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Nachrichten aus der Chemie| 59 | September 2011 | www.gdch.de/nachrichten 856 b Das durchschnittliche Trans- aktionsvolumen in der chemi- schen Industrie sank im zweiten Quartal gegenüber dem ersten von 1,2 Mrd. US-Dollar auf 567 Mio. US-Dollar. Das kumu- lierte Volumen ging um 62 % auf 15,2 Mrd. US-Dollar zurück (Ab- bildung). Grund war eine geringe- re Zahl an großen Transaktionen, also den Megadeals mit einem Vo- lumen von mehr als 1 Mrd. US- Dollar. Das Volumen mittelgroßer Transaktionen (zwischen 0,5 und 1 Mrd. US-Dollar) ging ebenfalls zurück; dagegen stieg es bei klei- nen Transaktionen (Transaktions- volumen kleiner als 500 Mio. US- Dollar) von 2,7 Mrd. US-Dollar im ersten Quartal auf 3,7 Mrd. US- Dollar im zweiten Quartal. Die Zahl aller Transaktionen sank im zweiten Quartal um 15 % von 311 auf 263. Der Anteil an Transaktionen mit Beteiligung mindestens eines Finanzinvestors lag im letzten Quartal bei 15 %, während der Wirtschaftskrise betrug er weni- ger als 10 %. Diese Zunahme ist wenig überraschend, da sich mit der verbesserten wirtschaftlichen Lage auch die Verfügbarkeit von Krediten verbesserte. Allerdings bedeutet dieser Anstieg bei den Finanzinvestoren kein sinkendes Interesse von strategischen Inves- toren. Diese sind nach wie vor in- teressiert daran, sowohl durch Transaktionen mit bestehenden Geschäften zu wachsen als auch in neue Geschäftsfelder einzutre- ten. Ein Indikator für eine anhaltend hohe Transaktionsanzahl ist die hohe Liquidität zahlreicher Unter- nehmen der chemischen Industrie. Die allgemeine wirtschaftliche Er- holung und abgeschlossene Kos- tensenkungsprogramme setzen Gelder für die Finanzierung von Transaktionen frei. Große Transaktionen ohne Asien b Im zweiten Quartal wurden vier Transaktionen mit einem Volumen von insgesamt 10,6 Mrd. US-Dollar angekündigt, im ersten Quartal wa- ren es sieben mit einem kumulier- ten Volumen von 33,6 Mrd. US- Dollar. Die Käufer und Verkäufer der vier großen Transaktionen ka- men aus Nordamerika, Südamerika und Europa. An keiner dieser vier war ein Käufer aus der Region Asien/Ozeanien beteiligt. Hinter den großen Transaktio- nen des ersten Halbjahrs (Tabelle) steht ein nahezu einheitliches Muster. So verfügen die übernom- menen Unternehmen in ihrem je- weiligen Segment über ein attrakti- ves Produktportfolio: Süd-Chemie bei Katalysatoren und ISP bei Kos- metikchemikalien sind Beispiele für Unternehmen, die mit ihren Produkten attraktive Marktnischen in der Spezialchemie besetzen. Bernd W. Schneider, Matthias Kuschel Obwohl das Transaktionsvolumen der chemischen Industrie im zweiten Quartal sank, zeigt der Trend nach oben. Dabei beteiligen sich wieder mehr Finanzinvestoren. Ein lohnendes Feld scheint zurzeit die Spezialchemie. Ausstieg oder Einstieg? BChemiewirtschaftV 23,5 17,4 51,5 21,6 40,2 15,2 18,5 9,8 45,6 3,4 33,6 10,6 1,3 2,9 1,5 2,0 2,9 0,0 2,5 3,6 3,3 5,2 2,7 3,7 - 10 20 30 40 50 60 1. Q 2010 2. Q 2010 3. Q 2010 4. Q 2010 1. Q 2011 2. Q 2011 Milliarden US-Dollar Total Mindestens 1 Mrd. US-Dollar Zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. US-Dollar Zwischen 50 und 500 Mrd. US-Dollar Transaktionsvolumen der chemischen Industrie im Jahr 2010 und in den ersten beiden Quartalen des Jahrs 2011.

Ausstieg oder Einstieg?

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Page 1: Ausstieg oder Einstieg?

Nachrichten aus der Chemie| 59 | September 2011 | www.gdch.de/nachrichten

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b Das durchschnittliche Trans-aktionsvolumen in der chemi-schen Industrie sank im zweiten Quartal gegenüber dem ersten von 1,2 Mrd. US-Dollar auf 567 Mio. US-Dollar. Das kumu-lierte Volumen ging um 62 % auf 15,2 Mrd. US-Dollar zurück (Ab-bildung). Grund war eine geringe-re Zahl an großen Transaktionen, also den Megadeals mit einem Vo-lumen von mehr als 1 Mrd. US-Dollar. Das Volumen mittelgroßer Transaktionen (zwischen 0,5 und 1 Mrd. US-Dollar) ging ebenfalls zurück; dagegen stieg es bei klei-nen Transaktionen (Transaktions-volumen kleiner als 500 Mio. US-Dollar) von 2,7 Mrd. US-Dollar im ersten Quartal auf 3,7 Mrd. US-Dollar im zweiten Quartal. Die Zahl aller Transaktionen sank im zweiten Quartal um 15 % von 311 auf 263.

Der Anteil an Transaktionen mit Beteiligung mindestens eines

Finanzinvestors lag im letzten Quartal bei 15 %, während der Wirtschaftskrise betrug er weni-ger als 10 %. Diese Zunahme ist wenig überraschend, da sich mit der verbesserten wirtschaftlichen Lage auch die Verfügbarkeit von Krediten verbesserte. Allerdings bedeutet dieser Anstieg bei den Finanzinvestoren kein sinkendes Interesse von strategischen Inves-toren. Diese sind nach wie vor in-teressiert daran, sowohl durch Transaktionen mit bestehenden Geschäften zu wachsen als auch in neue Geschäftsfelder einzutre-ten.

Ein Indikator für eine anhaltend hohe Transaktionsanzahl ist die hohe Liquidität zahlreicher Unter-nehmen der chemischen Industrie. Die allgemeine wirtschaftliche Er-holung und abgeschlossene Kos-tensenkungsprogramme setzen Gelder für die Finanzierung von Transaktionen frei.

Große Transaktionen ohne Asien

b Im zweiten Quartal wurden vier Transaktionen mit einem Volumen von insgesamt 10,6 Mrd. US-Dollar angekündigt, im ersten Quartal wa-ren es sieben mit einem kumulier-ten Volumen von 33,6 Mrd. US-Dollar. Die Käufer und Verkäufer der vier großen Transaktionen ka-men aus Nordamerika, Südamerika und Europa. An keiner dieser vier war ein Käufer aus der Region Asien/Ozeanien beteiligt.

Hinter den großen Transaktio-nen des ersten Halbjahrs (Tabelle) steht ein nahezu einheitliches Muster. So verfügen die übernom-menen Unternehmen in ihrem je-weiligen Segment über ein attrakti-ves Produktportfolio: Süd-Chemie bei Katalysatoren und ISP bei Kos-metikchemikalien sind Beispiele für Unternehmen, die mit ihren Produkten attraktive Marktnischen in der Spezialchemie besetzen.

Bernd W. Schneider, Matthias Kuschel

Obwohl das Transaktionsvolumen der chemischen Industrie im zweiten Quartal sank, zeigt der Trend

nach oben. Dabei beteiligen sich wieder mehr Finanzinvestoren. Ein lohnendes Feld scheint zurzeit die

Spezialchemie.

Ausstieg oder Einstieg?

BChemiewirtschaftV

23,5

17,4

51,5

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Total Mindestens 1 Mrd. US-Dollar Zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. US-Dollar Zwischen 50 und 500 Mrd. US-Dollar

Transaktionsvolumen der chemischen Industrie im Jahr 2010 und in den ersten beiden Quartalen des Jahrs 2011.

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Ein Ausbau des Portfolios hin zu weniger zyklischen Geschäften und solchen mit höheren Gewinn-margen ist erklärtes Ziel vieler Chemieunternehmen. Dieser Trend trifft dabei auf eine begrenzte Zahl an attraktiven Übernahmezielen, so dass künftig von höheren Preis-multiplikatoren bei Übernahmen in der chemischen Industrie auszu-gehen ist.

Beteiligung von Finanzinvestoren

b In Zeiten der Finanz- und Wirt-schaftskrise hatten einige Private-Equity-Fonds Schwierigkeiten, die zum Erreichen ihrer Zielrenditen notwendigen finanziellen Mittel – Eigen- und vor allem auch Fremd-kapital – für eine aktive Beteiligung am anziehenden Transaktions-markt aufzubringen. Ihre Dealakti-vität war daher eher gering. Erst im Jahr 2010 stieg der Fondsanteil am gesamten Transaktionsmarkt wie-der auf Vorkrisenniveau: Im zwei-ten Quartal 2011 verantworteten Finanzinvestoren 15 % der Trans-aktionen. Sie stehen zwischen ei-nem zunehmend starken Akquisiti-onsinteresse von strategischen In-vestoren und den kurz- und mittel-fristig zu erwartenden Verkäufen zahlreicher Chemiebeteiligungen. Es bleibt abzuwarten, wie sie sich in diesem Spannungsfeld verhalten werden.

Ausblick

b In der zweiten Jahreshälfte ist von der im Jahr 2009 begonnenen weiteren Erholung des Transakti-onsmarkts in der chemischen In-dustrie auszugehen. Trotz des durch weniger Megadeals verur-sachten leichten Rückgangs im ab-gelaufenen Quartal bleibt das Um-

feld für Transaktionen exzellent. Insbesondere folgende Faktoren werden dabei den Markt antrei-ben:• Wachstum und Diversifizierung

durch Zusammenschlüsse und Aquisitionen,

• hohe Cash-Bestände in den Bi-lanzen für attraktive Anlagen,

• die (wieder) bessere Verfügbar-keit von Krediten bei weiterhin attraktiver Refinanzierung,

• verstärkte Expansion in lang-fristige Wachstumsmärkte vor allem von Brasilien, Russland, Indien und China (Bric-Staa-ten) sowie von Vietnam, Indo-nesien, Südafrika, der Türkei und Argentinien (Vista-Staa-ten).

Es sprechen viele Argumente da-für, dass sich dieses Jahr zu einem Rekordjahr für Chemietransaktio-nen entwickelt. Aktuelles Beispiel für die anhaltend hohe Aktivität auch bei großen Transaktionen ist die zu Beginn des dritten Quartals angekündigte Übernahme der Nal-co-Holding durch Ecolab. Ecolab ist vor allem Dienstleister und bie-tet z. B. Hygiene-Dienstleistungen für die Lebensmittelindustrie, das Gaststättengewerbe und Einrich-tungen im Gesundheitswesen, während Nalco vor allem als Her-steller von Wasseraufbereitungs -chemikalien bekannt ist.

Bernd W. Schneider, promovierter Polymer-

chemiker und Kaufmann, koordiniert das Che-

micals Center of Competence beim Transakti-

onsberatungshaus Pricewaterhouse Coopers.

[email protected]

Matthias Kuschel, organischer Chemiker, ist

Mitarbeiter im Chemicals Center of Compe-

tence. [email protected]

Käufer Target Transaktionsvolumen

Clariant Süd-Chemie 1,9 Mrd. Euro Berkshire Hathaway Lubrizol Corporation 9,0 Mrd. US-Dollar Solvay Rhodia 4,5 Mrd. Euro Ashland ISP 3,2 Mrd. US-Dollar DuPont de Nemours & Co Danisco 4,5 Mrd. Euro Lonza Group Arch Chemicals 1,4 Mrd. US-Dollar

Transaktionen im ersten Halbjahr 2011.

Mehr Forschung und Entwicklung

b Im vergangenen Jahr haben deutsche Chemie- und Pharmaunternehmen 9,4 Mrd. Euro in etwa zu gleichen Teilen für Forschung und Entwicklung ausge-geben. Das sind etwa 8 % mehr als im Jahr zuvor. Damit liegt die Branche nach der Automobilindustrie beim F+E-Bud-get auf Platz zwei. Mehr als 40 000 der Beschäftigten in der Chemie arbeiten in Forschung und Entwicklung, eine Zahl die in den Jahren zuvor nur wenig zu-rückgegangen war. Im Jahr 2010 haben die Unternehmen, die im VCI vertreten sind, etwa 380 Chemiker neu eingestellt. Im Jahr 2009 waren es 337. Der VCI geht davon aus, dass die Forschungsbudgets der Branche dieses Jahr auf fast 10 Mrd. Euro steigen. Über 90 % der Mitgliedsun-ternehmen planen die Forschungskapa-zitäten im Inland in den nächsten fünf Jahren auszuweiten. Bei den großen Konzernen beabsichtigen 46 % die For-schung in den Schwellenländern zu ver-stärken, vor allem in Asien. Knapp ein Drittel will das Engagement dort sogar stärker ausbauen als in Deutschland.

Milliardendeals

b Das Schweizer Life-Science-Unter-nehmen Lonza unterbreitete dem US-amerikanischen Biozidspezialisten Arch Chemicals einvernehmlich ein Übernah-meangebot in Höhe von 1,4 Mrd. US-Dollar.

In den USA schluckt der Chemiekon-zern Ashland das Spezialchemieunter-nehmen International Specialty Products für 3,2 Mrd. Dollar in bar.

Dow verkauft Propylengeschäft

b Die brasilianische Braskem kauft von der US-amerikanischen Dow Chemical für 323 Mio. US-Dollar das Propylenge-schäft. Die Transaktion betrifft die US-Produktionsstätten Freeport und Sea-drift, beide in Texas, sowie die deutschen Komplexe in Wesseling und Schkopau . Zusammen produzieren diese Werke jährlich etwa 1 Mio. Tonnen Polypropy-len.

Claudia Schierloh

Kurz notiert

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