme in der

Hauptverhandlung als durch die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit

gerechtfertigt angesehen.157

Folgt man dieser Ansicht, ist für die Frage der Strafbarkeit der

Beweiserhebung (Abspielen der Aufnahme im Strafverfahren) entscheidend, ob ein

Verwertungsverbot besteht.

Nun folgt aus dem Umstand, dass ein Beweismittel rechtswidrig oder gar auf strafbare

Weise erlangt wurde, nicht automatisch ein Beweisverwertungsverbot. Dies gilt insbesondere

dann, wenn eine Privatperson das Beweismittel außerhalb des Verfahrens erlangt hat.158

Vielmehr müssen besondere Gründe hinzutreten, die gegen eine Verwertung sprechen. Ein

Beweisverwertungsverbot ist speziell für den Fall anerkannt, dass ein rechtlicher

Vernichtungsanspruch gegeben ist. Dieses Beweisverwertungsverbot wird damit begründet,

dass es widersprüchlich wäre, dürfte ein Urteil auf die Existenz eines Gegenstandes gestützt

werden, der nach der Rechtsordnung zu vernichten ist, also gar nicht existent sein soll (siehe

bereits oben). Danach besteht im vorliegenden Fall ein Beweisverwertungsverbot, weil der

Sprechende, der der Tonaufzeichnung nicht zugestimmt hat, einen zivilrechtlichen

Vernichtungsanspruch hat.159

e) öffentliche Aufzeichnung, mit der zufällig ein bestimmtes strafrechtlich

relevantes Geschehen registriert wurde (z.B. Aufzeichnung eines Familien- bzw.

Freundestreffens),

aa) Verwertung der Bildaufzeichnung

Eine Filmaufzeichnung enthält das Bild von identifizierbaren Personen. Es handelt sich

um personenbezogene Daten, nämlich um Angaben über eine Person, deren Identität

zumindest bestimmbar ist (§ 4 Z. 1 DSG).160

§§ 74 f. StPO regeln die Zulässigkeit der Verwendung von Daten im Strafverfahren.

Gemäß § 74 StPO sind die Bestimmungen des DSG anzuwenden, soweit im Einzelnen nichts

155

Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., Z 12 Rn. 5 ff. 156

Schmoller, JBl 1994, 153 bei Fn. 34; Fuchs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl., Kap. 17 Rn. 70 ff. Die

Rspr. hat in älteren Entscheidungen eine Rechtfertigung durch ein überwiegendes Interesse angenommen;

OGH EvBl 1965/414; EvBl 1991/42: die Gefahr, einen Zivilprozess infolge Beweisnotstands zu verlieren,

überwiege das Geheimhaltungsinteresse. Die Annahme eines entsprechenden Rechtfertigungsgrunds

entbehrt jedoch einer gesetzlichen Grundlage und ist heute als überholt anzusehen; vgl. Schmoller, JBl

1994, bei Fn. 32. 157

So Schmoller, JBl 1994, bei Fn. 28. 158

Generalprokuratur, wiedergegeben von OGH EvBl 1992, 197. 159

Schmoller, JBl 1994, 156; ders., FS Kühne (2013) 348 f.; ders., in: Österreichische Juristenkommission

(Hrsg.), Strafprozess- und Strafvollzugsreform nach dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987, 1989, S. 105

(194, 197 ff.); im Anschluss daran auch Bertel/Venier, StPO-Kommentar, § 281 Rn. 7;

Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, H 1, 17 (18); ablehnend Kirchbacher, WK-StPO, § 246 Rz 87;

Kodek, ÖJZ 2001, 337. Zusätzlich folgt ein Beweisverwertungsverbot aus einem datenschutzrechtlichen

Löschungsanspruch; siehe unten. 160

Vgl. Dohr ua, DSG-Kommentar, § 4 Anm. 2.

Page 30: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

30

anderes festgelegt ist. Beschränkungen, die das DSG für die Datenverwendung vorsieht,

gelten somit auch für das Strafverfahren. Ist die Verwendung der Daten nach dem DSG nicht

zulässig, dürfen die Daten im Strafverfahren nicht verwendet werden. Gesetzwidrig ermittelte

Daten sind unverzüglich zu löschen (§ 75 Abs. 1 StPO). Aus der Löschungsverpflichtung

wird auf ein Beweisverwertungsverbot geschlossen.161

Ob die Aufzeichnung verwertet werden darf, hängt demnach davon ab, ob erstens die

private Ermittlung der Daten zulässig war, ob zweitens die Daten anschließend an die

Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden durften und ob drittens das Aufbewahren und

Abspielen der Aufzeichnung in der Hauptverhandlung vom DSG gedeckt war. Bei

Rechtswidrigkeit einer der Vorgänge sind die Daten zu löschen und es greift ein

Beweisverwertungsverbot ein.

Die Zulässigkeit der konkreten Datenverwendung setzt nach § 7 Abs. 1 DSG voraus, dass

diese einem festgelegten Zweck dient (§ 7 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Z. 2 DSG), Zweck und

Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen

Befugnissen des Auftraggebers gedeckt sind und schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen

des Betroffenen nicht verletzt werden. Zudem muss die Datenverwendung verhältnismäßig

sein (§ 7 Abs. 3 DSG).

Nicht geklärt ist, ob eine Filmaufzeichnung stets besonders schutzwürdige „sensible

Daten“ i.S. von § 4 Z. 2 DSG enthält. Für diese Einordnung wird angeführt, dass bei

Bildaufnahmen regelmäßig die Hautfarbe der Person erkennbar ist. Es handle sich daher um

„Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft” und damit um

besonders schutzwürdige sensible Daten. Nach anderer Ansicht stellen strafrechtsbezogene

Daten aufgrund der Sonderregelung in § 8 Abs. 4 DSG nicht-sensible Daten dar, deren

Verwendung geringeren Beschränkungen unterliegt als die Verwendung sensibler Daten.162

Für die zuletzt genannte Ansicht lässt sich das Gebot richtlinienkonformer Auslegung

anführen. Der österreichische Gesetzgeber wollte mit § 8 Abs. 4 DSG die Regelung des Art. 8

Abs. 5 der Datenschutz-Richtlinie163

umsetzen, die strafrechtsbezogene Daten nicht als

„sensible“ Daten behandelt, sondern sie nur in deren Nähe rückt.164

Im Folgenden wird daher

davon ausgegangen, dass es sich um „nicht-sensible“, strafrechtsbezogene Daten i.S. von § 8

Abs. 4 DSG handelt.165

Die Sonderregelungen der §§ 50a ff. DSG über die Videoüberwachung finden keine

Anwendung. Filmaufzeichnungen für ausschließlich familiäre oder persönliche Zwecke, wie

das Festhalten eines Treffens im Familien- oder Freundeskreis, stellen keine

Videoüberwachung i.S. dar, weil es dabei nicht um die systematische Kontrolle eines

bestimmten Objekts oder einer bestimmten Person geht.166

161

Schmoller, FS Machacek/Matscher (2008), S. 1067 f. 162

Nachweise zum Meinungsstand bei Schmoller, FS Machacek/Matscher (2008), S. 1069 f.; siehe auch

Souhrada-Kirchmayer, Jahrbuch Datenschutzrecht 2010, 17 (19). 163

Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung

personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. 164

EB RV 1613 BlgNR 20. GP., S. 41. 165

So auch die Einordnung durch die Datenschutzkommission; Nw. bei Kotschy, in: FS Machacek/Matscher

(2008), S. 262 ff. 166

Vgl. § 50a Abs. 1 DSG; EBRV 472 Blg NR 24. GP., S. 17; Dohr ua, DSG-Kommentar, § 50a Anm. 1;

Ennöckl, ÖJZ 2010, 297; Souhrada-Kirchmayer, Jahrbuch Datenschutzrecht 2010, 17 (20).

Page 31: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

31

Des Weiteren ist danach zu differenzieren, ob es sich um Straftaten des Familien- und

Freundeskreises oder um zufällig aufgezeichnete Straftaten Dritter handelt:

In der erstgenannten Konstellation erfolgte die Ermittlung der Daten mit (zumindest

stillschweigender)167

Zustimmung der gefilmten Personen, sodass die Aufzeichnung

datenschutzrechtlich zulässig war (vgl. § 1 Abs. 2 DSG). Die Übermittlung von

strafrechtsbezogenen Daten an die Strafverfolgungsbehörden ist gem. § 8 Abs. 4 Z. 4 DSG

zum Zweck der Erstattung einer Strafanzeige an die zuständige Behörde (auch ohne

Zustimmung der Betroffenen) zulässig. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen die Daten dann

auch aufbewahren und im Strafverfahren verwenden. Die von § 1 Abs. 2 DSG geforderte

gesetzliche Grundlage stellt § 74 Abs. 2 StPO dar. Die Strafverfolgung gilt als wichtiges

öffentliches Interesse i.S. von § 1 Abs. 2 DSG. Aus § 8 Abs. 4 Z. 4 DSG ist abzuleiten, dass

schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen nicht entgegenstehen. Die nach dieser Regelung

zulässige Verwendung der Daten, die zum Zweck der Anzeigeerstattung an die zuständige

Behörde weitergegeben wurden, erstreckt sich nach § 4 Z. 8 i.V.m. Z. 9 DSG auch auf das

Aufbewahren und Benützen der Daten. Da in dieser Konstellation das Ermitteln der Daten,

ihre Übermittlung und Benützung im Strafverfahren datenschutzrechtlich zulässig waren, darf

die Bildaufzeichnung verwertet werden.

In der zweitgenannten Konstellation ergibt sich die Zulässigkeit der Verwertung über den

unten zu Frage f) dargestellten Begründungsweg.

bb) Verwertung der Tonaufnahme

Soweit die Filmaufzeichnung mit Ton erfolgte, ist die Herstellung einer Tonaufnahme

jener Personen, die an dem Treffen teilnahmen, nicht strafbar, da die Tonaufnahme bei

gewöhnlichem Filmen offen erfolgt und daher von einer zumindest stillschweigenden

Zustimmung der Sprechenden in die Aufnahme auszugehen ist.

Problematisch ist allerdings das Abspielen der Tonaufnahme im Strafverfahren.

Entsprechend den Ausführungen oben zu Frage d) ist das Zugänglichmachen der

Tonaufnahme an einen Dritten grundsätzlich strafbar, sofern die Sprechenden nicht

einverstanden sind. Allerdings kann in den Vorschriften über die Beweisaufnahme ein

Rechtfertigungsgrund gesehen werden. Dieser greift ein, wenn kein Beweisverwertungsverbot

besteht.168

Ein Beweisverwertungsverbot ist nur dann gegeben, wenn der Sprechende einen

zivilrechtlichen Vernichtungsanspruch hat.

f) öffentliche Aufzeichnung zwecks gezielter Registrierung eines bestimmten

strafrelevanten Geschehens ( z.B. X als Zeuge einer Straßenschlägerei zeichnet sie mit

seinem Handy auf),

Bei der Aufzeichnung handelt es sich um strafrechtsbezogene Daten gem. § 8 Abs. 4 DSG

(näher oben zu Frage e). Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Aufzeichnung setzt nach

§ 7 Abs. 1 DSG voraus, dass Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen

Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind, die

schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzt werden und die

Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

167

Soweit es sich nicht um sensible Daten handelt (vgl. § 9 DSG), kann die Zustimmung auch konkludent

erfolgen; Dohr ua, DSG-Kommentar, § 1 Anm. 12. 168

Schmoller, JBl 1994, bei Fn. 28.

Page 32: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

32

Eine rechtliche Befugnis könnte sich aus dem Anzeigerecht gem. § 80 Abs. 1 StPO

ergeben. Danach darf jeder, der von der Begehung einer Straftat erfährt, Anzeige an die

Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft erstatten. Das Anzeigerecht deckt wohl auch die

Dokumentation der Straftat ab. Für diese weite Auslegung der Befugnis lässt sich anführen,

dass man durch eine Strafanzeige ein Risiko der eigenen Strafbarkeit eingeht (§ 297 StGB).169

Im Hinblick auf das staatliche Interesse daran, dass Anzeigen erstattet werden, ist die

Beweissicherung einer wahrgenommenen Straftat als datenschutzrechtlich zulässig

einzustufen. Zu beachten ist, dass das Anzeigerecht erst durch die Kenntniserlangung von der

Straftat begründet wird. Eine private Überwachung „auf Verdacht“ ist auf dieser Grundlage

nicht zulässig.

Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen stehen nicht entgegen, wenn

die Weitergabe der Daten zur Erstattung einer Strafanzeige an die zuständige Behörde erfolgt

(§ 8 Abs. 4 Z. 4 DSG). Unter dieser Voraussetzung ist die Aufzeichnung nach dem DSG

zulässig. Die Aufzeichnung darf dann auch an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt und

von diesen verwendet werden (s. Antwort auf Frage g).

g) Aufzeichnung mit einem heimlich installierten Gerät zwecks Beschaffung von

Informationen, zu deren Zugang der Aufzeichnende nicht berechtigt ist (z.B. der

Ehemann installiert ein Abhörgerät im Handy seiner Frau).

Die heimliche Beschaffung von Informationen mittels technischer Geräte kann strafbar

sein. Wer eine in einem Mobiltelefon installierte Abhörvorrichtung170

benützt, um sich

Kenntnis von einer nicht für ihn bestimmten Nachricht zu verschaffen, macht sich nach § 119

Abs. 1 StGB strafbar. Wird die Nachricht mit einem Tonaufnahmegerät aufgezeichnet, greift

zusätzlich eine Strafbarkeit nach § 120 Abs. 1 StGB ein. Die Einführung der Aufzeichnung

als Beweismittel in den Strafprozess, ist überdies nach § 120 Abs. 2 StGB strafbar.171

Der Betroffene hat einen zivilrechtlichen Anspruch auf Vernichtung der Tonaufnahme,

der aus dem Recht am eigenen Wort folgt. Zugleich besteht ein datenschutzrechtlicher

Löschungsanspruch. Aus diesen rechtlichen Vernichtungsansprüchen ergibt sich ein

Beweisverwertungsverbot.172

Vereinzelt wird im Schrifttum aus § 140 StPO ein Beweisverwertungsverbot für die

Ergebnisse privater Überwachung abgeleitet. Entgegen der Rspr. könnten auch die Ergebnisse

einer privaten Erhebung als „Ergebnisse einer Ermittlung“ i.S. des § 140 StPO angesehen

werden. Für diese Auslegung wird auf die zunehmende Intensität privater Übergriffe und „die

allgemeine Tendenz des Staates, ursprünglich staatliche Aufgaben an Private auszulagern”

verwiesen. Diese Entwicklungen erforderten einen stärkeren Schutz vor der Verwendung von

169

Der Straftatbestand setzt allerdings eine wissentlich falsche Verdächtigung voraus. Üble Nachrede (§ 111

StGB) gilt als gerechtfertigt, sofern dem Anzeiger nicht Wissentlichkeit bezüglich der Unrichtigkeit der

Anzeige zur Last fällt. Näher Schwaighofer, WK-StPO, § 80 Rn. 8 ff. 170

Dazu zählt auch entsprechende Software; Thiele, SbgK, § 119 Rn. 45. 171

Zu den Konkurrenzen Thiele, SbgK, § 119 Rn. 84. 172

Für ein Verwertungsverbot privater Ermittlungsergebnisse aufgrund heimlicher optischer oder akustischer

Überwachung auch Soyer, Verteidigungsrechte im künftigen Vorverfahren, AnwBl 2000, 600. Die im

Schrifttum teils vorzufindende Ansicht, der zufolge von Privaten auf gesetzwidrige Weise erlangte

Beweismittel im Strafverfahren grundsätzlich verwertet werden dürfen – so Seiler, Strafprozessrecht, 12.

Aufl., Rn. 333 –, lässt die Bestimmungen des DSG außer Acht.

Page 33: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

33

Daten, die durch die Ermittlungen Privater erhoben wurden.173

Diese weite Interpretation des

in § 140 StPO normierten Beweisverwertungsverbots hätte zur Folge, dass die Ergebnisse

privater Überwachung stets einem Beweisverwertungsverbot unterliegen würden, da es

jedenfalls an einer gerichtlichen Bewilligung und Anordnung der Staatsanwaltschaft fehlt.174

Die generelle Annahme eines Beweisverwertungsverbots für heimliche Eingriffe in die

Privatsphäre durch private Ermittlungen überzeugt allerdings im Ergebnis nicht, wie die

nachfolgende Konstellation der heimlichen Aufzeichnung des Erpressers durch die erpresste

Person zeigt (unten h). Auch der Wortlaut des Gesetzes spricht gegen die Ableitung eines

Beweisverwertungsverbots. § 140 Abs. 1 StPO bezieht sich nämlich ausdrücklich auf

„Ergebnisse” i.S. von § 134 Z. 5 StPO und damit nur auf Ergebnisse einer staatlichen

Überwachungsmaßnahme.

h) Aufzeichnung mit einer heimlich installierten Apparatur zwecks Registrierung

eines Geschehens, an dem der Aufzeichnende teilnimmt (z.B. die erpresste Person

zeichnet heimlich den Erpresser auf)

aa) Tonaufnahme

Die heimliche Aufzeichnung der Äußerung des Erpressers ist nicht nach § 120 Abs. 1

StGB strafbar, da die Äußerung zur Kenntnisnahme des Aufzeichnenden bestimmt war. Es

erfüllt indes den Tatbestand des § 120 Abs. 2 StGB, die Aufzeichnung ohne Einverständnis

des Sprechenden einem Dritten zugänglich zu machen. Wird die Aufzeichnung der Polizei

zugänglich gemacht, um die Erpressung zu beenden, ist dies durch Notwehr (§ 3 StGB)

gerechtfertigt. Zum Zeitpunkt der Verwendung der Aufzeichnung im Strafprozess ist der

Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut nicht mehr gegenwärtig, sodass eine Rechtfertigung

durch Notwehr nicht länger in Betracht kommt. Eine Rechtfertigung ist indes durch die im

Strafverfahren bestehende Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit möglich, sofern

kein Beweisverwertungsverbot besteht.175

Ein Beweisverwertungsverbot wäre dann gegeben,

wenn der Sprechende einen rechtlichen Vernichtungsanspruch hätte. Ein zivilrechtlicher

Vernichtungsanspruch ist in der vorliegenden Konstellation zu verneinen, da die Aufnahme

zur Beendigung der Erpressung auch zivilrechtlich erlaubt ist. Auch ein

datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch besteht nicht (siehe unten bb). Die Verwertung ist

also zulässig.

bb) Bildaufzeichnung

Das Filmen des Erpressers ist datenschutzrechtlich erlaubt. Entsprechend der

Argumentation zu oben f) folgt die nach § 7 Abs. 1 DSG erforderliche rechtliche Befugnis zur

Datenermittlung aus dem Anzeigerecht nach § 80 Abs. 1 StPO. Schutzwürdige

Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen werden nicht verletzt, da die berechtigten

Interessen des erpressten Auftraggebers überwiegen (§ 8 Abs. 4 Z. 3 DSG) bzw. die Daten zur

Erstattung einer Strafanzeige an die zuständige Behörde weitergegeben werden sollen (§ 8

Abs. 4 Z. 4 DSG). Die Bildaufzeichnung darf auch an die Strafverfolgungsbehörden

übermittelt und von diesen verwendet werden. Sie ist also als Beweismittel verwertbar.

i) Aufzeichnung mit Hilfe von verdeckten Monitoring-Geräten in der Wohnung

(z.B. die Eltern installieren Geräte für verdecktes Monitoring ihres Kindermädchens)

aa) Tonaufnahme

173

Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 140 Rn. 33 ff. 174

Siehe Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 140 Rn. 34. 175

Siehe bereits oben c).

Page 34: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

34

Ist das Monitoring mit einem Abhören der betroffenen Person verbunden, handelt es sich

also um eine Videoaufzeichnung mit Tonspur, ist dieses Vorgehen nach § 120 Abs. 1 StGB

strafbar. Die Aufnahme ist nicht verwertbar, weil die betroffene Person einen rechtlichen

Vernichtungsanspruch hat; siehe oben d).

bb) Bildaufzeichnung

Beschränkt sich das Monitoring auf Bildaufnahmen, existiert dafür kaum ein

strafrechtlicher Schutz.176

In §§ 50a ff. DSG bestehen Sonderregelungen für die Video-Überwachung. Die

Regelungen sollen den Besonderheiten dieses Eingriffs in das Datenschutzrecht Rechnung

tragen. Diese bestehen darin, dass es sich um eine permanente Kontrolle handelt, die eine

besonders hohe Zahl an „Zufalltreffern“ liefern kann und – wie die Überwachung einer U-

Bahn zum Schutz vor Vandalismus – in die Privatsphäre vieler Personen eingreifen kann.177

Video-Überwachung ist die systematische Erfassung von Ereignissen, die ein bestimmtes zu

überwachendes Objekt oder eine bestimmte zu überwachende Person betreffen, durch

technische Bildaufnahme- oder Bildübertragungsgeräte (§ 50a Abs. 1 DSG). Es werden nicht

nur kontinuierliche Aufzeichnungen, sondern auch Aufzeichnungen, die in bestimmten

Zeitabständen oder aufgrund regelwidriger Vorkommnisse erfolgen, erfasst. Auch gezieltes

Fotografieren sowie die Echtzeitüberwachung gelten als Video-Überwachung.178

Tonaufnahmen oder Tonübertragungen sind von der Regelung ausgenommen.179

Es müssen die allgemeinen Voraussetzungen eines Eingriffs in das Grundrecht auf

Datenschutz vorliegen (§ 50a Abs. 2 i.V.m. §§ 6, 7 DSG). Der Auftraggeber muss also zu der

Datenverwendung rechtlich befugt sein, es dürfen keine schutzwürdigen

Geheimhaltungsinteressen verletzt werden und der Eingriff muss verhältnismäßig sein. Die

Verhältnismäßigkeit ist zu verneinen, wenn der Zweck der Videoüberwachung durch

gelindere Mittel, wie eine Alarmanlage oder eine Sicherheitstür, erreicht werden kann.180

Zulässige Zwecke der Videoüberwachung sind gem. § 50a Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Z. 2

DSG der Schutz des zu überwachenden Objekts oder der zu überwachenden Person181

oder

die Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten einschließlich Beweissicherungspflichten

bezüglich des Ereignisses. Jene Fälle, in denen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen

nicht verletzt werden, sind in § 50a Abs. 2, 3, 4 und 6 DSG abschließend aufgezählt. Für den

gegenständlichen Fall möglicherweise relevante Konstellationen sind, dass die Überwachung

im lebenswichtigen Interesse einer Person erfolgt (§ 50a Abs. 3 Z. 1 DSG), die Gefahr

besteht, dass das überwachte Objekt oder die überwachte Person (vorliegend das betreute

176

Näher Seling, Schutz der Privatsphäre durch das Strafrecht (2010), S. 112 ff., der sich mit beachtlichen

Argumenten für die Einführung einer neuen Strafvorschrift ausspricht; a.a.O. S. 115 ff. 177

Hattenberger, in: Jahrbuch Datenschutzrecht 2011, 117 f. 178

Ennöckl, ÖJZ 2010, 297; Hattenberger, in: Jahrbuch Datenschutzrecht 2011, 120; Souhrada-Kirchmayer,

Jahrbuch Datenschutzrecht 2010, 17 (20). 179

EB RV 472 BlgNR 24. GP., S. 16. 180

EBRV 472 BlgNR 24. GP, S. 17. Vgl. Hattenberger, in: Jahrbuch Datenschutzrecht 2011, 130. 181

Nach den Gesetzesmaterialien handelt es sich um „jene Person, Gegenstand oder Ort, auf die sich die

systematische Erfassung von Ereignissen intentional richtet“; EBRV 472 BlgNR 24. GP, S. 17. Siehe

hierzu auch Hattenberger, in: Jahrbuch Datenschutzrecht 2011, 124.

Page 35: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

35

Kind) das Ziel oder der Ort eines gefährlichen Angriffs wird,182

den Auftraggeber spezielle

Sorgfaltspflichten zum Schutz des überwachten Objekts oder der überwachten Person

treffen183

oder dass zum Schutz von Leib, Leben oder Eigentum des Auftraggebers eine

Echtzeitüberwachung ohne Aufzeichnung erfolgt (§ 50a Abs. 4 Z. 1-3 DSG).

§ 50a Abs. 5 DSG bestimmt, dass keine Ereignisse aufgezeichnet werden dürfen, die dem

höchstpersönlichen Lebensbereich des Betroffenen angehören. Zu den „Tabuzonen“, in denen

eine Videoüberwachung nicht erfolgen darf, zählen insbesondere private Wohnungen,

Umkleidekabinen oder Toiletten.184

Darüber hinaus ist die Mitarbeiterkontrolle an

Arbeitsstätten untersagt (§ 50a Abs. 5 DSG). Nach den Gesetzesmaterialien ist dieses Verbot

auf eine Leistungskontrolle der Mitarbeiter beschränkt.185

Eine Videoüberwachung an

Arbeitsstätten zu anderen Zwecken ist demnach zulässig.

Die Videoüberwachung muss gem. § 50c DSG der Datenschutzkommission gemeldet

werden und ist grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung der Kommission zulässig.

Ausgenommen von dem Zustimmungserfordernis sind die Echtzeitüberwachung und eine

Videoüberwachung unter Verschlüsselung der Daten, wenn der Schlüssel bei der

Datenschutzkommission hinterlegt wird.

Schließlich bestimmt § 50d Abs. 1 DSG, dass eine private Video-Überwachung auf eine

Art und Weise zu kennzeichnen ist, dass jeder potentiell Betroffene sich der Überwachung

möglichst entziehen kann. Jedenfalls aufgrund der Kennzeichnungspflicht ist ein verdecktes

Monitoring zur Überwachung eines Kindermädchens nicht zulässig.

4. Welche Bedeutung hat die Tatsache, dass das Beweismittel unter Verletzung der

Vorschriften erlangt wurde?

Die Verletzung der Vorschriften des DSG hat eine Löschungspflicht zur Folge, aus der ein

Beweisverwertungsverbot resultiert.

5. Ist im Lichte der Grundsätze der Verwertbarkeit von Privatbeweisen von Belang,

ob es Tonaufzeichnungen, Bildaufzeichnungen, Urkunden sind?

Im Ergebnis besteht kaum ein Unterschied zwischen Tonaufnahmen und

Bildaufzeichnungen. Ein Beweisverwertungsverbot greift ein, wenn ein rechtlicher

Vernichtungsanspruch besteht. Ein solcher kann sich insbesondere aus dem DSG oder dem

Zivilrecht ergeben. Datenschutzrechtlich sind Tonaufnahmen und Bildaufzeichnungen gleich

zu behandeln, es sei denn, es handelt sich um eine systematische Überwachung mittels Video,

für die Sonderregelungen vorgesehen sind (§§ 50a ff. DSG). In zivilrechtlicher Hinsicht kann

sich ein Vernichtungsanspruch aus dem Recht am eigenen Wort und dem Recht am eigenen

Bild ergeben. Die Unterschiede hinsichtlich des strafrechtlichen Schutzes dieser Objekte

182

Der Begriff ist eigenständig auszulegen; er umfasst nach dem Willen des Gesetzgebers „auch konkrete

Gefährdungen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie allenfalls auch die konkrete Gefahr einer

groben Verwaltungsübertretung“. Die Überwachung könne schon dann zulässig sein, wenn die überwachte

Person einen „überdurchschnittlichen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit“ hat; EB RV 472 BlgNR 24.

GP., S. 18. 183

Die Gesetzesmaterialien nennen als Beispiele: § 1319a ABGB; § 19 Eisenbahngesetz; EB RV 472 BlgNR

24. GP., S. . 184

EB RV 472 BlgNR 24. GP., S. 19; Souhrada-Kirchmayer, Jahrbuch Datenschutzrecht 2010, 17 (22). 185

EB RV 472 BlgNR 24. GP., S. 19.

Page 36: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

36

wirken sich nicht aus, weil aus der Strafvorschrift des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder

Abhörgeräten (§ 120 StGB) kein Beweisverwertungsverbot abgeleitet wird.

Bei Urkunden ist der Unmittelbarkeitsgrundsatz zu beachten. Ein Verstoß gegen den

Grundsatz kann ein Beweisverwertungsverbot begründen.186

Teil III. Grenzüberschreitende Beweiserhebung

1. Ist in Ihrem Land die Verwertung des von Organen fremder Staaten kommenden

Materials als Beweismittel im Strafverfahren zulässig?

Die Verwertung ist grundsätzlich zulässig. Es gibt kein Verbot, Beweismaterial, das von

ausländischen Behörden oder Gerichten aufgenommen wurde, im Rahmen der Urteilsfindung

zu verwerten.

Wenn ja, dann

a) dürfen nur die in einem fremden Staat im Zusammenhang mit dem dort

laufenden Strafverfahren erhobenen Beweise verwertet werden?

Eine solche Beschränkung wird von der Rspr. nicht angenommen. So sah der OGH die

Verwertung von Zufallsfunden ausländischer Abhörmaßnahmen für zulässig an.187

Im Schrifttum wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass die Verwertbarkeit von in

einem anderen Staat erlangten Zufallsfunden davon abhängt, ob die Zufallsfunde nach den

österreichischen Vorschriften verwertbar wären.188

b) dürfen alle Materialien unabhängig von dem Zweck, zu dem sie erhoben wurden,

verwertet werden.

Siehe die Antwort auf Frage a).

2. Welche Bedeutung kommt vom Standpunkt der Verwertbarkeit solcher

Beweismittel im Strafverfahren dem Umstand zu,

a) dass der Beweis sowohl im Lichte des im Beschaffungsland als auch in Ihrem

Land geltenden Rechts rechtswidrig erlangt wurde?

Der OGH betont in ständiger Rechtsprechung, dass sich die StPO nur an österreichische,

nicht auch an ausländische Strafverfolgungsorgane als Normadressaten richte. Auf

Tätigkeiten ausländischer Behörden, die ohne Veranlassung durch ein österreichisches

Gericht erfolgen, seien die österreichischen Verfahrensgesetze nicht anwendbar. Daher

würden die Beweisverwertungsverbote, die für eine Überwachungsmaßnahme

österreichischer Strafverfolgungsorgane gelten, nicht eingreifen. Die Verwertung des im

Ausland erhobenen Beweismittels könne nur wegen Verletzung des Rechts auf ein faires

Verfahren unzulässig sein. Der entsprechende Nichtigkeitsgrund setzt allerdings eine

rechtzeitige Rüge voraus. Der Verteidiger muss sich mit einem Antrag wegen Verletzung des

Rechts auf ein faires Verfahren bereits gegen die Einbeziehung des Beweismittels in das

Strafverfahren aussprechen, sich also aktiv gegen die Einführung des Beweismittels wenden.

186

Dieses ist entweder gem. § 281 Abs. 1 Z. 3 oder Z. 4 StPO geltend zu machen; näher Schmoller, WK-StPO,

§ 3 Rn. 50. 187

JBl 2005, 601. 188

Moringer, in: Soyer/Stuefer (Hrsg.), Effektive Strafverteidigung (2011), S. 179.

Page 37: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

37

Sein Antrag muss überdies in der Hauptverhandlung zu Unrecht abgelehnt worden sein,

wobei die Ablehnung Verfahrensrechte der Verteidigung verletzt haben muss. Nur dann kann

der Fehler im Rechtsmittelverfahren erfolgreich mit Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs. 1 Z.

4 bzw. § 345 Abs. 1 Z. 3 StPO) geltend gemacht werden.189

Der OGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem italienische Polizeibehörden im

Auftrag der Staatsanwaltschaft eine akustische Überwachung der Gespräche, die in einem

Auto geführt wurden, vorgenommen hatten. Die Überwachung erfolgte zum Teil auch auf

österreichischem Staatsgebiet, worüber die österreichischen Sicherheitsbehörden informiert

worden waren. Die Aufzeichnungen der Gespräche ergaben, dass die Betroffenen in

Österreich die Begehung eines Verbrechens verabredet hatten (§ 277 Abs. 1 StGB). Obwohl

die akustische Überwachung nicht durch ein italienisches Gericht genehmigt worden war, sah

der OGH die Aufzeichnungen als im österreichischen Strafverfahren verwertbar an. Die

österreichische StPO sehe keine richterliche Anordnung einer im Ausland erfolgenden

Überwachung vor. Daher sei keine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO gegeben. Da es

die Verteidigung verabsäumt hatte, sich mit einem Antrag gegen die Einführung des

Beweismittels auszusprechen, konnte das Fehlen einer richterlichen Genehmigung im

Rechtsmittelverfahren auch nicht mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO

geltend gemacht werden.190

Wurde dagegen die im Ausland vorgenommene Ermittlungsmaßnahme durch die

österreichischen Strafverfolgungsorgane veranlasst, also im Wege der Rechtshilfe

vorgenommen, sind die österreichischen Verfahrensbestimmungen einzuhalten. Bei

Missachtung eines Richtervorbehalts kommt der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 2

StPO zur Anwendung.191

Im Schrifttum stößt die Rspr. teilweise auf Kritik. Es sei „wertungsmäßig nicht

nachvollziehbar“, warum bei einer Überwachung durch eine ausländische Behörde ein

geringerer Schutz bestehen soll. Jedenfalls soweit ausländische Behörden in Österreich eine

Überwachungsmaßnahme durchführen, müsse für die Ergebnisse einer rechtswidrigen

Maßnahme das Beweisverwertungsverbot des § 140 StPO zur Anwendung kommen. Fehlt die

richterliche Genehmigung, seien die Ergebnisse in einem österreichischen Verfahren nicht

verwertbar.192

Schmoller äußert sich zu der speziellen Konstellation, dass in einem ausländischen

Ermittlungsverfahren eine Aussage unter Bedingungen erlangt wurde, die diese bei einer

Aussage vor einer österreichischen Behörde unverwertbar machen würden. Ein Beispiel ist,

dass ein Zeuge etwa vor seiner Aussage nicht über sein Recht belehrt wurde, die Aussage

wegen der Gefahr, sich selbst oder einen Angehörigen zu belasten, zu verweigern (§ 159 Abs.

3 i.V.m. § 157 Abs. 1 Z. 1 StPO), oder die Aussage durch eine Drohung erlangt wurde (§ 166

Abs. 1 Z. 2 StPO). Im Unterschied zur Rspr. befürwortet Schmoller eine differenzierende

Lösung nach dem Grund des Verwertungsverbots, ohne diese näher zu erläutern.193

b) dass der Beweis im Beschaffungsland rechtmäßig, in Ihrem Land aber

rechtswidrig erlangt wurde?

189

OGH EvBl 2000/65; JBl 2005, 601; EvBl 2011/107; Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 182. 190

OGH JBl 2005, 601. 191

Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 182. 192

Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 140 Rn. 30 ff. 193

Schmoller, WK- StPO, § 3 Rn. 95.

Page 38: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

38

Entsprechend dem oben Ausgeführten geht die Rspr. davon aus, dass die österreichische

StPO nur für Verfahrenshandlungen österreichischer Gerichte und Behörden gilt. Ein

Beweisverwertungsverbot könnte sich nach der Rspr. nur aus einem Verstoß gegen das Recht

auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) ergeben. Der Fehler muss rechtzeitig gerügt werden

(oben a).

c) dass der Beweis im Beschaffungsland rechtswidrig, in Ihrem Land aber

rechtmäßig erlangt wurde?

Der Entscheidung OGH JBl 2005, 601 ist zu entnehmen, dass die Rspr. die Einhaltung des

ausländischen Verfahrensrechts nicht überprüft. Nur eine von der Verteidigung rechtzeitig

geltend gemachte Verletzung des Fairnessgebots könnte ein Beweisverwertungsverbot

begründen.

3. Wenn in Ihrem Land ausländische Beweise zugelassen werden,

a) gilt die Klausel der Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Rechtsordnung Ihres

Landes?

Eine derartige Beschränkung der Zulassung ausländischer Beweise wird, soweit

ersichtlich, nur für den Fall vertreten, dass die Beweisaufnahme aufgrund eines

österreichischen Rechtshilfeersuchens erfolgte. Es müssen dann alle österreichischen

Verfahrensregeln, die bei sonstiger Nichtigkeit zu beachten sind, eingehalten worden sein.194

Für die Leistung von Rechtshilfe für andere Staaten sind entsprechende Vorbehalte

gesetzlich vorgesehen: § 2 ARHG normiert einen „ordre public“-Vorbehalt. Nach § 51 Abs. 1

Z. 2 i.V.m. § 19 Z. 1 und 2 ARHG darf keine Rechtshilfe geleistet werden, wenn zu besorgen

ist, dass das Strafverfahren im ersuchenden Staat gegen die in Art. 3 und Art. 6 EMRK

festgelegten Grundsätze verstößt. Rechtshilfe ist auch dann unzulässig, wenn die in Österreich

vorgesehenen materiellen Voraussetzungen für die Vornahme bestimmter

Ermittlungsmaßnahmen nicht vorliegen oder gegen eine auch gegenüber den Strafgerichten

zu wahrende Geheimhaltungspflicht verstoßen würde (§ 51 Abs. 1 Z. 3 ARHG). Es wäre nur

konsequent, diese Vorbehalte auf ausländische Beweise, die von den ausländischen Behörden

selbständig ermittelt wurden, entsprechend anzuwenden.

b) liegen andere besondere Regelungen hinsichtlich der Zulässigkeit von

ausländischen Beweisen vor?

Nein.

4. In welchem Umfang würde ein im Rahmen operationeller Tätigkeiten erlangter

ausländischer Beweis in Ihrem Land im Lichte

a) der im Land der jeweiligen operationellen Tätigkeit geltenden Rechtsgrundsätze,

b) der in Ihrem Land geltenden Rechtsgrundsätze bewertet.

Siehe die Antworten auf die vorhergehenden Fragen.

5. Welche Völkerrechtsakte zur Regelung von gemeinsamen operationellen

Tätigkeiten gelten in Ihrem Land? Sind sie unmittelbar anwendbar? Welche in diesen

völkerrechtlichen Rechtsakten vorgesehenen Arten operationeller Tätigkeiten sind der

Rechtsordnung Ihres Landes bekannt?

194

Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 182.

Page 39: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

39

In Österreich gelten folgende internationale Rechtsakte, die gemeinsame operationelle

Tätigkeiten vorsehen:

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die

polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens

vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. III Nr. 121/2006: gemeinsame

Zentren und gemeinsame operative Einsätze, Art. 15; kontrollierte Lieferung, Art. 29;

verdeckte Ermittlungen, Art. 30

Übereinkommen vom 18. Dezember 1997 auf Grund von Art. K.3 des Vertrags über

die Europäische Union über die gegenseitige Amtshilfe und Zollzusammenarbeit der

Zollverwaltungen, BGBl. III 2006/100: grenzüberschreitende Observation, Art. 21;

kontrollierte Lieferung, Art. 22; verdeckte Ermittlungen, Art. 23; besondere gemeinsame

Ermittlungsteams, Art. 24

Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen von 2000, BGBl III 2005/65:

gemeinsame Ermittlungsgruppen, Art. 13; Unterstützung bei verdeckten Ermittlungen, Art.

14; kontrollierte Lieferung, Art. 12

Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft

und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der

Sicherheits- und Zollbehörden, BGBl. III Nr. 120/2001: kontrollierte Lieferung, Art. 12;

gemeinsame Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen, grenzüberschreitende

Fahndungsaktionen, Art. 13

Völkerrechtliche Verträge werden vom Bundespräsidenten geschlossen. Wenn sie

gesetzesergänzend oder gesetzesändernd sind, bedürfen sie einer Genehmigung durch den

Nationalrat (Art. 50 B-VG). Unmittelbar anzuwendende Völkerrechtsnormen sind

grundsätzlich unmittelbar anwendbar.195

Nach § 56 Abs. 3 EU-JZG umfasst die Rechtshilfe, die anderen Mitgliedstaaten der EU

geleistet wird, auch die Genehmigung von Tätigkeiten im Rahmen von grenzüberschreitenden

Observationen auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen, von gemeinsamen

Ermittlungsgruppen und von verdeckten Ermittlungen. In §§ 60 ff., § 76 EU-JZG ist die

Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen geregelt. Nach den Regelungen der §§ 71 f. EU-

JZG kann eine sog. „kontrollierte Lieferung“ erfolgen. Diese kann auch durch oder aus

Österreich in einen anderen Mitgliedstaat bewilligt werden (§ 72 Abs. 2 EU-JZG). §§ 73 f.

EU-JZG enthalten Bestimmungen für den Einsatz Verdeckter Ermittler aus anderen

Mitgliedstaaten.

Weitere einschlägige Ermächtigungen enthält das ZollR-DG: kontrollierte Lieferung (§

17a Abs. 2), grenzüberschreitende kontrollierte Lieferung (§ 115 Abs. 1),

grenzüberschreitende Observationen (§ 115 Abs. 3).

Nach § 50 Abs. 3 ARHG umfasst die Rechtshilfe auch die Genehmigung von Tätigkeiten

im Rahmen von grenzüberschreitenden Observationen auf Grund zwischenstaatlicher

Vereinbarungen.

195

Näher Binder, ZaöRV 1975, 282 ff.

Page 40: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

40

SDÜ (-)

PolKG (-)

EU-PolKG (-)

6. Wie ist der Status des in Zusammenarbeit von Ermittlungs-

Untersuchungsgruppen erlangten Materials? Kann es als Beweismittel in Strafsachen in

Ihrem Land verwertet werden?

Nach § 62 Abs. 2 EU-JZG dürfen die im Ausland rechtmäßig erlangten Informationen, die

den österreichischen Justizbehörden nicht anderweitig zugänglich sind, nur für jene Zwecke,

für welche die gemeinsame Ermittlungsgruppe gebildet wurde, und zur Abwehr einer

unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit verwendet werden, es sei

denn, die Rechtsvorschriften des Staates, in dem die gemeinsame Ermittlungsgruppe tätig

geworden ist, bestimmen anderes. Für andere Zwecke und Verfahren dürfen die

Informationen nur mit vorheriger Zustimmung des Mitgliedstaats verwendet werden, in dem

die Informationen erlangt wurden (§ 62 Abs. 3 EU-JZG).

7. Wie ist der Standpunkt Ihres Landes gegenüber dem z.B. im Haager und

Stockholmer Programm vorgesehenen Prinzip des Informationsaustausches?

Österreich befürwortet das Prinzip des Informationsaustausches, wie es im Haager und

Stockholmer Programm vorgesehen ist. Es hat als eines der ersten Länder den Vertrag von

Prüm unterzeichnet. Dabei setzte sich Österreich für ein hohes Datenschutzniveau ein.

Besonders wichtig war der österreichischen Verhandlungsdelegation, dass die Abrufe in den

Datenbanken umfassend zu dokumentieren sind, um erforderlichenfalls die verantwortlichen

Beamten feststellen zu können (Art. 39 Prümer Vertrag). Auch an der Verankerung der

Verpflichtung der Vertragsparteien, gegen Verletzungen des Datenschutzes die Anrufung

eines Gerichts und einer unabhängigen Datenschutzkontrollbehörde zu gewährleisten (Art. 40

Prümer Vertrag), war Österreich maßgeblich beteiligt.196

Hinsichtlich des Haager Programms war es eine Priorität für Österreich, den

Informationsaustausch der Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Terrorismus zu

verbessern und dabei Europol und Eurojust verstärkt einzubeziehen.197

Auch das Stockholmer

Programm wurde befürwortet. Begrüßt wurde insbesondere der Legislativvorschlag für ein

europäisches Strafregisterinformationssystem für verurteilte Drittstaatsangehörige.198

196

So Kunnert, Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government 2012, 193, 202, der nachzeichnet, wie im

Gegensatz hierzu im bilateralen US-österreichischen „Prüm-like-Abkommen” der Datenschutz der Visa-

Freiheit geopfert wurde. 197

Jahresvorausschau des BMI 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der

Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates, III-141 BlgNR 22. GP. 198

Jahresvorschlag des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen

Kommission für 2011 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des spanischen, belgischen und ungarischen

Ratsvorsitzes, S. 16, III-211 Blg. 24. GP.

Page 41: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

41

Erwähnt sei, dass es in Österreich mittlerweile eine Vielzahl von sogenannten

Informationsverbundsystemen, also zentralen Evidenzen, im Bereich der

Sicherheitsverwaltung gibt.199

8. Gelten in Ihrem Land Rechtsakte zur Regelung der internationalen

Telekommunikationsüberwachung? In welcher Weise wird die Zulässigkeit eines

solchen Materials bewertet?

Es gilt das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen von 2000: BGBl

III 2005/65, Art. 17 ff.

Entsprechend dem oben Ausgeführten sind die österreichischen Verfahrensbestimmungen

sinngemäß anzuwenden, wenn die Überwachung aufgrund eines österreichischen

Rechtshilfeersuchens erfolgte. Verstöße gegen die Verfahrensbestimmungen werden diesfalls

den österreichischen Behörden zugerechnet. Ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohte Fehler

können mit Nichtigkeitsbeschwerde gem. § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO geltend gemacht werden.200

9. Welche Instrumente im Bereich der internationalen Beweissicherung

funktionieren in Ihrem Land? Gelten sie auch hinsichtlich des im Rahmen der

operationellen Tätigkeiten der Polizei/anderer ähnlicher Dienste erlangten Materials?

§§ 45 ff. EU-JZG regeln die Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen der

Mitgliedstaaten. Soweit es sich nicht um eine Katalogtat handelt, die im Ausstellungsstaat mit

mindestens dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, setzt die Sicherstellung von Beweismitteln

die beiderseitige Strafbarkeit voraus (§ 45 Abs. 1 und 3 EU-JZG). Die

Sicherstellungsentscheidung muss von einer Justizbehörde ausgestellt worden sein. Wurde

das Beweismittel bereits in einem in Österreich anhängigen Verfahren beschlagnahmt oder

sichergestellt, ist die Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung aufzuschieben (§ 48

Abs. 1 EU-JZG). Material, das im Rahmen außerprozessualer Tätigkeiten der

Sicherheitspolizei erlangt wurde, ist von diesen Regelungen nicht ausgenommen.

Im Verhältnis zu Staaten, die nicht Mitglied der EU sind, richtet sich die Beweissicherung

nach den getroffenen Vereinbarungen über die Rechtshilfe. § 56 Abs. 2 ARHG bestimmt,

dass ein Ersuchen um Anordnung und Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme, die im 1.

bis 8. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO geregelt ist – also auch einer Sicherstellung oder

Beschlagnahme (§§ 110 ff. StPO) – nicht nur von einem Gericht, sondern auch von einer

anderen Behörde gestellt werden kann. In diesem Fall ist aber eine Erklärung der um

Rechthilfe ersuchenden Behörde erforderlich, dass die im ersuchenden Staat geltenden

Voraussetzungen für die Maßnahme erfüllt sind. Die Erklärung hat sich auf die materiellen

und die formellen Voraussetzungen zu beziehen.201

10. Ob und in welchem Grad wird in Ihrem Land die Zulässigkeit operationeller

Handlungen eines anderen Staates auf dem eigenen Territorium akzeptiert,

insbesondere bei Ablehnung des Antrags auf Rechtshilfe?

199

Siehe die Aufzählung bei Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz im

Sicherheitsrecht, in: Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz, Datenschutz,

Informationsschutz (2007), S. 94 f. 200

Vgl. Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 182. 201

EBRV 33 BlgNR 20. GP., S. 7; Martetschläger, WK-ARHG, § 56 Rn. 3.

Page 42: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

42

Ausländische Organe dürfen auf dem Gebiet der Republik Österreich keine selbständigen

Ermittlungen oder Verfahrenshandlungen nach dem ARHG vornehmen (§ 59 Abs. 1 ARHG).

Die Regelung ist „Ausdruck des Souveränitätsgedankens und der Gebietshoheit”.202

Sie steht

allerdings – wie das gesamte ARHG – unter dem Vorbehalt, dass durch zwischenstaatliche

Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist (§ 1 ARHG). Das Verbot gilt auch für Organe

anderer EU-Mitgliedstaaten (§ 58 Abs. 1 EU-JZG). Beamte anderer EU-Mitgliedstaaten

dürfen nur unter Leitung einer österreichischen Behörde einzelne Handlungen vornehmen,

soweit dies zwischenstaatliche Vereinbarungen gestatten (§ 58 Abs. 1 S. 2 EU-JZG).

Ersucht ein Staat darum, dass an der Rechtshilfehandlung ein Richter, Staatsanwalt oder

eine andere am Verfahren beteiligte Person oder ihr Rechtsbeistand teilnimmt, ist die

Teilnahme zu bewilligen, wenn die Anwesenheit und Mitwirkung bei den

Rechtshilfehandlungen zur sachgerechten Erledigung des Ersuchens erforderlich erscheint (§

58 Abs. 2 EU-JZG). Handelt es sich nicht um einen EU-Mitgliedstaat, bedarf die Teilnahme

des ausländischen Organs an der Dienstverrichtung (soweit das Organ im ersuchenden Staat

mit Hoheitsgewalt ausgestattet ist) zusätzlich der Bewilligung durch den Bundesminister für

Justiz (§ 59 Abs. 1 S. 2 ARHG). Von diesem Bewilligungserfordernis ist wegen der

Dringlichkeit der Maßnahme nur die grenzüberschreitende Observation ausgenommen (JAB

409 BlgNR 20. GP 19).

Wird in Österreich eine gemeinsame Ermittlungsgruppe tätig, ist sie von der

österreichischen Staatsanwaltschaft zu leiten und organisatorisch zu unterstützen (§ 61 Abs. 3

EU-JZG). Auch eine kontrollierte Lieferung durch oder aus österreichischem Hoheitsgebiet

unterliegt der Leitung der österreichischen Behörden (§ 72 Abs. 4 EU-JZG). Der Einsatz eines

ausländischen verdeckten Ermittlers darf nur unter der Führung und Überwachung durch das

Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt) erfolgen (§ 74 Abs. 1 EU-JZG).

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass ausländische Organe auf dem Gebiet der Republik

Österreich nicht selbständig ermitteln oder Verfahrenshandlungen setzen dürfen, stellen die

grenzüberschreitende Nacheile und die grenzüberschreitende Observation dar. § 16 Abs. 1

Polizeikooperationsgesetz (PolKG) ermächtigt die Organe ausländischer Sicherheitsbehörden,

auf österreichischem Territorium einzuschreiten, soweit dies völkerrechtlich vorgesehen ist.

Dabei hat allerdings das Leisten von Amtshilfe Vorrang (§ 16 Abs. 2 PolKG). Es gelten die

Regelungen des ARHG sowie – im Rahmen der Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten

– auch die Regelungen des EU-JZG (§ 1 Abs. 3 PolKG; § 1 Abs. 2 EU-PolKG). Aus dieser

Ermächtigung folgt in Verbindung mit dem SDÜ, dass die Organe der Vertragsstaaten dieses

Übereinkommens zur grenzüberschreitenden Nacheile und zur grenzüberschreitenden

Observation in Österreich befugt sind. Die grenzüberschreitende Nacheile richtet sich nach

Art. 41 SDÜ. Bei besonderer Dringlichkeit darf die grenzüberschreitende Observation unter

den in Art. 40 Abs. 2 SDÜ genannten Voraussetzungen auch ohne vorherige Genehmigung

eines entsprechenden Rechtshilfeersuchens erfolgen. Das Ersuchen ist unverzüglich

nachzureichen.

11. Dürfen Untersuchungsdienste, insbesondere Zolldienste Instrumente der

Rechtshilfe in Strafsachen in Anspruch nehmen?

Rechtshilfe wird nur in ausländischen Verfahren geleistet (§ 50 Abs. 1 ARHG). Ob im

Ausland ein „Verfahren“ vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des ersuchenden

202

Martetschläger, WK-ARHG, § 59 Rn. 2.

Page 43: Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und …kpk/dowody/wp-content/uploads/2014/03/Austria-… · 23 Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24 Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen

43

Staates.203

Zusätzlich bestimmen die österreichischen Gesetze über die Rechtshilfe, dass in

Strafsachen nur bestimmten Behörden Rechtshilfe geleistet werden darf. Dazu zählen

Gerichte, Staatsanwaltschaften, Behörden, die im Straf- oder Maßnahmenvollzug tätig sind,

und – im Rahmen der Rechtshilfe zugunsten anderer EU-Mitgliedstaaten –

Verwaltungsbehörden, gegen deren Entscheidung ein Gericht angerufen werden kann, das

auch in Strafsachen zuständig ist (§ 50 Abs. 1, 2 ARHG; § 56 Abs. 1, 2 EU-JZG). Da diese

Voraussetzungen auf „Zolldienste“ wohl nicht zutreffen, können diese keine Rechtshilfe in

Strafsachen in Anspruch nehmen.

Die ausländischen Zolldienste können aber um Amtshilfe ersuchen. Diese ist in §§ 109 ff.

ZollR-DG geregelt. Festnahmen, Haus- und Personendurchsuchungen sind von der Amtshilfe

ausgenommen (§ 109 Abs. 2 ZollR-DG). Nähere Regelungen zur grenzüberschreitenden

kontrollierten Lieferung oder Observation werden in § 115 ZollR-DG getroffen. §§ 117 ff.

ZollR-DG regeln die Amtshilfe zur Vollstreckung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben.

Nach § 2 PolKG wird die internationale polizeiliche Amtshilfe ausländischen

Sicherheitsbehörden geleistet. Darunter sind nach § 2 Abs. 3 PolKG Dienststellen anderer

Staaten, die Aufgaben der Sicherheitspolizei, der Kriminalpolizei, des Paßwesens, der

Fremdenpolizei und der Grenzkontrolle wahrnehmen, zu verstehen einschließlich der

Behörden, die für die Gefahrenerforschung zur Gewährleistung der inneren Sicherheit des

Staates zuständig sind.

EUPolKG (-)

203

Martetschläger, WK-ARHG, § 50 Rn. 2.