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Sicherheit Bewegung Mehr Sicherheit durch Bewegung Schriftenreihe der Unfallkasse Hessen Band 3 Unfallkasse Hessen Partner für Sicherheit

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SicherheitBewegung

Mehr Sicherheit durch Bewegung

Schriftenreihe der Unfallkasse HessenBand 3

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ISBN 3–934729–02–9

Unfallkasse HessenOpernplatz 1460313 Frankfurt am Main

Regionalbüro NordhessenObere Königsstraße 834117 Kassel

Unfallkasse HessenPartner für Sicherheit

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Schriftenreihe der Unfallkasse Hessen

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Schriftenreihe der Unfallkasse Hessen

Band 3

MEHR SICHERHEIT

DURCH BEWEGUNG

Psychomotorik in Kindergarten und

Grundschule

Unfallkasse HessenPartner für Sicherheit

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Herausgeber:

© Unfallkasse HessenOpernplatz 14, 60313 Frankfurt am MainTelefon: 0 69/29972–0, Telefax: 0 69/29972–207Internet: www.unfallkasse-hessen.deE-Mail: [email protected]

Regionalbüro NordhessenObere Königsstraße 8, 34117 KasselTelefon: 0561/72947–0, Telefax: 0561/72947–11

Autor:

Manfred Stich

Redaktionelle Bearbeitung:

Pia UngererOrtrun Rickes, Christina Goedecke:Unfallkasse Hessen

Grafische Gestaltung und Satz:

Gabel Typographie, Oppenheim

Zeichnungen:

Georg Stenzel

Herstellung:

Corinna Gabrisch, Universum Verlagsanstalt

Verlag und Druck:

Universum Verlagsanstalt, 65175 Wiesbaden

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Recyclingpapier

Verantwortlich für den Inhalt ist der Autor

© für diesen Band: Unfallkasse HessenMai 2000

ISBN 3–934729–02–9

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

I. Sicherheit und Bewegung –

Aspekte einer kindgerechten Erziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.1 Kindsein heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.2 Kinder müsen sich bewegen dürfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

II. Bewegung als Fundament der kindlichen Entwicklung . . . . . . . . . . . 14

2.1 Zur Bedeutung und Situation der Bewegungsentwicklung . . . . . . 14

III. Wahrnehmung als Baustein der kindlichen Entwicklung . . . . . . . . . . 17

3.1 Fühlen – Taktile Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.2 Der Gleichgewichtssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.3 Der Bewegungssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.4 Der Geruchssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3.5 Der Geschmackssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.6 Der optische Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.7 Der akustische Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

IV. Psychomotorik – Persönlichkeitsentwicklung über Bewegung

und Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

4.1 Intentionen der Psychomotorik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

4.2 Mögliche Inhalte der Psychomotorik . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.2.1 Körpererfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.2.2 Wahrnehmungserfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.2.3 Sozial-emotionale Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

4.2.4 Materialerfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

4.3 Methodische Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

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4.3.1 Zur Person der/des Erziehenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

4.3.2 Zur Bedeutsamkeit der Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

4.3.3 Zur Frage der Auswahl psychomotorischer Spielgeräte . . . . . . . . 28

V. Psychomotorik in Kindergarten und Grundschule . . . . . . . . . . . . . . 29

5.1 Kennzeichen der allgemeinen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . 29

5.2 Erziehungsziele des Kindergartens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

5.3 Zur aktuellen Entwicklung der Bewegungserziehung . . . . . . . . . 33

5.4 Zur Notwendigkeit psychomotorischer Erziehung . . . . . . . . . . . 34

VI. Psychomotorik – Beispiele aus der Praxis für die Praxis . . . . . . . . . . 36

6.1 Seinen Körper und sich vielfältig wahrnehmen . . . . . . . . . . . . 36

6.2 Das psychomotorische Alltagsmaterial „Korken“ . . . . . . . . . . . 40

6.3 Psychomotorische Ausdrucks- und Kooperationsspiele . . . . . . . . 44

6.4 Bewegungsspiele sind wichtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

VII. Bewegungs- und Wahrnehmungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

VIII. Förderdiagnostische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

8.1 Warum ist die Beobachtung von Kindern ein wichtigespädagogisches Anliegen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

8.2 Sind Testverfahren ein geeignetes Mittel, um Informationenüber den Fähigkeitsstand eines Kindes zu gewinnen? . . . . . . . . 55

IX. Wie kann die Bauplanung Bewegungsangebote unterstützen oder:

Was können wir mit einfachen Mitteln in unserer Einrichtung

verändern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

X. Tipps, Anregungen, Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

10.1 Fort- und Weiterbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

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10.2 Zur Zusammenarbeit von Kindergarten, Schule und Verein . . . . . . 60

10.2.1 Welche Voraussetzungen müssen bei einer Zusammenarbeitvon Kindergarten und Verein berücksichtigt werden? . . . . . . . . . 60

10.2.2 Formen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

10.3 Der Aufbau psychomotorischer Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . 61

10.3.1 Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

10.3.2 Materialbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

10.3.3 Was muss ich alles arrangieren, bevor die erste Bewegungs-stunde stattfinden kann? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

10.4 Buchtipps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

10.5 Bücherliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

10.6 Zeitschriftenbezugsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

10.7 Broschüren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

10.8 Bezugsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

10.9 Video-Filme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

10.10 Elternarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

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Mehr Sicherheit durch Bewegung –

Psychomotorik in Kindergarten und

Grundschule

Als vor vier Jahren die erste Auflage derBroschüre „Mehr Sicherheit durch Bewe-

gung – Psychomotorik im Kindergarten“

erschien, war das Bestreben der Unfall-kasse Hessen (damals noch getrennt in:Hessischer Gemeindeunfallversicherungs-verband und Eigenunfallversicherung derStadt Frankfurt) und des Autors, einenmöglichst breiten Adressatenkreis hessi-scher Kindergärten, -horten und -tages-stätten zu erreichen, um auf die Idee wiedie Notwendigkeit psychomotorischer Er-ziehung in vorschulischen Einrichtungenaufmerksam zu machen und sie weiter zuverbreiten. Wie die kontinuierlich steigen-de Nachfrage nach dieser Broschüre unddie gestiegene Bereitschaft von pädago-gischen Fachkräften und Lehrkräften nachpsychomotorischen Fortbildungsangebo-ten zeigt, haben wir dieses Ziel, wennauch nicht flächendeckend, erreicht.„Psychomotorik“ ist im Begriff, in vielenKindergarten- und Grundschuleinrich-tungen ein wichtiges Thema zu werden,das immer mehr an Aktualität und Be-deutung gewinnt und gewinnen muss.

Wir führen dies auf mehrere Entwicklun-gen zurück:

• Der Ansatz der Psychomotorik wurdeals ganzheitlich persönlichkeitsför-dernder Aspekt, der gerade für Kinder

im Alter von 3 bis 6 Jahren wesentlicheEntwicklungsimpulse vermittelt, er-kannt und in zunehmendem Maße inden Alltag des Kindergartens integriert.

• Immer mehr pädagogische Fachkräfteund Lehrkräfte entwickeln das Be-wusstsein, dass Psychomotorik einkindgemäßer und entwicklungsorien-tierter Ansatz ist, der die individuellenFähigkeiten und Fertigkeiten des Kin-des in den Mittelpunkt seiner Bemü-hungen stellt.

• In den vorschulischen und schulischenEinrichtungen finden wir immer mehrKinder, die ein „Problem“ haben oderals „schwierig“ bezeichnet werden.Dieses „Problem“ kann sich in einerabweichenden und/oder verzögern-den Entwicklung in den Bereichen Mo-torik, Wahrnehmung, Sprache, Sozial-verhalten, Aufmerksamkeit/Konzen-tration sowie Lernen zeigen und mani-festieren. Psychomotorik kann hierwichtige Denk- und Handlungsimpulsevermitteln, die gerade diesen schwieri-gen Kindern zugute kommen.

• In zunehmendem Maße lassen auchEltern ein Informations- und Fortbil-dungsbedürfnis nach psychomotori-schen Angeboten erkennen. ZahlreicheElternabende, die ich in den letztenJahren in Kindergärten durchgeführthabe, lassen entsprechende Entwick-lungen erkennen.

Viele pädagogische Fachkräfte, Übungs-leiter und Eltern, die in den letzten Jahren

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Einleitung

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an meinen Fortbildungsseminaren derUnfallkasse Hessen und des Bildungs-werkes des Landessportbundes Hessenteilgenommen haben, ließen immer wie-der ein verstärktes Bedürfnis nach grund-legenden Informationen und praktischerUmsetzbarkeit hinsichtlich der Bewe-gungs- und Wahrnehmungsentwicklungbzw. -förderung erkennen. Auch förder-diagnostische Fragestellungen (z.B.:„Wie kann ich denn erkennen, ob ein Kindeine Wahrnehmungs- oder Bewegungs-beeinträchtigung hat?“) standen immerwieder im Blickpunkt der psychomotori-schen Fortbildungen.

Im Rahmen dieser Broschüre ist es nichtmöglich, eine befriedigende Antwort aufall diese Bedürfnisse und Fragestellun-gen zu geben. Dennoch wollen wir miteiner in Teilen stark veränderten Konzep-tion der nun vorliegenden zweiten Auf-lage der Broschüre „Mehr Sicherheit

durch Bewegung – Psychomotorik in Kin-

dergarten und Grundschule“ erreichen,

• dass sich bei pädagogischen Fach-kräften, Übungsleitern und Eltern dasBewusstsein und die Einsicht in dieNotwendigkeit von Bewegung als ele-mentarem Baustein einer ganzheitlich-kindlichen Entwicklung weiterhinschärft (Kapitel 1 und 2),

• dass sich durch ein Mehr an Wissen umdie einzelnen Wahrnehmungsbereicheeine effektivere Wahrnehmungs- undBewegungsförderung ermöglichenlässt (Kapitel 3),

• dass Erzieherinnen, Lehrkräfte,Übungsleiter und Eltern die grundsätz-liche Bedeutung der Psychomotorik fürdie kindliche Persönlichkeitsentwick-lung erkennen (Kapitel 4),

• dass die aktuelle Entwicklung der Be-wegungserziehung/Psychomotorik inKindergarten, Grundschule und Vereinals Anlass zur Veränderung zur Kennt-nis genommen wird (Kapitel 5),

• dass die Wichtigkeit, Bedeutung unddie Praxis des Spielens und des Spielsaus psychomotorischer Sicht verdeut-licht wird (Kapitel 6),

• dass pädagogische Fachkräfte,Übungsleiter und Eltern einen grobenÜberblick möglicher Bewegungs- undWahrnehmungsbeeinträchtigungen/-störungen vermittelt bekommen(Kapitel 7),

• dass pädagogische Fachkräfte,Übungsleiter und Eltern für den Um-gang mit förderdiagnostischen Frage-stellungen Hinweise erhalten(Kapitel 8),

• dass pädagogsche Fachkräfte,Übungsleiter und Eltern Grundinfor-mationen hinsichtlich bauplanerischerÜberlegungen, die von kurz- bis zulangfristigen Maßnahmen führenkönnen, erhalten (Kapitel 9),

• dass pädagogische Fachkräfte,Übungsleiter und Eltern den Muthaben, psychomotorische Gruppen inder eigenen Einrichtung oder in Turn-und Sportvereinen ins Leben zu rufen.Dazu sind Tips, Ratschläge und Anre-gungen aufgeführt (Kapitel 10).

Eigene Erfahrungen aus einer nunmehr10-Jährigen psychomotorischen Praxis mitKindergarten- und Grundschulkindernbelegen, dass sich diese Kinder, sofernwir als Erwachsene ihnen die Chance zumSammeln vielfältiger Körper-, Material-und Sozialerfahrungen einräumen, zuhandlungsfähigen, selbstbewussten und

selbstsicheren Menschen entwickeln

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können. Es genügt nicht, nur die äußerenSicherheitsregeln und -bestimmungen(DIN-Anleitungen, Sicherheit von Gerätenetc.) zu berücksichtigen: Die Kinder müs-sen vielmehr so gestärkt werden, dasssie sich mit aufrechtem Gang, innerer undäußerer Haltung, physisch und psychisch,das heißt sicher in ihrer Welt bewegenkönnen.

Sicherheit, Bewegung und Wahrnehmungsind somit als verhaltensstabilisierendeund verhaltensfördernde menschlicheBedürfnisse einzustufen. Je mehr Kinderihre Umwelt wahrnehmen, je mehr siesich in dieser Umwelt bewegen könnenund dürfen, um so größer wird sich dasZutrauen in die eigenen Fähigkeiten unddas Selbstbewusstsein im sozialen Kon-text entwickeln können. Sicherheit istnicht länger nur eine Frage zu schaffen-der Rahmenbedingungen, sondern zieltauf die Entwicklung eines individuell-sicheren Verhaltens in allen Alltags- undLebenssituationen ab. Psychomotorikkann hier ein wichtiger Wegweiser sein.Es liegt an uns als Erwachsene, dies zuerkennen und den Kindern zu ermög-lichen.

Zurückliegende wie gegenwärtige Erfah-rungen belegen aber auch, dass psycho-motorischen Angeboten, Denk- und Hand-lungsweisen im vorschulischen wie schu-lischen Kontext immer noch viel zu wenigPlatz eingeräumt wird. Dies ist um soverwunderlicher als seit Jahren Kranken-kassen und Verbände auf das Problemder stetig wachsenden Zahl bewegungs-,wahrnehmungs-, sprach-, verhaltens- so-wie koordinationsbeeinträchtigter oder-gestörter Kinder und Jugendliche auf-merksam machen, ohne dass sich hin-

sichtlich effektiver Maßnahmen etwasGrundsätzliches ändert. Die UnfallkasseHessen hat als eine der ersten Institutio-nen die Zeichen der Zeit erkannt und bie-tet seit Jahren regelmäßige Fortbildungenzum Thema Bewegungserziehung/Psy-chomotorik an. Bedingt durch die Initia-tiven Einzelner wurden in den letzten Jah-ren Psychomotorikvereine (vor allem ingrößeren Städten) gegründet. Ein flächen-deckendes Angebot psychomotorischerErziehung und Förderung ist jedoch beiweitem noch nicht in Sicht. Hier sind Trägervereine der Kindergärten, Schul-aufsichtsbehörden und Landessport-bünde gemeinsam gefragt. Die HessischeSportjugend versucht, durch eine jüngstins Leben gerufene Aktion, neue flächen-deckende Wege und Konzepte zu be-schreiten.

Darüber hinaus gilt es, weitere Konzeptezu erarbeiten, in denen das gemeinsameBestreben aller Beteiligten (vor allemauch unter Einbezug von Eltern undFamilien) wirksam wird. Aus-, Fort- undWeiterbildungsmaßnahmen (z.B. proEinrichtung ein/eine als Multiplikator fun-gierender/e Fachmann/Fachfrau fürPsychomotorik) müssen hier eine erhebli-che Aufgewichtung erfahren. Wie gelun-gene Beispiele aus der Praxis immer wie-der zeigen, kann die wichtige Frage nachden sächlichen und räumlichen Rahmen-bedingungen durchaus kostengünstig,manchmal auch kostenneutral (z.B. durch"Sponsoring") geklärt werden. Wichtigund unerlässlich ist es, dass wir als Er-wachsene ein stärkeres Bewusstsein fürdie psychomotorische Entwicklung derKinder gewinnen und die praktischeUmsetzung, die mit Sicherheit Einsatzund Energie erfordert, nicht scheuen.

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E i n l e i t u n g

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1.1 Kindsein heute

Erziehung gestaltet sich heute schwieri-ger denn je. Die Belastbarkeit von Erwach-senen und Kindern wird zunehmend ge-ringer. Es fällt Kindern schwer zu warten,zu verzichten oder zu geben. Rücksichts-losigkeit, Isolation, innere Unruhe, Ano-nymität und Orientierungslosigkeit sindAusdruck vielfältiger Verunsicherungen,die sich in der Familie (steigende Schei-dungsraten; vaterlose Erziehung; alleinErziehende; Kleinstfamilien), im beruf-lichen Leben (Arbeitslosigkeit) und imzwischenmenschlichen Bereich (Gefühlfür Gemeinschaft; Verständnis für denanderen) zeigen. Hinsichtlich der Erzie-hung unserer Kinder müssen wir uns dieFrage gefallen lassen, ob wir ihnen tat-sächlich noch die Zeit und damit dasVertrauen und die Sicherheit vermitteln,die sie für eine gesunde Entwicklung inunserer Gesellschaft brauchen.

In zunehmendem Maße sind wir um diemangelnde Eigeninitative von Kindernbesorgt. Viele ziehen es vor, nachzuah-men und zu reproduzieren anstatt selbstzu erfinden und eigene Ideen zu realisie-ren. Darüber sollten wir jedoch nicht ver-wundert sein: Seit ihrer frühesten Kind-heit wird ihnen die Eigeninitiative vonKindern regelrecht unterdrückt, wird dieLust am Ausprobieren eigener Aktivitätenund Möglichkeiten genommen. So machenKontrollmethoden einen erheblichen Teildes täglichen Lebens aus.

Viele Bewegungen und Aktivitäten wer-den nicht beachtet. So ist das kindlicheVerhalten weniger geprägt von selbst-ständigen Verhaltensweisen und Fähig-keiten, sondern liefert Antworten aufTätigkeiten oder Worte der Erwachsenen.Mit anderen Worten: Das Kind wird inimmer stärkerem Maße in eine passiveRolle, in eine Konsumentenhaltunggedrängt. Tagtäglich ist es einem Umfeldmit vielfältigen Einflüssen, Eindrücken,Prägungen und Normen ausgesetzt,muss eine wahre Informationsflut übersich ergehen lassen und wird so vorunlösbare Bewältigungsmöglichkeitengestellt.

Die kritiklose Verwendung vieler Medien(Video, Fernsehen, Gameboy, PC etc.)begünstigt einen Entfremdungsprozess,in dem autonome, selbstbewusste,selbstsichere und verantwortungsbewus-ste Menschen nicht gefragt sind. Soscheint letztlich alles machbar und alleStörungen des Lebens leicht behebbar.

1.2 Kinder müssen sich bewegen dürfen

Sich seiner sicher werden, sich seinersicher sein oder Sicherheit entwickelnwird nach dem hier vorliegenden Ver-ständnis im wesentlichen von unseren

Fähigkeiten der Auseinandersetzung mitanderen Menschen und den sachlichenBegebenheiten unserer Umwelt sowie derFähigkeit, soziale und emotionale Bezie-hungen einzugehen, bestimmt.

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I Sicherheit und Bewegung – Aspekte einer

kindgerechten Erziehung

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• Welche Konsequenzen hat dies für dasHandeln der Erwachsenen? Wie könnenwir eine derart verstandene Sicherheitvermitteln?• Was ist zu tun, damit wir die natürli-chen und emotionalen Grundlagen einerkindgerechten Entwicklung nicht gänzlichzerstören?• Sind wir uns eigentlich im Klaren, dass,je mehr wir den kindlichen Lebensraumbeschneiden, je mehr wir Aktivitäten undBewegung nur noch an genormtenGeräten, in genormten Räumen mitgenormten Verhaltensweisen zulassen,wir die Kinder ihrer, für die gesamteEntwicklung notwendige Bewegungsweltberauben und sie in ihrem Verhalten undin ihrem Bedürfnis nach Orientierungeher verunsichern als die notwendigeSicherheit vermitteln?

• Wenn sich Kinder nicht mehr so bewe-gen können wie dies für eine gesundeEntwicklung notwendig ist, bleibt ihnenvieles verschlossen und wir dürfen unsnicht wundern, wenn sich diese Kinderauch uns gegenüber zunehmendverschließen.

Kinder erleben und erfahren sich und ihreUmwelt auf diese Weise. Wenn Kinderndie Freiräume, in denen sie sich bewegenkönnen, erhalten und (wieder) ermöglichtwerden, werden sich diese Kinder mitSicherheit sicherer entwickeln.

Die motorischen und sensorischen Fähig-keiten von Kindern gelten häufig alsBereiche, die sich – im Gegensatz zurKognition – scheinbar "von selbst" ent-wickeln und somit in pädagogischen

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K a p i t e l I

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Einrichtungen nicht gezielt gefördert wer-den müssen. Dabei wird übersehen, dassheute viele Kinder in einer Umgebungaufwachsen, in der die normaleBewegungsentwicklung stark einge-schränkt ist: WohnungsnaheBewegungsräume, die von den Kindernspontan und ohne Begleitung genutztwerden können, stehen dort nicht zurVerfügung. So kann in Höfen undHausfluren meist nicht gespielt werdenund der Weg zum nächsten Spielplatz istdurch den Straßenverkehr so gefährlich,dass die Kinder den Platz nur inBegleitung Erwachsener oder ältererGeschwister aufsuchen dürfen. Weiterhinwachsen viele Kinder ohne Gleichaltrige

in der Nachbarschaft auf, die man für diemeisten Bewegungsaktivitäten bräuchte.Das Angebot an bewegungsarmenSpielen sowie Medien nimmt imGegenzug permanent zu und wird vonden Kindern auch genutzt: So sind tägli-che Fernseh- und Videozeiten von mehre-ren Stunden bereits bei Vorschulkindernkeine Seltenheit. Es verwundert dahernicht, dass die Zeiten, in denen sichKinder täglich bewegen, seit Jahrenzurückgehen. Bewegte sich ein normalesGrundschulkind vor 20 Jahren noch rund35 Stunden in der Woche, so hat sichheute die wöchentliche Bewegungszeitetwa halbiert.

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S i c h e r h e i t u n d B e w e g u n g – A s p e k t e e i n e r k i n d g e r e c h t e n E r z i e h u n g

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Die Welt der Kinder ist eine Welt desSpiels und der Bewegung. Kinder müssensich bewegen können, um sich in unsererWelt zurechtzufinden und sicher zu füh-len. Nur eine Welt, die Kindern dieseBewegungsmöglichkeiten zugesteht undrealisiert, ist eine kindgerechte Welt.

2.1 Zur Bedeutung und Situation der

Bewegungsentwicklung

Bereits im Mutterleib entwickelt das KindBewegungsfähigkeiten, die es über dieGeburt hinaus immer mehr ausbaut. Sosind die ersten Lebensjahre für die ge-samte kindliche Entwicklung von aus-schlaggebender Bedeutung. Kinder wer-den größer und selbstständiger, lernentäglich dazu, machen Fortschritte bezüg-lich ihrer Körpergröße, der Kontrolle ihrerBewegungen und Wahrnehmungen. Siegehen, laufen, rennen, hüpfen, springen,klettern, balancieren, schaukeln und vie-les andere mehr. Ihre Kraft, Schnelligkeit,Ausdauer, Koordinations- und Orientie-rungsfähigkeit bildet sich qualitativ undquantitativ immer stärker aus.

Je optimaler äußere, umweltbedingte Vor-aussetzungen gegeben sind und gestaltetwerden, umso besser wird sich das Kindentwickeln. Oftmals ist es aber geradediese Umwelt und die Erwachsenen als(übermächtige) Repräsentanten dieserUmwelt, die kindliche Entwicklungen eherbremsen oder gar verhindern. Zivilisa-tionsbedingte Veränderungen der Lebens-

gewohnheiten haben Folgen: Kinder wei-sen heute mehr körperliche Auffälligkei-ten auf als noch vor 20 Jahren. So wurdenin Einschulungsuntersuchungen bei ca.60% der Kinder Haltungsprobleme, beietwa 30% Übergewicht und bei rund40% Schwächen im Bereich der koordi-nativen Fähigkeiten festgestellt. Paralleldazu verschlechterten sich auch diekörperlichen Fähigkeiten: Eine 1992durchgeführte Untersuchung an Frank-furter Grundschulen stellte alarmierendeRückgänge der Fähigkeiten Ausdauer undKörperkoordination fest. Diese hängeneindeutig mit der mangelnden Möglich-keit zu motorischen Handlungen zusam-men. In einer weiteren Untersuchungzeigte sich, dass z.B. alle Erstklässler ausländlichen Gebieten (die gefahrloser undsomit häufig mit dem Fahrrad fahren kön-nen) das einhändige Fahren mit gleich-zeitigem Zeichengeben (mit der anderenHand) beherrschten; in Städten warenhier nur 25% der Kinder dazu in der Lage.

Die beschriebenen Probleme stellen zumeinen die langfristige Sicherung der Ge-sundheit in Frage: Herz-Kreislauf-Erkran-kungen sowie Wirbelsäulenbeschwerdenhängen deutlich mit einem Mangel anBewegung zusammen. Zum anderen wirdaber auch die normale körperliche Ent-wicklung beeinträchtigt: Eine Verbesse-rung motorischer Fähigkeiten kann nurdurch die Belastung des entsprechendenBereichs erfolgen. So verbessert sichetwa Kraft nur durch die Belastung der

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II Bewegung als Fundament der kindlichen Entwicklung

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Muskulatur, Ausdauer durch eine Belas-tung des Herz-Kreislauf-Apparates. DieÜbungsabhängigkeit gilt insbesonderefür die koordinativen Fähigkeiten Körper-koordination und Gleichgewicht. Letzte-res stellt einen komplexen Regelkreis dar,in dem neben dem eigentlichen Gleich-gewichtsorgan (Vestibularorgan im Innen-ohr) auch der Körpersinn und die visuelleWahrnehmung eine Rolle spielen undmiteinander koordiniert werden müssen.Situationen, in denen der Körper ausseiner stabilen Lage in eine labile gerätund zu stürzen droht, müssen sehr schnellerkannt und durch Ausgleichsbewegun-gen korrigiert werden.

Die mangelnde Ausbildung vieler körper-licher Fähigkeiten belastet nicht nur dieGesundheit, sie fördert auch das Risiko,einen Unfall zu erleiden: Viele Zusam-menstöße sind zurückzuführen auf gerin-ge Reaktionsfähigkeit und die Unfähig-keit, seine eigene Bewegung mit Anderenabzustimmen. Bei Stürzen fangen sichKinder oft auf Grund zu geringer Kraft,Reaktionsfähigkeit und Körperkoordina-tion nicht mit den Händen ab, sondernprallen mit dem Kopf auf. Insbesondereim Straßenverkehr spielen auch eineschwache Auge-Körper-Koordination undeine schlechte akustische Orientierungbei der Entstehung von Unfällen eineRolle.

In einer Untersuchung in Frankfurter Kin-dergärten konnte hier nachgewiesenwerden, dass ein zusätzlich angeleitetesBewegungsangebot in den Einrichtungen(und die damit verbundene Verbesserungder motorischen Kompetenz) das Unfall-risiko nicht erhöht, sondern deutlichsenkt.

Das gewichtigste Argument für eine früheBewegungsförderung stellen aber sicherdie zahlreichen positiven Wechselwirkun-gen zwischen der motorischen bzw. sen-sorischen Entwicklung und den Bereichender Kognition, des Sozialverhaltens unddes Selbstwertgefühls dar.

Einen direkten Zusammenhang zwischenMotorik und Intelligenz gibt es bei sehrjungen Kindern (sensumotorische Phase),bei denen laut Piaget diese psychischenBereiche noch nicht getrennt sind. Dasprachliche und schriftliche Informatio-nen noch nicht zur Verfügung stehen,erfolgt jegliche Erkenntnis durch Hand-lung (=Bewegung). Ein Verständnis vonEntfernung kann z.B. nur dann gewonnenwerden, wenn Strecken unterschiedlicherLängen vom Kind selbst zurückgelegtwerden. Gleiches gilt analog für den Er-werb des Verständnisses von Geschwin-digkeit. Auch die Erkenntnis, dass Ober-flächen unterschiedlich beschaffen seinkönnen (rauh, glatt, weich), ist nur durcheigenes Betasten möglich: „Greifen“und „Begreifen“ hängen eben nicht nursprachlich zusammen. Auch das Ent-wickeln des für das Rechnen unverzicht-baren (abstrakten) Zahlbegriffes ist nurdurch das Hantieren mit unterschied-lichen (konkreten) Mengen möglich. Zu-dem ermöglichen motorische Fähigkeitendem Kind, sich in Situationen zu bege-ben, die zu einer Förderung der kogniti-ven Fähigkeiten beitragen. Ein Kind, dasklettern kann, erlebt z.B. seine Umge-bung aus einer anderen Sicht als einKind, das nicht über diese Fähigkeit ver-fügt. Obgleich der Zusammenhang zwi-schen Kognition und Motorik mit zuneh-mendem Alter schwächer wird, ist er imKindergartenalter noch deutlich vorhan-

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B e w e g u n g a l s F u n d a m e n t d e r k i n d l i c h e n E n t w i c k l u n g

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den und oft sichtbar. In wissenschaftli-chen Untersuchungen wurde mehrfachbelegt, dass Kinder, die an einem reinenBewegungsförderungsprogramm teilnah-men, auch in Intelligenztests besser ab-schnitten als solche ohne motorischeFörderung.

Zwischen der Motorik und der Ausbildungsozialer Fähigkeiten bestehen ebenfallsWechselwirkungen. So existiert zwischender Stellung in der Gruppe und denmotorischen Möglichkeiten der Kindereine indirekte Beziehung: Kinder mit einerschwachen Motorik nehmen innerhalbvon Kindergruppen häufig Außenseiter-positionen ein, da sie an vielen Gruppen-aktivitäten nicht teilnehmen können bzw.ihre Mannschaft in Wettbewerbssituatio-nen um den Sieg bringen. Hier ist zu be-denken, dass die Motorik gerade im Kin-dergarten- und frühen Schulalter einenwichtigen Bereich darstellt, in dem sichKinder mit anderen vergleichen. Kinder,die hier (z.B. beim Wettlaufen oder Rin-gen) permanent anderen Kindern unter-liegen, erleben zusätzliche Kränkungenihres ohnehin schwachen Selbstwert-gefühles. Sie werden diese Bereiche,

die ihnen dauerhaft Misserfolg bringen,mittel- und langfristig eher meiden undsomit von späteren Bewegungsangebo-ten weniger profitieren.

Weiterhin sind motorisch geschickte Kin-der in der Regel weniger ängstlich sowieselbstständiger und selbstbewusster alsmotorisch schwache. Motorisch geschick-tere Kinder trauen sich vielfältige (auchunbekannte und neue) Bewegungen zuauszuprobieren und verbessern dadurchihre motorischen und sensorischen Fähig-keiten. Motorisch schwächere Kindermeiden hingegen Bewegungsaktivitäten,wodurch sich im Laufe der Zeit der Unter-schied zwischen den Fähigkeiten derGruppen noch weiter vergrößert.

Von motorischer Förderung profitierenaber nicht nur die Kinder selbst, sondernauch die sie begleitenden PädagogInnen:Zahlreiche Untersuchungen belegen auchhier, dass durch Bewegungsförderung inder Gruppe die Kommunikations- undKooperationsfähigkeit sowie die Konzen-trationsfähigkeit steigt. Diese Fähigkei-ten sind wichtig zur Erreichung weiterrei-chender pädagogischer Ziele.

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Um sich in seiner Umwelt zurechtfindenzu können, benötigt ein Kind neben denentsprechenden personellen, sachlichenund räumlichen Rahmenbedingungenauch funktionsfähige Sinne.

Ein Kind muss sehen, hören, riechen,tasten, schmecken, seinen Körper viel-fältig erfahren und im Gleichgewichtbefindlich erleben können. Nur so kannes sich ein immer umfassenderes Bildvon seiner Umgebung machen. Sinnes-fähigkeiten können sich nur in der stän-digen Auseinandersetzung, im Erprobenund Erkunden mit den Gegebenheitender Umwelt entwickeln. Kinder brauchenin ihren frühen Entwicklungsphasen Anre-gungen und Reize vielfältiger Art. In denersten sechs Lebensjahren, aber auch inden ersten Grundschuljahren lernen sieinsbesondere über das motorische undsensorische System besonders effektivund schnell.

Erst durch aufmerksames Spielen erfährtein Kind wie „das Auge sieht, das Ohrhört, die Nase riecht, die Haut fühlt, dieFinger tasten, der Fuß versteht, die Handbegreift, das Gehirn denkt, das Blut pulst,der Körper schwingt“ (Kükelhaus).

Wahrnehmen schließt immer sensori-sche, motorische, soziale, emotionaleund kognitive Prozesse mit ein und wirdsomit zu einer Grundfunktionn kindlichenLernens. Ohne die Fähigkeiten der Wahr-nehmung wird sich ein Kind nicht entwi-

ckeln können und seine Bewegungsmög-lichkeiten werden verkümmern. Dies be-deutet, dass sich kindliche Bewegungs-möglichkeiten nur dann entwickeln kön-nen, wenn das Kind auf die Reize einerUmgebung aufmerksam wird, sie entspre-chend der bisher gemachten Erfahrungeneinordnen und vergleichen kann, ihnenalso eine Bedeutung verleiht und sich soauf diese konzentrieren kann.

Der Begriff „Wahrnehmung“ wird oftmissverständlich nur auf das Sehen und/oder Hören bezogen. Wir nehmen unsereUmwelt und die Empfindungen überunseren Körper jedoch über viel mehrSinnessysteme wahr.

Es werden 7 Sinne unterschieden:

• Haut- oder Tastsinn• Stellungs- oder

Bewegungssinn/Tiefensensibilität• Gleichgewichtssinn• Geruchssinn• Geschmackssinn• Gehörsinn• Gesichtssinn

In der Entwicklung der menschlichenWahrnehmung spielen der Tastsinn, dieTiefensensibilität und der Gleichge-wichtssinn eine zentrale und elementareRolle. Sie sind die Grundlage für alle wei-teren Wahrnehmungsprozesse. Je besserdiese Basissinne ausgebildet sind undmiteinander kooperieren, um so unkom-

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III Wahrnehmung als Baustein der kindlichen

Entwicklung

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plizierter verläuft auch die Entwicklungeines Kindes. Eine gute Integration dieserSinne wirkt sich also fördernd auf diegesamte Entwicklung des Kindes aus.

3.1 Fühlen – Taktile Wahrnehmung

Unsere Haut ist bereits von Geburt an dasgrößte, schwerste und wichtigste Sinnes-organ. Da sich das Nervensystem und dieHaut aus der gleichen Gewebeschichtbestehen, spielen Berührungsreize eineSchlüsselrolle in der Organisation desGehirns. Körperliche Berührungen wieBerührungserfahrungen, Zärtlichkeiten,Hautkontakte, Geborgensein, Gehalten-werden, das Urvertrauen entwickeln, sinddie Basis für alle Schritte in die Welt.Dabei sind zweierlei Reize zu unterschei-den: Bei Reizen, die durch die Kleidungoder warmes Wasser entstehen, erhältdas Gehirn keine direkten Informationen,von welcher Stelle auf der Haut dieserBerührungsreiz stammt. Tastreize ausdem Mund-, Hand- und Fingerbereichsind jedoch äußerst sensibel und werdenzu den höchsten Gehirnregionen weiter-geleitet und dort entsprechend verarbei-tet und in Bewegungsreaktionen umge-setzt.Ohne Haut kann niemand leben!

3.2 Der Gleichgewichtssinn

Das Gleichgewichtssystem arbeitet mitallen anderen Sinnessystemen zusam-men. Das Gleichgewichtsorgan befindetsich in den Bogengängen des Innenohrs.Bei jeder Bewegung verändert sich derFlüssigkeitsstand in den Bogengängen,wodurch winzige Härchen im Innenohrberührt werden. Rezeptoren leiten dieInformationen an das Gehirn weiter und

ermöglichen dadurch Anpassungsreaktio-nen an alle Gleichgewichtsveränderungen.Sämtliche Bewegungsformen (Gehen,Laufen, Hüpfen, Springen, Schaukeln etc.)reizen diese Gleichgewichtsrezeptoren.Ohne Gleichgewichtssinn ist keine

Bewegung möglich!

3.3 Der Bewegungssinn

Dieser Sinn hat vielerlei Namen und wirdauch Spannungssinn, Tiefensensibilität,Eigenwahrnehmung, kinästhetischeWahrnehmung oder Propriozeption ge-nannt. Er ist bereits im Mutterleib funk-tionsfähig und vermittelt dem Gehirn überdie Rezeptoren im Gewebe, in den Mus-keln, Sehnen, Bändern und Knochen injedem Augenblick der Bewegung die Stel-lung der Körperteile zueinander. Ohnediese Eigenwahrnehmung wären alleBewegungen langsamer, ungeschickter,anstrengender oder eingeschränkt.In Zusammenarbeit vor allem mit demoptischen Sinn verhilft uns der Bewe-gungssinn zu Anpassungen an die jewei-lige Umwelt.Ohne Bewegungssinn keine Körper-

orientierung!

3.4 Der Geruchssinn

Wenn wir von Wahrnehmungsförderungsprechen, vergessen wir oft Angeboteauch im Bereich unseres Geruchsorganszu machen. Offensichtlich ist uns nichtmehr bewusst, welche Funktion undQualität der Geruchssinn für unser Wohl-befinden und damit auch für unsereEntwicklung hat. Gelegentlich taucht dieBedeutung in Redewendungen wiederauf („Stunk machen“/„ich kann dichnicht mehr riechen“/„von einer Sache

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Wind bekommen“). Gerüche, die wir infrühen Jahren erfahren haben, könnensich erst Jahrzehnte später wieder aktu-alisieren.Ohne Geruchssinn würden wir viele

Genüsse im Leben vermissen!

3.5 Der Geschmackssinn

Auch dieser Sinnesfunktion wird im All-gemeinen weniger Aufmerksamkeit ge-schenkt. Uns allen sind jedoch Schlecke-reien in der Küche und zu bestimmtenJahreszeiten sehr wohl bekannt und inangenehmer Erinnerung. Bei Kindernspielen „Mundgefühle“ von Geburt aneine große Rolle. Sie können nebenWärme, Kälte, Feuchte, Trockenheit,Härtegrad, Schlüpfrigkeit, Öligkeit auch

Schärfegrade von Speisen fühlen bzw.schmecken. Auch hier zeugen Redewen-dungen („erbittert sein“/„süß-sauresLächeln“/„in den sauren Apfel beißen“)von der elementaren Sinnhaftigkeitdieses Sinnes.Ohne Geschmackssinn kommen wir nicht

auf den Geschmack!

3.6 Der optische Sinn

Der Sehsinn hat in unserer hochtechni-sierten Welt offensichtlich die Führungs-rolle eingenommen. Ständig werden wirvon optischen Reizen aus Werbung, Fern-sehen und Umwelt geradezu bombar-diert. Dabei ist uns nicht bewusst, dassder Sehsinn von allen Sinnessystemenbei der Geburt der am wenigsten ausge-

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W a h r n e h m u n g a l s B a u s t e i n d e r k i n d l i c h e n E n t w i c k l u n g

Sinnesorgan Sinnestätigkeit Wahrnehmungsleistung Begriff

Augen Gesichtssinn Sehen optische oder• hell/dunkel visuelle• Farben und Formen Wahrnehmung

Ohren Hörsinn Hören akustischeWahrnehmung

Haut Hautsinn Berührung taktileDruck WahrnehmungSchmerzTemperaturOberflächenstrukturen

Mund Geschmackssinn süß/sauer gustatorischeGaumen bitter/salzig Wahrnehmung

Nase Geruchssinn angenehm/unangenehm olfaktorischebekannt/unbekannt Wahrnehmung

Innenohr Gleichgewichtssinn Lage des Körpers im Raum vestibuläreLagesinn Wahrnehmung

Bänder, Sehnen, Tiefensensibilität Lage und Stellung der kinästhetische oderMuskeln, Gelenke Gliedmaßen zueinander propriozeptive

Wahrnehmung

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bildete ist, im Laufe der ersten Wochenund Monate aber eine rasante Entwick-lung durchläuft.Ohne genügend Anreize zum optischen

Wahrnehmen verkümmert der Sehsinn!

3.7 Der akustische Sinn

Bereits im Mutterleib kann das unge-borene Kind Töne und Geräusche unter-scheiden und darauf reagieren. Eineungestörte Hörfähigkeit ist die Voraus-setzung zum Sprechenlernen und geradein unserer stets Lärm produzierendenUmwelt (ständige Musikberieselung,Verkehrslärm, Lärm in Kindergruppen)nicht selbstverständlich. Damit sich dasHören in der frühen Kindheit adäquatentwickeln kann, muss das Kind eine Viel-falt von lauten/leisen Geräuschen, Wor-ten, Klängen, Rhythmen erfahren.Ohne Hörsinn ist das Leben langweilig!

Analog zur Bedeutung der Bewegung fürdie kindliche Entwicklung ist auch dieEntwicklung der Wahrnehmung als ganz-heitlicher Prozess zu verstehen. Auch hiersind die permanenten Wechselwirkungenzwischen der eigentlichen Sinnesleis-tung, den momentanen emotionalen Be-findlichkeiten, der sozialen Umgebung(Personen und Räume), der Motivationund der Aufmerksamkeitsspanne zu be-rücksichtigen. Insofern ist Wahrnehmung

auch ein stets individueller und selekti-ver Prozess.

Jean Ayres hat in ihrem Buch „Bausteineder kindlichen Entwicklung“ sehr an-schaulich und verständlich dargelegt,dass die taktile, vestibuläre und proprio-zeptive Wahrnehmung die grundlegendenmenschlichen Wahrnehmungsleistungensind, auf deren Basis alle anderen Sinnes-und Wahrnehmungsleistungen sich erstentwickeln können. Leider sind dieseZusammenhänge und die sich daraus fürdie Entwicklungsförderung von Kindernabzuleitenden Maßnahmen noch sehrwenig bekannt. Viele gutgemeinteFörderansätze sind deshalb unwirksamund bringen Kinder in deren Entwicklungnur kurzfristig, aber nicht dauerhaftvoran. Zudem werden Kinder bereits infrühem Lebensalter zu sehr auf audiovi-suelle Wahrnehmungsleistungen fixiert.Hören und Sehen stehen so sehr imVordergrund, dass es notwendig und reiz-voll ist, andere Sinne verstärkt zu aktivie-ren. Wenn der andere nicht nur sehendoder hörend, sondern auch fühlend oderriechend erkannt wird, entstehen neue,vielgerichtete und (ent-) spannendeWahrnehmungen. Diese schaffen geradebei entwicklungsverzögerten Kindern dieVoraussetzungen, um die sozial-emotio-nale und kognitive Entwicklung zu för-dern.

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Individualität, Einmaligkeit und Einzig-artigkeit sind Begriffe, mit denen dieFähigkeiten und Fertigkeiten eines jedenMenschen beschrieben werden können.Wenn wir in dieser Broschüre von „MehrSicherheit durch Bewegung“ sprechen,dann müssen wir stets das Individuelledes einzelnen Menschen in den Blick-punkt unserer Überlegungen stellen.Diesen Menschen können und dürfen wir

nicht in einen motorischen, sozialen,emotionalen, kognitiven, sprachlichenoder senso-motorischen Menschen auf-teilen, sondern müssen ihn in seinerganzheitlichen Erscheinungs- und Hand-lungsweise verstehen.

Das unten stehende Schaubild soll dieseGanzheitlichkeit des Menschen verdeut-lichen. Hier werden auf der Basis von

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IV Psychomotorik – Persönlichkeitsentwicklung

über Bewegung und Wahrnehmung

Individuell

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an

dlungsfähigkeiten des

Men

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Ra

um

undZeit

FÜHLEN und

ERLEBEN

BEWEGEN

WAHRNEHMEN

LERNEN und

DENKEN

„ICH und meine

MATERIALE UMWELT“

ICH und MEIN

KÖRPER

„ICH und ANDERE”

SOZIALES ERLEBEN

MEINE

SPRACHEPSYCHOMOTORIK

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„Bewegung und Wahrnehmung“ alle Per-sönlichkeits- und Verhaltensanteile desMenschen theoretisch zwar als „eigene“Bereiche gesehen, die in der Realitätjedoch stets untereinander und mitein-ander zu einem „großen Ganzen“ verbun-den sind.

Zwei einfache Beispiele sollen dies ver-deutlichen:

Unsere Bewegungsaktivitäten habenimmer etwas mit dem „Sozialen Erleben“einer Gruppe/der Mitspieler, mit unserenEinstellungen/Gefühlen zu Anderen, mitder Wahrnehmung der Anderen, mit deraktuellen Situation, in der ich Anderenbegegne, mit der Intensität, mit der ichmich mit Anderen verständige, zu tun.Meine sprachlichen Aktivitäten habenimmer etwas mit meiner Wahrnehmungs-fähigkeit, meinen fein- und grobmotori-schen Bewegungen (Sprache ist diehöchst komplizierteste und umfassend-ste feinmotorische Handlung), meinerdirekten sozialen Umgebung, meiner Auf-merksamkeitsfähigkeit, meiner Selbst-sicherheit und damit mit meinem Gefühls-zustand zu tun (vgl. Kapitel 2.1).

Eigene langjährige Erfahrungen in derpädagogischen Arbeit mit behinderten/nichtbehinderten Kindern, schulischen,vor- und außerschulischen Gruppen,bestärken mich in der Annahme, dass diePsychomotorik als der Ansatz zu begrei-fen ist, der über vielfältige Bewegungs-und Wahrnehmungsförderung den gan-zen Menschen mit all seinen Fähigkeitenund Fertigkeiten erreichen will und kann.Dabei geht es in erster Linie um dieWeiterentwicklung der individuellen

Persönlichkeit.

Was bedeutet das nun im Detail?

• Welche weiteren Ziele verfolgt diePsychomotorik?

• Welche inhaltlichen Möglichkeiteneröffnet die Psychomotorik?

• Welche didaktisch-methodische Frage-stellungen wirft die Psychomotorikauf?

• Welche pädagogische Haltung, welchesMenschenbild steckt in bzw. hinter derPsychomotorik?

4.1 Intentionen der Psychomotorik

Psychomotorik meint mehr als in denbeiden Wortstämmen Psyche/Gefühl undMotorik/Bewegung zunächst zum Aus-druck kommt. Sie versteht sich als ein ander Persönlichkeit des Menschen orien-tierter Prozess, in welchem die Anteiledes Sich-Bewegens und Bewegt-Werdens,des Wahrnehmens, des Fühlens, desDenkens, des aktiven Tuns, des Sprechensund Denkens in sozialen Bezügen aufdas Engste miteinander verflochten sind.Wie die Entwicklung der Psychomotorikder letzten 20 Jahre in der BRD jedochzeigt, besteht hinsichlich eines klarenund einheitlichen Verständnisses vonPsychomotorik keine Übereinstimmung.

Hinsichtlich der hier diskutierten Thema-tik lässt sich festhalten, dass die kon-kreten, beobachtbaren Tätigkeiten undAktivitäten der Kinder den Ausgangs-punkt dieses Lernprozesses bilden. Dieaktive Auseinandersetzung und der han-delnde Umgang mit seinem Körper, mitsich selbst, mit Personen und Materialiender Umgebung schafft Erfahrungs- undHandlungsspielräume. Die kindlicheWahrnehmung spielt hierbei eine zentrale

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Rolle. Das Kind entnimmt und erfährtüber seine Sinne Informationen aus derAußenwelt, strukturiert und integriertdiese in sein Tun. Durch diese tätige Aus-einandersetzung mit der Umwelt machtsich das Kind seine Welt zu eigen. Demhier vorgestellten Verständnis von Psy-chomotorik liegt also das Ziel der Verbes-serung der kindlichen Handlungsfähig-keit zugrunde. Dies beinhaltet eine Erzie-hung zur:

• weitestmöglichen Selbstständigkeit• Lebenstüchtigkeit• Hinführung zum eigenen Ich über den

Körper• Mitbestimmung im Sinne von

gemeinsamer Planung• Eigeninitiative• Spontaneität• Kreativität

Je mehr das Kind demnach in die Lageversetzt wird, sich spielerisch-bewegendmit sich selbst und seiner direkten Um-gebung auseinander zusetzen, dieseerlebnismäßig zu erfahren und zu erfas-sen, eigenständig experimentieren undausprobieren kann und individuelleLösungsmöglichkeiten entwickelt, umsoselbstständiger und aktiver wird es sichals Person entwickeln können.

Anregungsreiche, vielfältige Bewegungs-,Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Erfah-rungsmöglichkeiten begünstigen undsteuern die Ausbildung der Handlungs-fähigkeit. Bezogen auf entsprechende An-gebote in Kindergarten und Grundschulebedeutet dies, dass dem Kind breit ange-legte Bewegungs- und Wahrnehmungs-muster angeboten werden müssen, diees in immer wieder neuen Situationen

erproben und weiterentwickeln wird (vgl.Zimmer, 1987).

4.2 Mögliche Inhalte der Psychomotorik

Entsprechend dieser Zielvorstellung vonPsychomotorik können nun Inhalte undThemenstellungen entwickelt werden, dieeine Eigendynamik beinhalten, das heißtstets veränderbar und ergänzbar sind.Der Übersicht halber und zum besserenstrukturellen Verständnis werden imFolgenden vier Basisbereiche nähererläutert, wie sie in der Psychomotorikimmer wieder in gegenseitiger Verknüp-fung und Überlappung zu Tage treten:

• Körpererfahrungen

• Wahrnehmungserfahrungen

• Sozial-emotionale Erfahrungen

• Materialerfahrungen

4.2.1 Körpererfahrung

• Seinen Körper taktil, optisch, akustisch,im Gleichgewicht befindlich erleben.

• An- und Entspannung erleben.• Körperhaltungen erspüren und nach-

vollziehen.• Körperteile benennen und zeigen

können, Körperpositionen nachlegen.• Sich in Rollenspielen pantomimisch,

gestisch-mimisch ausdrücken können.• Grundmuster der Fortbewegung

kennenlernen.• Grundmuster der Handgeschicklichkeit

erfahren und erlernen.

4.2.2 Wahrnehmungserfahrung

• Sich intensiv auf isolierte Sinnesreize(optisch, akustisch, taktil, kinästhe-tisch etc.) konzentrieren können.

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• Motorisch schnell und situationsange-messen auf Reize reagieren können.

• Personen und Materialien vielfältigwahrnehmen können.

• Sich mit allen Sinnen am eigenenKörper und im Raum orientierenkönnen.

• Die natürliche Umgebung mit allenSinnen erleben und erfahren können.

4.2.3 Sozial-emotionale Erfahrung

• Sich selbst in seinen Gefühlen undAusdrucksmöglichkeiten kennenlernen(Spiele, Geschichten. etc.).

• Kontakte zu Gruppenmitgliedern knüp-fen, Beziehungen eingehen und auf-bauen können

• Auf andere Rücksicht nehmen, mit-fühlen können.

• Mit anderen spielen, Spiele entwickeln.

• Mit anderen kooperieren und kommu-nizieren können.

• Mit anderen wetteifern können.• Tänzerische Bewegungsformen.• Kreative Bewegungsformen.• Feste und Feiern.

4.2.4 Materialerfahrung

• Geräte und Materialien mit allenSinnen wahrnehmen und erfahrenkönnen.

• Kleingeräte experimentierend kennen-lernen.

• Großgeräte in neuen Situationszusam-menhängen kennenlernen. (Wie kön-nen Kinder Turngeräte, Turnbänke,Barren, Reck, Sprossenwand als attrak-tive Geräte erfahren?)

• Alltagsmaterialien und Gebrauchs-gegenstände als Anlass zu Bewegung

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und Wahrnehmung kennenlernen underfahren.

• Neue Geräte kennen lernen (Rollbrett,Pedalo, Trampolin, Therapiekreiseletc.).

• Natürliche Räume (Wald, Wiese, Sandetc.) und Naturmaterialien kennenlernen.

• Sich im Wasser orientieren lernen.• Bewegungslandschaften, Bewegungs-

baustellen errichten.

4.3 Methodische Fragestellungen

4.3.1 Zur Person der/des Erziehenden

Wenn hier die Rolle der pädagogischenFachkräfte im erzieherischen Prozessangesprochen wird, dann geht es nichtum konkrete, didaktisch-methodischeAnweisungen oder gar um eine Rezepto-logie. Wichtig erscheint die Frage, wiepädagogische Fachkräfte Förderangeboteund Entwicklungsreize für Kinder erleb-nisreich und motivations-fördernd initiie-ren können. Dabei wird die eigene Rolle,das eigene Verhalten zum Gegenstandpädagogischer Überlegungen und Refle-xionen. Wenn wir Kinder zu handlungs-fähigen Personen erziehen wollen, gilt esSituationen zu schaffen, die zur Entwick-lung von Selbstständigkeit, Eigenaktivi-tät und Neugierverhalten beitragen. Zustrenge und direktive Verhaltensweisen,zu fest strukturierte Bewegungseinhei-ten, die der individuellen Entwicklungkeinen bzw. zu wenig Raum lassen, soll-ten – so sinnvoll sie im Einzelfall auchsein mögen – vermieden werden.

Psychomotorisch-handelnde Menschen

verstehen sich als Weichensteller, die dieBedingungen und Voraussetzungen kind-

licher Entwicklung schaffen und derenVerhalten im Sinne eines Vorbildcharak-ters für das Kind sichtbar und transparentsind. Sie sind es, die die Grundlage fürkindliche Entwicklung bilden:

• durch Beispiel gebendes Verhalten (Einstellungen, Verhaltensgewohn-heiten, Beobachtungs- und Nachah-mungslernen);

• durch die Verbindung von Zuneigungund Festigkeit/Konsequenz;

• durch das Eintreten für den eigenenStandpunkt;

• durch Übertragen von Aufgaben an dasKind und Ermutigung zum Handeln;

• durch Respekt, Verständnis undAchtung der kindlichen Persönlichkeit;

• durch Rat und Tat;• durch das Gefühl der Zusammen-

gehörigkeit.

Pädagogische Fachkräfte müssen wissen,dass Kinder gerne in die Verantwortungfür ihr eigenes Tun genommen werdenwollen. Kinder müssen selbstständig Ent-scheidungen treffen dürfen. Sie spürenBefriedigung, die aus ihrer Anstrengungfür den Anderen entsteht und gewinnenVertrauen in das eigene Können.

Nur auf dieser Basis ist es möglich, Kin-dern das Gefühl des Angenommenseinsund der Selbstsicherheit zu vermitteln.Dementsprechend müssen Kinder dieMöglichkeit haben, sich entsprechendihres Bewegungsentwicklungsniveausselbstständig und aktiv zu betätigen undihnen dafür ausreichend Zeit zur Verfü-gung zu stellen. Dann werden sie auchnicht ungeschickt und ihre Bewegungenunsicher.

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• Wir müssen die Bedingungen schaffen, den Rest machen die Kinder (fast)alleine.

• Wir müssen uns die Zeit nehmen undKindern Zeit lassen. Schauen wir denKindern in ihren Bewegungen undTätigkeiten doch einmal aufmerksamzu.

• Beobachten wir doch einmal, mit wel-chen Bewegungsaktivitäten die Kinderihre Zeit verbringen, welche Bewe-gungsformen sie ausführen und welcheKörperhaltungen sie einnehmen, wielange sie sich darin/damit aufhalten,welche Bewegungskontakte sie ein-gehen!

• Unsere Aufgabe ist es, den Wert unddie Bedeutung dieser Bewegungen zuerkennen. Darauf aufbauend könnenwir motorische Fähigkeiten erst ent-wickeln und Fehlentwicklungen im

Bewegungs-, Wahrnehmungs- und Ver-haltensbereich fördernd entgegenwir-ken.

In dem Maße, in dem wir als Erwachsene

und Erziehende dem Kind Helfer werden,Ratschläge erteilen und Interesse an sei-nem Gesamtverhalten zeigen, Mitspieler

werden, Initiator und Beobachter sind,werden wir gleichsam zum „Motor“ derkindlichen Entwicklung. Dem Kind wird sodie eigene Auseinandersetzung mit Be-wegungssituationen, Personen und Gerä-ten ermöglicht. Gleichzeitig erfährt esaber auch Grenzen und wird an das Ein-halten von Regeln im zwischenmensch-lichen Bereich herangeführt.

Erzieherischen Möglichkeiten und Ein-flussnahmen sind immer Grenzen ge-setzt. Selbst dann, wenn die individuelle

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Kindheitsentwicklung „harmonisch“ ver-läuft, ist dies noch keine Gewähr für spä-teres Lebensglück.

Es erhöht allerdings die Wahrscheinlich-keit, auch unter schwierigen Zeit- undLebensumständen zu selbstsicheren undselbstbewussten Menschen heranzu-wachsen.

4.3.2 Zur Bedeutsamkeit der Motivation

„Wahrnehmen heißt Bewegen –

Bewegen heißt Wahrnehmen –

Bewegen heißt Tun –

Tun heißt Lernen –

Lernen heißt Bewegen“.

Je besser und vielfältiger sich Kinder alsobewegen können, je besser sie sich da-durch in ihrem persönlichen Umfeld zu-rechtfinden, desto motivierter und enga-gierter wird Lernen stattfinden.

Je mehr Kinder in vorhandenen Angebo-ten einen persönlichen Sinn entdeckenund eine individuelle Ansprache erfahren,umso eher werden sie diese Angebotefür sich entdecken und eine zunehmendaktive Rolle übernehmen.

Was und wie können wir Kinder also zu

mehr Bewegung motivieren?

• Das Kind muss an persönlich bedeut-samen Aufgaben lernen können(aktuelle, persönliche Begebenheiten;Phantasien; Geschichten und Erzählun-gen; Erlebnisse).

• Aktives Bewegen und handelndesLernen müssen möglichst viele Sinnemiteinbeziehen.

• Bewegen und Lernen muss ein eigenes

Arbeitstempo ermöglichen. Lasst denKindern Zeit, ihre Welt zu erkunden!

• Selbständiges Lernen muss möglichsein.

• Soziales Lernen mit- und voneinanderin verschieden großen Gruppen mussmöglich sein.

• Neugierde am Geschehen und an derSache wecken (lustige Geschichten,Erlebnisse, farbenfrohe Materialienetc.).

• Inhalte vermitteln, die an lebens-bedeutsame Erfahrungen erinnern,anknüpfen oder aber in absehbarerZeit bedeutungsvoll werden können(Ferien, Urlaub, Geburtstag etc.).

• Einen persönlichen Bezug überGespräche zum Thema fördern oderdurch Veränderungen von Geräten/Anordnungen ermöglichen (Fotos,Arbeitsaufträge etc.).

• Der spielerische Umgang mit Objektenoder in gemeinsamen Aktionen (z.B.Rollenspielen) kann Kinder emotionaleinstimmen und einen direkten Bezugzur eigenen Befindlichkeit (sich wohl-fühlen/nicht wohlfühlen) herstellen.

• Um Materialien/Geräte vielfältig überdie Sinne und aktives Tun erfahrbar zumachen, können zunächst einzelne undisolierte, später miteinander gekoppel-te Wahrnehmungsübungen angebotenwerden.

Kinder lernen vornehmlich auf der Ebenedes konkreten Tuns. Kinder könnennichts mit Inhalten anfangen, die sie alsonicht selbst erfahren und erlebt haben.Deshalb ist das Spiel, die Bewegung imSpiel, das Wahrnehmen vielfältiger Dingeund Personen zentraler Inhalt des kind-lichen Handelns und pädagogischer För-derung.

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4.3.3 Zur Frage der Auswahl

psychomotorischer Spielgeräte

Bewegung, Spiel und Sport mit Kindernfindet trotz zunehmender und ermutigen-der Initiativen immer noch in genormtenRäumen, mit/an genormten Geräten, mitgenormten und einschränkenden Bewe-gungsmöglichkeiten statt. Interessen undBedürfnisse der Kinder erlöschen immerdann relativ schnell, wenn sich Bewegungund Spiel auf vorhandene Strukturenreduziert.

Ein psychomotorisch orientiertes Spiel-und Bewegungsangebot bietet dagegenviele Möglichkeiten, Geräte, Materialienund Medien einzusetzen, vorhandeneumzufunktionieren und neue auszupro-bieren.

Neben Materialien wie z.B. Rollbretter,Pedalos, Schwungtücher, Schleuder-hörner, unterschiedlichste und in ihrerOberflächenbeschaffenheit divergierendeBälle wie z.B. Igel- und Noppenbälle etc.,Luftkissen, Schaukelsysteme, Therapie-und Reha-Materialien etc. sind hier auchsolche Materialien gemeint, die wir imAlltag mehr oder weniger unbewusst ver-wenden, die jedoch aufgrund ihrer Merk-male und Eigenschaften Kinder zumspontanen, intensiven und kreativen Han-

deln motivieren (Kisten, Dosen, Bretter,Schnüre, Papier, Autoreifen etc.).

Neben der Verwendung dieser Alltags-materialien, die im übrigen kostenlos undjederzeit verfügbar sind, finden in zuneh-mendem Maße natürliche Materialien,wie sie Wald, Wiese, Wasser, Sand, Lehmetc. darstellen, Einzug in psychomotori-sche Förderangebote.(Eine Auflistung über einen Grundstockpsychomotorischer Spiel- und Übungs-geräte befindet sich im Anhang.)

Grundsätzlich sollten in psychomotorischarbeitenden Gruppen Geräte und Materi-alien eingesetzt werden, die einen hohenAufforderungscharakter besitzen undderen Anziehungskraft sich Kinder wenigoder kaum entziehen können. Psycho-motorische Spiel- und Übungsgeräteerfordern keine Vorkenntnisse, sondernkönnen in der Regel unbedarft und un-voreingenommen zur vielfältigen Erpro-bung des eigenen, individuellen Könnenseingesetzt werden.

Wir als pädagogische Fachkräfte müssendeshalb alle Materialien und Geräte vorder Nutzung durch Kinder auf Sicherheitund evtl. Gefahrenpunkte überprüfen undausprobieren.

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Dem Kindergarten und der Grundschuleals erste Formen institutionalsierter,öffentlicher Erziehung wird in der heuti-gen Zeit eine vielfache, manchmal jedochauch überfordernde Funktion zugeschrie-ben. Unter pädagogischer Anleitung sol-len Kinder hier in ihrer Gesamtpersönlich-keit gefördert und zu denk- und hand-lungsfähigen Menschen erzogen werdenund von allen defizitären Nebenwirkun-gen gesellschaftlicher und familiärer Rea-litäten geläutert werden. In Anbetrachtder deutlich zunehmendem Zahl soge-nannter „schwieriger“ Kinder stellt diesgegenwärtig ein äußerst hohes undscheinbar aussichtloses Unterfangen dar.

5.1 Kennzeichen der allgemeinen

Entwicklung

Neben der körperlichen Entwicklung undKörperbeherrschung finden im Kindergar-ten- und Grundschulalter wichtige Ent-wicklungen in den Bereichen des Denkens,Fühlens, Sprechens und des sozialenVerhaltens statt.

Sinnesorgane, Muskulatur, Knochen- undKörperbau, Erscheinungsbild, Kraft,Schnelligkeit, Ausdauer, Gleichgewichts-,Reaktions- und Koordinationsfähigkeit,Aufmerksamkeit und Konzentration,sprachliche Mitteilungsfähigkeiten (Ges-tik, Mimik, Körperhaltung), Aktivitätsum-fang, Spielfähigkeit mit anderen Kindern,das „Sich-in-Andere-hinein-versetzen-können“, eigenständige seelische Bedürf-

nisse (Trotzalter, Wutanfälle), eine verän-derte Weltansicht und vieles andere mehrsind der ständigen Veränderung und Ent-wicklung unterworfen.

Die Bewegungsformen des Gehens, Lau-fens, Hüpfens und Springens entwickelnsich von der elementaren Form zu akro-batischer Geschicklichkeit, einfache fein-motorische Fähigkeiten zu ausgereiftenFormen der Handgeschicklichkeit. Ein fastungestümer Bewegungsdrang entsteht.

Das Kind probiert aus, wie und wo esüberall laufen, gehen, balancieren etc.kann. Einmal eingeübte und gekonnteBewegungen werden immer und immerwieder bis zur nächsten Herausforderunggeübt. Das Kind braucht ausreichend Zeitund Raum zum Toben und Spielen, zumSich-Auslassen. Dies ist eine entschei-dende Voraussetzung einer immer besserwerdenden und geschickteren Körper-beherrschung. Bewegungsmöglichkeitenim Freien sind unabdingbar. Das Kinddrängt unabhängig von Witterungsein-flüssen nach draußen (siehe Waldkinder-garten).

Das koordinative Zusammenspiel vonBewegung und Sinnesorganen verfeinertsich zusehends. Die Wahrnehmung desKindes ist anfangs noch sehr vom Gefühlgeprägt; es beobachtet noch nicht richtig,sondern nimmt das wahr, was es wahr-nehmen möchte; es ist von rasch wech-selnden Bedürfnissen und Außenreizen

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V Psychomotorik in Kindergarten und Grundschule

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abhängig. Neue, interessante Spiele for-dern die Beobachtungsfähigkeit, Konzen-trations- und Unterscheidungsfähigkeitheraus, lenken die Aufmerksamkeit. Dasspontane Spiel in der Bewegung, die Ent-wicklung von Phantasie und Kreativität,Interesse und Neugierde, soziale undmusikalische Fähigkeiten bereichern diekindliche Person. Das Kind baut sichdurch Bewegung und Wahrnehmung eineigenes räumlich-zeitliches Orientie-rungssystem in seiner konkreten materia-len und sozialen Umgebung auf. Dabeierschließen sich Kinder über eine breiteKörperwahrnehmung ihre Räume.

Im Alter von 3-6 Jahren, teilweise aberauch noch in den ersten Grundschul-jahren, ist die Unterscheidungsfähigkeitver-schiedener Körperteile, deren Funk-tionen, das Bewusstwerden verschiede-ner Körperwahrnehmungen, das Unter-scheiden verschiedener Richtungs-

angaben, die Rechts-Links-Unterschei-dung noch unterschiedlich und zum Teildiffus ausgebildet. Vielfältige Körper-wahrnehmungs- und zeitlich-räumlicheErfahrungen in diesem Alter sind deshalbVoraussetzung für die Orientierung desKindes in allen Lebenssituationen. Dazubrauchen Kinder aber auch das Vorbild,die Anregung und Anleitung Erwachsener.Sie erlernen Regel- und Verhaltensvor-schriften. Regelspiele mit zunächst ein-fachen Anweisungen werden immer undimmer wieder gespielt (zum Beispiel:„Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“;„Feuer-Wasser-Erde“) und erfreuen sich

großer Beliebtheit. Soziale Beziehungenweiten sich vom Einzel- und Partnerspielzum Spiel in der Klein- und später in derGroßgruppe. Das Lernen durch Tun, dasLernen am Vorbild, das Lernen durchNachahmung, aber auch spontanesLernen, Lernen durch Entdecken und

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Erkunden machen Entwicklungen der Kin-der in diesem Alter möglich und verleihenihnen die Sicherheit, die sie benötigen,um sich in ihrer immer komplexer wer-denden Welt zurechtzufinden und orien-tieren zu können.

Wir als Erwachsene, pädagogische Fach-kräfte, Lehrkräfte und Eltern müssendiese Entwicklungen bewusst(er) wahr-nehmen und unsere Förderangebotedanach richten. Einseitige, lediglich aufdie Verbesserung bestimmter Fähigkeitenund Fertigkeiten abzielende Förderange-bote, wie etwa eine „Karteikartenpäda-gogik“, die das Gefühl und das Bedürfnisnach einer Rezeptologie verstärken undsituative Handlungsvarianten des einzel-nen Kindes nicht berücksichtigen, vermö-gen vielleicht kurzfristige Erfolge zeitigen.Die Entwicklung des Kindes wird dadurchaber eher gebremst und gehemmt unddie Herausbildung eines auffälligen Ver-haltens eher gefördert als ihr entgegen-gewirkt.

5.2 Erziehungsziele des Kindergartens

Das Zusammenleben, die Kooperations-und Kommunikationsfähigkeit mit ande-ren Kindern soll weiterentwickelt, Selb-ständigkeit und Selbstentfaltung geför-dert, neue Rollen und Bezugspersonenerfahren und angenommen, Spiel undKreativität entwickelt, emotionale, sprach-liche und kognitive Fähigkeiten heraus-gebildet werden. Phantasie- und Rollen-spiele, elementare musikalische Erzie-hung, Umwelt und Sachbegegnung,Malen und Basteln, religiöse Erziehung,kognitive Erziehung, Denkentwicklungund Bewegungserziehung sind inhaltlicheBereiche, mit denen die Kinder konfron-

tiert werden und innerhalb derer sie sichin ihrer Persönlichkeit weiterentwickelnsollen.

• Kann der Kindergarten und die in ihmtätigen pädagogische Fachkräfte dieseVielfalt von Zielen in einer Welt stetigsteigender Ansprüche und Verände-rungen überhaupt noch leisten?

• Überfordern nicht auch die Eltern denKindergarten?

• Welche Einstellung und welches Enga-gement lassen Eltern bezüglich derZusammenarbeit mit dem Kindergartenerkennen?

Nach einer 1993 getätigten Umfrage (diem.E. auch heute noch nichts an Aktuali-tät verloren hat) des Autors in Zusammen-menarbeit mit dem HGUV in 58 hessi-schen Kindergärten/Kindertagesstättenergab sich nach Meinung der befragtenpädagogischen Fachkräfte bezüglich derelterlichen Erwartungshaltungen folgen-des Bild:

• 67,3% der Eltern (=2/3) sind über-haupt nicht an der Erziehungsarbeitdes Kindergartens interessiert.

• 84,5% der Eltern legen besonderenWert auf die Bereiche Malen undBasteln

• 68,9% auf den Bereich der Sozial-erziehung.

• 51,7% auf den Bereich der Denk-erziehung.

• 18,9% halten die Bewegungserziehungfür sehr wichtig.

Diese Bewertung deckt sich im Übrigenmit den Themen, die in den letzten bei-den Jahren im Rahmen von Elternabendenbesprochen und behandelt wurden.

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Demnach werden Fragen der allgemeinenSicherheits- und Verkehrserziehung mit50%, allgemeine Informationen über dieStruktur und die Arbeit der jeweiligenEinrichtung (41,4%) deutlich vor Themenwie „Gesunde Ernährung – GesundeZähne“ (24,2%), „Schulfähigkeit/Schul-reife meines Kindes“ (20,7% ) genannt.Das Thema: „Die Bedeutung der Wahr-nehmung und der Bewegung für die kind-liche Entwicklung“ wurde dagegen in nur13,8% der Fälle behandelt.

• Scheint es in einer immer mehr aufWissensvermittlung orientiertenGesellschaft nicht auch verständlich,wenn sich Eltern eher für kognitiveEntwicklungen, für die Frage, was kannmein Kind, interessieren?

• Wundert es, wenn häuslich-familiäreErziehungsvorstellungen und die kon-

krete Erziehungspraxis sich mit der inden Kindergärten geleisteten Erzie-hungsarbeit zunehmend auseinander-dividieren?

• Wundert es, wenn Eltern den Kinder-garten lediglich als einen Aufbewah-rungsort und Reparaturbetrieb fürabweichende kindliche Entwicklungansehen?

Ist es nicht verständlich, dass Eltern ineiner bewegungsarmen, manchmal sogarbewegungsfeindlichen Welt überhauptnicht mehr den Stellenwert kindlicher-Bewegungsleistungen sehen und verste-hen können? Ungünstige Rahmenbedin-gungen, nicht ausreichendes Personal,sachlich und räumlich schlechte Bedin-gungen, zu große Gruppen u.a.m. beein-flussen die pädagogisch-erzieherischenMöglichkeiten nachhaltig.

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5.3 Zur aktuellen Entwicklung der

Bewegungserziehung

Wenn Kindergarten und Grundschule eineganzheitliche Persönlichkeitserziehungals die Hauptziele ihrer pädagogischenBemühungen proklamieren, muss diesauch für den Bereich der Bewegungs-erziehung gelten und Bewegung undSpiel einen hervorragenden Stellenwerteinnehmen.

Wie ich in Gesprächen mit pädagogischenFachkräften und Lehrkräften in den letz-ten Jahren immer wieder erfahren konnte,machen sich immer mehr Kindergärten,aber auch einige Grundschulen auf denWeg zu einer psychomotorisch orientier-ten Bewegungserziehung. Neben demBesuch entsprechender Fortbildungsver-anstaltungen (die es leider noch nichtflächendeckend gibt) stellt sich immerwieder die Frage nach räumlichen Verän-derungsmöglichkeiten in der eigenenEinrichtung. So hat sich beispielsweise inSport- und Waldkindergärten psychomo-torisches Denken und Handeln zum ober-sten Handlungsziel entwickelt. Aber auchdie Einstellungen, Meinungen und Verän-derungsabsichten von pädagogischenFachkräften und Lehrkräften in anderenEinrichtungen hinsichtlich der Bedeutungder Psychomotorik für die kindliche Ent-wicklung und möglicher Realisierungs-möglichkeit befindet sich in einem konti-nuierlichen, aber schleppenden Verände-rungsprozess.

Trotz der zunehmendem Erkenntnis, dassBewegung und Wahrnehmung im Vor-schul- und auch im Grundschulalter einenentscheidenden Einfluss auf die kindlicheEntwicklung haben, gibt es vor Ort immer

wieder Hindernisse, die eine Umsetzungder psychomotorischen Idee erschweren:

• Der Bewegungserziehung fehlen ent-sprechende sächliche Rahmenbedin-gungen (Räume, Ausstattung, psycho-motorische Spielgeräte), die ein akti-ves, dem kindlichen Bewegungs-bedürfnis und dem Bewegungsdrangnachgebendes Sich-Bewegen ermög-lichen.

• Bewegungserziehung orientiert sichimmer noch stark an den (traditionel-len) Inhalten, die pädagogische Fach-kräfte und Lehrkräfte in der eigenenSportsozialisation bzw. im Sportstu-dium erfahren haben.

• Die pädagogische Fachkräfte- undLehrkräfte-Ausbildung berücksichtigendie grundlegende Bedeutung vonBewegung und Wahrnehmung für diekindliche Gesamtentwicklung immernoch nicht in ausreichendem Maße.Psychomotorische Inhalte und Frage-stellungen werden teilweise zwar ange-sprochen, der für das Verständnis unddie Umsetzung der Psychomotorik sowichtigen Eigenrealisation wird jedochimmer noch zu wenig Zeit und Raumzugebilligt.

• In Anbetracht der zunehmenden Anzahl„schwieriger Kinder“ in Kindergärtenund Grundschulen bedarf es der geziel-ten und intensiven Schwerpunktver-lagerung zu Fragen der ganzheitlichenBewegungserziehung. Im Bemühenund der Verpflichtung einer präventivenFörderung scheint mir das Wissen umförderdiagnostische Verfahrensweisenein großes Anliegen von pädagogischenFachkräften und Lehrkräften zu sein.

• Die Frage nach „unterstützendenSystemen“ (qualifizierte Übungsleiter-

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innen, Motopädinnen, andere qualifi-zierte Fachkräfte) stellt sich immeröfter. Die best informierte Erzieherinund der best informierte Lehrer könnenjedoch nicht die/den Fachfrau/Fach-mann ersetzen. Der Belastbarkeit vonpädagogische Fachkräfte und Lehr-kräfte sind hier Grenzen gesetzt.

• Wenn wir den Grundsatz beherzigen,dass Kinder über Bewegung ihren Kör-per, sich selbst, ihre räumliche, mate-riale Umwelt und ihre Mitmenschenerfahren und erleben, wird es uns ge-lingen, Kindern das Selbstwertgefühl,das Selbstbild und die Sicherheit zuvermitteln, die sie in dieser Gesell-schaft benötigen.

• Wenn wir das Kind als einen sich ent-wickelnden Menschen mit all seinenSchwächen akzeptieren und ihm denLebens- und Bewegungsraum, den esfür seine Entwicklung benötigt, zur Ver-fügung stellen, haben wir die wesent-lichen Voraussetzungen zu einer um-fassenden, auf zwischenmenschlichenWerten beruhenden Handlungsfähig-keit geschaffen. Dabei kommt demFaktor „Zeit“ eine ganz entscheidendeRolle zu.

• Geben wir Kindern doch ausreichendZeit, die sie für ihr Spiel und ihr Bewe-gungsbedürfnis benötigen. Nehmenwir uns als Erwachsene doch die Zeit,Kindern dies zu ermöglichen.

• Wichtige Veränderungsmöglichkeitenmüssen sich auch diesbezüglich zu-nächst in unseren Köpfen abspielen.Wir müssen tatsächlich fragen, ob wirKinder nicht immer mehr zu Leistungendrängen, die sie hinsichtlich ihres aktu-ellen Entwicklungsstandes noch nichterbringen können und wozu sie selbst-ändig noch gar nicht in der Lage sind.

Produzieren wir dadurch nicht eherunbeholfene und ungeschickt wirkendeKinder?

5.4 Zur Notwendigkeit

psychomotorischer Erziehung

Psychomotorik als Inhalt, Erziehungszielund Lebensprinzip kann zum „Leitfaden“der kindlichen Persönlichkeitsentwick-lung in Kindergarten und Grundschulewerden. Beiden Institutionen als Ort zurErfahrung elementarer lebenswichtigerZusammenhänge kommt eine exponierteStellung zu. Sie müssen die Orte sein, andenen Kinder sich bewegen dürfen, viel-fältige Körper-, Raum- und Zeit- Erfahrun-gen machen können und sich als selbst-bewusste, selbstsichere und handlungs-aktive Menschen erfahren lernen.

Die zahlreichen Wechselwirkungen zwi-schen motorischen und sensorischenFähigkeiten und den anderen Bereichender kindlichen Entwicklung (vgl. auchKapitel 2.1) und die zunehmende Ein-schränkung der Bewegungsmöglichkei-ten und -fähigkeiten der Kinder führenzur Notwendigkeit, mehr Bewegungsan-gebote in pädagogischen Einrichtungenzu schaffen.

Die Sportjugend Hessen (aber auch ande-re Bundesländer) hat sich durch verschie-dene „Aktionen und Programme“ in denGrundschulen auf den Weg gemacht.Bei allen Bemühungen ist aber zu beden-ken, dass viele Kinder im Vorfeld bereitsEnttäuschungen erlebt haben und da-durch auch noch so gut gemeinte undgeplante Bewegungsangebote/-situatio-nen vermeiden: So profitieren von denüblichen freien Bewegungsangeboten

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überwiegend Kinder, die bereits über einedurchschnittliche oder gute Motorik ver-fügen, während die Schwächeren aufruhigere Angebote ausweichen und erstgar nicht versuchen, sich an den körperli-chen Gruppenaktivitäten zu beteiligen.Um dem Ziel näherzukommen, die moto-

rischen Schwächen insbesondere dieserKinder auszugleichen, ist es notwendig,Angebote zu initiieren, die für alle Kinder,nicht nur für die Stärkeren, attraktiv sindund von den schwächeren Kindern angst-frei bewältigt werden können.

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Psychomotorik bietet eine unendlicheVielfalt an Themen und Inhalten, die ge-eignet erscheinen, kindliche Bewegungs-Wahrnehmungs-, Erlebnis- und Hand-lungsmöglichkeiten erfahrbar zu machen.Die hier vorgestellten und beschriebenenpraktischen Erfahrungen haben deshalblediglich exemplarischen Charakter undkönnen an anderen Stellen, unter ande-ren Voraussetzungen sowie nach indivi-duellen und gruppenspezifischen Gege-benheiten auch andere Erfahrungenbewirken.

Die Auswahl der Beispiele wurde vonfolgenden Überlegungen gesteuert:

• Es werden keine Spiele und Übungenbeschrieben, die einen reproduktiven,das heißt ausschließlich nachahmen-den Charakter haben.

• Alle Spiele und Übungen beinhaltenindividuelle, prozesshafte Handlungs-möglichkeiten, das heißt Spiele kön-nen ohne ein „konkretes Ergebnis“enden und zu einem anderen Zeitpunkterneut aufgegriffen werden.

• Alle Spiele und Übungen besitzenkeinen „Rezept-Charakter“, da dasindividuelle Verhalten und Gruppen-geschehen nicht steuerbar ist.

• Alle Spiele und Übungen sind geprägtvon einem positiven „Zeit-Geist“, dasheißt Kinder und PädagogInnen dürfensich bei der Realisation der Spiele Zeitlassen.

• Alle Spiele und Übungen haben einen

Explorations-, das heißt Erkundungs-und Neugiercharakter.

• Alle Spiele und Übungen sind alsAnregung zu verstehen, mit Kindern inähnlicher oder anderer Weise eigenespielerische Austausch- und Hand-lungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Es werden Spiele und Übungen aus dreiHandlungsfeldern beschrieben:

1. Seinen Körper und sich selbst vielfältigwahrnehmen.

2. Psychomotorische Spielmaterialien amBeispiel des „Korkens“.

3. Psychomotorische Ausdrucks- undKooperationsspiele.

Darüberhinaus wird in einem umfassen-den Blick die Wichtigkeit von Bewegungs-und Wahrnehmungsspielen für die kindli-che Gesamtentwicklung hervorgehoben.

6.1 Seinen Körper und sich vielfältig

wahrnehmen

Zahlreiche Veränderungen in der kind-lichen Lebenswelt führen bei sehr vielenKindern in bereits frühem Alter zu gestei-gerter Unruhe, Anspannung, Überreizung,Konzentrations- und Aufmerksamkeits-störungen. Das Spüren des eigenen Kör-pers und das Einschätzen eigener körper-licher Fähigkeiten geht immer mehr ver-loren. Es ist deshalb wichtig, durch dasspielerische Bewusstmachen von An- undEntspannung, von taktilen, kinästheti-

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VI Psychomotorik – Beispiele aus der Praxis

für die Praxis

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schen, vestibulären, optischen und akus-tischen „Übungen“ und das Erfahren vonStille, Möglichkeiten des psychomotori-schen Ausdruckes zu schaffen, um dieSelbstwahrnehmung zu verbessern undpositive Körpererlebnisse zu vermitteln.Für die Praxis bedeutet dies, dass wirKindern die Möglichkeit anbieten, ihrenKörper über verschiedene Sinneskanälebesser kennenzulernen.

• Den eigenen Körper taktil

wahrnehmen

Das „Organ“, mit dem wir mit unserer Um-welt in Berührung kommen, ist die Haut.Das aktive Erkunden durch Berühren ge-schieht mit den beweglichen Teilen unse-res Körpers, mit den Händen und Füßen.Über die Haut erfährt das Kind seineKörperlichkeit. Es fühlt Wärme, Geborgen-genheit, Wohlbefinden, aber auch Kälte,Schmerz, unangenehme Gefühle, Un-sicherheit.

Beispiele:• Wie fühlt sich unsere Haut an verschie-

denen Stellen unseres Körpers.• Gibt es Stellen, die sich ganz beson-

ders (sensibel) anfühlen?• Können wir bestimmte Körperteile

drücken, massieren?• Kann/darf ein anderes Kind z.B. meine

Hand/meinen Rücken massieren?• Wie fühlt es sich an, wenn meine Hand

die Kleidung, den Boden um michherum berührt?

• Wie können wir mit der Hand denBoden, die Kleidung, unsere Körper-teile berühren?

• Können wir dabei für kurze Zeit bereitsdie Augen schließen?

• Ein anderes Kind malt mir eine Form

(z.B. einen Kreis) auf den Rücken. Kannich erkennen, um welche Form es sichhandelt?

• Ich bewege mich über unterschiedlicheBodenbeschaffenheiten. Kann icherfühlen, um welche es sich dabei han-delt?

• Den eigenen Körper kinästhetisch

wahrnehmen

Unsere Körperbewegungen werden vorallem auch über unsere Muskeln, Seh-nen, Bänder und Gelenke (unbewusst)registriert. Die Bedeutung dieser Fähig-keit für unsere Bewegungssteuerungerfahren wir am ehesten, wenn wir dieKontrollfunktion der Fernsinne verringernoder ausschalten. Wenn wir weder etwassehen noch hören können, registrierenwir genau, in welcher Lage sich die Glie-der im Verhältnis zum Rumpf bewegen.Kindern fällt es anfangs noch schwer,Übungen und Spiele mit verbundenenoder geschlossenen Augen durchzufüh-ren, so dass eine allmähliche Heranfüh-rung zu den einzelnen Spielen erforder-lich ist.

Beispiele:• Sich so groß wie ein Riese und

so klein wie ein Zwerg machen.• Auf dem Rücken liegen und versuchen,

ohne Benutzung der Arme und Händeaufzustehen.

• Verschiedene Körperteile in Bewegungsetzen: Mit dem Kopf wackeln, mit denArmen schlenkern, den Bauch auf- undabbewegen, die Beine ausschütteln.die Füße aneinanderreiben.

• Im Schneidersitz sitzen, den Ober-körper nach vorne beugen und aufste-hen.

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• Herausfinden, wie ein Mensch stehen,gehen, hüpfen etc. kann.

• Vorgegebene, einfache Figuren mitdem eignen Körper nachlegen.

• Mit geschlossenen Augen in die Händeklatschen.

• Mit geschlossenen Augen die Finger-spitzen zusammenführen.

• Den eigenen Körper vestibulär wahr-

nehmen

Den Körper immer im Gleichgewicht zuhalten, ist eine Fähigkeit, die in unsereralltäglichen Bewegungswelt stets erfor-derlich ist. Gleichgewichtsinformationenwerden uns nur ganz selten bewusst,ausgenommen, wenn wir uns schnell imKreise drehen oder uns schwindeligfühlen und die Welt um uns herum sichzu drehen beginnt. Ohne einen funk-tionstüchtigen Gleichgewichtssinn gibtuns das Gehirn empfangene Signale zu

stark, zu schwach oder unkoordiniert zu-rück. Gleichgewichtsstörungen sind dieFolge.

Beispiele:• Mit geöffneten (geschlossenen) Augen

über Linien oder Raumkoordinatengehen.

• Hindernisse mit vielfältigen Bewe-gungsformen überwinden/Gehen aufMauern etc.

• Einen Luftballon auf/mit verschiedenenKörperteilen balancieren.

• Auf einem Bein stehen.• Sich mit dem Bauch auf einen Medizin-

ball legen und sich steif wie ein Brettmachen.

• In einer Hängematte hin- und her-schaukeln.

• Sich am Ort oder im Raum laufend umdie eigene Achse drehen.

• Auf dem Boden liegend sich um dieeigene Achse rollen.

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• Den eigenen Körper akustisch wahr-

nehmen

Die Fähigkeit, unseren Körper auch akus-tisch wahrzunehmen ist uns meist nichtbewusst. Schließen wir jedoch die Augenund konzentrieren wir uns auf die Vor-gänge in unserem Körper, dann könnenwir unsere Atmung oder das Reiben derHaut bei Berührungen hören. Um solcheVorgänge im und am eigenen Körperbeobachten und verstehen zu lernen, isteine differenzierte akustische Wahrneh-mung notwendig.

Beispiele:• Sich auf den Rücken legen und beob-

achten, was wir noch hören können.Die Augen können zunächst durchausgeöffnet sein.

• Welche Geräusche können wir mitunserem eigenen Körper erzeugen?

• Mit welchen Körperteilen können wirbesonders laute oder leise Geräuscheerzeugen?

• Können wir auch „unanständige“ Lauteerzeugen?

• Sich laut/leise am Ort/im Raumbewegen.

• Sich so leise im Raum bewegen, dasskeiner den anderen hört.

• Den Herz- und/oder Pulsschlag erken-nen. Wo ist mein Herz? Kann ich diesesspüren? Wann spüre ich es ganz be-sonders?

• Den Atem in Ruhe und Bewegung/nachkörperlicher Anstrengung erfahren.

• Den eigenen Körper visuell wahr-

nehmen

Die optische Wahrnehmung spielt inunserem Leben eine dominierende Rolle.

Den eigenen Körper wahrnehmen zu kön-nen, sich an und mit ihm orientieren zukönnen ist Voraussetzung, um mit demKörper und seinen Teilen auch zielgerich-tet umgehen zu können.

Erst dann, wenn es zu Beeinträchtigun-gen der visuellen Wahrnehmung kommtoder gar Funktionsausfälle auftreten,werden wir uns der Bedeutung dieserWahrnehmungsart bewusst.

Beispiele:• Körperteile auf Anforderung erkennen,

zeigen und benennen können.• Vorgemachte Körperpositionen erken-

nen und nachgestalten.• Mehrere Körperpositionen vormachen.

Beim Nachmachen die richtige Reihen-folge einhalten (Kinder können beisolchen Übungen sehr gut den Erwach-senen ersetzen).

• Fehlende Körperteile bei Abbildungenoder Schemamännchen erkennen undbenennen.

Wie bedeutsam die Erfahrung körper-eigener Wahrnehmungen für das Lernenallgemein und besonders auch in derGrundschule ist, ist heute bei vielenKindern zu sehen. Es wird immer wiederdeutlich, dass Lernschwierigkeiten imBereich der Kulturtechniken (Lesen,Rechnen, Schreiben), aber auch Verhal-tensauffälligkeiten (großes Bedürfnisnach Bewegung) auf körperliche undsomit räumliche Orientierungsschwächenund auf gering ausgebildete Wahrneh-mungsfähigkeiten gerade im taktil-kin-ästhetischen und vestibulären Bereichzurückzuführen sind. Diese bilden sichnicht erst mit Beginn der Schulzeit aus,sondern sind in der Regel bereits in

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frühen Entwicklungsjahren beeinträch-tigt. Einer breitangelegten körperorien-tierten Förderung kommt deshalb auchaus diesem Blickwinkel bereits imKindergarten eine sehr bedeutsame, weilpräventive Rolle zu.

6.2 Das psychomotorische

Alltagsmaterial „Korken”

Am Beispiel des Naturmaterials Korkensollen im Folgenden Möglichkeiten dergezielten Wahrnehmungs- und Bewe-gungsförderung und des Spiels aufge-zeigt werden. Sämtliche Spiel- und Bewe-gungsideen wurden von 4–6-jährigenKindern im Rahmen eines psychomotori-schen Förderkurses des TurnvereinsGroßostheim entwickelt und erprobt.

Welche Wahrnehmungsmöglichkeitenbietet das Material Korken?

• Optisch

• Unterscheiden verschiedener Formenund Größen.

• Unterscheiden verschiedenerSchriftzüge (groß/klein), die auf denKorken aufgedruckt sind.

• Korken in die Höhe werfen und auf-fangen.

• Korken in den Raum werfen/schießenund wiederfinden.

• Korken bunt anmalen und aus einerMenge anderer Korken heraussuchen.

• Formen legen/nachlegen (z.B. Tiere,Menschen etc.).

• Akustisch

• Die Kinder liegen/sitzen auf dem Bodenund sollen, sobald sie das Aufschlagen

eines/mehrerer Korken auf dem Boden/in einer Metalldose hören, aufstehenund auf ein Hindernis steigen/be-stimmte Fortbewegungsart frei wählen.

• Den Korken nahe an das Ohr haltenund versuchen Geräusche zu erzeugen.

• Korken gegeneinander reiben. WelcheGeräusche können dabei entstehen?

• Taktil

• Mit den Fingern und Händen die Ober-flächenbeschaffenheit des/der Korkenerfühlen (Augen sollen zunächst geöff-net, später geschlossen werden).

• Mit geöffneten, später geschlossenenAugen die jeweilige Form des Korkensertasten.

• Mit dem Korken verschiedene Körper-teile berühren, antippen und massie-ren.

• Sich in eine Kiste mit sehr vielenKorken hineinlegen.

• Mit den Händen Murmeln aus einerKiste mit vielen Korken heraussuchen.

• Riechen

• Wie riecht ein ausgetrockneter Korken?• Wie riecht ein gerade aus einer Flasche

gezogener Korken?• Wie riecht ein nasser Korken?• Wie riecht ein angefaulter Korken?

• Vestibulär

• Einen Korken in der geöffneten Hand-fläche halten und sich dazu bewegen.

• Einen Korken auf anderen Körperteilenversuchen zu balancieren.

• Sich in einem schwingenden Tuch, dasmit lauter Korken gefüllt ist, tragenlassen.

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Welche Bewegungsfähigkeiten können

mit dem Material Korken gefördert wer-

den?

• Grobmotorisch

(Raumorientierung, Fortbewegungs-möglichkeiten, Gleichgewichtsförde-rung)

• Jedes Kind hat eine Kiste mit ca. 25–30Korken, die es in den Raum hineinwirft,ihnen nachläuft und möglichst vieleKorken wieder einsammelt.

• Eine große Kiste voller Korken wird voneiner bestimmten Höhe in den Raumausgeschüttet, die Korken sollen ohneVerwendung weiterer Dosen/Kisteneingesammelt werden.

• Einzelne Korken möglichst weit in denRaum hineinwerfen/hineinschießenund wiederfinden.

• Wer kann eine vorgegebene Streckemit möglichst wenigen Würfen/Schüs-sen zurücklegen?

• Mehrere Korken ohne/mit Benutzungvon Behältnissen über eine Hindernis-bahn transportieren, ohne dass dieseunterwegs verloren gehen.

• Korken auf einem Tablett an verschie-dene Stellen in der Halle transportieren.

• Korken in verschieden weit von einerLinie stehende (Müll-) Eimer werfen.Variation: Abstände zu den Eimernkönnen verringert/vergrößert werden,Eimer können in verschiedenen Höhenstehen.

• Korken in der Höhe hängende, sichbewegende Eimer werfen; zur besserenErreichbarkeit der Eimer können evtl.Hilfsmaterialien (Kästen, Bänke etc.)herangeholt werden.

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• Feinmotorisch

(Entwicklung der Handgeschicklichkeitund Verbesserung koordinativer Fähig-keiten)

• Mit Korken bestimmte Formen (Kreise,Rechtecke etc.) legen.

• Mit Korken Tierformen und Körperhal-tungen (Männchen) in eindimensio-naler Ebene legen. Variation: zweidi-mensionales Bauen, wobei die aufein-andergestellten Korken möglichst nichtumfallen sollen.

• Mit Korken verschieden hohe Türmebauen.

• Korken mit Daumen/Zeigefinger, evtl.auch mit anderen Fingern) auf kleineZiele zuschnipsen. Variation: Abständeverringern/vergrößern.

• Einhändige/beidhändige Rollbewe-gungen mit den Korken machen.Variation: Korken bunt anmalen undRollbewegung auf Papier übertragen,so dass verschiedene Abdrücke undMuster entstehen.

• Korken zwischen jeweils zwei Fingerstecken und sich dergestalt auf denHänden fortbewegen.

Spielideen, die sich in der Auseinander-

setzung mit dem Korken entwickeln

können.

Neben den bereits beschriebenen Spiel-situationen im Rahmen einer gezielterenWahrnehmungs- und Bewegungsförde-rung entwickeln Kinder im handelndenUmgang mit dem Material vielfältigeKombinations- und Variationsmöglich-keiten durch Hinzuziehen anderer für ihrmomentanes Tun wichtiger Materialienund Geräte. Einige dieser Spielideen sindim Folgenden dargestellt:

Korkenpferdchen:

Um einen/mehrere Korken wird ein bun-tes Seil gelegt, die Seilenden mit beidenHänden greifen und so durch den Raumziehen.

Korkenschleuder:

In ein Schleuderhorn werden so vieleKorken wie möglich hineingesteckt undanschließend durch heftiges Schleudernin den Raum geworfen.

Pustekorken:

In ein Schleuderhorn werden wenigeKorken hineingesteckt und durch kräfti-ges Pusten hinausbefördert.

Korkendosen:

Margarineschachteln werden mit mög-lichst vielen Korken gefüllt, geschlossen,als Rasseldose oder Ballersatz verwen-det.

Korkenkegeln:

Viele Korken werden auf engem Raumaufgestellt und mit einem (Tisch-)Tennis-ball umgeworfen.

Korkenregen:

Viele Korken werden in einem Behältnisgesammelt und von einer Erhöhung (z.B.einem Kasten) auf andere Kinder herab-regnen lassen. Variation: Jedes Kind hatein Behältnis voller Korken, die es übersich selbst in die Höhe wirft und sich soberegnen lässt.

Korkenschatz:

Viele Korken werden im Raum von einerTeilgruppe versteckt, eine andereTeilgruppe soll die versteckten Korkensuchen.

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Korkenschlange:

Um jeweils mehrere Korken wird ein Seilgebunden, mehrere Seile werden mitein-ander verknüpft, so dass eine langeSchlange entsteht.

Der Korkenschatz

Situation

Die Gruppe besteht aus acht Kindern imAlter von 4–6 Jahren. Zwei Kinder sam-meln viele, im Raum liegende Korken ineinen Sack und bewahren diesen als„ihren“ Schatz vor den anderen Kindern,indem sie ihn verstecken. Auch die ande-ren Kinder möchten einen Schatz suchen.Wir kommen zusammen, besprechen dieSituation und beschließen, eine Schatz-suche zu veranstalten.

Entwicklung

Die Kinder denken sich etliche Spielge-schichten aus, die sie alleine, in Teil-gruppen und/oder der Gesamtgruppe inHandlung umsetzen wollen. Jedes Kindhat die Möglichkeit, sich mit allen imMaterialraum vorhandenen Geräten imRahmen seiner individuellen Vorstellungeiner Schatzsuche auseinanderzusetzen.Da einige Geräte (Seile, Matten, Kisten,Dosen) nur in begrenzter Anzahl vorhan-den sind, müssen die Kinder Wege derVerständigung und des gemeinsamenoder alternativen Tuns entwickeln. Einreges, bewegungsintensives und phanta-siereiches Handeln aller Kinder ist in derFolge zu beobachten.

Eine Teilgruppe beschließt, die Schatz-suche im Rahmen einer Expedition zu ge-stalten, die sie über Berge, Täler, Sümpfeund Seen führt. Entsprechend werdenKästen, Matten, Bänke bewegt und mit-einander kombiniert.

Die verschiedensten Fortbewegungsarten(gehen, hüpfen, balancieren, rutschen,klettern, sich ziehen etc.) sind zu beob-achten. Unterwegs zu ihrem Schatz, dersich in einer dunklen Höhle (ein kleinerPlatz unter einer Treppe wurde mit Deckenverdunkelt) befindet, finden die Kinderbereits erste Spuren (weitere Korken)ihres Schatzes, die sie in die richtige Rich-tung lenken. Nach mühsamen Anstren-gungen endlich am Ort des Schatzes(Kiste mit ca. 500 Korken) angekommen,wird dieser (fast) gleichmäßig unter denKindern aufgeteilt.

Kommentar

Im Rahmen der freien Auseinanderset-zung mit dem Material Korken entwickelnzwei Kinder die Idee einer Schatzsuche,die nach einem gemeinsamen Gesprächvon allen Kindern akzeptiert und realisiertwird. Nach zunächst unterschiedlichenund eher vereinzelten Handlungen undAktivitäten, gelingt es einer Teilgruppedie Schatzsuche in einen größeren Hand-lungszusammenhang zu stellen. Zu guterLetzt beteiligen sich alle Kinder auf ihreArt und Weise, mehr oder weniger inten-siv am Geschehen. Eine gemeinsameHandlungssituation ist entstanden, ohnedass der Erzieher Thema oder Inhalt vor-gegeben hätte. Im Rahmen des Gesamt-geschehens müssen die Kinder Entschei-dungen treffen (Welche Geräte verwen-den wir? Wie bauen wir die Geräte zusam-men? Brauchen wir Hilfe durch den Erzie-her?), miteinander kooperieren, kommu-nizieren und manchmal auch konkurrie-ren. Eigenverantwortlichkeit und selbst-ständiges Tun bestimmen das Handelnder Kinder, der Erzieher tritt in den Hinter-grund, wird zum Beobachter, Helfer, Koor-dinator und Mitspieler.

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Das Material Korken bildete den Aus-gangspunkt für ein vielgestaltiges, in derPhantasie und Bewegungsintensität qua-litativ wie quantitativ umfangreichesHandeln der Kinder.

6.3 Psychomotorische Ausdrucks- und

Kooperationsspiele

Im Rahmen unserer alltäglichen Aus-drucks- und Kooperationsmöglichkeitenbedienen wir uns vornehmlich der ver-balen Sprache, vernachlässigen jedochgleichzeitig mimisch- gestische Aus-drucksmöglichkeiten, Körperhaltung,Atmung etc. Bei den folgenden Praxisbei-spielen geht es weniger um die Verbal-sprache, sondern um soziale und emotio-

nale Ausdrucksformen. Es soll gezeigtwerden , wie im Gruppenrahmen freiereGefühlsausdrücke unterstützt werdenkönnen. Erinnern wir uns noch einmal:Bewegung, Gefühle, psychomotorischeSicherheit und Ich-Erleben sind Bestand-teile einer ganzheitlichen Förderung desKindes. Das Umsetzen von Rhythmus undGefühl in eine ausdrucksorientierte Moto-rik kann hier wesentlich gefördert werden.

Wenn wir (auffälligen) Kindern Förderan-gebote unterbreiten wollen, ist es zwin-gend erforderlich, den direkten Gefühls-ausdruck zu unterstützen, zumal die die-sen Gefühlen zu Grunde liegende Lebens-erfahrung allzu oft nicht verstanden wird.

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Meine Höhle

Die Gruppe erhält den Auftrag, sich einenUnterschlupf, eine Höhle zu bauen.(„Stellt euch vor, ihr seid eine Hasenfami-lie, die sich ihren Bau gestaltet!“). Nebender Verwendung diverser Materialien(z.B. Decken, Kisten, Vorhänge, Matten,Schnüre etc.) können rhythmische Instru-mente verwendet werden, um das Ge-schehen durch akustisch differenzierteKlänge zu begleiten. So kann eine lang-samere, beruhigende „Musik“ ankündi-gen, dass man sich in den Bau zurück-zieht oder eine lebhaftere „Musik“ dasAufwachen und Agieren der Hasen sym-bolisiert. Durch das Einbeziehen einerweiteren Figur (wie dem Fuchs) kannauch die Beziehungsbildung stärker ge-fördert werden. Erscheint der Fuchs undwird die Musik schrill, können sich alleHasen, die den Bau verlassen haben,durch Handberührung und Handfassungein Paar oder eine Gruppe bilden, die vordem Fuchs gesichert sind.

Diese und ähnliche denkbaren Hand-lungsabläufe und Geschehnisse sind viel-fältig variierbar und von Phantasie undErlebnisreichtum der jeweiligen Kindergeprägt. In vielen psychomotorischenSpielsituationen tritt das hier geschilder-te Spiel in/mit einer Höhle immer wiederin Erscheinung und äußert offensichtlichein elementares Bedürfnis der Kindernach Sicherheit und Orientierung. Ohneeine eingehende Analyse eines solchenGeschehens vornehmen zu wollen, lässtsich zumindest festhalten, dass die Höhleals Symbol der Geborgenheit und desSchutzes gegenüber vielfältigen Umwelt-einflüssen gesehen werden kann. Der Baueiner Höhle fördert zudem Phantasie und

das emotionale Miteinander der jeweili-gen Gruppenmitglieder. Auf einer solchengefühlsbetonten Basis kann dieses Spielden sozial-emotionalen Ausdruck deseinzelnen Kindes wie der gesamten Grup-pe fördernd unterstützen.

Höhlen stellen für Kinder Spiel- und Be-wegungsräume dar, die sie sich auch imAlltag ständig neu schaffen. Nichts isthier vorgegeben und vorherbestimmt,neue Spielideen (Zelt, Burg etc.) werdenkreativ in Bewegung umgesetzt.

Wir riechen (mit-)einander

In einer auf visuelle und akustische Wahr-nehmungsleistungen fixierten und redu-zierten Welt wird das Wahrnehmen ele-mentarer Tast-, Riech- und Geschmacks-reize so gut wie überhaupt nicht berück-sichtigt und offensichtlich als nicht ent-wicklungsrelevant angesehen. Wenn derandere jedoch nicht nur sehend, hörend,sondern sogar riechend erkannt werdenkann, entstehen viele zielgerichteteWahrnehmungen, die gerade bei (auffäl-ligen) Kindern Voraussetzungen einergelungenen sozialen und kognitiven Ent-wicklung darstellen.

Aufgabe dieses Spieles ist es, durch Rie-chen herauszufinden, wer etwas Essbaresin seiner nach obenhin geöffneten Hand-fläche hält. Ein anderes Kind soll nun mitgeschlossenen/verbundenen Augen sichvon Mitspieler zu Mitspieler bewegenund versuchen, riechend zu erfassen,welches Gruppenmitglied etwas Essbaresin seiner geöffneten Hand hält. Wird dieserraten, so kann der Verbundene erlöstwerden und derjenige, der erraten wurde,zum neuen „Riecher“ werden.

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Auch hier sind verschiedene Variationenmit unterschiedlichem Schwierigkeitsgraddenkbar. Welche Erfahrungen könnenKinder im Rahmen eines solchen Spielesnun machen? Welche Wahrnehmungs-fähigkeiten werden gefördert?

Neben einer erforderlichen ruhigen undkonzentrativen Atmosphäre setzt dasSpiel zum einen Vertrauen und Selbst-sicherheit voraus, zum anderen kann esvernachlässigte Sinnesorgane bewusstmachen und neue Erlebenssituationenbzw. Geruchserfahrungen ermöglichen.In Verbindung mit taktilen Wahrnehmun-gen (die Hand eines anderen anfassenund gleichzeitig fühlen und riechen) kanndas Spiel sogar noch eine mehrdimen-sionale Erweiterung erfahren.

Wir ziehen Grimassen

Fingerspiele, Rollenspiele, (Hand-)Pup-penspiele, Pantomimische Spiele findenim Alltag der Kinder vielfältig Anwen-dung. Dabei steht nicht das Reproduzie-ren, sondern der individuelle Eigenaus-druck und spontane Spielentwicklungenim Vordergrund.

Das im Folgenden beschriebene Grimas-senspiel bezieht die Motorik, Gestik undMimik intensiv in das Spielgeschehen mitein. Durch den Verzicht auf Verbalsprachewerden Formen des Selbstausdruckessehr stark gefördert. Dieses Spiel ist des-halb auch im Rahmen der unterstützen-den Sprachentwicklung, zum Abbau vonHemmungen und zum Herausheben dereigenen Persönlichkeit gut geeignet.

Alle Kinder sitzen im Kreis. Ein Kind hälteinen Spiegel so vor das Gesicht, dass

andere Kinder sein Gesicht noch sehenkönnen, dass es selbst aber auch seinGesicht sehen kann. Es denkt sich nuneine Grimasse aus, die nun zusammenmit dem Spiegel im Kreis herumwandert.Kommt die Grimasse beim letzten Mit-spieler so an, wie sie ursprünglich ge-dacht und gezeigt war? Variation: Dererste Spieler denkt sich eine Grimasseaus und gibt sie weiter. Der nächste Mit-spieler ahmt diese Grimasse nach unddenkt sich eine neue hinzu. Können dieanderen Mitspieler die verschiedenenGrimassen noch in eine Reihenfolge brin-gen?

Sich im Spiegel zu sehen, gehört zu denelementaren Selbsterfahrungen einesjeden Kindes. Ein lustvoller Umgang mitdem Selbstbild, das Erleben, dass es ge-wünscht wird, komisch auszusehen, kannbei vielen Kindern zur Entkrampfung desVerhältnisses zu sich selbst führen, unddas Akzeptieren der eigenen Personbegünstigen. Dies ist vor allem bei Kin-dern mit negativem Selbstbild und indivi-dueller Verunsicherung angezeigt, erfor-dert jedoch ein behutsames Vorgehenseitens der pädagogischen Fachkräfte.

Wir betrachten unser Spiegelbild

Voraussetzung für eine störungsfreieEntwicklung ist die Fähigkeit, den Einzel-nen möglichst zu einer intensiven Wahr-nehmung der eigenen Person gelangenzu lassen. Unsere auf Konsum und Ablen-kung beruhende Kinderkultur macht die-ses Ansinnen in immer größerem Umfangzum Problem. Kindern bieten sich immerweniger Möglichkeiten zu sich selbst zufinden, sich auf sich selbst zu konzentrie-ren, sich ihrer selbst gewahr zu werden.

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Ein wichtiger Schritt, um in einer Gruppezu sich selber zu kommen, ist es, Situa-tionen der Stille herbeizuführen, auszu-halten und das „Das bin ich“ zum Themazu machen. Neben Hand- und Fußab-drücken in Gips, Sich-malen-lassen inLebensgröße, Scherenschnitten, Foto-kopien von Körperteilen etc. können auchkreative und Phantasie fördernde Ele-mente zum Einsatz kommen, die durchdas Bereitstellen von Freiräumen das un-mittelbare Selbsterleben fördern.

Alle Kinder haben einen Spiegel, in demsie zumindest ihr Gesicht ganz sehenkönnen. Eine beruhigende, entspannen-de, leise Musik kann das Sich- Einfindenauf die eigene Person zusätzlich unter-malen. Durch einfühlsame, verbale Anlei-tung seitens der pädagogischen Fach-kräfte kann die kindliche Konzentrationauf bestimmte Körperteile (Augen, Nase,Stirn etc.) gelenkt werden, stets jedochaber auch ein Freiraum zur Eigenbeob-

achtung und anschließender Artikula-tionsmöglichkeit (in der Regel immer amEnde einer Einheit/Übung) gegebenwerden).

Die Durchführung eines solchen Spielswird erst nach mehrmaligem Üben in klei-neren Räumen mit wenigen Kindern,durchzuführen sein. Aktuelle Befindlich-keiten und vorhandene Räumlichkeitenbestimmen hier Ausmaß, Umfang undHäufigkeit.

Psychomotorische Ausdrucks- und Ko-operationsspiele eignen sich in hervorra-gender Art und Weise das Selbstbild unddie Selbstsicherheit des Kindes aufzu-bauen und zu unterstützen. In dem Maße,in dem wir Kindern die Möglichkeit zukreativem und phantasievollem Handelneinräumen, werden Kinder Eigendynamikentwickeln und zu einem sinnvollenHandeln in einer eingeschränkten Umweltgelangen.

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6.4 Bewegungsspiele sind wichtig!

Regelgeleitete Bewegungsspiele – insbe-sondere solche, die allen Kindern unbe-kannt sind – stellen ebenfalls ein geeig-netes Mittel zur Förderung aller Kinderder Gruppe dar:

• Spiele fördern nicht nur die motori-schen und sensorischen Fähigkeiten,sondern auch den kognitiven, sozialenund emotionalen Bereich (vgl. Schau-bild in Kapitel 3).

• Durch die meisten Spiele werden meh-rere motorische Fähigkeiten wie z.B.Körperkoordination, Gleichgewicht,Kraft oder Ausdauer gleichzeitig ver-bessert.

• Spiele motivieren insbesondere Kindermit einer schwächeren Motorik, an densie für sie ungewohnten Bewegungenteilzunehmen: Im „Eifer des Spiels“gehen viele Kinder an ihre motorischenGrenzen und führen Bewegungendurch, die zu einem Aufbau motori-scher Fähigkeiten führen.

• Viele Spiele bieten für die Kinder dieMöglichkeit zu selbst bestimmtenPausen. Die Gefahr der Überforderungist dadurch relativ gering.

• Letztlich ist auch die Effektivität derSpiele wesentlich höher. Man kann diesan der sogenannten Bewegungsdichteerkennen. Darunter versteht man denProzentsatz von Kindern, die im Laufeeiner Zeiteinheit gleichzeitig in Bewe-gung sind. In „Turnstunden“ geht z.B.durch Umziehen sowie durch Aufbau-und Wartezeiten usw. viel Bewegungs-zeit verloren. Diese beträgt pro 45 Minu-ten-Turnstunde für das einzelne Kindim Durchschnitt selten mehr als zehnMinuten. Hingegen erbringt eine Folge

von Fang- und Laufspielen, bei denenalle Kinder gleichzeitig in Bewegungsind, eventuell das gleiche Maß anBewegung für alle Kinder der Gruppein geringerer Zeit.

• Gerade in Wettspielen gehen vieleKinder über ihr normales Bewegungs-verhalten hinaus und gelangen somitin den Bereich, in dem es zu einereffektiven Förderung der Motorikkommt.

• Attraktive Spielideen werden von denKindern auch in ihr „freies Spiel“ (aufdem Schulhof oder in der Freizeit)übernommen. Es sollte hier bedachtwerden, dass das Spielrepertoire derKinder seit Jahren zurückgeht: Um dieJahrhundertwende kannten Kindernoch rund hundert Bewegungsspiele,heute sind es durchschnittlich fünf(Kahl, 1991).

Nicht alle Spiele eignen sich aber für denEinsatz im Kindergarten:• So sollte man z.B. Ausscheidungsspiele

vermeiden, da sie dem Gedanken dermotorischen Förderung zuwiderlaufen:Gerade die schwächsten Kinder, alsodiejenigen, die Bewegung am nötig-sten hätten, scheiden als erste aus undprofitieren damit nicht vom Spiel. Aufdiese Spiele sollte man daher eher ver-zichten oder sie entsprechend verän-dern. So können bei den Ausschei-dungsspielen, die von der Grundideeattraktiv sind, anstelle des Ausschei-dens zusätzliche motorische Übungengesetzt werden (z.B. irgend Etwasholen). Die Kinder, die sonst ausge-schieden wären, bewegen sich somitmehr, als diejenigen, die bei traditio-nellem Ablauf bis zum Schluss im Spielgeblieben wären.

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• Weiterhin sollte auch der Einsatz der(bei vielen Kindern beliebten) Wett-spiele geplant eingesetzt werden. Soist auf jeden Fall zu vermeiden, dassimmer die gleichen Kinder verlieren.Dies ist dadurch möglich, dass dieSpielauswahl so gestaltet wird, dassjedes Kind potentiell gewinnen kann –etwa durch Einbeziehung kognitiverAufgaben oder Zufallsentscheidungenin die Spiele. Dieses Ziel ist auch inhomogenen Gruppen gut realisierbar.Bestimmte Staffelspiele, bei denen eineinzelnes Kind sichtbar vor der ganzenGruppe verlieren kann, sollten vermie-den werden. Dies verhindert man da-durch, dass in den Spielen Aufgabennur von „Mannschaften“ gemeinsamgelöst werden können (vgl. NewGames). Motorisch schwächere Kinderstrengen sich in dieser Konstellationzwar ebenso an wie bei Einzelaktivitä-ten, ihre Schwäche wird aber nicht vorder gesamten Gruppe vorgeführt, sodass die Freude am Spiel erhalten bleibt.

Wenn man diese Überlegungen bei derSpielauswahl beachtet, eignet sich fastjedes Bewegungsspiel für die Angebotein den Gruppen. Wichtig ist allerdingseine gewisse Abwechslung, damit allemotorischen und sensorischen Fähigkei-ten gefördert werden können. An denSpielen sollten möglichst alle Kinder derGruppe teilnehmen. Weigern sich einzel-ne Kinder, so sollte man diesen Gelegen-heit geben, das Spiel zunächst eine Weilezu beobachten, um sich mit ihm vertrautzu machen und dann angstfreier mitma-chen zu können. Ausscheidungsspielesowie Staffeln, bei denen sich einzelneKinder vor der Gesamtgruppe blamierenkönnen, sollte man auch hier vermeiden.

Optimal sind Spiele, die

• mit möglichst wenig Material aus-kommen,

• keine längeren Vorbereitungen benöti-tigen,

• auch außerhalb von Kindergarten undSchule gespielt werden können,

• eine verständliche und möglichst kurzeInstruktion besitzen,

• die gesamte Gruppe mit einbeziehen,• eine vielfältige Förderung bieten und• allen Beteiligten Freude bereiten.

Wie kann man sich die spielerische

Bewegungsförderung nun in der Praxis

vorstellen?

Optimal sind kurze, spielerische Bewe-gungsspiele unterschiedicher Art, die inunregelmäßigen Abständen in den Tages-ablauf von Kindergarten und Grundschuleeingestreut werden. So bietet sich z.B.an, am Ende von bewegungsarmen Akti-vitäten eine Reihe kurzer Bewegungs-spiele für die ganze Gruppe anzubieten.Es ist dazu nicht nötig, die Kinder umzu-ziehen oder den Turnraum/Klassenraumfreizuräumen. Man kann ebenso gut mitder Gruppe kurz auf das Außengeländegehen und anschließend den normalenTagesablauf fortsetzen.

Für ungeübte Kinder erweisen sich 75Spielminuten in der Woche als ausrei-chend. Diese Zeitangabe bezieht sich aufSpielphasen zusätzlich zur Turnstundeund zusätzlich zur freien Bewegungszeit.Sind die motorischen Unterschiede zwi-schen den Kindern erst ausgeglichen,kann die Gesamtspielzeit für die angelei-tete Bewegungsförderung zu Gunstendes freien Spiels etwas reduziert werden.

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Eine Gesamtspielzeit von mehr als 20Minuten am Stück ist hier weniger güns-tig; besser ist dann eine zweite Spiel-phase nach einiger Zeit.

Die „Turnstunde“ soll als Institutiondurchaus beibehalten werden. Es wäreaber sinnvoll, sie inhaltlich neu zu ge-stalten und primär Bewegungsspieleunter Einbeziehung der in Turnräumenund Hallen vorhandenen Materialien an-zubieten. Günstig ist auch hier die Ver-bindung der Spiele mit Rahmenhandlun-gen. Deren Inhalte können z.B. den vor-herigen Gruppenaktivitäten entnommensein und somit eine thematische Verbin-dung zu den übrigen pädagogische Inhal-ten schaffen.

Die Frage, ob die Förderung in altersglei-chen oder altersgemischten Gruppen

günstiger sei, ist nicht eindeutig zu be-antworten, da beide Methoden ihre Vor-teile haben: Altersgleiche Gruppen sindbezüglich der reinen Förderungshöheüberlegen, da sich Kinder mehr anstren-gen, wenn sie mit Gleichaltrigen spielen.Auf der anderen Seite ist zu bedenken,dass es sich bei Kindergarten und Grund-schule um eine Einrichtung mit viel-schichtiger Zielsetzung handelt. Somitsind auch soziale Fähigkeiten (Rücksicht-nahme auf den Schwächeren) als Zielwichtig. Dies wird mit Sicherheit in alters-gemischten Gruppen besser gelernt.Man kann beide Methoden durchaus ab-wechseln, indem man zum einen Spielein der altersgemischten Gruppe anbietetund zum anderen zusätzlich ein Spiel-angebot für bestimmte Gruppen (z.B. diejüngeren Kinder) einrichtet.

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In Anbetracht der zunehmenden Anzahlwahrnehmungs-, bewegungs- und koordi-nationsbeeinträchtigter Kinder stehen inpsychomotorischen Fortbildungen mitpädagogischen Fachkräften und Lehr-kräfte immer zwei Fragen immer wiederim Mittelpunkt des Interesses:

• „Wie kann ich eine Bewegungs-störung, eine Wahrnehmungsstörungerkennen?“

• „Wie kann ich Kinder mit einer Be-wegungs-und/oder Wahrnehmungs-beeinträchtigung/-störung fördern?“

Eine befriedigende Antwort auf dieseFragen, die letztlich äußerst vielfältig undkomplex sind, kann im Rahmen dieserBroschüre verständlicherweise nichtgegeben werden. Einige Erläuterungenund Hinweise scheinen mir an dieserStelle dennoch wichtig zu sein.

Zunächst möchte ich auf den Begriff „Be-wegungs- bzw. Wahrnehmungsstörung“eingehen, unter welchem verschiedeneMenschen auch Unterschiedliches ver-stehen.

In Anlehnung an PAULI/KISCH (1992)kann Wahrnehmung als „... die Aufnahmevon Reizen aus der Umwelt und aus demKörper, deren Weiterleitung zum Gehirnund deren Verarbeitung“ verstandenwerden. Entsprechend sind Wahrneh-mungsstörungen „... Störungen entwe-der in der Aufnahme, der Weiterleitung

oder der Erarbeitung von Sinnesreizenzum und im Gehirn. Störungen bei derAuswahl und Filterung, beim Vergleichenund Speichern von Informationen führenzu falschen Reaktionen des Kindes.“

Um Wahrnehmungsstörungen frühzeitigund sicher erkennen zu können, müsseneventuell zugrunde liegende organischeStörungen ausgeschlossen werden. DerGang zum Kinder- oder Facharzt ist imdiagnostischen Prozess deshalb unver-meidlich. Bewegungsauffälligkeiten undWahrnehmungsstörungen haben viel-schichtige mögliche Ursachen und beein-flussen sich gegenseitig.

In Zusammenhang mit den Begriffen Be-wegungs- und Wahrnehmungsstörungentaucht oftmals auch der Begriff der Sen-

sorischen Integration auf (siehe vor allembei J. AYRES und I. BRAND). Integra-tionsstörungen können als basale Lern-störungen und/oder als eine Behinde-rung jeglicher Lernprozesse begriffenwerden. Sie äußern sich in einer Vielzahlvon Störungsbildern im Bereich der Moto-rik, der Wahrnehmung und des sozial-emotionalen Verhaltens, die überblick-haft wie folgt dargestellt werden können:

1. Taktiles Abwehrverhalten,2. Gestörte kinästhetische

Wahrnehmung,3. Gestörte Gleichgewichtswahrnehmung,4. Störungen der auditiven

Wahrnehmung,

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VII Bewegungs- und Wahrnehmungsstörungen

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5. Störungen dervisuellenWahrnehmung,6. Gestörte Figur-Grund-Wahrnehmung,7. Störungen der Muskelspannung,8. Nicht altersgemäß entwickeltes

Körperschema,9. Dyspraxie (Handlungsunfähigkeit),10. Störungen der Grobmotorik,11. Störungen der Feinmotorik,12. Störungen der Seitigkeit (Links-

Rechts-Unterscheidung).

Wir alle kennen aus unserer alltäglichenArbeit Kinder und Situationen, in denenSymptome aus den oben genanntenBereichen auftreten können. Idealtypischkönnte man in Anlehnung an Balster(1998) nun Situationen von Kindern miteinem allgemeinen Wahrnehmungs-mangel wie folgt beschreiben:

• Gegenstände oder Personen am Randedes Blickfeldes werden kaum/nichtgesehen.

• Ziele werden beim Werfen/Fangennicht getroffen.

• Unkonzentriertes Handeln.• Körperkontakt wird ver/-gemieden.• Formen und Gegenstände werden

nicht/kaum erfühlt.• Das Handeln mit einem Partner gelingt

nicht.• Auf bestimmte Signale oder Anwei-

sungen erfolgt keine Reaktion.• Farben werden schlecht unterschieden.• Ein vorgegebener Rhythmus kann nicht

eingehalten werden.• Das Kind wirkt schwerfällig, „ver-

krampft“.• Die links-rechts-Unterscheidung

gelingt nicht.• Die Orientierung am eigenen Körper

(vor allem auch bei geschlossenenAugen) gelingt nicht.

• Die Orientierung im Raum gelingt nicht.Im Folgenden wird eine der am häufig-sten, komplexesten und deshalb nichtleicht erkennbaren Bewegungs- undWahrnehmungsstörungen, die Dys-

praxie, beispielhaft näher beschrieben:

Bei der Handlungsplanung geht es umdie bewusste und zielgerichtete Planung

und Lenkung von Bewegungsabläufen.

Voraussetzungen für eine gute Hand-lungsplanung sind ein gut entwickeltesKörperschema, eine ausgewogene Sicher-heit in der Seitigkeit (links-rechts-Unter-scheidung, Überkreuzen der Körper-mittellinie), sowie eine sichere Zeit- undRaumwahrnehmung. Voraussetzungeneines sicheren Körperschemas sind einegute taktile, kinästhetische, vestibuläreund visuelle Wahrnehmung. Bewegungs-planung verlangt ein Höchstmaß an Auf-merksamkeit und Gedächtnisfähigkeitund fördert somit auch kognitive Fähig-keiten und Funktionen.

Symptomatik der Dyspraxie

• Verlangsamte, ungelenke Bewegun-gen.

• Schwierigkeiten beim Anziehen,Kneten, Schneiden, Zeichnen, Kleben,Nachmachen von Bewegungen.

• Unklare Vorstellung vom eigenenKörper bzw. einzelner Körperteile.

• Erlernen neuer Spiele/Regeln fälltschwer.

• Sprachliche Schwierigkeiten.• Schreibprobleme.

Unter Berücksichtigung entwicklungs-psychologischer Kriterien müssen wirwissen, dass 5– 6-jährige Kinder bereitsin der Lage sind, einfache Alltagshand-

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lungen mit einigen hintereinander folgen-den Bewegungsfolgen (laufen, drehen,hüpfen) zu beherrschen. Je jünger dieKinder sind, um so weniger sollten ver-bale Anleitungen eingesetzt werden, son-dern über das Tun und hier vor allem diekörperliche Berührung der Körper/Kör-perteile sensibilisiert werden.

Es empfiehlt sich, Förderangebote, wieAufgaben zur Körperwahrnehmung, zumNachmachen, zur Anpassung, zu selbstkonstruierten Bewegungen (Kreativitäts-und Problemlöseaufgaben), in einerReihenfolge anzubieten.

Im Umgang mit der Bezeichnung „bewe-gungs- oder wahrnehmungsgestört“muss uns klar sein, dass wir uns nichtvon einem oder zwei der genanntenSymptombeschreibungen leiten lassendürfen. Erst die Vielfalt der eigenen wiefremder Beobachtungen, die Ernsthaftig-keit von Gesprächen und die Summe anInformationen ermöglicht uns eine bes-sere Sichtweise.

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B e w e g u n g s - u n d W a h r n e h m u n g s s t ö r u n g e n

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Ausgangspunkt einer diagnostischen Vor-gehensweise ist immer ein beobachtetes„Problemverhalten“. Jedes „Problemver-halten“ steht in Zusammenhang mit einerVielzahl anderer Verhaltensweisen. Es istdeshalb immer wichtig, „das Andere“ zuerfahren. Wir müssen deshalb immer dieuns vorliegenden Informationen ordnenund strukturieren.

8.1 Warum ist die Beobachtung von

Kindern ein wichtiges pädagogisches

Anliegen?

Wir wissen, dass jedes Kind eine indivi-duelle Entwicklung durchläuft, die Raum,Zeit und Tempo für die einzelnen Lern-schritte braucht. Gerade bei Kindern imAlter von 3–6 Jahren und in zunehmen-dem Maße auch bei Kindern der erstenund zweiten Grundschulklasse finden wirdaher deutliche Unterschiede im Entwick-lungsstand und den einzelnen Fähigkeits-bereichen. Entwicklungstabellen, die fürjede Altersstufe eine Norm benennen,werden der individuellen Entwicklungeines Kindes deshalb nicht gerecht undsetzen pädagogische Fachkräfte/Lehr-kräfte und vor allem Eltern unter einenenormen Erwartungsdruck, der das Kindwiederum in seinen Entwicklungsmög-lichkeiten einengen oder gar bremsenkann.

Eine sinnvolle und zugleich wichtige Hilfestellt die Möglichkeit zur gezielten undstrukturierten Beobachtung des Kindes

dar. Ausgehend von Zufallsbeobachtun-gen können wir Kinder unter Verwendunggezielter Beobachtungskriterien in Spiel-und Bewegungssituationen genauer ein-schätzen:

• Warum will ich ein Kind beobachten?(vorangegangene Zufallsbeobachtun-gen/Defizite/Fähigkeiten/Elternfragenetc.?)

• Was genau will ich beobachten?(Motorik, Sprache, Sozialverhalten,Spielverhalten, Selbstständigkeit,kommunikatives Verhalten etc.?)

• Welche spezifischen Fähigkeiten willich beobachten? (z.B. aus dem Bereichder Bewegung: Grobmotorik/Gleichge-wichtsfähigkeit/Orientierungsfähig-keit/Fortbewegungsfähigkeit etc.?Oder aus dem Bereich der Wahrneh-mung: Figur-Grund-Wahrnehmung/räumliche Zuordnung/Über-/Untersen-sibilisierung des Tastsinnes etc.?)

• Muss ich eine Materialauswahl bereit-stellen oder das Kind in einer „natür-lichen“ Situation beobachten?

• In welcher Situation, zu welcher Zeit,wie lange, mit wem zusammen will ichbeobachten?

• Wie will ich das Ergebnis festhaltenund auswerten? (Fotos,Video/Form-blatt/Besprechung?)

Bei der gezielten Beobachtung müssenwir uns stets der Gefahr der subjektivenBewertung und Interpretation bewusstsein. Erwartungshaltungen können das

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VIII Förderdiagnostische Hinweise

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Beobachtungsergebnis leicht und schnellverfälschen. Eine gemeinsame Beobach-tung mit einer Kollegin ist deshalb oft-mals sinnvoll und angeraten. Auch müs-sen wir die Tagesform/-befindlichkeit desKindes, den jeweiligen situativen Kontext,die Größe der Gruppe etc. in unsere Aus-wertungen mit einbeziehen.

Grundsätzlich sollen unsere Beobachtun-gen nicht ein vermutetes Defizit einesKindes bestätigen, sondern im Sinneeiner förderdiagnostischen Vorgehens-weise die posiviten Fähigkeiten/Interes-sen entdecken, um von hieraus entspre-chende entwicklungsfördernde Angebotemachen zu können. Die Ergebnisse unse-rer Beobachtungen dürfen uns auch nichtzu vorschnellen Bewertungen veranlas-sen. Das Ergebnis muss durch andereund zusätzliche Informationen (Eltern-gespräch/häufigere Beobachtungen/Ge-spräch mit Fachleuten) gestützt, gegebe-nenfalls auch korrigiert werden.

8.2 Sind Testverfahren ein geeignetes

Mittel, um Informationen über den

Fähigkeitsstand eines Kindes zu

gewinnen?

Es gibt in der BRD eine Reihe von Tests,mit deren Hilfe abweichendes Verhalten,Bewegungs- und Wahrnehmungsauffäl-ligkeiten festgestellt werden können.Zu den geläufigsten und am häufig prak-tiziertesten sind die Folgenden zu zäh-len:

• MOT 4–6 (Motorik-Test für 4–6-jähri-ge) von Zimmer/Cicurs.

• DMB (Diagnostisches Inventar motori-scher Basiskompetenzen) von Eggert(5–9-jährige).

• Sensomotorisches Entwicklungsgittervon Kiphard.

• (CMV) Checkliste motorischer Verhal-tensweisen.

• FEW (Frostigs Entwicklungstest dervisuellen Wahrnehmung für 4–8-jährigeKinder).

• Kiphard, E. J.: Wie weit ist ein Kind ent-wickelt. Eine Anleitung zur Entwick-lungsüberprüfung.

Hinsichtlich des Einsatzes und der Ver-wendung sollten wir uns grundsätzlichdarüber einig sein, dass Tests lediglichHilfsmittel und ergänzende Mittel unserer(täglichen) Beobachtungen sein können.Der Hinweis auf eine Reihe gängiger Test-verfahren soll lediglich der Informationdienen und nicht als Aufforderung ver-standen werden, diese ohne eine fachlichqualifizierte Anleitung kritiklos „auszu-probieren“. Ferner ist zu berücksichtigen,dass viele Faktoren (z.B. die Tagesverfas-sung des Kindes, aktuelle physische undpsychische Verfassung des Kindes, Tages-zeit, Ablenkungen, emotionale „Wärme“der/des Testenden u.a.m.) die Testergeb-nisse verfälschen und uns somit ein fal-sches Bild der Fähigkeiten und Fertigkei-ten eines Kindes liefern können.

In der Regel ist Diagnostik im frühen Kin-desalter immer in Spielhandlungen zuintegrieren. Statt einer starren Testkon-struktion sind systematische und struktu-rierte Beobachtungssituationen altersan-gemessen. Als grobe Richtschnur, wasein Kind in welchem Alter können sollte,empfehle ich die Entwicklungsbausteinewie sie bei HOLLE (1993) und bei BAL-STER (1998) in sehr überschaubarer undaussagekräftiger Weise genannt werden.

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F ö r d e r d i a g n o s t i s c h e H i n w e i s e

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Mit diesen und ähnlichen Fragen setzensich pädagogische Fachkräfte und Lehr-kräfte in unseren Fortbildungsveranstal-tungen immer wieder auseinander. Ge-meinsam wurde und wird immer wiederüberlegt, wie äußere und innere Räumemöglichst kostengünstig oder kostenneu-tral so verändert werden können,dass sichdie Kinder im Sinne einer psychomotori-schen Erziehung und Förderung kreativund gleichzeitig sicher bewegen können.In den vorangegangenen Kapiteln istimmer wieder angeklungen, dass wir esin Kindergärten und Grundschulen mit inihrer Persönlichkeits- und Fähigkeitsent-wicklung sehr unterschiedlichen Kindernzu tun haben. Entsprechend des didak-tisch-methodischen Prinzips der Binnen-differenzierung müssen wir auch bei derAußengeländegestaltung von Kindergar-ten und Grundschule diese Fähigkeiten,mehr aber noch die Bedürfnisse derKinder berücksichtigen. Diese lassen sichstichwortartig folgendermaßen zusam-menfassen:

• Kinder brauchen Freiflächen, um sichauszutoben und zu bewegen.

• Kinder haben das Bedürfnis nach Ruheund Rückzug vom Gruppengeschehen.

• Kinder wollen kreativ werden und ge-stalten.

• Kinder wollen sich und ihre Umgebungwahrnehmen und entdecken.

Nehmen wir als Erwachsene diese Bedürf-nisse der Kinder ernst, so ist es unsere

Pflicht, entsprechende Räume mit inunsere Planungen zu integrieren undtatsächlich auch zur Verfügung zu stellen.Selbstverständlich gilt es hier auch Risi-ken und Gefahrenstellen für die Kinderauszuschließen. Allerdings sollten wir vorlauter Sicherheitsfragen nicht unserepädagogischen Überlegungen ins Abseitsführen. Hier gilt es „... einen erstrebens-werten Spielwert sicher zu ermöglichen –und es gilt nicht, eine Sicherheitsbestim-mung in eben noch bespielbarer Formumzusetzen“ (HARTMANN, 1998).

Der Kern und das Entscheidende unsererpädagogischen Überlegungen dabei istdie Förderung eines möglichst breitenBewegungs- und Wahrnehmungsreper-toires und die Aneignung vieler kogniti-ver Bewegungsmuster sowie die Motiva-tion insbesondere der Kinder, die imBewegungsbereich negative Erfahrungenmachten. Bei „schwächeren“ Kindernbewirken insbesondere kurze spieleri-sche Bewegungspausen für die gesamteGruppe bzw. Klasse, die flexibel in dieTagesabläufe eingeschoben werden, diehöchste Förderung. Alle Kinder profitie-ren stark von gut gestalteten Außenge-länden bzw. Schulhöfen, die attraktiveund vielfältige Bewegungsmöglichkeitenbieten.

Sowohl geleitete als auch freie Bewe-gungsangebote können durch eine ge-schickte Bauplanung unterstützt werden:

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IXWie kann die Bauplanung Bewegungsangebote

unterstützen oder: Was können wir mit einfachen

Mitteln in unserer Einrichtung verändern?

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• Kindergarten, -hort oder -krippe:

Um Bewegungsspiele für die ganzeGruppe anbieten zu können, wird eineausreichend dimensionierte Fläche inmöglichst großer Nähe zum Gruppen-raum benötigt (dieser ist in der Regeldurch seine Möblierung nur einge-schränkt nutzbar). Optimal sind hierFlächen auf dem Außengelände direktvor dem Gruppenraum, die z.B. durcheine leichte Überdachung ganzjähriggenutzt werden können. Praktikabelsind auch große Flure mit quadrati-schem Grundriss. Bei der Gestaltungdes Außengeländes ist die Möglichkeit,dass sich viele Kinder gleichzeitig be-wegen können und die Attraktivität undVielfalt der Angebote entscheidend.Ebenso wichtig wie psychomotorischeGeräte (die bestimmte und bei den Kin-dern sehr beliebte Schaukelbewegun-gen erst ermöglichen) sind daher z.B.Schrägen und Hügel, unterschiedlicheBodenbeläge, Gänge zum Durchkrie-chen oder Möglichkeiten für Sprüngeaus unterschiedlicher Höhe.

• Schule:

Auch hier ist es sinnvoll, den Zugangzum Schulhof als der größten Bewe-gungsfläche zu erleichtern (etwa durchdie Planung nur eingeschössiger Schul-gebäude mit direktem Zugang vom Klas-senraum aus für viele Klassen). Ist diesnicht möglich, sollte das Klassenzim-mer relativ groß sein, um zumindestnach dem Verschieben weniger Tischeeine Bewegungsfläche im Raum selbstzu erhalten. Ebenso kommt der Gestal-tung des Schulhofes eine große Bedeu-tung zu: Auch hier muss die umfassen-de Förderung sehr unterschiedlichermotorischer und sensorischer Fähigkei-

ten der Schüler Ziel sein. Dies ist nicht

nur durch die Modellierung der Fläche(z. B. kleine Hügel, schiefe Ebenen undSchrägen, Gelegenheiten zum Balan-cieren etc.) und die Verwendung unter-schiedlicher Materialien möglich, sinn-voll sind auch alle Gestaltungselemen-te, die Bewegungsphasen in den Pau-sen oder beim sonstigen Aufenthalt aufdem Hof unterstützen oder ermöglichen:Dazu zählen z.B. aufgemalte Markie-rungen auf dem Boden, mit denen Fel-der abgegrenzt sind. Noch wichtigerals Norm-Spielfelder für große Spiele(Sportunterricht) sind Felder (z.B.Kreise unterschiedlicher Größe, Kästenfür Hüpfspiele) für kleine Spiele in derPause oder im Rahmen von Bewegungs-angeboten im normalen Unterricht.

Haben Planer (und selbstverständlichauch Auftraggeber) den Anspruch, Kinder-tageseinrichtungen und Schulen zubauen, in denen Kinder umfassend geför-dert werden können, sind Überlegungenzur Sicherheit und der Ermöglichung vonBewegungsangeboten wichtige Bausteineim Planungsprozess. Angebote zur fachli-chen Unterstützung in diesen Fragen exis-tieren, sie müssen nur genutzt werden.Neu- und Umbauten sind mit den zustän-digen Trägern der gesetzlichen Unfallver-sicherung (in Hessen die UnfallkasseHessen) frühzeitig (in der Planungsphase)abzustimmen. Die Unfallkasse Hessenbietet bei Neu- oder Umbauten bereits inder Planungsphase Beratungen an. In derRegel finden sich im Rahmen gemein-samer Planungen Gestaltungsmöglich-keiten, die nicht nur sicher und attraktivsind, sondern auch Raum für Bewegungs-und andere pädagogische Angebotelassen.

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U n t e r s t ü t z u n g s m a ß n a h m e n b e i b au pl a n u n g u n d e i n r i c h t u n g sve r ä n d e r u n g e n

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10.1 Fort- und Weiterbildungen

Durch Zusatzqualifikationen bzw. Fortbil-dungen im Bereich der Psychomotorik/Motopädagogik/Wahrnehmungsförderungkönnen theoretische und vor allem prak-tische Grundlagen und Erfahrungen fürdie psychomotorische Arbeit erworbenwerden. Eingehende und weiterführendeInformationen erhält man bei den folgen-den Stellen:

• Aktionskreis PsychomotorikGeschäftsstelleKleiner Schratweg 32, 32657 Lemgo

• Aktionskreis PsychomotorikRegionalgruppe Hessen-NordRita HelleinerAlbshäusertorstraße 2435282 Rauschenberg

• Aktionskreis PsychomotorikRegionalgruppe Hessen-Süd

• Fachschule für MotopädieLindemannstraße 8, 44137 DortmundVoraussetzung ist eine sportpädagogi-

sche oder gymnastische Berufsausbil-

dung. Dauer: 1 Jahr. Abschluss: Staat-

lich geprüfte/r Motopädin/e.

• Psychomotorische Erziehung, sozialeIntegration und Rehabilitation e.V.Hoppenstedterstraße 4921073 HamburgIn einer 200-stündigen Fortbildung –

verteilt über ein 3/4 Jahr – werden die

Grundlagen psychomotorischer Erzie-

hung in Theorie und Praxis vermittelt.

• Aufbaustudiengang Motologie am Insti-tut für Sportwissenschaft und Moto-logie der Philipps-Universität MarburgBarfüßerstraße 1, 35037 MarburgDieser Studiengang wendet sich an

Akademiker mit Abschlüssen in Sport-/

Sonderpädagogik mit Fach Sport

Dauer: 2 Jahre

Abschluss: Diplom-Motologe

• Rheinische Akademie im FördervereinPsychomotorikStieldorfer Straße 1, 53229 BonnHier wird eine 200-stündige Zusatz-

qualifikation Psychomotorik angebo-

ten.

• Akademie für Motopädagogik undMototherapieKleiner Schratweg 32, 32657 LemgoHier werden Schnupperkurse, eine

Fortbildungsreihe zur Zusatzqualifika-

tion Motopädagogik (Vier Wochen-

kurse an jeweils verschiedenen Orten

der BRD), themenspezifische Lehr-

gänge und Lehrgänge Trampolinsprin-

gen mit Behinderten angeboten.

• Deutsche Akademie für Entwicklungs-Rehabilitation e.V.Heiglhofstraße 63, 81377 MünchenRichtet sich mit ihrem vielfältigen

Programm besonders auch an Fach-

kräfte, die mit Kindern arbeiten.

• Institut für Bewegungsbildung undPersönlichkeitsförderungSchleißheimerstraße 22–2480333 München.

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X Tipps, Anregungen, Beispiele

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Hier werden Themengebiete wie Psycho-

motorische Therapie, Bewegungsfreude

und Gesundheit im Alltag, kreatives Arbei-

ten und Gesundheitsvorsorge, Sprach-

und Wahrnehmungsförderung angeboten.

• Sportjugend HessenGeschäftsstelleOtto-Fleck-Schneise 460528 Frankfurt/Main.Bietet vielfältige Themen, Workshops

und Kongresse zu Schwerpunkten wie

z.B. Integrationssport, Spiel- und Frei-

zeitangebote, Seminare, zum Thema

Sinnesschulung oder hyperaktive

Kinder an.

• Fachhochschule Braunschweig/WolfenbüttelLudwig-Winter-Straße 238120 BraunschweigHier wird immer wieder ein berufsbe-

gleitendes Weiterbildungsangebot

„Psychomotorik/ Bewegungspädago-

gik für pädagogische Fachkräfte“

angeboten.

Dauer: 1 Jahr. Voraussetzung: abge-

schlossene pädagogische Berufsaus-

bildung und eine Berufstätigkeit von

mindestens drei Jahren.

• Institut für Klinische HeilpädagogikMainstraße 157, 63065 Offenbach/MainHier werden gezielte Seminare zu den

verschiedenen Wahrnehmungsberei-

chen, Montessori-Seminare u.a. ange-

boten.

• Deutscher TurnerbundOtto-Fleck Schneise 860528 Frankfurt/MainZusatzlizenzen (z.B. für Kleinkinder-

turnen)

• Verein zur Förderung wahrnehmungs-gestörter Kinder e.V.

Büdinger Straße 1760435 Frankfurt/MainHier werden spezifische Fortbildungs-

veranstaltungen, Workshops und

Jahreskongresse für pädagogische

Fachkräfte, Lehrkräfte und vor allem

auch für Eltern angeboten.

• Verein für psychomotorische Entwick-lungsförderung Bewegen-Spielen-Lernen e.V.Frankfurter Straße 92, 34121 KasselDie psychomotorische Bewegungs-

förderung richtet sich an Schulkinder

der Stadt Kassel und an alle Kinder der

näheren und weiteren Umgebung

Kassels im Altersbereich von vier bis

zwölf Jahren.

• Bildungswerk des LandessportbundesHessenGeschäftsstelleOtto-Fleck-Schneise 4,60528 Frankfurt/MainIn einem umfassenden Halbjahrespro-

gramm finden sich regelmäßig psycho-

motorische Fortbildungsveranstaltun-

gen, die an einem oder zwei Wochen-

endtagen stattfinden und für alle von

Interesse sind, die in Verein, Kinder-

garten, Schule tätig sind oder sich aus

persönlichen Gründen hierfür interes-

sieren.

Weitere Fortbildungsinformationen

sind bei den jeweiligen kommunalen,

kirchlichen, regionalen und überregio-

nalen Trägern von Kindergärten sowie

den Lehrerfortbildungsinstituten und

verschiedenen Vereinen zu erfragen.

Darüber hinaus können bei den oben

genannten Fortbildungseinrichtungen

Referentenlisten angefordert werden,

die ggf. Fortbildungen vor Ort zu den

jeweils aktuellen und spezifischen

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Ti p p s , A n r e g u n g e n , B e i s p i e l e

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Themen anbieten und durchführen.

Der BUK und die Unfallkasse Hessen

stehen ebenfalls für weitere Beratun-

gen und Fortbildungsveranstaltungen

zur Verfügung.

10.2 Zur Zusammenarbeit von Kinder-

garten, Schule und Verein

Vielerorts steckt die Zusammenarbeit vonKindergarten, Schule und Verein noch inden Anfängen. In den letzten Jahren hatsich jedoch die Anzahl der kooperieren-den Einrichtungen bereits sichtbar erhöht.Verbände, wie derzeit z.B. die SportjugendHessen, tun ihr übriges, um Kooperatio-nen entstehen und gedeihen zu lassen.

Die Erfahrung zeigt, dass zwischen denAngeboten des Vereins und den Ansprü-chen der Kindergarten- und Grundschul-erziehung noch große Lücken klaffen.In Anbetracht des Bewegungsbedürfnis-ses und des zunehmenden Bewegungs-mangels von Kindern im Vorschul- undGrundschulalter wird die Zusammenarbeitvon Kindergarten und Verein zu einemMuss.

Bewegungsförderung muss nicht aus-schließlich durch die Mitarbeiterinnen desKindergartens angeboten werden. So sindÜbungsleiterinnen von Sportvereinen imKleinkindturnen speziell ausgebildet. Voneiner Kooperation würden alle Seiten pro-fitieren. Die Sportvereine hätten in derFörderung des Breiten- und Gesundheits-sportes eine erweiterte Aufgabe: Der Kin-dergarten würde personell entlastet unddie Kinder erhielten eine Förderung durchspeziell ausgebildete Personen. Allerdingsmuss bei einer derartigen Kooperationvon Anfang an klar sein, dass es sich um

den Ausgleich zivilisationsbedingter Defi-zite für die schwächeren Kinder und nichtum das Training einer Sportart für diemotorisch stärkeren Kinder handelt.

10.2.1 Welche Voraussetzungen müssen

bei einer Zusammenarbeit von Kinder-

garten und Verein berücksichtigt werden?

Auf Seiten des Kindergartens ist die wich-tigste Voraussetzung die Bereitschaft,sich mit einem Verein auf eine regelmäßi-ge, dauerhafte und intensive Zusammen-arbeit einzulassen. Da sich Gruppenkon-stellationen, Gruppengrößen, Anzahl derGruppen im Kindergarten oft jährlich ver-ändern, wird der Kindergarten größereSchwierigkeiten haben, diese Regel-mäßigkeit und Dauerhaftigkeit zu gewähr-leisten.

Basis der Zusammenarbeit auf Seiten desVereins muss die Erkenntnis sein, dassBewegung, Spiel und Sport einen sinn-vollen Beitrag zur kindlichen Gesamtent-wicklung leisten und der Verein hier An-gebote machen kann. Aus dieser Positionheraus kann der Sportverein dem Kinder-garten das Angebot unterbreiten, für einBewegungs- und Spielangebot räumliche,sächlich-materiale, personelle Möglich-keiten auszuschöpfen und gemeindenahsowie kindgerecht regelmäßige Bewe-gungsstunden schaffen.

10.2.2 Formen der Zusammenarbeit

Chronologisch und idealtypisch kann eineZusammenarbeit wie folgt aussehen:

a) Stufe der Informationsbeschaffung

• Welcher/welche Sportverein/e gibt esam Ort?

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• Welcher/welche Sportverein/e befin-den sich eventuell in der Nähe?

• Welche kinderspezifischen Bewegungs-angebote unterbreitet der jeweiligeVerein? Gibt es überhaupt kinderspezi-fische Angebote?

• Besitzt der Verein eine eigene Halle/eigene Räumlichkeiten?

• Gibt es ein Programm des Vereins, inwelchem sämtliche Bewegungsange-bote vorgestellt sind? (Solche Pro-gramme liegen oft bei den Kommunenaus bzw. sind dort erhältlich.)

b) Gespräche mit den Verantwortlichen

des/ der jeweiligen Vereins/e

• Feststellung des Stellenwertes vonBewegungsangeboten für Kinder-garten/Grundschule und den Verein.

• Feststellung des Bedarfs an Bewe-gungsangeboten der Kinder.

• Erörterung organisatorischer Möglich-keiten der Zusammenarbeit (Anzahlder Gruppen, gewünschte Zeitpunkte,gewünschte Räumlichkeiten, gegebe-nenfalls personelle Unterstützungdurch den Verein z.B. Übungsleiter-Innen).

• Hallenbelegplan auf freie Zeiten hinüberprüfen, Bereitstellung von Materi-alien durch den Verein, Hallenmieteabklären, finanzielle Unterstützungdurch die Kommune/Träger erwirken;Schlüsselgewalt; telefonische Erreich-barkeit etc.).

• Interesse des Vereins am Aufbau mög-licher neuer Gruppen im Vorschul- undSchulalter abklären.

c) Perspektivische Zusammenarbeit• Schnupperkurse des Verein.• Einrichtung neuer Gruppen für

Kindergarten- und Grundschulkinder.

• Integration von Kindern in bereitsbestehende Gruppen.

• Ausbildung von pädagogischen Fach-kräften zum Übungsleiter Kindersport.

• Gemeinsame Aktionstage, Spiel- undSportfeste.

• Gemeinsame Informationsveranstal-tungen für Eltern.

• Gemeinsame Fortbildungsveranstal-tungen.

10.3 Der Aufbau psychomotorischer

Gruppen

10.3.1 Kriterien

• Gruppengröße (nicht mehr als 8–10Kinder ab vier Jahren aufwärts).

• Gruppenleiterin (pädagogisch-psycho-motorische Basisqualifikation; gegebe-nenfalls Fachübungsleiterin).

• Zeitlicher Rahmen (mindestens einmalwöchentlich 11/4 – 11/2 Zeitstunden; oftabhängig vom Hallenbelegplan).

• Räumlicher Rahmen (als vorteilhafterweisen sich sowohl Schulturnhallenals auch Vereinsturnhallen, da diesevielseitig benutzbar, veränderbar undbelastbar sind. Die robuste und un-empfindliche Grundausstattung ermög-licht zudem die vielfältige Realisierungvon Zielen und Inhalten. Das räumlicheEingebundensein in Plätze, Grünanla-gen etc. ermöglicht darüber hinausErfahrungen mit und in der Natur. Diein Kindergärten vorhandenen Räumesind in der Regel für die jeweilige Grup-pengröße zu klein und deshalb weniggeeignet).

Neben speziellen für Bewegung, Spiel undSport geeigneten Räumen (Turnhallen,Gymnastikräume etc.) müssen Kinder auch

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Frei-Räume erhalten, die der eigenen Ver-wendung und Gestaltung offenstehen.Eventuell leerstehende kleinere Räumeund Ecken können zu Stille-/Ruheräu-men, Dunkelräumen, Räumen mit einerbestimmten Materialausstattung (z.B.Schaumstoff ) umfunktioniert werden.Bestehende Räume sollen auf deren mög-liche Veränderbarkeit durch Raumteiler,Anbringen zusätzlicher Geräte (z.B.Schwung- und Schaukelmöglichkeiten),Herausnahme anderer Geräte/Möbelüberprüft werden.

10.3.2 Materialbedarf

Neben einer gewissen Grundausstattung,wie sie in allen Turnhallen zu finden ist,sollten kleinere Spiel- und Übungsmate-rialien bzw. -geräte aus den Bereichen derFreizeitspiele, psychomotorischen Spiel-materials und alltäglicher Gegenständeund Gebrauchsartikel vorhanden sein.

Nach Erfahrungen des Autors hat es sichals äußerst vorteilhaft erwiesen, wennpsychomotorische Gruppen ihren eigenenMaterialschrank zur Verfügung haben,der verschließbar und nicht für andereGruppen – so sinnvoll dies im Einzelfallauch sein mag – zugänglich ist. Hier kannman sich die unangenehme Arbeit desSuchens, Sortierens und Aufräumensersparen und die hierfür benötigte Ener-gie in die Sache selbst investieren.

Folgende Materialien und Geräte solltenzur Grundausstattung einer psycho-moto-rischen Übungsgruppe gehören:

• pro Kind ein Rollbrett• pro Kind ein Pedalo• 2–3 sogenannte Reha-Pedalos

• mehrere Trimmpoline• mehrere Minitrampoline• Bälle unterschiedlichster Größe,

Schwere und Oberflächenbeschaffen-heit (Tischtennisbälle, Japan Papier-bälle, Tennisbälle, Schaustoffbälle,Pezzybälle, 2 Physiobälle mit ca. 1 mDurchmesser, Igel- und Noppenbälle,Medizinbälle, Bälle der traditionellenSportspiele).

• Gymnastikreifen und Gymnastikseile(bunt), Tücher, Decken, Gardinen.

• 1 Riesenfallschirm oder Schwungtuch.• 1 Satz Frisbee- Scheiben.• Luftballons und Zeitlupenbälle.• 2 Sätze Bouncer.• Alltagsmaterialien (Kisten, Rohre,

Dosen, Autoschläuche, Korken,Murmeln, Netze, Schachteln, Joghurt-becher etc.).

• Viel Papier und viele bunte Stifte• Naturmaterialien

10.3.3 Was muss ich alles arrangieren,

bevor die erste Bewegungsstunde statt-

finden kann?

• Bedarfsanalyse

• Wieviele, welche Kinder in welchemAlter sollen, können, dürfen, müssenein Bewegungsangebot erhalten?

• Absprache innerhalb des Teams.• Kontaktaufnahme zu Kinderärzten und

anderen Fachkräften am Ort.

• Auswahl und Beschaffung von Ort und

Raum

• Klärung der finanziellen Rahmen-

bedingungen

• Materialbeschaffungskosten

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• Hallenmieten• Zuschüsse von Gemeinden und Verbän-

den.• Absprachen mit den Krankenkassen.• Honorarkosten.• Versicherungsschutzkosten.

• Gewährleistung eines entsprechenden

Versicherungsschutzes

• Findet die Stunde innerhalb des regu-lären Kindergartenbetriebes oder imRahmen des Übungsbetriebes im Ver-ein statt?

• Wie sind Kinder und Gruppenleiter ver-sichert? (Unfallkasse, Privaten Ver-sicherungsträger des Vereins, Kinder-gartens, Schulträgers.)

• Öffentlichkeitsarbeit

• Presseankündigungen• Örtliche Mitteilungsblätter• Aushänge in Arztpraxen und öffent-

lichen Einrichtungen

• Elternarbeit

• Erster Elterninformationsabend vor derersten Bewegungsstunde mit dem ZielInhalte, Methoden, Absichten des Ange-botes darzulegen.

• Erläuterung formaler Verfahren (Mit-gliedschafts-, Versicherungsfragen;ärztliche Verordnungen; Kleidung;Terminplanung) sind unbedingt not-wendig und ersparen viele weitereFragen und Telefonanrufe.

• Weitere Elterninformations- und Ge-sprächsabende mit dem Ziel anhandvon Videoaufnahmen, Fotografien unddurch praktische Selbsterfahrung In-halte kennen und verstehen zu lernen.

10.4 Buchtipps

Die in der folgenden Aufstellung genann-ten Bücher, Zeitschriften, Broschüren undVerlage stellen lediglich eine kleine Aus-wahl aus dem mittlerweile recht umfang-reichen Angebot zur Psychomotorik dar.Kurze Hinweise auf Themenstellung so-wie didaktische und/oder methodischeBedeutsamkeit sollen die Anschaffungdes einen oder anderen Buches/Zeit-schrift erleichtern. Auf umfangreiche,theoretisch orientierte Literatur wurdebewusst verzichtet. Es werden vielmehrBücher und Zeitschriften vorgestellt, dienach Meinung des Autors für das prakti-sche Tun von Kindern von besondererBedeutung sind.

A. Jean AyresBausteine der kindlichen Entwicklung

Springer Verlag: Berlin, Heidelberg.Auf der Basis neurophysiologischer

Gegebenheiten stellt die Autorin wichtige

Erkenntnisse über die frühkindliche

Entwicklung sowie über Ursachen kind-

licher Entwicklungsstörungen dar.

Ein Buch für all diejenigen, die Interesse

für beeinträchtigte, gestörte oder behin-

derte Entwicklung zeigen.

Klaus BalsterKinder mit mangelnden Bewegungs-

erfahrungen

Praktische Hilfen zur Förderung der

Wahrnehmung und Bewegungsentwick-

lung

Band I– IIIHerausgeber: Sportjugend NRW DuisburgIn 3 äußerst kompakten, jedoch sehr

praktischen und stets überschaulichen,

zudem noch sehr kostengünstigen Bän-

den, geht der Autor auf eine Vielzahl von

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Fragen und Problemstellungen bewe-

gungs-, wahrnehmungs- und entwick-

lungsauffälliger Kinder ein. Dieses Buch

ist ein Muss für jeden, der psychomoto-

risch tätig ist oder werden will.

Gela BrüggeborsKörperspiele für die Seele. 312 mal

Bewegung, Entspannung, Energie,

Anregungen zur Psychomotorik

rororo Sachbuch 8526: ReinbeckEin in einfacher, jedoch sehr anmutender

und verständlicher Sprache gehaltenes

Büchlein, das gerade für Eltern und

Erzieher vielfache Anregungen liefert und

als Einstieg in die Psychomotorik durch-

aus geeignet ist.

Ernst J. KiphardMotopädagogik

Verlag modernes lernen: Dortmund.Ein Muss für jede „Psychomotorikerin“,

da hier eine fundierte, theoretisch kurze,

aber sehr übersichtsreiche und praktisch

„aus dem Vollen schöpfende“ Einführung

in die Psychomotorik gegeben wird.

Hugo Kükelhaus/Rudolf zur LippeEntfaltung der Sinne. Ein Erfahrungsfeld

zur Bewegung und Besinnung.

Fischer-Verlag, alternativ 4065.Auf der Basis unserer reduzierten Sinnes-

wahrnehmungen in einer großtechni-

schen Gesellschaft stellt Kükelhaus an-

hand von 33 Stationen dar, dass und wie

wir unsere Sinne tatsächlich neu ent-

decken können.

Krista MertensKörperwahrnehmung und

Körpergeschick

Verlag modernes lernen: Dortmund.Für Eltern und Erzieher im Kindergarten

vielseitig verwendbares Buch, das viele

Anregungen zum Aufbau einer positiven

Selbst- und Körperwahrnehmung ver-

mittelt.

Ingrid OlbrichAuditive Wahrnehmung und Sprache

Verlag modernes lernen: DortmundEine ganzheitliche Spracherziehung

basiert auf elementaren Wahrnehmungs-

und Bewegungsentwicklungsprozessen.

Die Fülle praktischer Anregungen macht

die Anwendung auch im Vorschulbereich

sinnvoll.

Emmi PiklerLaßt mir Zeit. Die selbständige

Bewegungsentwicklung des Kindes

bis zum freien Gehen.

Pflaum Verlag: MünchenEin hochinteressantes, weil vom Denk-

ansatz her längst notwendiges Buch, das

von den Fähigkeiten des Kleinkindes

ausgeht und die Fähigkeit zur selbststän-

digen Entwicklung des Kindes immer

wieder betont. Über die bewegungs-

therapeutische Grundlegung des Buches

hinaus werden neue päda-gogische Per-

spektiven eröffnet, die dem Faktor Zeit

höchste Aufmerksamkeit schenken.

Helga Treeß u.a.

Soziale Kommunikation und Integration

Verlag modernes lernen: DortmundDer grundlegende psychomotorische

Gedanke von Bewegung und Spiel findet

hier breiten Raum. Zahlreiche Beispiele

und Beispielgeschichten werden theore-

tisch untermauert. Aufgrund der sehr

anschaulich und lebhaft dargestellten

Beispiele gut für den Einsatz im Kinder-

garten- und Grundschulbereich geeignet.

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Renate ZimmerBewegung, Spiel und Sport mit Kindern.

Lehr- und Lernmaterialien zur frühkind-

lichen Bewegungserziehung

Meyer & Meyer: AachenIn 12 Lehrbriefen werden wichtige Grund-

lagen der Entwicklung für 0–6-jährige

Kinder vermittelt.

Renate Zimmer / Hans CicursPsychomotorik. Neue Ansätze im Sport-

förderunterricht und Sonderturnen.

Verlag Hofmann: SchorndorfEin Muss für alle pädagogischen Fach-

kräfte und Lehrkräfte. In Kürze wird eine,

vor allem am leistungsschwachen Kind

orientierte Abhandlung über Inhalte und

didaktisch-methodische Fragen der Psy-

chomotorik dargestellt. Eine hervorragen-

de Auswahl psychomotorischer Beispiele

aus den Bereichen Körper-, Material- und

Sozialerfahrung gibt vielfältige Anregun-

gen für die Praxis.

10.5 Bücherliste

AWO Thüringen (Hrsg.)Gelebte Psychomotorik im Kindergarten.Kinder und pädagogische Fachkräfte

gemeinsam in Bewegung.

Verlag Hofmann: Schorndorf

Hajo BückenKim-Spiele. Spiele zum Sehen,

Schmecken, Riechen, Tasten, Hören und

Denken.

Hugendubel

Bundesarbeitsgemeinschaft zurFörderung haltungs- undbewegungs-auffälliger Kinder undJugendlicher (Hrsg.)Sportförderunterricht – Aus der Praxis fürdie Praxis I-IIIWiesbaden, Friedrich-Str. 14

Deutsche SportjugendBewegungserziehung für 0–6-jährige

Frankfurt/Main. Deutsche SportjugendFrühkindliche Bewegungserziehung

Frankfurt/Main

Deutsche SportjugendKindergarten und Sportverein.

Arbeitshilfen zur Zusammenarbeit.

Frankfurt/Main.

L. DiemAuf die ersten Lebensjahre kommt es an

Meyer &Meyer: Aachen

G. DupiusAkustische Wahrnehmung und Sprache

Verlag modernes lernen: Dortmund

C. EckertBewegungsraum Schule

Verlag modernes lernen: Dortmund

H. EhniKinderwelt – Bewegungswelt

Friedrich Verlag: Seelze

E. FischerWahrnehmungsförderung. Handeln und

sinnliche Erkenntnis bei Kindern und

Jugendlichen.

Verlag modernes lernen: Dortmund

A. Fischer-OlmAlle Sinne helfen mit. Ganzheitliche

Arbeit in Kindergarten, Vorstufe und

Grundschule.

Verlag modernes lernen: Dortmund

V. Friebel:Wie Stille zum Erlebnis wird. Sinnes- und

Entspannungsübungen im Kindergarten.

Freiburg.

M. FrostigBewegungserziehung. Neue Wege der

Heilpädagogik.

Ernst Reinhard Verlag: München

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H. Hartmann/S. SteinAußengeländegestaltung im

Kindergarten

In: inform 2–4/1998

K. Heimann/P. T. EhrlichBewegungsspiele für Kinder

Verlag modernes lernen: Dortmund

K. Heimann/P. EhrlichBewegungsspiele mit dem Pedalo

Verlag modernes lernen: Dortmund

S. HermGemeinsam spielen, lernen und wachsen.

Psychomotorik in der integrativen Arbeit

mit behinderten und nichtbehinderten

Kindern.

Luchterhand: Neuwied

Hessischer Gemeindeunfall-verband/ M. StichMehr Sicherheit durch Bewegung.

Psychomotorik im Kindergarten.

Darmstadt

U. HofeleErlebnisturnen. Der alternative Einsatz

von Turngeräten.

Verlag modernes lernen: Dortmund

B. HolleDie motorische und perzeptuelle

Entwicklung des Kindes

Beltz-Verlag: Weinheim

E. J. Kiphard/ A. LegerPsycho-motorische Elementarerziehung

Ein Bildband. Gütersloh

H. KöckenbergerBewegtes Lernen. Lesen, Schreiben und

Rechnen lernen mit dem ganzen Körper.

Verlag modernes lernen: Dortmund

A. Krawietz / C. Krawietz / M. RohrBewegung Kunterbunt

Sportjugend Hessen: Frankfurt/Main

A. Krawietz / C. Krawietz / M. Rohr/F. P. SchröderHeut bin ich Pirat!

Sportjugend Hessen: Frankfurt/Main

T. KunzWeniger Unfälle durch Bewegung

Verlag Hofmann: Schorndorf

T. KunzBewegungsspiele in Kindergärten

In: Handbuch KindertageseinrichtungenWalhalla: Berlin

T. Kunz u.a.

Spiele zur Bewegungsförderung im

Grundschulalter

Verlag gruppenpädagogischer Literatur:Wehrheim

T. KunzBauliche Voraussetzungen für

Bewegungsangebote im Kindergarten

In: Hollmann/Hoppe: Kindergärten päda-gogisch/architektonisch konzipieren undbauenEigenverlag des Deutschen Vereins füröffentliche und private Fürsorge:Frankfurt/Main

T. Kunz u.a.

Spiele zur Sicherheitserziehung und

Bewegungsförderung

Verlag gruppenpädagogischer Literatur:Wehrheim

T. Kunz u.a.

Das move-it-Buch

Meckenheim. Deutsche Verkehrwacht.

T. Kunz u.a.

Internationale Bewegungsspiele-Spiele

zur Förderung der Motorik, Sensorik und

interkulturellen Kompetenz

Verlag gruppenpädagogischer Literatur:Wehrheim

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W. Mahlke / N. SchwarteRaum für Kinder. Ein Arbeitsbuch zur

Raumgestaltung in Kindergärten.

Weinheim, Basel: Beltz-Verlag

K. MertensLernprogramm zur Wahrnehmungs-

förderung

Verlag modernes lernen: Dortmund

K. MiedzinskiDie Bewegungsbaustelle

Verlag modernes lernen: Dortmund

S. MolchoKörpersprache der Kinder

Mosaik Verlag: München

T. T. OrlickKooperative Spiele

Beltz Verlag: Weinheim

S. Pauli / A. KischGeschickte Hände

Verlag modernes lernen: Dortmund

S. Pauli / A. KischWas ist los mit meinem Kind.

Bewegungsauffälligkeiten bei Kindern.

Otto Maier Verlag: Ravensburg

G. Regel / A. J. WielandPsychomotorik im Kindergarten

Rissen Verlag: Hamburg

E. Rohde-Köttelwelsch (Hrsg.)Sehen – Spüren - Hören.

Wahrnehmung integrativ betrachtet.

Verlag modernes lernen: Dortmund

K. ScherlerSensomotorische Entwicklung und

materiale Erfahrung

Verlag Hofmann. Schorndorf

H. SinnhuberOptische Wahrnehmung und

Handgeschick

Verlag modernes lernen: Dortmund

A. StübingBewegung, Spiel und Sport mit Kindern

Westermann Verlag: Braunschweig

R. ZimmerMotorik und Persönlichkeitsentwicklung

im Vorschulalter

Verlag Hofmann. Schorndorf

R. ZimmerHandbuch der Bewegungserziehung.

Didaktisch-methodische Grundlagen und

Ideen für die Praxis.

Meyer & Meyer, Aachen

R. ZimmerSport und Spiel im Kindergarten

Klett Verlag: Stuttgart

R. Zimmer / H. CicursKinder brauchen Bewegung.

Brauchen Kinder Sport?

Meyer & Meyer, Aachen

A. ZimmermannGanzheitliche Wahrnehmungsförderung

bei Kindern mit Entwicklungsproblemen

Verlag modernes lernen: Dortmund

10.6 Zeitschriftenbezugsquelle

• Praxis der Psychomotorik

Verlag modernes lernenHohe Straße 39, 44139 Dortmund

• Motorik

Zeitschrift für Motopädagogik undMototherapieHofmann-Verlag SchorndorfPostfach 13 60

• Haltung und Bewegung

Hrsg.: BAG zur Förderung haltungs-und bewegungsauffälliger Kinder undJugendlicherFriedrichstraße 14, 65185 Wiesbaden

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Ti p p s , A n r e g u n g e n , B e i s p i e l e

Page 68: Band 3 - Unfallkasse Hessen: Startseite · 10.1 Fort- und Weiterbildungen ... Die kritiklose Verwendung vieler Medien (Video, Fernsehen, Gameboy, PC etc.) begünstigt einen Entfremdungsprozess,

• Sportpädagogik

Friedrichs-Verlag, Seelze

• Inform. Mitteilungsblatt der

Unfallkasse Hessen

Opernplatz 14, 60313 Frankfurt/Main

10.7 Broschüren

• BAG Haltung und Bewegung

Bewegungsmangel. Ein kostenlos zubeziehendes Faltblatt.

• BAG Haltung und Bewegung

Bewegung braucht das KindEin kostenlos zu beziehendes Faltblatt

• Bayerische Staatsregierung

Bewegung bedeutet Gesundheit

• Bewegungsfreudige Schule

Herausgegeben von der Bundes-unfallkasse (BUK) München

• BUK

Voraussetzungen und Möglichkeitender Sicherheitserziehung im Kinder-garten

• Bundeszentrale für gesundheitliche

Aufklärung

Die neue Sicherheitsfibel

• Bundeszentrale für gesundheitliche

Aufklärung

Kinderspiele. Anregungen zur gesun-den Entwicklung von Kleinkindern

• Bundeszentrale für gesundheitliche

Aufklärung

Unsere Kinder. Eine Broschüre fürEltern mit Kindern von 2–6 Jahren

• Hessisches Sozialministerium

Bewegung und Spiel im Kindergarten

10.8 Bezugsquellen

• Karl-Heinz SchäferPsychomotorische ÜbungsgeräteGroßer Kamp 6–8, 32791 Lage-Heiden

• Hans StanekerScheiblauermaterial zur rhythmisch-psychomotorischen ErziehungKarl-Brennenstuhlstraße 1472074 Tübingen

• Franz Carl WeberEntwicklungsfördernde MaterialienAllacherstraße 230e, 80999 München

• Wehrfritz GmbHKindergartenspiel- und Sportgeräte96473 Rodach bei Coburg

• Berthold WidmaierKindergartenbedarf, Waldstraße 3673773 Esslingen

• Holz-Hoerz GmbHPsychomotorische Geräte undHolzerzeugnissePostfach 1103, 72525 Münsingen

• Lehrmittelhaus Riedel GmbHUnter den Linden 15, 72762 Reutlingen

• Erhard SportPostfach 1163, 91533 Rothenburg o.d.T.

• Sport Thieme, Rompa, HelmstedterStraße 40, 38367 Grasleben

• Eibe, Industriestraße 197285 Röttingen

• Seidl-JerschabekPsychomotorische MaterialienPostfach 3017, 65745 Eschborn

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K a p i t e l X

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10.9 Video-Filme

• Ecker, S./Kiphard, E. J.:Psychomotorik in der SchuleVerlag modernes lernen: Dortmund

• Gerwig, K./Krawietz, C.:„Mehr Bewegung in Kindergärten“AV 1 TV & Video-Produktion:Kaufungen

• Kahl, R.: Das Schwinden der Sinne.

• Kunz, T./Koch, W.:„Move-it. Mehr Bewegung in denKindergarten“. Mekkenheim (erhältlichüber die Verkehrswachten und Kreis-bildstellen).

• Kunz, T./Koch, W.:„Move-it-. Mehr Bewegung in dieSchule“. Meckenheim (erhältlich überdie Verkehrswachten und Kreisbild-stellen).

10.10 Elternarbeit

Das Konzept der Psychomotorik sollteauch den Eltern gegenüber offensiv ver-treten werden. Eltern müssen den Grunderfahren, warum „Spielen“ und „Toben“einen hohen pädagogischen Stellenwertbesitzt, warum nunmehr feinmotorischeAktivitäten nicht mehr im Vordergrundder Kindergarten-Aktivitäten stehen unddas Kind unter Umständen auch einmalohne ein selbstgebasteltes Geschenkoder selbstgemaltes Bild nach Hausekommt. Diese Informationen sollen mitdem Appell verbunden werden, dieBewegungserziehung im Freizeit- undFamilienbereich der Kinder zu unterstüt-zen.

Haben Sie schon einmal daran gedacht,

• einen Elternabend zum Thema„Psychomotorik und deren Bedeutungfür die Entwicklung meines Kindes“ zuveranstalten?

• Eltern die Kunst des Rollbrett- undPedalo-Fahrens beizubringen?

• Eltern die Kunst des Rollbrett- undPadalo-Fahrens beizubringen?

• ein Bewegungs- und Wahrnehmungs-fest (vielleicht anstelle des sonst übli-chen Sommerfestes) anzubieten?

• die Wahrnehmungsfähigkeiten derEltern zu „überprüfen“?

Setzen Sie sich im Team, mit den Elternund mit dem Elternbeirat zusammen unddiskutieren Sie die Thematik. Sie werdenüber das Ergebnis überrascht sein.

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SicherheitBewegung

Mehr Sicherheit durch Bewegung

Schriftenreihe der Unfallkasse HessenBand 3

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g

ISBN 3–934729–02–9

Unfallkasse HessenOpernplatz 1460313 Frankfurt am Main

Regionalbüro NordhessenObere Königsstraße 834117 Kassel

Unfallkasse HessenPartner für Sicherheit

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