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Außerprozessuale Erhebung der Beweisen und Verwertung dieser Beweisen im
Strafprozess
Landesbericht Österreich
Prof. Dr. Gudrun Hochmayr
Teil I. Beweise aus operationellen Tätigkeiten der Polizei
1. Sind die Polizei oder andere polizeiähnliche Dienste zur Erlangung von
Informationen über konkrete Personen im Rahmen operationeller Tätigkeiten befugt?
Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) ermächtigt in seinem 4. Teil die Sicherheitsbehörden
dazu, personenbezogene Daten1 zu verwenden, d.h. zu ermitteln, auf sonstige Weise zu
verarbeiten2 und zu übermitteln.
Gem. § 52 SPG dürfen personenbezogene Daten nur verwendet werden, soweit dies für
die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden erforderlich ist. Es gilt der Grundsatz der
Aufgabenbezogenheit der Datenverwendung. Demnach ist es den Sicherheitsbehörden
untersagt, Daten „auf Vorrat“ im Hinblick auf eine sich möglicherweise in Zukunft stellende
Aufgabe zu ermitteln.3
Die Ermittlung und Weiterverarbeitung personenbezogener Daten ist nach § 53 Abs. 1
SPG unter anderem für folgende Aufgaben zulässig:
a) für die Abwehr krimineller Verbindungen (§ 53 Abs. 1 Z. 2 SPG). Es handelt sich
dabei um einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Vorsatz, fortgesetzt
gerichtlich strafbare (von Amts wegen zu verfolgende) Handlungen zu begehen (§ 16 Abs. 1
Z. 2 SPG). Der Vorsatz muss sich auf die Begehung mehrerer selbständiger, noch
unbestimmter Straftaten erstrecken.4 Im Vordergrund dieses eigenständigen
sicherheitspolizeilichen Begriffs steht den Gesetzesmaterialien zufolge nicht die Gefahr der
Begehung von Straftaten, sondern die Eigendynamik, die von einem kriminellen
Zusammenschluss ausgeht.5
b) für die „erweiterte Gefahrenerforschung“ (§ 53 Abs. 1 Z. 2a SPG). Diese
sicherheitsbehördliche Aufgabe greift zu einem Zeitpunkt ein, zu dem noch keine Gefahr
vorliegt. Personen oder Personengruppen dürfen auf dieser Grundlage beobachtet und
Informationen über sie gesammelt werden, obwohl noch keine konkreten Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass kriminelle Aktivitäten geplant sind.6 Bereits der bloße Verdacht, es könnte
künftig Gefahr von den Personen ausgehen, löst die Ermittlungsbefugnisse aus.7 Es handelt
sich um Ermittlungen im Vorfeld des Vorfelds von Kriminalität, die rechtsstaatlichen
1 Es werden nicht nur automatisch verarbeitete Daten (EDV-Daten), sondern auch konventionell verarbeitete
Daten, wie manuell geführte Karteien und nach bestimmten Kriterien strukturierte Listen erfasst; Weiss, in:
Thanner/Vogl, SPG, § 51 Anm. 8. 2 Zum umfassenden Begriff des Verarbeitens Hauer/Kepplinger, SPG, § 51 Anm. 2.
3 Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 52 Anm. 6.
4 Zur „fortgesetzten“ Begehung Giese, in: Thanner/Vogl, SPG, § 16 Anm. 4; Hauer/Kepplinger, SPG, § 16
Anm. 5.5. 5 EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. 5.
6 Bei diesen Anhaltspunkten würde sich die Aufgabe der normalen Gefahrenerforschung stellen: § 28a Abs.
1 und § 21 Abs. 1 SPG; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 83. 7 Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 88.
2
Bedenken ausgesetzt sind.8 Begründet wurden die Befugnisse mit den von Extremismus
ausgehenden Gefahren.9 Bemerkenswert ist, dass diese Erweiterung der
sicherheitspolizeilichen Aufgabe schon vor den Ereignissen vom 11.9.2001 erfolgt ist.10
§ 21 Abs. 3 Z. 2 SPG erlaubt das Beobachten einer Gruppierung, wenn im Hinblick auf
ihre bestehenden Strukturen und aktuelle Entwicklungen in ihrem Umfeld damit zu rechnen
ist, dass es zu mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Kriminalität
kommt.11
Um eine Gruppierung handelt es sich bereits bei einem Zusammenschluss von
wenigstens drei Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks.12
Der Verdacht muss
sich einerseits auf die Strukturen der Gruppierung13
und andererseits auf Entwicklungen in
ihrem Umfeld stützen. Die Gesetzesmaterialien nennen folgende Beispiele: „Entwicklungen
im Heimatstaat ethnisch definierter Gruppen“ sowie „andere strategische Zielsetzungen
seitens der Führung dieser Gruppierungen“.14
Die Gruppierung darf noch nicht auf die
Begehung von Straftaten ausgerichtet sein, sonst handelt es sich um eine „kriminelle
Verbindung“, die mittels der dafür vorgesehenen, vorrangigen Eingriffstatbestände
abzuwehren ist.15
Der sehr weite Eingriffstatbestand kann beispielsweise auf politische
Organisationen oder religiöse Gruppen, die mit Gewalt sympathisieren, oder auf Fußball-
Fanclubs, die schwerem Rowdytum nahestehen, zur Anwendung kommen.16
Als Reaktion auf die Attentate in Norwegen durch A. Brejvik wurde zusätzlich die
Möglichkeit zur „erweiterten Gefahrenerforschung“ gegenüber Einzelpersonen ins SPG
eingeführt.17
Sie setzt gem. § 21 Abs. 3 Z. 1 SPG voraus, dass sich eine Person öffentlich oder
in elektronischer Kommunikation18
für Gewalt gegen Menschen oder Sachen ausspricht oder
sich Mittel und Kenntnisse verschafft, die sie in die Lage versetzen, Sachschäden in großem
Ausmaß oder die Gefährdung von Menschen herbeizuführen, und damit zu rechnen ist, dass
sie eine mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundene weltanschaulich19
oder
8 Vgl. Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz im Sicherheitsrecht, in:
Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz
(2007), S. 90 f.; Wimmer. in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 1 und 17. 9 EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. 5. Für eine Analyse der Motive der Gesetzesinitiatoren siehe Wiederin,
Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 79 ff. Der Autor zieht als Fazit: „Vieles deutet darauf hin,
dass die Materialien die Motive des Gesetzgebers eher verschleiern als offen legen wollten.“ 10
Die entsprechende Novelle des SPG trat am 01.10.2000 in Kraft. 11
Der Verweis auf weltanschaulich oder religiös motivierte Gewalt hat in § 21 Abs. 3 Z. 2 SPG keine
normative Bedeutung. Die Ermächtigung erstreckt sich daher auch auf bloßes Rowdytum; Wimmer, in:
Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 37. 12
Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 33. 13
Nach Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 89 ist vor allem von Bedeutung, wie die
Gruppierung „hierarchisch gegliedert ist, wie ihre Aktivitäten organisiert werden, aus welchen Quellen die
zu ihrer Finanzierung verwendeten Geldmittel fließen und welche Personen in ihr welche Funktionen
innehaben.“ 14
EBRV 81 BlgNR 21. GP., S. 6. Nach Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 89 ist
maßgeblich, „ob die Gruppierung Kontakte zu Personen oder Organisationen unterhält, die gewaltsam
agieren oder die ihrerseits enge Beziehungen zu Terrorgruppen pflegen; sodann, ob es einen globalen oder
regionalen Trend gibt, Gewalt als Mittel zur Verfolgung der Gruppierungsziele zu akzeptieren; schließlich
auch, ob Gegner – von rivalisierenden Bewegungen über feindliche Lager bis hin zu fremden Staaten – auf
die Gruppierung Druck ausüben, der innerhalb der Gruppe die Bereitschaft fördert, zur Durchsetzung ihrer
Anliegen zu Gewalt zu greifen.“ 15
Salimi, JBl 2013, 699; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 85 f. 16
Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 90. 17
BGBl I 2012/13; Salimi, JBl 2013, 700. 18
Zu diesen Begriffen Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 22 f. 19
Zu den Schwierigkeiten, diesen Begriff mit Inhalt zu füllen, siehe Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21
Anm. 32.
3
religiös motivierte Gewalt herbeiführt. Unter schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit
wird die Gefahr der Begehung von Vorsatzdelikten, die mit mehr als dreijähriger
Freiheitsstrafe bedroht sind, und die gegen die Sicherheit des Staates, der Person, des
Eigentums oder der öffentlich-rechtlichen Rechtsordnung gerichtet sind, verstanden.20
Da
allerdings mittlerweile das öffentliche Auffordern zu terroristischen Straftaten, das Gutheißen
terroristischer Straftaten sowie das Verschaffen einer Anleitung zur Begehung einer
terroristischen Straftat aus dem Internet eigene Straftaten darstellen (§ 282a, § 278f Abs. 2
StGB),21
für die bereits strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen sind, ist der
Anwendungsbereich der „erweiterten Gefahrenerforschung“ nach § 21 Abs. 3 Z. 1 lit. a SPG
sehr schmal. Die sicherheitspolizeiliche Ermittlungsbefugnis kommt etwa dann zur
Anwendung, wenn die Publizitätserfordernisse des § 282a StGB nicht vorliegen oder die von
§ 278f Abs. 2 StGB geforderte Absicht, eine (konkrete) terroristische Straftat zu begehen,
nicht nachweisbar ist.22
2012 wurde dem Rechtsschutzbeauftragten nur ein einziger
Anwendungsfall gemeldet.23
Die „erweiterte Gefahrenerforschung“ bedarf stets einer Genehmigung des
Rechtsschutzbeauftragten (dazu näher unten c). Für besondere Ermittlungsmaßnahmen ist
eine jeweils eigene Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten erforderlich (§ 91c Abs. 3
SPG).
Eine zeitliche Begrenzung der „erweiterten Gefahrenerforschung“ ist nur gegenüber
Einzelpersonen vorgesehen. Der Rechtsschutzbeauftragte hat die nötige Ermächtigung auf
maximal drei Monate zu begrenzen. Eine Verlängerung ist grundsätzlich nur einmal um
weitere drei Monate zulässig (§ 91c Abs. 3 SPG). Bedenklich ist, dass eine entsprechende
zeitliche Begrenzung für die Beobachtung von Gruppierungen fehlt.
c) für die Abwehr gefährlicher Angriffe (§ 53 Abs. 1 Z. 3). Das ist nach § 16 Abs. 2 und
3 SPG ein zumindest im Vorbereitungsstadium befindlicher, drohender Angriff auf ein
Rechtsgut durch eine vorsätzliche, gerichtlich strafbare (von Amts wegen zu verfolgende)
Handlung.
d) für die Vorbeugung wahrscheinlicher gefährlicher Angriffe gegen Leben, Gesundheit,
Sittlichkeit, Freiheit, Vermögen oder Umwelt (§ 22 Abs. 2 und 3) (§ 53 Abs. 1 Z. 4)
e) für Fahndungszwecke (§ 53 Abs. 1 Z. 5).
Allgemeine Voraussetzungen für ein sicherheitspolizeiliches Einschreiten sind der
Vorrang der Sicherheit von Menschen (§ 28 SPG), die Erforderlichkeit des Eingriffs in die
Rechte eines Menschen (§ 28a Abs. 3 SPG) und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs (§ 29
SPG).
Handelt es sich um sensible Daten24
oder strafrechtlich relevante Daten, sind angemessene
Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen zu treffen (§ 51
20
Hauer/Kepplinger, SPG, § 21 Anm. 11.2.; Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 36. 21
Diese wurden ebenfalls durch BGBl I 2011/103 eingeführt. 22
Salimi, JBl 2013, 700. 23
Burgstaller, ÖJZ 2013, 395. 24
Zu diesen besonders schutzwürdigen Daten zählen nach der Legaldefinition in § 4 Z. 2 DSG „Daten
natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung,
Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr
Sexualleben“.
4
Abs. 1 SPG). Die Gesetzesmaterialien nennen als Beispiele für solche Vorkehrungen die
Verschlüsselung der Daten bei der Übermittlung, Beschränkungen des Zugangs zu den Daten
und Schulungen der mit den Daten befassten Personen.25
Das Datenschutzgesetz (DSG) findet
Anwendung, soweit im SPG nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird.
Für die Zollbehörden findet sich eine entsprechende Ermächtigung zur Ermittlung und
Verarbeitung personenbezogener Daten in § 7 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG).
2. Sind im Rahmen solcher Tätigkeiten zulässig:
a) verdeckte Kontrolle von Korrespondenz und Sendungen,
Eine verdeckte Kontrolle von Briefen und anderen Sendungen, die dem durch die
Verfassung geschützten Briefgeheimnis unterliegen, darf die Polizei nicht vornehmen.
Zu einer Kontrolle derartiger Sendungen ist allein die Staatsanwaltschaft auf Grund einer
gerichtlichen Bewilligung berechtigt (§ 137 Abs. 1 i.V.m. §§ 135 Abs. 1, 134 Z. 1 StPO).
Dabei dürfen nur Sendungen geöffnet und zurückbehalten werden, die der Beschuldigte
abschickt oder die an ihn gerichtet werden (§ 134 Z. 1 StPO). Die Maßnahme muss
erforderlich sein, um eine vorsätzlich begangene Straftat, die mit mehr als einjähriger
Freiheitsstrafe bedroht ist, aufzuklären und der Beschuldigte muss sich wegen einer solchen
Tat in Haft befinden oder seine Vorführung oder Festnahme muss deswegen angeordnet
worden sein (§ 135 Abs. 1 StPO). Nach Beendigung der Ermittlungsmaßnahme ist diese dem
Beschuldigten und den von ihrer Durchführung Betroffenen unverzüglich bekanntzugeben.
Ein Aufschub der Mitteilung ist nur bei einer Gefährdung des Zwecks eines Strafverfahrens
zulässig (§ 138 Abs. 5 StPO).
b) verdecktes Lauschen, auf Erlangung von Informationen ausgerichtet, die unter
Einsatz von (technischen) Kommunikationsmitteln übermittelt werden,
Die Sicherheitsbehörden sind nicht befugt, Telefongespräche zu überwachen. Das gilt
auch für die Internettelefonie. § 54 Abs. 4 S. 2 SPG stellt klar, dass das Fernmeldegeheimnis
unberührt bleibt.26
Zwar enthält § 53 Abs. 4 SPG eine generelle Ermächtigung für die Sicherheitsbehörden,
personenbezogene Daten durch den Einsatz geeigneter Mittel zu ermitteln, wenn dies zur
Erfüllung einer in § 53 Abs. 1 SPG genannten Aufgabe erforderlich ist. Es gilt der „Grundsatz
der Unbeschränktheit der Quellen und Mittel der Informationserhebung“.27
Diese
Generalermächtigung ist jedoch einschränkend auszulegen. Ermittlungsbeschränkungen und -
verbote, die sich aus spezifischen, im SPG vorgesehenen Ermächtigungen ergeben, dürfen
nicht umgangen werden.28
Zudem darf die Ermittlung nur im Rahmen der Rechtsordnung
erfolgen.29
Das Vorgehen der Sicherheitsbehörden darf insbesondere nicht gegen die
Strafgesetze verstoßen. Im Hinblick auf die Strafbestimmung des § 120 Abs. 1 StGB, die es
für strafbar erklärt, ein Tonaufnahmegerät oder ein Abhörgerät zu benützen, um sich (oder
einem anderen Unbefugten) von einer nichtöffentlichen und nicht zu seiner Kenntnisnahme
bestimmten Äußerung eines anderen Kenntnis zu verschaffen, dürfen die Sicherheitsbehörden
25
EBRV 1138 BlgNR 21. GP, S. 28. 26
Siehe Hauer/Kepplinger, SPG, § 54 Anm. 11. 27
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 13.1.; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 61. 28
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 62 ff. 29
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 62 ff.
5
für das verdeckte Lauschen weder ein Tonaufzeichnungsgerät noch ein Tonübertragungsgerät
benutzen.30
§ 54 Abs. 4 Z. 1 SPG untersagt es ausdrücklich, Tonaufzeichnungsgeräte zur
Aufzeichnung von nichtöffentlichen31
und nicht in Anwesenheit eines Ermittelnden
erfolgenden Äußerungen zu verwenden. Nur öffentliches oder im Beisein des Ermittlers
vorgenommenes Verhalten darf im Rahmen einer sicherheitsbehördlichen Observation oder
verdeckten Ermittlung heimlich mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten festgehalten
werden.32
Der Inhalt von Telefongesprächen darf nur im Dienste der Strafjustiz in den in § 135 Abs.
3 StPO genannten Fällen ermittelt werden. Diese Ermittlungsmaßnahme wird als
„Überwachung von Nachrichten” bezeichnet.33
Sie setzt eine Anordnung der
Staatsanwaltschaft und eine gerichtliche Bewilligung voraus (§ 137 Abs. 1 StPO).
c) verdecktes Lauschen, auf Erlangung von Informationen ausgerichtet, die ohne
Einsatz von Kommunikationsmitteln übermittelt werden,
§ 54 Abs. 2 SPG regelt, in welchen Fällen personenbezogene Daten durch Beobachten
(Observation) ermittelt werden dürfen. Der Begriff „Beobachten“ wird weit verstanden. Er
umfasst auch akustische Wahrnehmungen, also das Lauschen, sowie die verdeckte
Beobachtung.34
Entscheidend ist, dass die Informationen planmäßig, also systematisch, und
nicht mehr oder weniger zufällig, wie anlässlich eines Streifendienstes, wahrgenommen
werden.35
Auch kurzfristiges Beobachten, etwa einer Drogenübergabe, stellt eine Observation
dar.36
Im Unterschied zur verdeckten Ermittlung beschränkt sich der Observant auf eine
passive Rolle, ohne aktiv in das Geschehen einzugreifen.37
Die Maßnahme ist für folgende Zwecke zulässig:
Erstens zur „erweiterten Gefahrenerforschung“ (§ 54 Abs. 2 Z. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3
SPG).
Zweitens, um geplante Straftaten gegen Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Freiheit,
Vermögen oder Umwelt noch im Vorbereitungsstadium verhindern zu können (§ 54 Abs. 2 Z.
30
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 13.2; Berka, Redaktionsgeheimnis, § 36 Rn. 57; a.A. Schmoller, ÖJZ
1996, 21 (24); Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 123 f., 125 f., die den Einsatz von
Übertragungstechnik im Rahmen von Observation und verdeckter Ermittlung für zulässig halten. 31
Als öffentlich gilt das Verhalten, wenn es akustisch oder visuell von einem größeren, unbestimmten
Personenkreis wahrgenommen werden kann; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 24. 32
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 24, die kraft Größenschlusses auch den Einsatz von
Übertragungsgeräten für zulässig hält; es handle sich um einen Rechtfertigungsgrund im Hinblick auf § 120
Abs. 1 StGB. 33
Dabei handelt es sich nach § 134 Z. 3 StPO um „das Ermitteln des Inhalts von Nachrichten (§ 92 Abs. 3 Z 7
TKG), die über ein Kommunikationsnetz (§ 3 Z 11 TKG) oder einen Dienst der Informationsgesellschaft (§
1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes) ausgetauscht oder weitergeleitet werden“. 34
Vgl. 1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 9; Wiederin, Privatsphäre und
Überwachungsstaat (2003), S. 110 f. 35
Hauer/Kepplinger, SPG, § 54 Anm. 5.1.; Vogl, Videoüberwachung und Sicherheitspolizei, in: BMI (Hrsg.),
Videoüberwachung zu sicherheits- und kriminalpolizeilichen Zwecken (2004), 25 (27). 36
Überzeugend Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 111. 37
Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 130.
6
2 SPG). Wie sich aus dem Verweis auf § 16 Abs. 3 SPG38
ergibt, muss die Straftat das dem
Versuchsbeginn unmittelbar vorangehende Stadium erreicht haben.39
Drittens, wenn die Abwehr eines gefährlichen Angriffs (§ 16 Abs. 2 und 3 SPG) oder
die Abwehr einer kriminellen Verbindung (§ 16 Abs. 1 Z. 2 SPG) sonst gefährdet oder
erheblich erschwert wäre (§ 54 Abs. 2 Z. 3 SPG).
Zur Anordnung der Maßnahme ist die Sicherheitsbehörde zuständig. Sicherheitsbehörde
sind in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden, in zweiter Instanz die
Landespolizeidirektionen, in letzter Instanz der Bundesminister für Inneres (§ 4 SPG).
Der Rechtschutzbeauftragte ist über die Maßnahme zu informieren (§ 91c Abs. 1 SPG).
Die Observation zur „erweiterten Gefahrenerforschung” (§ 21 Abs. 3 SPG) darf nur mit
Ermächtigung des Rechtsschutzbeauftragten erfolgen (§ 91c Abs. 3 SPG). Es handelt sich
dabei um eine Voraussetzung, von der die Zulässigkeit des Grundrechtseingriffs abhängt.40
Das Institut des Rechtsschutzbeauftragten wurde 1997 durch eine Novelle der StPO
geschaffen41
und auch für das SPG und das Militärbefugnisgesetz (MBG) eingerichtet. Die
Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten wurde inzwischen verfassungsrechtlich
abgesichert. Da der von einer geheimen Ermittlungsmaßnahme Betroffene seine Rechte
naturgemäß nicht wahrnehmen kann, ist es die Aufgabe des Rechtsschutzbeauftragten,
stellvertretend für ihn diese Rechte auszuüben. Dazu gehören das Recht, Akteneinsicht zu
nehmen, die Durchführung der Maßnahmen vor Ort zu überwachen, die Pflicht, den
Betroffenen über rechtswidrige Ermittlungsmaßnahmen zu informieren,42
die Einhaltung von
Löschungspflichten zu kontrollieren und im Fall einer Rechtsverletzung Beschwerde an die
Datenschutzkommission zu erheben (§ 91d SPG). Fraglich erscheint allerdings, ob sich ein
Organ, das in die Ermittlungen eingebunden ist, sie teils sogar zu genehmigen hat, zur
Kontrolle eben dieser Ermittlungen eignet.43
Eine zeitliche Begrenzung der „erweiterten Gefahrenerforschung“ ist nur gegenüber
Einzelpersonen vorgesehen (siehe oben 1.b).
Hinzuweisen ist auf die spezielle Löschungspflicht in § 63 Abs. 1b SPG. Nach
Beendigung der „erweiterten Gefahrenerforschung” sind die Daten zu löschen, wenn sich
nach Ablauf der Zeit, für die die Ermächtigung dazu erteilt wurde, keine Aufgabe der Abwehr
eines gefährlichen Angriffs oder einer kriminellen Verbindung stellt.
Die Abwehr eines gefährlichen Angriffs hat unverzüglich zu erfolgen; § 21 Abs. 2 SPG.
Ein Einschreiten darf nur ausnahmsweise aufgeschoben werden, wenn das Interesse an der
38
§ 16 Abs. 3 SPG lautet: „Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet
ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen
Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.” 39
Giese, in: Thanner/Vogl, SPG, § 16 Anm. 6. 40
1188 BlgNR 22. GP., S. 10. 41
BGBl. I 105/1997. 42
Die Beschränkung der Informationspflicht auf rechtswidrige Ermittlungsmaßnahmen ist aus
rechtsstaatlichen Gründen bedenklich; vgl. Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz
im Sicherheitsrecht, in: Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz,
Datenschutz, Informationsschutz (2007), S. 103. 43
Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz im Sicherheitsrecht, in: Studiengesellschaft
für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz (2007), 103 f. hält aus
diesem Grund den Rechtsschutzbeauftragten für ein „rechtsstaatliches Sedativum“.
7
Abwehr einer kriminellen Verbindung oder an der Verhinderung eines Verbrechens gegen
bestimmte Rechtsgüter überwiegt (§ 23 Abs. 1 SPG), Leben und Gesundheit Dritter durch das
Zuwarten nicht gefährdet werden und Vorsorge dafür getroffen ist, dass ein aus der Tat
entstehender Schaden zur Gänze gutgemacht werden kann (§ 23 Abs. 2 SPG).
§ 7 Abs. 3 ZollR-DG ermächtigt darüber hinaus die Zollbehörden zur Observation von
Personen oder Warenbewegungen schon während der Vorbereitung einer
Zollzuwiderhandlung. Das Beobachten darf nur unter Wahrung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen, wenn die Verhinderung der Zollzuwiderhandlung
sonst gefährdet oder wesentlich erschwert würde. Eine Ermächtigung zur Observation findet
sich darüber hinaus in § 22 Abs. 3 MBG.
d) verdeckte Beobachtung des Einzelnen durch Dienste,
Es gilt das zu Frage c) Ausgeführte.
e) verdeckte Beobachtung des Einzelnen unter Einsatz von technischen Mitteln zur
Aufzeichnung des Geschehens.
Wenn ja, dann nennen Sie
- Voraussetzungen für die Anwendung solcher Maßnahmen,
- die Frist, innerhalb deren sie angewendet werden können,
- das zur Anordnung ihrer Anwendung befugte Organ.
§ 53 Abs. 4 SPG enthält eine generelle Ermächtigung der Sicherheitsbehörden,
personenbezogene Daten durch den Einsatz aller geeigneter Mittel zu erheben. Für besondere
Ermittlungsmethoden sieht § 54 SPG Einschränkungen vor. Zu diesen gehört die
Videoüberwachung, die nur unter den Voraussetzungen des § 54 Abs. 4, 4a, 5, 6, 7 SPG
zulässig ist.44
In verdeckter Form darf die Videoüberwachung nach § 54 Abs. 4 und 4a i.V.m. Abs. 3
SPG nur in folgenden Fällen erfolgen:
zur Abwehr eines gefährlichen Angriffs oder einer kriminellen Verbindung, welche
die Begehung einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung erwarten lassen, wenn deren
Abwehr sonst gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Dies wird bereits dann angenommen,
wenn das Ziel mit einem weniger eingriffsintensiven Mittel, wie einem offenen Einsatz von
Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten oder einer Echtzeitüberwachung, nicht erreicht werden
kann.45
Die Eingriffsgrenze der Gefahr einer „mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung“
erweist sich als Etikettenschwindel. Da nach der Legaldefinition in § 17 SPG bereits eine mit
über einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohte Tat als eine solche Handlung gilt, ist nur leichte
Kriminalität ausgenommen.46
zur „erweiterten Gefahrenerforschung“, wenn der Einsatz anderer
Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre. Eine verdeckte Videoüberwachung kommt für
diese Aufgabe demnach nur als ultima ratio in Betracht.47
44
Vgl. Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 21. 45
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 22; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S.
120. 46
Die Regierungsvorlage hatte die Grenze bei Verbrechen gezogen; EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. 6 f. 47
1188 BlgNR 22. GP., S. 7.
8
Es dürfen nur Äußerungen oder Verhaltensweisen aufgezeichnet werden, die öffentlich
oder im Wahrnehmungsbereich des Ermittelnden erfolgen. Ein sog. „großer Späh- oder
Lauschangriff“ ist verboten.48
Zulässig ist nur der „kleine Späh- oder Lauschangriff“, in den
eine der beteiligten Personen (hier: der Ermittler) eingeweiht ist.
§ 54 Abs. 4a SPG betont die besondere Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
beim Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten.
Für die Fristen und Zuständigkeiten siehe die Antwort auf Frage 2.c. Der
Rechtsschutzbeauftragte ist über eine verdeckte Videoüberwachung zu informieren (§ 91c
Abs. 1 SPG). Kommt die Maßnahme zur „erweiterten Gefahrenerforschung“ zur Anwendung,
bedarf sie seiner Genehmigung (§ 91c Abs. 3 SPG). Sobald die Daten für den betreffenden
Zweck nicht mehr benötigt werden, sind sie nach § 63 SPG zu löschen. Im Jahr 2009 betrafen
fast drei Viertel der Anwendungsfälle der Maßnahme Diebstähle und die Drogendelikte.49
Hinzuweisen ist darauf, dass auch die StPO ein verdecktes Spähen und Lauschen mit
sicherheitspolizeilichem Einschlag ermöglicht, und zwar bei einem dringenden Verdacht, dass
eine von der Überwachung betroffene Person eine andere entführt oder sich ihrer sonst
bemächtigt hat. In diesem Rahmen dürfen nur Geschehnisse zur Zeit und am Ort der
Freiheitsentziehung überwacht werden (§ 136 Abs. 1 Z. 1 StPO). Die Kriminalpolizei darf
diese Überwachung im Dienste der Strafrechtspflege aus eigener Macht durchführen (§ 137
Abs. 1 StPO).
§ 7 Abs. 5 ZollR-DG erlaubt darüber hinaus den Zollbehörden den verdeckten Einsatz von
Bildaufzeichnungsgeräten im Rahmen der zollamtlichen Aufsicht im grenzüberschreitenden
Warenverkehr hinsichtlich von Beförderungsmitteln, Waren und des öffentlichen Verhaltens
von Personen, wenn ansonsten die Aufdeckung eines bestimmten Finanzvergehens gefährdet
oder wesentlich erschwert wäre.
3. Können die Polizei bzw. andere polizeiähnliche Dienste im Rahmen solcher
Tätigkeiten
a) verdeckt Daten über die unter Einsatz von Kommunikationsmitteln
stattgefundenen Verbindungen einer konkreten Person erlangen,
aa) Unzulässigkeit der „großen Rufdatenerfassung“
Die verdeckte Ermittlung der Kommunikationsverbindungen einer Person (sog. „große
Rufdatenerfassung“) ist den Sicherheitsbehörden verwehrt. Auskünfte über telefonische
Verbindungen, Verbindungen per E-Mail oder sonstige Internetverbindungen dürfen nur im
Dienste der Strafjustiz erlangt werden. Diese Ermittlungsmaßnahme wird als „Auskunft über
Daten einer Nachrichtenübermittlung“ bezeichnet (§ 134 Z. 2 StPO)50
. Die Fälle, in denen die
Maßnahme zulässig ist, sind in § 135 Abs. 2 und 3 StPO umschrieben. In den in § 135 Abs.
2a StPO genannten Fällen darf auch auf Vorratsdaten zurückgegriffen werden. Die
48
EB RV 81 BlgNR 21. GP., S. ; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 24. 49
Burgstaller/Salimi, SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (44). 50
Es handelt sich der gesetzlichen Definition zufolge um „die Erteilung einer Auskunft über Verkehrsdaten
(§ 92 Abs. 3 Z 4 TKG), Zugangsdaten (§ 92 Abs. 3 Z 4a TKG), die nicht einer Anordnung gemäß § 76a
Abs. 2 unterliegen, und Standortdaten (§ 92 Abs. 3 Z 6 TKG) eines Telekommunikationsdienstes oder eines
Dienstes der Informationsgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Z 2 des Notifikationsgesetzes)“.
9
Maßnahme steht unter einem Richtervorbehalt und bedarf der Anordnung der
Staatsanwaltschaft (§ 137 Abs. 1 StPO).
bb) „Kleine Rufdatenerfassung“
Die Sicherheitsbehörden sind nach § 53 Abs. 3a Z. 1 SPG dazu ermächtigt, von den
Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskünfte über Namen, Anschrift und
Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses zu verlangen (sog. „kleine
Rufdatenerfassung”). Voraussetzung ist, dass die Auskünfte zur Erfüllung einer der den
Sicherheitsbehörden übertragenen Aufgaben erforderlich sind.
Zur Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht51
oder zur Abwehr eines
gefährlichen Angriffs darf sogar eine nachträgliche Rufdatenerfassung erfolgen (§ 53 Abs 3a
Z. 4 SPG). Diese Maßnahme wird als „kleine passive Rufdatenrückerfassung” bezeichnet. Sie
dient dazu, anhand der Telefonnummer der angerufenen Person und des Zeitpunkts des
Anrufs den Anrufer zu ermitteln.52
Dafür hat der Betreiber Verbindungsdaten heranzuziehen.
Die Maßnahme ist beispielsweise zulässig, um bei telefonischen Notrufen die Identität der
hilfsbedürftigen Person oder die Identität des Täters zur Beendigung von Erpressungen
herauszufinden.53
Da die Ermächtigung auf ein „von diesem Anschluss geführtes Gespräch”
und auf eine „Teilnehmernummer” Bezug nimmt, ist sie auf den Bereich der klassischen
Sprachtelefonie beschränkt.54
§ 99 Abs. 3 FinStRG ermöglicht auch den Finanzbehörden für die Durchführung eines
Finanzstrafverfahrens eine „kleine Rufdatenerfassung”. Ebenso haben die Zollbehörden das
Recht, von den Betreibern öffentlicher Kommunikationsdienste Auskunft über Namen,
Anschrift und Teilnehmernummer zu verlangen, wenn sie diese Daten als wesentliche
Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben
benötigen (§ 7 Abs. 5 ZollR-DG). In § 22 Abs. 2a MBG findet sich eine entsprechende
Ermächtigung für den militärischen Nachrichtendienst.
cc) Ermittlung von IP-Adressen und deren Inhaber
Zudem dürfen die Sicherheitsbehörden von den Betreibern öffentlicher
Telekommunikationsdienste oder sonstigen Diensteanbietern55
die Internetprotokolladresse
(IP-Adresse) verlangen, wenn diese als wesentliche Voraussetzung zur Abwehr einer
konkreten Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen im Rahmen
der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (§ 19 SPG) oder zur Abwehr eines gefährlichen
Angriffs (§ 16 Abs. 1 Z. 1 SPG) oder einer kriminellen Verbindung (§ 16 Abs. 1 Z. 2 SPG)
erforderlich ist. Es darf dann die IP-Adresse zu einer bestimmten Nachricht und ihren
Übermittlungszeitpunkt erfragt werden (§ 53 Abs. 3a Z. 2 SPG). Zur „erweiterten
51
Diese Pflicht besteht bei einer gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Gefährdung von Leben,
Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen, wenn die Abwehr der Gefährdung in die Zuständigkeit
einer Verwaltungsbehörde fällt oder zum Hilfs- und Rettungswesen oder zur Feuerpolizei gehört; § 19
Abs. 1 SPG. 52
Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 27 f. 53
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 10.6. 54
Feiler, Die SPG-Novelle 2007, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem Weg zum Überwachungsstaat? (2009), 48, 49. 55
Zu ersteren zählen insbesondere Anbieter von Internet- oder Telefondiensten. Sonstige Diensteanbieter sind
beispielsweise Betreiber von Suchmaschinen oder von Gastzugängen (Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal
2010, 27; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 30).
10
Gefahrenerforschung” sind derartige Auskunftsverlangen nicht zulässig, weil es an der
vorausgesetzten konkreten Gefahr fehlt.56
Nicht geklärt ist die Reichweite des in § 53 Abs. 3a Z. 2 SPG verwendeten Begriffs der
„Nachricht”. Erfasst der Begriff auch Einträge in öffentlichen Foren oder Blogs, Suchverläufe
im Internet oder etwa das Bearbeiten von Profilen auf Facebook? Die Unbestimmtheit des
Begriffs wirft verfassungsrechtliche Bedenken auf.57
Manche Autoren befürworten eine enge
Auslegung des Begriffs, um die sicherheitsbehördlichen Befugnisse nicht ausufern zu lassen.
Erfasst seien nur Gedankenerklärungen, die von einem Menschen stammen und mittels
Internetprotokoll an einen beschränkten Personenkreis gesendet wurden, nicht also etwa
Mitteilungen in einem öffentlichen Blog.58
Andere Autoren sprechen sich für einen weiten
Begriff der „Nachricht” aus.59
Danach ist jede „Mitteilung einer Gedankenerklärung von
einem Menschen an (einen) andere(n) Menschen unter Verwendung des Internet-Protokolls“
als „Nachricht” anzusehen. Für die weite Auslegung lässt sich anführen, dass sich auch an die
Allgemeinheit gerichtete Mitteilungen zwanglos als „Nachricht“ bezeichnen lassen. Der
Absender einer solchen Mitteilung ist nicht schutzwürdiger als jemand, der sich nur an einen
beschränkten Personenkreis wendet. Im Gegenteil, indem er sich an die Allgemeinheit
wendet, hat er den Bereich der vertraulichen Kommunikation bewusst verlassen. Im Hinblick
auf den Schutzzweck der Befugnis, eine konkrete Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder
die Freiheit eines Menschen, einen gefährlichen Angriff oder eine kriminelle Verbindung
abzuwehren, sollten auch Mitteilungen im Internet als „Nachricht“ eingestuft werden.
Die IP-Adresse des Empfängers einer Nachricht darf wohl nicht ermittelt werden, zumal
dieser die Nachricht nicht veranlasst hat.60
Da die Ermächtigung auf „bestimmte” Nachrichten
begrenzt ist, ist es auch nicht zulässig, ein Bewegungsprofil zu erstellen oder den Verlauf des
Surfens im Internet nachzuvollziehen.61
Die Befugnis gilt überdies nur für bereits übermittelte
Nachrichten, für die es ein Internet-Protokoll gibt. Sie erstreckt sich folglich nicht auf
Mitteilungen mittels SMS.62
Unter den gleichen Voraussetzungen wie für die Erfragung der IP-Adresse darf Auskunft
darüber verlangt werden, welchem Benutzer eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt
zugewiesen war (§ 53 Abs. 3a Z. 3 SPG). Dazu darf auf Vorratsdaten zurückgegriffen
werden, wenn diese nicht länger als drei Monate gespeichert wurden (§ 53 Abs. 3a Z. 3 SPG
i.V.m. § 99 Abs. 5 Z. 4 TKG). Für den Zugriff auf Vorratsdaten ist weder eine
Mindeststrafhöhe noch ein Richtervorbehalt vorgesehen. Die Ermächtigung des § 53 Abs. 3a
Z. 3 SPG widerspricht damit der Regelung des § 102a Abs. 1 TKG. Diese bestimmt, dass eine
Auskunft über Vorratsdaten ausschließlich aufgrund einer gerichtlich bewilligten Anordnung
der Staatsanwaltschaft zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, deren Schwere eine
Anordnung nach § 135 Abs. 2a StPO rechtfertigt, zulässig ist. Die Umsetzung der
Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie, die erst nach einer Verurteilung von Österreich wegen
56
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 10.5. 57
Feiler, Die SPG-Novelle 2007, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem Weg zum Überwachungsstaat? (2009), 43, 80. 58
Feiler, Die SPG-Novelle 2007, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem Weg zum Überwachungsstaat? (2009), 43, 52
ff.; Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 28. 59
Kunnert, Der sicherheitspolizeiliche Griff nach Telekommunikationsdaten. Möglichkeiten - Grenzen -
Kritik, in: Jahnel [Hrsg.], Datenschutzrecht und E-Government: Jahrbuch 2008 [2008] 126; siehe auch
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 34 ff. 60
Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 29. 61
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 34 ff. 62
Feiler, Die SPG-Novelle 2007, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem Weg zum Überwachungsstaat? (2009), 43, 52;
Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 28.
11
Nicht-Umsetzung der Richtlinie erfolgte, ist damit widersprüchlich und über die europäischen
Vorgaben hinausgehend erfolgt.63
In der bisherigen Praxis kamen in einem Fünftel der Fälle,
in denen IP-Adressen ermittelt wurden, Vorratsdaten zum Einsatz.64
Derzeit ist vor dem
EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren wegen eines möglichen Verstoßes der
Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie gegen die Europäische Grundrechtecharta anhängig, das
u.a. vom österreichischen Verfassungsgerichtshof veranlasst wurde.65
Die in § 53 Abs. 3a Z. 2 und Z. 3 SPG genannten Methoden können miteinander
kombiniert werden, etwa um den Absender einer E-Mail herauszufinden. Der Betroffene muss
über die Maßnahme nicht informiert werden.66
Zu den allgemeinen Erfordernissen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit oben .
Der ersuchte Diensteanbieter hat die Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Für die
rechtliche Zulässigkeit des Auskunftsbegehrens ist nach § 53 Abs. 3c SPG ausschließlich die
Sicherheitsbehörde verantwortlich.
Falls für eine Auskunft zu einer bestimmten IP-Adresse die Verwendung von Vorratsdaten
erforderlich war, ist der Betroffene darüber zu informieren. Ein Aufschub der Information ist
möglich, wenn ansonsten der Ermittlungszweck gefährdet würde (§ 53 Abs. 3c SPG). Der
Rechtsschutzbeauftragte ist nach § 91c Abs. 1 über Auskunftsersuchen gem. § 53 Abs. 3a Z. 2
bis Z. 4 SPG ehestmöglich zu informieren. Eine richterliche Genehmigung ist nicht
erforderlich. Es ist umstritten, ob IP-Adressen vom Fernmeldegeheimnis (Art. 10a
Staatsgrundgesetz) geschützt sind und daher von Verfassungs wegen eigentlich einem
Richtervorbehalt unterliegen würden.67
Der Verfassungsgerichthsof hat jüngst entschieden,
dass nur der Gesprächsinhalt, nicht die äußeren Gesprächsdaten durch das
Fernmeldegeheimnis geschützt sind.68
In der Praxis kommt die Maßnahme meist zur Abwehr gefährlicher Angriffe oder
krimineller Verbindungen zur Anwendung. Dabei geht es vorwiegend um Vermögensdelikte,
insbesondere Betrug, und um Freiheitsdelikte, wie Nötigung und gefährliche Drohung.69
b) verdeckt personenbezogene Daten von Banken, anderen ähnlichen
Geldinstituten bzw. Versicherungsanstalten erlangen,
Die Sicherheitsbehörden sind nicht berechtigt, verdeckt personenbezogene Daten von
Banken oder Versicherungsanstalten zu erlangen. Auskünfte über Bankkonten und
Bankgeschäfte dürfen nur nach § 116 StPO aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft
mit gerichtlicher Bewilligung eingeholt werden.
c) verdeckt personenbezogene Daten von Einrichtungen erlangen, in denen
Informationen zu statistischen Zwecken gesammelt und gespeichert werden.
63
Siehe Feiler/Stahov, MR 2011, 111, 114, 115. 64
Burgstaller, ÖJZ 2013, 400. 65
VfGH 28. 11. 2012, G 47/12 ua. 66
Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 28. 67
Zum Meinungsstand Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 10.3.2. 68
VfSlg 19.657/2012. 69
Für das Jahr 2009 siehe den Bericht von Burgstaller/Salimi, SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (40).
12
Wenn ja, dann
- nennen Sie Voraussetzungen für die Anwendung solcher Methoden,
- sind es Methoden, deren Anwendung durch Fristen beschränkt ist,
- welches Organ ist zur Anordnung der Anwendung einer solchen Methode
befugt?
Die Sicherheitsbehörden dürfen nach § 53 Abs. 3 SPG Auskünfte von den Dienststellen
der Gebietskörperschaften, den anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie den
von diesen betriebenen Anstalten verlangen. Es handelt sich dabei um die Inanspruchnahme
von Amtshilfe.70
Voraussetzung ist, dass sie die Auskünfte für die Abwehr eines gefährlichen
Angriffs, für die „erweiterte Gefahrenerforschung“ (dies nur bei Genehmigung des
Rechtsschutzbeauftragten, § 91c Abs. 3 SPG) oder für die Abwehr krimineller Verbindungen
benötigen. Die angefragten Stellen dürfen eine Auskunft nur dann verweigern, wenn andere
öffentliche Interessen (etwa die auswärtigen Beziehungen)71
die Abwehrinteressen
überwiegen oder eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht besteht, die über die
Amtsverschwiegenheit hinausgeht, wie die ärztliche Schweigepflicht.72
Aufgaben der amtlichen Statistiksammlung obliegen der „Statistik Austria“. Es handelt
sich dabei um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts, die der Auskunftspflicht des § 53
Abs. 3 SPG unterfällt. Nach § 17 Abs. 2 Bundesstatistikgesetz 2000 dürfen die Organe der
Bundesstatistik personenbezogene Daten an Dritte übermitteln, wenn dies in einem
Bundesgesetz vorgesehen ist. Da § 53 Abs. 3 SPG eine entsprechende bundesgesetzliche
Ermächtigung darstellt und die mit Aufgaben der Statistik betrauten Personen nur zur
Amtsverschwiegenheit verpflichtet sind (§ 17 Abs. 3 und 4 Bundesstatistikgesetz 2000), sind
diese zur Auskunftserteilung an die Sicherheitsbehörden verpflichtet.
4. Kann die Polizei oder andere ähnliche Dienste im Rahmen solcher Tätigkeiten
Daten aus Datenbanken öffentlicher bzw. privater Subjekte zu
Rasterfahndungszwecken erlangen und sie automatisch verarbeiten?
Wenn ja, dann
- nennen Sie Voraussetzungen für die Anwendung dieser Methode,
- ist ihre Anwendung durch Fristen beschränkt,
- welches Organ ist zur Anordnung der Anwendung dieser Methode befugt?
§ 53 Abs. 2 SPG untersagt es den Sicherheitsbehörden einen automationsunterstützten
Datenabgleich im Sinne des § 141 StPO (= Rasterfahndung) vorzunehmen. Demnach ist es
den Sicherheitsbehörden verboten, Daten verschiedener Datenanwendungen
automationsunterstützt zu vergleichen. Aus der Systematik der Regelung des § 53 Abs. 2 SPG
wird abgeleitet, dass sich das Verbot nur auf Dateien erstreckt, die von den
Sicherheitsbehörden nach anderen Bundes- oder Landesgesetzen angelegt wurden. Diese
Daten dürfen zwar umgewidmet werden, d.h. für andere Zwecke als jene, für die sie angelegt
wurden, verwendet werden. Sie dürfen aber nicht mit sicherheitspolizeilichen Daten
automationsunterstützt abgeglichen werden. Ein automationsunterstützter Abgleich von
kriminalpolizeilichen mit sicherheitspolizeilichen Daten ist den Sicherheitsbehörden damit
70
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 24. 71
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 27. 72
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 27.
13
verwehrt. Dagegen wird es als zulässig angesehen, verschiedene sicherheitspolizeiliche (also
nach dem SPG angelegte) Dateien untereinander abzugleichen.73
Der Bundesminister für Inneres als oberste Sicherheitsbehörde ist darüber hinaus nach §
16a Abs. 11 MeldeG 1991 befugt, das Zentrale Melderegister mit den Fahndungsevidenzen
der Sicherheitsbehörden abzugleichen.
Schließlich gestattet § 75 Abs. 5 StPO den Sicherheitsbehörden die Verwendung von
Daten, die durch einen von der Staatsanwaltschaft mit gerichtlicher Bewilligung angeordneten
automationsunterstützten Datenabgleich (§§ 141 ff. StPO) gewonnen wurden, für bestimmte
Fälle der Gefahrenabwehr, nämlich zur Abwehr vorsätzlich begangener Straftaten, die mit
mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, oder zur Abwehr erheblicher Gefahren für
Leben, Leib oder Freiheit einer Person oder für erhebliche Sach- und Vermögenswerte.
5. Kann die Polizei oder andere ähnliche Dienste im Rahmen der operationellen
Tätigkeit auch andere als oben genannte verdeckte Methoden zur Erlangung von
personenbezogenen Informationen anwenden? Wenn ja, dann nennen Sie solche
Methoden, Voraussetzungen für ihre Anwendung, die Frist, innerhalb deren sie
angewendet werden können und das zur ihrer Anordnung befugte Organ.
aa) Echtzeitüberwachung
§ 54 Abs. 8 SPG erlaubt den Sicherheitsbehörden den Einsatz von
Bildübertragungsgeräten zur Echtzeitüberwachung. Die Überwachung setzt voraus, dass die
Sicherheitsbehörden zum Einsatz von Bildaufzeichnungsgeräten befugt sind oder der Einsatz
zur Erfüllung einer sicherheitspolizeilichen Aufgabe oder zur Unterstützung des
Streifendienstes erforderlich ist. Die Echtzeit-Videoüberwachung darf demnach zur Erfüllung
jeglicher sicherheitspolizeilichen Aufgabe oder zu Zwecken des Streifendienstes erfolgen,
wenn sie nur erforderlich ist. Es besteht weder eine Pflicht zur öffentlichen Kennzeichnung
der Überwachung noch zur Information des Rechtsschutzbeauftragten.74
Die Weite der
Ermächtigung stößt im Schrifttum zu Recht auf Kritik.
bb) Einsatz von Peilsendern im Rahmen der Observation
Wäre die Observation75
sonst aussichtslos oder erheblich erschwert, darf sie gem. § 54
Abs. 2a SPG durch technische Mittel unterstützt werden, die durch die Übertragung von
Signalen die Feststellung des Aufenthaltsortes der beobachteten Person oder des beobachteten
Gegenstands ermöglichen. Der Peilsender wird entweder am Fahrzeug, das die beobachtete
Person voraussichtlich verwenden wird, oder an einem Gegenstand, den sie mit sich führt,
angebracht.76
2012 wurden dem Rechtsschutzbeauftragten 19 Observationen unter Einsatz
von Peilsendern gemeldet. In der Mehrzahl der Fälle erfolgte die Peilung zur Verhinderung
weiterer Diebstähle.77
73
EBRV 1138 BlgNR 21. GP, S. 29. Zum Ganzen Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 6; Weiss, in:
Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 22; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 133 ff. 74
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. zu Abs. 8. 75
Zur Zulässigkeit der Observation gem. § 54 Abs. 2 SPG siehe oben . 76
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 16 und 17. 77
Burgstaller, ÖJZ 2013, 397.
14
Zur Verhinderung bestimmter gerichtlich strafbarer Finanzvergehen, wie eines
Abgabenbetrugs (§ 39 Abs. 1 FinStrG), dürfen auch die Zollbehörden unter Mitwirkung des
Bundesministeriums für Inneres technische Hilfsmittel zur Peilung von Beförderungsmittel
einsetzen.
cc) Peilung von Mobiltelefonen
§ 53 Abs. 3b SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden zur Peilung von Mobiltelefonen, um
den Aufenthaltsort eines gefährdeten Menschen festzustellen. Bei einer gegenwärtigen Gefahr
für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen dürfen die
Sicherheitsbehörden von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über
Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) der Endeinrichtung, die
von einer gefährdeten Person oder einer diese begleitenden Person mitgeführt wird, verlangen
und technische Mittel zur Lokalisierung der Endeinrichtung einsetzen. Die Betreiber der
Telekommunikationsdienste müssen die Funkzelle, in der sich das Mobiletelefon befindet,
bekanntgeben. Anschließend darf die Sicherheitsbehörde mit sogenannten IMSI-Catchern und
Peilempfängern/-antennen das Mobiltelefon exakt orten. Voraussetzung sind konkrete
Anhaltspunkte für eine entsprechende Gefahr der Person, die durch die Peilung des
Mobiltelefons gesucht wird. Seit einer vom Rechtsschutzbeauftragten angeregten Erweiterung
der Ermächtigung78
darf auch das Mobiltelefon einer „begleitenden“ Person, also
beispielsweise des Gefährders, geortet werden. In der Praxis kommt die Maßnahme am
häufigsten wegen eines befürchteten Selbstmords zur Anwendung.79
Der
Verfassungsgerichtshof fordert eine einschränkende Interpretation der Ermächtigung dahin
gehend, dass nur solche technische Mittel zum Einsatz kommen dürfen, die auf eine
Ermittlung des Standorts des Mobiltelefons beschränkt sind. Technische Einrichtungen, mit
denen der Gesprächsinhalt ermittelt werden kann, dürfen nicht verwendet werden.80
Für die
Peilung darf erforderlichenfalls auf Vorratsdaten, also auf in der Vergangenheit liegende
Standortdaten, zurückgegriffen werden. Dies wird jedenfalls bei Lebensgefahr für einen
Menschen als verhältnismäßig angesehen.81
2012 wurden in 1 % der Standortermittlungen
Vorratsdaten verwendet.82
Die Sicherheitsbehörde muss bei Ermittlung von Standortdaten und der IMSI dem
Diensteanbieter innerhalb von 24 Stunden eine schriftliche Dokumentation nachreichen. Aus
der Regelung ist zu schließen, dass um die Auskünfte zunächst mündlich ersucht werden
darf.83
Das Erfordernis einer zumindest nachträglichen schriftlichen Begründung soll einem
Missbrauch der Befugnis vorbeugen.84
Über die Verwendung von Vorratsdaten ist der
Betroffene zu informieren. Die Information kann bei sonstiger Gefährdung des
Ermittlungszwecks aufgeschoben werden (siehe zum Ganzen § 53 Abs. 3c SPG). Zwar ist der
Rechtsschutzbeauftragte gem. § 91c Abs. 1 SPG einzubinden. Es bedarf aber keiner
richterlichen Genehmigung.
78
Siehe Burgstaller, ÖJZ 2013, 397. Die Änderung erfolgte durch die SPG-Novelle 2011, BGBl. I 2012/13. 79
Im Jahr 2009 ging es in 69 % der Fälle um einen befürchteten Suizid. In mehr als einem Drittel der Fälle
konnte die betroffene Person durch die Peilung gerettet werden; siehe den Bericht von Burgstaller/Salimi,
SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (39). 80
VfGH 1.7.2009, G 31/08, JBl 2010, 107. 81
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 50. 82
Burgstaller, ÖJZ 2013, 399. 83
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 11.4. 84
Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 30.
15
Teilweise wird vertreten, dass Standortdaten eines Mobiltelefons auch nach § 53 Abs. 4
i.V.m. § 54 Abs. 1 SPG auf freiwilliger Basis, also ohne Verpflichtung der Diensteanbieter
zur Auskunftserteilung, erbeten werden dürfen.85
Gegen diese Ansicht ist einzuwenden, dass
§ 53 Abs. 3b SPG eine abschließende Sonderregelung für einen Grundrechtseingriff durch
Auskünfte über Standortdaten darstellt.
dd) Verwendung von personenbezogenen Bilddaten über öffentliches Verhalten
§ 53 Abs. 5 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden zur (heimlichen) Verwendung von
personenbezogenen Bilddaten über öffentliches Verhalten, die von öffentlichen Rechtsträgern
oder von Privaten mittels Bild- und Tonaufzeichnungen rechtmäßig ermittelt und den
Sicherheitsbehörden freiwillig überlassen wurden. Die Ermächtigung bezieht sich demnach
auf die Verwendung von Videoaufzeichnungen und Fotos, die von Dritten (etwa mittels eines
Mobiltelefons) angefertigt wurden. Die größte Rolle kommt in der Praxis Aufzeichnungen
von an Bankomaten angebrachten Videokameras zu.86
Aufzeichnungen im Zuge einer
Videoüberwachung sind dann rechtmäßig zustande gekommen, wenn die Voraussetzungen in
§§ 50a ff. DSG eingehalten wurden.87
Die Begrenzung der Ermächtigung auf Bilddaten über
öffentliches Verhalten stellt klar, dass die Regelungen der StPO nicht umgangen werden
dürfen.88
Die Bilddaten dürfen nur „im Einzelfall“ verwendet werden, also nur wenn ein konkreter
Anlassfall im Rahmen der Aufgaben der Sicherheitspolizei gegeben ist. Eine Übermittlung
und Verwendung ohne konkreten Anlassfall, etwa zu einem Abgleich mit Fahndungsdaten, ist
nicht zulässig.89
Eine weitere Voraussetzung für die Verwendung ist, dass die Abwehr eines
gefährlichen Angriffs oder einer kriminellen Verbindung ansonsten gefährdet oder erheblich
erschwert wäre (§ 54 Abs. 3 SPG). Zusätzlich müssen bestimmte Tatsachen auf eine schwere
Gefahr für die öffentliche Sicherheit schließen lassen. Diese Wendung wird mit Blick auf §
136 Abs. 4 StPO dahin gehend ausgelegt, dass die Gefahr der Begehung von Verbrechen (also
von vorsätzlichen Straftaten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind)
gegeben sein muss.90
Eine Verwendung zur „erweiterten Gefahrenerforschung” darf nur als
ultima ratio erfolgen, wenn der Einsatz anderer Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre (§
53 Abs. 5 i.V.m. § 54 Abs. 3 SPG). Außerdem ist die Verwendung der Bilddaten zum Zweck
der sicherheitspolizeilichen Fahndung zulässig.
Eine vorhandene Tonspur dürfen die Sicherheitsbehörden außerhalb eines
Ermittlungsverfahrens nicht verwenden. Die Verwendungsbefugnis nach Maßgabe des § 53
Abs. 5 SPG ist auf das Bildmaterial beschränkt.91
Der Rechtsschutzbeauftragte ist über die Maßnahme zu informieren (§ 91c Abs. 1 SPG).
Erfolgt die Maßnahme zur „erweiterten Gefahrenerforschung”, bedarf sie der Genehmigung
des Rechtsschutzbeauftragten (§ 91c Abs. 3 SPG). § 63 Abs 1 SPG bestimmt, dass die Daten
zu löschen sind, sobald sie für die Erfüllung der Aufgabe, für die sie verwendet worden sind,
85
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. 10.3.4. 86
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. zu Abs. 5. 87
Dazu unten . 88
1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 77. 89
1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 67. 90
1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 69. 91
Hauer/Kepplinger, SPG, § 53 Anm. zu Abs. 5.
16
nicht mehr benötigt werden. Im Jahr 2009 kam die Maßnahme nach § 53 Abs. 5 SPG in über
90 % der Fälle zu Zwecken der Fahndung zur Anwendung.92
Die Sicherheitsbehörden sind nicht berechtigt, die Herausgabe der Bilddaten zu verlangen.
Private sind also nicht verpflichtet, die Bilddaten herauszugeben.93
Eine Herausgabepflicht
besteht nur zu strafprozessualen Zwecken. Soweit die Bilddaten zur Klärung des Sachverhalts
beitragen können, dürfen sie im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sichergestellt und
beschlagnahmt werden (§ 110 Abs 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 4, § 115 Abs 1 Z. 1 StPO). Die
Sicherstellung bedarf regelmäßig einer Anordnung der Staatsanwaltschaft (§ 110 Abs. 2 und 3
StPO). Für die Beschlagnahme ist stets eine gerichtliche Bewilligung erforderlich (§ 115 Abs.
2 StPO).
ee) Abgleich von Kfz-Kennzeichen mit Fahndungsdateien
Darüber hinaus dürfen die Sicherheitsbehörden nach § 54 Abs. 4b SPG verdeckt Geräte
einsetzen, die Kennzeichen von Kraftfahrzeugen erkennen und mit Fahndungsdateien
abgleichen. Diese Ermächtigung wurde durch die SPG-Novelle 2005 eingeführt. Sie soll es
den Sicherheitsbehörden erleichtern, auch bei hoher Verkehrsdichte Kraftfahrzeuge, nach
denen gefahndet wird, zu erkennen.94
Es darf nur das Kennzeichen selbst, nicht ein Bild des
Fahrzeugs oder der Insassen aufgezeichnet werden.95
Das vom Kennzeichenerkennungsgerät
automatisch erfasste Kennzeichen wird sofort mit der Fahndungsdatei abgeglichen. Die
Daten, die keinen Treffer ergeben haben, werden unmittelbar nach dem Abgleich automatisch
gelöscht. Im Fall eines Treffers löst das Gerät Alarm aus.96
Die Treffer-Daten sind zu löschen,
sobald sie für die konkrete Fahndung nicht mehr benötigt werden. Das Gerät darf aus
Verhältnismäßigkeitsgründen höchstens einen Monat lang an einer bestimmten Stelle
positioniert sein. Über den Einsatz des Geräts ist der Rechtsschutzbeauftragte zu informieren
(§ 91c Abs. 1 SPG). Die größte Bedeutung kommt in der Praxis der Fahndung nach
gestohlenen Kraftfahrzeugen zu.97
ff) Resümee
Im Vergleich zu den Instrumenten, die den Sicherheitsbehörden bei Einführung des SPG98
zugestanden wurden, haben die zahlreichen Novellen dieses Gesetzes zu einer bedenklichen
Expansion der sicherheitspolizeilichen Befugnisse geführt.99
Die Ausgestaltung der
Befugnisse wirft rechtsstaatliche Bedenken auf:
Zu bemängeln ist, dass die Befugnisse zu heimlichen Maßnahmen, wie verdeckter
Ermittlung und verdeckter Bild- und Tonaufzeichnungen, nicht auf schwerwiegende
Straftaten beschränkt sind. Dieser Umstand stellt die Verhältnismäßigkeit der Eingriffe in
92
Bericht des Rechtsschutzbeauftragten; siehe Burgstaller/Salimi, SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (41). 93
Vgl. 1188 BlgNR 22. GP., S. 6; Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 21. 94
AB 723 BlgNR 22. GP., S. 2. 95
Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 54 Anm. 30. 96
Siehe dazu Weiss, in: Thanner/Vogl, SPG, § 53 Anm. 29; AB 723 BlgNR 22. GP., S. 2 f. 97
2009 betraf dies nahezu 75 % aller Fälle; Burgstaller/Salimi, SIAK-Journal 2010 H 3, 36 (44). 98
BGBl. Nr. 566/1991, in Kraft getreten am 1.5.1993. 99
Vgl. Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz im Sicherheitsrecht, in:
Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz
(2007), S. 91.
17
Frage.100
Auch gibt es keinen absolut geschützten Intimbereich für Angehörige, in dem sich
diese ungestört von staatlichen Eingriffen frei austauschen können.101
Eine Begrenzung der zeitlichen Dauer der Ermittlungsmaßnahmen fehlt fast
durchgängig.102
Erforderlich wären zudem eine Pflicht zur schriftlichen Dokumentation der
gewonnenen Erkenntnisse und eine Pflicht zur nachträglichen Information der Betroffenen.103
Alle Eingriffsmaßnahmen werden allein durch ein Verwaltungsorgan, die
Sicherheitsbehörde, angeordnet. Dabei sind Antrags- und Anordnungsbefugnis nicht getrennt.
Die Maßnahmen brauchen nicht schriftlich begründet zu werden. Sie sind einer Kontrolle
weitgehend entzogen.104
Das Institut des Rechtsschutzbeauftragten vermag diese Defizite nicht auszugleichen. Der
Rechtsschutzbeauftragte ist nicht Richter, sondern ein Verwaltungsorgan. Auch wenn seine
Weisungsfreiheit mittlerweile verfassungsrechtlich abgesichert wurde, bildet er auch aus
strukturellen Gründen kein echtes rechtsstaatliches Gegengewicht zu den heimlichen
Ermittlungsmaßnahmen. Er kann den fehlenden individuellen Rechtsschutz nicht ersetzen.105
In der Zusammenschau der Kritikpunkte erscheint fraglich, ob die gesetzliche
Ausgestaltung der Ermittlungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden rechtsstaatlichen
Anforderungen genügt.
6. Kann das von der Polizei bzw. anderen ähnlichen Diensten im Rahmen der
operationellen Tätigkeiten erlangte Material als Beweismittel im Strafverfahren
verwertet werden?
Die Verwertbarkeit des Materials, das im Rahmen sicherheitspolizeilicher Tätigkeit
erlangt wurde, ist nicht geregelt. Ob und – bejahendenfalls – inwieweit die Ergebnisse
sicherheitspolizeilicher Ermittlungen im Strafverfahren verwertbar sind, wurde bislang nicht
näher diskutiert.
Bereits vor der Normierung ausdrücklicher Beweisverwertungsverbote in der StPO106
wurde aus einem rechtlichen Vernichtungsanspruch ein Verwertungsverbot abgeleitet.
Maßgeblich ist dafür die Erwägung, dass es widersprüchlich wäre, rechtlich zu vernichtende
Gegenstände als Beweismittel zuzulassen.107
Eine Verwertung im Strafverfahren ist folglich
nur dann zulässig, wenn die Gegenstände nicht zu vernichten sind.
Dieser Gedanke hat auch im Beweisverwertungsverbot des § 140 StPO Ausdruck
gefunden. § 140 StPO untersagt die Verwendung der Ergebnisse geheimer strafprozessualer
100
So bereits Schmoller, ÖJZ 1996, 26; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 216. 101
Vgl. Schmoller, ÖJZ 1996, 26. 102
Schmoller, ÖJZ 1996, 26; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 221. Eine Ausnahme
bildet die „erweiterte Gefahrenerforschung“ in Bezug auf Einzelpersonen, die nach § 91c Abs. 3 SPG
zeitlich zu begrenzen ist. 103
Schmoller, ÖJZ 1996, 26 f.; Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 221, 243 f. 104
Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 220. 105
Vgl. die Kritik bei Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat (2003), S. 221 ff. 106
Ausdrückliche Beweisverwertungsverbote finden sich heute in § 123 Abs. 6 und 7, § 140, § 159 Abs. 3, §
166 StPO. 107
Arnold, AnwBl 1980, 57 f.; Schmoller, JBl 1994, bei Fn. 30; vgl auch Bertel/Venier, StPO-Kommentar, §
281 Rn. 7.
18
Ermittlungsmaßnahmen, wenn die materiellen Eingriffsvoraussetzungen oder die gerichtliche
Bewilligung und Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht vorlagen. Das
Beweisverwertungsverbot gründet auf dem rechtlichen Vernichtungsanspruch, der in § 139
Abs. 4 StPO festgeschrieben ist. Es kommt auf die Ergebnisse sicherheitspolizeilicher
Ermittlungen dann zur Anwendung, wenn die Regelungen der StPO umgangen wurden.108
Im
Allgemeinen enden die Befugnisse nach dem SPG, sobald eine bestimmte Person einer
Straftat verdächtig ist. Ab diesem Zeitpunkt richten sich die polizeilichen Befugnisse nach
den Regeln der StPO.109
Wird dennoch nach dem SPG vorgegangen, sind die Ergebnisse
aufgrund von § 140 StPO nicht verwertbar.
Diesem Gedanken entsprechend kann sich ein Beweisverwertungsverbot auch aus einer
datenschutzrechtlichen Löschungspflicht ergeben. Nach § 74 Abs. 1 StPO ist das
Datenschutzgesetz auf die Verwendung von Daten im Strafprozess anwendbar. Die Regelung
bildet die Rechtsgrundlage für die Verwendung personenbezogener Daten im Strafverfahren.
Wurden die Daten unter Verstoß gegen das DSG erhoben, bestimmt § 75 Abs. 1 StPO, dass
die Daten unverzüglich zu löschen sind. Der Löschungspflicht korrespondiert nach dem oben
Gesagten ein Beweisverwertungsverbot. Eine Verwertung der Ergebnisse
sicherheitspolizeilicher Überwachung ist folglich nur dann zulässig, wenn die Daten
zulässigerweise ermittelt und übermittelt wurden. Die Zulässigkeit der Datenermittlung hängt
von der Einhaltung der Regelungen des SPG ab. § 56 Abs. 1 Z. 2 SPG ermächtigt die
Sicherheitsbehörden zur anschließenden Übermittlung der Daten an die
Strafverfolgungsbehörden.110
Nach dem SPG rechtmäßig ermittelte Daten sind somit im
Strafverfahren verwertbar. Wurden die Daten dagegen rechtswidrig ermittelt, bestehen eine
Löschungspflicht und damit ein Beweisverwertungsverbot.
Teilweise wird aus § 140 StPO abgeleitet, dass die Ergebnisse jener
sicherheitspolizeilicher Instrumente, die den strafprozessualen Instrumenten entsprechen, wie
verdeckte Ermittlung, Auskunftsverlangen von Telekommunikationsanbietern oder
Standortpeilung, generell nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden dürfen. Die
Hauptverhandlung und das Urteil seien auf solche Beweise beschränkt, die nach den in der
StPO vorgesehenen Überwachungsvoraussetzungen zustande gekommen sind.111
Vor dem
Hintergrund, dass auch von Privaten ermittelte Beweise verwertet werden dürfen (siehe
unten), erscheint diese Ansicht allerdings als zu eng.
Umgekehrt betonen manche Autoren die generelle Verwertbarkeit der Ergebnisse
sicherheitspolizeilicher Ermittlungen im Strafverfahren. In den Grenzen des
108
Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 140 Rn. 32. 109
Näher Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 134 Rn. 76 f. 110
Danach dürfen die Sicherheitsbehörden personenbezogene Daten für Zwecke der Strafverfolgung
„inländischen Behörden“, für welche die Übermittlung der Daten durch die Sicherheitsbehörden eine
wesentliche Voraussetzung bildet, um die ihnen gesetzlich übertragene Aufgabe der Strafverfolgung
wahrzunehmen, weitergeben. Zu diesen Behörden zählen auch Staatsanwaltschaften und Gerichte; Hauer/Kepplinger, SPG, § 56 Anm. 4.2.
111 Zerbes, Spitzeln, Spähen, Spionieren (2010), S. 304 f. In diese Richtung auch die Gesetzesmaterialien zur
früheren Rechtslage: EB RV 49 BlgNR 20. GP., S. 17; Miklau/Pilnacek, JRP 1997, 286 (); Soyer, ÖJZ
1999, 829 (bei Fn. 51). Vgl. Theuer, JSt 2011, 205 Fn. 53, der vorschlägt, danach zu unterscheiden, ob die
aufgrund von Maßnahmen nach dem SPG gewonnenen Erkenntnisse entlastender oder belastender Art sind.
Entlastende Umstände seien stets zu berücksichtigen. Für belastende Umstände sei wegen der
unterschiedlichen Zwecksetzungen von SPG und StPO ein generelles Verwertungsverbot zu erwägen.
Jedenfalls seien solche Erkenntnisse nicht verwertbar, die unter Umgehung der Regelungen der StPO nach
dem SPG gewonnen wurden.
19
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes seien alle nach dem SPG zu präventiven Zwecken
ermittelten Daten im Strafverfahren verwertbar.112
Vereinzelt wird davon ausgegangen, dass sich Beweisverwertungsverbote für
sicherheitspolizeiliche Überwachungsmaßnahmen direkt aus den Grundrechten ergeben
können. Wurde das Beweismittel unter Verstoß gegen die Grundrechte – wie das Recht auf
Achtung des Privat- und Familienlebens gem. Art. 8 EMRK, das Fernmeldegeheimnis nach
Art. 10a StGG oder das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG – erlangt, dürfe es nicht
verwertet werden, wenn durch die Verwertung der Zweck des Grundrechts vereitelt würde.
Beispielsweise sei ein Beweismittel, das durch eine gesetzwidrige geheime staatliche
Überwachungsmaßnahme gewonnen wurde, wegen Verletzung von Art. 8 EMRK nicht
verwertbar.113
Wenn ja, dann welche Bedeutung hat die Tatsache,
a) dass das Beweismittel unter Verletzung der Vorschriften erlangt wurde, auf
deren Grundlage diese Methode angeordnet wurde?
Entsprechend dem oben Dargestellten folgt aus der Pflicht zur Löschung der Daten ein
Beweisverwertungsverbot. Die Daten wurden unzulässigerweise verarbeitet, sodass die
betroffene Person einen Anspruch auf Löschung der Daten hat (§ 63 Abs. 1 SPG; § 27 DSG).
b) dass das Beweismittel im Einklang mit den die Anwendung einer solchen
Methode begründenden Vorschriften, jedoch entgegen dem Inhalt des einschlägigen
Beschlusses eines befugten Organs erlangt worden ist?
Auch in dieser Konstellation wurden die Daten unter Verstoß gegen das SPG erlangt. Es
besteht die Pflicht, die Daten zu löschen (§ 63 Abs. 1 SPG), und damit ein
Beweisverwertungsverbot.
c) dass ein bestimmtes Beweismittel im Einklang mit den die Anwendung einer
bestimmten Methode begründenden Vorschriften, jedoch entgegen den Grundsätzen
der strafprozessualen Beweiserhebung erlangt worden ist?
Das Beweismittel ist grundsätzlich verwertbar. Es kann aber ein besonders begründetes
strafprozessuales Beweisverwertungsverbot eingreifen. So ergibt sich bei einer Umgehung der
strafprozessualen Vorschriften über geheime Ermittlungsmaßnahmen aus § 140 StPO ein
ausdrückliches Beweisverwertungsverbot.
d) dass eine bestimmte Methode, mit der ein Beweismittel erlangt worden ist, den
Vorschriften zur Regelung der Beweiserhebung im Strafverfahren überhaupt nicht
bekannt ist?
In Österreich gilt der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel. Alles, was für die
Wahrheitsfindung dienlich ist und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegt, darf als
112
Ebert, Landesbericht Österreich, in: Gropp (Hrsg.), Besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung
der Organisierten Kriminalität (1993), 627 ff., insb. 631; vgl. auch Schmoller, ÖJZ 1996, 21 (24); Soyer,
JRP 1994, 272. 113
Simon, Grundsätzliches zu technischen staatlichen Überwachungsmaßnahmen, in: Zankl (Hrsg.), Auf dem
Weg zum Überwachungsstaat? (2009) 27, 41.
20
Beweismittel verwendet werden.114
Ist mit der Methode der Beweiserlangung ein
Grundrechtseingriff verbunden, ist entscheidend, dass der Grundrechtseingriff gesetzlich
vorgesehen war und die Bedingungen eingehalten wurden. Sonst begründet die Pflicht zur
Löschung der Daten (§ 63 Abs. 1 SPG; § 27 DSG) ein Beweisverwertungsverbot.
e) dass die Methode, mit der ein Beweismittel erlangt worden ist, den
Strafverfahrensvorschriften zwar bekannt, allerdings nicht in Bezug auf eine konkrete
Straftatenkategorie vorgesehen ist?
Werden die Grenzen strafprozessualer Ermittlungsbefugnisse umgangen, greift das in §
140 StPO vorgesehene Beweisverwertungsverbot ein.
FALL:
Im Zusammenhang mit der nahenden großen Sportveranstaltung leiteten die
Polizei und Sonderdienste vorbeugende Aktivitäten ein. Als eine potentielle
Gefahrenquelle wurden Mitglieder der Gruppe A bezeichnet, die auf ihrer Internetseite
Inhalte verbreitete, die auf ihre feindliche und aggressive Einstellung gegenüber der
geplanten Veranstaltung hindeuteten. Anhand der vom Netzbetreiber verdeckt
erlangten Informationen wurden X, Y und Z als Mitglieder dieser Gruppe identifiziert.
Infolge der gegenüber von X, Y und Z verdeckt eingesetzten technischen Mitteln
wurden Ton- und Bildaufzeichnungen erlangt, aus denen hervorging, dass
X und Y eine Bombe konstruierten, um während der Sportveranstaltung einen
terroristischen Anschlag zu verüben,
Z einen Verkehrsunfall verursachte, in dem er einen Passanten angefahren hat
und vom Unfallort geflüchtet ist,
der (nicht invigilierte) Sohn von X Drogendealer ist.
FRAGEN:
- Konnten die Polizei bzw. andere Dienste in dieser Situation verdeckt aus Datenbanken
der Betreiber elektronischer Kommunikationsdienstleistungen Daten über Personen erlangen,
die solche Inhalte auf Webseiten brachten?
a) Die Gruppe als „kriminelle Verbindung“
§ 53 Abs. 3a Z. 2 und 3 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden dazu, vom Betreiber
eines Telekommunikationsdienstes oder einem sonstigen Diensteanbieter die IP-Adresse zu
einer bestimmten Nachricht und anschließend Name und Anschrift der Person, der die IP-
Adresse zuzuordnen ist, zu verlangen. Vereinzelt wird vertreten, dass Mitteilungen auf einer
Internetseite keine „Nachricht“ im Sinne von § 53 Abs. 3a Z. 2 SPG darstellen.115
Nach dieser
Auslegung käme die Ermächtigung nicht zur Anwendung. Diese Interpretation erscheint
allerdings als zu eng. Auch Mitteilungen an die Allgemeinheit lassen sich zwanglos als
„Nachricht“ bezeichnen. Da das Gesetz nicht nach dem Adressatenkreis bzw. nach der
Öffentlichkeit oder Privatheit der Mitteilung unterscheidet, sollten unter Berücksichtigung des
Schutzzwecks der Ermächtigung auch Mitteilungen im Internet als eine „Nachricht“
eingestuft werden.
114
OGH EvBl 1995/21; Seiler, Strafprozessrecht, 12. Aufl., Rn. 325. 115
Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, 28.
21
Die Daten müssen eine wesentliche Voraussetzung sein, um eine konkrete Gefahr für das
Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen im Rahmen der ersten allgemeinen
Hilfeleistungspflicht, einen gefährlichen Angriff oder eine kriminellen Verbindung
abzuwehren:
Für den ersten Eingriffstatbestand müsste die Gefahr bereits gegenwärtig sein oder
zumindest unmittelbar bevorstehen (§ 19 SPG). Als gegenwärtig gilt die Gefahr, „wenn die
Beeinträchtigung (Schädigung) der geschützten Rechtsgüter mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit eintritt“. Die Gefahr steht unmittelbar bevor, „wenn sich der maßgebliche
Sachverhalt naturgesetzlich oder den bisherigen Erfahrungen nach in allernächster Zeit zu
einer gegenwärtigen Gefahr entwickeln wird“.116
Vorliegend fehlt es an dieser Voraussetzung,
da es um Ermittlungen im zeitlichen Vorfeld der sportlichen Großveranstaltung geht. Es liegt
noch keine konkrete Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen
vor, noch steht eine solche unmittelbar bevor.
Da noch völlig unklar ist, ob und – falls ja – welche Straftaten geplant sein könnten,
und es daher auch keine Hinweise darauf gibt, dass bereits das versuchsnahe
Vorbereitungsstadium einer Straftat erreicht wurde, liegt noch kein gefährlicher Angriff nach
§ 16 Abs. 2 SPG vor. Das allenfalls in Frage kommende Organisationsdelikt der kriminellen
Vereinigung gem. § 278 StGB, das bereits bei einem auf längere Zeit angelegten
Zusammenschluss von wenigstens drei Personen zur Begehung einer der aufgezählten
Straftaten verwirklicht ist, begründet gerade keinen gefährlichen Angriff im Sinne des SPG.
Damit kommt auch der zweite Eingriffstatbestand nicht in Betracht.
Für den dritten Eingriffstatbestand der kriminellen Verbindung i.S. von § 16 Abs. 1 Z.
2 SPG genügt zwar ein Zusammenschluss von drei Personen. Allerdings müssten sich diese
zur fortgesetzten Begehung vorsätzlicher Straftaten zusammengeschlossen haben. Es
erscheint fraglich, ob sich allein aus der im Internet zum Ausdruck kommenden feindlichen
und aggressiven Einstellung gegenüber der Sportveranstaltung auf einen Zusammenschluss
zur Begehung mehrerer selbständiger, noch unbestimmter Straftaten schließen lässt. Nur falls
dies zu bejahen ist, dürfen die Sicherheitsbehörden verdeckt die IP-Adresse des Betreibers der
Website und Namen und Anschrift ihres Inhabers erlangen.
b) Die Gruppe als bloße Gefahrenquelle („erweiterte Gefahrenerforschung“)
Reichen die Angaben auf der Internetseite nicht aus, um die Gruppe als kriminelle
Verbindung i.S. des SPG einzustufen, ist zu prüfen, ob die Situation zu einer „erweiterten
Gefahrenerforschung“ nach § 21 Abs. 3 SPG berechtigt. Eine „erweiterte
Gefahrenerforschung“ ist nach § 21 Abs. 3 Z. 1 lit. a SPG unter anderem dann zulässig, wenn
sich eine Person öffentlich oder in elektronischer Kommunikation für Gewalt gegen
Menschen oder Sachen ausspricht oder damit zu rechnen ist, dass sie eine mit schwerer
Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundene weltanschaulich oder religiös motivierte
Gewalt herbeiführt. Unter schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit wird die Gefahr der
Begehung von Vorsatzdelikten, die mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, und
die gegen die Sicherheit des Staates, der Person, des Eigentums oder der öffentlich-
rechtlichen Rechtsordnung gerichtet sind, verstanden.117
116
Giese, in: Thanner/Vogl, SPG, § 19 Anm. 4 117
Hauer/Kepplinger, SPG, § 21 Anm. 11.2.; Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 36.
22
Falls die Angaben auf der Internetseite für den von § 21 Abs. 3 Z. 1 SPG vorausgesetzten
Verdacht nicht genügen, könnte die „erweiterte Gefahrenerforschung“ auf § 21 Abs. 3 Z. 2
SPG gestützt werden. Die Beobachtung einer Gruppierung ist danach zulässig, wenn ihre
bestehenden Strukturen und aktuelle Entwicklungen in ihrem Umfeld den Verdacht
begründen, dass es zu mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Gewalt
kommt.118
Es genügt ein Zusammenschluss von wenigstens drei Personen zur Verfolgung
eines gemeinsamen Zwecks.119
Der Verdacht muss sich einerseits auf die Strukturen der
Gruppierung und andererseits auf Entwicklungen in ihrem Umfeld stützen, wie auf
„Entwicklungen im Heimatstaat ethnisch definierter Gruppen“ oder „andere strategische
Zielsetzungen seitens der Führung dieser Gruppierungen“.120
Kann die Gruppierung der Aufgabe der „erweiterten Gefahrenerforschung“ zugeordnet
werden, ist für diese sicherheitsbehördliche Aufgabe die Genehmigung des
Rechtsschutzbeauftragten einzuholen (§ 91c Abs. 3 SPG). Die Sicherheitsbehörden sind
allerdings nicht befugt, von Diensteanbietern die Herausgabe von Daten zu verlangen. Denn
die besondere Ermittlungsbefugnis in § 53 Abs. 3a Z. 2 und 3 SPG ist auf die dort genannten
Eingriffstatbestände beschränkt.
- Konnten die Polizei bzw. andere befugte Dienste in dieser Situation gegenüber diesen
Personen verdeckt: Lauschen, Beobachtung, Beobachtung unter Einsatz von technischen
Mitteln führen?
a) Die Gruppe als „kriminelle Verbindung“
Ist die Gruppe als „kriminelle Verbindung“ i.S. des SPG einzuordnen, gilt Folgendes:
Die Sicherheitsbehörden dürfen die betroffenen Personen observieren, wenn die
Abwehr der kriminellen Verbindung ansonsten gefährdet oder erheblich erschwert wäre; § 54
Abs. 2 SPG. Die Observation umfasst auch das verdeckte Lauschen und Beobachten. Wäre
die Observation sonst aussichtslos oder erheblich erschwert, darf sie durch Peilsender
unterstützt werden; § 54 Abs. 2a SPG.
Wäre die Abwehr der kriminellen Verbindung ansonsten gefährdet oder erheblich
erschwert, darf gegen die kriminelle Verbindung verdeckt ermittelt werden; § 54 Abs. 3 SPG.
Äußerungen sowie Verhaltensweisen, die öffentlich oder im Wahrnehmungsbereich
eines Ermittlers erfolgen, dürfen verdeckt mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten
festgehalten werden, wenn sonst die Abwehr der kriminellen Verbindung gefährdet oder
erheblich erschwert wäre und die Begehung einer Vorsatztat, die mit mehr als einjähriger
Freiheitsstrafe bedroht ist, zu erwarten ist; § 54 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3, Abs. 4a SPG. Es dürfen
dann also Agenten mit Mikrophonen und Kameras eingeschleust werden.
b) Die Gruppe als bloße Gefahrenquelle („erweiterte Gefahrenerforschung“)
Falls – wie oben beschrieben – die Voraussetzungen der „erweiterten
Gefahrenerforschung“ erfüllt sind, dürfen die Sicherheitsbehörden mit Genehmigung des
118
Der Verweis auf weltanschaulich oder religiös motivierte Gewalt hat in § 21 Abs. 3 Z. 2 SPG keine
normative Bedeutung. Die Ermächtigung erstreckt sich daher auch auf bloßes Rowdytum; Wimmer, in:
Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 37. 119
Wimmer, in: Thanner/Vogl, SPG, § 21 Anm. 33. 120
EBRV 81 BlgNR 21. GP., S. 6.
23
Rechtsschutzbeauftragten folgende der in der Fragestellung genannten verdeckten
Maßnahmen vornehmen:
Die Sicherheitsbehörden dürfen die betroffenen Personen observieren – also auch
belauschen und verdeckt beobachten –, wenn die „erweiterte Gefahrenerforschung“ durch
Einsatz anderer Ermittlungsmaßnahmen aussichtslos wäre; § 54 Abs. 2 SPG. Wäre die
Observation sonst aussichtslos oder erheblich erschwert, darf sie durch Peilsender unterstützt
werden; § 54 Abs. 2a SPG.
Wäre die „erweiterte Gefahrenerforschung“ durch andere Ermittlungsmaßnahmen
aussichtslos, darf verdeckt ermittelt werden; § 54 Abs. 3 SPG.
Äußerungen sowie Verhaltensweisen, die öffentlich oder im Wahrnehmungsbereich
eines Ermittlers erfolgen, dürfen verdeckt mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten
festgehalten werden, falls der Einsatz anderer Ermittlungsmethoden aussichtslos wäre; § 54
Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 SPG.
- Werden die erlangten Aufzeichnungen in Strafverfahren gegen X, Y, Z und gegen den
Sohn von X 1) als Beweise, 2) lediglich als Quelle von Informationen über Beweise und
Richtung der Ermittlertätigkeit, 3) gar nicht verwertet werden? Begründen Sie, bitte, Ihre
Antwort.
Da es um die Ermittlung personenbezogener Daten geht, ist das DSG anzuwenden (§ 74
Abs. 1 StPO). Die Aufzeichnungen sind in einem Strafverfahren nur dann verwertbar, wenn
die Ermittlung rechtmäßig war. Andernfalls besteht ein Löschungsanspruch nach § 63 Abs. 1
SPG, § 27 DSG und damit ein Beweisverwertungsverbot (näher oben ).
Die dabei erlangten Informationen dürfen jedoch zum Anlass für weitere Ermittlungen
genommen werden. Eine Fernwirkung von Beweisverboten („fruits of the poisonous tree“-
Doktrin) wird überwiegend abgelehnt.121
Ob und unter welchen Voraussetzungen Zufallsfunde der Sicherheitsbehörden verwertbar
sind (Verkehrsunfall des Z, Tätigkeit des X als Drogendealer), ist nicht geklärt. In der StPO
ist für prozessuale Ermittlungen als Mindesterfordernis der Verwertung von Zufallsfunden
vorgesehen, dass die Ermittlungsmaßnahme zum Nachweis der betreffenden Straftat hätte
angeordnet werden können (siehe § 140 Abs. 1, § 123 Abs. 7 StPO).122
Dieser Grundsatz
erscheint auf außerprozessuale verdeckte Ermittlungen übertragbar. Da die Aufklärung des
Verkehrsunfalls nur nach den Regelungen der StPO zulässig wäre, dürfen die Informationen
nicht in einem Strafverfahren gegen den Z verwertet werden. Anderes gilt für die
Zufallsfunde zum Nachteil des Sohns von X. Zum Zeitpunkt der verdeckten Maßnahmen
dauerte seine Tätigkeit als Drogendealer an, sodass es sich dabei um einen gefährlichen
Angriff i.S. von § 16 Abs. 2 Z. 4, Abs. 3 SPG handelte. Dieser würde die verdeckten
Maßnahmen erlauben. Eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Beweise an die
Strafverfolgungsbehörden bietet § 56 Abs. 1 Z. 2 SPG. Diese Bestimmung erlaubt zugleich
einen Wechsel des Zwecks der Datenverwendung vom präventiven zum repressiv-
121
Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 88; Schmoller, Unverwertbares Beweismaterial im Strafprozess, Schriftenreihe
des BMJ 45, 206 ff. A.A. R. Seiler, JBl 1974, 130 f.; Murschetz, Verwertungsverbote, StPdG, . 122
Anzumerken ist, dass der VfGH vor kurzem die Bestimmung des § 140 Abs. 3 StPO, die es zuließ, nach
der StPO rechtmäßig erlangte Beweise in anderen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Verfahren zu
verwerten, als einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz aufgehoben hat;
VfGH 1.10.2013, G 2/2013.
24
polizeilichen Bereich.123
Da diese Verwendung nicht mit den Zwecken, für die die Daten
ermittelt wurden, unvereinbar ist (§ 6 Abs. 1 Z. 2 DSG), erscheint eine Verwertung der
Zufallsfunde zulässig.
- Ist es vom Standpunkt der Grundsätze für die Verwertung von Aufzeichnungen
von Belang, ob es Ton- oder Bildaufzeichnungen sind?
Nein, das spielt keine Rolle.
Teil II. Privat erhobene Beweismittel
1. Ist in Ihrem Land Privatermittlung zulässig? (Wenn ja, nach welchen
Grundsätzen; liegen einschlägige Rechtsregelungen vor?)
Die StPO enthält keine Regelungen über private Ermittlungen. Im Zuge der Reform des
strafprozessualen Vorverfahrens war ursprünglich geplant, ein Ermittlungsrecht des
Verteidigers ausdrücklich zu normieren.124
Dieses Vorhaben wurde nicht umgesetzt. Auch
ohne ausdrückliche Einräumung eines Ermittlungsrechts gelten eigene Ermittlungen des
Verteidigers im Rahmen der Gesetze als zulässig.125
Ein Recht des Verteidigers auf eigene
Ermittlungen wird aus dem Recht auf Verteidigung nach Art. 6 Abs. 2 lit. b und c EMRK
abgeleitet. Da die EMRK in Österreich Verfassungsrang besitzt, handelt es sich um ein
verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht.126
Die Grenzen für eigene Ermittlungen des
Verteidigers ergeben sich aus den allgemeinen Strafvorschriften (z.B. §§ 105, 288, 289, 299
StGB). Darüber hinaus hat der Anwalt im Umgang mit Personen, die als Zeugen in Betracht
kommen, jeglichen Anschein einer Beeinflussung zu unterlassen (§ 8 der Richtlinien der
Berufsausübung).127
Darüber hinaus wird diskutiert, ob der Verteidiger zu eigenen Ermittlungen sogar
verpflichtet sein kann. Der Diskussionsentwurf 1998 weist darauf hin, dass eine sachgerechte
Ausübung des Beweisantragsrechts den Verteidiger zu eigenen Ermittlungen verpflichten
könne.128
Eine Pflicht zu eigenen Ermittlungen wird teils auch aus der Pflicht des
Rechtsanwalts zur gewissenhaften Vertretung der Rechte seiner Partei (§ 9 Abs. 1
Rechtsanwaltsordnung) abgeleitet.129
Die Ermittlungen können insbesondere in Form des
123
Das Weiterverwenden der Daten umfasst gem. § 4 Z. 8 i.V.m. Z. 12 DSG auch die Datenverwendung für
ein anderes Aufgabengebiet des Auftraggebers. Vgl. Ebert, Landesbericht Österreich, in: Gropp (Hrsg.),
Besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (1993), 629 f. 124
§ B 12 Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des strafprozessualen
Vorverfahrens, JMZ 578.017/2-II.3/1998. 125
Arbeitsgruppe Strafrecht und Arbeitskreise Berufsrecht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages,
AnwBl 2007, 183 ff., 185; Bockemühl, JSt 2010, 59, 65; Ruhri, in: Soyer (Hrsg.), Strafverteidigung –
Konflikte und Lösungen (2004), S. 50 f. 126
Z.B. Ruhri, S. 51; Soyer, Die (ordentliche) Wiederaufnahme des Strafverfahrens, S. 77 ff. 127
Zu den Schwierigkeiten, dieses Verbot mit Befragungen des Zeugen durch den Anwalt zu vereinbaren,
Ruhri, in: Soyer (Hrsg.), Strafverteidigung – Konflikte und Lösungen (2004), S. 54. 128
S. B 24; in diese Richtung auch Ruhri, S. 51. 129
Bockemühl, JSt 2010, 59, 64; tendenziell auch Ruhri, S. 51; eine Ermittlungspflicht ablehnend dagegen
Arbeitsgruppe Strafrecht und Arbeitskreise Berufsrecht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages,
AnwBl 2007, 183 ff., 185.
25
Einholens von Auskünften, Befragung von Zeugen, Besichtigung des Tatorts und
Beauftragung eines privaten Sachverständigen erfolgen.130
Aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Verteidigung nach Art. 6 Abs. 3
lit. c EMRK ergibt sich auch die Zulässigkeit eigener Ermittlungen des Beschuldigten.
Ermittlungen anderer Privater sind insbesondere im Rahmen von Compliance
anerkannt.131
2. Ist in Ihrem Land die Verwertung von privat beschafften Beweismitteln im
Strafverfahren zulässig? (Wenn ja, nach welchen Grundsätzen; liegen einschlägige
Rechtsregelungen vor?)
Zur Verwertbarkeit von privat beschafften Beweismitteln im Strafverfahren gibt es keine
Regelungen.
Der OGH betont, dass die Beweisverwertungsverbote, die für die Ergebnisse einer
optischen und akustischen Überwachung nach der StPO vorgesehen sind, auf eine von einem
Privaten vorgenommene Überwachung nicht anwendbar sind. Zur Frage der Verwertbarkeit
einer Aufzeichnung aus einer Videoüberwachung, die Betreiber eines Asylheimes aus
Sicherheitsgründen vorgenommen hatten, führt der Gerichtshof aus, dass das in der StPO
festgelegte Verwertungsverbot (nunmehr: § 140 StPO) sich nur auf eine strafprozessuale
optische und akustische Überwachung (nunmehr: § 136 StPO) beziehe. Ein
Verwertungsverbot der gegenständlichen Videoaufzeichnung lasse sich daraus nicht ableiten.
Zwar gebe es neben ausdrücklich geregelten auch nicht ausdrückliche
Beweisverwertungsverbote. Diese könnten sich insbesondere aus Verfahrensgrundsätzen oder
den Grundrechten ergeben. Ob ein nicht ausdrückliches Beweisverwertungsverbot eingreift,
lässt der OGH jedoch offen, da ein solches vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht
worden war.132
Im Schrifttum wird teils davon ausgegangen, dass Beweismittel, die in gesetzwidriger
Weise von Privaten erlangt wurden, grundsätzlich verwertbar seien, weil die Vorschriften der
StPO über die Beweiserhebung für Private keine Geltung hätten.133
Reindl-Krauskopf erwägt
dagegen, den Begriff „Ergebnis“ in § 140 StPO weiter als die Rspr. auszulegen und das
Beweisverwertungsverbot auf die Ergebnisse einer privaten Überwachung zu erstrecken
(näher unten 3.g). Nach Schmoller hängt die Verwertbarkeit von der datenschutzrechtlichen
Zulässigkeit der Erhebung und Verwendung des Beweismittels ab. Soweit die Daten zu
löschen sind, sei eine Verwertung nicht zulässig.134
3. Welche von den unten aufgezählten Materialien dürfen in Ihrem Land als
Beweismittel im Strafverfahren verwertet werden, und welche nicht. Begründen Sie
bitte Ihre Antwort.
a) auf Privatantrag erstellte Sachverständigengutachten,
130
Arbeitsgruppe Strafrecht und Arbeitskreise Berufsrecht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages,
AnwBl 2007, 183 ff., 185. 131
Dazu z.B. Wess, AnwBl 2013, 223 ff.; Zerbes, Zugriff auf Beweise zwischen Effizienz und Rechtsschutz,
in: (Hrsg.), Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht und Organverantwortlichkeit 2012, S. 105 (112 ff.). 132
OGH EvBl 2007/121. 133
Seiler, Strafprozessrecht, 12. Aufl., Rn. 333. 134
Schmoller, FS Machacek/Matscher (2008), S. 1068; im Anschluss daran auch Stolzlechner/Horvath, SIAK-
Journal 2010, 18 ff.
26
Ein privater Sachverständiger gilt nicht als Sachverständiger i.S. der StPO. Dies wird
damit begründet, dass die Unparteilichkeit eines privaten Gutachters nicht gewährleistet
sei.135
Die StPO räumt dem Beschuldigten lediglich das Recht ein, zur Befragung des gerichtlich
bestellten Sachverständigen einen privaten Sachverständigen heranzuziehen (§ 249 Abs. 3
StPO). Der private Sachverständige darf den Verteidiger bei der Fragestellung unterstützen.136
Ein eigenes Fragerecht kommt ihm jedoch nicht zu.137
Zwar würde § 252 Abs. 2 StPO die Möglichkeit bieten, das im Privatauftrag erstellte
Gutachten durch Verlesung als „Schriftstück anderer Art“ gem. § 252 Abs. 2 StPO in die
Hauptverhandlung einzuführen. Wird das Privatgutachten solcherart zum Gegenstand des
Beweisverfahrens, hat sich das Gericht damit auseinanderzusetzen.138
Jedoch ist das Gericht
nach Ansicht von Rspr. und h.L. nicht verpflichtet, ein Privatgutachten zum Akt zu nehmen
und nach § 252 StPO verlesen zu lassen.139
In einigen Entscheidungen wird eine Verlesung
nach § 252 StPO sogar als unzulässig angesehen.140
Eine ausnahmsweise Pflicht, ein
Privatgutachten gem. § 252 Abs. 2 StPO zu den Akten zu nehmen, wird von der Rspr. nur in
dem Sonderfall angenommen, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger den Befund
nicht mehr mit vergleichbarer Qualität erheben könnte.141
Die Rspr. lehnt es auch ab, den privaten Gutachter als Zeugen zu vernehmen. Zeuge sei
gemäß § 154 Abs. 1 StPO nur, wer über wahrgenommene Tatsachen im Verfahren aussagen
kann, nicht hingegen wer Schlussfolgerungen oder Wertungen präsentiere.142
So bleibt dem Beschuldigten nur die Möglichkeit, sich in einem Antrag auf Hinzuziehung
eines weiteren gerichtlich bestellten Sachverständigen auf das Privatgutachten zu beziehen. Er
kann mit Hilfe des privaten Gutachtens Mängel des Gutachtens des gerichtlich bestellten
Sachverständigen aufzeigen und auf diese Weise erreichen, dass sich das Gericht mit dem
Befund des privaten Sachverständigen auseinanderzusetzen hat.143
In jüngster Zeit wurde Kritik an dieser für den Beschuldigten nachteiligen Rechtslage laut.
Die Kritik entzündet sich daran, dass seit der 2008 in Kraft getretenen Reform des
Ermittlungsverfahrens amtliche Sachverständige im Ermittlungsverfahren von der
135
Seiler, Strafprozessrecht, 12. Aufl., Rn. 428. 136
Wie der OGH klargestellt hat, ist dem Beschuldigten dieses Konfrontationsrecht auch dann zu gewähren,
wenn er bereits die Gelegenheit hatte, Fragen an den gerichtlich bestellten Sachverständigen zu stellen, und
erst im Anschluss eine private Expertise eingeholt hat; OGH JBl 2009, 801 mit zustimmender Anm.
Hinterhofer. 137
Kritisch Bruckmüller/Schumann, juridikum 2008, 72, 75; Eder-Rieder/Mitterauer, JSt 2008, 11, 14; Ratz,
ÖJZ 2010/47, 388 verweist darauf, dass das Strafgericht trotz des Fehlens eines Fragerechts dem
Privatsachverständigen gestatten kann, direkt Fragen an den Amtssachverständigen zu stellen. Eine solche
Erlaubnis könne indes ohne das Erfordernis einer Begründung wieder entzogen werden. 138
OGH 11 Os 86/91. 139
OGH 13 Os 131/12g; 13 Os 135/03; 12 Os 61/03; 13 Os 110/02; Hinterhofer, WK-StPO, § 123 Rz. 26;
Seiler, Strafprozessrecht, 12. Aufl., Rn. 428; für eine Pflicht zur Verlesung dagegen Eder-
Rieder/Mitterauer, JSt 2008, 11, 13 unter Verweis auf das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 3
lit. d EMRK. 140
OGH 13 Os 131/12g; 13 Os 151/08t; 13 Os 141/11a, 160/11w; Kirchbacher, WK-StPO, § 252 Rz. 40. 141
OGH 13 Os 135/03; Hinterhofer, WK-StPO, § 125 Rz. 26. 142
OGH 13 Os 131/12g. 143
Bertel/Venier, Strafprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 440.
27
Staatsanwaltschaft (§ 126 Abs. 3 StPO) und nicht mehr, wie zuvor, von einem unabhängigen
Richter (dem durch die Reform abgeschafften Untersuchungsrichter) bestellt werden. Der von
der Staatsanwaltschaft bestellte Sachverständige kann anschließend auch im Auftrag des
Gerichts tätig werden. § 126 Abs. 4 StPO stellt klar, dass die vorherige Tätigkeit im
Ermittlungsverfahren keine Befangenheit des Sachverständigen begründet. Diese Rechtslage
wird als mit dem Recht auf ein faires Strafverfahren unvereinbar angesehen.144
Während der
OGH eine Gesetzesänderung dahin gehend angeregt hat, dass der Sachverständige schon im
Ermittlungsverfahren vom Gericht zu bestellen ist, wird von Strafverteidigern eine gesetzliche
Anerkennung von Privatgutachtern gefordert.145
b) durch Privatpersonen erstellte Notizen über den Hergang eines Gesprächs bzw.
Geschehens,
Schriftliche Aufzeichnungen einer Person über ein Gespräch oder den Ablauf eines
Geschehens gelten als indirektes Beweismittel. Aufgrund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ist
die betreffende Person in der Hauptverhandlung als Zeuge zu vernehmen. Das Original-
Beweismittel darf nicht durch ein indirektes Beweismittel ersetzt werden (§ 13 Abs. 3 StPO).
Es ist indes zulässig, zusätzlich zum originalen Beweismittel ein indirektes Beweismittel
heranzuziehen. Daher dürfen zusätzlich zur Zeugenaussage die Notizen der Person als
Beweismittel aufgenommen werden. Dies hat im Wege einer Verlesung der Aufzeichnungen
gem. § 252 Abs. 2 StPO zu erfolgen.146
Falls es aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, die Person als Zeuge zu vernehmen –
etwa weil sie in der Zwischenzeit verstorben ist –, darf auf das mittelbare Beweismittel,
vorliegend die schriftlichen Aufzeichnungen der Person, auch ohne das originale
Beweismittel (ihre Vernehmung als Zeuge) zurückgegriffen werden.147
Ist die Zeugenvernehmung aus rechtlichen Gründen nicht möglich, ist aus Gründen der
Fairness des Verfahrens ein Rückgriff auf ein mittelbares Beweismittel nur dann zulässig,
wenn es zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte kommt.148
Macht
ein Zeuge von einem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, darf eine frühere Zeugenaussage
nur dann als Beweismittel herangezogen werden, wenn diese im Rahmen einer gerichtlichen
Vernehmung im Beisein der Parteien erfolgte, sodass das Fragerecht der Verteidigung
gewährleistet war (§ 252 Abs. 1 Z. 2a StPO). Es wäre in diesem Fall unzulässig, schriftliche
Aufzeichnungen des Zeugen als Beweismittel aufzunehmen. Anderes gilt nur dann, wenn
Ankläger und Angeklagter mit der Verlesung einverstanden sind (§ 252 Abs. 1 Z. 4 StPO).149
c) Aufzeichnung des Zeugenberichts über den Hergang eines bestimmten
Geschehens mit dessen Zustimmung,
Es wird davon ausgegangen, dass mit der Formulierung „Aufzeichnung des
Zeugenberichts“ eine Tonaufnahme oder eine Videoaufzeichnung mit Tonspur gemeint ist.
144
Birklbauer, JSt 2013, 167; Todor-Kostic, Sachverständigenbeweis und Sachverständigenauswahl, AnwBl
2011, 132 (134); a.A. Riffl, RZ 2013, 232. 145
Ruhri, Der Standard 2013/40/08. 146
Kirchbacher, WK-StPO, § 252 Rn. 124. 147
Schmoller, WK-StPO, § 13 Rn. 11 ff. 148
Schmoller, WK-StPO, § 13 Rn. 14. 149
Näher Schmoller, WK-StPO, § 13 Rn. 16 f.
28
Tonaufnahmen sowie Videoaufzeichnungen beinhalten vom DSG geschützte
personenbezogene Daten (§ 4 Z. 1 DSG).150
Da jedoch der Zeuge der Einführung der
Aufzeichnung in das Strafverfahren zugestimmt hat, berührt ihre Verwertung nicht das
Datenschutzrecht (vgl. § 1 Abs. 2 DSG).
Die Heranziehung als Beweismittel ist damit unter denselben Voraussetzungen wie zu
Frage b) dargestellt zulässig:151
Die Aufzeichnung darf eine mögliche Einvernahme des
Zeugen nicht ersetzen. Sie darf nur als ergänzendes Beweismittel verwertet werden, es sei
denn, die Zeugenvernehmung ist aus tatsächlichen Gründen nicht mehr durchführbar. Bei
rechtlicher Unmöglichkeit, den Zeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen, ist die
Verwertung der Aufzeichnung nur dann zulässig, wenn die Fairness des Verfahrens
gewährleistet ist.
d) Aufzeichnung des Zeugenberichts über den Hergang eines bestimmten
Geschehens ohne dessen Zustimmung,
Wie oben (Frage c) wird angenommen, dass sich die Frage auf eine Tonaufnahme oder
eine Videoaufzeichnung mit Tonspur bezieht.
Eine heimliche Tonaufnahme ist nach § 120 Abs. 1 StGB strafbar, es sei denn, die
Äußerung war zur Kenntnis der Person bestimmt, die sie aufgezeichnet hat. Die Wiedergabe
der Tonaufnahme im Strafverfahren kann den Straftatbestand des § 120 Abs. 2 StGB
verwirklichen. Nach dieser Strafvorschrift macht sich strafbar, wer ohne Einverständnis des
Sprechenden die Tonaufnahme einer nichtöffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten,
für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht. Damit kann auch das Abspielen der
Tonaufnahme im Zuge eines Gerichtsverfahrens strafbar sein, soweit nicht ein
Rechtfertigungsgrund eingreift.
Wie weit es ausnahmsweise erlaubt ist, eine Tonaufnahme ohne Einverständnis des
Sprechenden im Strafprozess abzuspielen, ist nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht
darüber, dass die Verwendung der Tonaufnahme durch Notwehr oder Notstand gerechtfertigt
sein kann. So ist anerkannt, dass ein Rechtfertigungsgrund bei einer Verwendung zu
Verteidigungszwecken eingreifen kann.152
Das Interesse, sich von dem strafrechtlichen
Vorwurf zu entlasten, kann das Recht am eigenen Wort wesentlich überwiegen. Das gilt
jedenfalls dann, wenn es um den Vorwurf einer mittelschweren oder schweren Straftat
geht.153
Die Rspr. hat eine Rechtfertigung sogar beim Vorwurf einer leichten Straftat, wie
einer Beleidigung, angenommen.154
Geht es umgekehrt darum, die Tonaufnahme als Beweismittel gegen den Beschuldigten zu
verwenden, kommt eine Rechtfertigung durch Notstand nicht in Betracht, selbst wenn es sich
um eine schwere Straftat handelt. In Österreich gilt das staatliche Strafverfolgungsinteresse
als nicht notstandsfähig. Anders als in Deutschland ist ein Eingreifen von rechtfertigendem
150
Das gilt auch für bloße Tonaufnahmen, da anhand der Stimme der Sprechende ermittelt werden kann; vgl.
zu dieser Einordnung Dohr ua, DSG-Kommentar, § 1 Anm. 2. 151
Für die grundsätzliche Verwertbarkeit einverständlich zustande gekommener Tonaufnahmen auch
Schmoller, JBl 1994, bei Fn. 30, der eine Einschränkung bei intimem Inhalt erwägt. 152
OGH EvBl 2006/78; Thiele, SbgK, § 120 Rn. 77. 153
Schmoller, JBl 1994, 153. 154
OGH EvBl 1992/197; Lewisch/Reindl-Krauskopf, WK-StGB, § 120 Rn. 27, 30; zweifelnd Schmoller, JBl
1994, 153 bei Fn. 41.
29
Notstand nur zum Schutz von individuellen Rechtsgütern anerkannt.155
Im staatlichen
Interesse darf nur dann in die Rechte Dritter eingegriffen werden, wenn dies gesetzlich
ausdrücklich vorgesehen ist. Die gesetzlichen Grenzen der staatlichen Eingriffsbefugnisse
dürfen nicht unter Berufung auf rechtfertigenden Notstand erweitert werden. Rechtfertigender
Notstand kommt daher nicht in Betracht.156
Soweit die Tonaufnahme verwertbar ist, wird aber das Abspielen der Aufnahme in der
Hauptverhandlung als durch die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit
gerechtfertigt angesehen.157
Folgt man dieser Ansicht, ist für die Frage der Strafbarkeit der
Beweiserhebung (Abspielen der Aufnahme im Strafverfahren) entscheidend, ob ein
Verwertungsverbot besteht.
Nun folgt aus dem Umstand, dass ein Beweismittel rechtswidrig oder gar auf strafbare
Weise erlangt wurde, nicht automatisch ein Beweisverwertungsverbot. Dies gilt insbesondere
dann, wenn eine Privatperson das Beweismittel außerhalb des Verfahrens erlangt hat.158
Vielmehr müssen besondere Gründe hinzutreten, die gegen eine Verwertung sprechen. Ein
Beweisverwertungsverbot ist speziell für den Fall anerkannt, dass ein rechtlicher
Vernichtungsanspruch gegeben ist. Dieses Beweisverwertungsverbot wird damit begründet,
dass es widersprüchlich wäre, dürfte ein Urteil auf die Existenz eines Gegenstandes gestützt
werden, der nach der Rechtsordnung zu vernichten ist, also gar nicht existent sein soll (siehe
bereits oben). Danach besteht im vorliegenden Fall ein Beweisverwertungsverbot, weil der
Sprechende, der der Tonaufzeichnung nicht zugestimmt hat, einen zivilrechtlichen
Vernichtungsanspruch hat.159
e) öffentliche Aufzeichnung, mit der zufällig ein bestimmtes strafrechtlich
relevantes Geschehen registriert wurde (z.B. Aufzeichnung eines Familien- bzw.
Freundestreffens),
aa) Verwertung der Bildaufzeichnung
Eine Filmaufzeichnung enthält das Bild von identifizierbaren Personen. Es handelt sich
um personenbezogene Daten, nämlich um Angaben über eine Person, deren Identität
zumindest bestimmbar ist (§ 4 Z. 1 DSG).160
§§ 74 f. StPO regeln die Zulässigkeit der Verwendung von Daten im Strafverfahren.
Gemäß § 74 StPO sind die Bestimmungen des DSG anzuwenden, soweit im Einzelnen nichts
155
Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., Z 12 Rn. 5 ff. 156
Schmoller, JBl 1994, 153 bei Fn. 34; Fuchs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl., Kap. 17 Rn. 70 ff. Die
Rspr. hat in älteren Entscheidungen eine Rechtfertigung durch ein überwiegendes Interesse angenommen;
OGH EvBl 1965/414; EvBl 1991/42: die Gefahr, einen Zivilprozess infolge Beweisnotstands zu verlieren,
überwiege das Geheimhaltungsinteresse. Die Annahme eines entsprechenden Rechtfertigungsgrunds
entbehrt jedoch einer gesetzlichen Grundlage und ist heute als überholt anzusehen; vgl. Schmoller, JBl
1994, bei Fn. 32. 157
So Schmoller, JBl 1994, bei Fn. 28. 158
Generalprokuratur, wiedergegeben von OGH EvBl 1992, 197. 159
Schmoller, JBl 1994, 156; ders., FS Kühne (2013) 348 f.; ders., in: Österreichische Juristenkommission
(Hrsg.), Strafprozess- und Strafvollzugsreform nach dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987, 1989, S. 105
(194, 197 ff.); im Anschluss daran auch Bertel/Venier, StPO-Kommentar, § 281 Rn. 7;
Stolzlechner/Horvath, SIAK-Journal 2010, H 1, 17 (18); ablehnend Kirchbacher, WK-StPO, § 246 Rz 87;
Kodek, ÖJZ 2001, 337. Zusätzlich folgt ein Beweisverwertungsverbot aus einem datenschutzrechtlichen
Löschungsanspruch; siehe unten. 160
Vgl. Dohr ua, DSG-Kommentar, § 4 Anm. 2.
30
anderes festgelegt ist. Beschränkungen, die das DSG für die Datenverwendung vorsieht,
gelten somit auch für das Strafverfahren. Ist die Verwendung der Daten nach dem DSG nicht
zulässig, dürfen die Daten im Strafverfahren nicht verwendet werden. Gesetzwidrig ermittelte
Daten sind unverzüglich zu löschen (§ 75 Abs. 1 StPO). Aus der Löschungsverpflichtung
wird auf ein Beweisverwertungsverbot geschlossen.161
Ob die Aufzeichnung verwertet werden darf, hängt demnach davon ab, ob erstens die
private Ermittlung der Daten zulässig war, ob zweitens die Daten anschließend an die
Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden durften und ob drittens das Aufbewahren und
Abspielen der Aufzeichnung in der Hauptverhandlung vom DSG gedeckt war. Bei
Rechtswidrigkeit einer der Vorgänge sind die Daten zu löschen und es greift ein
Beweisverwertungsverbot ein.
Die Zulässigkeit der konkreten Datenverwendung setzt nach § 7 Abs. 1 DSG voraus, dass
diese einem festgelegten Zweck dient (§ 7 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Z. 2 DSG), Zweck und
Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen
Befugnissen des Auftraggebers gedeckt sind und schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen
des Betroffenen nicht verletzt werden. Zudem muss die Datenverwendung verhältnismäßig
sein (§ 7 Abs. 3 DSG).
Nicht geklärt ist, ob eine Filmaufzeichnung stets besonders schutzwürdige „sensible
Daten“ i.S. von § 4 Z. 2 DSG enthält. Für diese Einordnung wird angeführt, dass bei
Bildaufnahmen regelmäßig die Hautfarbe der Person erkennbar ist. Es handle sich daher um
„Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft” und damit um
besonders schutzwürdige sensible Daten. Nach anderer Ansicht stellen strafrechtsbezogene
Daten aufgrund der Sonderregelung in § 8 Abs. 4 DSG nicht-sensible Daten dar, deren
Verwendung geringeren Beschränkungen unterliegt als die Verwendung sensibler Daten.162
Für die zuletzt genannte Ansicht lässt sich das Gebot richtlinienkonformer Auslegung
anführen. Der österreichische Gesetzgeber wollte mit § 8 Abs. 4 DSG die Regelung des Art. 8
Abs. 5 der Datenschutz-Richtlinie163
umsetzen, die strafrechtsbezogene Daten nicht als
„sensible“ Daten behandelt, sondern sie nur in deren Nähe rückt.164
Im Folgenden wird daher
davon ausgegangen, dass es sich um „nicht-sensible“, strafrechtsbezogene Daten i.S. von § 8
Abs. 4 DSG handelt.165
Die Sonderregelungen der §§ 50a ff. DSG über die Videoüberwachung finden keine
Anwendung. Filmaufzeichnungen für ausschließlich familiäre oder persönliche Zwecke, wie
das Festhalten eines Treffens im Familien- oder Freundeskreis, stellen keine
Videoüberwachung i.S. dar, weil es dabei nicht um die systematische Kontrolle eines
bestimmten Objekts oder einer bestimmten Person geht.166
161
Schmoller, FS Machacek/Matscher (2008), S. 1067 f. 162
Nachweise zum Meinungsstand bei Schmoller, FS Machacek/Matscher (2008), S. 1069 f.; siehe auch
Souhrada-Kirchmayer, Jahrbuch Datenschutzrecht 2010, 17 (19). 163
Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. 164
EB RV 1613 BlgNR 20. GP., S. 41. 165
So auch die Einordnung durch die Datenschutzkommission; Nw. bei Kotschy, in: FS Machacek/Matscher
(2008), S. 262 ff. 166
Vgl. § 50a Abs. 1 DSG; EBRV 472 Blg NR 24. GP., S. 17; Dohr ua, DSG-Kommentar, § 50a Anm. 1;
Ennöckl, ÖJZ 2010, 297; Souhrada-Kirchmayer, Jahrbuch Datenschutzrecht 2010, 17 (20).
31
Des Weiteren ist danach zu differenzieren, ob es sich um Straftaten des Familien- und
Freundeskreises oder um zufällig aufgezeichnete Straftaten Dritter handelt:
In der erstgenannten Konstellation erfolgte die Ermittlung der Daten mit (zumindest
stillschweigender)167
Zustimmung der gefilmten Personen, sodass die Aufzeichnung
datenschutzrechtlich zulässig war (vgl. § 1 Abs. 2 DSG). Die Übermittlung von
strafrechtsbezogenen Daten an die Strafverfolgungsbehörden ist gem. § 8 Abs. 4 Z. 4 DSG
zum Zweck der Erstattung einer Strafanzeige an die zuständige Behörde (auch ohne
Zustimmung der Betroffenen) zulässig. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen die Daten dann
auch aufbewahren und im Strafverfahren verwenden. Die von § 1 Abs. 2 DSG geforderte
gesetzliche Grundlage stellt § 74 Abs. 2 StPO dar. Die Strafverfolgung gilt als wichtiges
öffentliches Interesse i.S. von § 1 Abs. 2 DSG. Aus § 8 Abs. 4 Z. 4 DSG ist abzuleiten, dass
schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen nicht entgegenstehen. Die nach dieser Regelung
zulässige Verwendung der Daten, die zum Zweck der Anzeigeerstattung an die zuständige
Behörde weitergegeben wurden, erstreckt sich nach § 4 Z. 8 i.V.m. Z. 9 DSG auch auf das
Aufbewahren und Benützen der Daten. Da in dieser Konstellation das Ermitteln der Daten,
ihre Übermittlung und Benützung im Strafverfahren datenschutzrechtlich zulässig waren, darf
die Bildaufzeichnung verwertet werden.
In der zweitgenannten Konstellation ergibt sich die Zulässigkeit der Verwertung über den
unten zu Frage f) dargestellten Begründungsweg.
bb) Verwertung der Tonaufnahme
Soweit die Filmaufzeichnung mit Ton erfolgte, ist die Herstellung einer Tonaufnahme
jener Personen, die an dem Treffen teilnahmen, nicht strafbar, da die Tonaufnahme bei
gewöhnlichem Filmen offen erfolgt und daher von einer zumindest stillschweigenden
Zustimmung der Sprechenden in die Aufnahme auszugehen ist.
Problematisch ist allerdings das Abspielen der Tonaufnahme im Strafverfahren.
Entsprechend den Ausführungen oben zu Frage d) ist das Zugänglichmachen der
Tonaufnahme an einen Dritten grundsätzlich strafbar, sofern die Sprechenden nicht
einverstanden sind. Allerdings kann in den Vorschriften über die Beweisaufnahme ein
Rechtfertigungsgrund gesehen werden. Dieser greift ein, wenn kein Beweisverwertungsverbot
besteht.168
Ein Beweisverwertungsverbot ist nur dann gegeben, wenn der Sprechende einen
zivilrechtlichen Vernichtungsanspruch hat.
f) öffentliche Aufzeichnung zwecks gezielter Registrierung eines bestimmten
strafrelevanten Geschehens ( z.B. X als Zeuge einer Straßenschlägerei zeichnet sie mit
seinem Handy auf),
Bei der Aufzeichnung handelt es sich um strafrechtsbezogene Daten gem. § 8 Abs. 4 DSG
(näher oben zu Frage e). Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Aufzeichnung setzt nach
§ 7 Abs. 1 DSG voraus, dass Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen
Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind, die
schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzt werden und die
Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.
167
Soweit es sich nicht um sensible Daten handelt (vgl. § 9 DSG), kann die Zustimmung auch konkludent
erfolgen; Dohr ua, DSG-Kommentar, § 1 Anm. 12. 168
Schmoller, JBl 1994, bei Fn. 28.
32
Eine rechtliche Befugnis könnte sich aus dem Anzeigerecht gem. § 80 Abs. 1 StPO
ergeben. Danach darf jeder, der von der Begehung einer Straftat erfährt, Anzeige an die
Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft erstatten. Das Anzeigerecht deckt wohl auch die
Dokumentation der Straftat ab. Für diese weite Auslegung der Befugnis lässt sich anführen,
dass man durch eine Strafanzeige ein Risiko der eigenen Strafbarkeit eingeht (§ 297 StGB).169
Im Hinblick auf das staatliche Interesse daran, dass Anzeigen erstattet werden, ist die
Beweissicherung einer wahrgenommenen Straftat als datenschutzrechtlich zulässig
einzustufen. Zu beachten ist, dass das Anzeigerecht erst durch die Kenntniserlangung von der
Straftat begründet wird. Eine private Überwachung „auf Verdacht“ ist auf dieser Grundlage
nicht zulässig.
Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen stehen nicht entgegen, wenn
die Weitergabe der Daten zur Erstattung einer Strafanzeige an die zuständige Behörde erfolgt
(§ 8 Abs. 4 Z. 4 DSG). Unter dieser Voraussetzung ist die Aufzeichnung nach dem DSG
zulässig. Die Aufzeichnung darf dann auch an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt und
von diesen verwendet werden (s. Antwort auf Frage g).
g) Aufzeichnung mit einem heimlich installierten Gerät zwecks Beschaffung von
Informationen, zu deren Zugang der Aufzeichnende nicht berechtigt ist (z.B. der
Ehemann installiert ein Abhörgerät im Handy seiner Frau).
Die heimliche Beschaffung von Informationen mittels technischer Geräte kann strafbar
sein. Wer eine in einem Mobiltelefon installierte Abhörvorrichtung170
benützt, um sich
Kenntnis von einer nicht für ihn bestimmten Nachricht zu verschaffen, macht sich nach § 119
Abs. 1 StGB strafbar. Wird die Nachricht mit einem Tonaufnahmegerät aufgezeichnet, greift
zusätzlich eine Strafbarkeit nach § 120 Abs. 1 StGB ein. Die Einführung der Aufzeichnung
als Beweismittel in den Strafprozess, ist überdies nach § 120 Abs. 2 StGB strafbar.171
Der Betroffene hat einen zivilrechtlichen Anspruch auf Vernichtung der Tonaufnahme,
der aus dem Recht am eigenen Wort folgt. Zugleich besteht ein datenschutzrechtlicher
Löschungsanspruch. Aus diesen rechtlichen Vernichtungsansprüchen ergibt sich ein
Beweisverwertungsverbot.172
Vereinzelt wird im Schrifttum aus § 140 StPO ein Beweisverwertungsverbot für die
Ergebnisse privater Überwachung abgeleitet. Entgegen der Rspr. könnten auch die Ergebnisse
einer privaten Erhebung als „Ergebnisse einer Ermittlung“ i.S. des § 140 StPO angesehen
werden. Für diese Auslegung wird auf die zunehmende Intensität privater Übergriffe und „die
allgemeine Tendenz des Staates, ursprünglich staatliche Aufgaben an Private auszulagern”
verwiesen. Diese Entwicklungen erforderten einen stärkeren Schutz vor der Verwendung von
169
Der Straftatbestand setzt allerdings eine wissentlich falsche Verdächtigung voraus. Üble Nachrede (§ 111
StGB) gilt als gerechtfertigt, sofern dem Anzeiger nicht Wissentlichkeit bezüglich der Unrichtigkeit der
Anzeige zur Last fällt. Näher Schwaighofer, WK-StPO, § 80 Rn. 8 ff. 170
Dazu zählt auch entsprechende Software; Thiele, SbgK, § 119 Rn. 45. 171
Zu den Konkurrenzen Thiele, SbgK, § 119 Rn. 84. 172
Für ein Verwertungsverbot privater Ermittlungsergebnisse aufgrund heimlicher optischer oder akustischer
Überwachung auch Soyer, Verteidigungsrechte im künftigen Vorverfahren, AnwBl 2000, 600. Die im
Schrifttum teils vorzufindende Ansicht, der zufolge von Privaten auf gesetzwidrige Weise erlangte
Beweismittel im Strafverfahren grundsätzlich verwertet werden dürfen – so Seiler, Strafprozessrecht, 12.
Aufl., Rn. 333 –, lässt die Bestimmungen des DSG außer Acht.
33
Daten, die durch die Ermittlungen Privater erhoben wurden.173
Diese weite Interpretation des
in § 140 StPO normierten Beweisverwertungsverbots hätte zur Folge, dass die Ergebnisse
privater Überwachung stets einem Beweisverwertungsverbot unterliegen würden, da es
jedenfalls an einer gerichtlichen Bewilligung und Anordnung der Staatsanwaltschaft fehlt.174
Die generelle Annahme eines Beweisverwertungsverbots für heimliche Eingriffe in die
Privatsphäre durch private Ermittlungen überzeugt allerdings im Ergebnis nicht, wie die
nachfolgende Konstellation der heimlichen Aufzeichnung des Erpressers durch die erpresste
Person zeigt (unten h). Auch der Wortlaut des Gesetzes spricht gegen die Ableitung eines
Beweisverwertungsverbots. § 140 Abs. 1 StPO bezieht sich nämlich ausdrücklich auf
„Ergebnisse” i.S. von § 134 Z. 5 StPO und damit nur auf Ergebnisse einer staatlichen
Überwachungsmaßnahme.
h) Aufzeichnung mit einer heimlich installierten Apparatur zwecks Registrierung
eines Geschehens, an dem der Aufzeichnende teilnimmt (z.B. die erpresste Person
zeichnet heimlich den Erpresser auf)
aa) Tonaufnahme
Die heimliche Aufzeichnung der Äußerung des Erpressers ist nicht nach § 120 Abs. 1
StGB strafbar, da die Äußerung zur Kenntnisnahme des Aufzeichnenden bestimmt war. Es
erfüllt indes den Tatbestand des § 120 Abs. 2 StGB, die Aufzeichnung ohne Einverständnis
des Sprechenden einem Dritten zugänglich zu machen. Wird die Aufzeichnung der Polizei
zugänglich gemacht, um die Erpressung zu beenden, ist dies durch Notwehr (§ 3 StGB)
gerechtfertigt. Zum Zeitpunkt der Verwendung der Aufzeichnung im Strafprozess ist der
Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut nicht mehr gegenwärtig, sodass eine Rechtfertigung
durch Notwehr nicht länger in Betracht kommt. Eine Rechtfertigung ist indes durch die im
Strafverfahren bestehende Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit möglich, sofern
kein Beweisverwertungsverbot besteht.175
Ein Beweisverwertungsverbot wäre dann gegeben,
wenn der Sprechende einen rechtlichen Vernichtungsanspruch hätte. Ein zivilrechtlicher
Vernichtungsanspruch ist in der vorliegenden Konstellation zu verneinen, da die Aufnahme
zur Beendigung der Erpressung auch zivilrechtlich erlaubt ist. Auch ein
datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch besteht nicht (siehe unten bb). Die Verwertung ist
also zulässig.
bb) Bildaufzeichnung
Das Filmen des Erpressers ist datenschutzrechtlich erlaubt. Entsprechend der
Argumentation zu oben f) folgt die nach § 7 Abs. 1 DSG erforderliche rechtliche Befugnis zur
Datenermittlung aus dem Anzeigerecht nach § 80 Abs. 1 StPO. Schutzwürdige
Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen werden nicht verletzt, da die berechtigten
Interessen des erpressten Auftraggebers überwiegen (§ 8 Abs. 4 Z. 3 DSG) bzw. die Daten zur
Erstattung einer Strafanzeige an die zuständige Behörde weitergegeben werden sollen (§ 8
Abs. 4 Z. 4 DSG). Die Bildaufzeichnung darf auch an die Strafverfolgungsbehörden
übermittelt und von diesen verwendet werden. Sie ist also als Beweismittel verwertbar.
i) Aufzeichnung mit Hilfe von verdeckten Monitoring-Geräten in der Wohnung
(z.B. die Eltern installieren Geräte für verdecktes Monitoring ihres Kindermädchens)
aa) Tonaufnahme
173
Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 140 Rn. 33 ff. 174
Siehe Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 140 Rn. 34. 175
Siehe bereits oben c).
34
Ist das Monitoring mit einem Abhören der betroffenen Person verbunden, handelt es sich
also um eine Videoaufzeichnung mit Tonspur, ist dieses Vorgehen nach § 120 Abs. 1 StGB
strafbar. Die Aufnahme ist nicht verwertbar, weil die betroffene Person einen rechtlichen
Vernichtungsanspruch hat; siehe oben d).
bb) Bildaufzeichnung
Beschränkt sich das Monitoring auf Bildaufnahmen, existiert dafür kaum ein
strafrechtlicher Schutz.176
In §§ 50a ff. DSG bestehen Sonderregelungen für die Video-Überwachung. Die
Regelungen sollen den Besonderheiten dieses Eingriffs in das Datenschutzrecht Rechnung
tragen. Diese bestehen darin, dass es sich um eine permanente Kontrolle handelt, die eine
besonders hohe Zahl an „Zufalltreffern“ liefern kann und – wie die Überwachung einer U-
Bahn zum Schutz vor Vandalismus – in die Privatsphäre vieler Personen eingreifen kann.177
Video-Überwachung ist die systematische Erfassung von Ereignissen, die ein bestimmtes zu
überwachendes Objekt oder eine bestimmte zu überwachende Person betreffen, durch
technische Bildaufnahme- oder Bildübertragungsgeräte (§ 50a Abs. 1 DSG). Es werden nicht
nur kontinuierliche Aufzeichnungen, sondern auch Aufzeichnungen, die in bestimmten
Zeitabständen oder aufgrund regelwidriger Vorkommnisse erfolgen, erfasst. Auch gezieltes
Fotografieren sowie die Echtzeitüberwachung gelten als Video-Überwachung.178
Tonaufnahmen oder Tonübertragungen sind von der Regelung ausgenommen.179
Es müssen die allgemeinen Voraussetzungen eines Eingriffs in das Grundrecht auf
Datenschutz vorliegen (§ 50a Abs. 2 i.V.m. §§ 6, 7 DSG). Der Auftraggeber muss also zu der
Datenverwendung rechtlich befugt sein, es dürfen keine schutzwürdigen
Geheimhaltungsinteressen verletzt werden und der Eingriff muss verhältnismäßig sein. Die
Verhältnismäßigkeit ist zu verneinen, wenn der Zweck der Videoüberwachung durch
gelindere Mittel, wie eine Alarmanlage oder eine Sicherheitstür, erreicht werden kann.180
Zulässige Zwecke der Videoüberwachung sind gem. § 50a Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Z. 2
DSG der Schutz des zu überwachenden Objekts oder der zu überwachenden Person181
oder
die Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten einschließlich Beweissicherungspflichten
bezüglich des Ereignisses. Jene Fälle, in denen schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen
nicht verletzt werden, sind in § 50a Abs. 2, 3, 4 und 6 DSG abschließend aufgezählt. Für den
gegenständlichen Fall möglicherweise relevante Konstellationen sind, dass die Überwachung
im lebenswichtigen Interesse einer Person erfolgt (§ 50a Abs. 3 Z. 1 DSG), die Gefahr
besteht, dass das überwachte Objekt oder die überwachte Person (vorliegend das betreute
176
Näher Seling, Schutz der Privatsphäre durch das Strafrecht (2010), S. 112 ff., der sich mit beachtlichen
Argumenten für die Einführung einer neuen Strafvorschrift ausspricht; a.a.O. S. 115 ff. 177
Hattenberger, in: Jahrbuch Datenschutzrecht 2011, 117 f. 178
Ennöckl, ÖJZ 2010, 297; Hattenberger, in: Jahrbuch Datenschutzrecht 2011, 120; Souhrada-Kirchmayer,
Jahrbuch Datenschutzrecht 2010, 17 (20). 179
EB RV 472 BlgNR 24. GP., S. 16. 180
EBRV 472 BlgNR 24. GP, S. 17. Vgl. Hattenberger, in: Jahrbuch Datenschutzrecht 2011, 130. 181
Nach den Gesetzesmaterialien handelt es sich um „jene Person, Gegenstand oder Ort, auf die sich die
systematische Erfassung von Ereignissen intentional richtet“; EBRV 472 BlgNR 24. GP, S. 17. Siehe
hierzu auch Hattenberger, in: Jahrbuch Datenschutzrecht 2011, 124.
35
Kind) das Ziel oder der Ort eines gefährlichen Angriffs wird,182
den Auftraggeber spezielle
Sorgfaltspflichten zum Schutz des überwachten Objekts oder der überwachten Person
treffen183
oder dass zum Schutz von Leib, Leben oder Eigentum des Auftraggebers eine
Echtzeitüberwachung ohne Aufzeichnung erfolgt (§ 50a Abs. 4 Z. 1-3 DSG).
§ 50a Abs. 5 DSG bestimmt, dass keine Ereignisse aufgezeichnet werden dürfen, die dem
höchstpersönlichen Lebensbereich des Betroffenen angehören. Zu den „Tabuzonen“, in denen
eine Videoüberwachung nicht erfolgen darf, zählen insbesondere private Wohnungen,
Umkleidekabinen oder Toiletten.184
Darüber hinaus ist die Mitarbeiterkontrolle an
Arbeitsstätten untersagt (§ 50a Abs. 5 DSG). Nach den Gesetzesmaterialien ist dieses Verbot
auf eine Leistungskontrolle der Mitarbeiter beschränkt.185
Eine Videoüberwachung an
Arbeitsstätten zu anderen Zwecken ist demnach zulässig.
Die Videoüberwachung muss gem. § 50c DSG der Datenschutzkommission gemeldet
werden und ist grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung der Kommission zulässig.
Ausgenommen von dem Zustimmungserfordernis sind die Echtzeitüberwachung und eine
Videoüberwachung unter Verschlüsselung der Daten, wenn der Schlüssel bei der
Datenschutzkommission hinterlegt wird.
Schließlich bestimmt § 50d Abs. 1 DSG, dass eine private Video-Überwachung auf eine
Art und Weise zu kennzeichnen ist, dass jeder potentiell Betroffene sich der Überwachung
möglichst entziehen kann. Jedenfalls aufgrund der Kennzeichnungspflicht ist ein verdecktes
Monitoring zur Überwachung eines Kindermädchens nicht zulässig.
4. Welche Bedeutung hat die Tatsache, dass das Beweismittel unter Verletzung der
Vorschriften erlangt wurde?
Die Verletzung der Vorschriften des DSG hat eine Löschungspflicht zur Folge, aus der ein
Beweisverwertungsverbot resultiert.
5. Ist im Lichte der Grundsätze der Verwertbarkeit von Privatbeweisen von Belang,
ob es Tonaufzeichnungen, Bildaufzeichnungen, Urkunden sind?
Im Ergebnis besteht kaum ein Unterschied zwischen Tonaufnahmen und
Bildaufzeichnungen. Ein Beweisverwertungsverbot greift ein, wenn ein rechtlicher
Vernichtungsanspruch besteht. Ein solcher kann sich insbesondere aus dem DSG oder dem
Zivilrecht ergeben. Datenschutzrechtlich sind Tonaufnahmen und Bildaufzeichnungen gleich
zu behandeln, es sei denn, es handelt sich um eine systematische Überwachung mittels Video,
für die Sonderregelungen vorgesehen sind (§§ 50a ff. DSG). In zivilrechtlicher Hinsicht kann
sich ein Vernichtungsanspruch aus dem Recht am eigenen Wort und dem Recht am eigenen
Bild ergeben. Die Unterschiede hinsichtlich des strafrechtlichen Schutzes dieser Objekte
182
Der Begriff ist eigenständig auszulegen; er umfasst nach dem Willen des Gesetzgebers „auch konkrete
Gefährdungen von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie allenfalls auch die konkrete Gefahr einer
groben Verwaltungsübertretung“. Die Überwachung könne schon dann zulässig sein, wenn die überwachte
Person einen „überdurchschnittlichen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit“ hat; EB RV 472 BlgNR 24.
GP., S. 18. 183
Die Gesetzesmaterialien nennen als Beispiele: § 1319a ABGB; § 19 Eisenbahngesetz; EB RV 472 BlgNR
24. GP., S. . 184
EB RV 472 BlgNR 24. GP., S. 19; Souhrada-Kirchmayer, Jahrbuch Datenschutzrecht 2010, 17 (22). 185
EB RV 472 BlgNR 24. GP., S. 19.
36
wirken sich nicht aus, weil aus der Strafvorschrift des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder
Abhörgeräten (§ 120 StGB) kein Beweisverwertungsverbot abgeleitet wird.
Bei Urkunden ist der Unmittelbarkeitsgrundsatz zu beachten. Ein Verstoß gegen den
Grundsatz kann ein Beweisverwertungsverbot begründen.186
Teil III. Grenzüberschreitende Beweiserhebung
1. Ist in Ihrem Land die Verwertung des von Organen fremder Staaten kommenden
Materials als Beweismittel im Strafverfahren zulässig?
Die Verwertung ist grundsätzlich zulässig. Es gibt kein Verbot, Beweismaterial, das von
ausländischen Behörden oder Gerichten aufgenommen wurde, im Rahmen der Urteilsfindung
zu verwerten.
Wenn ja, dann
a) dürfen nur die in einem fremden Staat im Zusammenhang mit dem dort
laufenden Strafverfahren erhobenen Beweise verwertet werden?
Eine solche Beschränkung wird von der Rspr. nicht angenommen. So sah der OGH die
Verwertung von Zufallsfunden ausländischer Abhörmaßnahmen für zulässig an.187
Im Schrifttum wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass die Verwertbarkeit von in
einem anderen Staat erlangten Zufallsfunden davon abhängt, ob die Zufallsfunde nach den
österreichischen Vorschriften verwertbar wären.188
b) dürfen alle Materialien unabhängig von dem Zweck, zu dem sie erhoben wurden,
verwertet werden.
Siehe die Antwort auf Frage a).
2. Welche Bedeutung kommt vom Standpunkt der Verwertbarkeit solcher
Beweismittel im Strafverfahren dem Umstand zu,
a) dass der Beweis sowohl im Lichte des im Beschaffungsland als auch in Ihrem
Land geltenden Rechts rechtswidrig erlangt wurde?
Der OGH betont in ständiger Rechtsprechung, dass sich die StPO nur an österreichische,
nicht auch an ausländische Strafverfolgungsorgane als Normadressaten richte. Auf
Tätigkeiten ausländischer Behörden, die ohne Veranlassung durch ein österreichisches
Gericht erfolgen, seien die österreichischen Verfahrensgesetze nicht anwendbar. Daher
würden die Beweisverwertungsverbote, die für eine Überwachungsmaßnahme
österreichischer Strafverfolgungsorgane gelten, nicht eingreifen. Die Verwertung des im
Ausland erhobenen Beweismittels könne nur wegen Verletzung des Rechts auf ein faires
Verfahren unzulässig sein. Der entsprechende Nichtigkeitsgrund setzt allerdings eine
rechtzeitige Rüge voraus. Der Verteidiger muss sich mit einem Antrag wegen Verletzung des
Rechts auf ein faires Verfahren bereits gegen die Einbeziehung des Beweismittels in das
Strafverfahren aussprechen, sich also aktiv gegen die Einführung des Beweismittels wenden.
186
Dieses ist entweder gem. § 281 Abs. 1 Z. 3 oder Z. 4 StPO geltend zu machen; näher Schmoller, WK-StPO,
§ 3 Rn. 50. 187
JBl 2005, 601. 188
Moringer, in: Soyer/Stuefer (Hrsg.), Effektive Strafverteidigung (2011), S. 179.
37
Sein Antrag muss überdies in der Hauptverhandlung zu Unrecht abgelehnt worden sein,
wobei die Ablehnung Verfahrensrechte der Verteidigung verletzt haben muss. Nur dann kann
der Fehler im Rechtsmittelverfahren erfolgreich mit Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs. 1 Z.
4 bzw. § 345 Abs. 1 Z. 3 StPO) geltend gemacht werden.189
Der OGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem italienische Polizeibehörden im
Auftrag der Staatsanwaltschaft eine akustische Überwachung der Gespräche, die in einem
Auto geführt wurden, vorgenommen hatten. Die Überwachung erfolgte zum Teil auch auf
österreichischem Staatsgebiet, worüber die österreichischen Sicherheitsbehörden informiert
worden waren. Die Aufzeichnungen der Gespräche ergaben, dass die Betroffenen in
Österreich die Begehung eines Verbrechens verabredet hatten (§ 277 Abs. 1 StGB). Obwohl
die akustische Überwachung nicht durch ein italienisches Gericht genehmigt worden war, sah
der OGH die Aufzeichnungen als im österreichischen Strafverfahren verwertbar an. Die
österreichische StPO sehe keine richterliche Anordnung einer im Ausland erfolgenden
Überwachung vor. Daher sei keine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO gegeben. Da es
die Verteidigung verabsäumt hatte, sich mit einem Antrag gegen die Einführung des
Beweismittels auszusprechen, konnte das Fehlen einer richterlichen Genehmigung im
Rechtsmittelverfahren auch nicht mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO
geltend gemacht werden.190
Wurde dagegen die im Ausland vorgenommene Ermittlungsmaßnahme durch die
österreichischen Strafverfolgungsorgane veranlasst, also im Wege der Rechtshilfe
vorgenommen, sind die österreichischen Verfahrensbestimmungen einzuhalten. Bei
Missachtung eines Richtervorbehalts kommt der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 2
StPO zur Anwendung.191
Im Schrifttum stößt die Rspr. teilweise auf Kritik. Es sei „wertungsmäßig nicht
nachvollziehbar“, warum bei einer Überwachung durch eine ausländische Behörde ein
geringerer Schutz bestehen soll. Jedenfalls soweit ausländische Behörden in Österreich eine
Überwachungsmaßnahme durchführen, müsse für die Ergebnisse einer rechtswidrigen
Maßnahme das Beweisverwertungsverbot des § 140 StPO zur Anwendung kommen. Fehlt die
richterliche Genehmigung, seien die Ergebnisse in einem österreichischen Verfahren nicht
verwertbar.192
Schmoller äußert sich zu der speziellen Konstellation, dass in einem ausländischen
Ermittlungsverfahren eine Aussage unter Bedingungen erlangt wurde, die diese bei einer
Aussage vor einer österreichischen Behörde unverwertbar machen würden. Ein Beispiel ist,
dass ein Zeuge etwa vor seiner Aussage nicht über sein Recht belehrt wurde, die Aussage
wegen der Gefahr, sich selbst oder einen Angehörigen zu belasten, zu verweigern (§ 159 Abs.
3 i.V.m. § 157 Abs. 1 Z. 1 StPO), oder die Aussage durch eine Drohung erlangt wurde (§ 166
Abs. 1 Z. 2 StPO). Im Unterschied zur Rspr. befürwortet Schmoller eine differenzierende
Lösung nach dem Grund des Verwertungsverbots, ohne diese näher zu erläutern.193
b) dass der Beweis im Beschaffungsland rechtmäßig, in Ihrem Land aber
rechtswidrig erlangt wurde?
189
OGH EvBl 2000/65; JBl 2005, 601; EvBl 2011/107; Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 182. 190
OGH JBl 2005, 601. 191
Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 182. 192
Reindl-Krauskopf, WK-StPO, § 140 Rn. 30 ff. 193
Schmoller, WK- StPO, § 3 Rn. 95.
38
Entsprechend dem oben Ausgeführten geht die Rspr. davon aus, dass die österreichische
StPO nur für Verfahrenshandlungen österreichischer Gerichte und Behörden gilt. Ein
Beweisverwertungsverbot könnte sich nach der Rspr. nur aus einem Verstoß gegen das Recht
auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) ergeben. Der Fehler muss rechtzeitig gerügt werden
(oben a).
c) dass der Beweis im Beschaffungsland rechtswidrig, in Ihrem Land aber
rechtmäßig erlangt wurde?
Der Entscheidung OGH JBl 2005, 601 ist zu entnehmen, dass die Rspr. die Einhaltung des
ausländischen Verfahrensrechts nicht überprüft. Nur eine von der Verteidigung rechtzeitig
geltend gemachte Verletzung des Fairnessgebots könnte ein Beweisverwertungsverbot
begründen.
3. Wenn in Ihrem Land ausländische Beweise zugelassen werden,
a) gilt die Klausel der Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Rechtsordnung Ihres
Landes?
Eine derartige Beschränkung der Zulassung ausländischer Beweise wird, soweit
ersichtlich, nur für den Fall vertreten, dass die Beweisaufnahme aufgrund eines
österreichischen Rechtshilfeersuchens erfolgte. Es müssen dann alle österreichischen
Verfahrensregeln, die bei sonstiger Nichtigkeit zu beachten sind, eingehalten worden sein.194
Für die Leistung von Rechtshilfe für andere Staaten sind entsprechende Vorbehalte
gesetzlich vorgesehen: § 2 ARHG normiert einen „ordre public“-Vorbehalt. Nach § 51 Abs. 1
Z. 2 i.V.m. § 19 Z. 1 und 2 ARHG darf keine Rechtshilfe geleistet werden, wenn zu besorgen
ist, dass das Strafverfahren im ersuchenden Staat gegen die in Art. 3 und Art. 6 EMRK
festgelegten Grundsätze verstößt. Rechtshilfe ist auch dann unzulässig, wenn die in Österreich
vorgesehenen materiellen Voraussetzungen für die Vornahme bestimmter
Ermittlungsmaßnahmen nicht vorliegen oder gegen eine auch gegenüber den Strafgerichten
zu wahrende Geheimhaltungspflicht verstoßen würde (§ 51 Abs. 1 Z. 3 ARHG). Es wäre nur
konsequent, diese Vorbehalte auf ausländische Beweise, die von den ausländischen Behörden
selbständig ermittelt wurden, entsprechend anzuwenden.
b) liegen andere besondere Regelungen hinsichtlich der Zulässigkeit von
ausländischen Beweisen vor?
Nein.
4. In welchem Umfang würde ein im Rahmen operationeller Tätigkeiten erlangter
ausländischer Beweis in Ihrem Land im Lichte
a) der im Land der jeweiligen operationellen Tätigkeit geltenden Rechtsgrundsätze,
b) der in Ihrem Land geltenden Rechtsgrundsätze bewertet.
Siehe die Antworten auf die vorhergehenden Fragen.
5. Welche Völkerrechtsakte zur Regelung von gemeinsamen operationellen
Tätigkeiten gelten in Ihrem Land? Sind sie unmittelbar anwendbar? Welche in diesen
völkerrechtlichen Rechtsakten vorgesehenen Arten operationeller Tätigkeiten sind der
Rechtsordnung Ihres Landes bekannt?
194
Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 182.
39
In Österreich gelten folgende internationale Rechtsakte, die gemeinsame operationelle
Tätigkeiten vorsehen:
Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die
polizeiliche Zusammenarbeit und die zweite Ergänzung des Europäischen Übereinkommens
vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. III Nr. 121/2006: gemeinsame
Zentren und gemeinsame operative Einsätze, Art. 15; kontrollierte Lieferung, Art. 29;
verdeckte Ermittlungen, Art. 30
Übereinkommen vom 18. Dezember 1997 auf Grund von Art. K.3 des Vertrags über
die Europäische Union über die gegenseitige Amtshilfe und Zollzusammenarbeit der
Zollverwaltungen, BGBl. III 2006/100: grenzüberschreitende Observation, Art. 21;
kontrollierte Lieferung, Art. 22; verdeckte Ermittlungen, Art. 23; besondere gemeinsame
Ermittlungsteams, Art. 24
Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen von 2000, BGBl III 2005/65:
gemeinsame Ermittlungsgruppen, Art. 13; Unterstützung bei verdeckten Ermittlungen, Art.
14; kontrollierte Lieferung, Art. 12
Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der
Sicherheits- und Zollbehörden, BGBl. III Nr. 120/2001: kontrollierte Lieferung, Art. 12;
gemeinsame Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen, grenzüberschreitende
Fahndungsaktionen, Art. 13
Völkerrechtliche Verträge werden vom Bundespräsidenten geschlossen. Wenn sie
gesetzesergänzend oder gesetzesändernd sind, bedürfen sie einer Genehmigung durch den
Nationalrat (Art. 50 B-VG). Unmittelbar anzuwendende Völkerrechtsnormen sind
grundsätzlich unmittelbar anwendbar.195
Nach § 56 Abs. 3 EU-JZG umfasst die Rechtshilfe, die anderen Mitgliedstaaten der EU
geleistet wird, auch die Genehmigung von Tätigkeiten im Rahmen von grenzüberschreitenden
Observationen auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen, von gemeinsamen
Ermittlungsgruppen und von verdeckten Ermittlungen. In §§ 60 ff., § 76 EU-JZG ist die
Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen geregelt. Nach den Regelungen der §§ 71 f. EU-
JZG kann eine sog. „kontrollierte Lieferung“ erfolgen. Diese kann auch durch oder aus
Österreich in einen anderen Mitgliedstaat bewilligt werden (§ 72 Abs. 2 EU-JZG). §§ 73 f.
EU-JZG enthalten Bestimmungen für den Einsatz Verdeckter Ermittler aus anderen
Mitgliedstaaten.
Weitere einschlägige Ermächtigungen enthält das ZollR-DG: kontrollierte Lieferung (§
17a Abs. 2), grenzüberschreitende kontrollierte Lieferung (§ 115 Abs. 1),
grenzüberschreitende Observationen (§ 115 Abs. 3).
Nach § 50 Abs. 3 ARHG umfasst die Rechtshilfe auch die Genehmigung von Tätigkeiten
im Rahmen von grenzüberschreitenden Observationen auf Grund zwischenstaatlicher
Vereinbarungen.
195
Näher Binder, ZaöRV 1975, 282 ff.
40
SDÜ (-)
PolKG (-)
EU-PolKG (-)
6. Wie ist der Status des in Zusammenarbeit von Ermittlungs-
Untersuchungsgruppen erlangten Materials? Kann es als Beweismittel in Strafsachen in
Ihrem Land verwertet werden?
Nach § 62 Abs. 2 EU-JZG dürfen die im Ausland rechtmäßig erlangten Informationen, die
den österreichischen Justizbehörden nicht anderweitig zugänglich sind, nur für jene Zwecke,
für welche die gemeinsame Ermittlungsgruppe gebildet wurde, und zur Abwehr einer
unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit verwendet werden, es sei
denn, die Rechtsvorschriften des Staates, in dem die gemeinsame Ermittlungsgruppe tätig
geworden ist, bestimmen anderes. Für andere Zwecke und Verfahren dürfen die
Informationen nur mit vorheriger Zustimmung des Mitgliedstaats verwendet werden, in dem
die Informationen erlangt wurden (§ 62 Abs. 3 EU-JZG).
7. Wie ist der Standpunkt Ihres Landes gegenüber dem z.B. im Haager und
Stockholmer Programm vorgesehenen Prinzip des Informationsaustausches?
Österreich befürwortet das Prinzip des Informationsaustausches, wie es im Haager und
Stockholmer Programm vorgesehen ist. Es hat als eines der ersten Länder den Vertrag von
Prüm unterzeichnet. Dabei setzte sich Österreich für ein hohes Datenschutzniveau ein.
Besonders wichtig war der österreichischen Verhandlungsdelegation, dass die Abrufe in den
Datenbanken umfassend zu dokumentieren sind, um erforderlichenfalls die verantwortlichen
Beamten feststellen zu können (Art. 39 Prümer Vertrag). Auch an der Verankerung der
Verpflichtung der Vertragsparteien, gegen Verletzungen des Datenschutzes die Anrufung
eines Gerichts und einer unabhängigen Datenschutzkontrollbehörde zu gewährleisten (Art. 40
Prümer Vertrag), war Österreich maßgeblich beteiligt.196
Hinsichtlich des Haager Programms war es eine Priorität für Österreich, den
Informationsaustausch der Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Terrorismus zu
verbessern und dabei Europol und Eurojust verstärkt einzubeziehen.197
Auch das Stockholmer
Programm wurde befürwortet. Begrüßt wurde insbesondere der Legislativvorschlag für ein
europäisches Strafregisterinformationssystem für verurteilte Drittstaatsangehörige.198
196
So Kunnert, Jahrbuch Datenschutzrecht und E-Government 2012, 193, 202, der nachzeichnet, wie im
Gegensatz hierzu im bilateralen US-österreichischen „Prüm-like-Abkommen” der Datenschutz der Visa-
Freiheit geopfert wurde. 197
Jahresvorausschau des BMI 2005 auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der
Kommission sowie des operativen Jahresprogramms des Rates, III-141 BlgNR 22. GP. 198
Jahresvorschlag des BMJ auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen
Kommission für 2011 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des spanischen, belgischen und ungarischen
Ratsvorsitzes, S. 16, III-211 Blg. 24. GP.
41
Erwähnt sei, dass es in Österreich mittlerweile eine Vielzahl von sogenannten
Informationsverbundsystemen, also zentralen Evidenzen, im Bereich der
Sicherheitsverwaltung gibt.199
8. Gelten in Ihrem Land Rechtsakte zur Regelung der internationalen
Telekommunikationsüberwachung? In welcher Weise wird die Zulässigkeit eines
solchen Materials bewertet?
Es gilt das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen von 2000: BGBl
III 2005/65, Art. 17 ff.
Entsprechend dem oben Ausgeführten sind die österreichischen Verfahrensbestimmungen
sinngemäß anzuwenden, wenn die Überwachung aufgrund eines österreichischen
Rechtshilfeersuchens erfolgte. Verstöße gegen die Verfahrensbestimmungen werden diesfalls
den österreichischen Behörden zugerechnet. Ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohte Fehler
können mit Nichtigkeitsbeschwerde gem. § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO geltend gemacht werden.200
9. Welche Instrumente im Bereich der internationalen Beweissicherung
funktionieren in Ihrem Land? Gelten sie auch hinsichtlich des im Rahmen der
operationellen Tätigkeiten der Polizei/anderer ähnlicher Dienste erlangten Materials?
§§ 45 ff. EU-JZG regeln die Vollstreckung von Sicherstellungsentscheidungen der
Mitgliedstaaten. Soweit es sich nicht um eine Katalogtat handelt, die im Ausstellungsstaat mit
mindestens dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, setzt die Sicherstellung von Beweismitteln
die beiderseitige Strafbarkeit voraus (§ 45 Abs. 1 und 3 EU-JZG). Die
Sicherstellungsentscheidung muss von einer Justizbehörde ausgestellt worden sein. Wurde
das Beweismittel bereits in einem in Österreich anhängigen Verfahren beschlagnahmt oder
sichergestellt, ist die Vollstreckung einer Sicherstellungsentscheidung aufzuschieben (§ 48
Abs. 1 EU-JZG). Material, das im Rahmen außerprozessualer Tätigkeiten der
Sicherheitspolizei erlangt wurde, ist von diesen Regelungen nicht ausgenommen.
Im Verhältnis zu Staaten, die nicht Mitglied der EU sind, richtet sich die Beweissicherung
nach den getroffenen Vereinbarungen über die Rechtshilfe. § 56 Abs. 2 ARHG bestimmt,
dass ein Ersuchen um Anordnung und Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme, die im 1.
bis 8. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO geregelt ist – also auch einer Sicherstellung oder
Beschlagnahme (§§ 110 ff. StPO) – nicht nur von einem Gericht, sondern auch von einer
anderen Behörde gestellt werden kann. In diesem Fall ist aber eine Erklärung der um
Rechthilfe ersuchenden Behörde erforderlich, dass die im ersuchenden Staat geltenden
Voraussetzungen für die Maßnahme erfüllt sind. Die Erklärung hat sich auf die materiellen
und die formellen Voraussetzungen zu beziehen.201
10. Ob und in welchem Grad wird in Ihrem Land die Zulässigkeit operationeller
Handlungen eines anderen Staates auf dem eigenen Territorium akzeptiert,
insbesondere bei Ablehnung des Antrags auf Rechtshilfe?
199
Siehe die Aufzählung bei Wiederin, Geheimnisschutz, Datenschutz, Informationsschutz im
Sicherheitsrecht, in: Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg.), Geheimnisschutz, Datenschutz,
Informationsschutz (2007), S. 94 f. 200
Vgl. Ratz, WK-StPO, § 281 Rn. 182. 201
EBRV 33 BlgNR 20. GP., S. 7; Martetschläger, WK-ARHG, § 56 Rn. 3.
42
Ausländische Organe dürfen auf dem Gebiet der Republik Österreich keine selbständigen
Ermittlungen oder Verfahrenshandlungen nach dem ARHG vornehmen (§ 59 Abs. 1 ARHG).
Die Regelung ist „Ausdruck des Souveränitätsgedankens und der Gebietshoheit”.202
Sie steht
allerdings – wie das gesamte ARHG – unter dem Vorbehalt, dass durch zwischenstaatliche
Vereinbarungen nichts anderes bestimmt ist (§ 1 ARHG). Das Verbot gilt auch für Organe
anderer EU-Mitgliedstaaten (§ 58 Abs. 1 EU-JZG). Beamte anderer EU-Mitgliedstaaten
dürfen nur unter Leitung einer österreichischen Behörde einzelne Handlungen vornehmen,
soweit dies zwischenstaatliche Vereinbarungen gestatten (§ 58 Abs. 1 S. 2 EU-JZG).
Ersucht ein Staat darum, dass an der Rechtshilfehandlung ein Richter, Staatsanwalt oder
eine andere am Verfahren beteiligte Person oder ihr Rechtsbeistand teilnimmt, ist die
Teilnahme zu bewilligen, wenn die Anwesenheit und Mitwirkung bei den
Rechtshilfehandlungen zur sachgerechten Erledigung des Ersuchens erforderlich erscheint (§
58 Abs. 2 EU-JZG). Handelt es sich nicht um einen EU-Mitgliedstaat, bedarf die Teilnahme
des ausländischen Organs an der Dienstverrichtung (soweit das Organ im ersuchenden Staat
mit Hoheitsgewalt ausgestattet ist) zusätzlich der Bewilligung durch den Bundesminister für
Justiz (§ 59 Abs. 1 S. 2 ARHG). Von diesem Bewilligungserfordernis ist wegen der
Dringlichkeit der Maßnahme nur die grenzüberschreitende Observation ausgenommen (JAB
409 BlgNR 20. GP 19).
Wird in Österreich eine gemeinsame Ermittlungsgruppe tätig, ist sie von der
österreichischen Staatsanwaltschaft zu leiten und organisatorisch zu unterstützen (§ 61 Abs. 3
EU-JZG). Auch eine kontrollierte Lieferung durch oder aus österreichischem Hoheitsgebiet
unterliegt der Leitung der österreichischen Behörden (§ 72 Abs. 4 EU-JZG). Der Einsatz eines
ausländischen verdeckten Ermittlers darf nur unter der Führung und Überwachung durch das
Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt) erfolgen (§ 74 Abs. 1 EU-JZG).
Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass ausländische Organe auf dem Gebiet der Republik
Österreich nicht selbständig ermitteln oder Verfahrenshandlungen setzen dürfen, stellen die
grenzüberschreitende Nacheile und die grenzüberschreitende Observation dar. § 16 Abs. 1
Polizeikooperationsgesetz (PolKG) ermächtigt die Organe ausländischer Sicherheitsbehörden,
auf österreichischem Territorium einzuschreiten, soweit dies völkerrechtlich vorgesehen ist.
Dabei hat allerdings das Leisten von Amtshilfe Vorrang (§ 16 Abs. 2 PolKG). Es gelten die
Regelungen des ARHG sowie – im Rahmen der Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten
– auch die Regelungen des EU-JZG (§ 1 Abs. 3 PolKG; § 1 Abs. 2 EU-PolKG). Aus dieser
Ermächtigung folgt in Verbindung mit dem SDÜ, dass die Organe der Vertragsstaaten dieses
Übereinkommens zur grenzüberschreitenden Nacheile und zur grenzüberschreitenden
Observation in Österreich befugt sind. Die grenzüberschreitende Nacheile richtet sich nach
Art. 41 SDÜ. Bei besonderer Dringlichkeit darf die grenzüberschreitende Observation unter
den in Art. 40 Abs. 2 SDÜ genannten Voraussetzungen auch ohne vorherige Genehmigung
eines entsprechenden Rechtshilfeersuchens erfolgen. Das Ersuchen ist unverzüglich
nachzureichen.
11. Dürfen Untersuchungsdienste, insbesondere Zolldienste Instrumente der
Rechtshilfe in Strafsachen in Anspruch nehmen?
Rechtshilfe wird nur in ausländischen Verfahren geleistet (§ 50 Abs. 1 ARHG). Ob im
Ausland ein „Verfahren“ vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des ersuchenden
202
Martetschläger, WK-ARHG, § 59 Rn. 2.
43
Staates.203
Zusätzlich bestimmen die österreichischen Gesetze über die Rechtshilfe, dass in
Strafsachen nur bestimmten Behörden Rechtshilfe geleistet werden darf. Dazu zählen
Gerichte, Staatsanwaltschaften, Behörden, die im Straf- oder Maßnahmenvollzug tätig sind,
und – im Rahmen der Rechtshilfe zugunsten anderer EU-Mitgliedstaaten –
Verwaltungsbehörden, gegen deren Entscheidung ein Gericht angerufen werden kann, das
auch in Strafsachen zuständig ist (§ 50 Abs. 1, 2 ARHG; § 56 Abs. 1, 2 EU-JZG). Da diese
Voraussetzungen auf „Zolldienste“ wohl nicht zutreffen, können diese keine Rechtshilfe in
Strafsachen in Anspruch nehmen.
Die ausländischen Zolldienste können aber um Amtshilfe ersuchen. Diese ist in §§ 109 ff.
ZollR-DG geregelt. Festnahmen, Haus- und Personendurchsuchungen sind von der Amtshilfe
ausgenommen (§ 109 Abs. 2 ZollR-DG). Nähere Regelungen zur grenzüberschreitenden
kontrollierten Lieferung oder Observation werden in § 115 ZollR-DG getroffen. §§ 117 ff.
ZollR-DG regeln die Amtshilfe zur Vollstreckung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben.
Nach § 2 PolKG wird die internationale polizeiliche Amtshilfe ausländischen
Sicherheitsbehörden geleistet. Darunter sind nach § 2 Abs. 3 PolKG Dienststellen anderer
Staaten, die Aufgaben der Sicherheitspolizei, der Kriminalpolizei, des Paßwesens, der
Fremdenpolizei und der Grenzkontrolle wahrnehmen, zu verstehen einschließlich der
Behörden, die für die Gefahrenerforschung zur Gewährleistung der inneren Sicherheit des
Staates zuständig sind.
EUPolKG (-)
203
Martetschläger, WK-ARHG, § 50 Rn. 2.