5
41 1 13. Austritt negativer Elektronem aus reagierernden Netallen,; von 3. Haber und G. Just. (Aus dem Institut fur Physikalische Chemie und Elektrochemie der Technischen Hochschule ,,Fridericiana" zu Karlsruhe.) 1. Metalle enthalten als wesentliche Bestandteile positiv geladene Massenteilchen und freie negative Elektronen. Letztere verschwinden beim Ubergang der Metalle in Oxyde (Hydroxyde) und Salze. Dieser Ubergang wird molekularmechanisch ein turbulenter Vorgang sein. Man kann darum erwarten, dab von reagierenden Metallen unter Umstanden freie negative Elektronen abgegeben werden. Es laBt sich nicht voraus- sehen , ob dieselben eine erhebliche Anfangsgeschwindigkeit haben werden. Bei geringer Anfangsgeschwindigkeit kann man aber immerhin erwarten, da6 sie durch ein angelegtes Gleichstromfeld aus der Reaktionszone weggefuhrt werden konnen. J e leichtcr sich das negative Elektron vom positiven Metallion trennt, um so eher ist diese Erscheinung zu er- warten. In Losungen wird die Leichtigkeit der Abtrennung durch die Elektroaffinitat gemessen. Nach Elster uud Geitel') ordnen sich die Metalle hinsichtlich des photoelektrischen Effektes in derselben Reihenfolge, wie nach der Elektro- affinitat. Danach ist zu gewartigen, daB sich die Erscheinung am ehesten bei den unedelsten Metallen, also bei den Alkali- metallen, finden wird. 2. Wirkt gewohnliche Luft auf die bekannte fliissige Legierung von Kalium und Natrium, so uberzieht sich dieselbe sofort mit einer weiBen Haut von Oxyd und Hydroxyd. Ver- bindet man die auf einer Glasschale oder in einem flachen EisengefaB oder auf einem Holzteller a) untergebrachte Legierung 1) J. Elster u. H. Geitel, Wied.Ann. 43. p. 225 1891; 62. p. 433. 2) Glasschale, EisengefaS oder Holzteller werden auf eine gut 1894; vgl. auch E. Ladenburg, Ann. d. Phjs. 12. p. 558. 1903. isolierende Hartgummiplatte gestellt.

Austritt negativer Elektronen aus reagierenden Metallen

  • Upload
    f-haber

  • View
    215

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

41 1

13. Austritt negativer Elektronem aus reagierernden Netallen,;

von 3. H a b e r und G. Just. (Aus dem Institut fur Physikalische Chemie und Elektrochemie der

Technischen Hochschule ,,Fridericiana" zu Karlsruhe.)

1. Metalle enthalten als wesentliche Bestandteile positiv geladene Massenteilchen und freie negative Elektronen. Letztere verschwinden beim Ubergang der Metalle in Oxyde (Hydroxyde) und Salze. Dieser Ubergang wird molekularmechanisch ein turbulenter Vorgang sein. Man kann darum erwarten, dab von reagierenden Metallen unter Umstanden freie negative Elektronen abgegeben werden. Es laBt sich nicht voraus- sehen , ob dieselben eine erhebliche Anfangsgeschwindigkeit haben werden. Bei geringer Anfangsgeschwindigkeit kann man aber immerhin erwarten, da6 sie durch ein angelegtes Gleichstromfeld aus der Reaktionszone weggefuhrt werden konnen. J e leichtcr sich das negative Elektron vom positiven Metallion trennt, um so eher ist diese Erscheinung zu er- warten. In Losungen wird die Leichtigkeit der Abtrennung durch die Elektroaffinitat gemessen. Nach E l s t e r uud Geitel ') ordnen sich die Metalle hinsichtlich des photoelektrischen Effektes in derselben Reihenfolge, wie nach der Elektro- affinitat. Danach ist zu gewartigen, daB sich die Erscheinung am ehesten bei den unedelsten Metallen, also bei den Alkali- metallen, finden wird.

2. Wirkt gewohnliche Luft auf die bekannte fliissige Legierung von Kalium und Natrium, so uberzieht sich dieselbe sofort mit einer weiBen Haut von Oxyd und Hydroxyd. Ver- bindet man die auf einer Glasschale oder in einem flachen EisengefaB oder auf einem Holzteller a) untergebrachte Legierung

1) J. Els ter u. H. G e i t e l , Wied.Ann. 43. p. 225 1891; 62. p. 433.

2) Glasschale, EisengefaS oder Holzteller werden auf eine gut 1894; vgl. auch E. Ladenburg, Ann. d. Phjs. 12. p. 558. 1903.

isolierende Hartgummiplatte gestellt.

412 3'. Haber u. G. Just.

mit dem negativen Pol einer trockenen Hochspannungssaule, hangt man dariiber in etwa 4 cm Abstand eine Messingscheibe, welche mit dem Eiektroskop verbunden ist, und iiberf&hrt man die Legierung mit einem Glasstab oder rnit der Schneide eines Rasiermessers (welches am hoch isolierten Griff gehalten wird), so daB blanke Legierung hervortritt und der Luftwirkung aus- gesetzt wird, so ladet sich das Elektroskop alsbald negativ auf. Ersetzt man die trockene Saule durch eine Hochspan- nungsbatterie (1100 Volt) und das Elektrometer durch ein Galvanometer von der Empfindlichkeit 0,9. 10-g Ampere pro Skalenteil , so erhalt man beim regelmaBigen Abstreichen der Oxyddecke leicht einen dauernden Strom von etwa 15 Skt. Erdet man die Legierung, wahrend man der dariiber befind- lichen Messingplatte , welche rnit dem Elektroskop verbunden ist, eine kraftige positive Ladung gibt, so beobachtet man beim Freilegen des Metalls durch Abstreichen Entladung des Elektroskops.

3. Kehrt man bei den unter 2. beschriebenen Ver- suchen die Vorzeichen um, so ist der Effekt entweder Null oder wenigstens von einer wesentlich kleineren GroBenordnung. Bei unseren bisherigen Versuchen haben wir keine sichere Wirkung am Elektroskop nachweisen k6nnen. Jedenfalls ist der Effekt im darksten MaBe in dem Sinne polar, daB negative, aber nicht positive Teilchen vom reagierenden Metal1 her- gegeben werden. Der ,,Beaktionsstrom" hat also dasselbe Vorzeicheii wie der lichtelektrische Strom.

4. Dieselben Erscheinungen beobachtet man, wenn man eine Natriumscheibe mit einem Rasiermesser an isoliertem Griff schabt, so da6 sie immer wieder stellenweise blank wird. Man nimmt sie ferner wahr, wenn man eine Glas- oder Platin- schale rnit Lithiumamalgam fiillt und die an der Oberflache durch die Wirkung der Luft entstehende weiBe Haut von Oxyd bzw. Hydroxyd mit Glas oder isoliertem Eisen weg- streicht. In diesem Falle kann man die Beobachtung machen, daB bei isoliertem, stark negativ geladenem Amalgam nach dem Wegstreichen mit dem Messer eine kurze Zeit vergeht, ehe die Oberflache matt wird. Ein gleicher Verzug zeigt sich auch im Eintritt des elektrischen Effektes. Daraus sieht man, daB es sich nicht um eiiie reibungselektrische Erregung handeln

Austrift negativer EleRtronen aus reagierenden Metallen. 4 1 3

kann, was auch aus der Vertauschbarkeit von Glas und Metal1 als Reibinstrument hervorgeht.

5. Die beschriebenen elektroskopischen Erscheinungen treten auch dann ein, wenn man im vollkommen dunklen Raume arbeitet und die zur Ablesung des Elektroskops er- forderliche Beleuchtung erst einige Zeit nach dem letzten Ab- streichen einschaltet, wenn keine lichtelektrisch empfindliche blanke Oberflache mehr vorhanden ist.

6 . Nach dem Verfahren von E l s t e r und G e i t e l (1. c.) wurde die bekannte Legierung von zwei Gewichtsteilen Kalium und einem Gewichtsteil Natrium in einer Glaskugel erschmolzen, die durch einen Hahn mit der Quecksilberpumpe in Verbin- dung stand. Von der Glaskugel fiihrte ein seitliches Rohr, in welches ein Trichter hineingesetzt war, in ein weites zylin- drisches Glasrohr, welches am Boden einen eingeschmolzenen Platindraht und am Kopf eine mit Bernsteinisolation versehene eingesiegelte Stricknadel trug. Das untere Ende der Nadel war 11 cm von der Spitze des Platindrahtes entfernt. Die geschmolzene Legierung lie6 man durch Neigen des GefaSes, unter Zutritt von trockenem Wasserstoff durch den zuvor mit der Pumpe verbundenen Hahn, in das zylindrische weite Glas- rohr ubertreten. Dann wurde der Apparat aufgerichtet, eine negative Spannung von l l00Volt an den in die Legierung tauchenden Platindraht gelegt und die Stricknadel mit dem Elektroskop verbunden. Die Legierung bildete eine Schicht von 2cm Hohe mit blanker Oberflache. Beim Schutteln des Gefa6es trat jetzt keine Ladung des Elektroskops auf. Nun- mehr wurde der Wasserstoff ausgepumpt und Luft eingelassen. Wiederum trat beim Schiitteln zunachst keine Veranderung ein, aber es bildete sich auch nicht die weiBe Oxyd- bzw. Hydroxyddecke, sondern eine schwarze , ruBartig erscheinende Haut, die wohl als ein Gemenge fein verteilter Legierung mit Oxyd- oder Superoxydpartikeln aufzufassen ist. Saugte man diese Luftfullung ab, lieB feuchte Luft eintreten und wieder- holte dies einige Male, so daB wenigstens ein wenig von einem weiben Oxyd bzw. Hydroxyd in dem Reaktionsgefab zu sehen war, so lie6 sich nunmehr der polare Effekt sehr gut erreichen. Pumpte man jetzt die Luft wiederum aus und ersetzte sie durch feuchten Wasserstoff, so verschwand er zwar nicht, nahm

414 P. Habey u. G. Just.

aber sehr stark ab. Zu dieser Beschreibung ist noch hinzu- zufiigen, daB die in den Reaktionszylinder gelangenden Wasser- dampfmengen naturgemaB immer sehr klein waren, da die feuchten Qase zunachst durch die Kugel gingen, in welcher die Legierung erschmolzen worden war, und dann durch das verbindende Glasrohr strichen, durch welches die Legierung in den Reaktionsraum hiniibergedriickt worden war. Da so- wohl in dem Schmelzraum als in dem Verbindungsrohr Reste der Legierung zuruckblieben, so ging der Wassergehalt der feuchten Gase auf dem Wege in das ReaktionsgefaB natur- gemaB zum erheblichen Teile verloren. Dem entsprach auch, dab die auf der flussigen Legierung sichtbare Schicht, durch welche das Metal1 beim Schutteln blank durchbrach, in dem ganzen Experiment in der Hauptsache schwarz blieb. Immer- hin geht aus dem Resultate deutlich hervor, daB das Wasser bei dem Vorgaog eine wichtige Rolle spielt.

7. .Bei den bisher beschriebenen Versuchen wurde ein elektrisches Feld verwendet, um die negativen Elektronen aus dem Reaktionsgebiet wegzuziehen. Dies ist nicht unbedingt erforderlich. Man nimmt die Legierung yon Kalium und Natrium und bringt sie auf eine isolierte Glasschale oder auf einen isolierten Holzteller und legt sie an das gut isolierte eine Quadrantenpaar eines Spiegelelektrometers. Das andere Quadrantenpaar wird geerdet. Streicht man nun die alsbald entstehende weiBe Decke von Oxyd bzw. Hydroxyd mit einem Glasstabe oder mit einem Rasiermesser am isolierten Griff weg, so da6 blanke Legierung hervortritt, so entsteht ent- weder iiberhaupt kein Effekt oder die Wirkung ist doch wenigstens so klein, da8 wir dariiber nichts Sicheres behaupten mochten. Blast man aber wahrend des Abstreichens aus einer Stahlflasche einen Strom trockener Luft uber die Legierung, so ladet sich das Elektrometer rasch auf mehrere Volt positiv auf. UnterlaBt man das Abstreichen, so veranlaBt der Luft- strom keine Veranderung. Der Luftstrom nimmt also offen- bar die negativen Elektronen fort, die wir bei den fruher beschriebenen Versuchen mittels des elektrischen Feldes aus der Reaktionszone entfernten. Wir schlie6en aus dem Er- gebnis, daB die Anfangsgeschwindigkeiten der Elektronen klein Bind.

Austritt negativer Elektronen aus reagierenden Metallex. 41 5

8. Aus den beschriebenen Versuchen ergibt sich, daB der ,,Reaktionseffekt" dem lichtelektrischen Effekt in vieler Hin- sicht sehr ahnlich ist. Die hauptsachliche Abweichung liegt darin, daB ohne die Hilfe eines Feldes oder eines Luftstromes die Elektronen von der Entstehungsstelle bei dem Reaktions- effekt nicht zahlreich genug fortgehen, um eine deutliche posi- tive Ladung des Metalles oder das Auftreten negativer La- dungen im Qasraum wahrnehmen zu konnen, wiihrend bei dem lichtelektrischen Effekte die Anfangsgeschwindigkeiten grog genug sind, um die entsprechenden Nachweise leicht zu er- moglichen. Die Ahnlichkeit .beider Effekt,e erscheint wohl be- griindet , wenn man den lichtelektrischen Effekt als eine Zer- sprengung durch Resonanzschwingung, den Reaktionseffekt als eine Zersprengung durch chemische Umsetzung ansieht. Nach der chemischen Seite ist der Vorgang weiterer Untersuchung bediirftig , die alsbald unternommen werden soll. Soviel sich bis jetzt sehen liiBt, folgt er bei den unedelsten Metallen in seiner Starke der Reihenfolge der Elektroaffinitiit, gerade wie es E l s t e r und Q e i t e l vom lichtelektrischen Effekt behauptet haben. Die Schwierigkeit bei dem Studium auBerordentlich unedler Stoffe, wie Rubidium und Caesium , besteht vornehm- lich darin, daB diese Metalle leicht Feuer fangen. Sobald das aber eintritt, wird der Versuch fur die hier erorterten Verhalt- nisse unbrauchbar, da mit der Feuererscheinung Ionenbildung, Entstehung von Nebeln und somit mannigfaltige Storung ver- bunden ist. Die weitere Untersuchung wird auch auf weniger unedle Metalle, den Reaktionsvorgang bei hSherer Temperatur, die Rolle des Wasserdampfes und den Ersatz der feuchten Luft durch andere angreifende Gase erstreckt werden.

Wir danken unserem Kollegen, Hrn. Privatdozenten Dr. Hermann Sieveking, da6 er uns durch seine freundliche und sachkundige Hilfe bei den oft nicht ganz einfachen Ver- suchen ermoglicht hat, erheblich rascher als es sonst moglich gewesen ware, Sicherheit uber die mitgeteilten Resultate zu gewinnen.

(Eingegangen 9. August 1909.)