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Berechnung sekund¨ arer Koeffizientengruppen des SO(3) × S 1 aquivarianten Abbildungsgrades Jan Arpe

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  • Berechnung sekundärer Koeffizientengruppen desSO(3)× S1-äquivarianten Abbildungsgrades

    Jan Arpe

  • Berechnung sekundärer Koeffizientengruppen desSO(3)× S1-äquivarianten Abbildungsgrades

    Diplomarbeitam Mathematischen Institut

    der Ludwig-Maximilians-Universität München

    Verfasser: Jan ArpeBetreuer: Prof. Dr. H. Steinlein

    München, Dezember 2001

  • Vorwort

    Nachdem ich nach dem sechsten Semester meines Mathematikstudiums von Mainznach München zog, war dies eine Entscheidung, die ich traf, weil ich in einer Groß-stadt leben wollte. Es stellte sich heraus, dass die Richtung, in der ich mich inMainz angefangen hatte zu spezialisieren, in München zu dem Zeitpunkt so gutwie gar nicht vertreten war; der Lehrstuhl für Funktionalanalysis war seit geraumerZeit nicht besetzt. So hielt ich nach etwas Ähnlichem Ausschau und stieß auf dieim Wintersemester 2000/2001 von Herrn Prof. Dr. Steinlein angebotene Vorlesungüber Nichtlineare Funktionalanalysis. Zwar erwies sich dies als ein vollkommen an-derer Stoff als der (lineare) funktionalanalytische, den ich in Mainz kennengelernthatte, jedoch entschied ich mich noch in jenem Semester, meine Diplomarbeit überein Thema aus der Nichtlinearen Funktionalanalysis unter der Betreuung von HerrnProf. Dr. Steinlein zu schreiben. Das von ihm vorgeschlagene Thema des SO(3)×S1-äquivarianten Abbildungsgrades, an dem er unter anderem seit einiger Zeit mit sei-nen osteuropäischen Kollegen Z. Balanov und W. Krawcewicz arbeitete, erwies sichals hochinteressant und unglaublich vielfältig.

    Dies ist eine Diplomarbeit. In ihr soll ”der Kandidat zeigen, dass er sein Fachin angemessener Weise beherrscht und in der Lage ist, nach wissenschaftlichenGrundsätzen selbstständig zu arbeiten”. Ich hoffe, dass mir dies gelungen ist. Darüberhinaus hoffe ich auch, dass ich ein weiteres Ziel erreichen konnte, sozusagen meinpersönliches ”Nebenziel”: Ich wollte diese Arbeit so schreiben, dass ein Student immittleren Studienabschnitt des Diplomstudiengangs Mathematik in der Lage ist,diese Arbeit ohne größere Mühen zu verstehen (etwa unter Zuhilfenahme der an-gegebenen Literatur) und zwar ohne dass er vertiefte Kenntnisse in irgendeinemSpezialgebiet benötigt. Anstatt also zum Beispiel diese Arbeit mit einem Satz wie”Sei V eine orthogonale Darstellung einer kompakten Lie-Gruppe G...” zu beginnen,hielt ich es für dringend notwendig, alle Begriffe und Gebiete (zumindest knapp) zuerklären, die ein Student nicht notwendig kennen muss (etwa weil er sich auf einemanderen Gebiet spezialisiert); schließlich war selbstverständlich auch ich nicht mitall diesen Begriffen vertraut, als ich mit den Vorbereitungen zu dieser Arbeit be-gann, so dass ich eine andere Art der Darstellung dieser Arbeit in gewissem Sinnefür unehrlich hielte.

    Abschließend möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Steinlein fürdie liebenswürdige und hilfreiche Betreuung dieser Arbeit bedanken. Er stand mirin den letzten Monaten nahezu uneingeschränkt zur Verfügung; wenn ich an seineBürotür klopfte, war er immer da und nahm sich stets spontan die Zeit, mir beimeinen Problemen zu helfen, auch wenn ich unangemeldet kam (was meistens derFall war). Eine solch intensive wie flexible Betreuung ist jedem Studenten nur zuwünschen.

    München, Dezember 2001

    Jan Arpe

  • v

    Für Tatiana,ohne die ich in den letzten Wochen

    vermutlich verhungertund noch mehr verzweifelt wäre,

    für ihr Verständnis und ihre Geduld

    und

    für meine Eltern,für ihre großartige Unterstützung

    während meines Studiums.

    ”Würde man ganz Norwegen nehmen, es ein bisschen durchkauen und alleElche und Rentiere rausschütteln, es dann 10.000 Meilen weit um die Erdeschleudern und mit Vögeln auf füllen, wäre das Zeitverschwendung, weil es so

    aussieht, als hätte das jemand schon getan.“

    Douglas Adams(über die Insel Fjordland, einer Insel in der Nähe von Neuseeland)

  • Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 11.1 Ziel dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Der ”klassische” Abbildungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Der äquivariante Abbildungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Primäre und sekundäre Koeffizientengruppen . . . . . . . . . . . . . 21.5 SO(3)× S1-äquivarianter Abbildungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . 31.6 Übersicht über die Kapitel dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 41.7 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

    2 Grundlagen 52.1 Elementare Bezeichnungen und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 5

    2.1.1 Mengen und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.1.2 Lineare Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.1.3 Mengentheoretische Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.1.4 Analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    2.2 Differenzialtopologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 10

    2.3 Gruppenoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.3.1 Grundlagen aus der Gruppentheorie . . . . . . . . . . . . . . 152.3.2 Transformationsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.3.3 Topologische Transformationsgruppen . . . . . . . . . . . . . 242.3.4 Produkte und triviale Operationen . . . . . . . . . . . . . . . 252.3.5 Die Zahlen n(L, H) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    2.4 Lie-Gruppen und ihre Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.4.1 Grundbegriffe und grundlegende Eigenschaften . . . . . . . . 282.4.2 Darstellungen und ihre Fixpunkträume . . . . . . . . . . . . 312.4.3 Irreduzible Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342.4.4 Komplexifizierung reeller Darstellungen . . . . . . . . . . . . 35

    2.5 Algebraische Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362.5.1 Exakte Sequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362.5.2 Einführung in die Homotopietheorie . . . . . . . . . . . . . . 372.5.3 Ein Satz über die Gleichheit von Homotopiegruppen . . . . . 442.5.4 Überlagerungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482.5.5 Homologietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502.5.6 Sphärische Komplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

    2.6 Äquivariante Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532.6.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542.6.2 Äquivariante Versionen topologischer Hilfsmittel . . . . . . . 582.6.3 Orthogonale Darstellungen von Z2 . . . . . . . . . . . . . . . 60

  • viii INHALTSVERZEICHNIS

    3 Der äquivariante Abbildungsgrad 633.1 Konstruktion und Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

    3.1.1 Konstruktion des G-äquivarianten Abbildungsgrades . . . . . 633.1.2 Eigenschaften des G-Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

    3.2 Die Koeffizientengruppen des G-Grades . . . . . . . . . . . . . . . . 653.3 Der primäre Teil des G-Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

    3.3.1 Allgemeine Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673.3.2 Der Fall n = 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

    3.4 Der sekundäre Teil des G-Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673.4.1 Reduktion im Fall n = 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673.4.2 Die kurze exakte Sequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

    3.5 Reduzierter G-Grad im Fall n = 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

    4 Die Lie-Gruppe SO(3) 714.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714.2 Exkurs: Die regulären Polyeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714.3 Die abgeschlossenen Untergruppen von SO(3) . . . . . . . . . . . . . 734.4 Irreduzible Darstellungen und Fixpunkträume . . . . . . . . . . . . . 75

    5 Berechnungen zum SO(3)× S1-Grad 795.1 Aussagen für beliebige Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

    5.1.1 Quasi-ungestörte Orbittypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815.1.2 Der ”S1-Fall” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815.1.3 Weitere allgemeine Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

    5.2 Berechnungen für Darstellungen Vj ⊕ Vj . . . . . . . . . . . . . . . . 985.2.1 Berechnung der ”obersten” Koeffizientengruppen . . . . . . . 995.2.2 Berechnung von Π∗(A4 × S1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005.2.3 Berechnung von Π∗(Dn × S1), n ≥ 6 . . . . . . . . . . . . . . 1035.2.4 Berechnung von Π∗(V4 × S1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045.2.5 Berechnung von Π∗(D3 × S1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1075.2.6 Berechnung von Π∗(D4 × S1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1105.2.7 Berechnung von Π∗(D5 × S1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1125.2.8 Die reduzierten sekundären Koeffizientengruppen für die Di-

    mensionen j = 1, . . . , 7 und j ≥ 60 . . . . . . . . . . . . . . . 1145.2.9 Übersichtstabelle der reduzierten sekundären Koeffizienten-

    gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

  • Kapitel 1

    Einleitung

    1.1 Ziel dieser Arbeit

    Ziel dieser Arbeit ist es, die reduzierten sekundären Koeffizientengruppen SO(3)×S1-äquivarianter Abbildungen im Fall eines freien Parameters zu untersuchen so-wie diese für eine konkrete Klasse von Darstellungen von SO(3) × S1 explizit zuberechnen.

    1.2 Der ”klassische” Abbildungsgrad

    Der ”klassische” (oder auch brouwersche) Abbildungsgrad wurde von Brouwer 1912zunächst für stetige Abbildungen f zwischen Sphären Sm und Sn (mit m ≥ n)als Element der Homotopiegruppe πm(Sn) eingeführt. Speziell im Fall m = n istbekannt, dass πn(Sn) isomorph zur Gruppe Z der ganzen Zahlen ist, so dass eineder fundamentalen Grundlagen zur Nutzbarkeit des Abbildungsgrades gegeben ist,nämlich die Kenntnis seines Wertebereichs. Besonders in der nichtlinearen Analysishat sich der Abbildungsgrad zu einem der wichtigsten Hilfsmittel entwickelt. Typi-scherweise wird der Abbildungsgrad dabei für Abbildungen f : Ω → V eingeführt,wobei Ω ⊂ Rn ⊕ V eine offene und beschränkte Menge ist, auf deren Rand sichkeine Nullstellen von f befinden. (Die Zurückführung auf Abbildungen zwischenSphären wird dabei meist in mehreren Schritten durch analytische Techniken um-gangen, vgl. hierzu etwa [11].) Grob gesagt, misst der ”klassische” Abbildungsgraddeg(f,Ω) die ”Anzahl” der Nullstellen von f in Ω (wobei auch ”negative Anzah-len” auftreten können, die sich möglicherweise wiederum mit ”positiven Anzahlen”aufheben, so dass zwar deg(f,Ω) &= 0 (mindestens) eine Nullstelle in Ω impliziert,andererseits aber auch durchaus Nullstellen trotz deg(f,Ω) = 0 möglich sind.)

    1.3 Der äquivariante Abbildungsgrad

    Ein unmittelbarer Vorläufer des in dieser Arbeit verwendeten äquivarianten Abbil-dungsgrades ist der äquivariante Fixpunktindex, der 1988 von Ulrich in [41] ein-geführt wurde und der unter anderem auf Arbeiten von Dold aus den 1970er undden frühen 1980er Jahren basiert. Der hier vorgestellte (etwas allgemeinere) äqui-variante Abbildungsgrad wurde 1989 von Ize, Massabò und Vignoli in [25] ein-geführt. Die mathematischen Werkzeuge, die hier zur Anwendung kommen, sindallerdings um einiges komplexer geworden als noch 77 Jahre zuvor, so dass schonzur Formulierung der Voraussetzungen für die Anwendung des äquivarianten Abbil-dungsgrades Begriffe verwendet werden, deren Kenntnis eine gewisse Spezialisierung

  • 2 Einleitung

    voraussetzen. Selbstverständlich werden alle folgenden Begriffe im Laufe dieser Ar-beit (hauptsächlich im ersten Kapitel) präzise eingeführt, weshalb sich der Leser,der mit diesen Begriffen noch nicht oder nur wenig vertraut ist, nicht davon ab-schrecken lassen sollte, weiterzulesen: Sei G eine kompakte Lie-Gruppe (das ist eineglatte Mannigfaltigkeit mit Gruppenstruktur), (V, ρ) eine endlichdimensionale or-thogonale Darstellung von G (also insbesondere V ein Vektorraum, auf dem G durchdie Abbildung ρ : G× V → V geeignet operiert) und f : Rn ⊕ V → V eine stetige,G-äquivariante Abbildung (d. h. eine Abbildung, die die durch die Operation von Gauf V gegebene ”Symmetrie” respektiert; dabei operiere G auf Rn trivial). Für eineoffene, beschränkte und G-invariante Teilmenge Ω von Rn⊕V mit f(x) &= 0 für allex ∈ ∂Ω wird der G-äquivariante Abbildungsgrad degG(f,Ω) als ein Element derGruppe der G-äquivarianten Homotopieklassen G-äquivarianter Abbildungen zwi-schen den Einheitssphären S(Rn+m ⊕ V ) und S(Rm ⊕ V ) (für genügend großes m)definiert; diese Gruppe ist eine so genannte stabile G-äquivariante Homotopiegrup-pe. Dass man dabei im Urbildraum ein Rn hinzufügt, auf dem G trivial operiert,hat den Grund, dass diese Situation in der Praxis oft relevant ist. Man sagt auch,f sei eine G-Abbildung mit n freien Parametern.

    Der äquivariante Abbildungsgrad hat im Wesentlichen dieselben Eigenschaftenwie der ”klassische” Abbildungsgrad, jedoch kann man ihm noch ein wenig mehransehen: Er bietet nicht nur ein hinreichendes Kriterium für die Existenz irgendwel-cher Nullstellen von f in Ω, sondern auch für die Beschaffenheit dieser Nullstellen,d. h. von welchem Orbittyp diese Nullstellen sind. (Ein Orbittyp einer Nullstel-le x ∈ Ω ist dabei die Konjugationsklasse einer so genannten Isotropiegruppe Gx,welche wiederum gerade aus denjenigen Elementen von G besteht, die x fixieren.)

    Man ahnt vielleicht bereits an dieser Stelle, wo der Haken bei dieser Sache liegt:Wenn der äquivariante Abbildungsgrad zwischen den Orbittypen von Nullstellenunterscheiden kann, so muss er einen wesentlich komplexeren Wertebereich als der”klassische” Abbildungsgrad haben, um diese detailliertere Information überhauptausdrücken zu können. Der Schluss läuft natürlich andersherum: Der Wertebereichdes äquivarianten Abbildungsgrades, also die oben erwähnte stabile G-äquivarianteHomotopiegruppe, zerfällt in eine direkte Summe von so genannten Koeffizienten-gruppen Π(H) für jeden einzelnen Orbittyp (H), woraus sich dann ergibt, dass manaus der Kenntnis der einzelnen Koeffizienten von degG(f,Ω) Aussagen über dieOrbittypen von Nullstellen von f in Ω machen kann. Tatsächlich kann diese direk-te Summe (mit der Anzahl der abgeschlossenen Untergruppen von G) sehr großwerden.

    Schließlich stellt sich noch heraus, dass der ”klassische” Abbildungsgrad einSpezialfall des äquivarianten ist, nämlich wenn G = {e} die triviale Gruppe ist.(Man erhält dann (G) als einzigen Orbittypen und stellt speziell im Fall n = 0 fest,dass die zugehörige Koeffizientengruppe auch tatsächlich wieder isomorph zu Z ist.)

    1.4 Primäre und sekundäre Koeffizientengruppen

    Aus technischen Gründen unterteilt man den äquivarianten Abbildungsgrad übli-cherweise in zwei Teile: den primären und den sekundären Abbildungsgrad. Derprimäre Teil berücksichtigt dabei alle Koeffizientengruppen Π(H), für die die Di-mension der Weyl-Gruppe gleich der Anzahl der freien Parameter ist. (Dabei istdie Weyl-Gruppe definiert als die Quotientengruppe des Normalteilers von H mo-dulo H , also W (H) = N(H)/H .) Der sekundäre Teil befasst sich hingegen mitden übrigen Koeffizientengruppen, also mit den Fällen, in denen dimW (H) < nist. Während bei der Berechnung des primären Abbildungsgrades Techniken zumEinsatz kommen, die denen bei der Berechnung des ”klassischen” Abbildungsgradessehr ähnlich sind (vgl. [17, 29, 35]), benötigt man im Fall des sekundären Abbil-

  • 1.5 SO(3)× S1-äquivarianter Abbildungsgrad 3

    dungsgrades die so genannte Obstruktions- (oder Hindernis-)Theorie (vgl. [26, 27])oder aber die Bordismus-Theorie (siehe hierzu etwa [2]).

    Der Fall abelscher kompakter Lie-Gruppen wurde unter anderem in [26] und[27] eingehend untersucht (sowohl im primären als auch im sekundären Fall); spe-ziell findet man weit reichende Ergebnisse zum S1-äquivarianten Abbildungsgradin [29] Chapter 6. Dieser ist wiederum gerade deshalb von besonderem Interesse,weil im Falle eines freien Parameters (also n = 1) die Möglichkeit besteht, die Be-rechnung des primären G-äquivarianten Abbildungsgrades für beliebige kompakteLie-Gruppen G auf die Berechnung des S1-Grades zu reduzieren. Außerdem ist(für beliebig viele freie Parameter) bekannt, dass alle primären Koeffizientengrup-pen Π(H), für die die Weyl-Gruppe W (H) eine gewisse Orientierbarkeitseigenschafterfüllt, isomorph zu Z sind.

    Für sekundäre Koeffizientengruppen (und nichtabelsche Lie-Gruppen G) siehtdie Sache hingegen wesentlich komplizierter aus, weshalb man sich zunächst aufden Fall eines freien Parameters beschränkt. (Übrigens spielt dieser Fall in denAnwendungen bereits eine sehr wichtige Rolle, so zum Beispiel bei äquivariantenBifurkations-Problemen, vgl. [17, 29, 3].) Zum einen haben die sekundären Orbit-typen (H) dann stets Weyl-Gruppen der Dimension 0 (also endliche, diskrete) undzum anderen hat man als mächtiges Hilfsmittel eine kurze exakte Sequenz von Grup-pen, die von Balanov und Krawcewicz in [2] hergeleitet wird und die es ermöglicht,alle sekundären Koeffizientengruppen zumindest modulo der zweielementigen Grup-pe Z2 aus der ersten Homotopiegruppe eines entsprechenden Orbitraums VH/W (H)zu berechnen. Die letztendlich ”gut” berechenbaren Teile des äquivarianten Abbil-dungsgrades, nämlich der ”orientierbare” Teil des primären Grades und der ”moduloZ2”-Teil des sekundären Grades werden zum so genannten reduzierten äquivari-anten Abbildungsgrad zusammengefasst. Bisher wurde jedoch erwartet, dass auchdie Berechnung der reduzierten sekundären Koeffizientengruppen für die praktischeUmsetzung viel zu kompliziert sei.

    1.5 SO(3)× S1-äquivarianter AbbildungsgradZumindest im Fall SO(3) × S1 (und n = 1) wird diese Vermutung durch dieseArbeit für eine relativ große Klasse elementarer Darstellungen (Vtj , ρtj) (j ∈ N)widerlegt. (Dabei sind die (Vtj , ρtj) komplexifizierte irreduzible Darstellungen vonSO(3) mit trivialer S1-Operation. Die Untersuchung des SO(3) × S1-äquivarian-ten Abbildungsgrades wurde von Krawcewicz, Balanov und Steinlein in einer nochzu veröffentlichenden Arbeit ([3]) begonnen. Dort findet man die ersten konkretberechneten reduzierten sekundären Koeffizientengruppen sowie Berechnungen desSO(3)× S1-Abbildungsgrades für sehr elementare Abbildungen mit Anwendungenin der Bifurkations-Theorie.

    Die Wahl von SO(3) × S1 erscheint zunächst vielleicht recht willkürlich, ist je-doch sehr wohlüberlegt: Wichtig war natürlich die Wahl einer nichtabelschen kom-pakten Lie-Gruppe, so dass sich SO(3) als ein wohlbekannter Kandidat anbot, dereine gut vorstellbare geometrische Struktur besitzt, dessen abgeschlossenen Unter-gruppen eingehend untersucht wurden und von dem insbesondere alle irreduziblenDarstellungen bekannt sind.

    Die Hinzunahme von S1 hat ebenso gute Gründe: Einerseits wird hier anhandeines Beispiels gezeigt, wie sich der G × H-äquivariante Abbildungsgrad im Fallvon Gruppen H mit ”einfacher Struktur” zu großen Teilen auf Berechnungen desG-Grades zurückführen lässt. Andererseits hat auch diese Konstruktion eine direkteAnwendungsmöglichkeit, nämlich etwa dann, wenn man Bifurkationsprobleme mitSO(3)-Symmetrien untersucht (vgl. [3]; dort spielen durch Fourier-Transformationgewonnene SO(3)× S1-äquivariante Abbildungen eine wesentliche Rolle).

  • 4 Einleitung

    1.6 Übersicht über die Kapitel dieser Arbeit

    Im Anschluss an diese Einleitung werden in Kapitel 2 die vielfältigen Grundlagen zuräquivarianten Abbildungsgradtheorie vorgestellt; insbesondere werden Lie-Gruppenund ihre Darstellungen, Hilfsmittel aus der algebraischen Topologie wie Homotopie-und Homologietheorie sowie die äquivariante Topologie und äquivariante Analogazur ”klassischen” (algebraischen) Topologie eingeführt und erläutert.

    Kapitel 3 enthält eine Einführung in die äquivariante Abbildungsgradtheorieinklusive der Aufteilung in primären und sekundären Teil und der Definition desreduzierten Abbildungsgrades. Aus Platzgründen wurde auf eine Beschreibung desklassischen Abbildungsgrades (etwa um Konstruktionen und Eigenschaften zu ver-gleichen) verzichtet. Es sei aber noch einmal darauf hingewiesen, dass der ”klassi-sche” Abbildungsgrad ein Spezialfall des äquivarianten Abbildungsgrades ist.

    Im 4. Kapitel wird die kompakte Lie-Gruppe SO(3) eingehend unter den Ge-sichtspunkten ihrer abgeschlossenen Untergruppen, ihrer Darstellungen und der Fix-punkträume ihrer Untergruppen beschrieben. Insbesondere dient der Exkurs in Ab-schnitt 4.2 der anschaulichen Unterstützung beim Verständnis dieser Gruppe. Auchan dieser Stelle musste auf eine detailliertere Beschreibung der Untergruppen (undihrer Aktionen auf der Kugeloberfläche) verzichtet werden, um die Gesamtlängedieser Arbeit nicht noch weiter zu erhöhen.

    Die Hauptresultate befinden sich in Kapitel 5. In Abschnitt 5.1 werden einigeResultate allgemeiner Natur zu den reduzierten sekundären KoeffizientengruppenΠ∗(H) des SO(3)×S1-äquivarianten Abbildungsgrades (im Falle eines freien Para-meters) vorgestellt. Dabei wurden die Beweise der Sätze 5.1.13 und 5.1.14 bewusstsehr detailliert ausgeführt, da es ein großes Anliegen sowohl meinerseits als vonHerrn Prof. Dr. Steinlein war, diese Sätze, die man in etwas speziellerer Form in [3]findet, besonders gründlich nachzuvollziehen und die Richtigkeit der in [3] darge-stellten Beweisskizzen noch einmal zu belegen.

    Abschnitt 5.2 enthält die vollständige Berechnung der reduzierten sekundärenKoeffizientengruppen Π∗(H) für alle komplexifizierten irreduziblen Darstellungen(Vtj , ρtj) (j ∈ N). Es erweist sich als technisch günstig, diese Berechnungen nachOrbittypen getrennt nach einem gewissen Schema vorzunehmen, welches als we-sentlichen Kern die Sortierung der Darstellungsdimensionen nach der zugehörigen”Art” des Orbittypen hat.

    In der Praxis ist es jedoch normalerweise notwendig, die Koeffizientengruppenaller Orbittypen zu einer festen Dimension aufzulisten, weshalb dies in Abschnitt5.2.8 für die Fälle j = 1, . . . , 7 exemplarisch getan wurde. (Tatsächlich wurdendie Berechnungen in [3] bis j = 5 auf diese Weise - jedoch mit sehr knappen Be-weisen - zusammengetragen.) Schließlich stellt Satz 5.2.14 am Ende von 5.2.8 eingewisses Stabilitätsresultat dar: Ab j = 60 ändert sich die Struktur der reduziertensekundären Koeffizientengruppen des SO(3) × S1-äquivarianten Abbildungsgradesnicht mehr wesentlich.

    Die Tabelle in 5.2.9 gibt eine Übersicht über alle (wichtigen) im letzten Abschnittdieser Arbeit berechneten Koeffizientengruppen.

    1.7 Ausblick

    Es bleibt zu erwähnen, dass zu erwarten ist, dass der SO(3) × S1-äquivarianteAbbildungsgrad auch für andere Klassen von Darstellungen (wenn nicht gar für alle)effizient berechenbar ist. Ebenso ist zu vermuten, dass sich diese Berechnungen auchauf viele andere (zunächst einfache) kompakte Lie-Gruppen übertragen lassen.

  • Kapitel 2

    Grundlagen

    2.1 Elementare Bezeichnungen und Grundlagen

    2.1.1 Mengen und Abbildungen

    Ist N Teilmenge einer Menge M , so schreiben wir N ⊆ M . Im Falle, dass N eineechte Teilmenge ist, schreiben wir N ⊂M oder auch N ! M . Einelementige Mengen{x} werden auch einfach mit x bezeichnet; auf diese Vereinfachung der Schreibweisewird jedoch auch im Laufe des Textes wiederholt hingewiesen. Die Potenzmengevon M , also die Menge aller Teilmengen von M , bezeichnen wir mit P(M). IstM ⊆ P(M) eine Menge von Teilmengen von M , so bezeichnet

    ⋃M =

    M∈MM = {x : es gibt ein M ∈M mit x ∈M}

    die Vereinigung dieser Mengen. Bezeichnet ”≤” eine Ordnungsrelation auf einerMenge M , so schreiben wir für x, y ∈ M wie üblich x ≥ y, falls y ≤ x sowie x < y,falls x ≤ y und x &= y.Die Menge aller Abbildungen von M nach N bezeichnen wir mit Abb(M, N); dasBild einer Abbildung f ∈ Abb(M, N) sei Im(f) = f(M) = {f(x) : x ∈ M}.N = {1, 2, 3, . . .} bezeichne die natürlichen, Z = {. . . ,−2,−1, 0, 1, 2, . . .} die gan-zen, R die reellen und C die komplexen Zahlen. Ferner setzen wir N0 = N ∪ {0},R+ = {x ∈ R : x > 0} und R+0 = R+ ∪ {0}.

    2.1.2 Lineare Algebra

    Für K ∈ {R, C} und einen K-Vektorraum V bezeichne dimK V ∈ N0∪{∞} seine K-Dimension. Ist K aus dem Kontext klar, so schreiben wir auch dimV statt dimK V .Ist n ≥ 1, so bezeichne ek = (0, . . . , 0, 1

    k, 0, . . . , 0) ∈ Kn für k ∈ {1, . . . , n} den

    k-ten Einheitsvektor. Die Menge dieser Einheitsvektoren {e1, . . . , en} bildet die sogenannte Standardbasis des Kn.

    Mit HomK(V, W ) bezeichnen wir die Menge der K-linearen Abbildungen zwi-schen zwei K-Vektorräumen V und W . Ferner verstehen wir unter GLK(V ) ⊆HomK(V, V ) die Menge der invertierbaren K-linearen Abbildungen von V in sichV . Hingegen bezeichnen wir mit Kn×m die Menge aller (n ×m)-Matrizen über Kund mit GL(n, K) ⊆ Kn×n die Menge aller invertierbaren (n×n)-Matrizen über K.Es ist bekannt, dass es bezüglich fester Basen endlichdimensionaler K-VektorräumeV und W eine eineindeutige Beziehung zwischen den K-linearen Abbildungen vonV nach W und den (n × m)-Matrizen über K gibt, wobei hier n = dimK V undm = dimK W sei (vgl. hierzu etwa [15]).

  • 6 Grundlagen

    Unter einem Skalarprodukt auf V verstehen wir eine Abbildung 〈·, ·〉 : V × V →K, die die folgenden Eigenschaften erfüllt:

    • Positivität: 〈x, x〉 ∈ R+0 für alle x ∈ V .

    • Definitheit: Für alle x ∈ V gilt: 〈x, x〉 = 0 genau dann, wenn x = 0.

    • Linearität im ersten Argument: Für alle λ1,λ2 ∈ K und alle x1, x2, y ∈ Vgilt: 〈λ1x1 + λ2x2, y〉 = λ1〈x1, y〉+ λ2〈x2, y〉.

    • Antisymmetrie: Für alle x, y ∈ V gilt: 〈y, x〉 = 〈x, y〉, wobei ζ die zu ζ ∈ Kkomplex-konjugierte Zahl sei. (Also im Fall K = R: ζ = ζ.)

    Ein Skalarprodukt 〈·, ·〉 auf V induziert eine Norm ‖ · ‖ : V → R auf V durch ‖x‖ =√〈x, x〉 für alle x ∈ V . Speziell induziert das so genannte Standardskalarprodukt

    〈·, ·〉 : Kn × Kn → K definiert durch 〈x, y〉 =∑n

    k=1 xkyk für x = (x1, . . . , xn)und y = (y1, . . . , yn) ∈ Kn die so genannte euklidische Norm (oder Standardnorm)‖ · ‖n : Kn → Kn, ‖x‖ =

    √∑nk=1 |xk|2. (Dabei sei | · | der gewöhnliche reelle

    bzw. komplexe Betrag.)Es sei außerdem bemerkt, dass der komplexe Vektorraum Cn, als R-Vektorraum

    aufgefasst, isomorph zu R2n ist.

    2.1.3 Mengentheoretische Topologie

    Wir setzen einige elementare Grundkenntnisse in der Mengentopologie als bekanntvoraus, so z. B. die Definition eines topologischen Raumes, einer stetigen Abbil-dung, eines metrischen Raumes und der Produkttopologie und erinnern nur an einpaar Dinge, die wir später benutzen werden. Zunächst jedoch einige Bezeichnun-gen, die in der ganzen Arbeit immer wieder auftauchen: I bezeichne stets das reelleEinheitsintervall

    I = [0, 1] = {x ∈ R : 0 ≤ x ≤ 1}.Ist (V, ‖ · ‖) ein reeller normierter Vektorraum und R > 0 eine reelle Zahl, sobezeichnen wir mit

    DR(V ) = {x ∈ V : ‖x‖ ≤ R}

    die Kugel vom Radius R um den Ursprung 0 ∈ V . Ferner definieren wir die Ein-heitskugel D(V ) = D1(V ) und bezeichnen mit

    S(V ) = {x ∈ V : ‖x‖ = 1}

    die Einheitssphäre in V . Speziell setzen wir für n ≥ 0: Dn = D(Rn) und Sn =S(Rn+1). Ist M ⊆ V eine beliebige Teilmenge von V , so setzen wir außerdem

    D(M) = D(V ) ∩M = {x ∈M : ‖x‖ ≤ 1}

    undS(M) = S(V ) ∩M = {x ∈M : ‖x‖ = 1}.

    Ist x ∈ V , so bezeichnen wir mit

    DR(x) = x + DR(V ) = {y ∈ V : ‖y − x‖ ≤ R}

    die abgeschlossene Kugel vom Radius R um x, mit

    UR(x) = {y ∈ V : ‖y − x‖ < R}

    die offene Kugel vom Radius R um x und mit

    SR(x) = {y ∈ V : ‖y − x‖ = R}

  • 2.1 Elementare Bezeichnungen und Grundlagen 7

    die Sphäre mit Radius R um x. Bei letzteren Bezeichnungen muss natürlich klarsein, um welchen Vektorraum es sich gerade handelt.Den topologischen Abschluss einer Teilmenge Y eines topologischen Raumes Xbezeichnen wir mit Y .

    Definition 2.1.1 Sei X ein topologischer Raum.

    (a) X heißt hausdorffsch (oder Hausdorff-Raum oder T2-Raum), falls für zwei be-liebige verschiedene Punkte x, y ∈ X disjunkte offene Mengen U, V ⊂ X mitx ∈ U und y ∈ V existieren.

    (b) X heißt normal (oder T4-Raum), falls es zu je zwei beliebigen disjunkten ab-geschlossenen Teilmengen A und B von X disjunkte offene Mengen U, V ⊆ Xmit A ⊆ U und B ⊆ V gibt.

    Bemerkung 2.1.2 Metrische Räume sind T2- und T4-Räume.

    Lemma 2.1.3 (Urysohn) Sei X ein Hausdorff-Raum. X ist genau dann normal,wenn es zu jedem Paar nichtleerer abgeschlossener Teilmengen A, B ⊂ X mit A ∩B = ∅ eine stetige Abbildung φ : X → I mit φ(x) = 0 für alle x ∈ A und φ(x) = 1für alle x ∈ B gibt.

    Beweis: Siehe z. B. [14] Chap. III, 4.1 Theorem. !

    Lemma 2.1.4 (Tietze) Sei X ⊆ Rm eine kompakte Teilmenge und f : X → Rneine stetige Abbildung. Dann gibt es eine stetige Fortsetzung f̃ : Rm → Rn von fauf ganz Rn, d. h. für alle x ∈ X gilt f̃(x) = f(x).

    Beweis: Siehe z. B. [22] Lemma 3. !

    Satz 2.1.5 (Stereographische Projektion) Sei n ∈ N. Es bezeichne

    N = (0, . . . , 0, 1) ∈ Sn ⊂ Rn+1

    den Nordpol der n-Sphäre. Die stereographische Projektion

    p : Sn \ {N}→ Rn,

    p(x) =1

    1− xn+1(x1, . . . , xn) für x = (x1, . . . , xn+1) ∈ Sn \ {N}

    ist ein Homöomorphismus.

    Beweis: (vgl. [39] 1.1.13) p ist stetig (beachte: xn+1 &= 1). Die Abbildung

    q : Rn → Sn \ {N}

    definiert durch

    q(y1, . . . , yn) = (2y1

    ‖y‖2 + 1 , . . . ,2yn

    ‖y‖2 + 1 ,‖y‖2 − 1‖y‖2 + 1)

    für y = (y1, . . . , yn) ∈ Rn ist stetige Umkehrfunktion von p. !

    Definition 2.1.6 (Quotientenräume) Ist X ein topologischer Raum und R ⊆X ×X eine Äquivalenzrelation auf X , so erhalten wir den Quotientenraum

    X/R = {[x]R : x ∈ X}

  • 8 Grundlagen

    als die Menge der Äquivalenzklassen von R. Dabei sei [x]R diejenige Äquivalenzklas-se, die x ∈ X enthält. Die Projektion pR : X → X/R sei definiert durch pR(x) = [x].Eine Menge U ⊆ X/R ist nach Definition genau dann offen, wenn p−1R (U) offen inX ist, d. h. die Topologie auf X/R ist die feinste Topologie, so dass pR stetig ist.Die so definierte Topologie heißt auch (die von R induzierte) Quotiententopologie.Statt (x, x′) ∈ R schreiben wir auch x ∼R x′ oder x ∼ x′, wenn klar ist, welcheÄquivalenzrelation gemeint ist. Es ist ebenfalls üblich, X/ ∼R bzw. X/ ∼ statt X/Rzu schreiben und von ∼R bzw. ∼ als der Äquivalenzrelation zu sprechen. Statt allePaare einer Äquivalenzrelation anzugeben, wird oft von der von einer TeilmengeS ⊆ X × X erzeugten Äquivalenzrelation auf X gesprochen. Dies ist die klein-ste Äquivalenzrelation R auf X × X (bzgl. gewöhnlicher Mengeninklusion), die Senthält, also R =

    ⋂{T ⊆ X ×X : S ⊆ T }. (Dass dies sinnvoll ist, liegt daran, dass

    der Durchschnitt beliebig vieler Äquivalenzrelationen wieder eine Äquivalenzrelati-on ist.)

    Satz 2.1.7 Seien X, Y topologische Räume, R eine Äquivalenzrelation auf X, Seine Äquivalenzrelation auf Y und f : X → Y eine stetige Abbildung mit derEigenschaft, dass aus x ∼R x′ stets f(x) ∼S f(x′) folgt. Wir sagen auch, f seimit den Äquivalenzrelationen R und S verträglich. Dann induziert f eine stetigeAbbildung f̃ : X/R → Y/S durch f̃([x]R) = [f(x)]S für alle x ∈ X. Sind dieProjektion pS : Y → Y/S und f offene Abbildungen, so ist auch f̃ offen.

    Beweis: Siehe etwa [39] bzw. [4]. !

    Definition 2.1.8 (Topologische direkte Summe) Seien X und Y topologischeRäume. Die disjunkte Vereinigung

    X 3 Y = X × {0} ∪ Y × {1} ⊆ (X ∪ Y )× {0, 1}

    von X und Y heißt topologische (direkte) Summe von X und Y , wobei eine MengeU ⊆ X 3 Y genau dann offen sei, wenn {x ∈ X : (x, 0) ∈ U} offen in X und{y ∈ Y : (y, 1) ∈ U} offen in Y ist. Offenbar sind dann die kanonischen Inklusionen

    iX : X → X 3 Y, iX(x) = (x, 0) und iY : Y → X 3 Y, iY (y) = (y, 1)

    Homöomorphismen auf ihre Bilder, d. h. wir können X und Y jeweils als Teilräumevon X 3 Y auffassen.

    Definition 2.1.9 (Verklebte Räume) Seien X und Y topologische Räume undsei A ⊆ X ein Teilraum. Ferner sei f : A → Y eine stetige Abbildung. Wir bildenden Quotientenraum

    X ∪f Y = (X 3 Y )/ ∼f ,

    wobei ∼f die von allen Paaren (x, f(x)) ∈ X×Y ⊆ (X 3Y )× (X 3Y ) (mit x ∈ A)erzeugte Äquivalenzrelation sei. (Beachte: Wir haben X und Y mit Unterräumenvon X 3 Y identifiziert, so dass wir von den Paaren (x, f(x)) statt von den Paaren((x, 0), (f(x), 1)) sprechen.) Der Raum X ∪f Y heißt Verklebung von X und Y(auch: X an Y ) entlang A mittels f , f ist die zugehörige Verklebeabbildung oderidentifizierende Abbildung. Die kanonische Projektion p : X3Y → X ∪f Y bildet Yhomöomorph auf einen Teilraum von X ∪f Y ab, weshalb wir Y wieder mit diesemTeilraum identifizieren können. Bezeichnen wir die Einschränkung von

    p : X 3 Y → X ∪f Y

    auf X ⊆ X 3 Y mit f̄ = p|X , so gilt weiter, dass f̄ |(X \ A) ein Homöomorphismusvon X \ A auf (X ∪f Y ) \ Y ist (vgl. [39] 1.3.14). Außerdem ist f̄ |A = f , d. h. wir

  • 2.1 Elementare Bezeichnungen und Grundlagen 9

    können f̄ : X → X ∪f Y als kanonische Fortsetzung von f : A → Y ⊆ X ∪f Yauffassen. Ist f surjektiv, so also auch f̄ , d. h. in diesem Falle hat jedes [z] ∈ X∪f Yeinen Repräsentanten x ∈ X .

    Definition 2.1.10 (Raum-n-Tupel) Ein Raum-n-Tupel (X, A1, . . . , An−1) beste-he aus einem topologischen Raum X und einer Kette

    X ⊇ A1 ⊇ A2 ⊇ · · · ⊇ An−1

    von Teilräumen von X . Eine stetige Abbildung von Raum-n-Tupeln

    f : (X, A1, . . . , An−1) → (Y, B1, . . . Bn−1)

    ist eine stetige Abbildung f : X → Y mit f(Ai) ⊆ Bi für alle i ∈ {1, . . . , n− 1}. IstAn−1 = {x0} einelementig, so sprechen wir auch von einem Raum-(n−1)-Tupel mitBasispunkt x0 und schreiben (X, A1, . . . , An−2, x0). Für uns sind besonders die Fällen = 1, 2 und 3 von Interesse. Ein Raum-1-Tupel ist ein gewöhnlicher topologischerRaum, ein Raum-2-Tupel heißt auch Raumpaar, ein Raum-3-Tupel Raumtripel usw.Eine Abbildung f : (X, x0) → (Y, y0) zwischen Räumen mit Basispunkten (X, x0)und (Y, y0) heißt basispunkterhaltend.

    Bemerkung 2.1.11 Wir identifizieren das Raumpaar (X, ∅) mit dem topologi-schen Raum X .

    Definition 2.1.12 (Einpunktvereinigung) Seien (X, x0) und (Y, y0) Räume mitBasispunkt. Sei ferner c : {x0}→ {y0} die konstante Abbildung. Dann heißt

    (X ∨ Y, y0) = (X ∪c Y, y0)

    Einpunktvereinigung von (X, x0) und (Y, y0). (Beachte: Mit der Identifizierung vonY als Teilraum von X ∪c Y ist y0 = [y0] ∈ X ∪c Y .) Ist y0 aus dem Kontextheraus klar, schreiben wir auch X ∨ Y statt (X ∨ Y, y0). Es gilt natürlich X ∨ Y ≈Y ∨ X sowie (X ∨ Y ) ∨ Z ≈ X ∨ (Y ∨ Z), wobei (Z, z0) ein weiterer Raum mitBasispunkt sei. Sind (X1, x1), . . . , (Xn, xn) Räume mit Basispunkten, können wiralso

    ∨nk=1(Xk, xk) = (X1, x1) ∨ · · · ∨ (Xn, xn) schreiben.

    Beispiel 2.1.13 Sei z0 ∈ S1 beliebig und Xk = S1 für k = 1, . . . , n. Dann ist(Rn, z0) =

    ∨nk=1(Xk, z0) =

    ∨nk=1(S

    1, z0) die Einpunktvereinigung von n Kreislinien,auch n-Schleifen-Raum oder n-blättrige Rose genannt (vgl. auch [19] (17.12) und[1] S. 49f).

    2.1.4 Analysis

    Wie üblich bezeichne dist(X, Y ) = inf{‖x − y‖n : x ∈ X, y ∈ Y } den Abstandzwischen zwei beliebigen nichtleeren Teilmengen X, Y ⊆ Rn, wobei wir im Fall X ={x} einfach dist(x, Y ) schreiben usw. Damit gilt insbesondere dist(x, y) = ‖x−y‖n.Ist n ∈ N0 offenkundig, so schreiben wir auch ‖ ·‖ statt ‖ ·‖n und meinen dabei stets- solange nichts anderes gesagt wird - die euklidische Norm. Ferner vereinbaren wirdist(X, ∅) = dist(∅, X) =∞ für jede beliebige Teilmenge X ⊆ Rn.

    Für zwei Teilmengen X ⊆ Rm und Y ⊆ Rn, X offen in Rm, bezeichne Cr(X, Y )die Menge aller r-fach differenzierbaren Abbildungen f : X → Y und

    C∞(X, Y ) =∞⋂

    r=0

    Cr(X, Y )

  • 10 Grundlagen

    die Menge aller beliebig oft differenzierbaren Abbildungen. Dabei bedeute r-fachdifferenzierbar, dass alle r-ten partiellen Ableitungen ∂

    r

    ∂xi1 ...∂xirf von f existieren

    und stetig sind. f heißt dann auch von der Klasse Cr. Statt C0(X, Y ) schreibenwir auch C(X, Y ) für die stetigen Abbildungen zwischen X und Y ; im Fall f ∈C∞(X, Y ) bezeichnen wir f als glatte Abbildung.

    Sind X ⊆ Rm und Y ⊆ Rn zwei beliebige Teilmengen, so lässt sich der Begriffder Differenzierbarkeit wie folgt ausdehnen: f : X → Y heiße r-fach differenzierbar(1 ≤ r ≤ ∞), falls sich f lokal zu einer r-fach differenzierbaren Abbildung auf eineroffenen Menge fortsetzen lässt, d. h. wenn es zu jedem x ∈ X eine offene UmgebungU von x in Rm und eine Abbildung g ∈ Cr(U, Rn) gibt mit g|U ∩X=f |U ∩X . Indiesem Fall bezeichnet für jedes x ∈ X

    dxf =

    (∂f1/∂x1)(x) · · · (∂f1/∂xm)(x)

    .... . .

    ...(∂fn/∂x1)(x) · · · (∂fn/∂xm)(x)

    ∈ Rn×m

    die Ableitung (oder das Differenzial) von f im Punkt x, wobei ∂/∂xifj die partielleAbleitung der j-ten Komponentenfunktion fj nach der i-ten Variable xi bezeichne(f = (f1, . . . , fn), fi : X → R). Identifizieren wir Rn×m mit den linearen Abbildun-gen Hom(Rm, Rn) zwischen Rm und Rn (bezüglich der Standardbasen), so könnenwir die Ableitung dxf als lineare Abbildung auffassen.

    Bekanntlich gilt für f ∈ Cr(X, Y ) und g ∈ Cr(Y, Z) (r ≥ 1), X ⊆ Rl, Y ⊆ Rm,Z ⊆ Rn, die so genannte Kettenregel :

    dx(f ◦ g) = df(x)g ◦ dxf

    für alle x ∈ X (siehe etwa [16]).Ein weiteres wichtiges Resultat ist der Satz über die lokale Invertierbarkeit stetig

    differenzierbarer Abbildungen, dessen Beweis man z. B. ebenfalls in [16] findet:

    Satz 2.1.14 Sei f ∈ C1(X, Y ) und x ∈ X mit det dxf &= 0. Dann ist f ein lokalerHomöomorphismus bei x, d. h. es gibt eine offene Umgebung U ⊆ X von x, so dassf |U : U → f(U) ein Homöomorphismus ist. !

    Ist f ∈ C∞(X, Y ) eine Bijektion und gilt auch f−1 ∈ C∞(Y, X), so heißt f einDiffeomorphismus und X und Y heißen diffeomorph.

    Lemma 2.1.15 Sei f ∈ C(Rm, Rn) und X ⊂ Rm eine abgeschlossene Teilmenge.Dann gibt es zu jedem ε > 0 ein f̃ ∈ C∞(Rm, Rn) mit ‖f̃(x) − f(x)‖ < ε für allex ∈ X.

    Beweis: Siehe [11], Proposition 1.2. !

    2.2 Differenzialtopologie

    2.2.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten

    Die folgende Einführung in die Theorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeitenwurde größtenteils aus [20] übernommen. Zwar entsprechen die Definitionen in die-ser Einführung nicht den gewohnten Standarddefinitionen, wie man sie etwa in [6]oder [40] findet, es stellt sich jedoch heraus, dass das vermeintlich eingeschränkteModell in [20], das auf eine Idee von Milnor (vgl. [31]) zurückgeht, gleichwertig zur”konventionellen” Theorie der differenzierbaren Mannigfaltigkeiten ist. Allerdingssei darauf hingewiesen, dass das Konzept nur für differenzierbare Mannigfaltigkeitenfunktioniert.

  • 2.2 Differenzialtopologie 11

    Insbesondere wird in dieser Arbeit (wie bei Guillemin und Pollack [20]) derBegriff der ”Mannigfaltigkeit” stets im Sinne von ”glatte reelle Mannigfaltigkeit”benutzt.

    Definition 2.2.1 (Mannigfaltigkeit) Sei M eine Teilmenge des Rn (n ≥ 0). Mheißt k-dimensionale (glatte) Mannigfaltigkeit, falls M lokal diffeomorph zu Rk ist,d. h. falls jedes x ∈ M eine offene Umgebung V in M besitzt, die diffeomorph zueiner offenen Menge U ⊆ Rk ist. (Man beachte, dass V offen in M sein soll, alsobezüglich der Relativtopologie auf M , d. h. V = Ṽ ∩M für eine offene Menge Ṽ ⊆Rn.) Ein Diffeomorphismus φ : U → V heißt eine Parametrisierung der UmgebungV oder auch eine lokale Parametrisierung um x. Der inverse Diffeomorphismusφ−1 : V → U heißt ein Koordinatensystem für V .

    Beispiel 2.2.2 Rk ist eine k-dimensionale Mannigfaltigkeit.

    Bemerkung 2.2.3 Die Menge der glatten Abbildungen zwischen zwei Mannigfal-tigkeiten M und N bezeichnen wir auch mit C∞(M, N).

    Bemerkung 2.2.4 Eine Mannigfaltigkeit M der Dimension dimM = 0 ist diskret(d. h. alle einelementigen Teilmengen von M sind offen).

    Beweis: Die einzige nichtleere offene Teilmenge des R0 = {0} ist schon der ganzeRaum U = {0}. Eine lokale Parametrisierung φ : U → M um einen Punkt x ∈ Mist also die Abbildung, die 0 ∈ R0 auf x abbildet. Somit ist {x} = φ({0}) offen(denn φ ist als Homöomorphismus eine offene Abbildung). !

    Lemma 2.2.5 Ein kompakter diskreter topologischer Raum X ist endlich.

    Beweis: X ist diskret, d. h. für alle x ∈ X ist die einelementige Menge {x} ⊆ Xoffen. Also ist X =

    ⋃x∈X{x} eine Überdeckung von X durch offene Mengen. Da

    X kompakt ist, gibt es nun endlich viele x1, . . . , xr ∈ X , so dass X =⋃r

    i=1{xi} ={x1, . . . , xr} ist. !

    Korollar 2.2.6 Eine kompakte Mannigfaltigkeit M der Dimension 0 ist endlich.!

    Satz 2.2.7 Sind M und N Mannigfaltigkeiten, so auch M ×N und es gilt

    dim M ×N = dimM + dim N.

    Beweis: Siehe [20] Chapter 1, §1. !

    Definition 2.2.8 (Untermannigfaltigkeit) Sind M, N ⊆ Rn Mannigfaltigkeitenmit M ⊆ N , so heißt M eine Untermannigfaltigkeit von N .

    Beispiel 2.2.9 Jede offene Teilmenge M ′ einer k-dimensionalen MannigfaltigkeitM ist eine k-dimensionale Untermannigfaltigkeit von M . Insbesondere ist M eineUntermannigfaltigkeit von sich selbst.

    Definition 2.2.10 (Tangentialraum) Sei M ⊆ Rn eine k-dimensionale Mannig-faltigkeit, x ∈ M , U ⊆ Rk und φ : U → M eine lokale Parametrisierung um x mit0 ∈ U und φ(0) = x. (Eine solche Parametrisierung lässt sich immer wählen!) Wirdefinieren den Tangentialraum Tx(M) von M in x als Bild der linearen Abbildungd0φ : Rk → Rn, also Tx(M) = Im(d0φ) = (d0φ)(Rk). Der Tangentialraum Tx(M)ist also ein Untervektorraum des Rn, dessen Translat x + Tx(M) um den Vektorx gewissermaßen die ”bestmögliche” lineare Approximation von M in x ist. DieElemente v ∈ Tx(M) heißen die Tangentialvektoren von M in x.

  • 12 Grundlagen

    Bemerkung 2.2.11 (a) Definition 2.2.10 ist unabhängig von der Wahl der lokalenParametrisierung φ.

    (b) Der Tangentialraum einer k-dimensionalen Mannigfaltigkeit in einem Punktx ∈ M hat die Dimension k, in Zeichen: dimTx(M) = k.

    Beweis: Siehe [20] Chapter 1, §2. !

    Definition 2.2.12 (Ableitung) Seien M und N Mannigfaltigkeiten mit dimM =k und dimN = l und f : M → N eine glatte Abbildung. Seien ferner x ∈ M undy ∈ N mit f(x) = y und seien U ⊆ Rk und V ⊆ Rl offene Mengen mit 0 ∈ Uund 0 ∈ V sowie φ : U → M und ψ : V → N Parametrisierungen von U bzw. Vmit φ(0) = x und ψ(0) = y. Wir definieren h : U ∩ φ−1(f−1ψ(V )) → V durchh = ψ−1 ◦ f ◦ φ. Dann heißt die lineare Abbildung

    dxf : Tx(M)→ Tx(N)

    definiert durchdxf = d0ψ ◦ d0h ◦ (d0φ)−1

    die Ableitung von f in x.

    Bemerkung 2.2.13 (a) Definition 2.2.12 ist unabhängig von der Wahl der Para-metrisierungen φ und ψ.

    (b) Sind M ⊆ Rk und N ⊆ Rl offene Teilmengen und f : M → N eine glatteAbbildung, so stimmt dxf aus 2.2.12 mit der ”normalen” Ableitung von dif-ferenzierbaren Abbildungen zwischen offenen Teilmengen euklidischer Räumeüberein (vgl. Abschnitt 2.1.4).

    (c) Es gilt die so genannte Kettenregel : Sind L, M und N Mannigfaltigkeiten undf : L →M und g : M → N glatte Abbildungen, so gilt

    dx(g ◦ f) = df(x)g ◦ dxf.

    (d) Ist M eine Untermannigfaltigkeit der Mannigfaltigkeit N und i : M → N dieInklusionsabbildung, so ist dxi : Tx(M) → Tx(N) für alle x ∈ M ebenfalls dieInklusionsabbildung.

    Beweis: Siehe [20] Chapter 1, §2. !Das Konzept für Mannigfaltigkeiten mit Rand ist das gleiche wie für unberandete

    Mannigfaltigkeiten, nur dass man als lokales Modell nicht den Rk nimmt, sondernden Halbraum

    Hk = {x = (x1, . . . , xk) ∈ Rk : xk ≥ 0},dessen Rand ∂Hk gerade aus den Punkten besteht, deren letzte Koordinate gleich0 ist, also

    ∂Hk = {x = (x1, . . . , xk) ∈ Rk : xk = 0}.

    Definition 2.2.14 Eine Teilmenge M ⊆ Rn (n ≥ 1) heißt k-dimensionale Man-nigfaltigkeit mit Rand oder k-dimensionale berandete Mannigfaltigkeit (k ≥ 1), fallsjeder Punkt x ∈ M eine offene Umgebung V besitzt, die diffeomorph zu einer of-fenen Teilmenge U von Hk ist (also U = Ũ ∩ Hk für eine offene Teilmenge Ũ vonRn). Wieder nennen wir einen zugehörigen Diffeomorphismus eine lokale Parame-trisierung von M um x. Wir definieren den Rand ∂M von M als die Menge allerPunkte, die im Bild des Randes von Hk unter einer lokalen Parametrisierung liegen,also

    ∂M = {x ∈M : x ∈ φ(∂Hk)}.

  • 2.2 Differenzialtopologie 13

    Bemerkung 2.2.15 (a) Der Rand ∂M einer berandeten Mannigfaltigkeit M istwohldefiniert, d. h. liegt x im Bild von ∂Hk unter einer lokalen Parametrisierungum x, so liegt x für alle lokalen Parametrisierungen im Bild von ∂Hk.

    (b) Der Rand ∂M einer berandeten Mannigfaltigkeit M ⊆ Rn sollte nicht mit ihremtopologischen Rand als Teilmenge des Rn verwechselt werden, der oftmals auchmit ∂M bezeichnet wird. Zwar stimmen sie im Fall dimM = n oftmals überein,im Fall dimM < n sind sie jedoch immer verschieden. Wir gebrauchen denBegriff des Randes hier immer nur im Sinne des Randes einer Mannigfaltigkeitwie oben beschrieben (solange nichts Gegenteiliges gesagt wird).

    Beweis: (a) Siehe etwa [39]. !Man beachte, dass Mannigfaltigkeiten, wie wir sie am Anfang dieses Abschnitts

    definiert haben, insbesondere auch ”Mannigfaltigkeiten mit Rand” sind, auch wennihr Rand leer ist. Der Ausdruck ”Mannigfaltigkeit” ohne irgendwelche Zusätze sollweiterhin im ersteren Sinne gebraucht werden, allerdings werden wir zur Betonungmanchmal auch ”unberandete” oder ”randlose” Mannigfaltigkeit schreiben.

    Das Produkt zweier berandeter Mannigfaltigkeiten ist, wie das Beispiel I × Izeigt, im Allgemeinen keine berandete Mannigfaltigkeit (in unserem Sinne!). Es giltaber der folgende Satz:

    Satz 2.2.16 Seien M eine berandete und N eine unberandete Mannigfaltigkeit mitdimM = k und dim N = l. Dann ist M × N eine berandete Mannigfaltigkeit mitdim(M ×N) = k + l und ∂(M ×N) = (∂M)×N .

    Beweis: s. [20] Chapter 2, §1. !Alle weiteren Begriffe aus den Definitionen 2.2.1, 2.2.8, 2.2.10 und 2.2.12 lassen

    sich nun mühelos auf berandete Mannigfaltigkeiten übertragen. Dazu müssen wirinsbesondere angeben, was die Ableitung einer glatten Abbildung g : U → Rl voneiner offenen Menge U ⊆ Hk nach Rl in einem Punkt x ∈ U sein soll. Ist x eininnerer Punkt von Hk (also x = (x1, . . . , xk) ∈ Rk mit xk > 0), so lässt sich dieAbleitung wie in Definition 2.2.12 definieren. Ist x ∈ ∂Hk hingegen ein Randpunktvon Hk, so gibt es wegen der Glätte von g eine lokale Fortsetzung g̃ : Ũ → Rl von g(d. h. g̃|U∩Ũ = g|U∩Ũ), wobei Ũ eine offene Teilmenge des Rk ist mit x ∈ Ũ und wirdefinieren dxg = dxg̃. Diese Definition ist unabhängig von der Wahl der Fortsetzungg̃ von g (vgl. [20] Chapter 2, §1). Nun lassen sich wie bisher auch die Ableitungeiner glatten Abbildung f : M → N zwischen zwei berandeten MannigfaltigkeitenM und N in einem Punkt x ∈ M definieren (auch wenn x ∈ ∂M) und es geltendie gleichen Aussagen wie im Falle glatter Abbildungen zwischen unberandetenMannigfaltigkeiten.

    Satz 2.2.17 Ist M eine k-dimensionale Mannigfaltigkeit mit Rand, so ist der Rand∂M eine (k − 1)-dimensionale unberandete Untermannigfaltigkeit von M .

    Beweis: Siehe [20] Chapter 2, §1. !Ist f : M → N eine glatte Abbildung zwischen zwei berandeten MannigfaltigkeitenM und N , so bezeichnen wir die Einschränkung von f auf den Rand von M mit∂f , also

    ∂f : ∂M → N, ∂f = f |∂M.

    Bemerkung 2.2.18 (a) Ist f : M → N ein Diffeomorphismus zwischen zwei be-randeten Mannigfaltigkeiten, so ist f(∂M) ⊆ ∂N und ∂f : ∂M → ∂N wiederein Diffeomorphismus.

  • 14 Grundlagen

    (b) Bemerkung 2.2.11 (b) gilt für berandete Mannigfaltigkeiten M im Allgemeinennicht. Es gilt jedoch dimTx(M) = dimM für alle x ∈ M \ ∂M sowie Tx(M) =Tx(∂M) und somit dimTx(M) = dim M − 1 = dim ∂M für alle x ∈ ∂M .

    Beweis: Siehe [20] Chapter 2, §1. !Wir wenden uns nun einem Konzept zu, dass zum Beispiel in [20] eine zentrale

    Rolle spielt und uns beim Beweis des für uns später sehr wichtigen Satzes 2.5.43sehr nützlich sein wird.

    Definition 2.2.19 (Transversalität) Sei f : M → N eine glatte Abbildung zwi-schen zwei berandeten Mannigfaltigkeiten M und N . Sei ferner N ′ eine berandeteUntermannigfaltigkeit von N . f heißt transversal zu N ′, falls für alle x ∈ f−1(N ′)gilt:

    Im(dxf) + Tf(x)(N ′) = Tf(x)(N), (2.1)

    also falls für alle x ∈ f−1(N ′) der Tangentialraum von N in f(x) vom Tangential-raum von N ′ in f(x) und dem Bild der Ableitung von f in x aufgespannt wird. Indiesem Fall schreiben wir auch f " N ′.

    Bemerkung 2.2.20 (a) Insbesondere gilt f " N ′, wenn f−1(N ′) = ∅ (oder andersausgedrückt, wenn Im(f) ∩N ′ = ∅), also falls f(x) &∈ N ′ für alle x ∈M .

    (b) Sei N unberandet und dimM +dimN ′ < dimN . Genau dann ist f " N ′, wennf−1(N ′) = ∅. (”⇐” ist klar nach (a). Wegen dim Im(dxf) ≤ dimTx(M) ≤dimM folgt

    dim(Im(dxf) + Tf(x)(N ′)) ≤ dimM + dim N ′ < dimN,

    d. h. Im(dxf) und Tf(x)(N ′) können nicht ganz Tf(x)(N) aufspannen.)

    Definition 2.2.21 (regulärer Wert) Sei f : M → N eine glatte Abbildung zwi-schen zwei berandeten Mannigfaltigkeiten M und N . Sei ferner y ∈ N , so dass fzur einelementigen Untermannigfaltigkeit N ′ = {y} von N transversal ist. Dannheißt y ein regulärer Wert von f .Nach Bemerkung 2.2.11 gilt dimTy(N ′) = dim N ′ = 0, d. h. Gleichung (2.1) wirdin diesem Fall zu

    Im(dxf) = Tf(x)(N). (2.2)

    Da stets Im(dxf) ⊆ Tf(x)(N) gilt, ist die Surjektivität von dxf für alle x ∈ f−1(y)hinreichende und notwendige Bedingung für die Regularität des Wertes y.

    Satz 2.2.22 Sei f : M → N eine glatte Abbildung zwischen zwei berandeten Man-nigfaltigkeiten M und N und sei N ′ ⊆ N eine Untermannigfaltigkeit mit f " N ′.Dann ist auch M ′ = f−1(N ′) eine Untermannigfaltigkeit von M und es gilt

    dimM − dimM ′ = dimN − dimN ′.

    Beweis: Siehe [20] Chapter 2, §5. !Bei der Einführung des primären Abbildungsgrades in Abschnitt 3.3 werden

    wir den Begriff der Orientierung einer Mannigfaltigkeit benötigen. Der Rest diesesAbschnitts ist der Darstellung in [20] Chapter 3, §2 entliehen.

    Definition 2.2.23 (Orientierung eines Vektorraums) Sei V ein endlichdimen-sionaler R-Vektorraum mit k = dimV ≥ 1 und B = {v1, . . . vk} eine geordnete Basisvon V . Ist B′ = {v′1, . . . , v′k} eine weitere geordnete Basis, so gibt es genau einenlinearen Isomorphismus A : V → V , so dass v′i = vi für alle i ∈ {1, . . . , k}. B und

  • 2.3 Gruppenoperationen 15

    B′ heißen äquivalent orientiert, falls die Determinante det A positiv ist. Dank derProduktregel für Determinanten erhalten wir eine Äquivalenzrelation auf der Mengeder geordneten Basen von V, die diese Menge in zwei Äquivalenzklassen aufteilt.

    Eine Orientierung von V ist eine Zuweisung verschiedener Vorzeichen +1 und−1 zu diesen zwei Äquivalenzklassen. Das Zeichen, das der Äquivalenzklasse von Bzugeordnet ist, heißt dessen Orientierung und man sagt entsprechend dieses Vor-zeichens, B sei positiv oder negativ orientiert.

    Es gibt genau zwei mögliche Orientierungen für einen Vektorraum V und um einesolche zu spezifizieren genügt es, die Orientierung einer einzigen geordneten Basisanzugeben. Zum Beispiel ist die Standardorientierung des euklidischen Vektorrau-mes Rk diejenige, für die die Standardbasis {e1, . . . , ek} die positive Orientierungträgt.

    Definition 2.2.24 Eine Orientierung des 0-dimensionalen Vektorraums R0 ist eineZuweisung von +1 oder −1 zu diesem Vektorraum.

    Ist A : V →W ein Isomorphismus zwischen zwei endlichdimensionalen reellen Vek-torräumen V und W , so gehören zwei geordnete Basen B und B′ von V genaudann zur selben Äquivalenzklasse, wenn die Bildbasen A(B) und A(B′) zur selbenÄquivalenzklasse gehören. Sind V und W also orientiert, so heißt A orientierungs-erhaltend, falls für alle geordneten Basen B von V gilt, dass B und A(B) dieselbeOrientierung besitzen. Andernfalls heißt A orientierungsumkehrend.

    Definition 2.2.25 (Orientierung einer Mannigfaltigkeit) Sei M eine beran-dete k-dimensionale Mannigfaltigkeit. Eine Orientierung von M ist eine glatte Zu-weisung einer Orientierung zu jedem Tangentialraum Tx(M) für alle x ∈ M . Da-bei bedeute ”glatt”, dass es um jeden Punkt x ∈ M eine lokale Parametrisierungφ : U → M um x gibt, so dass die Ableitung duφ : Rk → Tφ(u)(M) für alleu ∈ U ⊆ Hk orientierungserhaltend ist.

    M heißt orientierbar, falls sich M mit einer Orientierung versehen lässt. EinDiffeomorphismus f : M → N zwischen orientierten berandeten Mannigfaltig-keiten heißt orientierungserhaltend, falls für alle x ∈ M die lineare Abbildungdxf : Tx(M)→ Tx(N) ein orientierungserhaltender Isomorphismus ist.

    Bemerkung 2.2.26 Für 0-dimensionale Mannigfaltigkeiten M sind Orientierun-gen sehr einfach: Wir müssen nur jedem Punkt x ∈ M jeweils ein beliebiges Vorzei-chen +1 oder −1 zuweisen.

    2.3 Gruppenoperationen

    2.3.1 Grundlagen aus der Gruppentheorie

    In diesem Abschnitt sollen ein paar allgemein gebräuchliche Bezeichnungen aus derGruppentheorie gesammelt werden. Dabei setzen wir elementare Kenntnisse, wiez. B. die Definition einer Gruppe, Faktorgruppen, den Homomorphiesatz usw. alsbekannt voraus (siehe etwa [21]).

    Sei im Weiteren G eine Gruppe mit neutralem Element e ∈ G und H eineUntergruppe von G.

    Den Kern eines Gruppenhomomorphismus α : G → G′ zwischen zwei GruppenG und G′ bezeichnen wir mit Ke(α) = {g ∈ G : α(g) = e′} = α−1(e′), wobei e′ dasneutrale Element von G′ sei. Das Bild von α sei Im(α) = {α(g) : g ∈ G} = α(G).

    Für zwei beliebige Teilmengen A und B von G setzen wir

    AB = {ab : a ∈ A, b ∈ B}

  • 16 Grundlagen

    und schreiben im Fall einelementiger Teilmengen A = {a} bzw. B = {b} einfachaB statt {a}B bzw. Ab statt A{b}. Zu g ∈ G heißt gH die Links- und Hg dieRechtsnebenklasse von g modulo H .

    Definition 2.3.1 Die Menge der Linksnebenklassen modulo H bezeichnen wir mit

    G/H = {gH : g ∈ G} ⊆ P(G).

    Ein Element gH ∈ G/H bezeichnen wir auch mit ḡ, vorausgesetzt, dass klar ist,modulo welcher Untergruppe H wir die Linksnebenklasse bilden.

    Bemerkung 2.3.2 (a) Für alle g, g′ ∈ G gilt: Genau dann ist gH = g′H , wenng′−1g ∈ H ist.

    (b) Für alle g, g′ ∈ G gilt stets gH = g′H oder gH ∩ g′H = ∅.Beweis: Ist gH ∩ g′H &= ∅, so gibt es ein x ∈ gH ∩ g′H , also x = gh = g′h′ fürgewisse h, h′ ∈ H . Somit folgt g′−1g = h′h−1 ∈ H , also gH = g′H nach (a). !

    (c) Offenbar gilt G =⋃

    G/H , d. h. mit (b) ist G disjunkte Vereinigung aller Links-nebenklassen modulo H .

    (d) Die Relation ∼H auf G definiert durch g ∼H g′ ⇔ g′−1g ∈ H ist eine Äquiva-lenzrelation. Die Äquivalenzklasse von g ∈ G ist gerade die LinksnebenklassegH von g modulo H .

    Außerdem seiA−1 = {a−1 : a ∈ A}

    und〈A〉 =

    ⋂{H : H ⊆ G Untergruppe, A ⊆ H}

    das Erzeugnis von A, also die kleinste Untergruppe von G, die A enthält. (Wiederschreiben wir 〈g〉 statt 〈{g}〉 und auch 〈g1, g2, . . . , gn〉 statt 〈{g1, g2, . . . , gn}〉 fürdas Erzeugnis endlich vieler Elemente.) Mit ord(g) = ordG(g) = |〈g〉| ∈ N ∪ {∞}bezeichnen wir die Ordnung eines Elementes g ∈ G. Ist ord(g) < ∞, so ist ord(g)die kleinste natürliche Zahl n mit gn = e.

    Wir definieren den Normalisator

    NG(H) = {g ∈ G : gHg−1 = H}= {g ∈ G : gH = Hg}

    von H in G. Oftmals schreiben wir auch einfach N(H) statt NG(H), wenn G ausdem Kontext klar ist.

    H heißt Normalteiler oder normal in G, falls gHg−1 ⊆ H für alle g ∈ G gilt(dann gilt automatisch sogar gHg−1 = H für alle g ∈ G, also insbesondere NG(H) =G). Wir schreiben hierfür auch H # G oder H $ G, falls H &= G.

    Bemerkung 2.3.3 (a) Offenbar gilt stets H # N(H).

    (b) Es ist bekannt, dass die Menge G/H der Linksnebenklassen modulo H ei-ne natürliche Gruppenstruktur besitzt, falls H normal in G ist, dann geltennämlich: (gH)(g′H) = gg′H , (gH)−1 = g−1H und H = eH ist das neutraleElement von G/H .

    Korollar 2.3.4 Die Menge der Linksnebenklassen

    W (H) = N(H)/H

    ist eine Gruppe, die so genannte Weyl-Gruppe von H. !

  • 2.3 Gruppenoperationen 17

    Beispiel 2.3.5 (a) Ist α : G → G′ ein Gruppenhomomorphismus zwischen zweiGruppen G und G′, so ist Ke(α) # G und Im(α) # G′.

    (b) Für n ∈ N bezeichnen wir die endliche zyklische Gruppe der Ordnung n Z/〈n〉 =Z/nZ mit Zn. Die Elemente von Zn sind die Restklassen

    0̄ = Z, 1̄ = 1 + Z, . . . , n− 1 = (n− 1) + Z.

    Speziell gilt Z1 = Z/Z = {Z} = {0̄}.

    Ohne Beweis (siehe z. B. [21], Theorem 2.3.2) erinnern wir an den

    Satz 2.3.6 (Homomorphiesatz) Seien G und H Gruppen und α : G → H einGruppenhomomorphismus. Dann gilt:

    G/ Ke(α) ∼= Im(α).

    Insbesondere gilt G/ Ke(α) ∼= H, falls α surjektiv ist. !

    Lemma 2.3.7 Seien G und H Gruppen und A, A′ ⊆ G und B, B′ ⊆ H Untergrup-pen mit A # A′ und B # B′. Dann gilt auch A×B # A′ ×B′ und es ist

    (A′ ×B′)/(A×B) ∼= (A′/A)× (B′/B).

    Beweis: Leicht rechnet man nach, dass die Abbildung

    α : A′ ×B′ → (A′/A)× (B′/B)(a′, b′) :→ (a′A, b′B)

    ein Epimorphismus mit Ke(α) = A×B ist, so dass mit Satz 2.3.6 die Behauptungfolgt. !

    Lemma 2.3.8 Seien G und H Gruppen und A ⊆ G und B ⊆ H Untergruppen.Dann gelten:

    (a) NG×H(A×B) = NG(A)×NH(B) und

    (b) W (A×B) ∼= W (A)×W (B).

    Beweis:

    (a) Es gilt:

    (x, y) ∈ N(A×B)⇔ ∀(a, b) ∈ A×B : (xax−1, yby−1) = (x, y)(a, b)(x, y)−1 ∈ A×B⇔ ∀a ∈ A ∀b ∈ B : xax−1 ∈ A ∧ yby−1 ∈ B⇔ x ∈ N(A) ∧ y ∈ N(B) ⇔ (x, y) ∈ N(A)×N(B).

    (b) folgt aus (a) und Lemma 2.3.7. !Zu a, b ∈ G definieren wir den Kommutator von a mit b als [a, b] = aba−1b−1.

    Insbesondere gilt ab = ba genau dann, wenn [a, b] = e. Die von den Kommutatoren[a, b] (a, b ∈ G) erzeugte Untergruppe von G bezeichnen wir als KommutatorgruppeK(G) von G, also

    K(G) = 〈{[a, b] : a, b ∈ G}〉 ⊆ G.Beachte, dass die Menge {[a, b] : a, b ∈ G} im Allgemeinen keine Untergruppevon G ist. (Trotzdem wird die Kommutatorgruppe oftmals mit [G, G] bezeichnet;allgemeiner definiert man [A, B] = 〈{[a, b] : a ∈ A, b ∈ B}〉 für zwei beliebigeUntergruppen A und B von G.)

  • 18 Grundlagen

    Satz 2.3.9 K(G) ist ein Normalteiler von G und die so genannte Kommutator-faktorgruppe Gab = G/K(G) ist abelsch.

    Beweis: Siehe [21] Theorem 9.2.1. !

    Definition 2.3.10 Sei G eine Gruppe und H eine Untergruppe von G. Eine weitereUntergruppe H ′ von G heißt minimal über H , falls H ! H ′ und für alle Untergrup-pen H ′′ von G mit H ! H ′′ ⊆ H ′ gilt H ′′ = H ′.

    Definition 2.3.11 Zwei Untergruppen H und L von G heißen zueinander konju-giert (in Zeichen: H ∼ L), falls es ein g ∈ G gibt, so dass H = gLg−1 ist. In diesemFall gilt mit g′ = g−1 auch H = g′−1Lg′.

    Lemma 2.3.12 Die Relation ∼ ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Un-tergruppen von G.

    Beweis: Seien H , K und L Untergruppen von G.

    • Reflexivität: H = eHe−1, also H ∼ H .

    • Symmetrie: Ist H ∼ K, so gibt es ein g ∈ G mit H = gKg−1. Es folgtg−1Hg = K, mit g′ = g−1 erhalten wir also g′Hg′−1 = K, d. h. K ∼ H .

    • Transitivität: Ist H ∼ K und K ∼ L, so gibt es g1, g2 ∈ G mit H = g1Kg−11und K = g2Lg−12 , so dass gilt

    H = g1(g2Lg−12 )g−11 = (g1g2)L(g1g2)

    −1,

    also H ∼ L. !Die Äquivalenzklassen von ∼ bezeichnen wir auch als Konjugationsklassen von G.Diejenige Konjugationsklasse, die eine bestimmte Untergruppe H von G enthält,bezeichnen wir mit (H) und die Menge aller Konjugationsklassen ist

    K(G) = {(H) : H ⊆ G Untergruppe}.

    2.3.2 Transformationsgruppen

    Definition 2.3.13 (Gruppenoperation, G-Raum) Sei G eine Gruppe mit neu-tralem Element e und X ein topologischer Raum. Eine Abbildung

    ρ : G×X −→ X

    heißt Gruppenoperation von G auf X , falls für alle g, h ∈ G und alle x ∈ X gilt:

    • ρ(gh, x) = ρ(g, ρ(h, x)),

    • ρ(e, x) = x, und

    • die Translation Tg : X → X , Tg(y) = ρ(g, y) ist stetig.

    Das Tripel (G, X, ρ) heißt dann eine Transformationsgruppe, das Paar (X, ρ) heißtein G-Raum. Ist ρ aus dem Kontext klar, sprechen wir auch von X als einem G-Raum, meinen aber stets das Paar (X, ρ).

    Statt ρ(g, x) = Tg(x) schreiben wir auch kurz g.x, gx oder g(x). Vor allem dieletzte Schreibweise verdeutlicht dabei eine mögliche Interpretation der Gruppen-operation, bei der die Gruppenelemente g ∈ G mit den zugehörigen TranslationenTg identifiziert werden. Es ist allerdings zu beachten, dass die zu zwei verschiedenenGruppenelementen g und h gehörenden Translationen Tg und Th durchaus gleichsein dürfen.

  • 2.3 Gruppenoperationen 19

    Bemerkung 2.3.14 Die Translationen Tg sind stets bijektiv mit stetiger Inverse(Tg)−1 = Tg−1 , also Homöomorphismen.

    Beispiel 2.3.15 (a) Stets lässt sich die so genannte triviale Gruppenoperation ei-ner Gruppe G auf einem topologischen Raum X durch ρtriv(g, x) = x für alleg ∈ G und alle x ∈ X definieren. Wir bezeichnen den entsprechenden G-Raumdann auch mit (Xt, ρtriv) bzw. nur Xt (wobei Xt = X als topologische Räume).

    (b) Sind (X, ρ) und (Y,σ) G-Räume, so operiert G auch in kanonischer Weise aufdem Produktraum X × Y durch die Gruppenoperation

    τ : G× (X × Y ) → X × Yτ(g, (x, y)) = (ρ(g, x),σ(g, y))

    Sind im weiteren Verlauf dieses Texts zwei Gruppenoperationen ρ : G×X → Xund σ : G × Y → Y gegeben, so werden wir mit ”der” Operation von G aufX × Y stets diese kanonische Gruppenoperation meinen, soweit nichts anderesgesagt wird.

    (c) Ist H eine Untergruppe von G, so induziert die Gruppenoperation von G auf Xnatürlich eine Gruppenoperation von H auf X . Insbesondere gilt: Sind G1 undG2 Gruppen und ist (X, ρ) ein (G1×G2)-Raum, so induziert die Operation vonG1 ×G2 auf X Gruppenoperationen von G1 auf X und von G2 auf X , indemman G1 ∼= G1 × {eG2} und G2 ∼= {eG1} × G2 als Untergruppen von G1 × G2auffasst.

    (d) Seien (Gi, Xi, ρi) (i = 1, 2) Transformationsgruppen. Dann ist auch das Tripel(G1×G2, X1×X2, ρ) mit ρ : (G1×G2)× (X1×X2)→ X1×X2 definiert durch

    ρ((g1, g2), (x1, x2)) = (g1x1, g2x2)

    offenbar eine Transformationsgruppe und es gilt

    (X1 ×X2)/(G1 ×G2) ≈ (X1/G1)× (X2/G2)

    (mittels des kanonischen Homöomorphismus (G1×G2)(x1, x2) :→ (G1x1, G2x2)).

    (e) Seien (G, X, ρ) eine Transformationsgruppe, Y ein topologischer Raum undα : X → Y ein Homöomorphismus. Dann induziert α eine Gruppenoperationσ : G× Y → Y von G auf Y durch

    σ(g, y) = α(ρ(g,α−1(y)))

    oder kürzer: g.y = α(g.α−1(y)) für alle g ∈ G und alle y ∈ Y .Beweis: Für alle g, h ∈ G und alle y ∈ Y gelten:

    g.(h.y) = α(g.α−1(α(h.α−1(y)))) = α(g.(h.α−1(y)))

    = α((gh).α−1(y)) = (gh).y,

    e.y = α(e.α−1(y)) = y und σ(g, ·) = α ◦ ρ(g, ·) ◦ α−1 ist stetig. !

    Für ein beliebiges x ∈ X und eine beliebige Untergruppe H von G bezeichne

    Hx = {h.x : h ∈ H, x ∈ X}

    den so genannten Orbit von x unter H . Ferner sei für eine Teilmenge Y ⊆ X undein beliebiges g ∈ G

    gY = {gy : y ∈ Y }.

  • 20 Grundlagen

    Definition 2.3.16 Eine Teilmenge Y ⊆ X heißt H-invariant , falls Hy ⊆ Y füralle y ∈ Y , d. h. falls alle Orbits von Punkten y ∈ Y ganz in Y liegen. Äquivalenthierzu ist die Aussage hY ⊆ Y für alle h ∈ H , also jedes h ∈ H bildet ganz Y insich ab. In diesem Fall operiert H auch auf Y .

    Bemerkung 2.3.17 Ist Y H-invariant, so auch X \Y . Somit ist X = Y ∪ (X \ Y )eine Zerlegung von X in zwei disjunkte G-invariante Teilräume.

    Beweis: Sei x ∈ X \ Y . Angenommen, es gibt ein g ∈ G mit gx ∈ Y . Dann giltwegen der G-Invarianz von Y : x = ex = (g−1g)x = g−1(gx) ∈ Y , Widerspruch! !

    Wir führen auf X die folgende Relation ein:

    x ∼G y ⇔ gx = y für ein g ∈ G.

    Satz 2.3.18 (vgl. [28] Definition 1.3) Die Relation ∼G ist eine Äquivalenzrela-tion und die Äquivalenzklassen von ∼G sind genau die Orbits in X (unter G). DenQuotientenraum X/ ∼ (vgl. Definition 2.1.6) bezeichnen wir mit X/G und nennenihn den Orbitraum von (X, ρ).

    Beweis: Äquivalenzrelation:

    • Reflexivität: ex = x.

    • Symmetrie: gx = y impliziert g−1y = x.

    • Transitivität: Aus gx = y und hy = z folgt (gh)x = g(hx) = gy = z.

    Äquivalenzklassen = Orbits: Die Äquivalenzklasse [x] von x ∈ X ist

    [x] = {y ∈ X : x ∼G y} = {y ∈ X : gx = y für ein g ∈ G}= {gx : g ∈ G} = Gx.

    !

    Korollar 2.3.19 X ist gleich der disjunkten Vereinigung seiner Orbits, d. h. esgibt paarweise verschiedene xi, i ∈ I (I Indexmenge), so dass

    X =⋃

    i∈IGxi

    und Gxi ∩Gxj = ∅ für i &= j ist. !

    Bemerkung 2.3.20 Sei X ′ ⊆ X eine G-invariante Teilmenge. Dann gilt

    X ′/G ⊆ X/G.

    Definition 2.3.21 (Isotropiegruppe) Die Isotropiegruppe von x ∈ X definierenwir als

    Gx = {g ∈ G : gx = x}.

    Satz 2.3.22 Gx ist eine Untergruppe von G.

    Beweis: Seien g, g1, g2 ∈ Gx. Dann gelten:

    • g1g2x = g1x = x und

    • g−1x = g−1(gx) = (g−1g)x = x,

    also g1g2 ∈ Gx und g ∈ Gx. !

  • 2.3 Gruppenoperationen 21

    Beispiel 2.3.23 (a) Genau dann operiert G trivial auf X , wenn für jedes x ∈ Xgilt: Gx = G.

    (b) Für die kanonische Operation von G auf einem Produkt zweier G-Räume Xund Y gilt für alle (x, y) ∈ X × Y : G(x,y) = Gx ∩Gy.

    Lemma 2.3.24 Für beliebiges g ∈ G und x ∈ X gilt:

    Ggx = gGxg−1.

    Beweis: ”⊆”: Sei g′ ∈ Ggx. Dann gilt g′(gx) = gx und

    (g−1g′g)x = g−1(g′(gx)) = g−1(gx) = (g−1g)x) = ex = x,

    also g−1g′g ∈ Gx, d. h. g ∈ gGxg−1.”⊇”: Sei nun g′ ∈ Gx. Dann ist g′x = x und somit gilt

    (gg′g−1)(gx) = (gg′)(g−1g)x = (gg′)ex = g(g′x) = gx,

    also gg′g−1 ∈ Ggx. !

    Definition 2.3.25 (Orbittyp) Die Konjugationsklasse (Gx) ∈ K(G) von Gx (vgl.Abschnitt 2.3.5) nennen wir den Orbittyp von x ∈ X und sagen x besitze denOrbittyp (Gx) oder auch x sei vom Orbittyp (Gx). Die Menge aller Orbittypenbezeichnen wir mit O(X,ρ)(G), also

    O(X,ρ)(G) = {(Gx) ∈ K(G) : x ∈ X}.

    Bemerkung 2.3.26 Mit unseren Bezeichnungen sind also die Aussagen ”H istIsotropiegruppe” und ”(H) ist Orbittyp” äquivalent.

    Für eine beliebige Teilmenge Y ⊆ X , ein Element x ∈ X , eine UntergruppeH ⊆ G und eine beliebige Teilmenge J ⊆ G führen wir folgenden Notationen ein:

    XJ = {x ∈ X : gx = x für alle g ∈ J}XH = {x ∈ X : Gx = H}

    X [H] = XH \ XHJ (Y ) = {(Gy) ∈ K(G) : y ∈ Y }

    XH heißt Fixpunktraum oder Fixraum von H , XH ist die Menge der Punkte mitIsotropiegruppe H , und X [H] die Menge aller Punkte, deren Isotropiegruppe Hecht enthält. Schließlich bezeichnet J (Y ) die Menge aller Orbittypen von Punktenin Y ; wir sprechen auch von den Orbittypen von (oder in) Y . Speziell ist J (X) =O(X,ρ)(G).Im Falle einer einelementigen Teilmenge J = {g} von G, g ∈ G, schreiben wir stattX{g} einfach Xg.

    Beispiel 2.3.27 Für die kanonische Operation von G auf einem Produkt zweierG-Räume X und Y gilt offenbar für jede Untergruppe H von G:

    (X × Y )H = XH × Y H .

    Bemerkung 2.3.28 Es giltXJ =

    g∈JXg.

  • 22 Grundlagen

    Beweis: Klar! !

    Bemerkung 2.3.29 Sind J und J ′ beliebige Teilmengen von G mit J ⊆ J ′, so giltXJ ⊇ XJ′ .

    Beweis: Klar, denn ist x ∈ XJ′ , so gilt gx = x für alle g ∈ J ′, also insbesonderefür alle g ∈ J . !

    Lemma 2.3.30 Für eine beliebige Teilmenge J von G und ein beliebiges g ∈ Ggilt:

    gXJ = XgJg−1

    .

    Beweis:

    gXJ = {gx ∈ gX : x ∈ X, jx = x für alle j ∈ J}= {y ∈ X : jg−1y = g−1y für alle j ∈ J}= {y ∈ X : gjg−1y = y für alle j ∈ J}

    = XgJg−1

    !

    Lemma 2.3.31 Für zwei beliebige Teilmengen J und J ′ von G gilt

    XJ∪J′= XJ ∩XJ

    ′.

    Beweis:

    XJ∪J′= {x ∈ X : gx = x für alle g ∈ J ∪ J ′}= {x ∈ X : gx = g für alle g ∈ J} ∩ {x ∈ X : gx = g für alle g ∈ J ′}

    = XJ ∩XJ′

    !

    Lemma 2.3.32 Für eine beliebige Teilmenge J von G gilt

    XJ = X〈J〉.

    Dabei bezeichne 〈J〉 die von den Elementen in J erzeugte Untergruppe von G(vgl. Abschnitt 2.3.1).

    Beweis: Siehe [28] 1.5, Lemma 1.48. !

    Lemma 2.3.33 Es gilt

    X [H] =⋃

    {XH′: H ′ Untergruppe von G mit H " H ′}.

    Beweis: ”⊆”: Sei x ∈ X [H ] = XH \XH . Wegen x ∈ XH ist hx = x für alle h ∈ H ,also H ⊆ G. Da jedoch x &= XH ist, gilt H &= Gx, also H ! G und x ∈ XGx .”⊇”: Sei x ∈ XH′ für eine Untergruppe H ′ von G mit H ! H ′. Dann gilt nachBemerkung 2.3.29 XH

    ′ ⊆ XH , also x ∈ XH . Sei h ∈ H ′ \H . Dann ist hx = x, alsoh ∈ Gx \ H ; insbesondere gilt H &= Gx und somit x &∈ XH . !

    Korollar 2.3.34 Es gilt mit den Bezeichnungen aus Lemma 2.3.33 sogar

    X [H] =⋃

    {XH′: H ′ Untergruppe von G mit H ′ minimal über H}.

  • 2.3 Gruppenoperationen 23

    Beweis: Ist H ⊂ H ′ ⊆ H ′′, so gilt nach Bemerkung 2.3.29 XH′′ ⊆ XH′ . !

    Lemma 2.3.35 Ist X hausdorffsch und J eine beliebige Teilmenge von G, so istXJ eine abgeschlossene Teilmenge von X.

    Beweis: Siehe [28] 1.5, Theorem 1.46. !

    Lemma 2.3.36 Es gelten die beiden folgenden Aussagen:

    (a) XH ist N(H)-invariant.

    (b) XH ist N(H)-invariant.

    Beweis:

    (a) Sei x ∈ XH und g ∈ N(H). Zu zeigen ist, dass gx ∈ XH . Sei dazu h ∈ H .Wegen g ∈ N(H) gibt es ein h′ ∈ H mit hg = gh′. Dann gilt

    h(gx) = (hg)x = (gh′)(x) = g(h′x) = gx,

    also gx ∈ XH wie gewünscht.

    (b) Sei nun x ∈ XH und g ∈ N(H). Zu zeigen ist, dass gx ∈ XH , also Ggx = Hgilt: Nach Lemma 2.3.24 gilt Ggx = gGxg−1 = gHg−1 = H . !

    Definition 2.3.37 Man sagt, eine Gruppe G operiere frei (oder fixpunktfrei) aufeinem topologischen Raum X , falls Gx = {e} für alle x ∈ X .

    Lemma 2.3.38 Sei (G, X, ρ) eine Transformationsgruppe und H eine Untergruppevon G. Dann gelten die folgenden Aussagen:

    (a) Die Gruppenoperation von G auf X induziert eine kanonische Gruppenoperationvon W (H) auf XH.

    (b) XH ist W (H)-invariant.

    (c) W (H) operiert frei auf XH .

    Beweis:

    (a) Nach Lemma 2.3.36 (a) ist XH N(H)-invariant. Definiere

    W (H) × XH → XH ,(gH , x) :→ gx

    für g ∈ N(H). Diese Abbildung ist wohldefiniert: Seien g, g′ ∈ N(H) mitgH = g′H und x ∈ XH . Dann ist g−1g′ ∈ H , also x = (g−1g′)x = g−1(g′x)und damit gx = g(g−1(g′x)) = (gg−1)(g′x) = e(g′x) = g′x.Klar ist die Abbildung eine Gruppenoperation, denn die erforderlichen Eigen-schaften werden von der Gruppenoperation von G auf X erfüllt.

    (b) Sei x ∈ XH und gH ∈ W (H). Nach Lemma 2.3.36 (b) ist auch XH N(H)-invariant, d. h. es gilt GgH.x = Ggx = Gx = H wegen gx ∈ XH .

    (c) Sei x ∈ XH und g = gH ∈W (H)x, d. h. gx = x und somit gx = x. Folglich istalso g ∈ Gx = H , d. h. g = H ist das neutrale Element von W (H), und es giltW (H)x = {e} = {H}. !

  • 24 Grundlagen

    2.3.3 Topologische Transformationsgruppen

    Definition 2.3.39 (Topologische Gruppe, vgl. [28]) Eine Menge G heißt to-pologische Gruppe, falls die folgenden Eigenschaften erfüllt sind:

    • G ist ein Hausdorff-Raum,

    • G ist eine Gruppe und

    • die Gruppenoperationen µ : G × G → G, µ(g, h) = gh und ι : G → G,ι(g) = g−1 sind stetig. (Dabei sei G×G mit der Produkttopologie versehen.)

    Im Weiteren sei stets (soweit nichts anderes gesagt wird) G eine topologische Gruppemit neutralem Element e ∈ G.

    Satz 2.3.40 Ist H eine Untergruppe von G, so ist auch der topologische AbschlussH von H eine Untergruppe von H. Ist H normal oder abelsch, so auch H.

    Beweis: Siehe [28] 1.2, Proposition 1.9. !

    Korollar 2.3.41 Die maximalen Untergruppen einer topologischen Gruppe sind ab-geschlossen. !

    Lemma 2.3.42 Ist H eine abgeschlossene Untergruppe von G, so ist auch N(H)abgeschlossene Untergruppe von G.

    Beweis: Siehe [28] Proposition 1.10. !Wir setzen

    O(G) = {(H) ∈ K(G) : H abgeschlossene Untergruppe von G}.

    Definition 2.3.43 (Topologische Transformationsgruppe) Ist (G, X, ρ) eineTransformationsgruppe, G eine topologische Gruppe und ρ stetig, so heißt das Tripel(G, X, ρ) auch topologische Transformationsgruppe.

    Von nun an sei (G, X, ρ) stets eine topologische Transformationsgruppe und G kom-pakt.

    Satz 2.3.44 Ist (G, X, ρ) eine topologische Transformationsgruppe, so ist die ka-nonische Projektion

    p : X → X/G, p(x) = Gx

    ist stetig und offen.

    Beweis: Siehe [28] 1.6, Proposition 1.54. !

    Lemma 2.3.45 Ist X hausdorffsch, so gilt für jede beliebige Teilmenge J von G

    XJ = XJ .

    Dabei bezeichne J den topologischen Abschluss von J in G.

    Beweis: Siehe [28] 1.5, Lemma 1.47.

    Satz 2.3.46 Ist X hausdorffsch, so gilt für jede beliebige Teilmenge J von G

    XJ = X〈J〉.

    Beweis: Lemma 2.3.32 und Lemma 2.3.45 liefern die Behauptung. !

  • 2.3 Gruppenoperationen 25

    Korollar 2.3.47 Es gilt

    X [H] =⋃

    {XH′: H ′ abgeschlossene Untergruppe von G mit H " H ′}.

    Beweis: Die Behauptung folgt sofort aus Lemma 2.3.33 und dem letzten Satz2.3.46. !

    Korollar 2.3.48 Die Isotropiegruppen von G, also diejenigen Untergruppen H vonG, für die es ein x ∈ X gibt mit Gx = H, sind abgeschlossen in G.

    Beweis: Sei H = Gx für ein x ∈ X . Nach Lemma 2.3.45 ist XH = XH , alsox ∈ XH = XH , d. h. es gilt hx = x für alle h ∈ H und somit H ⊆ Gx = H . Danatürlich auch H ⊆ H gilt, ist H = H also eine abgeschlossene Untergruppe vonG. !Die Menge aller Orbittypen O(X,ρ)(G) besteht also nur aus Orbittypen der Form(H), wobei H eine abgeschlossene Untergruppe von G ist. Mit anderen Wortensind die potentiellen Repräsentanten der Orbittypen stets abgeschlossen, so dassfür beliebige G-Räume (X, ρ) gilt:

    O(X,ρ)(G) ⊆ O(G).

    Definition 2.3.49 Sei G eine topologische Gruppe und H eine Untergruppe vonG. Eine abgeschlossene Untergruppe H ′ von G heißt minimal abgeschlossen über H ,falls H ! H ′ und für alle abgeschlossenen Untergruppen H ′′ von G mit H ! H ′′ ⊆H ′ gilt H ′′ = H ′.

    Man beachte, dass ”minimal abgeschlossen über H” im Allgemeinen echt schwächerist als ”minimal über H und abgeschlossen”. (Z. B. ist die (additive) Gruppe Rminimal abgeschlossen über Q, denn es gilt bereits Q = R. R ist jedoch keineswegsminimal über Q, denn z. B. ist H = 〈Q ∪ {

    √2}〉 eine Untergruppe von R mit

    Q " H " R.)

    Satz 2.3.50 Es gilt

    X [H] =⋃

    {XH′: H ′ minimal abgeschlossene Untergruppe von G über H}.

    Beweis: Korollar 2.3.47 und dieselbe Bemerkung wie im Beweis von Korollar 2.3.34liefern die Behauptung. !

    2.3.4 Produkte und triviale Operationen

    In diesem Abschnitt sei zusätzlich T ein topologischer Raum, auf dem die GruppeG trivial operiere.

    Lemma 2.3.51 Es gelten die folgenden Aussagen:

    (a) (X × T )H = XH × T ,

    (b) (X × T )H = XH × T ,

    (c) (X × T )[H] = X [H] × T und

    (d) (X × T )/G = (X/G)× T .

    Beweis:

    (a) Es ist (x, t) ∈ (X × T )H genau dann, wenn (hx, t) = h(x, t) = (x, t) für alleh ∈ H , also hx = x für alle h ∈ H , d. h. x ∈ XH und t ∈ T beliebig.

  • 26 Grundlagen

    (b) Analog zu (a).

    (c) folgt aus (a), (b) und Lemma 2.3.33.

    (d) G(x, t) = {g(x, t) : g ∈ G} = {(gx, t) : g ∈ G} = Gx × T für alle x ∈ X , t ∈ Timpliziert die Behauptung in (c). !

    Lemma 2.3.52 Seien G1 und G2 Gruppen und (X, ρ) ein (G1×G2)-Raum. Fernersei die induzierte Operation (vgl. Beispiel 2.3.15 (c)) von G2 auf X trivial. Danngilt für die induzierte Operation von G1 auf X:

    (a) XG1 = XG1×G2 und

    (b) XG1 = XG1×G2 .

    Beweis: Beide Aussagen folgen direkt aus g1x = (g1, g2)x für alle gi ∈ Gi (i = 1, 2)und alle x ∈ X . !

    2.3.5 Die Zahlen n(L, H)

    Im Folgenden seien L und H abgeschlossene Untergruppen der kompakten topolo-gischen Gruppe G.

    Für die Berechnung der Koeffizientengruppen in Kapitel 5 werden die in diesemAbschnitt eingeführten Zahlen n(L, H) von besonderem Interesse sein.

    Definition 2.3.53 Wir definieren die Menge

    NG(L, H) = {g ∈ G : gLg−1 ⊆ H}

    und schreiben wie üblich N(L, H) statt NG(L, H), falls G aus dem Kontext herausklar ist.

    Bemerkung 2.3.54 Offensichtlich gilt stets NG(H) ⊆ NG(H, H).

    Lemma 2.3.55 Seien G und G′ topologische Gruppen und seien A, B ⊆ G undA′, B′ ⊆ H abgeschlossene Untergruppen. Dann gilt

    NG×H(A×A′, B ×B′) = NG(A, B)×NH(A′, B′).

    Beweis: Genau dann ist (g, h) ∈ N(A×A′, B ×B′), also (g, h)(A×A′)(g, h)−1 ⊆B ×B′, wenn gAg−1 ⊆ B und hA′h−1 ⊂ B′, also g ∈ N(A, B) und h ∈ N(A′, B′),d. h. (g, h) ∈ N(A, B)×N(A′, B′). !

    Betrachte die Gruppenoperation von G auf sich selbst durch Linkstranslation:τ : G×G→ G, τ(g, x) = gx.

    Lemma 2.3.56 N(L, H) ist N(H)-invariant (bzgl. der Linkstranslation).

    Beweis: Sei g ∈ N(L, H) und g′ ∈ N(H). Dann gilt

    (g′g)L(g′g)−1 = g′(gLg−1)g′−1 ⊆ gHg−1 = H,

    also g′g ∈ N(L, H). !

    Bemerkung 2.3.57 (a) Aus Sicht der Gruppentheorie ist der Orbitraum

    N(L, H)/N(H)

    eine Teilmenge der Menge der Rechtsnebenklassen von G modulo H , nämlichN(L, H)/N(H) = {N(H)g : g ∈ N(L, H)}.

  • 2.3 Gruppenoperationen 27

    (b) N(L, H) ist nach Korollar 2.3.19 disjunkte Vereinigung von Orbits, d. h. esgibt g1, . . . , gn ∈ N(L, H) mit N(H) = N(H)g1 ∪ · · · ∪N(H)gn und N(H)gi ∩N(H)gj = ∅ für alle i, j ∈ {1, . . . , n} mit i &= j.

    (c) Ist L ⊆ H , so gilt N(H) ⊂ N(L, H), d. h. wir können in (b) in diesem Fallg1 = e wählen.

    (d) Man beachte, dass die Menge NG(L, H) im Allgemeinen keine Untergruppe vonG ist siehe hierzu [24]). Die Menge N(L, H)/N(H) ist also im Allgemeinen nichtetwa gleich der Menge der Linksnebenklassen {gNG(H) : g ∈ NG(L, H)}!

    Satz 2.3.58 Seien G und G′ topologische Gruppen und seien A, B ⊆ G und A′, B′ ⊆H abgeschlossene Untergruppen. Dann gilt

    n(A×A′, B ×B′) = n(A, B) · n(A′, B′).

    Beweis: Nach Lemma 2.3.55, Lemma 2.3.8 (a) und Beispiel 2.3.15 (d) gilt folgendeBeziehung zwischen Orbiträumen:

    N(A×A′, B ×B′)/N(B ×B′) = (N(A, B) ×N(A′, B′))/(N(B)×N(B′))≈ (N(A, B)/N(B)) × (N(A′, B′)/N(B′)).

    !

    Lemma 2.3.59 Sei G eine kompakte topologische Gruppe und H eine abgeschlos-sene Untergruppe von G. Dann gilt NG(H, H) = NG(H).

    Beweis: Siehe [28] 1.7 (Corollary 1.70). !

    Definition 2.3.60 Wir definieren

    n(L, H) = nG(L, H) = |NG(L, H)/NG(H)| ∈ N0 ∪ {∞}

    als die Anzahl der Orbits NG(H)g der Operation von NG(H) auf NG(L, H).

    Bemerkung 2.3.61 (a) Stets gilt n(L, G) = 1, denn NG(L, G) = G, NG(G) = G.

    (b) In Bemerkung 2.3.57 gilt n = n(L, H).

    Lemma 2.3.62 Sei G eine kompakte topologische Gruppe und seien L und H ab-geschlossene Untergruppen von G. Dann ist n(L, H) gleich der Anzahl der zu Hkonjugierten Untergruppen H ′ von G, die L enthalten, in Zeichen:

    n(L, H) = |{H ′ ⊆ G : H ′ Untergruppe von G, H ∼ H ′, L ⊆ H ′}|.

    Beweis: Setze N = {H ′ ⊆ G : H ′ Untergruppe von G, H ∼ H ′, L ⊆ H ′}. Wirdefinieren die Abbildung

    i : N(L, H)/N(H) → NN(H)g :→ g−1Hg.

    i ist wohldefiniert: Ist N(H)g = N(H)g′ für g, g′ ∈ N(L, H), so gilt gg′−1 ∈N(H), d. h. gg′−1Hg′g−1 = (gg′−1)H(gg′−1)−1 = H und somit g−1Hg = g′−1Hg′.i ist injektiv: Aus g−1Hg = g′−1Hg′ folgt g′g−1 ∈ N(H), also N(H)g = N(H)g′.i ist surjektiv: Sei H ′ eine beliebige Untergruppe von G mit L ⊆ H ′ und H ∼ H ′,etwa H = gH ′g−1 für ein g ∈ G. Dann ist gLg−1 ⊆ H , also g ∈ N(L, H) undi(N(H)g) = g−1Hg = H ′. !

    Wir definieren die Relation ≤ auf O(G) durch

    (L) ≤ (H)⇔ L ist zu einer Untergruppe von H konjugiert.

  • 28 Grundlagen

    Lemma 2.3.63 Die Relation ≤ ist wohldefiniert und eine partielle Ordnung aufO(G).

    Beweis: Wohldefiniertheit: Seien L ∼ L′ und H ∼ H ′. Zu zeigen ist: Genaudann existiert eine Untergruppe K von H mit L ∼ K, wenn es eine UntergruppeK ′ von H ′ gibt mit L′ ∼ K ′. Wegen der Symmetrie von ∼ ist nur eine Implikationzu zeigen: Sei dazu K eine Untergruppe von H mit L ∼ K, und seien g1, g2, g3 ∈ Gmit L = g1L′g−11 , H = g2H ′g

    −12 und L = g3Kg

    −13 . Setze K ′ = g

    −12 Kg2 ⊂ H ′. Dann

    gilt:

    L′ = g−11 Lg1 = g−11 g3Kg

    −13 = g

    −11 g3g2K

    ′g−12 g−13 g1 = g

    −11 g3g2K

    ′(g−11 g3g2)−1,

    also L′ ∼ K ′.Partielle Ordnung: Zu zeigen ist, dass ≤ reflexiv, transitiv und antisymmetrischist. Dabei ist reflexiv klar und transitiv folgt aus der Transitivität von ∼. Für dieAntisymmetrie seien (L), (H) ∈ O(G) mit (L) ≤ (H) und (H) ≤ (L). Dann gibt esg1, g2 ∈ G, so dass g1Lg−11 ⊆ H und g2Hg−12 ⊆ L und somit g1g2Hg−12 g−11 ⊆ H , alsog1g2 ∈ N(H, H). Nach Lemma 2.3.59 (Beachte: G ist kompakt und H ist abgeschlos-sene Untergruppe von G!) gilt N(H, H) = N(H). Folglich ist g1g2Hg−12 g

    −11 = H

    und damit g−11 Hg1 = g2Hg−12 ⊆ L, woraus H ⊆ g1Lg−11 folgt, also H = g1Lg−11 ,

    d. h. (H) = (L). !Folgende Notation ergibt somit Sinn: Für einen Orbittyp α ∈ O(X,ρ)(G) definie-

    ren wir

    Xα = {x ∈ X : α ≤ (Gx)} undXα = {x ∈ X : α = (Gx)}.

    Xα ist also die Menge aller Punkte, die mindestens (bzgl. ≤) vom Orbittyp α sind,während Xα die Menge aller Punkte bezeichnet, die genau den Orbittyp α besitzen.

    2.4 Lie-Gruppen und ihre Darstellungen

    2.4.1 Grundbegriffe und grundlegende Eigenschaften

    Definition 2.4.1 (Lie-Gruppe) Eine topologische Gruppe G, die zugleich eineglatte Mannigfaltigkeit ist, heißt Lie-Gruppe, falls die Gruppenoperationen glattsind, d. h. wenn die Multiplikation µ : G×G → G, µ(g, h) = gh und die Inversionι : G → G, ι(g) = g−1 glatte Abbildungen sind. (Man beachte, dass G × G nachSatz 2.2.7 wieder eine glatte Mannigfaltigkeit ist.)Ein Homomorphismus zwischen Lie-Gruppen ist ein glatter Gruppenhomomorphis-mus zwischen Lie-Gruppen.

    Satz 2.4.2 Sei G eine Lie-Gruppe und H eine abgeschlossene Untergruppe von G.Dann ist auch H eine Lie-Gruppe.

    Beweis: Siehe z. B. [28] oder [7]. !

    Bemerkung 2.4.3 Da andererseits jede Teilmenge H einer Lie-Gruppe G, die wie-der eine Lie-Gruppe ist, automatisch eine Untergruppe und eine Untermannigfal-tigkeit von G und somit auch abgeschlossen ist, würde es also Sinn ergeben, vonden abgeschlossenen Untergruppen als den Lie-Untergruppen von G zu sprechen.Trotzdem bevorzugen wir hier den Begriff der abgeschlossenen Untergruppe.

    Satz 2.4.4 Sei G eine Lie-Gruppe und H eine abgeschlossene Untergruppe von G.Dann ist der topologische Raum G/H der Linksnebenklassen modulo H kanonischhomöomorph zu einer glatten Mannigfaltigkeit, kann also als eine solche aufgefasstwerden.

  • 2.4 Lie-Gruppen und ihre Darstellungen 29

    Beweis: Siehe [28] 3.2 Example 12. (Wir haben Mannigfaltigkeiten als Teilmengeneines Rn eingeführt, weshalb G/H in unserem Sinne zunächst keine Mannigfaltigkeitist. Führt man den Begriff in einem allgemeineren Rahmen ein, so erhält man,dass G/H eine kanonische so genannte differenzierbare Struktur besitzt, also selbstwieder eine glatte Mannigfaltigkeit ist.) !

    Korollar 2.4.5 Ist H ein abgeschlossener Normalteiler der Lie-Gruppe G, so istG/H wieder eine Lie-Gruppe. !

    Definition 2.4.6 (bi-orientierbar) Eine Lie-Gruppe G heißt bi-orientierbar, fallssie orientierbar (als Mannigfaltigkeit, vgl. 2.2.25) ist und eine Orientierung besitzt,die invariant unter allen Links- und Rechtstranslationen ist, d. h. falls für alle g ∈ Gdie Diffeomorphismen lg : G → G und rg : G → G definiert durch lg(x) = gx undrg(x) = xg für x ∈ G orientierungserhaltend sind.

    Die folgenden Definitionen lassen sich sowohl für den reellen als auch für denkomplexen Fall einführen. Sei deshalb im folgenden stets K = R oder K = C.Außerdem sei von nun an G stets eine kompakte Lie-Gruppe.

    Definition 2.4.7 (Darstellung) Sei V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum(K ∈ {R, C}). Sei ferner eine stetige Abbildung

    ρ : G× V → V

    gegeben, die folgende Eigenschaften erfüllt:

    • ρ(gh, v) = ρ(g, ρ(h, v)) für alle g, h ∈ G und alle v ∈ V ,

    • ρ(e, v) = v für alle v ∈ V , wobei e das neutrale Element von G bezeichne und

    • für jedes g ∈ G ist die Translation Tg = ρ(g, ·) : V → V eine lineare Abbildung,also Tg ∈ HomK(V, V ).

    (Hierbei sei V mit der von der euklidischen Norm auf V erzeugten Topologie undG× V mit der Produkttopologie versehen.)Dann heißt das Paar (V, ρ) eine (reelle, falls K = R bzw. komplexe, falls K = C) Dar-stellung von G oder eine K-Darstellung von G. V nennen wir den Darstellungsraumund die Dimension von V bezeichnen wir auch als die Dimension der Darstellung.

    Ist ρ aus dem Kontext klar, nennen wir auch V eine Darstellung von G, meinendabei aber stets das Paar (V, ρ). Insbesondere ist ρ also eine Gruppenoperationvon G auf V . Wie in Abschnitt 2.3 schreiben wir statt ρ(g, v) auch kurz g.v, gvoder g(v), etwa wenn wir das Gruppenelement g mit der von ρ induzierten linearenAbbildung ρ(g, ·) identifizieren. Die Eigenschaften aus Definition 2.4.7 lassen sichdann auch so schreiben: Für alle g, h ∈ G und alle v ∈ V gilt:

    • (gh).v = g.(h.v),

    • e.v = v und

    • v :→ g.v ist eine lineare Abbildung.

    Nach Bemerkung 2.3.14 sind die Translationen Tg für alle g ∈ G bijektiv, d. h. esgilt sogar Tg ∈ GLK(V ), und die Abbildung

    T· : G → GLK(V )g :→ Tg

  • 30 Grundlagen

    ist ein stetiger Gruppenhomomorphismus, wenn man GLK(V ) mit der Teilraum-topologie der kompakt-offen-Topologie (vgl. etwa [33] §46) von Abb(V, V ) versieht(also nicht mit der von der Normtopologie auf Kn2 , n = dimK V , induzierten Teil-raumtopologie!). Mehr noch: T·