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Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 2. Auflage: Lösungsvorschläge zu den Diskussionsfällen Universität St. Gallen Prof. Dr. Markus Müller-Chen / Februar 2013

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  • Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 2. Auflage: Lösungsvorschläge zu den Diskussionsfällen

    Universität St. Gallen Prof. Dr. Markus Müller-Chen / Februar 2013

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    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1  ...........................................................................................................................  3  

    Kapitel 2  ...........................................................................................................................  4  

    Kapitel 3  ...........................................................................................................................  7  

    Kapitel 4  .........................................................................................................................  10  

    Kapitel 5  .........................................................................................................................  12  

    Kapitel 6  .........................................................................................................................  14  

    Kapitel 7  ..........................................................................................................................  17  

    Kapitel 8  ..........................................................................................................................  20  

    Kapitel 9  .........................................................................................................................  24  

    Kapitel 10  .......................................................................................................................  26  

    Kapitel 11  .......................................................................................................................  29  

    Kapitel 12  ........................................................................................................................  32  

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    Kapitel 1

    Anspruchsnorm / Anspruchsgegner

    Art. 41 I OR i.V.m.

    46 OR Art. 47 OR

    Art. 55 I OR

    Art. 58 I OR

    Art. 1 PrHG

    Keine ein-schlägige Norm

    Sandwicheria AG x x x

    Maintain & Repair GmbH

    x x x

    Urs Ursprung x x

    Eugen Huber x x

    Spital Heidmoos x x

    Oberarzt Stangel

    x x

    Haftungsart: Verschuldenshaf-

    tung (V) oder Kausalhaftung

    (K)?

    V V K K K

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    Kapitel 2

    Fall: Verpatzte Ferien und ein Unfall mit Folgen a) Schäden

    Ein Schaden ist nur dann haftpflichtrechtlich relevant, wenn eine unfreiwillige Ver-mögensverminderung nach der Differenztheorie vorliegt (vgl. Rz 18 ff.) oder eine gesetzliche Norm eine Ausgleichsleistung vorsieht (sog. normative Schäden, vgl. Rz 26 ff.). In casu sind geschädigt:

    Ehefrau und Tochter von Lastwagenfahrer Alberto M.:

    § Bestattungskosten: Vermehrung der Passiven § Versorgungsschaden durch Tötung des Versorgers der

    Familie: Normativer Schaden nach Art. 45 III OR (vgl. Rz 64 ff.)

    Familie Kleeblatt: § Ferienkosten (verfallene Anzahlung): Frustrationsscha-

    den Steffi: § Arztkosten wegen Kopfverletzungen: Vermehrung der

    Passiven § Ausfall Lehrlingslohn für 8 Monate: Entgangener Ge-

    winn Lydia: § Erwerbsausfall-, Pflege- und Haushaltschaden: Norma-

    tiver Schaden § Verlust von Klienten: Entgangener Gewinn

    Sam:

    § Kosten für die medikamentöse und psychiatrische Be-handlung des Nervenschocks: Vermehrung der Passi-ven

    Sandwicheria AG: § Zerstörte Waren und Maschinen im Wert von CHF

    150‘000 durch Brand: Verminderung der Aktiven § Ausfall Lunchpakete Lieferungen wegen Brand: Entgan-

    gener Gewinn

    b) Schadensarten

    i. Personen-, Sach- und sonstige Schäden Personenschaden (vgl. Rz 38 ff.): Bestattungskosten des Alberto M.; Versorgerausfall der Familie des Alberto M.; Steffis Lehrlingslohn für 8 Monate (vgl. Rz 46); Arztkosten wegen Kopfver-letzungen von Steffi; Kosten wegen Sams Nervenschock; Lydias Erwerbsausfall- und Haushaltsschaden wegen der Krankheit von Sam und des Unfalls von Steffi

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    Sachschaden (vgl. Rz 53 ff.): Wert der Waren und Maschinen der Sandwicheria AG, die durch Brand ver-nichtet wurden Sonstige Vermögensschäden (vgl. Rz 56 ff.): Verfallene Anzahlung für Ferien der Familie Kleeblatt; Wert der Lunchbons der Kunden der Sandwicheria AG; Lydias Verlust von Kunden

    ii. Unmittelbare und mittelbare Schäden (vgl. Rz 59 f.)

    Unmittelbarer Schaden: Bestattungskosten des Alberto M.; Arztkosten wegen Steffis Kopfverletzung; Kosten wegen Sams Nervenschock; Lehrlingsgehälter, die Steffi infolge der Kopf-verletzung entgehen; Zerstörung Waren und Maschinen der Sandwicheria AG im Wert von CHF 150‘000 durch Brand wegen Fehlinstallation Mittelbarer Schaden: Entgangener Gewinn wegen Ausfall der Lieferung von Lunchpaketen; Versorger-ausfall von Frau und Kind von Alberto M.; Lydias Erwerbsausfall- und Haushalts-schaden; Lydias Verlust von Klienten; Verlust der Anzahlung an Reisekosten der Familie Kleeblatt

    iii. Direkte Schäden und Reflexschäden (vgl. Rz 61 ff.)

    Direkte Schäden: Steffis Arztkosten aufgrund Kopfverletzungen; Steffis Lehrlingslohn; Sams Kosten wegen des Nervenschocks (vgl. Rz 63); entgangener Gewinn wegen Ausfalls der Belieferung mit Lunchpaketen Reflexschäden: Bestattungskosten und Versorgungsausfall infolge Tötung des Alberto M.; Verlust Anzahlung für Ferien der Familie Kleeblatt; Lydias Erwerbsausfall- und Haushalts-schaden; Lydias Verlust von Klienten

    c) Ersatzfähigkeit einzelner Schadensposten

    Personen-, Sach- und sonstige Vermögensschäden: Sach- und Personenschäden sind bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen von Art. 41 I OR oder einer anderen Haftpflichtnorm ersatzfähig. Bei sonstigen Vermögens-schäden werden hingegen keine absoluten Rechtsgüter verletzt, weshalb es nach der objektiven Widerrechtlichkeitstheorie zur Begründung der Rechtswidrigkeit einer be-sonderen Schutznorm bedarf (vgl. Rz 56 f.). Unmittelbare und Mittelbare Schäden: Im Gegensatz zum Vertragsrecht spielt die Unterteilung in unmittelbare und mittelba-re Schäden im ausservertraglichen Haftpflichtrecht keine bedeutende Rolle. Sowohl unmittelbare als auch mittelbare Schäden sind bei Vorliegen der übrigen Vorausset-zungen von Art. 41 I OR ersatzfähig (vgl. Rz 59).

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    Direkte Schäden und Reflexschäden: Ein Direktschaden ist nach Art. 41 I OR ersatzfähig, sofern auch die anderen Tatbe-standsvoraussetzungen erfüllt sind. Reflexschäden hingegen sind grundsätzlich nicht er-satzfähig, weil sie sonstige Vermögensschäden sind und daher – vorbehältlich des Vor-liegens einer besonderen Schutznorm – nicht widerrechtlich sind (vgl. Rz 61). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das Gesetz nur für Bestattungskosten (Art. 45 I OR) und Versorgerschäden (Art. 45 III OR) vor (vgl. Rz 64). Die Rechtsprechung an-erkennt auch den Schockschaden als ersatzfähigen Reflexschaden (Nervenschock von Sam).

    d) Ansprüche der Ehefrau und der Tochter von Alberto M.

    Gegenüber Raser Marcel L.: Ersatz der Bestattungskosten (Art. 45 I OR) und Ersatz des Versorgerschadens (Art. 45 III OR), sofern Marcel L. nach Art. 41 I OR oder Art. 58 SVG für den Unfall haftbar gemacht werden kann (vgl. Rz 39 ff.). Gegenüber Vater von Marcel L.: Ersatz der aus der Tötung von Alberto M. entstandenen Kosten (Art. 58 I SVG).

    e) Der verpasst Flug und der in der Folge entgangene Feriengenuss stellen einen soge-

    nannten Frustrationsschaden dar. Da er weder unter die Differenztheorie noch un-ter den normativen Schadensbegriff fällt, ist er nicht ersatzfähig (vgl. Rz 34, 70 ff.).

    f) Lydias Schaden wird als Erwerbsausfall- und Haushaltsschaden bezeichnet (vgl. Rz

    49). Die Besonderheit daran ist, dass dieser Schaden nach der Differenztheorie ei-gentlich nicht ersatzfähig wäre, als normativer Schaden aber dennoch ersatzfähig ist (vgl. Rz 26). Ausserdem muss die erlittene Vermögenseinbusse nicht konkret belegt werden, es genügt eine abstrakte Schadensberechnung (vgl. Rz 27 ff.).

    g) Steffi könnte gegenüber Dr. Faustus gestützt auf Art. 41 I OR i.V.m. Art. 46 I OR

    Anspruch auf Ersatz derjenigen Kosten haben, welche durch die Fehldiagnose und das dadurch verlängerte Krankenlager entstanden sind. Dazu zählen sowohl die zu-sätzlich angefallenen Arztkosten als auch der Erwerbsausfall wegen Arbeitsunfähig-keit. Zudem könnte Steffi einen Anspruch auf Genugtuung nach Art. 47 OR haben.

    h) Immaterielle Unbill kann durch Genugtuungsanprüche abgegolten werden (Art. 47

    OR; Art. 49 OR; vgl. Rz 74 ff.). Erforderlich ist eine (qualifizierte) Beeinträchtigung des Wohlbefindens der anspruchsberechtigten Person (Rz 75)

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    Kapitel 3

    Fall 1: Tod eines Rennpferds Kausalzusammenhang zwischen dem Rangierunfall und a) dem Tod von Lightening Black

    Natürliche Kausalität (vgl. Rz 80 ff.): Liegt vor, da die Infektion Ursache für den Starrkrampf und den späteren Tod von Lightening Black war. Daher kann der Rangierunfall nicht weggedacht werden, ohne dass auch der Erfolg entfällt. Adäquate Kausalität (vgl. Rz 87 ff.): Liegt vor, da ein Rangierunfall nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der all-gemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einem Pferd, das sich in der Bahn befindet, einen Schaden zuzufügen. Weiter ist eine solche Verletzung geeig-net, eine Infektion hervorzurufen. Schliesslich ist eine Infektion geeignet, einen Starrkrampf zu verursachen und den Tod des betroffenen Tieres herbeizuführen.

    b) dem Herzinfarkt von Sam

    Natürliche Kausalität (vgl. Rz 80 ff.): Liegt vor, da der Rangierunfall und der damit zusammenhängende Tod von Lighte-ning Black die Ursache für den Herzinfarkt war, den Sam erlitten hat. Adäquate Kausalität (vgl. Rz 87 ff.): Liegt nicht vor, da der Tod eines Rennpferds nach dem gewöhnlichen Lauf der Din-ge und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht geeignet ist, einen Herzinfarkt bei ei-nem Menschen auszulösen. Der Herzinfarkt als Folge von Lightening Blacks Tod war objektiv nicht voraussehbar und ist daher nicht adäquat kausal (vgl. Rz 91).

    Fall 2: Streunender Schäferhund Der adäquate Kausalzusammenhang ist nicht gegeben, wenn ein Verhalten ungeeignet ist, zum fraglichen Ergebnis zu führen. Die ungenügende Beaufsichtigung des Schäfer-hundes war nicht adäquat kausal für Lydias Beinbruch (vgl. Rz 93; Urteil vom 10. Febru-ar 1959, zit. bei BREHM, Berner Kommentar, Art. 41 OR N 138a).

    Fall 3: Elektrizitätsmasten mit lockeren Schrauben

    a) Adäquate Kausalität des Verhaltens von Paul für das Umkippen des Mastes: Das

    Entfernen der Schraubenmuttern, welche den Mast mit dem Betonsockel verbinden, ist dazu geeignet, den Mast zum Kippen zu bringen und dadurch einen Schaden zu verursachen. Dieser adäquate Kausalzusammenhang könnte jedoch entfallen, sofern eine zweite adäquat kausale Ursache besteht, welche einen so hohen Wirkungsgrad aufweist, dass die erste nach einer wertenden Betrachtung als rechtlich nicht mehr

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    beachtlich erscheint (vgl. Rz 115). Der Föhnstoss ist ein zufälliges Ereignis, das nicht zum Ausschluss der Haftung von Paul führt (vgl. Rz 114). Jedoch ist die Befestigung eines 12 Tonnen schweren Mastes mit Schraubenmuttern, die ohne Weiteres durch ein Kind entfernt werden können, geeignet, Schäden durch Umkippen des Mastes zu verursachen. Eine solch mangelhafte Befestigung ist grobfahrlässig und stellt ein viel-fach schwereres Fehlverhalten als jenes von Paul dar. Nach einer wertenden Be-trachtung weist diese zweite, adäquat kausale Ursache eine Intensität auf, die das Verhalten von Paul als rechtlich vernachlässigbar erscheinen lässt. Dadurch wird der Kausalzusammenhang zwischen Pauls Handlung und dem entstandenen Schaden un-terbrochen (vgl. Rz 115).

    b) Das bewusste Unterlassen der Wartung des Mastes aus Kostengründen stellt ein schweres Selbstverschulden des EW dar und führt als solches zur Unterbrechung des Kausalzusammenhangs zwischen Pauls Verhalten und der Schadensentstehung (vgl. Rz 115).

    Fall 4: Wasserverschmutzung a) Da das Abwasser jeder einzelnen Fabrik genügt hätte, um die Verunreinigung her-

    vorzurufen (Gesamtursache), stehen die Handlungen der beiden Fabriken in kumu-lativer Konkurrenz zueinander. Demnach haben beide Fabriken für den gesamten Schaden einzustehen, wobei der Geschädigte den Schadenersatz effektiv nur einmal verlangen kann (vgl. Rz 104).

    b) War das Abwasser jeder einzelnen Fabrik allein keine hinreichende Ursache für den Schaden, so dass der Schaden erst durch das Zusammenspiel der Abwässer beider Fabriken entstanden ist, stellen die Abwässer der einzelnen Fabriken nur eine Teil-ursache für den Schaden dar (vgl. Rz 102 f.). Auch wenn nur Teilursachen gesetzt wurden, haften beide Fabriken zunächst für den vollen Schaden (vgl. Rz 114). Eine kumulative Inanspruchnahme beider Fabriken ist jedoch aufgrund des Bereiche-rungsverbots ausgeschlossen (vgl. Rz 104).

    Fall 5: Ausschreitungen im Fussballstadion a) Einer der auf das Spielfeld stürmenden Fans hat die Verletzungen des L. verursacht.

    Unklar ist jedoch, ob Sam und Arbeitskollege Benu durch ihr Verhalten die Verlet-zungen des L. bewirkt haben. Kommen mehrere Ursachen als Gesamtursachen ei-nes Schadens in Betracht und kann sich im konkreten Fall nur eine kausal ausge-wirkt haben, liegt eine alternative Konkurrenz der Ursachen vor (vgl. Rz 106 ff.). Im neueren Schrifttum wird die Meinung vertreten, dass alle Gesamtverursacher recht-lich als Verursacher zu betrachten seien und entweder nach Quoten oder solida-risch haften sollen (vgl. Rz 108).

    b) Der BSC Young Boys beruft sich auf rechtmässiges Alternativverhalten (vgl. Rz 111

    ff.). Sofern die Möglichkeit besteht, dass Ls Verletzungen durch die Anbringung ei-nes Zauns vermieden worden wären, ist eine Haftungsbefreiung aufgrund des rechtmässigen Alternativverhaltens ausgeschlossen (vgl. Rz 111). In casu kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass L. auch verletzt worden wäre, wenn ein Zaun

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    zwischen ihm und den wütenden Fans angebracht gewesen wäre (vgl. Rz 112). Da-her kann sich der BSC Young Boys nicht von seiner Haftung befreien.

    Fall 6: Anfängerin am Steuer

    a) Steffis und Rogers Verhalten stehen in hypothetischer Konkurrenz (vgl. Rz 110).

    Steffi kann sich nicht darauf berufen, dass die Reparaturkosten für die Stossstange wegen Rogers Auffahrunfall sowieso entstanden wären. Sie muss als Primärhaft-pflichtige die Reparaturkosten, die sie tatsächlich verursacht hat, ersetzten.

    b) Steffis Verhalten und die Neuanschaffung des Wagens stehen ebenfalls in hypotheti-

    scher Konkurrenz (vgl. Rz 110). Durch den Felssturz wäre die Neuanschaffung einer Stossstange sowieso entstanden. Doch in diesem Fall muss Steffi als Primärhaft-pflichtige für den entstandenen Schaden, der durch das Zerkratzen entstanden ist, einstehen. Der Kausalzusammenhang wird aufgrund des Felssturzes wegen höherer Gewalt nicht unterbrochen, da der Schaden durch Zerkratzen schon vor dem Fels-sturz entstanden ist.

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    Kapitel 4

    Fall 1: Schmiergeldzahlung

    Die Schmiergeldzahlung von CHF 5‘000 an den Angestellten des Kantons Zürich stellt eine Beamtenbestechung gemäss Art. 322ter StGB dar. Diese Norm verfolgt unter anderem den Zweck, allen Offerenten von öffentlich ausgeschriebenen Aufträgen die gleichen Chancen zum Zuschlag des Auftrags zu gewähren. Die Siegrist Delikatessen GmbH kann den Anspruch auf Ersatz ihres Vermögensscha-dens, nämlich den entgangenen Gewinn durch die Vergabe des Auftrags an die Sandwi-cheria AG, auf Art. 41 I OR stützen. Die Schädigung ist widerrechtlich, da der Ange-stellte durch sein Verhalten gegen eine Norm verstösst, die den Schutz von Mitbewer-bern bei der Auftragsvergabe bezweckt. Ausserdem sind auch die restlichen Voraus-setzungen der Haftung gegeben. Fall 2: Ehre verletzt wegen schlechter Presse

    Heisssporn könnte durch die Veröffentlichung des Artikels in seiner Persönlichkeit verletzt worden sein und Ansprüche gestützt auf Art. 28, 28a ZGB und Art. 41 I OR geltend machen. Der unnötig verletzende Zeitungsartikel stellt eine widerrechtliche Persönlichkeitsver-letzung gemäss Art. 28 II ZGB dar, da kein Rechtfertigungsgrund vorliegt (subjektiver Widerrechtlichkeitsbegriff). Heisssporn kann die Persönlichkeitsverletzung gerichtlich feststellen lassen (Art. 28a I Ziff. 3 ZGB) und eine Berichtigung verlangen (Art. 28a II ZGB). Seinen entgangenen Gewinn kann er gestützt auf Art. 41 I OR geltend ma-chen, wobei die Widerrechtlichkeit sich aus Art. 28 Abs. 2 ZGB ergibt. Ausserdem kann er eine Gewinnabschöpfung nach den Bestimmungen der GoA (Art. 419 ff. OR) gel-tend machen. Fall 3: Stromausfall wegen Kabelbruch a) Die Sandwicheria AG könnte einen Anspruch gegen die Massivbau AG als Verursa-

    cherin des Stromausfalls gestützt auf Art. 41 I OR haben, wenn sie Schadensposten nachweisen kann, die widerrechtlich und kausal durch den Stromausfall verursacht wurden.

    b) Produktionsausfall: Vermögensschaden Abwanderungsdrohungen: kein Schaden im juristischen Sinn Verdorbener Kaviar: Sachschaden

    c) Sachschäden sind eine Verletzung des Eigentums, d.h. eines absolut geschützten Rechtsgutes, und damit per se widerrechtlich. Damit Vermögensschäden wider-rechtlich sind, bedarf es der Verletzung einer einschlägigen Schutznorm. Diese ist laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 102 II 85 f.) für die sogenannten „Kabelbruchfälle“ in Art. 239 StGB zu finden.

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    Fall 4: Auf der Banane ausgerutscht

    Isabelles Beinbruch stellt eine Verletzung eines absoluten Rechtsguts dar, was an sich die Widerrechtlichkeit indizieren würde (vgl. Rz 150 ff.). Hier liegt jedoch ein Unter-lassen vor. Lydia Kleeblatt hat den Beinbruch nur dann widerrechtlich durch das Nichtwegräumen der Bananenschale herbeigeführt, wenn sie durch eine ausdrückliche Rechtsvorschrift oder aufgrund einer Garantenstellung dazu verpflichtet gewesen wäre (vgl. Rz 157 ff.). In casu bestand keine solche Handlungspflicht. Es besteht weder ein Gesetz, das die Pflicht statuiert, herumliegende Bananenschalen wegzuräumen, noch hatte Lydia gegenüber Isabelle eine Garantenstellung.

    Fall 5: Tödlicher Alkoholexzess

    Steffis und Robertos Untätigkeit ist nur dann widerrechtlich, wenn sie eine Pflicht zur Abwendung von Carlos Tod hatten (vgl. Rz 157 ff.). Eine solche Pflicht zur Abwendung der Lebensgefahr ergibt sich ausdrücklich aus Art. 128 StGB. Durch das Unterlassen der Hilfeleistung haben Steffi und Roberto gegen diese Pflicht verstossen und somit widerrechtlich gehandelt.

    Fall 6: Künstlerpech

    Rentner Hans hat Paul durch den Schuss mit seiner Schreckschusspistole eine Bein-verletzung zugefügt und ihn dadurch in seinen absoluten Rechtsgütern verletzt (vgl. Rz 150 ff.). Das widerrechtliche Handeln von Rentner Hans könnte durch sein Selbsthilfe-recht gemäss Art. 52 III OR gerechtfertigt sein (vgl. Rz 185 ff.). Dadurch, dass Paul sich daran machte, das Garagentor des Nachbarn zu besprayen, war die Integrität des Eigentums jenes Nachbars gefährdet. Da die Polizei nicht rechtzeitig vor Ort gewesen wäre, um Paul vom Besprayen der Garage abzuhalten, war Rentner Hans grundsätzlich zum eigenmächtigen Handeln berechtigt. Doch war es unverhältnismässig, mit der Schreckschusspistole auf Paul zu schiessen. Der Rentner hätte Paul auch durch Rufe vom Besprayen der Garage abhalten können. Daher hat Rentner Hans widerrechtlich gehandelt; er kann sich nicht auf einen Rechtfertigungsgrund berufen.

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    Kapitel 5

    Fall 1: Explosion durch Fleckenentfernung Eugen Bollinger hat Lydia Kleeblatt drei Liter Essence zur Reinigung von Kleidern ver-kauft, obwohl laut Art. 465 der Lebensmittelverordnung nur 3 dl Essence an Privat-personen verkauft werden dürfen. Dadurch hat Eugen Bollinger gegen eine Polizeivor-schrift verstossen (vgl. Rz 213 ff.). Eugen Bollingers Verstoss gegen die Polizeivor-schrift war jedoch nicht kausal für den entstandenen Schaden, da dieser aufgrund sei-ner Feuergefährlichkeit auch dann eingetreten wäre, wenn die Essence in einem 3 dl Behälter verkauft worden wäre. Fraglich ist jedoch, ob der auf der Verpackung fehlen-de Hinweis adäquat kausal für den entstandenen Schaden war. Dies ist abzulehnen, da Eugen Bollinger Frau Kleeblatt mündlich über die Feuergefährlichkeit der Essences informiert hat und davon ausgegangen werden kann, dass sich die Essence auch dann entflammt hätte, wenn ein Warnhinweis auf dem Behälter angebracht worden wäre (vgl. BGE 96 III 208).

    Fall 2: Folgenschwere Falschdiagnose Indem Dr. Paracelsus die Ergebnisse der Rötelnuntersuchungen falsch interpretierte und Melanie mitteilte, dass sie gegen Röteln immun sei, verstiess er gegen die Sorg-faltsstandards seines Berufsstandes. Als Folge dieses Fehlverhaltens unterliess Melanie die Abtreibung des behinderten Kindes. Fraglich ist nun, ob ein Leben mit Behinde-rung als Schaden angesehen werden kann. Rechtspolitisch lässt sich eine Haftung des unvorsichtigen Arztes jedenfalls durchaus begründen, so dass er die aus der Behinde-rung des Kindes resultierenden Mehrkosten des Unterhalts zu ersetzen hat (vgl. BGE 132 III 359). Fall 3: Heisse 1.-August-Feier Das Wegwerfen von brennenden Zündhölzern in einer Scheune voller Heu ist ein grobfahrlässiges Verhalten und begründet das Verschulden des Schädigers, sofern die-ser gemäss Art. 16 ZGB in Bezug auf diese Handlung als urteilsfähig anzusehen ist (vgl. Rz 204 ff.). Die Urteilsfähigkeit muss anhand der konkreten Umstände in der betref-fenden Situation beurteilt werden (vgl. Rz 206). Man kann davon ausgehen, dass der 9-jährige Patrick erkennen konnte, dass brennende Zündhölzer in einer Scheune voller Heu eine Feuersbrunst auslösen können. Patrick hätte auch nach dieser Einsicht han-deln und das Spiel mit dem Feuer unterlassen können. Demnach trifft Patrick ein Ver-schulden und er haftet für den durch den Brand entstandenen Sachschaden. Fall 4: Ausstehende AHV-Beiträge

    Sam Kleeblatt kann nur für die nicht einbezahlten AHV-Beiträge haftbar gemacht wer-den, wenn er ‚Arbeitgeber’ gemäss Art. 52 I AHVG ist. Arbeitgeberin ist die als juristi-sche Person konzipierte Sandwicheria AG. Fraglich ist, ob Sam als Geschäftsleitungs-

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    mitglied als Organ der Sandwicheria AG bezeichnet werden kann. Da er kein Verwal-tungsratsmitglied der Sandwicheria AG ist, liegt keine formelle Organschaft vor. Da Sam Produktionsleiter der Sandwicheria AG ist und demnach nicht für Buchhaltungs-vorgänge zuständig ist, kann er auch nicht als faktisches Organ der AG angesehen werden. Daher kann Sam nicht nach Art. 55 III ZGB haftbar gemacht werden (vgl. Rz 224).

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    Kapitel 6

    Fall 1: Verletzter am Zügeltag Vorbemerkung: Auf die Prüfung eines Schadenersatzanspruchs gestützt auf die Werk-eigentümerhaftung (Art. 58 I OR) wird an dieser Stelle verzichtet, da diese erst in Kapitel 7 behandelt wird. Die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen der unerlaubten Handlung liegen vor (vgl. Rz 230): Ansprüche des Frank gegenüber Arbeiter Max gemäss Art. 41 I OR: Max hat Franks Treppensturz verschuldet, da er es entgegen der Anweisung seines Arbeitgebers unterlassen hat, die Treppe zu sichern.

    Ansprüche des Frank gegenüber der Canellotti AG gestützt auf Art. 55 I OR: Die Geschäftsherrenhaftung setzt erstens ein Unterordnungsverhältnis voraus und zweitens muss der Schaden in Ausübung der geschäftlichen Verrichtung entstanden sein (vgl. Rz 233). Als dritte Voraussetzung muss ein funktioneller Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der schädigenden Handlung vorliegen. Ein Unterord-nungsverhältnis liegt zweifellos vor (vgl. Rz 233 f.). Da das Sichern der Treppe Ge-genstand der geschäftlichen Verrichtungen von Max ist, liegt auch die zweite Tatbe-standsvoraussetzung von Art. 55 I OR vor (vgl. Rz 235). Franks Schaden entstand, weil Max die ihm aufgetragenen Verrichtung, nämlich das Anbringung einer Sicherung an der Treppe, unterlassen hat. Daher liegt auch der funktionelle Zusammenhang vor (vgl. Rz 236). Somit sind die Voraussetzungen der Geschäftsherrenhaftung gegeben. Die Canellotti AG kann sich nur noch von ihrer Haftung befreien, wenn sie den Sorgfalts- oder den Befreiungsbeweis erbringt (vgl. Rz 237 ff.; cura in eligendo, cura in instruendo, cura in custidiendo, cura in organisando). Der Sorgfaltsbeweis wird der Canellotti AG nicht gelingen, da sie durch die Überwachung ihrer Hilfsperson Max den eingetretenen Schaden hätte verhindern können (vgl. Rz 242). Ebensowenig kann die Canellotti AG durch den Befreiungsbeweis ihrer Haftung entkommen, da Frank nicht die Treppe hinuntergestürzt wäre, wenn die Treppe ordentlich gesichert worden wäre (vgl. Rz 246 f.). Demnach ist die Canellotti AG gegenüber Frank haft-bar gestützt auf Art. 55 I OR. Fall 2: Wild gewordene Bienen Steffi und Lydia könnten gegenüber Imker Bernhard einen Anspruch auf Schadener-satz gestützt auf Art. 56 OR haben. Steffi und Lydia wurden durch den Bienenangriff und durch die Tötung ihres Hundes Kessy adäquat kausal und widerrechtlich geschädigt. Die Bienen handelten aus eige-nem Antrieb als sie Lydia, Steffi und Kessy Stiche zufügten (vgl. Rz 250). Bernhard ist der Tierhalter der Bienen, da er den Nutzen an ihnen hatte (vgl. Rz 251 f.). Daher haftet Bernhard als Tierhalter für den durch die Bienen angerichteten Schaden, sofern er sich nicht durch den Sorgfalts- oder Befreiungsbeweis entlasten kann.

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    Wie Bernhard zu Protokoll gab, war ihm das Phänomen wild gewordener Bienen-schwärme bekannt. Da er nicht ausschliessen konnte, dass auch seine Bienen von die-sem Phänomen betroffen sein könnten, hätte er die notwendigen Massnahmen zur Prävention eines Bienenangriffs ergreifen müssen. Die Anbringung eines Warnschildes wäre eine geeignete Massnahme gewesen, um die Familie Kleeblatt von dem Bienen-häuschen fernzuhalten. Da Bernhard es versäumt hat, ein solches Warnschild aufzu-stellen, wird er nicht darlegen können, dass er die nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung der Tiere angewendet hat (vgl. Rz 254 f.). Zudem hätte Steffi ihren Hund Kessy nicht so nahe an das Bienenhäuschen gelassen, wenn ein Schild vor einem möglichen Bienenangriff gewarnt hätte. Daher wird Bernhard nicht beweisen können, dass der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn er die gebote-ne Sorgfalt angewendet hätte (vgl. Rz 256). Somit wird die Tierhalterhaftung auch nicht durch den Befreiungsbeweis ausgeschlossen und Bernhard haftet Lydia und Steffi für den eingetretenen Schaden. Fall 3: Seilbahnfahrt Paul könnte gegenüber der Flimserstein Bergbahnen AG Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 55 I OR haben. Der Fall aus der Materialseilbahn war adäquat kausal für die widerrechtliche Schädi-gung von Paul. Jacky ist Arbeitnehmer bei der Flimserstein Bergbahnen AG, daher besteht ein Unterordnungsverhältnis (vgl. Rz 233 f.). Fraglich ist, ob Jacky den einge-tretenen Schaden in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtung verursacht hat (vgl. Rz 235). Da Jacky nicht von seinem Arbeitgeber beauftragt wurde, die Materialseil-bahn am Sonntagnachmittag in Betrieb zu nehmen und Vergnügungsfahrten mit der-selben nicht zur geschäftlichen Verrichtung von Jacky gehören, ist dies abzulehnen. Daher haftet die Flimserstein Bergbahnen AG nicht für Pauls Schaden gestützt auf Art. 55 I OR. Fall 4: Unfall mit dem Helikopter Die verletzten Seilbahnpassagiere könnten gegenüber der Flimserstein Bergbahnen AG einen Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 55 I OR haben. Die Passagiere der Seilbahn wurden durch die Durchtrennung des Tragseils adäquat kausal und widerrechtlich geschädigt. Jacky steht als Arbeitnehmer der Flimserstein Bergbahnen AG in einem Subordinationsverhältnis zu seiner Arbeitgeberin (vgl. Rz 233 f.). Der Unfall ereignete sich bei Ausübung der geschäftlichen Verrichtung, näm-lich auf dem Rückflug von einem Materialtransport (vgl. Rz 235). Der funktionelle Zu-sammenhang zwischen der geschäftlichen Verrichtung und dem Schaden ist gegeben, da dieser durch weisungswidriges Verhalten nicht ausgeschlossen wird. Die Flimser-stein Bergbahnen AG kann den Befreiungsbeweis nicht erbringen, da sie Jacky mit veraltetem Material ausstattete und daher ihre Pflicht, die Arbeitnehmer mit taugli-chem Arbeitsmaterial auszustatten, verletzte. Daher haftet die Flimserstein Bergbah-nen AG gegenüber den Seilbahnpassagieren für die eingetretenen Schäden.

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    Fall 5: Aufsicht auf dem Bauernhof Marianne könnte gegenüber Tante Margrith Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 333 ZGB haben. Als Familienoberhaupt gilt diejenige Person, die gegenüber dem Unmündigen eine Aufsichtspflicht innehat (vgl. Rz 260 ff.). Im vorliegenden Fall ist der unmündige Paul bei Ben und Margrith in den Ferien. Daher sind sie zur Beaufsichtigung des 13-jährigen Pauls verpflichtet, wobei die Beaufsichtigungspflicht mit zunehmendem Alter des Kin-des abnimmt. Von Tante Margrith konnte nicht erwartet werden, dass sie Teenager Paul ständig beaufsichtigt, da dieser schon alt genug war, um eine gewisse Eigenver-antwortung zu tragen. Fall 6: E-Security Das Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur (ZertES) bestimmt in Art. 2 lit. a, dass eine digitale Signatur aus elektronischen Daten besteht, welche mit anderen elektronischen Daten kombiniert oder logisch verknüpft sind und der Authentifizierung dient.

    Die zur Erzeugung der Signatur verwendeten Signaturschlüssel müssen die Anforde-rungen von Art. 6 II ZertES erfüllen. Sie dürfen praktisch nur einmal auftreten, damit ihre Geheimhaltung hinreichend gewährleistet ist (lit. a), sie müssen mit hinreichen-der Sicherheit nicht abgeleitet werden können, damit die Signatur bei Verwendung der jeweils verfügbaren Technologie vor Fälschungen geschützt ist (lit. b) und die Signaturschlüssel müssen von der rechtmässigen Inhaberin oder vom rechtmässigen Inhaber vor der missbräuchlichen Verwendung durch andere verlässlich geschützt werden können (lit. c).

    Die Haftung für Signaturschlüssel ist in Art. 59a OR geregelt (vgl. Rz 269). Gemäss dieser Bestimmung haftet der Inhaber des Signaturschlüssels gegenüber einem im Vermögen geschädigten Dritten, welcher sich auf das qualifizierte gültige Zertifikat einer anerkannten Anbieterin von Zertifizierungsdiensten verlassen hat. Daneben müssen die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen (Widerrechtlichkeit, Kausalität) vorliegen (vgl. Rz 270). Da es sich bei der Signaturschlüsselhaftung um eine milde Kausalhaftung handelt, kann sich der Inhaber von der Haftung befreien, indem er den Sorgfalts- oder Befreiungsbeweis erbringt (vgl. Rz 272 f.).

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    Kapitel 7

    Fall 1: Fatale Gasexplosion Familie Kleeblatt könnte gegenüber Michèle Kaiser Vogt einen Anspruch auf Scha-denersatz gestützt auf Art. 54 I OR i.V.m. Art. 560 I ZGB haben. Die Billigkeitshaftung in Art. 54 I OR setzt voraus, dass eine urteilsunfähige Person durch ihr fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten eine andere Person adäquat kau-sal und widerrechtlich schädigt (vgl. Rz 275 ff.). Frau Vogt, die Nachbarin der Familie Kleeblatt, litt an Altersdemenz und war daher nicht urteilsfähig. Es ist im Ermessen des zuständigen Gerichts zu beurteilen, ob eine Haftung im gegebenen Fall als billig erscheint (vgl. Rz 279). Da Frau Vogt über eine private Haftpflichtversicherung verfügte, ist davon auszugehen, dass das Gericht eine Billigkeitshaftung bejaht. Die Zerstörung der Scheiben der Familie Kleeblatt und de-ren Baumbestandes stellen widerrechtliche Schäden im juristischen Sinn dar, die adä-quat kausal durch die Explosion in Frau Vogts Haus verursacht wurden. Frau Vogt handelte zudem fahrlässig, als sie den Gasherd nicht abstellte. Somit besteht ein An-spruch der Familie Kleeblatt gegenüber Frau Vogt. Dieser ist von Frau Vogt mittels Universalsukzession gemäss Art. 560 I ZGB auf ihre Alleinerbin Michèle Kaiser Vogt übergegangen. Demnach besteht ein Anspruch der Familie Kleeblatt gegenüber Mi-chèle Kaiser Vogt gestützt auf Art. 54 I OR i.V.m. Art. 560 I ZGB.

    Denkbar ist auch ein Anspruch aus Art. 679 ZGB. Die Grundeigentümerhaftung verlangt neben den allgemeinen Haftungsvoraussetzun-gen (Schaden Widerrechtlichkeit, Kausalität), dass ein Grundeigentümer sein Eigen-tumsrecht überschreitet. Die zerstörten Scheiben und die Schäden am Garten der Kleeblatts gehen auf die Explosion bzw. das Feuer zurück, welches vom benachbar-ten Grundstück ausging. Aus diesem Grund besteht ein Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 679 ZGB. Fall 2: Unfall auf dem Bau Dilek B. könnte gegenüber der Bank B. Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 58 I OR haben. Die Werkeigentümerhaftung setzt neben den allgemeinen Voraussetzungen der Haft-pflicht voraus, dass eine Person aufgrund der Mangelhaftigkeit eines Werkes einen Schaden erlitten hat (vgl. Rz 285 ff.). Das Gebäude, in dessen Eingangsbereich sich Dilek B. ihren Arm brach, stellt ein Werk im Sinne des Art. 58 I OR dar. Der Bauschutt im Eingangsbereich des Gebäudes ist als Werkmangel zu qualifizieren, wenn das Gebäude aufgrund des Bauschutts nicht die für den bestimmungsgemässen Gebrauch erforderli-che Sicherheit bietet (vgl. Rz 296). Dilek B. ging rückwärts laufend auf den Eingangsbe-reich des Gebäudes zu, während sie Fotos von den Demonstranten machte. Diese An-näherung an den Eingangsbereich des Gebäudes entspricht nicht dessen bestimmungs-gemässem Gebrauch. Durch das Rückwärtsgehen entging ihr auch das angebrachte Warnschild, welches sie auf den herumliegenden Bauschutt hinweisen sollte. Da Dilek B. das Werk nicht bestimmungsgemäss genutzt hat, kann sie sich nicht auf Art. 58 I OR

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    stützen. Demnach hat Dilek B. keinen Anspruch auf Schadenersatz gegenüber der Bank B. gestützt auf Art. 58 I OR. Fall 3: Lärmige Renovationsarbeiten Die Cinq Poires SA könnte gegenüber Sam Anspruch auf Schadenersatz in der Höhe von CHF 500‘000 gestützt auf Art. 679 ZGB haben. Die Grundeigentümerhaftung verlangt neben den allgemeinen Haftungs-voraussetzungen (Schaden Widerrechtlichkeit, Kausalität), dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet (vgl. Rz 305). Im vorliegenden Fall ist Sam der Grundeigentümer des Gebäudes an der Freien Strasse 83 in Basel. Die Sanierung der Liegenschaft hat für das benachbarte Gebäude der Cinq Poires SA Lärm- und Stau-bemissionen sowie einen erheblich erschwerten Zugang für die Kunden zum Ge-schäft zur Folge. Ausserdem werden durch die Baugerüste die Schaufenster des Ge-schäfts phasenweise völlig verdeckt. Die sachenrechtlichen Herrschaftsrechte von Sam beschränken sich auf die Liegenschaft an der Freien Strasse 83, so dass die Im-missionen auf das Nachbargrundstück an sich eine unzulässige Überschreitung seines Eigentumsrechts darstellen (vgl. Rz 307). Sam hat jedoch eine Baubewilligung für die Sanierungsarbeiten, die es ihm erlaubt, sein Eigentumsrecht in gewissem Masse zu überschreiten. Der Nachbar kann sich aus diesem Grund nicht auf Art. 679 ZGB berufen. Zu beachten ist der neu eingefügte Art. 679a ZGB (vgl. Rz 312a), der die bundesge-richtliche Rechtsprechung kodifiziert (vgl. BGE 114 II 230). Gestützt auf Art. 679a ZGB können auch Schäden geltend gemacht werden, wenn der Nachbar die gelten-den Bauvorschriften eingehalten hat. Voraussetzung ist, dass es sich um „vorüberge-hend übermässige und unvermeidliche Nachteile“ handelt. Der geschädigte Nachbar kann „nur“ auf Schadenersatz, nicht jedoch auf Unterlassung klagen. Bei den oben erwähnten Emissionen handelt es sich um vorübergehende übermässige Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen. Durch die Sanierungsarbeiten entstand der Cinq Poires SA ein beträchtlicher Schaden in Höhe von CHF 500‘000. Die adä-quate Kausalität liegt ebenfalls vor, da die erhebliche Erschwerung des Zugangs zum Geschäft und das Verdecken von Schaufenstern geeignet sind, um Umsatzeinbussen herbeizuführen (vgl. Rz 305). Die Widerrechtlichkeit der Schädigung ist ebenfalls zu bejahen, da Art. 684 ZGB störende Emissionen auf das Nachbargrundstück verbietet. Ein Verschulden des Eigentümers ist nicht erforderlich (vgl. Rz 305). Sam kann sich nicht durch den Entlastungsbeweis von seiner Haftung befreien, da die Grundeigen-tümerhaftung verschuldensunabhängig ist (vgl. Rz 312). Daher hat die Cinq Poires SA gegenüber Sam einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von CHF 500‘000 gestützt auf Art. 679a ZGB. Fall 4: Explodierende Kaffeekanne Tante Margrit könnte gegenüber dem Hersteller X einen Anspruch gestützt auf Art. 1 PrHG haben. Hierfür ist zunächst erforderlich, dass ein fehlerhaftes Produkt vorliegt. Beim Glasbe-hälter der Kaffeemaschine handelt es sich um ein Teil einer beweglichen Sache (Art. 3 Abs. 1 lit. a PrHG), die für den privaten Gebrauch hergestellt und auch entsprechend

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    benutzt wurde (Art. 1 Abs. 1 lit. b PrHG). Der Behälter stellt damit ein Produkt im Sinne des PrHG dar. Ein Produkt ist dann fehlerhaft, „wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist“ (Art. 4 Abs. 1 PrHG, Rz 317). Dies beurteilt sich insbesondere vor dem Hintergrund des gewöhnlichen Gebrauchs einer derarti-gen Sache sowie dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Inverkehrsbringung (Art. 4 Abs. 1 lit. b und c PrHG). Vorliegend handelt es sich um einen Glasbehälter einer Kaffeemaschine, der zer-springt, wenn man ihn im heissen Zustand auf eine kühle oder nasse Oberfläche ab-stellt. Das Abstellen eines, während des Gebrauchs naturgemäss heissen, Kaffeebehälters auf eine kühle oder nasse Oberfläche, wie sie in Küchen verbreitet sind, ist eine Ge-brauchsweise mit der im Alltag gerechnet werden muss. Zudem ist es technisch mög-lich Glasgefässe herzustellen, die unter diesen Umständen nicht zerspringen. Damit liegt beim Glasbehälter ein Fehler im Sinne von Art. 4 PrHG vor. Hersteller X steht der Nachweis von Befreiungsgründen nach Art. 5 PrHG offen. Dies wird im vorliegenden Fall jedoch nicht gelingen, da keiner der Gründe ein-schlägig ist. Auch führen die Instruktionen in der Bedienungsanleitung nicht zu einer Entlastung, da die Haftung nicht wegbedungen werden kann (Art. 8 PrHG). Ein Ver-schulden des Herstellers ist nicht erforderlich (vgl. Rz 314). Die allgemeinen Voraussetzungen (Schaden, Widerrechtlichkeit, Kausalität, vgl. Rz 317 und 319) sind vorliegend gegeben. Daher hat Tante Margrit einen Anspruch ge-gen Hersteller X aus Art. 1 PrHG. Diesen Anspruch kann sie innert drei Jahren gel-tend machen (Art. 9 PrHG). Bzgl. der Beweislage ist anzumerken, dass für Fälle wie diesen, wo das fehlerhafte Produkt explodiert, Beweiserleichterungen gewährt werden können (vgl. Rz 317b). Vorliegend dürfte es Tante Margrit möglich sein mit Hilfe der Zeugenaussagen ihrer Freundinnen den Beweis zu erbringen (Art. 8 ZGB).

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    Kapitel 8

    Fall 1: Gestohlener Bubentraum Wer der Halter eines Fahrzeugs ist, bestimmt sich nicht nach formellen, sondern nach materiellen Kriterien (vgl. Rz 341). Entscheidend ist, auf wessen Rechnung und Gefahr der Betrieb des Mercedes S500 erfolgt und wer tatsächlich über das Fahrzeug verfügt (vgl. Rz 341). Daher ist die Sandwicheria AG, nur weil sie im Fahrzeugausweis als ‚Hal-terin’ aufgeführt ist, gemäss Art. 58 I SVG nicht ohne Weiteres als solche anzusehen. Vom Betrieb des Autos profitierte einerseits die Sandwicheria AG, da Sam das Auto für geschäftliche Verrichtungen benutzte. Andererseits profitierte Sam auch persönlich von dem Fahrzeug, da es ihm alleine zur Verfügung stand und er es auch als Privatauto nutzte. Er konnte grundsätzlich frei über die Verwendung des Autos entscheiden und hatte dementsprechend die tatsächliche Verfügungsmacht über das Auto. Daher ist Sam der Halter des Mercedes S500 im Sinne des Art. 58 I SVG. Dies hat zur Konsequenz, dass Sam als Halter des Fahrzeugs keinen Anspruch gegen-über der Haftpflichtversicherung geltend machen kann. Ausserdem haftet Sam gegen-über der Eigentümerin, Sandwicheria AG, gemäss Art. 59 IV lit. a SVG für die Schäden, die am Fahrzeug entstanden sind. Fall 2: Verkehrsunfall an unübersichtlicher Kreuzung Ansprüche der Fabienne L. gegenüber der Sandwicheria AG gestützt auf Art 58 I SVG: Fabienne könnte gegenüber der Sandwicheria AG Anspruch auf Schadenersatz ge-stützt auf Art. 58 I SVG haben. Peter Saurer war mit dem Firmenauto der Sandwicheria AG unterwegs, als er mit der Velofahrerin Fabienne L. kollidierte. Das Firmenauto stellt ein Motorfahrzeug dar, welches im Zeitpunkt der Schädigung in Betrieb war (vgl. Rz 338 f.). Die Sandwi-cheria AG ist die Halterin des Fahrzeugs (vgl. Rz 341 f.). Fabienne L. erlitt durch den Zusammenstoss mit dem Firmenauto eine Schädelfraktur, zudem wurde ihr Fahrrad zerstört. Daher liegt eine widerrechtliche Schädigung vor. Die Kausalität könnte durch grobes Drittverschulden, namentlich durch den falsch parkenden Samir, unter-brochen worden sein (vgl. Rz 345). Peter Saurer müsste in diesem Fall zusätzlich dar-legen, dass ihn kein Verschulden am eingetretenen Schaden trifft (vgl. Rz 345). Peter Saurer hätte Fabienne L. aber trotz des falsch parkenden Samirs nicht übersehen, wenn er aufmerksamer gewesen wäre. Daher trifft ihn auch ein eigenes Verschulden und der Kausalzusammenhang ist nicht unterbrochen. Fabienne L. hat daher gegen-über der Sandwicheria AG einen Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 58 I SVG.

    Ansprüche der Fabienne L. gegenüber der Sandwicheria AG gestützt auf Art 55 I OR: Fabienne L. könnte gegenüber der Sandwicheria AG ausserdem einen Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 55 I OR haben. Chauffeur Peter Saurer ist ein Ange-stellter der Sandwicheria AG und steht ihr gegenüber in einem Unterordnungsver-hältnis (vgl. Rz 234). Er befand sich auf dem Rückweg eines Warentransports der Sandwicheria AG als er mit Fabienne L. zusammenstiess. Daher entstand der Schaden

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    in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtung, die in einem funktionellen Zusam-menhang zu den entstandenen Schäden steht (vgl. Rz 235 f.). Auch die allgemeinen Voraussetzungen der Haftpflicht sind erfüllt (siehe oben 2.a.). Die Sandwicheria AG kann die Geschäftsherrenhaftung weder durch den Sorgfaltsbeweis, noch durch den Befreiungsbeweis abwenden. Sie hätte n: Die Sandwicheria AG hätte einen vorsichti-geren Chauffeur einstellen können und ihn besser kontrollieren oder instruieren müssen. Daher hat Fabienne L. gegenüber der Sandwicheria AG Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 55 I OR.

    Ansprüche der Fabienne L. gegenüber Peter Saurer gestützt auf Art 41 I OR: Die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen der Haftpflicht liegen vor (siehe oben 2.a.). Peter Saurer trägt auch ein Verschulden an den entstandenen Schäden, da er Fabi-enne L. übersehen hat und dies durch erhöhte Aufmerksamkeit und eine angepasste Fahrweise hätte verhindern können. Daher hat Fabienne L. gegenüber Peter Saurer Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 41 I OR.

    Ansprüche der Fabienne L. gegenüber Samir gestützt auf Art 58 II SVG: Samirs Motorfahrzeug war im Zeitpunkt der Kollision nicht in Betrieb. Er haftet je-doch gemäss Art. 58 II SVG für den entstandenen Schaden, den sein Fahrzeug, wel-ches sich nicht in Betrieb befand, verursacht hat, sofern Fabienne L. beweisen kann, dass ihn ein Verschulden an der Unfallverursachung trifft (vgl. Rz 347). Das vor-schriftswidrige Parken eines Lieferwagens unmittelbar vor einer Kreuzung ist geeig-net, die Verkehrsübersicht erheblich zu stören und erhöht das Risiko eines Ver-kehrsunfalls massiv. Das Parken an einer solchen Stelle ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet, einen Verkehrsunfall von der Art des Eingetretenen zumindest zu begünstigen. Die adäquate Kausalität ist daher zu bejahen. Samir handelte schuldhaft, da er sein Fahrzeug vorsätzlich vor-schriftswidrig abgestellt hatte, um eine Znünipause zu machen. Daher haftet Samir nach Art. 58 II SVG für den entstandenen Schaden. Variante 1: Samir kann weder gegenüber Peter Saurer und der Sandwicheria AG, noch gegen-über Fabienne L. haftpflichtrechtliche Ansprüche geltend machen, da in jedem Fall der Kausalzusammenhang durch grobes Selbstverschulden unterbrochen worden ist.

    Variante 2: In dieser Konstellation könnte Fabienne L. gegenüber der Suprema AG gestützt auf Art. 55 I OR Schadenersatz für den von Samir verursachten Schaden geltend machen.

    Variante 3: Sind bei einem Unfall mehrere Motorfahrzeuge beteiligt, haftet ein anderer Halter für den Sachschaden nur, wenn der Geschädigte u.a. beweist, dass der Schaden durch Verschulden (...) des beklagten Halters oder einer Person, für die er verantwortlich ist, verursacht wurde (Art. 61 II SVG). Dies ist in casu für den Anspruch der Sandwi-cheria AG gegen die Suprema AG der Fall . Samir kommt von links und begeht damit eine Verkehrsregelübertretung. Die Suprema AG haftet für ihn, da sie als Arbeitgebe-rin für ihn verantwortlich ist. Umgekehrt haftet die Sandwicheria AG nicht für den Schaden an Samirs Auto, da weder sie noch Peter Saurer ein Verschulden trifft.

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    Fall 3: Wildgewordener Stier Bei der GSF handelt es sich um eine privatrechtliche Organisation, welche mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut wurde. Art. 19 I lit. a VG statuiert, dass sie gemäss Art. 3 I VG verschuldensunabhängig für Schäden, die ihre Angestellten in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtung verursachen, haftet (vgl. Rz 358 ff.). Besteht eine andere spezialgesetzliche Haftungsgrundlage, geht diese laut Art. 3 II VG der all-gemeinen Staatshaftung vor, unbesehen davon, ob es sich um eine Verantwortlichkeit aus öffentlichem oder privatem Recht handelt (vgl. BGE 115 II 237). Die Anwendung der spezialgesetzlichen Bestimmung wäre nur dann ausgeschlossen, wenn der ausge-brochene Stier zur Ausübung einer hoheitlichen Handlung beigezogen worden wäre, wie es etwa bei einem Zollhund der Fall ist. Eine spezialgesetzliche Regelung der Haf-tung des Tierhalters findet sich in Art. 56 I OR. Diese findet im vorliegenden Fall An-wendung, da der Stier nicht zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beigezogen wurde. Die GSF ist Tierhalterin des Stieres, der Nadia F. durch die Verwirklichung einer typischen Tiergefahr adäquat kausal und widerrechtlich verletzt hat. Daher hat Nadia F. gegenüber der GSF Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 56 I OR. Fall 4: Komplikationen nach Operation Fraglich ist, ob Nadia F. Prof. Oskop persönlich haftbar machen kann oder ob sie allfälli-ge Ansprüche an den Kanton Zürich stellen muss. Nach bundesgerichtlicher Rechtspre-chung entscheidet das kantonale Haftungsgesetz darüber, ob eine Tätigkeit in einem kan-tonalen Spital dem öffentlichen Haftungsrecht untersteht (BGE 126 III 370, vgl. Rz 370). Gemäss § 1 der Krankenhaus Verordnung des Kantons Zürich wird das Universitätsspi-tal vom Kanton Zürich geführt und untersteht daher grundsätzlich öffentlichem Haf-tungsrecht (vgl. Rz 370). Nach § 1 I des Haftungsgesetzes haftet der Kanton nur für Per-sonen, die im Dienst des Gemeinwesens arbeiten. Diese müssen gemäss § 6 I in Aus-übung ihrer amtlichen Verrichtung den entstandenen Schaden verursacht haben. In seiner Funktion als Chefarzt steht Prof. Oskop im Dienste des Gemeinwesens. Jedoch verfügt er auch über eine Bewilligung der Gesundheitsdirektion, welche es ihm erlaubt, Patienten auf eigene Rechnung im Universitätsspital Zürich zu behandeln. Sofern Prof. Oskop auf eigene Rechnung Patienten behandelt, tut er dies wohl in den Räumlichkeiten, jedoch nicht im Dienst des Staates. Zudem stellt das Erwirtschaften privaten Vermögens keine amtliche Verrichtung im Sinne von § 6 I des Haftungsgesetzes dar. Somit muss Nadia F. ihre Ansprüche gemäss Art. 61 II OR gegenüber Prof. Oskop persönlich geltend machen (vgl. Rz 358). Ansprüche von Nadia F. gegenüber Prof. Oskop: Nadia F. könnte gegenüber Prof. Oskop Anspruch auf Schadenersatz für die durch die Krankenkasse ungedeckten Heilungskosten und für das erschwerte wirtschaftliche Fort-kommen gestützt auf Art. 41 I OR haben. Die von der Krankenkasse ungedeckten Heilungskosten sowie das erschwerte wirt-schaftliche Fortkommen stellen einen Schaden im Sinne der Differenztheorie dar (Art. 45 II OR, Art. 46 I OR). Das erschwerte wirtschaftliche Fortkommen aufgrund einer Körperverletzung ist gemäss Art. 45 I OR ersatzfähig. Die Verletzung eines absolut ge-schützten Rechtsgutes ist grundsätzlich widerrechtlich. Fraglich ist, ob sich Prof. Oskop

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    im vorliegenden Fall auf den Rechtfertigungsgrund der Einwilligung berufen kann. Nadia F.s Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie richtig über den Eingriff aufgeklärt wurde. Prof. Oskop hat Nadia nicht über die finanziellen Folgen des Eingriffs aufgeklärt. Dies hat die Unwirksamkeit des gesamten Eingriffs zur Folge, auch wenn dieser lege artis durchge-führt wurde. Die von Prof. Oskop durchgeführte Operation war adäquat kausal für die nachfolgenden Komplikationen, welche die dauerhafte Beeinträchtigung von Nadia F.s Sehvermögen und deren wirtschaftlichen Fortkommens zur Folge hatten. Prof. Oskop hat die mangelhafte Aufklärung seiner Patientin auch verschuldet. Daher hat Nadia F. gegenüber Prof. Oskop Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf Art. 41 I OR.

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    Kapitel 9

    Vorbemerkung: Die Solidarität wird in diesem Fall nicht behandelt, da sie erst im Kapitel 11 erläutert wird.

    Fall 1: Plätze unter Wasser und kaputte Fenster a) Berechnung der Sachschäden:

    Bezüglich der Zerstörung der Scheiben des TC Platinball: Die Reparaturkosten der zerstörten Scheiben belaufen sich auf CHF 1‘500 und sind an sich ersatzfähig. Zu beachten ist, dass das zerstörte Glas durch ein qualitativ hochwertigeres, wärmedämmendes Glas ersetzt wurde. Der Sachschaden entspricht grundsätzlich der Werteinbusse, welche ein Gegenstand aufgrund der Schädigung er-litten hat. Diese bestimmt sich nach der Höhe der Reparaturkosten. Da die Schei-be einen Totalschaden erlitten hat, entspricht der Sachschaden im vorliegenden Fall dem Anschaffungspreis einer gleichwertigen Scheibe. Dabei ist vom objektiven Wert der Scheibe auszugehen, d.h. dem Wert eines normalen Fensters. Durch den Einbau des wärmedämmenden Fensters entstand ein wirtschaftlicher Mehrwert am Gebäu-de, da der TC Platinball dadurch Energiekosten sparen kann. Der TC Platinball hat diese Mehrkosten gegenüber einem normalen Fenster selbst zu tragen. Daher be-läuft sich der Sachschaden auf CHF 1‘500 abzüglich der Mehrkosten für ein spe-ziell wärmedämmendes Glas.

    Bezüglich den unter Wasser gesetzten Tennisplätzen: Der Sachschaden umfasst hier zunächst die Kosten der aufwendigen Aufräum- und Sanierungsarbeiten. Weiter zählen auch die Mietkosten für zusätzliche Tennis-plätze, welche durch die Schädigung entstanden sind, zu dem Sachschaden (vgl. Rz 421). Die Mietkosten betragen CHF 1'440 (4 x 6h à CHF 60). Daher besteht für die 2 Tage ein Sachschaden in Höhe von CHF 2'880 zuzüglich der Kosten für die Aufräum- und Sanierungsarbeiten.

    b) Bei der Schadenersatzbemessung müssen allfällige Reduktionsgründe berücksichtigt

    werden, die eine Herabsetzung des effektiv zu leistenden Schadenersatzes zur Fol-ge haben (vgl. Rz 425). Gemäss Art. 43 I OR sind dabei der Grad des Verschuldens der schädigenden Person sowie die übrigen Umstände zu beachten (vgl. Rz 427 f., Rz 431). Eine Reduktion ist bei vorsätzlichem Handeln grundsätzlich ausgeschlos-sen (vgl. Rz 428). Da Walti Grünspann die Tennisplätze absichtlich unter Wasser gesetzt hat und Roger Jones zumindest grob fahrlässig handelte, ist eine Reduktion des Schadenersatzes ausgeschlossen.

    Fall 2: Arbeitsunfähigkeit wegen Verbrennungen

    a) Nach Art. 46 I OR sind folgende Kosten zu ersetzen, soweit sie nicht durch eine Sozial- oder Privatversicherung gedeckt werden:

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    § Heilungskosten (vgl. Rz 407)

    § Erwerbsschaden (vgl. Rz 408 ff.).

    § Haushaltschaden (vgl. Rz 414 f.): Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann der Haushaltschaden zwar abstrakt berechnet werden (BGE 129 III 153), wird aber tatsächlich eine Drittperson als Haushaltshilfe beigezogen, kann der Schaden konkret berechnet werden. Freddy ist zwar keine aussenstehende Haushaltshilfe, die mit einem Lohn entschädigt wird, er hat aber nach Sachver-halt sein Arbeitspensum um 20% reduziert, um Haushaltsarbeiten zu verrich-ten. Der Schaden entspricht der Reduktion des Lohnes, die er in Kauf nahm, um im Haushalt mitzuhelfen.

    § Rentenschaden (vgl. Rz 416 f.): Die Berechnung des Rentenschadens erfolgt

    konkret. Da Vreni selbständig ist, muss hypothetisch ermittelt werden, welche Rente sie ohne den Unfall effektiv realisiert hätte und welche Rente sie jetzt noch erhält.

    § Integritätsschaden: Zwar bleiben nach Sachverhalt trotz plastischer Chirurgie

    Narben an Vrenis Beinen zurück. Dies erschwert jedoch ihr berufliches Fort-kommen nicht, weshalb Vreni keinen Anspruch auf Ersatz eines Integritäts-schadens gemäss Art. 46 I OR hat.

    § Vreni kann nicht mehr Tennis spielen. Dies ist ein Frustrationsschaden, der

    keinen ersatzfähigen Schadensposten darstellt (vgl. Rz 70). b) Reduktionsgründe

    § Als Reduktionsgrund könnte ein Selbstverschulden (vgl. Rz 433 ff.) in Betracht kommen, da Vreni den mit Bällen in Richtung Grill zielenden Schützen anfeuer-te. Dieser haftet gegenüber Vreni (wohl) gestützt auf Art. 41 OR. Bei einer Verschuldenshaftung soll die Schadenersatzpflicht durch den Vergleich und die Abwägung des Verschuldens des Schädigers mit jenem der Geschädigten be-stimmt werden (vgl. Rz 427). Es war unvorsichtig von Vreni, so nahe beim Grill zu stehen und gleichzeitig den Schützen durch Anfeuerungsrufe noch zu moti-vieren. Ein über eine leichte Fahrlässigkeit hinausgehendes Verschulden kann ihr jedoch nicht zur Last gelegt werden. Eine Reduktion von bis zu 20% des Schadenersatzes erscheint angemessen.

    § Eine Reduktion könnte gegebenenfalls vorgenommen werden, falls bei Vreni eine psychische Geneigtheit zu Neurosen festgestellt wird (vgl. Rz 445), so dass die Depressionen nicht mit den Verbrennungen in Verbindung gebracht werden können.

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    Kapitel 10

    Fall 1: Verschwiegene Aids-Erkrankung a) Genugtuungsansprüche von Frau A. und Tochter B.

    Ansprüche von Frau A. gegen Herrn L.: Frau A. könnte gegenüber Herrn L. Anspruch auf Genugtuung gestützt auf Art. 47 OR haben. Erforderlich ist, dass Frau A. von Herrn L. in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt wurde, wozu auch Leib und Leben zählen, wobei die Körperverletzung eine gewisse Schwere aufweisen muss (vgl. Rz 472), was bei der Ansteckung mit dem HI-Virus zweifellos bejaht werden kann. Zusätzlich muss die Körperverletzung zu einem spür-baren seelischen Schmerz führen, der sich in der Beeinträchtigung der Lebensfreude und des Lebensgenusses sowie in der Herabsetzung von sozialem oder wirtschaftli-chem Ansehen äussern kann (vgl. Rz 474). Die Ansteckung mit dem HI-Virus stellt eine widerrechtliche, adäquat kausale und verschuldete Persönlichkeitsverletzung dar, da er Kenntnis von seiner Infizierung hatte und eine Ansteckung leugnete. Daher sind die allgemeinen Haftungsvorausset-zungen erfüllt (vgl. Rz 475). Die Ansteckung mit dem HI-Virus stellt eine Persönlichkeitsverletzung von einer besonderen Schwere dar. Frau A. entwickelte in der Folge der Ansteckung aus Hilflosigkeit, Verzweiflung und Angst vor Leiden und Tod eine schwere reaktive Depression. Zudem belasten die alleinerziehende Mutter die Gedanken an die Zu-kunft bezüglich ihrer minderjährigen Tochter B., die bald ihre einzige familiäre Be-zugsperson verlieren könnte. Nach Angaben der Tochter lebt Frau A. seit der An-steckung mit dem HI-Virus auch sozial isoliert. Daher hat die Ansteckung mit dem HI-Virus Frau A. einen spürbaren seelischen Schmerz zugefügt. Im Ergebnis hat Frau A. gegenüber Herrn L. einen Anspruch auf Genugtuung gestützt auf Art. 47 OR. Ansprüche von Tochter B. gegen Herrn L.: Tochter B. könnte gegenüber Herrn L. Anspruch auf Genugtuung gestützt auf Art. 49 OR haben. Tochter B. müsste eine Persönlichkeitsverletzung von einer gewissen Schwere erlit-ten haben, welche ihr einen spürbaren seelischen Schmerz verursacht hat (vgl. Rz 471 ff.). Die Krankheit ihrer Mutter belastete die Tochter schwer und störte sie während den entscheidenden Jahren ihrer Kindheit in ihrer Entwicklung. Die Beein-trächtigung der psychischen Integrität ist nicht geringfügig und weist somit eine ge-wisse Schwere auf. Da kein Rechtfertigungsgrund vorliegt, ist sie widerrechtlich. Herrn L.s verschuldete Ansteckung von Tochter B.s Mutter Frau A. war adäquat kausal für diese mittelbare Persönlichkeitsverletzung. Die Infektion ihrer Mutter verunmöglichte es Tochter B. ab ihrem 10. Altersjahr ein unbeschwertes Leben zu führen. Sie war ständig Verlustängsten und Gefühlen der Schutzlosigkeit ausgesetzt. Das Empfinden von Beschütztheit und Geborgenheit blieb ihr verwehrt. Dadurch erfuhr Tochter B. einen spürbaren seelischen Schmerz. Somit hat Tochter B. gegenüber Herrn L. Anspruch auf Genugtuung gestützt auf Art. 49 OR.

    b) Als Bemessungskriterien sind nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu berück-

    sichtigen: die Art und Schwere der Verletzung, die Intensität und Dauer, deren

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    Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen sowie der Grad des Ver-schuldens des Schädigers. Die Ansteckung mit dem HI-Virus stellt eine besonders schwere Verletzung dar. Sie dauert lebenslänglich, bis sie – in vielen Fällen – zum Tod der betroffenen Person führt. Ausserdem handelt es sich bei der HI-Virus Infektion um eine Krankheit, mit der üblicherweise eine soziale Schlechterstellung einhergeht. Sofern eine seelische Belastung überhaupt mit Geld ausgeglichen werden kann, wäre ein deutlich höherer Betrag notwendig, um diese Nachteile aufzuwiegen. Die insbesondere der Tochter zugesprochene Genugtuungssumme ist daher an der unteren Grenze. Im Gegensatz zu Unterhaltsansprüchen dienen Genugtuungsansprüche nicht der Deckung der laufenden Lebenskosten. Stattdessen soll durch die Zahlung einer Ge-nugtuung die Verursachung schwerer seelischer Schmerzen ausgeglichen werden. Daher ist ein Genugtuungsanspruch seitens der Geschädigten einkommens- und le-benskostenunabhängig zu beziffern, es sei denn, der Anspruchsberechtigte würde aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Wohnsitzland krass bes-ser gestellt werden (vgl. BGE 123 III 10, 15 ff.).

    Fall 2: Öffentliche Diffamierung a) Anspruchsgrundlage für einen allfälligen Genugtuungsanspruch bildet Art. 28a III

    i.V.m. Art. 49 OR. Der publizierte Zeitungsartikel ist persönlichkeitsverletzend, da er einen Eingriff in die geschäftliche Ehre von H. darstellt. Dagegen sprechen könn-te, dass es wahr ist, dass H. eine Gefängnisstrafe verbüsst hat. Dies berechtigt je-doch nicht zu einer ‚Herabsetzung’ einer Person in unzulässiger Weise, insbesonde-re wenn die Darstellung unnötig verletzend ist. Die Wahrheit der Aussage ist insbesondere dann kein Beurteilungsmassstab, wenn die publizierten Tatsachen der Privatsphäre des Betroffenen angehören. Das öffentliche Interesse an Informationen kann einen Eingriff nur begrenzt rechtferti-gen, namentlich wenn es sich bei der betroffenen Person um eine Berühmtheit handelt oder wenn sie im öffentlichen Dienst steht. In casu liegt weder das eine noch das andere vor. Die Einwilligung des H. in die Berichterstattung (vgl. Hinweis in der Fragestellung) rechtfertigt die widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung grundsätzlich nicht. Es liegt auch kein überwiegendes Interesse an der Publikation der länger zurückliegen-den Strafe vor (vgl. BGE 122 III 454, 456 f.).

    b) Die widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung des H. müsste eine gewisse Schwere

    aufweisen. Bagatellbeeinträchtigungen wie leichte Ehrverletzungen genügen nicht, um einen Genugtuungsanspruch zu begründen (vgl. Rz 471). Der Beklagten kann nicht vorgehalten werden, sie habe H. in seiner Persönlichkeit verletzt, weil sie über dessen Vergangenheit im Gefängnis berichtet hat. Es handelt sich dabei um ei-ne wahrheitsgemässe Aussage, deren Verbreitung bis zu einem gewissen Grad durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Die Darstellung des H. als inkompetenter, in zweifelhafte Geschäfte verwickelter Unternehmensberater ist jedoch problematisch. Diese Aussage entspricht nicht der Wahrheit und hat H. im Ansehen seiner Mitmenschen erheblich herabge-setzt. Dadurch wurde H. nicht nur in geringem Masse in seiner Persönlichkeit

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    verletzt und die Persönlichkeitsverletzung weist die erforderliche Schwere auf. Weiter muss H. einen spürbaren seelischen Schmerz durch die Diffamierung der W. erlitten haben (vgl. Rz 474). Die persönlichkeitsverletzenden Inhalte der W. sind durch deren Publikation nun allgemein bekannt. H. sieht sich täglich mit ihnen konfrontiert und muss sich ständig rechtfertigen, um seiner beruflichen und sozialen Ehre nicht vollends verlustig zu gehen. Ohne die genaue Verfassung des H. zu kennen, kann gesagt werden, dass die tägliche Beschäftigung mit den unrichtigen Beschuldigungen dazu geeignet ist, einen spürbaren seelischen Schmerz zu verursachen.

    c) Neben oder anstelle der Leistung einer Genugtuung in Form einer Geldleistung

    (Art. 49 I OR), kann das Gericht gemäss Art. 49 II OR auch Genugtuung in einer anderen Form zusprechen (vgl. Rz 481). Eine Genugtuung in Form einer Natural-leistung bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann wie folgt aussehen: H. kann gemäss Art. 28a II ZGB die Berichtigung oder Veröffentlichung des Feststel-lungsurteils in der W. oder an anderer geeigneter Stelle verlangen.

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    Kapitel 11

    Fall 1: Revolutionärer Unfug a) Ansprüche der Stadt Zürich und Muskelpack Ansprüche der Stadt Zürich: Für die der Stadt Zürich entstandenen Schäden haften alle Mitglieder der ‚Roten

    Zelle Bewegtes Züri’ gemäss Art. 143 II OR i.V.m. Art. 50 I OR solidarisch. Die individuellen Tatbeiträge der Beteiligten spielen im Aussenverhältnis keine Rolle, sofern sie durch ihr Zusammenwirken die eingetretenen Schäden gemeinsam ver-schuldet haben (vgl. Rz 497 ff., 525), was in casu der Fall ist. Fraglich ist, ob auch Berger für die entstandenen Schäden haftet. Berger konnte erkennen, dass das Ausschenken von Alkohol und die argumentative Unterstützung der ‚Roten Zelle‘ einen Schaden in der eingetretenen Art ermöglichen kann. Insofern hat er als fahr-lässiger Gehilfe für die entstanden Schäden einzustehen.

    Ansprüche von Muskelpack: Für den Schaden von Muskelpack haften Tom und Paul gemäss Art. 143 II OR i.V.m.

    Art. 50 I OR solidarisch. Die individuellen Tatbeiträge der Beteiligten spielen im Aussenverhältnis wiederum keine Rolle, sofern sie durch ihr Zusammenwirken die eingetretenen Schäden gemeinsam verschuldet haben (vgl. Rz 497 ff., 525), was in casu der Fall ist. Fraglich ist, ob auch Fränzi für Muskelpacks Schaden einzu-stehen hat. Durch ihre anfeuernden Rufe unterstützte Fränzi Tom und Paul mental bei Muskelpacks Schädigung. Daher kann Fränzi als Gehilfin betrachtet wer-den, sodass sie mit Tom und Paul gestützt auf Art. 50 I OR solidarisch für den ein-getretenen Schaden haftet.

    b) Wenn Fränzi gegenüber Muskelpack einwenden kann, dass ihr Verschulden nur ge-

    ring sei, spricht man von differenzierter Solidarität (vgl. z.B. Art. 759 I OR). Abgese-hen von dieser Spezialbestimmung werden gemäss Rechtsprechung persönliche Her-absetzungsgründe nur ausnahmsweise berücksichtigt, nämlich wenn die Bezahlung des ganzen Schadenersatzanspruches offensichtlich unbillig wäre (vgl. Rz 503). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Verschulden der in Anspruch genommenen Per-son sehr leicht ist, Tatbeitrag und Verschulden anderer Solidarschuldner aber sehr schwer wiegen. Fränzi hat Muskelpack nicht selbst verprügelt, sondern Paul und Tom nur angefeuert. Daher kann von einem gegenüber Paul und Tom leichten Verschul-den von Fränzi ausgegangen werden, was aus Billigkeitsgründen zu einer Herabset-zung des von ihr zu leistenden Schadenersatzes führt.

    c) Grundsätzlich gilt, dass die Solidarschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Teilen

    verpflichtet sind (Art. 148 I OR, vgl. Rz 507). Für das Deliktsrecht bestimmt Art. 50 II OR, dass die Regressquoten bei echter Solidarität vom zuständigen Gericht nach eigenem Ermessen bestimmt werden. Dabei sind die individuellen Tatbeiträge zu berücksichtigen (vgl. Rz 518). Folgende Regressquoten sind denkbar: Gegenüber der Stadt Zürich:  § Paul leistete als Anführer der Gruppe den grössten Tatbeitrag: 30%

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    § Tom, Sandra, Werner und Fränzi: Gleich grosse Tatbeiträge: je 15 %

    § Berger leistete den geringsten Tatbeitrag: 10%

    Gegenüber Muskelpack: § Tom und Paul als Täter: je 45 %

    § Fränzi als Gehilfin: 10 %

    Fall 2: Alkoholisierte Heimfahrt mit Zwischenfall a) Fränzi hat gegenüber Beat-Gion Berger Anspruch auf Schadenersatz gestützt auf

    Art. 41 I OR. Gegenüber Annette, welche die Halterin des Minibusses ist, hat sie einen Anspruch auf Schadenersatz aus Art. 58 I SVG. Die Herstellerin des defekten Luftventils, die P. AG, haftet Fränzi nach Art. 1 PrHG. Ruedi Kartoffel, der Garagist, ist Fränzi gegenüber schadenersatzpflichtig gestützt auf Art. 41 I OR.

    b) Da die Beteiligten aus verschiedenen Rechtsgründen für Fränzis Schaden haften,

    liegt ein Fall der unechten Solidarität nach Art. 51 OR vor (vgl. Rz 504). Nach Art. 51 II OR haftet in erster Linie, wer den Schaden schuldhaft herbeigeführt hat, se-kundär die aus Vertrag Haftpflichtigen und in letzter Linie solche, die aus Gesetz (Kausalhaftung) haften. Erst dann soll auf Personen Rückgriff genommen werden, welche gestützt auf eine Kausalhaftung Ansprüche zu begleichen haben (vgl. Rz 520 ff., Rz 535).

    Regressordnung (vgl. Rz 538): Annette haftet gestützt auf SVG (Gefährdungshaftung), P. AG aus PrHG (Kausalhaf-tung), Beat-Gion Berger und Ruedi Kartoffel aus Art. 41 I OR (Verschuldenshaf-tung). Damit kann Annette auf die übrigen Solidarschuldner regressieren; die P. AG auf Beat-Gion Berger und Ruedi Kartoffel; währendem der Regress zwischen Beat-Gion Berger und Ruedi Kartoffel davon abhängt, wen ein grösseres Ver-schulden trifft (vgl. nachfolgend c.).

    c) Die Regressquoten sind gemäss Art. 51 I OR i.V.m. Art. 50 II OR nach richterli-

    chem Ermessen zu bestimmen. Haben mehrere Personen den Schaden verschul-det, ist die Schwere des Verschuldens der einzelnen Beteiligten zu beachten (vgl. Rz 525 ff.). Im Verhältnis zwischen einer einfachen Kausalhaftung und einer Gefähr-dungshaftung ist grundsätzlich die Bedeutung der Letzteren höher zu gewichten (vgl. Rz 534). Im vorliegenden Fall ist ausserdem zu berücksichtigen, dass sich Fränzi vorschrifts-widrig nicht angegurtet hat und ihr Schadenersatz aufgrund Selbstverschuldens ge-kürzt werden muss (in der Praxis hat dies eine Kürzung von 15% zur Folge).

    Regressquoten: § Annette haftet zwar aus einem Gefährdungshaftungstatbestand, es trifft sie aber

    kein zusätzliches Verschulden. Es ist daher gerechtfertigt - ihr interner Anteil beträgt 25 %.

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    § P. AG haftet verschuldensunabhängig aus PrHG - ihr interner Anteil be-

    läuft sich auf 15%.

    § Ruedi Kartoffel handelte fahrlässig, sein Verschulden wiegt aber weniger schwer als das von Beat-Gion Berger, der in angetrunkenem Zustand gefah-ren ist. Ruedi Kartoffels Anteil soll daher 25%, derjenige von Beat-Gion Ber-ger 35 % betragen.

    d) Bezahlt die Taggeldversicherung Fränzis Kosten, gehen ihre Schadenersatzansprü-

    che aus unerlaubter Handlung mittels Subrogation auf die Versicherung über (Art. 72 I VVG, vgl. Rz 512).

    e) Ausgehend von einem Gesamtschaden von CHF 10‘000 gilt folgendes:

    i. Fränzi erhält CHF 8‘000 von der Versicherung und CHF 2‘000 vom Schädi-

    ger.

    ii. Die Versicherung kann vom Schädiger die Bezahlung von CHF 3‘000 verlan-gen; dies entspricht der Differenz zwischen dem Schadenersatzanspruch von Fränzi (CHF 5‘000) und den CHF 2‘000, welche der Schädiger Fränzi bezahlen muss (vgl. Rz 539).

    iii. Quotenvorrecht

    iv. Das Quotenvorrecht will sicherstellen, dass der Geschädigte den ungedeckt

    gebliebenen Teil des Schadens gegenüber dem Haftpflichtigen geltend ma-chen kann. Der Geschädigte wird gegenüber dem Versicherer privilegiert, der die Kürzungsquote trägt.

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    Kapitel 12

    Fall: Die Zeit läuft… a) Verjährungsfristen:

    § Die Verjährungsfristen der Forderung gegenüber der Equipment & Support GmbH richten sich nach Art. 60 OR (relative einjährige und absolute zehnjäh-rige Verjährungsfrist) (vgl. Rz 554 ff.).

    § Die Forderung gegen die Food n’ Stuff AG basiert auf dem PrHG, welches in Art. 9 PrHG (relative dreijährige Verjährungsfrist) und Art. 10 PrHG (zehn-jährige Verwirkungsfrist) spezialgesetzliche Verjährungsfristen aufstellt (vgl. Rz 560).

    § Bezüglich der Forderung von Fabienne L. gegenüber der Sandwicheria AG gel-

    ten ebenfalls die Verjährungsfristen in Art. 60 OR (vgl. Rz 554 ff.), sofern sie sich auf Art 55 I OR stützt. Bildet das SVG die gesetzliche Grundlage für ih-ren Anspruch, gilt die zweijährige relative und zehnjährige absolute Verjäh-rungsfrist von Art. 83 I SVG.

    b) Beginn der Verjährung:

    § Die Verjährung beginnt im Grundsatz mit der Fälligkeit der Forderung (Art. 130 I OR, vgl. Rz 549). Die relative Verjährungsfrist nach Art. 60 I OR beginnt mit Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen zu laufen. Die absolute Verjährungsfrist nach Art. 60 OR beginnt mit Eintritt des Schadensereignisses zu laufen, d.h. mit dem 5. März (vgl. Rz 556). Fraglich ist, ob auch die relative Frist bereits mit diesem Datum zu laufen anfängt, da nach Sachverhalt noch Folgekosten entstehen könnten, weshalb unsicher ist, ob bereits Kenntnis des Schadens vorliegt. Ist der Schaden nicht genau bezif-ferbar, kann das Gericht gemäss Art. 42 II OR den Schaden schätzen. Voraus-gesetzt ist, dass das schädigende Ereignis abgeschlossen ist. Dies ist vorlie-gend der Fall. Aus diesem Grund beginnt die relative Frist zum gleichen Zeitpunkt wie die absolute Verjährungsfrist, auch wenn noch nicht alle Schä-den genau beziffert werden können.

    § Die relative Verjährungsfrist der Forderung gegenüber der Food n’ Stuff AG beginnt an dem Tag zu laufen, an dem die Sandwicheria AG Kenntnis vom Schaden, dem Fehler und von der Person der Herstellerin der schadhaften Tomatenkonserven erhalten hat. Die absolute Verwirkungsfrist beginnt mit der Inverkehrbringung des mangelhaften Produkts zu laufen.

    § Stützt Fabienne L. ihren Anspruch auf das OR, beginnt die absolute Verjäh-

    rungsfrist mit dem Unfall und die relative Frist im Moment, in dem sie Kennt-nis vom Schaden und der schädigenden Person hat. Dies bedeutet, dass im Zeitpunkt des Berichts des General Counsel (14.3.2013) der deliktsrechtliche

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    Prof. Dr. Markus Müller-Chen / Februar 2013 33  

    Anspruch von Fabienne L. gegenüber der Sandwicheria AG bereits verjährt ist. Blosse private Verhandlungen zwischen den Parteien unterbrechen die Verjährung nicht. Fabienne L. könnte ihren Anspruch auch auf das SVG stüt-zen, wo die relative Verjährungsfrist nach Art. 83 I SVG zwei Jahre beträgt. Im vorliegenden Fall hilft ihr jedoch auch das nicht weiter.

    c) Es kann argumentiert werden, dass die Forderung der Sandwicheria AG verjährt ist, wenn angenommen wird, dass die relative Verjährungsfrist am 5. März 2007 oder kurz darauf zu laufen begonnen hat. Somit wäre die Forderung am 14. März 2013 bereits verjährt. Gemäss Art. 120 III OR kann eine verjährte Forderung aber zur Verrechnung gebracht werden, sofern sie mit der Gegenforderung verrechnet wer-den konnte, als sie noch nicht verjährt war. Die Gegenforderung bestand seit 2011, die Verrechnungsforderung verjährte aber bereits am 5. März 2008, weshalb die Sandwicheria AG ihre verjährte Forderung trotzdem nicht zur Verrechnung brin-gen kann.

    d) Gemäss Art. 141 I OR kann auf die Verjährung nicht im Voraus verzichtet wer-

    den. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung schliesst dies aber einen befriste-ten vertraglich vereinbarten Verjährungsverzicht nicht aus (vgl. Rz 546). Ziel eines solchen Verjährungsverzichts ist es, sich bei drohendem Ablauf einer Verjährungs-frist Zeit für eine aussergerichtliche Einigung zu verschaffen. Nach bundesgericht-licher Rechtsprechung ist ein Verjährungsverzicht bis zu 10 Jahren zulässig (vgl. BGE 132 III 226 = Praxis 2006, Nr. 146). Würde die Sandwicheria AG den Verjäh-rungsverzicht nicht unterschreiben, würde die Anwältin sie betreiben oder eine Klage einreichen und so eine Verjährungsunterbrechung erreichen (vgl. Art 135 Ziff. 2 OR).