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Sanfter Tourismus - Notwendigkeit, Chancen, Grenzen - Nicole Vogel Diplomarbeit zur Erlangung des Grades einer Diplom-Kauffrau im Studiengang Tourismusmanagement an der Karl-Scharfenberg-Fakultt der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Erster Prüfer: Dr. Thomas Potempa Eingereicht am: 05.02.2008 Zweiter Prüfer: Prof.-Dr. Carmen Kissling

Sanfter Tourismus - Notwendigkeit, Chancen, Grenzen · begünstigt die Durchführung von Franchise-, Management- und Lizenzabkommen und erleichtert Hotelketten somit den Zugang zu

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Sanfter Tourismus

- Notwendigkeit, Chancen, Grenzen -

Nicole Vogel

Diplomarbeit

zur

Erlangung des Grades einer Diplom-Kauffrau

im Studiengang Tourismusmanagement

an der

Karl-Scharfenberg-Fakultät

der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel Erster Prüfer: Dr. Thomas Potempa Eingereicht am: 05.02.2008 Zweiter Prüfer: Prof.-Dr. Carmen Kissling

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II

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis V

Tabellenverzeichnis

VII

1. Einleitung

1

2. Rahmenbedingungen der Tourismusbranche 3

2.1 Reiseveranstaltermarkt 3

2.2 Flugmarkt 4

2.3 Hotelmarkt 5

2.4 Destinationenkonkurrenz

5

3. Umweltbewusstsein in Deutschland 7

3.1 Entwicklung des Umweltbewusstseins 7

3.2 Statistische Angaben 8

3.3 Umweltbewusstsein im Urlaub 9

3.4 Diskrepanz zwischen Bewusstsein und Verhalten

10

4. Tourismus und Umwelt 12

4.1 Umwelt � Ein touristischer Megatrend? 12

4.2 Ökologische Auswirkungen des Tourismus 13

4.2.1 Verkehrsmittelnutzung 14

4.2.2 Zersiedlung von Landschaften 17

4.2.3 Touristisches Abfallaufkommen 19

4.2.4 Wasserverschmutzung 21

4.2.5 Ressourcenverbrauch 22

4.2.6 Gefährdung der Artenvielfalt 23

4.3 Soziokulturelle Auswirkungen des Tourismus 26

4.4 Wirtschaftliche Abhängigkeit durch touristische Monokultur 29

4.5 Politische Auswirkungen 33

4.6 Positive Tourismusfolgen 35

5. Umweltverträglicher und sozialverantwortlicher Tourismus 38

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III

5.1 Sanfter Tourismus 38

5.2 Nachhaltiger Tourismus 40

5.3 Zusammenhang: Sanfter und Nachhaltiger Tourismus 43

5.4 Nachhaltige Tourismuswirtschaft

44

6. Tourismuspolitik 46

6.1 Staatlicher Einflussbereich 46

6.2 Akteure der Tourismuspolitik 51

6.2.1 Bundesebene 51

6.2.2 Länderebene 53

6.2.3 Kommunale Ebene 54

6.2.4 EU-Ebene 55

6.2.5 Globale Tourismuspolitik 57

6.3 Deklarationen und Initiativen 59

6.4 Gegenmaßnahmen der Wirtschaft

61

7. Umweltauszeichnungen im Tourismus 64

7.1 Gütezeichen im Allgemeinen 64

7.2 Gütezeichen im Tourismus 65

7.3 Weitere Umweltauszeichnungen 66

7.4 Einheitliche Umweltauszeichnung in Deutschland 71

7.5 Internationale Gütesiegelinitiativen

75

8. Umfrage zum Thema Sanfter Tourismus 77

8.1 Beschreibung der Problemsituation 77

8.2 Definition der Grundgesamtheit 78

8.3 Erhebungsmethode und Stichprobenauswahl 79

8.4 Konzeption des Fragebogens 80

8.5 Durchführung der Befragung 81

8.6 Auswertung der Ergebnisse 82

8.7 Zusammenfassung

94

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IV

9. Fazit

95

Literaturverzeichnis 97 Eidesstattliche Erklärung 104 Anhang A 105

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V

Abkürzungsverzeichnis

ADAC Allgemeiner Deutscher Automobilclub

AUbE Akademie für Umweltforschung und Bildung in Europa

BAT British American Tobacco

BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und

Reaktorsicherheit

bzw. beziehungsweise

CIPRA Commission Internationale pour la Protection des Alpes

CSD Commission on Sustainable Development

d. h. das heißt

DRV Deutscher Reisebüro Verband e. V.

EU Europäische Union

FEE Foundation for Environmental Education

F.U.R. Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V.

GATS General Agreement on Trade in Services

ICAO International Civil Aviation Organisation

ICLEI International Council for Local Environmental Initiatives

IUCN International Union for Conservation of Nature

LTU Lufttransport-Unternehmen-GmbH

min. mindestens

NFI Naturfreunde Internationale

NRO Nichtregierungsorganisation

Ö.T.E. Ökologischer Tourismus in Europa e. V.

RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V.

Tab. Tabelle

TUI Touristik Union International

u. a. unter anderem

UNEP United Nations Environment Programme

UNO United Nations Organization

usw. und so weiter

WHO World Health Organization

WTO World Tourism Organization

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WTradeO World Trade Organization

WTTC World Travel and Tourism Council

WWF World Wide Fund for Nature

z. B. zum Beispiel

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Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Instrumentarium der staatlichen Tourismuspolitik 51

Tab. 2 Umweltauszeichnungen im Tourismus 105

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1

1. Einleitung

�Zukünftig wird es nicht mehr darauf ankommen, dass wir überall hinfahren

können, sondern ob es sich lohnt, dort noch anzukommen.� (Hermann Löns,

1908)1

Die Tourismuskritik fußt auf frühen Wurzeln. Naturschützer, wie Hermann

Löns, erkannten bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bedeutung der

Umwelt für den Tourismus. Damals war das Reisen noch einer privilegierten

Oberschicht vorbehalten. Seit den 1960er Jahren ist eine quantitative

Ausweitung des Tourismus zu beobachten. Man spricht vom so genannten

Massentourismus. In der Folge wurde deutlicher, dass die Vielzahl an

Reisenden nicht ohne Folgen für die jeweiligen Urlaubsländer und die dort

ansässige Bevölkerung bleibt. Die Forderung nach einem Sanften Tourismus

wurde laut. In der vorliegenden Arbeit soll herausgestellt werden, was es mit

diesem Begriff und den damit verbundenen Veränderungen auf sich hat.

Ziel ist es die Notwendigkeit eines umweltverträglichen und

sozialverantwortlichen Tourismus zu betonen, dessen Grenzen aufzeigen

und das Engagement seitens der verschiedenen Akteure herauszustellen.

Mittlerweile ist man sich auf allen Ebenen der Tourismuswirtschaft bewusst,

dass Natur, Landschaft und Kultur der Urlaubsländer als �touristisches

Kapital� unbedingt zu erhalten sind. Politische Akteure setzen sich für ein

gesundes Tourismuswachstum mit möglichst geringen Umwelt- und

Kulturschäden ein. Letztendlich liegt es in der Verantwortung jedes einzelnen

Reisenden sich im Zielgebiet so verantwortungsbewusst wie möglich zu

verhalten. Mithilfe entsprechend gekennzeichneter Angebote und dem

eigenen Wissen und Gewissen wären dem Touristen alle Möglichkeiten

gegeben entsprechend umweltbewusst und sozial gerecht zu reisen. Ein

interessanter und bisher in der wirtschaftswissenschaftlichen

Tourismusliteratur wenig beachteter Aspekt ist die Informationsqualität im

Reisebüro in Bezug auf den Sanften Tourismus. Ein Großteil der deutschen

Touristen informiert sich und bucht nach wie vor im Reisebüro. Es stellt sich

demzufolge die Frage, inwiefern Expedienten über das Wissen und die

1 o. V. (2006), http://www.bfn.de/0323_iyesanft.html, 15.09.07.

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Bereitschaft verfügen, auf negative, tourismusinduzierte Auswirkungen

hinzuweisen und alternative Angebote zu unterbreiten. Um Antworten auf

diese Fragestellung zu erhalten und um die grundsätzliche Einstellung

gegenüber sanften Reiseangeboten zu erfahren, hat die Verfasserin im

Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit eine Befragung unter

Reisebüromitarbeitern durchgeführt. �Sanfter Tourismus � Notwendigkeit,

Chancen, Grenzen� soll einen umfassenden Einblick in die Materie des

umweltverträglichen und sozialverantwortlichen Reisens gewähren.

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2. Rahmenbedingungen der Tourismusbranche

2.1 Reiseveranstaltermarkt

Lange Zeit war der Markt der Reiseveranstalter durch eine stetig wachsende

Nachfrage gekennzeichnet, so dass keine Notwendigkeit bestand neue

Tourismuskonzepte zu entwickeln, sondern lediglich der Zuwachs an Kunden

befriedigt wurde. Infolgedessen bestand die Produktpalette der einzelnen

Reiseveranstalter größtenteils aus standardisierten, austauschbaren

Massenprodukten, die gegenüber der ebenfalls wachsenden Konkurrenz nur

über den Preiskampf durchgesetzt werden konnten. Die jahrzehntelange

Anwendung dieser Strategie zog gravierende Folgen sowohl für die

Nachfrage, als auch für die Tourismusbranche selbst nach sich. Anstelle von

maßgeschneiderten Qualitätsprodukten wurden die Urlauber mit

austauschbaren Massenprodukten und Dumpingpreisen geködert.

Mittlerweile leidet die Tourismusbranche infolge ihrer Preispolitik an

Unterkapitalisierung und niedrigen Renditen.2 Um trotz des Preisdrucks

weiterhin rentabel arbeiten zu können, nutzen die Unternehmen

Synergieeffekte. Flugsitze und Hotelbetten werden in großen Mengen zu

günstigeren Preisen eingekauft. Zudem übernahmen die führenden

Reiseveranstalter am Markt kleinere Konkurrenten und schlossen sich

gleichzeitig mit Fluggesellschaften, Hotel- und Reisebüroketten zu straff

organisierten Komplettanbietern zusammen. Diese neu entstandenen

Urlaubskonzerne können die einzelnen Reiseleistungen (u. a. Flug, Hotel)

aus einer Hand im eigenen Reisebüro anbieten und verfügen somit über ein

enormes Kontrollpotenzial. Das verschafft ihnen den Vorteil auf

Nachfrageeinbrüche im Zielgebiet schnell reagieren zu können, indem sie

Urlauberströme über Preissenkungen umlenken. Die Beherrschung des

Veranstaltermarktes wirkt sich außerdem positiv auf die Einkaufsmacht aus.

Verhandlungspartner können zu höheren Provisionen �gezwungen� werden.3

Rechtliche Veränderungen forcierten zusätzlich die Entwicklung in Richtung

Fusionen und Dumpingpreise. Bis 1994 durften unabhängige Reisebüros z.

B. TUI- oder Neckermann-Produkte nur verkaufen, wenn sie über bestimmte

2 Vgl. Friedl H. (2002), S. 92ff. 3 Vgl. o. V (1999), http://www.tab.fzk.de/de/projekt/zusammenfassung/ab59.htm, 17.12.07.

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Lizenzen verfügten. Diese Vertriebsbindung verstieß allerdings gegen die

Regeln der EU und wurde abgeschafft. Seitdem können unabhängige

Reisebüros selbst entscheiden, welche Produkte sie verkaufen und

entziehen sich somit der Kontrolle der Veranstalter. Im Rahmen der

vertikalen Integration, können Veranstalter ihre firmeneigenen

Reisebüroketten allerdings dazu anhalten bevorzugt konzerneigene Produkte

zu verkaufen. Urlaubskonzerne wie LTU, die nicht über eigene Reisebüros

verfügen, können diesen Nachteil nur durch Sonderangebote und

Sonderprovisionen ausgleichen. Gegenwärtig ist der Reiseveranstaltermarkt

durch einen weiterhin wachsenden Wettbewerbsdruck gekennzeichnet. Die

Konzentrationsbewegungen nehmen zu, die Zahl der ungebundenen

Reisebüros nimmt infolgedessen ab, wohingegen die Anzahl der

Kooperationen, Franchisesysteme und Reisebüroketten stetig größer wird.4

2.2 Flugmarkt

Auch im Flugmarkt kam infolge von Deregulierungsmaßnahmen Schwung in

die Konzentrationsbewegung. Seit 1991 wurde der Flugmarkt in der EU

weitgehend liberalisiert, indem Tariffreiheit, Teilprivatisierungen, die Freigabe

von Kapazitäten und erleichterter Marktzugang rechtlich verankert wurden.

Diese Veränderung brachte einen vernichtenden Konkurrenzkampf unter den

Fluggesellschaften mit sich, der vor allem über den Preiskampf ausgetragen

wurde. Zu diesem Zweck haben sich global agierende

Luftverkehrsnetzwerke, wie beispielsweise die Star Alliance, gebildet, da

Übernahmen oder Fusionen zwischen Flugunternehmen rechtlich verboten

sind.5 Thomas Petermann prognostizierte bereits 1999, dass unter diesem

massiven Wettbewerbsdruck und durch weiter sinkende Preisen langfristig

nur einige wenige Mega-Carrier, die mit multilateralen Allianznetzwerken

kooperieren, überleben werden. Ähnliches ereignete sich bereits in den

USA, nachdem der damalige Präsident Jimmy Carter 1978 die

Liberalisierung des US-Luftmarktes im Zuge seiner Politik des �Open Sky�

durchsetzte. 22 Fluggesellschaften sind seitdem vom Markt verschwunden

4 Vgl. Friedl H. (2002), S. 92ff. 5 Vgl. o. V (1999), http://www.tab.fzk.de/de/projekt/zusammenfassung/ab59.htm, 17.12.07.

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und von 176 Neugründungen hat nur eine einzige überlebt. Heute wird der

US-Luftmarkt zu weiten Teilen von American Airlines, United Airlines und

Delta Air kontrolliert. Petermanns Prognosen fanden in Europa eine

vorläufige Bestätigung, als 2001 infolge der US-Terroranschläge die

Kundenzahlen so massiv einbrachen, dass renommierte Carrier, wie u. a.

Swiss Air, zahlungsunfähig wurden.6

2.3 Hotelmarkt

Die Hotel- und Gastronomiebranche erlebte, ähnlich wie der Flugbereich, in

den 1990er Jahren eine Zunahme an Wachstums-, Konzentrations- und

Standardisierungsbewegungen.7 Die Tendenz hin zu Fusionen in erheblichen

Größenordnungen und mehr und immer weiter geflochtenen

Kooperationsnetzwerken wird seit 1995 durch das internationale Abkommen

über den Handel und die Dienstleistungen (GATS) verstärkt. Dieses

begünstigt die Durchführung von Franchise-, Management- und

Lizenzabkommen und erleichtert Hotelketten somit den Zugang zu neuen

Märkten. Zudem räumt das Abkommen ausländischen Unternehmen

denselben Anspruch auf Förderung und Vergünstigungen ein wie

ortsansässigen und erleichtert den Transfer von Personal und nicht zuletzt

den Transfer der Unternehmensgewinne ins Ausland. Infolgedessen

verschärft sich der Wettbewerb zwischen mächtigen Hotelketten und der

lokalen Privathotellerie.8

2.4 Destinationenkonkurrenz

Für Länder und Regionen, die über keinerlei wirtschaftliche Alternativen

verfügen, stellt der Tourismus eine der wenigen Chancen dar, Anschluss an

den Weltmarkt zu finden. Die Entwicklung einer touristischen Infrastruktur

wird jedoch oftmals von westlichen Beratern und transnationalen Konzernen

beeinflusst, die das jeweilige Zielgebiet an die Bedürfnisse der Kunden und

6 Vgl. Friedl H. (2002), S. 102f. 7 Vgl. o. V (1999), http://www.tab.fzk.de/de/projekt/zusammenfassung/ab59.htm, 17.12.07. 8 Vgl. Friedl H. (2002), S. 103f.

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somit an gängige Standards anpassen. Damit geben Destinationen ihre

einzigartigen Elemente auf und werden im Hinblick auf die internationale

Destinationenkonkurrenz austauschbar. Niedrige Preise sollen das Ziegebiet

für potenzielle Kunden attraktiv machen. Wenig Beachtung findet hierbei die

Tatsache, dass weltweit ein harter Konkurrenzkampf unter den Destinationen

vorherrscht, die sich auf austauschbare Merkmale, wie z. B. Sonne und

Traumstrand, konzentrieren. Zielgebiete sind in hohem Maß abhängig von

transnationalen Unternehmen. Diese bleiben aber nur für die Dauer der

Attraktivität und der bestehenden Nachfrage und ziehen schließlich zu einer

neuen Destination weiter. Trotzdem verbünden sich die Zielgebiete nicht

gegen die gegensätzlichen Interessen der transnationalen Konzerne,

sondern versuchen durch Preisreduktionen Wettbewerbsvorteile zu

erreichen. Manche Regierungen haben begriffen, dass die Niedrigpreispolitik

den Interessen des Landes schadet und konzentrieren sich stattdessen auf

hochwertige Angebote. Immer mehr Konsumenten verlangen nach

differenzierten Reiseprodukten.9

9 Vgl. Friedl H. (2002), S. 104ff.

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3. Umweltbewusstsein in Deutschland

3.1 Entwicklung des Umweltbewusstseins

Ohne Umweltbewusstsein kann es keine Lösung der globalen

Umweltproblematik geben. Erst seit Beginn der 1970er Jahre ist eine

Zunahme des Umweltbewusstseins in der Bevölkerung zu beobachten.

Zahlreiche Umweltkatastrophen und die immer deutlicher sichtbare

Umweltverschmutzung beeinflussten das Bewusstsein der Menschen. 1972

veröffentlichte der Club of Rome10 den Bericht �Die Grenzen des

Wachstums�, in dem eine drohende ökologische Katastrophe durch Kriege,

Ressourcenverschwendung, Wassermangel, Luftverschmutzung,

Überbevölkerung und Klimaveränderung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit

gerückt wurde.11 Weiter verstärkt wurde das Umweltbewusstsein durch das

so genannte �Waldsterben� in den 1980er Jahren, den Rhein-Gau 1983, als

30 Tonnen gefährliche Chemikalien in den Rhein flossen, sowie durch die

Atomreaktor-Katastrophe 1986 in Tschernobyl. Die erste Hälfte der 1980er

Jahre wird oft als Höhepunkt der Umweltbewegung benannt und als Phase

besonders ausgeprägten Umweltbewusstseins angesehen. Die Gründung

bedeutender Umweltschutzgruppen, wie beispielsweise die deutsche Sektion

von Greenpeace und Robin Wood fällt ebenso in diese Zeit wie die

Gründung der Partei Die Grünen (heute: Bündnis 90 / Die Grünen).12

Zusätzlich beeinflusste die zunehmende Thematisierung des

Umweltproblems in den Medien das immer größer werdende Bewusstsein

der Menschen. Auch der Informationsstand der Menschen über Umwelt und

Natur hat sich verbessert und die umweltbezogenen Wertehaltungen und

Grundeinstellungen wurden sensibilisiert. Allgemein ist das

Umweltbewusstsein in Deutschland vergleichsweise stark ausgeprägt.13

10 Club of Rome = Gemeinnütziges, internationales Netzwerk, dessen maximal 100 ausgesuchte Mitglieder in allen Lebensbereichen, d. h. in allen Kulturen, Ideologien, Berufen und Wissenschaftszweigen, vertreten sind 11 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 69ff. 12 Vgl. o. V., http://de.wikipedia.org/wiki/Umweltbewusstsein, 02.12.07. 13 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 69ff.

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3.2 Statistische Angaben

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

(BMU) führt im Abstand von 1-2 Jahren eine Studie zum Umweltbewusstsein

in Deutschland durch. 2006 sahen 25% der Bundesbürger den Umweltschutz

als wichtigstes Problemfeld Deutschlands. Besonders die Thematik des

weltweiten Klimawandels dürfte dafür verantwortlich sein, dass

Umweltprobleme im Allgemeinen in den letzten zwei Jahren verstärkt in das

öffentliche Bewusstsein vorgedrungen sind.

Allerdings werten die Deutschen andere politische Aufgaben, wie etwa die

Situation am Arbeitsmarkt, mit einer höheren Priorität.

Interessant ist auch die Sichtweise der Bevölkerung hinsichtlich der lokalen

und globalen Umweltqualität. Je weiter der Blick auf den Zustand der Umwelt

in die Ferne schweift, desto schlechter wird das Urteil. 84% bewerten die

Umweltqualität in der eigenen Gemeinde mit sehr gut oder recht gut

wohingegen nur 9% die weltweite Umweltqualität so optimistisch

einschätzten. Durch die Massenmedien transportierte globale

Umweltprobleme wie der Klimawandel, der Verlust biologischer Arten, sowie

stark ansteigende Umweltbelastungen in Schwellen- und

Entwicklungsländern werden der Bevölkerung offensichtlich immer bewusster

und färben das Urteil stark negativ ein. Nur in der eigenen kleinen Welt zu

Hause scheint der Zustand der Umwelt noch in einem guten Zustand zu sein,

hier gibt es keinen unmittelbaren Handlungsdruck.14

Im Hinblick auf die weltweiten Umweltprobleme jedoch ist die Bevölkerung

erkennbar beunruhigt und verlangt nach mehr Umweltschutz. Im Rahmen

einer Untersuchung des BMU zum Umweltbewusstsein bei Urlaubsreisen in

Deutschland forderten 73% der Befragten mehr Engagement für den

Umweltschutz seitens des Staates. Schließlich konnte die Regierung durch

Umweltschutzmaßnahmen wie beispielsweise die Einführung des Grünen

Punkts oder die Verpackungsverordnung von 1991 beachtliche Erfolge

erzielen. Allerdings spiegelt die Forderung nach staatlichen Maßnahmen

auch die Tatsache wieder, dass Menschen in unserer Gesellschaft ungern

14 Vgl. o. V., http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3113.pdf, 02.12.07.

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Eigeninitiative ergreifen und die Verantwortung eher an andere abgeben

möchten.15 So sank die Zahl der aktiven Umweltschützer von 28,7% im Jahr

1990 auf 14,8% im Jahr 1999.

3.3 Umweltbewusstsein im Urlaub

In Bezug auf Urlaubsreisen hat das Umweltbewusstsein im Verlauf der

1980er Jahre eine zunehmende Bedeutung in der deutschen Bevölkerung

erlangt.16

Im Jahr 2001 führte Prof. Dr. Torsten Kirstges eine Befragung in deutschen

Privathaushalten zum Thema Umweltbewusstsein im Tourismus durch. Auch

in diesem Bereich zeigt sich, dass durchaus Interesse an

Umweltinformationen besteht, allerdings wenig Motivation zu dessen aktiver

Umsetzung vorhanden ist. 72,7% der Befragten erwarten von ihrem

Reisebüro, dass es in der Lage ist über die Umweltsituation im Zielgebiet zu

informieren. Tipps für umweltschonendes Verhalten, detaillierte Hinweise zu

Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen und die Kennzeichnung

umweltfreundlicher Angebote in Katalogen und Prospekten werden von über

50% als wichtig bis sehr wichtig eingestuft. Die Umweltqualität der

Destination ist auch ein wichtiger Aspekt bei der Reiseentscheidung. 58%

der Befragten sehen Umweltverschmutzung im Urlaubsland als Hürde an

und würden sich davon vom Urlaub in diesem Zielgebiet abhalten lassen.17

Der Tourist bemerkt zwar die verunreinigte und zerstörte Umwelt, sieht aber

nicht seinen eigenen Beitrag zu dieser Schadensanrichtung. �Der Tourist ist

immer wieder ein anderer Mensch.�18 Davon abgesehen hat die

Sensibilisierung der Touristen für Umweltprobleme stark zugenommen, was

sich auch darin äußert, dass Umweltverschmutzung im Zielgebiet vermehrt

bemerkt wird. Das Urlaubsmotiv Natur ist von wachsender Bedeutung,

weshalb auch besonders wichtige Zielgebiete nicht mehr den Vorstellungen

kritischer gewordener Touristen entsprechen. So haben z. B. spanische

Ferienziele, wie vor allem die Kanarischen Inseln, immer wieder starke

15 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 29ff. 16 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 69ff. 17 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 121ff. 18 Krippendorf, J. (1986), S. 133.

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Buchungsrückgänge zu verzeichnen. Diesen und anderen Zielgebieten des

Massentourismus droht durch bereits vorhandene Umweltschäden in Zukunft

eine Urlauberabstinenz. Noch sind in alternativen Zielgebieten keine

ausreichenden Kapazitäten vorhanden, doch erste Anzeichen sprechen

schon für eine Neuorientierung der Nachfrager.19

Die zukünftige Entwicklung des Umweltbewusstseins steht in enger

Verbindung mit der wirtschaftlichen Situation. Denn Produkte mit

Umweltqualität und Umweltschutz im Allgemeinen haben ihren Preis. Im

Rahmen einer Untersuchung des BMU im Jahr 2000 gab lediglich die Hälfte

der Befragten an, dass sie bereit wären höhere Preise für umweltfreundliche

Produkte zu zahlen. Knapp 50% sprachen sich gegen Zahlung von höheren

Steuern und Abgaben für einen verbesserten Umweltschutz aus. Die

Bevölkerung will sich nicht verpflichten lassen einen finanziellen Beitrag zum

Umweltschutz zu leisten.20

Die statistischen Angaben zeigen, dass die Reisenden durchaus für das

Thema Umwelt sensibilisiert sind, allerdings steht diesem Bewusstsein oft ein

widersprüchliches Verhalten gegenüber.

3.4 Diskrepanz zwischen Bewusstsein und Verhalten

Zwei Drittel der Bundesbürger gaben bei einer BAT-Studie21 an, in den

letzten Jahren vor der Befragung umweltbewusster geworden zu sein, aber

nur bei 18% war ein umweltbewussteres Verhalten zu beobachten.

Im umweltschonenden Handeln im Urlaubsgebiet sind nur geringe

Fortschritte zu verzeichnen. Angesichts des alljährlichen Reiseaufkommens

kann von Umweltverträglichkeit keine Rede sein. Jedes Jahr nehmen die

Urlauber kilometerlange Staus in Kauf, um ihr Urlaubsziel zu erreichen.

Zudem besuchen sie weiterhin Orte, die Ziel einer großen Zahl anderer

Reisender sind und aus diesem Grund nur wenig intakte Natur zu bieten

haben. Auf der Seite der Verbraucher scheint das Umweltbewusstsein zu

19 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 136ff. 20 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 29ff. 21 BAT = Die Stiftung British American Tobacco fördert die Entwicklung von Ansätzen zur nachhaltigen Lösung künftiger Gesellschaftsprobleme

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stagnieren. Umwelt scheint zu einem alltäglichen Thema in unserer

Gesellschaft geworden zu sein.22

Auch in die Urlaubsplanung wird das durchaus vorhandene

Umweltbewusstsein noch nicht effektiv integriert. Nur 11,7% der Kunden

fragt eigenständig nach Informationen zur Umweltsituation im Urlaubsort und

wenn überhaupt besteht fast ausschließlich Interesse an der Strand- und

Wasserqualität. Auch wenn die Deutschen im Vergleich zu anderen

europäischen Staaten relativ umweltsensibel und sogar handlungsbereit

sind, nehmen sie dennoch kaum Einschränkungen ihres Lebensstandards

zugunsten der Umwelt in Kauf. Die Verantwortung für die Umwelt wird eher

an die Politik, die Technik, die Wissenschaft oder eben an die Reisebranche,

und dort in erster Linie den Reiseveranstaltern, weitergereicht. Problematisch

ist vor allem, dass sich Touristen zwar über die Umweltqualität im Zielgebiet

informieren, aber oftmals nicht bedenken, dass auch ihre Urlaubsreise

Auswirkungen auf die Umwelt hat. Die Voraussetzungen für

umweltbewusstes Verhalten sind zum einen ein ausreichendes Wissen

hinsichtlich der Auswirkungen der Reise und zum anderen eine persönliche

Betroffenheit, die aus Erfahrungen vorangegangener eigener Reisen oder

den Erzählungen Bekannter oder dem alltäglichen Leben stammen.23

22 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 69ff. 23 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 137ff.

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4. Umwelt und Tourismus

4.1 Umwelt � Ein touristischer Megatrend?

Tourismus und Umwelt gehören zusammen, wobei Umwelt durchaus ohne

Tourismus, Tourismus aber nicht ohne Umwelt existieren kann. Unter

Umwelt sind sowohl Natur und Landschaft, als auch Kultur und soziale

Aspekte zu verstehen.24

Reisen ist die populärste Form des Glücks. Den Reisenden treibt es fort vom

unmenschlichen Alltag der modernen Industriegesellschaft, hinaus in die

Ferne in die unberührte Natur, um dort seinen Wunschtraum nach Freiheit zu

erfüllen. Zwei Formen des Tourismus müssen unterschieden werden: �Hin zu�

und �Weg von�.25 Der �Hin zu� �Tourismus findet aus Interesse an anderen

Ländern und Menschen und der Freude am Reisen und Forschen statt. Die

Destination wird gezielt ausgewählt.

Im Gegensatz dazu spielt das Reiseziel für den �Weg von� �Touristen nur

eine untergeordnete Rolle. Der Urlaub vom Alltag soll Distanz vom Stress im

Beruf, in der Familie und der Konfrontation mit globalen Problemen (Terror,

Welthunger�) bringen. Freiheit, Abwechslung, Entspannung und Erholung

als natürliche Bedürfnisse jedes Menschen stehen am Anfang der

touristischen Nachfrage.26 Am Urlaubsort kommt es zu Begegnungen mit den

Einheimischen. Diese Begegnung kann harmonisch ablaufen oder einer

Konfrontation gleichen. �Hin zu� �Touristen haben sich bewusst für ihr

Reiseziel entschieden und sind zumeist mit den Gegebenheiten des Landes

vertraut. �Weg von� �Touristen suchen Freiheit und sind oftmals nicht bereit

Einschränkungen in ihrer persönlichen Freiheit hinzunehmen. Das kann zu

Konfrontationen mit den Bereisten führen, die sich hier in ihrer

Alltagssituation befinden und das Verhalten der Touristen nicht

nachvollziehen können.27

Ökologie und Moral sind die großen Spielverderber im Urlaub. Trotzdem

muss rücksichtslosem Verhalten gegenüber Natur und Kultur frühzeitig

Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Situation ist paradox: Tourismus

24 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000) S. 68ff. 25 Vgl. Klingenberg, K.-H. (1991), S. 8ff. 26 Vgl. Klingenberg, K.-H. (1991), S. 12. 27 Vgl. Klingenberg, K.-H. (1991), S.10f.

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braucht und bedroht Umwelt zugleich.28 Einen wesentlichen Teil der

Lebensqualität von Urlaub macht das Natur- und Landschaftserleben aus.

Zunehmender Wohlstand, Motorisierung und die Abnahme der Arbeitszeit,

sowie die damit verbundene Zunahme von Freizeit haben dazu geführt, dass

Massen von Urlaubern sich dieses Vergnügen gönnen. Die Erschließung

neuer Zielgebiete ist keinesfalls die Lösung des Problems. Vielmehr wird der

sanfte Tourist gesucht, der möglichst keine Spuren hinterlässt. Das heißt, der

gesuchte verantwortungsbewusste Tourismus geht einher mit einer

Veränderung des Reiseverhaltens. Umweltbewusst denken ist eine Sache,

umweltbewusst handeln eine ganz andere. Freiwillig aus persönlicher

Einsicht heraus sollen Reisende auf lieb gewonnene Freizeitaktivitäten

verzichten. Konkret bedeutet das: mehr Freizeit haben, aber die

Freizeitmobilität einschränken, mehr Sportinteressen haben, aber nicht alle

Sportarten ausüben können, mehr Urlaub haben, aber nicht überall hinreisen

können. Persönliche Opfer, Nachteile und Unbequemlichkeiten müssen in

Kauf genommen werden.29

4.2 Ökologische Auswirkungen des Tourismus

Tourismus bringt, genau wie jede andere menschliche Aktivität,

Umweltveränderungen mit sich - Neben positiven Einflüssen ist auch eine

Vielzahl negativer zu nennen. Es gilt: Ein Tourismus ohne

Beeinträchtigungen der Umwelt ist nur derjenige, der nicht stattfindet.30 Diese

Kritik läuft darauf hinaus, aus ökologischen Überlegungen heraus

Reiseverbote auszusprechen. Neben der Tatsache, dass Verbote die

Legitimität eines demokratischen politischen Systems untergraben, ist es

illusorisch auf diese Weise einen umwelt- und sozialverträglicheren

Tourismus erzwingen zu wollen.

Die Tourismuswirtschaft ist einer der wenigen, wenn nicht sogar der letzte

der Wirtschaftszweige, die noch Gewinn und Beschäftigung bieten können.

Bedenkt man, dass die bevölkerungsreichsten Länder der Erde, und somit

28 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 9ff. 29 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 11ff. 30 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 64ff.

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der größte Teil der Weltbevölkerung, noch keinen Anteil an Tourismus und

Reisen hat, so wird deutlich, dass der Zenit der Tourismusentwicklung, und

damit verbunden der Zenit der tourismusinduzierten Auswirkungen, noch

längst nicht erreicht ist.31

Momodou Cham, der Tourismusminister Gambias, bemerkte ganz richtig:

�Tourismus ist wie Gift � an einer Überdosis stirbt man�.32 Damit spielt er auf

die Vielzahl ökologischer und soziokultureller Probleme an, die Tourismus,

und insbesondere Massentourismus, heute mit sich bringt. Sollten China,

Indien und die afrikanischen Länder jemals beginnen nach dem westlichen

Vorbild zu reisen, so werden die negativen Folgen nicht mehr einzudämmen

sein. Die wesentlichen Aspekte der touristischen Umwelt- und

Sozialproblematik werden in den folgenden Abschnitten erläutert.

4.2.1 Verkehrsmittelnutzung

Die größte tourismusinduzierte Umweltbelastung resultiert aus dem

Transport. Die Wahl des Verkehrsmittels ist von entscheidender Bedeutung,

da 90% des gesamten Energieverbrauches auf die An- und Abreise

zurückzuführen sind.33

Aus ökologischer Sicht sind Bus und Bahn die umweltschonendsten

Verkehrsmittel, während sich der PKW und vor allem das Flugzeug für den

Großteil der, durch Tourismus verursachten, Treibhausgasemissionen

verantwortlich zeichnen. Die Reiseanalyse 2006 der F.U.R. ergab allerdings,

dass 2005 45,2% der Inlands- und Auslandsreisen der Deutschen mit dem

PKW / Wohnmobil und 36,8% mit dem Flugzeug unternommen wurden. Auf

Bus und Bahn entfiel ein Anteil von jeweils nur 9,8% bzw. 8,0%. Damit

erreichen Flugreisen den höchsten je gemessenen Wert. Gründe hierfür sind

unter anderem in dem florierenden Billigflugsegment sowie in der positiven

Entwicklung bei Fernreisen zu suchen. Wie beispielsweise das Fahrverbot

auf den deutschen Ferieninseln der Nordsee sowie in den Gebirgsorten

Oberstdorf und Zermatt beweist, kann die Wahl des Verkehrsmittels am

31 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 64f. 32 Friedl H. (2002), S. 55. 33 Vgl. Friedl H., (2002), S. 57f.

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Urlaubsort beeinflusst werden. Eine Attraktivierung des ÖPNV, sowie die

Förderung des Verkehrs auf Fuß- und Radwegen können wesentlich zur

Verkehrsreduzierung vor Ort beitragen.34 Allerdings erfolgt der Großteil der

touristisch bedingten Treibhausgasemissionen durch die An- und Abreise der

Gäste. Hierbei ist die Lenkung zu umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln nur

bedingt möglich. Die lokale Tourismuspolitik kann in Zusammenarbeit mit der

Bahn und der örtlichen Wirtschaft ein Gepäckbeförderungs- und

Verleihsystem entwickeln, das den Gebrauch des eigenen PKW für den

Transport von sperrigen Urlaubsutensilien (Skier, Surfbretter, Fahrräder etc.)

überflüssig macht.35 In den letzten Jahrzehnten war jedoch eine Tendenz zu

Auslandsaufenthalten zu beobachten, so dass das Flugzeug als

Reiseverkehrsmittel immer mehr an Bedeutung gewann. Problematisch ist

das Fehlen umweltfreundlicher Verkehrsmittel, die eine attraktive Alternative

zum Flugzeug bei Mittel- und Fernstreckenzielen darstellen. 2006 reisten

67,9 % der deutschen Urlauber ins Ausland und 54,3% unter ihnen wählte

das Flugzeug als Verkehrsmittel zur An- und Abreise.36

Verkehrsemissionen sind wesentliche Verursacher des Klimawandels, der

sich in der Zerstörung der Ozonschicht, der Verschiebung der Klimagürtel,

der Erwärmung der Atmosphäre und dem damit verbundenen Ansteigen des

Meeresspiegels auswirkt. Besonders flache Küstenregionen sind dadurch

akut bedroht. Vermehrte Niederschlagsmengen führen zu Erosionen,

Überschwemmungen, zur Versalzung von Trinkwasser und zur Zerstörung

der Infrastruktur. Verminderte Niederschläge lösen Dürrekatastrophen aus

und bedrohen sowohl die Menschen, als auch die Vielfalt der Pflanzen- und

Tierwelt in ohnehin sensiblen Regionen.37 Neben Klimaveränderungen und

dem Treibhauseffekt resultieren aus einer hohen Verkehrsintensität

Gesundheitsschäden durch Lärm und hohe Luftbelastungen. Auch

Schädigungen der Tier- und Pflanzenwelt durch Stickoxide und

Kohlenwasserstoffe sind Folgen der Verkehrsentwicklung.38 Zudem ist der

zunehmende Verkehr mitverantwortlich für den zunehmenden Verbrauch von

34 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 32ff. 35 Vgl., Mundt, J. (2006), S. 519ff. 36 Vgl. o. V., http://www.fur.de/downloads/Reiseanalyse_2007.pdf, 15.12.07. 37 Vgl. Friedl H. (2002), S. 60ff. 38 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 31f.

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Erdöl und den damit verbundenen Gefahren bei dessen Förderung und

Transport. Tankerunfälle an zahlreichen Küsten haben diesen durch

Ölverseuchung irreversible Schäden zugefügt.39

Eine globale Lösung des touristischen Verkehrsproblems ist derzeit nicht in

Sicht. Angesichts der hohen Umweltbelastungen durch den Flugverkehr

werden die Forderungen nach einer Besteuerung des Flugbenzins und somit

einer erheblichen Verteuerung von Flugpreisen immer deutlicher. Flugbenzin

ist momentan der einzige Treibstoff, der nicht weltweit besteuert wird.

Allerdings stehen der globalen Einführung der so genannten Kerosinsteuer

diverse Hindernisse im Weg, deren Überwindung momentan aussichtslos

erscheint. Angesichts des stark globalisierten Marktes müsste sie weltweit

zur gleichen Zeit eingeführt werden. Hierzu fehlen momentan die

Entscheidungsstrukturen. Die ICAO (Internationale Zivilluftverkehrs-

Organisation), müsste unter einen gewaltigen global-politischen Druck

gesetzt werden, wofür es jedoch, angesichts der unterschiedlichen

Interessen, keine geeigneten Akteure gibt. Zudem müsste die Höhe der

Besteuerung international harmonisiert sein, um Tank-Ausweichflüge zu

vermeiden � ein kaum lösbares Problem. Es stellt sich auch die Frage, wer

Anspruch auf die Einnahmen hätte. Soll die Menge Treibstoff besteuert

werden, die getankt wird oder diejenige, die verbraucht wird? Viele

Entwicklungsländer, die mangels Alternativen auf den Tourismus

angewiesen sind, könnten einen wirtschaftlichen Kollaps erleben.40

Verkehrswissenschaftler fordern außerdem die Schließung von

Regionalflughäfen, die Einführung eines Tempolimits, sowie niedrigere

Flughöhen. Diesen Forderungen stehen die ökonomischen Interessen der

Tourismusbranche entgegen.41 Es gibt aber durchaus Ansätze, die zeigen,

dass man Schritte in die richtige Richtung machen kann. Beispielsweise

versuchte der Reiseveranstalter Studiosus, als einer der Ersten, die

negativen Transportenergiebilanzen zu verringern, indem er Rail&Fly

einführte. Hierbei ist die Bahnanreise vom Wohnort zum Abflughafen im

Reisepreis inklusive.42 Mittlerweile haben auch andere Reiseveranstalter

39 Vgl. Friedl H. (2002), S. 60ff. 40 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 94f. 41 Vgl. Friedl H. (2002), S. 59ff. 42 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S.77f.

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dieses Konzept übernommen. Ziel ist es den innerdeutschen Flugverkehr zu

reduzieren, da besonders Kurzstreckenflüge, aufgrund des hohen

Treibstoffverbrauchs, eine schlechte Energiebilanz aufweisen. Ein

Kurzstreckenflug verbraucht bei durchschnittlicher Auslastung 10,5 Liter pro

Person je 100 Kilometer, während für einen Langstreckenflug �nur� 6,7 Liter

pro Person je 100 Kilometer benötigt werden.43

4.2.2 Zersiedlung von Landschaften

Tourismus ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie dem

Geschäftsreisetourismus, abhängig von einer intakten Landschaft und Natur.

Paradoxerweise ist Tourismus in manchen Ländern gleichzeitig einer der

größten Verbraucher von Land. Ziel der Umweltpolitik muss es sein, die

Zerstörung von Landschaft und Natur möglichst gering zu halten. In

Deutschland gibt es keine Statistiken über den Flächenverbrauch durch

Tourismus, da beispielsweise die Verkehrsinfrastruktur nicht ausschließlich

für touristische Zwecke, sondern auch für Gütertransport und Berufsverkehr,

genutzt wird. Beherbergungsbetriebe in Deutschland machen zwar mit 0,7%

einen sehr geringen Teil der gesamten Siedlungs- und Verkehrsfläche aus,

allerdings können sie schwerwiegende lokale Schäden verursachen, wenn

sie in schützenswerten Gebieten errichtet werden. Es ist Aufgabe der

Tourismuspolitik des jeweiligen Landes, der Region oder Gemeinde diesem

Problem beispielsweise mit Umweltauflagen für die Neuansiedlung von

Hotels entgegenzuwirken. Allerdings stehen dieser Politik oft erhebliche

Hindernisse im Weg.44

Eine enorme Umweltbelastung ist auch die zunehmende Inanspruchnahme

von Fläche. Die, pro Kopf der Bevölkerung verfügbare Vegetation, tragende

Fläche nimmt stetig ab und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Das

Bundesumweltministerium weist nach, dass Freizeit und Tourismus diese

Entwicklung noch verschärfen, da Urlauber zunehmend bisher unberührte

Gebiete aufsuchen. Mit einer Expansion des Urlaubstourismus ist immer

auch Landschaftsfraß verbunden. Natur wird in allgemein zugängliche

43 Vgl. Friedl H. (2002), S. 58. 44 Vgl., Mundt, J. (2006), S. 521ff.

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Feriengebiete umgewandelt, Unberührtes wird berührt, freie Landschaft wird

verbaut und der freie Zugang zu Seeufern und Meeresküsten versperrt.

Touristische Infrastruktur ist zwangsläufig mit Flächenverbrauch und

Bodenversiegelung verbunden. Eine der schwerwiegendsten Folgen ist der

Verlust von Sanddünen an den Küsten. 40% der noch vorhandenen Dünen

an der Atlantikküste wurden zerstört, in Italien liegt der Rückgang der

Sanddünen sogar bei 80%. In Frankreich muss vor jeder Saison Sand am

Festland ausgebaggert und an der Côte d�Azur auf die erodierten

Strandstreifen gepumpt werden, um den Urlaubern ihre gewohnte

Strandqualität bieten zu können.45 Und die Verbauung der Küstenstreifen

nimmt kein Ende, zu wenig hat man aus den bestehenden Betonburgen

gelernt.46 Besonders landschaftszerstörend wirken Ferienzentren, die

vorwiegend in besonders reizvollen Landschaften entstehen, wie

beispielsweise Center Parc Bispingen in der Lüneburger Heide. Touristische

Siedlungen, verbunden mit dem unkontrollierten Bau von Skiarenen und

Sportanlagen, können immense Schäden anrichten, geschehen zum Beispiel

in den französischen Trois Vallées. Die Entwicklung des Tourismus verstärkt

weltweit den Druck auf die Ökosysteme. Die Alpen als beliebtes Reiseziel,

sowohl im Sommer, als auch im Winter, leiden unter der starken Belastung

durch den Tourismus. Insgesamt überzieht ein Netz von 12000 Skiliften,

40000 Pisten und 5 Millionen Betten den Alpenraum. Die Übererschließung

und Überbeanspruchung der Berge hat die zunehmende Erosion der

Bergböden zur Folge. Der Kreislauf Mehr Pisten � mehr Hotelbetten � mehr

Pisten könnte langfristig gesehen dazu führen, dass die Alpen ihre Funktion

als Erholungsgebiet verlieren. Zerstörte Landschaften drohen ausgemustert

zu werden, wenn sie dem Anspruch der Urlauber an eine intakte Natur nicht

mehr gerecht werden können.47 Neben der Landschaftsverbauung können

auch diverse Sportarten negative Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Problematisch hierbei ist vor allem das Auftreten der Touristen in Massen.

Auch Wanderer können, wenn keine Besucherlenkung erfolgt, große (Tritt-

)Schäden anrichten. Die Nachfrage nach wasserbezogenen

45 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 121ff. 46 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 67ff. 47 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 121ff.

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Freizeitaktivitäten (tauchen, segeln, Wasserski fahren etc.) übersteigt längst

das Angebot an ökologisch vertretbar nutzbaren Gewässern.48

4.2.3 Touristisches Abfallaufkommen

Hoch problematisch ist der Aspekt der Müllentsorgung - vor allem in Ländern

und Regionen, die nicht über die nötige Infrastruktur verfügen. Das betrifft in

erster Linie Entwicklungsländer, aber auch Ferieninseln wie beispielsweise

Mallorca oder die Kanarischen Inseln.49

Besonders belastend für die Umwelt ist der so genannte Freizeitmüll, der zu

einem Großteil aus zersetzungsresistenten Materialien wie Kunststoff

besteht. Dazu gehören u. a. Sportartikel, Zelte, Schlauchboote, Wasserski,

Angelruten, kurz gesagt Produkte, die ständig in neuen Varianten auf den

Markt geworfen werden. Der allein durch Sport- und Skischuhe anfallende

Müll in der Alpenregion entspricht dem Abfall einer Stadt mit 10.000

Einwohnern während eines ganzen Jahres (Berner Forschungsinstitut für

Freizeit und Tourismus). Hinzu kommt die zunehmende Wegwerf-Mentalität

der Ausflügler und Urlauber, die von der Konsumindustrie unterstützt und

gefördert wird. Anstelle von wieder verwendbaren Verpackungen werden

immer häufiger solche mit Einweg-Charakter genutzt (Plastikbehälter,

Blechdosen, etc.). Allein für den Freizeit- und Unterwegsbedarf wird derzeit

eine Blechdosenlawine von 2,5 Milliarden Stück pro Jahr produziert. Hinzu

kommen Bequemlichkeit und geringes Umweltbewusstsein. Folglich bereitet

die Beseitigung der Müllberge zunehmend größere Schwierigkeiten.50

Besonders in Entwicklungsländern mangelt es an der nötigen Infrastruktur

zur artgerechten Entsorgung. Die üblichen Abfälle der einheimischen

Bevölkerung sind zumeist kompostierbar, aber mit den Touristen nimmt die

Menge an zersetzungsresistentem Müll zu. Hochinfektiöse Müllberge,

�Plastikwälder� oder Smogbelastung durch unsachgemäßes Verbrennen sind

die Folge. In schwer zugänglichen Regionen, wie dem Himalaya oder der

Inkafestung Machu Picchu in Peru, wurden mit Räumungsaktionen immense

48 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 67ff. 49 Vgl., Mundt, J. (2006), S. 524ff. 50 Vgl., Opaschowski, H. (1991), S. 32ff.

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Mengen an Lebensmittelsdosen und ähnlichem Abfall abtransportiert. Mitte

der 1980er Jahre wurden 1,5 Millionen Tonnen Müll den Mount Everest

hinunter befördert. Am Wanderpfad zu Machu Picchu wurden in einer

ähnlichen Aktion 16.000 leere Dosen eingesammelt.51

Auch an Orten des Badetourismus mangelt es oftmals an

Müllbeseitigungsanlagen, weshalb Hotelabfälle verbrannt, in Buchten

notdürftig abgelagert oder, wie im Fall der Kreuzfahrtschiffe, im Meer

versenkt werden. Auch die Insulaner der Malediven werfen ihre Abfälle direkt

ins Meer, wodurch sich mittlerweile Müllberge aus Plastiktüten und

Blechdosen am Meeresgrund türmen. Die Tüten verfangen sich in den

Korallen und ersticken sie. Auch die Unterwasserverrottung von Abfällen

entzieht dem Wasser den Sauerstoff und führt zum Absterben der Riffe.

Von allen tourismusinduzierten Umweltproblemen wäre das der

Müllbeseitigung am leichtesten lösbar, da ein �besseres�,

umweltfreundlicheres Verhalten der Reisenden schon ein wesentlicher

Fortschritt wäre. Strukturelle Veränderungen sind kaum notwendig.52

Die Ferieninsel Mallorca versinkt fast im Müll. Jedes Jahr fallen durch

Touristen 90000 Tonnen Müll an, deren Entsorgung ein nahezu unlösbares

Problem darstellt. Ein Positivbeispiel liefert hingegen die Kanareninsel

Fuerteventura: Neben Wind- und Solarenergie setzt man hier auf

Biomassevergasung. 60% der Hotelabfälle sind organische Stoffe und

können in Biogas-Anlagen, wie beispielsweise RISCO DEL GATO, vergärt

werden. Das entstandene Biogas trägt dazu bei fossile Brennstoffe zu

sparen. Zudem erzielt man mit dieser Methode eine Verringerung von

Geruchsemissionen gegenüber der Kompostierung.53

Die Fluggesellschaft LTU und ihre Gäste tragen zur Entlastung der

Malediven hinsichtlich des Müllproblems bei. Nach der Landung wird den

Urlaubern ein Plastiksack ausgehändigt, in dem die Feriengäste während

ihres Aufenthaltes ihren Müllsammeln sollen. 70% nutzen diese Option und

verhindern damit, dass die Inseln ihren Müll auf andere Art entsorgen.54

51 Vgl. Friedl H. (2002), S. 62f. 52 Vgl. Friedl H. (2002), S.69ff. 53 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 32ff. 54 Vgl. Loppow, B. (1994), http://www.zeit.de/1994/42/Malediven-Taucher-saeubern-Riffe, 20.10.07.

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4.2.4 Wasserverschmutzung

55% der Bevölkerung sind der Auffassung, dass in erster Linie Schiffe,

Vergnügungsdampfer und Wassersportler für die Verschmutzung der

Gewässer verantwortlich sind. Trotzdem verzeichnet der Kreuzfahrtmarkt

Zuwächse und die Nachfrage der Wassersportarten und deren Vielfalt steigt.

Die Vielzahl an Wassersportarten wie Surfen, Rafting, Tauchen, Sportangeln,

Motorboot fahren etc. verursachen Schäden im Gewässer- und

Uferrandbereich und sorgen zum Teil für erhebliche Lärmbelästigung. Die

große Zahl an Kreuzfahrtschiffen zieht neben Öl- und Schadstoffausstößen

ein Entsorgungsproblem nach sich. Häufig wird anfallender Abfall im Meer

versenkt, wobei fehlende allgemeingültige Bestimmungen für Schiffe mit

Hunderten von Passagieren an Bord der Lösung des Problems nicht

förderlich sind. Bei Schiffsneubauten ist der Einbau einer

Müllverbrennungsanlage keine Pflicht. In vielen Anlaufhäfen sind die

Entsorgungsgebühren höher, als die bei Verstößen verhängten Strafen.55 Die

von Motorbooten, Jetskis etc. häufig frequentierten Seen leiden unter den

Rückständen, die diese hinterlassen. Der Öl- und Schadstoffausstoß von

Motoren wirkt sich giftig gegenüber Kleinlebewesen aus. Das gleiche

Problem lässt sich in Fremdenverkehrsorten beobachten, wo mangels

Kläranlagen die Abwässer ungeklärt in die Gewässer fließen. Dadurch wird

sehr viel Phosphat zugeführt, welches die explosionsartige Vermehrung von

Algen fördert, die dem See dann den Sauerstoff entziehen. Die

Mikroorganismen werden durch mangelnden Sauerstoff in ihrer Funktion

Algen abzubauen behindert, wodurch diese verfaulen. Es bilden sich giftige

Fäulnisgase, der See verschlammt, die Fische sterben. Dieses Problem

wurde erkannt und man versucht nun Seen durch künstliche Sauerstoffzufuhr

zu retten. Der zweitgrößte Süßwassersee in Mitteleuropa, der Bodensee,

konnte in den 70er Jahren, als fast kein Sauerstoff mehr vorhanden war,

durch eine grenzübergreifende Anstrengung, die den Bau von mehreren

Kläranlagen beinhaltete, gerettet werden. Heute arbeiten 20

Naturschutzverbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eng

55 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 57ff.

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zusammen und engagieren sich für eine zukunftsfähige Entwicklung der

Bodenseeregion als Wirtschafts-, Natur- und Kulturraum. Die Attraktivität des

Sees für Touristen soll durch eine verbesserte Wasserqualität gesteigert

werden und Freizeit- und Urlaubsaktivitäten sollen im Einklang mit der Natur

stattfinden.56

In vielen Entwicklungsländern hat die Abwasserentsorgung nicht mit der

touristischen Entwicklung Schritt halten können. Kanalisationsnetze mit

gesicherter Klärung sind rar. Hotels verzichten häufig auf eine eigene

Abwasseraufbereitung, um Kosten zu sparen. So sind beispielsweise an

manchen Stellen der brasilianischen Küste das Schwimmen und der Verzehr

von dort gefangenem Fisch hochgradig gesundheitsgefährdend.57

Einzige Lösung des Abwasserproblems wäre der Bau von entsprechenden

Entsorgungseinrichtungen, wofür es aber derzeit an finanziellen Mitteln oder

am nötigen Umweltbewusstsein von möglichen Investoren mangelt.58

4.2.5 Ressourcenverbrauch

Wasser und Strom sind Ressourcen, die von deutschen Urlaubern als

selbstverständlich angesehen werden. In beliebten Reisezielen, wie

beispielsweise Tunesien, wird die Versorgung mit Wasser wegen der

zunehmenden Verknappung und Verschmutzung zu einem Hauptproblem.

Die erschlossenen und verfügbaren Wasserressourcen reichen nur noch

schätzungsweise bis 2020, um die tunesische Bevölkerung und die

Wirtschaft mit ausreichend Wasser zu versorgen. Die hohen touristischen

Bedürfnisse verschärfen bereits vorhandene Konflikte um die Nutzung der

Wasserressourcen, da Touristen ein Vielfaches der Wassermenge

verbrauchen, die der einheimischen Bevölkerung zugestanden wird. Der

gestiegene Wasserverbrauch führt zum Absinken des Grundwasserspiegels,

so dass in einigen Zentren des tunesischen Saharatourismus die

Wasserzufuhr während der Verbrauchsspitzenzeiten für einige Stunden

unterbrochen werden musste. Aus ökologischer Sicht führen der sinkende

56 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 136ff. 57 Vgl. Friedl H. (2002), S. 62ff. 58 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S.66.

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Grundwasserspiegel und die Austrocknung von Brunnen und Oasen zu

absinkenden Böden, zur Versalzung durch nachfließendes Meerwasser und

zur Verschmutzung vorhandener Wasserressourcen.59

Während die einheimische Bevölkerung zumeist mit der Wasserknappheit

leben muss, versucht die Reisebranche anderweitig Trinkwasser zu

beschaffen. Auf Antigua beispielsweise mussten die privaten Haushalte

während einer 18-monatigen Trockenzeit wochenlang ohne fließendes

Wasser auskommen, während Hotels Ihr Wasser mit Tankschiffen von

benachbarten Inseln bezogen oder energieaufwendige

Meerwasserentsalzungsanlagen nutzten.

Auch die Ressource Strom ist in vielen Ländern nur begrenzt erhältlich, wird

aber in vollem Umfang Touristen zur Verfügung gestellt, um diesen ihren

gewohnten Komfort zu bieten. Das größte Hotel der Elfenbeinküste

verbraucht rund die Hälfte des landesweit verfügbaren Stroms zur

Versorgung zweier Schwimmbäder und der hauseigenen Eisbahn. Auch auf

den kleinen Antillen entfällt ein Viertel der vor Ort produzierten Energie auf

die Hotelanlagen und ihre stark energiebedürftigen Klimaanlagen.

Eine dauerhafte Lösung kann nur über umweltbewusstes Verhalten der

Reisenden und der Reiseunternehmen erreicht werden.60

4.2.6 Gefährdung der Artenvielfalt

Die Tier- und Pflanzenliebe der Touristen bedroht indirekt auch die Objekte

ihrer Begeisterung. Der Naturraum wird durch Erosionsprozesse gefährdet.

Die sensible Vegetation leidet unter den Spuren, die durch eine Vielzahl an

Wanderern und Fahrzeugen verursacht werden. Verstärkt wird der

Erosionsprozess zusätzlich durch die Nutzung von Holz als Bau- und

Brennstoff. In Nepal führte der zunehmende tourismusbedingte

Holzverbrauch zu weit reichender Entwaldung, was Murenabgänge und

Überflutungen zur Folge hatte. Gefährlich ist auch die Verunreinigung von

Trinkwasser durch Trekkingtouristen, die sich oder ihre Kleidung in

59 Vgl. Kürschner-Pelkmann, F. (2006), http://www.tourism-watch.de/dt/45dt/45.badehose/index.html, 20.10.07. 60 Vgl. Friedl H. (2002), S.61f.

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Wasserlöchern oder Brunnen reinigen. Im Extremfall kann dieses Verhalten

zur Vergiftungsgefahr für Mensch und Tier führen.61

Der Tourismus lässt der Natur nahezu keine Ruhepausen mehr. Die

Freizeitindustrie sorgt für ein immer größeres Bewegungsspektrum in der

Landschaft. Neben Verkehr und Bauaktivitäten sind es Freizeitaktivitäten in

der Natur, die intakte Ökosysteme gefährden. In Skigebieten werden durch

Rodung und Planierung immer mehr wasserspeichernde Bodenschichten

abgetragen. Die Folgen sind Erosion und vermehrter Wasserabfluss,

wodurch der benachbarte Wald der Bedrohung durch die ins Tal stürzenden

Wassermassen ausgesetzt ist. Im bayerischen Alpenraum sind die Hälfte

aller Ortschaften durch Überschwemmungen, Muren, Überschotterung und

Lawinenabgänge unmittelbar gefährdet. Nach solchen Naturkatastrophen

bleiben nur vegetationslose Schotterwüsten zurück.62

Oftmals liegen zwischen der subjektiven Einschätzung der Urlauber und den

tatsächlichen, von Vegetationsforschern ermittelten, Pflanzengefährdungen

Welten. Beliebte Freizeitaktivitäten in den Wäldern stellen eine enorme

Gefahr für die dortige Vegetation dar. Trampelpfade der Spaziergänger,

Geländeläufe und die zunehmende Möblierung des Waldes gefährden

störanfällige Tier- und Pflanzenarten und sind verantwortlich für eine

großflächige Zerstörung der wegbegleitenden Vegetation. Die Möblierung

des Waldes nimmt umso mehr zu, je intensiver der Wald touristisch genutzt

wird. Parkplätze, Rastplätze, Unterstandshütten, Aussichtspunkte,

Wanderwege, Wald- und Naturlehrpfade, Grillhütten, Reitwege,

Langlaufloipen, Zeltplätze, Seilbahnen, Skilifte usw. sind einem intensiven

Naturerleben nicht förderlich.63

Zusammenfassend gefährden Touristen durch ihr Verhalten Fels- und

Gehölzbiotope, Kriechpflanzen, Wiesen, Moore und Gewässer mit

Uferrandzonen sowie empfindliche Wasserpflanzenzonen.

Hinsichtlich der Erhaltung der Landschaften muss konsequent umgedacht

werden. Freizeit- und Naturschutzinteressen müssen in Einklang gebracht

werden. Wie der Golfplatz in Neuss/Himmelbachaue beweist, muss nicht

61 Vgl. Friedl H. (2002), S. 63f. 62 Vgl., Opaschowski, H. (1991), S. 64ff. 63 Vgl., Opaschowski, H. (1991), S. 64ff.

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gänzlich auf flächenintensive Freizeitanlagen verzichtet werden. Ein Golfplatz

muss so gestaltet sein, dass auch ökologische Ruhezonen mit Wald, Busch-

und Kleinwasserbereichen erhalten bleiben und auf Herbizide sollte

verzichtet werden. In Neuss wurden Naturschutzverbände frühzeitig integriert

und auch nach Fertigstellung der Anlage überwacht ein Naturschutzwart die

ökologischen Auflagen.

In größeren, von vielen Parteien, auf verschiedene Weise genutzten

Gebieten, wie beispielsweise dem Alpenraum, ist es nötig gänzlich

umzudenken. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat eine Richtung

empfohlen, um Gebirgslandschaften wie die Alpen dauerhaft zu erhalten.

Unter anderem sollten keine weiteren Erschließungen und

Geländeanpassungen für den Skisport stattfinden, Pisten müssen bei

weniger als 30cm Festschnee gesperrt werden und Gletscher-Skigebiete

sollten grundsätzlich gemieden werden, um die Trinkwasserreserven der

Zukunft zu erhalten. Momentan jedoch sind diese Handlungsempfehlungen

noch graue Theorie und die grundverschiedenen Interessen der einzelnen

Parteien stehen der Umsetzung für nicht absehbare Zeit im Weg.64

Die Bedrohung der Vegetation ist nicht zu unterschätzen. Momentan trägt

der Tourismus in Deutschland zur Gefährdung von 112 Pflanzenarten bei.

Beim Aussterben nur einer Pflanzenart werden gleichzeitig 10-20 Tierarten

durch ihre ökologische Abhängigkeit verschwinden.

Weltweit sind bis zu ein Fünftel aller Arten durch den Menschen bedroht.

Urlauber werden heute immer mehr zum Störfaktor der Tierwelt. Besonders

in Massen verursachen sie vielfältige Schäden für das Ökosystem.

Wassersportler beeinträchtigen oder vernichten die natürlichen Bruträume

der Fische. Auch Vögel werden beim Brüten gestört, zum Beispiel durch

Windsurfer, die zu nah an die Aufenthaltsorte der Vögel wie

Röhrichtbestände oder Schilfgürtel herankommen.

Unfälle zwischen wild lebenden Tieren und Fahrzeugen bei Safaris sind

keine Seltenheit. Geparde beispielsweise sind vom Aussterben bedroht, da

Touristen mit ihren Fahrzeugen die Jagdgewohnheiten der Großkatzen

massiv beeinträchtigen. Grundsätzlich bleibt keine menschliche Aktivität in

64 Vgl. Viegas, A. (1998), S.16ff.

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der Natur ohne Folgen. Selbst das sanfte Gleiten der Drachenflieger schreckt

das Wild in Schutzgebieten auf. Damit Urlauber auch in Zukunft intensiv die

Natur erleben können, werden sie gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen

müssen. Für die Zukunft gilt: Nicht jeder Felsen muss unter Naturschutz

gestellt werden, aber es muss auch nicht jeder Felsen beklettert und erobert

werden.65

4.3 Soziokulturelle Auswirkungen des Tourismus

Die Beziehungen zwischen Reisen und Bereisten sind umso

spannungsintensiver, je größer die sozialen und kulturellen Abstände sind.

Barrieren wie unterschiedliche Sprachen, Kleidungsregeln,

Essensgewohnheiten etc. bergen Konfliktpotenzial. Hinzu kommt die oft

grundverschiedene Einstellung gegenüber dem Faktor Zeit. In Ländern des

Südens wird Zeit häufig als einziger Luxus betrachtet, den man ausgiebig

�verschwendet� und kein Sklave der Uhr ist. Reisende allerdings haben

zumeist viel Geld für ihren Urlaub gezahlt und wollen so viel wie möglich

sehen und erleben. Dabei bleibt oft keine Zeit sich einzuleben, auf die

Einheimischen einzulassen und sich deren Lebenstempo anzupassen.66

Auch vor der Reise nehmen sich die wenigsten Zeit zur Vorbereitung auf die

zu erwartende Kultur und die Lebenssituation im Reiseland. Touristen wollen

oft nicht, Einheimische können vielfach nicht die jeweils andere Seite

verstehen.

Ein wesentliches Hindernis in der Beziehung zwischen Reisenden und

Bereisten sind die unterschiedlichen Lebenssituationen. Einheimische sehen

Touristen oft als Repräsentanten einer unzugänglichen Welt, die Geld, Status

und Macht haben. Dieses Bewusstsein der materiellen Überlegenheit der

Touristen resultiert aus deren typischen Erscheinungsbild: gut gekleidete

Menschen, die ihre Mietwagen nur für Einkaufstouren oder Fotostops

verlassen. Die Tatsache, dass viele Urlauber ein Jahr oder länger hart für die

Reise gearbeitet haben, bleibt unberücksichtigt. Hinzu kommt, dass Reisen

in vielen Ländern ausschließlich aus beruflichen oder familiären Gründen

65 Vgl. Opaschowski, H. (1999), S. 131ff. 66 Vgl. Friedl H. (2002), S. 71ff.

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unternommen werden und somit eine Vergnügungsreise nicht

nachvollziehbar ist. Diese Konfrontation mit dem angeblich reichen,

überlegenen Lebensstil kann sowohl zu Versuchen der Anpassung oder

Nachahmung führen als auch zu Neid und Abwehr.67

Die Massenmedien produzieren über Leitbilder und Stereotypen bestimmte

Erwartungshaltungen und haben somit einen hohen Anteil an den

unterschiedlichen Beziehungsauffassungen von Touristen und

Einheimischen. Destinationenwerbung und Sehnsuchtsliteratur wecken

Wunschträume bei den Urlaubern, und Images wie z. B. die

Gastfreundschaft der Einheimischen entstehen. Ähnliches gilt auch für die

Seite der Bereisten, wo mit Regierungskampagnen für den ökonomischen

Nutzen des Tourismus geworben wird. Die interkulturelle Kommunikation ist

oft nur ein Austausch von Klischees. Der Reisende setzt die

Gastfreundschaft der Einheimischen voraus. Sie ist Teil seines vorab

bezahlten Reisepaketes. Er betrachtet sich vielmehr als zahlender Kunde.68

Auf der anderen Seite nimmt die einheimische Bevölkerung oftmals Anstoß

an der scheinbaren Sittenlosigkeit der Touristen. Knapp bekleidete Frauen

und turtelnde Pärchen gehören in der westlichen Welt zum Straßenbild,

werden allerdings in manchen Kulturen als unpassend empfunden. Oftmals

wird allerdings auch der Mangel an Respekt beklagt, wenn beispielsweise

eine Vielzahl an Urlaubern mit viel Lärm und dem Blitzlicht ihrer

Fotoapparate religiöse Kultstätten besichtigt und somit die traditionellen

Zeremonien stört. Diese Respektlosigkeit liegt in dem besonderen

Freiheitsgefühl der Reisenden begründet. Gerade im Urlaub will man sich

keinen Beschränkungen unterwerfen. Hinzu kommt, dass keine Sanktionen

befürchtet werden müssen, wenn man sich als Urlauber danebenbenimmt,

da man den Ort des Geschehens nach einer kurzen Besichtigung wieder

verlässt. Das Konfliktpotenzial kann sich im Laufe der Zeit verringern, indem

die Toleranz gegenüber den Touristen zunimmt und die Einheimischen sich

an deren Verhalten gewöhnen. Auch variiert innerhalb einer jeweiligen

Gesellschaft der Grad der Offenheit gegenüber den Reisenden. Die

67 Vgl. Friedl H. (2002), S. 72ff. 68 Vgl. Friedl H. (2002), S. 72ff.

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Landesbewohner sind keine willenlosen Opfer des über sie

hereinbrechenden Reiseverkehrs.

Kritiker beklagen einen touristisch verursachten schwerwiegenden Werte-

und Strukturwandel bei traditionellen Gesellschaften. Dieser Vorwurf basiert

auf der Annahme, dass touristisches Engagement den

Modernisierungsprozess in Richtung der sozialen und beruflichen

Differenzierung, Rationalisierung, Kontrolle, Institutionalisierung und

Bürokratisierung vorantreibe. Werte und Machtverhältnisse passen sich

tendenziell an das westliche Vorbild an. Die Folgen für eine Gesellschaft sind

umso gravierender je traditioneller sie bislang geprägt war. Indizien hierfür

sind die strenge Rollendifferenzierung zwischen Mann und Frau sowie die

elementare Rolle von Religion und traditionellem Wissen. Der

Zusammenhang zwischen Tourismusentwicklung und sozialer

Modernisierung besteht darin, dass Tourismus das Wirtschaftswachstum

vorantreibt, wodurch Rationalisierungsprozesse eingeleitet werden. Die

Folgen, Arbeitsteilung und zunehmende soziale Differenzierung, bewirken

Veränderungen in sozialen Beziehungen. Traditionelle Berufs- und

Sozialstrukturen werden ersetzt, es entstehen neue Hierarchien. Die

wachsende Bedeutung alter Kenntnisse bedeutet gleichzeitig den

Autoritätsverlust der Alten.

Auf eine Formel gebracht sind die soziokulturellen Tourismusfolgen umso

gravierender, je mehr Besucher pro Besuchtem, je größer der kulturelle

Unterschied zwischen Reisenden und Bereisten, je kleiner der besuchte Ort

und je schneller die dortige Tourismusentwicklung ist.69

Demonstratives Konsumverhalten der Urlauber kann unter den

Einheimischen den Wunsch zur Nachahmung, das heißt das Bedürfnis nach

Konsum- und Luxusgütern wecken. Kritiker (Thomas Lüem, Soziokulturelle

Auswirkungen des Tourismus in Entwicklungsländern, 1985) stellen die

These auf, dass Einheimische, die sich diese Bedürfnisse nicht erfüllen,

können sogar zu kriminellen Handlungen provoziert werden. Damit soll auch

die Zunahme an Bettelei, Prostitution und Alkoholismus erklärt werden.

Dieser so genannte Demonstrationseffekt führt bei unterschiedlichen

69 Vgl. Friedl H. (2002), S. 74f.

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Bevölkerungssegmenten zu verschiedenen Auswirkungen. Während ältere

Menschen nahezu immun gegenüber solchen Einflüssen zu sein scheinen,

werden junge Menschen wesentlich mehr davon angezogen.

Ungeklärt ist allerdings, inwiefern Tourismus für soziokulturelle

Veränderungen verantwortlich ist und wie diese überhaupt zu messen sind.70

Ein weiterer Aspekt hinsichtlich soziokultureller Auswirkung des Tourismus

ist die Kommerzialisierung von religiösen und traditionellen Ausdrucksmitteln,

wie Riten und Kunsthandwerk. Riten werden zum Teil tourismusgerecht

inszeniert und verlieren somit ihre ursprüngliche Bedeutung. Beispielsweise

führen die Massai den Urlaubern Beschneidungszeremonien vor, obwohl

diese in der Kultur der Massai nie eine Rolle gespielt haben. Ähnliches gilt für

Kunstgegenstände. Diese werden als Souvenirs an die Anforderungen des

Massentourismus angepasst. Sie müssen leicht, handlich, somit für das

Reisegepäck geeignet und zudem relativ preisgünstig sein. Unter ethischen

Gesichtspunkten stellt sich nun die Frage, inwiefern die betroffene

Bevölkerung mit der Entfremdung ihrer Kultur einverstanden ist, d. h.

inwiefern sie selbständig über solche Belange bestimmen kann. Wenn die

Tourismusbranche die Kultur dauerhaft nur als Produkt versteht und

dementsprechend vermarktet, wird sie auf Dauer Kreativität und

Eigenständigkeit dieser Kultur verhindern und zum Sinn- und Identitätsverlust

der Einheimischen beitragen.71

4.4 Wirtschaftliche Abhängigkeit durch touristische Monokultur

Einheimische in den bereisten Gebieten schätzen die wirtschaftlichen

Tourismusauswirkungen durchaus positiv ein. Immer mehr Regierungen in

Entwicklungsländern engagieren sich auf Grundlage ökonomischer

Erwartungen im Tourismus. Hochgesteckte Ziele sind mit diesem

Engagement verbunden: Devisen sollen erwirtschaftet, Arbeitsplätze

geschaffen und damit die Kaufkraft erhöht werden, was zu einem höheren

Steuereinkommen führen soll. Man erhofft sich einen positiven

Rückkopplungseffekt für die regionale Wirtschaft, der zu Entwicklung,

70 Vgl. Friedl H. (2002), S. 75ff. 71 Vgl. Friedl H. (2002), S. 80f.

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Diversifikation und folglich zu wachsender sozialer und politischer Stabilität

beitragen soll. Das damit verbundene verbesserte internationale Ansehen

soll heimische und internationale Geldgeber überzeugen ihr Kapital hier zu

investieren. Die großen Hoffnungen, die in den Tourismus gesetzt werden,

schrecken auch vor dem hohen Ausmaß an wirtschaftlicher Abhängigkeit

nicht zurück, das damit verbunden ist.72 Oftmals besteht aber auch keine

Alternative zum Tourismus. Gambia beispielsweise hat neben dem

Tourismus und der Erdnussproduktion keine anderen Perspektiven. Als

wichtigster direkter ökonomischer Nutzen des Tourismus gelten

Deviseneinnahmen, wobei man allerdings deutlich zwischen Brutto- und

Nettodeviseneinnahmen unterscheiden muss. Vom Bruttobetrag müssen

noch tourismusbedingte Ausgaben für Importe (Lebensmittel, Treibstoffe,

Verkehrsmittel, Baumaterialien, Hotelausstattung etc.), Gehälter für

ausländisches Personal und Gewinntransfers an ausländische Investoren

abgerechnet werden. Die Differenz zwischen Brutto- und

Nettodeviseneinahmen nennt man Sickerquote. Den Inselstaaten der Karibik

verbleiben von jedem ausgegebenen Dollar im Land nur noch 20ct, d. h. sie

haben eine Sickerquote von 80%. Die meisten tourismusabhängigen Länder

haben Sickerquoten, die sich auf zwei Drittel ihrer Einnahmen belaufen.73

Grundsätzlich gilt: Je mehr Importe durch landeseigene Produkte ersetzt

werden können, umso geringer ist die Sickerquote. Wesentliche Verluste

entstehen durch Gewinntransfers an ausländische Investoren.

Transnationale Konzerne, die nach Gewinnmaximierung und nicht nach

Entwicklungsförderung streben, stehen in Konkurrenz zur Volkswirtschaft des

Ziellandes. Dennoch sind Tourismuseinnahmen ein wichtiger Beitrag zur

Linderung von Armut in Entwicklungsländern. Allerdings hat die breite Masse

der Bevölkerung an dieser Entwicklung oftmals keinen Anteil. Tourismus

spielt sich zumeist zwischen Hotelbesitzern, Fluggesellschaften und

Reiseveranstaltern ab, während die Bevölkerung leer ausgeht und sich

zudem den Tourismusfolgen gegenübersieht. Lebenserhaltungskosten und

Grundstückspreise steigen stärker an, als die Gehälter, so dass die Armut

72 Vgl. Opaschowski, H. (2002), S. 133f. 73 Vgl. Friedl H. (2002), S. 64ff.

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sogar zunimmt.74 In der Dominikanischen Republik stiegen die

Deviseneinnahmen innerhalb von 20 Jahren von 0,5 auf 2,5 Millionen US

Dollar, während gleichzeitig die Zahl der unter der Armutsgrenze lebenden

Menschen von 47% auf 57% gemessen an der Gesamtbevölkerung stieg.

Die Steuereinnahmen der Zielländer werden zudem durch hohe Ausgaben

für die Bereitstellung einer öffentlichen Infrastruktur, sowie für die Erhaltung

von Sehenswürdigkeiten belastet. Oftmals kommen Infrastrukturmaßnahmen

und Verbesserungen im Bereich der Wasser- und Stromversorgung nur

Touristen zugute.

Volkswirtschaften, deren Bruttonationalprodukt zu einem Großteil durch

touristische Einnahmen erwirtschaftet wird, sind aufgrund dieser

Abhängigkeit extrem verwundbar. Standardisierte Urlaubsangebote der

internationalen Tourismuskonzerne verschärfen diese Abhängigkeit noch,

weil dadurch die Touristenströme nach Kriterien des raschen und

zunehmenden Profits regulierbarer werden. Die dabei entstehenden

Paradiese verfügen über keine Alleinstellungsmerkmale mehr, sind somit

austauschbar und leicht gegeneinander auszuspielen. Besonders deutlich

wird diese Abhängigkeit im Bereich der Karibik-Kreuzfahrten: Wenn auf einer

Insel unbequeme Umweltauflagen oder höhere Hafengebühren eingeführt

werden, so wird in der nächsten Saison die Konkurrenzinsel angelaufen. Das

Gleiche passiert, wenn die Gewinnmaximierung erreicht ist oder ein

Urlaubsziel kaputt entwickelt wurde und somit an Attraktivität verloren hat:

Die Tourismusentwickler suchen sich ein neues Zielgebiet und hinterlassen

eine Spur sozialer und ökologischer Verwüstung. Die wirtschaftliche

Abhängigkeit vom Tourismus schwächt die Verhandlungsposition der

Zielgebiete gegenüber internationalen Tourismuskonzernen. Thailand

beispielsweise kann sich gegen die günstigen Preise der Reiseveranstalter

kaum wehren, da es dem Druck des lokalen und internationalen

Überangebots ausgesetzt ist.

Zudem leiden Tourismusdestinationen unter negativen wirtschaftlichen

Entwicklungen in den Herkunftsländern der Touristen: Eine Rezession führt

im Allgemeinen zu verminderter Reisetätigkeit.

74 Vgl., Mundt, J. (2006), S.521ff.

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Die gravierendsten Auswirkungen haben allerdings negative Meldungen über

die Sicherheit des Urlaubslandes, da dann die Nachfrage überraschend stark

zurückgeht und einkalkulierte Einnahmen wegfallen. So entgingen Ägypten

nach dem Terroranschlag von Luxor Einnahmen von 500 Millionen US Dollar

durch stornierte Reisen allein über Weihnachten und Neujahr. Kenia musste

drastische Buchungsrückgänge hinnehmen, nachdem einige Ebola-Fälle

durch westliche Medien zu einer Epidemie aufgebauscht wurden. Nach den

Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA brachen weltweit die

Reisemärkte zusammen. Für Reiseländer, deren Wirtschaft fast

ausschließlich auf dem Tourismus beruht, bedeuten solch immense

Buchungsrückgänge ein volkswirtschaftliches Desaster.75

Hinzu kommt die Verdrängung traditioneller Arbeitsformen. Es gibt keine

Statistik darüber, wie viele unabhängige Kleinunternehmer oder Menschen

im informellen Sektor durch die Tourismusindustrie verdrängt wurden, aber

zahlreiche Beispiele: In Goa mussten viele Fischer und Palmweinzapfer den

Strand für die Touristen räumen und Bauern konnten wegen

tourismusbedingtem Wassermangel nicht mehr anbauen. Es werden zwar

auch neue Arbeitsplätze geschaffen, diese sind allerdings häufig saisonal

begrenzt und auf Einheimische entfallen zumeist nur weniger qualifizierte,

schlecht bezahlte Tätigkeiten. Besser dotierte Jobs werden von Ortsfremden

übernommen. Trotz dieser wenig aussichtsreichen Perspektive führt die

Hoffnung auf längerfristige, sichere Arbeitsplätze besonders unter jungen

Leuten zur Landflucht aus dem agrarischen Hinterland. Traditionelle Berufe

und das soziale Umfeld werden zurückgelassen, doch die finden eine

regelmäßige Beschäftigung. In Kenia hat kaum ein Viertel der Menschen, die

in die touristischen Zentren umsiedeln, einen festen Job. Drei Viertel leben in

den wachsenden Slums, wo Bettelei, Prostitution und Kriminalität zum

normalen Alltag gehören.

Tourismus kann nur zum Gewinngeschäft werden, wenn die Volkwirtschaft

des Ziellandes integriert ist, sowie eine ausgebaute Infrastruktur, eine

entwickelte Industrialisierung und ein hochwertiger Servicesektor vorhanden

sind.76

75 Vgl. Friedl H. (2002), S. 64ff. 76 Vgl. Friedl H. (2002), S. 68.

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4.5 Politische Auswirkungen

Investitionen ausländischer Geldgeber sind zumeist mit der Erfüllung

politischer Kriterien, in erster Linie politische Stabilität, verknüpft. Um ein

günstiges Investitionsklima zu bewahren oder herzustellen, nutzen

Regierende auch repressive Maßnahmen, wie Unterdrückung von

Opposition, Demonstrationen oder Streiks. Nach außen hin wird sozialer

Frieden, politische Ordnung und persönliche Sicherheit vorgetäuscht.

Proteste der Bevölkerung gegen touristische Erschließungsprojekte werden

ignoriert. Im Nordosten Brasiliens mussten einige tausend Bewohner der

Tourismusentwicklung weichen und wurden zwangsumgesiedelt. Die

Weltbank finanziert dort seit 1991 das Projekt PRODETUR, das eine

touristische Infrastruktur ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung

schafft, und sogar in Konflikt mit bestehenden Naturschutzvorhaben steht. In

Thailand wurden Proteste seitens der Bevölkerung gegen nackt badende

Touristen ignoriert, da die Regierung den Rückzug der ausländischen

Kapitalgeber nicht riskieren wollte.

Die Errichtung touristischer Anlagen geht einher mit der Vertreibung bzw.

Umsiedlung der ortsansässigen Bevölkerung. Zur Errichtung des Serengeti-

Nationalparks mussten die Massai ausgesiedelt werden und in Indien wurden

zur Gründung von 23 Tigerreservaten mehr als acht Millionen Inder

zwangsumgesiedelt. Aus Myanmar wurden Mitte der 90er Jahre die Dörfer

der dortigen Ureinwohner, genannt Karen, vom Militär zerstört, um das

Myinmolerkat Nature Reserve zu schaffen. Dabei starben zahlreiche

Menschen und 30.000 Karen flüchteten ins benachbarte Thailand. Das

Projekt wurde vom WWF unterstützt.

Auch Menschenrechtsverletzungen, an denen Urlauber unmittelbar beteiligt

sind, finden statt. So wurde im Nordosten Thailands ein �Menschenzoo�

errichtet, in dem 33 Giraffenfrauen als touristische Fotoattraktion ausgestellt

waren. Traditionsgemäß wird ausgewählten Mädchen vom Volk der Padaung

in Myanmar von Kindheit an der Hals mit Schmuckringen verlängert. Solche

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Frauen wurden aus Myanmar verschleppt und unter Zwang ausgestellt, bis

sie von thailändischen Ordnungskräften befreit werden konnten.77

Besondere Aufmerksamkeit erfährt das Problem des Kindersextourismus.

Zwangsprostitution ist eine neue Form von Sklaverei, da sie gegen das

Recht der sexuellen Selbstbestimmung verstößt. Jährlich werden etwa 1

Million Kinder der Kinderprostitution zugeführt. Obwohl praktisch alle

Regierungen und maßgebliche Tourismusverbände den Sextourismus

ablehnen, wird er immer noch per Pauschalarrangement abgewickelt. In

manchen Urlaubsorten sind sexuelle Dienstleistungen oft die einzige

Attraktion. International angesehene Veranstalter und Fluggesellschaften

profitieren gleichermaßen von dieser Entwicklung wie kleine lokale

Agenturen.78 Um diese Verbrechen zu verhindern, wurde 1990 in Thailand

die Organisation ECPAT gegründet. Als eine ihrer Strategien wird die

Kindersexproblematik enttabuisiert, indem sie beispielsweise auf der Berliner

ITB vor breitem Fachpublikum thematisiert wurde. Die Reisebüro- und

Reiseveranstalterverbände Deutschlands haben strenge Verhaltenskodexe

für ihre Mitglieder erlassen. Kommerziellen Anbietern von Kindersex drohen

hohe Geld- und Haftstrafen. Seit 1993 können Bundesbürger, die im Ausland

Kinder sexuell missbraucht haben, in Deutschland vor Gericht gestellt

werden, was bisher jedoch erst in wenigen Fällen geschehen ist. Bislang

kann die Bekämpfung der Zwangsprostitution keine nennenswerten Erfolge

vorweisen. Ein Teil der Problematik ist, dass Kinder von ihren Eltern als

Prostituierte zur eigenen Überlebenssicherung in die urbanen Zentren

geschickt werden. �Manche Schulen Kenias werden ab der 7. Klasse nur

noch von Knaben besucht, während sich die Mädchen den Touristen mit der

prallen Brieftasche widmen.�79 Kritisch zu sehen ist allerdings der Vorwurf,

dass Prostitution durch Sextourismus entsteht. In Thailand oder Kenia

beispielsweise war Prostitution schon lange vor der Ankunft der Touristen

institutionalisiert. Allerdings eröffnet der Massentourismus zusätzliches

Nachfragepotenzial.80

77 Vgl. o. V. (1998), http://www.fairunterwegs.org/aktuell/news/article/von-fluechtlingen-zu-giraffen-frauen-thailaendische-geschaeftsleute-des-menschenhandels-mit-burmesis.html?cHash=2aa4f3a728, 29.10.07. 78 Vgl. o. V., http://www.kinderschrei.de/sextourismus-zahlen.htm, 29.10.07. 79 Friedl H. (2002), S. 85. 80 Vgl. o. V. (2006), http://www.unicef.de/4148.html, 29.10.07.

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Den Ausstieg aus der Prostitution schaffen die wenigsten, da bürgerliche

Berufe deutlich schlechter bezahlt sind und die Prostitution mit gewissen

Freiheiten verbunden ist, die für anständige Frauen undenkbar wären. Es

muss deutlich unterschieden werden zwischen freiwilliger Prostitution und

Zwangsprostitution. Ein generelles Verbot würde vor allem den betroffenen

Frauen schaden, da sie in die Illegalität gedrängt würden. Um das zu

verhindern, müssten Frauen, die als Prostituierte arbeiten, mehr Rechte

bekommen. Das einzig sinnvolle Mittel im Kampf gegen die

Zwangsprostitution ist die Schaffung besser bezahlter Arbeitsplätze für

Frauen und die Überbrückung des Grabens zwischen Armen und Reichen.81

4.6 Positive Tourismusfolgen

Tourismus kann, wenn er richtig betrieben wird, auch als Instrument des

Naturschutzes dienen. Viele Naturschutzgebiete werden bereits durch

Einkommen aus touristischer Nutzung finanziert. Einzigartige Ökosysteme

und gefährdete Tier- und Pflanzenarten werden nachhaltig gesichert. Das

wohl bekannteste Beispiel hierfür sind die Galapagos-Inseln, wo durch die

Einnahmen aus den Besuchergebühren, immerhin 3 Millionen US Dollar

jährlich, vor allem die Charles-Darwin-Forschungsstation und das Park-

Management finanziert werden können. �Ohne zahlende Urlauber hätten

Berggorillas in Uganda, Nashörner in Namibia oder Tiger in Indien kaum eine

Überlebenschance.�82 Maumoon Abdul Gayoom, der Staatspräsident der

Malediven, hat seinen Bürgern vorgerechnet, dass der Verkauf eines Hais

auf dem Fischmarkt umgerechnet 24 Dollar bringt. Als Attraktion für

Tauchtouristen erwirtschaftet der gleiche Hai jedoch jährlich 25000 Dollar.83

Auch Tansania hat erkannt, dass eine intakte, vielfältige Umwelt sich

ökonomisch vorteilhaft auswirkt und verfügt mittlerweile über eine große

Anzahl von Schutzgebieten von Weltrang, wie z. B. dem Serengeti National

Park oder der Ngorongoro Conservation Area. Touristisch motiviert ist auch

81 Vgl. Friedl H. (2002), S. 92ff. 82 Friedl H. (2002), S. 182. 83 Vgl., Mundt, J. (2006), S. 523f.

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der Einsatz für die Erhaltung der Meeresschildkröte auf der griechischen

Insel Zakynthos.

Mit Hilfe touristischer Einnahmen kann den großen Beeinträchtigungen von

Natur und Landschaft, wie beispielsweise dem Kahlschlag der Wälder,

entgegengewirkt werden. In der Himalayaregion dienen die von der Region

erhobenen Trekking-Gebühren u. a. den Inhabern der Tourismusbetriebe zur

Nutzung umweltverträglicher Energien, wie Solarenergie und Kerosin

anstelle von Holz, das sonst zur Stromgewinnung verwendet werden müsste.

So kann der Entwaldungsprozess und seine verheerenden Folgen

aufgehalten werden. Auch die kanadische Region British Columbia stoppt

den Holzeinschlag zugunsten ihrer touristischen Attraktivität.

Tourismus gilt als mächtigste gesellschaftliche Kraft, die ein ökonomisch

motiviertes Interesse an der Bewahrung ökologischer

Gleichgewichtssysteme hat. Bezweckt wird zumeist die Konservierung von

Ökosystemen oder die Erhaltung ästhetischer Strukturen. In Bayern

beispielsweise geben Fremdenverkehrsbetriebe Landwirten finanzielle

Anreize, damit die bäuerlichen Bewirtschaftungsformen erhalten bleiben oder

wieder aufgenommen werden. Die Begleitflora von Ackerkulturen soll

wiederhergestellt werden, um somit die natürliche Erlebnisqualität der

Landschaft zu steigern. Aus monokulturellen Produktionslandschaften

entstehen attraktive Erholungslandschaften für Urlauber. Die Vielfalt der Tier-

und Pflanzenwelt wird wieder aufgewertet.

Zudem kann durch Tourismus die Lebensqualität der einheimischen

Bevölkerung erhöht werden. Die beträchtlichen Einnahmen des

Jagdtourismus in Sambia fließen direkt oder indirekt den Bewohnern der

jeweiligen Gebiete zu oder werden für dörfliche Gemeinschaftsaufgaben

verwendet. Die Trekkinggebühren im Himalaya fließen, neben den bereits

erwähnten alternativen Energien, vor allem in die Entwicklung des

Gesundheitswesens. Touristisches Interesse an kulturellen Traditionen kann

Stolz auf die eigene Kultur auslösen und somit deren Bewahrung oder

Neubelebung sichern. Die gestiegene Nachfrage nach Kunstgegenständen

und die einhergehende Würdigung selbst erzeugter Produkte fördert die

kreative Entwicklung neuer Handwerksformen, stärkt das Selbstbewusstsein

und kann sogar den sozialen Zusammenhalt stärken, beispielsweise bei

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gemeinsamen Aktivitäten eines Dorfes. Das ausgelöste Wirtschaftswachstum

und die verbesserte Lage am Arbeitsmarkt kann die Landflucht verringern. In

Nepal z. B. leben die Sherpa-Haushalte zu 80% vom Tourismus. Nach

Schließung der Grenze zu Tibet 1959 und dem damit verbundenen Erliegen

des Fernhandels wären die Menschen dort zur Abwanderung gezwungen

gewesen.84

84 Vgl. Friedl H. (2002), S. 65ff.

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5. Umweltverträglicher und sozialverantwortlicher Tourismus

Bis hinein in die 80er Jahre waren es in erster Linie Naturschützer und

Gesellschaftskritiker, die das Wachstum der Tourismusindustrie kritisch

betrachteten und vor negativen Auswirkungen warnten. Erst 1987

proklamierten auch Vertreter der Tourismusbranche, dass Natur und

Landschaft unbedingt zu erhalten seien, da sie die existenzielle Grundlage

des Tourismus bilden. Man erkannte, dass Wirtschaftswachstum im

Tourismus ohne Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Aspekten

nicht unbegrenzt möglich sein wird.85

Die ökologischen und gesellschaftlichen Schattenseiten des Tourismus

zogen die Forderung nach umwelt- und sozialverträglicherem Reisen nach

sich. In Literatur und Presse finden sich viele Begriffe, die prinzipiell das

gleiche Ziel verfolgen - u. a. Qualitativer Fremdenverkehr, anderes Reisen,

angepasster Tourismus, alternativer Tourismus, Ökotourismus, Tourismus

mit Einsicht. Auch der scharfsinnigste Wissenschaftler wird keine

wesentlichen Unterschiede herausstellen können.86 Am intensivsten

diskutiert und am detailliertesten herausgearbeitet wurden der Nachhaltige

Tourismus und der Sanfte Tourismus. Aus diesem Grund werden beide

Begriffe im Folgenden genauer erläutert:

5.1 Sanfter Tourismus

Der erstmals 1980 von dem österreichischen Zukunftsforscher Robert Jungk

erwähnte Begriff Sanfter Tourismus wurde zum Schlagwort für den

geforderten Wertewandel im Tourismus. Die Konzeptidee vom sanften

Tourismus fasst Umweltverträglichkeit, Sozialverträglichkeit, eine optimale

Wertschöpfung und eine neue Reisekultur zusammen.87 Dem �harten�,

ressourcenvernichtenden, umweltfeindlichen Massentourismus soll das

Modell des Sanften Tourismus gegenüber gestellt werden.

Wirtschaftswachstum soll unter Berücksichtigung von Umwelt- und

85 Vgl. o. V. (2006), http://www.bfn.de/0323_iyesanft.html, 15.09.07. 86 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 68ff. 87 Vgl. Viegas, A. (1998), S. 9ff.

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gesellschaftlichen Aspekten des Zielgebietes erreicht werden. Sowohl für die

Reisenden als auch für die Ortsansässigen, gewinnt die Reise an Wert. Dem

Reisenden soll die Destination intensiv und unverfälscht nahe gebracht

werden, möglichst ohne die bereiste Natur und Kultur zu verändern oder zu

beschädigen. Durch den Tourismus soll die Lebensqualität der

Einheimischen verbessert werden. Der Zielkonflikt von Freizeit und Umwelt

soll durch ein dementsprechendes Angebot entschärft werden. Innerhalb

einer intakten Umwelt sollen die Bedürfnisse der erholungssuchenden

Reisenden mit denen der ortsansässigen Bevölkerung in Einklang gebracht

werden. Allerdings zieht auch Sanfter Tourismus Auswirkungen auf seine

Umwelt nach sich, da eine touristische Bewegung ohne Beeinträchtigungen

von Natur und Gesellschaft nicht möglich ist. Aus diesem Grund wurde die

Idee des Sanften Tourismus von Tourismusstandorten und

Branchenvertretern zunächst nicht angenommen, da sie mit wirtschaftlichem

Rückschritt gleichgesetzt wurde.88 Trotzdem besteht mittlerweile

branchenweit Konsens über die negativen Auswirkungen des Tourismus.

Eine eindeutige, ausschließliche Definition des Begriffes Sanfter Tourismus

existiert bis heute nicht. Sanfter Tourismus ist vielmehr als Prozess zu

verstehen, der die Minimierung negativer Konsequenzen auf Natur und

Kultur des Zielgebietes zum Ziel hat. Diverse Tourismuskritiker und auch

Tourismusbefürworter haben theoretische Ansätze eines umwelt- und

sozialverträglichen Tourismus erarbeitet und weiterentwickelt. Problematisch

gestaltet sich allerdings die praktische Umsetzung dieser Überlegungen. Zu

den wichtigsten Anforderungen an einen Sanften Tourismus gehören u. a.

Dezentralisierung der Einrichtungen, Entzerrung und Lenkung der

Verkehrsströme, sowie Anbindung an Bus- und Bahnverkehr, so dass die

Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist. Vor Ort soll die

verkehrsmäßige Erschließung auf ein Minimum reduziert werden.

Stattdessen sollen sich Touristen bestenfalls zu Fuß oder mit Reittieren,

Fahrrädern oder Booten fortbewegen. Zudem sollen Kleinprojekte gefördert

und die einheimische Bevölkerung in touristische Entscheidungen mit

einbezogen werden. Die Architektur der Unterkünfte soll einfach und an den

88 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 68ff.

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landesüblichen Baustil angepasst sein. Auch hinsichtlich der Verpflegung soll

auf regional produzierte Produkte zurückgegriffen werden.89

Nachdem in den 1980er Jahren der Begriff Sanfter Tourismus verwendet

wurde, hat sich in den letzten Jahren der Terminus nachhaltiger Tourismus

durchgesetzt.

5.2 Nachhaltiger Tourismus

Der Ausdruck Nachhaltigkeit wurde erstmals in der Forstwirtschaft

verwendet: Danach soll nur so viel Holz aus dem Wald entnommen werden,

wie in dem jeweiligen Gebiet nachwachsen kann.90 1987 griff die World

Commission on Environment and Development in ihrem Bericht �Our

Common Future� das Prinzip der Nachhaltigkeit auf und übertrug es auf alle

anderen Sektoren. Der sogenannte �Brundtland Bericht� definierte:

�Sustainable Development is development that meets the needs of the

present without compromising the ability of future generations to meet their

own needs.�91 (�Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die

Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass zukünftige

Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.�92) Der

Brundtland Bericht hatte auf einen dringenden Handlungsbedarf

hingewiesen, doch die erhobenen Forderungen und Vorschläge mussten

noch in verbindliche Verträgen oder Konventionen umgesetzt werden. Dies

geschah 1992 auf der ersten Umwelt- und Entwicklungskonferenz der

Vereinten Nationen in Rio de Janeiro, wo die Agenda 21, ein globales,

sektorübergreifendes Handlungsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung

im 21. Jahrhundert, von 178 Staaten gemeinsam verabschiedet wurde.93 Die

Agenda 21 behandelt viele Themen, die den Tourismus direkt betreffen (u. a.

hohes Verkehrsaufkommen, Zerstörung von Ökosystemen), allerdings ist ihm

kein eigenes Kapitel gewidmet, weshalb spezifische Probleme, wie z. B.

89 Vgl. o.V., http://www.umweltlexikon-online.de/fp/archiv/RUBsonstiges/SanfterTourismus.php, 15.09.07. 90 Vgl., o. V., http://www.umweltlexikon-online.de/fp/archiv/RUBsonstiges/NTouris.php, 15.09.07. 91 o. V. http://www.un.org/issues/m-susdev.html, 06.01.08. 92 Schneider, H. (2006), S. 195. 93 Vgl. o. V., http://alt.nachhaltigkeit.info/110073959206266/Geschichte/Weltgipfel%20Rio%20de%20Janeiro%201992.htm, 06.01.08.

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flächenintensive, infrastrukturelle Anlagen, nicht angegangen wurden.94 Vier

Jahre später wurde nach Ablauf der World Conference on Sustainable

Tourism auf Lanzarote die Agenda 21 for the Travel & Tourism Industry

vorgelegt, wodurch das internationale Bewusstsein von tourismusinduzierten

Problemen weiter verstärkt werden konnte.95 Nachhaltiger Tourismus stellt

einen Versuch dar, die negativen Auswirkungen des Tourismus zu

vermeiden. Grundsätzlich berücksichtigt er ökologische, ökonomische und

soziokulturelle Aspekte des Reisens, allerdings gibt es verschiedene

Definitionen, die, abhängig vom Verfasser, die Wichtigkeit der zu

beachtenden Aspekte unterschiedlich gewichten, wie anhand der folgenden

Beispiele verdeutlicht werden soll.

�Nachhaltiger Tourismus ist wirtschaftlich und sozial gesund, ohne die

Umwelt und die lokale Kultur zu beeinträchtigen. Nachhaltigkeit bedeutet also

geschäftlicher und wirtschaftlicher Erfolg, Schutz, Erhaltung und Entwicklung

der Umwelt sowie Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Kulturgut.

Diese drei Aspekte sind miteinander verknüpft.� (Europäische Kommission,

2003)96

�Sustainable Tourism is defined as a model form of economic development

that is designed to improve the quality of life fort he host community, provide

a high quality of experience for the visitor, and maintain the quality of the

environment on which both the host community and the visitor depend.�

(World Tourism Organisation, 1993)97

�Die Entwicklung des Tourismus muss ökologische Verträglichkeitskriterien

erfüllen, das heißt, er muss langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich

machbar sowie ethisch und sozial gerecht für die ortsansässigen

Gemeinschaften sein.� (Ecotour, 2000).98 Während die Europäische

Kommission wirtschaftlichen Erfolg als wesentlichen Bestandteil von

nachhaltigem Tourismus definiert, muss dieser laut Ecotour lediglich

wirtschaftlich machbar sein. Ecotour betont in erster Linie die ökologische

Seite von nachhaltigem Tourismus, die Europäische Kommission hebt

94 Vgl. Weinreich, C., http://www.aube-umweltakademie.de/LokaleAgenda21_1.htm, 05.01.08. 95 Vgl. u. a. Kahlenborn, W. (1999), S. 42f. 96 Vgl. Gurtner, R. (2006), S. 10f. 97 Vgl. Gurtner, R. (2006), S. 11f. 98 Vgl. Gurtner, R. (2006), S. 11f.

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besonders den ökonomischen Aspekt hervor, wohingegen die WTO vor

allem die soziale Seite betont. Die WTO-Definition geht als einzige auch auf

den Reisenden ein. Nachhaltiger Tourismus soll die Qualität der Reise für

den Reisenden qualitativ verbessern. Bereits anhand dieser drei Definitionen

ist erkennbar, dass das Konzept der Nachhaltigkeit im Tourismus nicht

wertfrei ist. Es existiert keine einheitliche Sichtweise und Definition. Konkrete

Handlungsvorschläge geben Becker, Job und Witzel in ihrem Buch

�Tourismus und nachhaltige Entwicklung�. Sie unterscheiden hierbei nach

ökologischer, ökonomischer und sozialer Dimension und machen

Vorschläge, wie man die unter 4. genannten negativen Auswirkungen durch

entsprechende Gegenmaßnahmen vermeiden oder zumindest verringern

kann. Aus ökologischer Sicht muss die Nutzungsrate erneuerbarer

Ressourcen unter deren Nachwuchsrate liegen, nicht erneuerbare

Ressourcen sollen maximal so stark verbraucht werden, wie erneuerbare

Substitute in gleicher Höhe erzeugt werden können, Reststoff- und

Abfallmengen dürfen nicht über dem Assimilationsvermögen der Umwelt

liegen, die Einbringung in Endlagerstätten soll so gering wie möglich

gehalten werden, Vielfalt, Schönheit und ästhetischer Wert der Natur- und

Kulturlandschaft soll erhalten bleiben. Ökonomisch betrachtet sollen

materielle und immaterielle Grundbedürfnisse befriedigt und gesichert

werden, der Mindestlebensstandart aller aktiven und passiven

Tourismusteilnehmer muss gewährleistet sein, zudem soll das menschlich

geschaffene Produktionssystem gesichert und weiterentwickelt werden. Im

sozialen Bereich wird gefordert, dass die Teilnahme der ortsansässigen

Bevölkerung an Entscheidungen gewährleistet wird, die Emanzipation der

Bevölkerung möglich ist, sowie das menschliche Gesellschaftssystem

entwickelt und gesichert wird.99 Allerdings ist eine klare Trennung dieser

Aspekte keinesfalls möglich, da sie voneinander abhängig sind und sich

gegenseitig beeinflussen.

99 Vgl., u. a. Becker, C. (1996).

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5.3 Zusammenfassung: Sanfter und Nachhaltiger Tourismus

Generell setzte eine breite Debatte zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus

erst sehr spät ein, obwohl die Tourismuskritikpioniere schon früh vor

ökologischen und sozialen Auswirkungen des Reisebooms warnten.

Theoretisch ist das Problem in allen Einzelheiten erfasst, allerdings mangelt

es an praktikablen Lösungsansätzen.

Sanfter Tourismus versteht sich als umwelt- und sozialverträgliche

Reiseform, die zu einer neuen Kultur des Reisens beitragen soll. Das heißt

der Reisende soll sich und seine Umwelt bewusster wahrnehmen und

verantwortungsbewusst damit umgehen. Dies trägt sowohl zur Erhaltung

ökologischer Vielfalt und Schönheit, zum Wohlbefinden der ortsansässigen

Bevölkerung, als auch zur Steigerung des Erholungswertes der Reise und

des eigenen Wohlbefindens bei. Sanfter Tourismus steht oft in der Kritik, da

er zumeist als Ansatz zur Entwicklung strukturell alternativer

Tourismusangebote und somit als Nischentourismus gesehen wird.100

Solange die individuelle Reisefreiheit gilt, wird diese nahezu zwangsläufig zu

Massenbewegungen führen. Jede Massenbewegung widerspricht aber

grundsätzlich den Idealen eines Sanften Tourismus. Die einzige Möglichkeit

einen durchweg Sanften Tourismus zu realisieren, wäre die Verringerung der

Reiseströme. Man müsste Reisen verbieten oder Reiseberechtigungsscheine

ausgeben, um die Anzahl der Reisenden und die zeitliche und örtliche

Verteilung von Reiseströmen gezielt zu steuern. Dies ist allerdings ebenso,

wie die Vergabe von �Qualifikationszeugnissen� für Reisende undenkbar, da

damit den Prinzipien der Grundrechte widersprochen wird.

Es bleibt festzuhalten: DER Sanfte Tourismus ist angesichts der heutigen

Reiseströme nicht realisierbar. Es ist allenfalls möglich, in wesentlichen

Dimensionen, auf einen SanftEREN Tourismus hinzuwirken.101

Nachhaltiger Tourismus hingegen bezieht sich auf die touristischen

Aktivitäten in ihrer Gesamtheit. Er fragt nicht nach der Umwelt- und

Sozialverträglichkeit einzelner Reisen oder Reiseformen, sondern versucht

nach Möglichkeit die gesamte Tourismuswirtschaft mit einzubeziehen. Nach

100 Vgl. Gurtner, R. (2006), S. 9 ff. 101 Vgl., u. a., Kirstges, T. (2001), S. 20 ff.

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Müller/Flügel besteht nachhaltige touristische Entwicklung aus einem

Zielsystem mit sechs Bereichen:

- Materieller Wohlstand: Einkommen, Wertschöpfung, Abbau von

Disparitäten

- Subjektives Wohlbefinden: Eigenständigkeit, Freiheit,

Selbstverwirklichung, kulturelle Identität, Anpassungsfähigkeit

- Gästezufriedenheit: optimale Befriedigung vielfältiger

Gästebedürfnisse, Gästesegmentierung

- Natur- und Ressourcenschutz: Biodiversität, Ressourcenschutz,

landschaftliche Vielfalt

- Kulturelle Vielfalt: kulturelles Schaffen, Pflege einheimischer Kultur,

Kulturgüterschutz, Gastfreundlichkeit

- Zukünftige Generationen: Gestaltungsrecht, Generationenvertrag102

Um klare Forderungen wie diese durchzusetzen, bedarf es zunächst einmal

verbindlicher Richtlinien, die den Schwerpunkten Umweltschutz und soziale

Entwicklung gerecht werden ohne dem ökonomischen Erfolg der

Tourismusunternehmen ein zu massives Hindernis zu sein.

5.4 Nachhaltige Tourismuswirtschaft

�Von �Öko� und Sozialverträglichkeit kann derzeit niemand überleben.�103 Mit

dieser Aussage bringt Heinz Schmidt-Palzer vom Forum anders reisen,

einem Zusammenschluss alternativer Reiseveranstalter, das Problem der

Nachhaltigkeitsentwicklung im Tourismus auf den Punkt. Jeglichem

ökologischen und sozialen Engagement zum Trotz können sich auch

alternative Anbieter dem massiven Wettbewerbsdruck nicht entziehen.104

Bisher äußert sich Umweltbewusstsein und ein soziales Gewissen in der

Reisebranche vorwiegend in Form von PR-Maßnahmen der

Reiseunternehmen, tatsächliche problematische Auswirkungen im eigenen

Einflussbereich werden nicht beseitigt. Unternehmen präsentieren sich als

�greenwashed�, werden aber oftmals von Umweltaktivisten des

102 Vgl. Müller, H. (1999) S.43f. 103 Friedl, H. (2002), S.94f. 104 Vgl. Friedl H. (2002), S. 94f.

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Etikettenschwindels bezichtigt.105 Es wird als Verkaufshindernis empfunden

vom Kunden Verantwortung beim Reisen einzufordern. Alternative Anbieter

stehen unter enormen Konkurrenzdruck und müssen einen Kompromiss

zwischen überlebensnotwendigem Kommerzdenken und ihren Idealen

finden. Angesichts dieser Situation schlägt Gottfried Aigner vor, die

Verantwortung an die Touristen weiterzureichen, vorausgesetzt diese sind

durch kritische Medien entsprechend sensibilisiert und über vertretbare

Alternativangebote ausreichend informiert. Genau daran mangelt es aber im

Moment: Eine kritische Reiseberichterstattung existiert derzeit nicht und

wirkliche alternative Produkte sind für den Konsumenten nur schwer von

Standardprodukten zu unterscheiden.106 Ähnlich fasst Joynson die Chancen

für eine nachhaltige Entwicklung im Flugbereich zusammen: �The economic

imperatives of maximising output completely overshadow any quest for

responsible tourism.�107 Das Überleben der Branche kann nur durch

Rentabilitätskriterien gesichert werden. Kein Unternehmen kann es sich

leisten nach der Tragfähigkeit einer Zielregion, nach deren ökologischer und

sozialer Integrität oder deren Anschluss an das internationale Flugnetz zu

fragen.108 Problematisch gestaltet sich die Situation auch in der Hotel- und

Gastronomiebranche sowie in den Destinationen. Solange die Politik den

Machtausbau der transnationalen Unternehmen erleichtert, verschärft sich

der Überlebenskampf für die Privathotellerie in den Zielgebieten. Noch

höhere Devisenabflüsse aus den Destinationen, noch weniger Jobs für die

lokale Bevölkerung und noch weniger finanzielle Spielräume für ökologisch

sinnvolle Investitionen sind die tragischen Folgen.109

105 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S.101. 106 Vgl. Aigner, G. (1992). 107 Friedl H. (2002), S. 103. 108 Vgl. Friedl H. (2002), S. 103f. 109 Vgl. Friedl H. (2002), S. 103f.

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6. Tourismuspolitik

6.1 Staatlicher Einflussbereich

Geht man von einer konsequenten Anwendung des Subsidaritätsprinzips

aus, dann dürfte der Staat im Tourismus auf den ersten Blick kaum eine

aktive Rolle spielen. Er müsste lediglich die entsprechenden

Rahmenbedingungen für die räumliche Freizügigkeit im eigenen Land und,

durch Vereinbarungen mit anderen Staaten, die Anerkennung der

ausgestellten Reisepapiere auf Auslandsreisen sicherstellen.110 Tatsächlich

ist aber in nahezu allen Lebensbereichen eine staatliche Einflussnahme auf

den Tourismus zu beobachten. Das Subsidaritätsprinzip wird trotz des

staatlichen Engagements weitestgehend nicht verletzt, da die vielen

verschiedenen Unternehmen und Organisationen der Tourismuswirtschaft

nicht in der Lage sind ihre gemeinsamen Interessen zu bündeln und zu

organisieren. Der Bedarf an einer staatlichen Einflussnahme ist also

vorhanden. Im Folgenden wird nun beschrieben, inwiefern der Staat dieser

Forderung in Bezug auf eine Tourismuspolitik entgegenkommt.

Tourismus ist ein sehr komplexer Wirtschafts- und Sozialbereich, wodurch

Wahrnehmung und Abgrenzung im Vergleich zu anderen Industrien

erschwert werden. Die ökonomische Bedeutung einer �der größten Industrien

der Welt� wird zwar in globaler Hinsicht erkannt, allerdings im Speziellen

unterschätzt, da sie nicht in einzelnen Branchen und Betrieben, sondern

vielmehr in der Vernetzung sichtbar wird. In vielen Wirtschaftsbereichen

macht die direkt oder indirekt bedingte touristische Nachfrage nur einen Teil

der Gesamtnachfrage aus. Auch durch das politische System wird die

wirtschaftliche Relevanz des Tourismus oftmals verkannt. Die Regelung der

öffentlichen Angelegenheiten, die nahezu alle Lebensbereiche betreffen,

verlangt nach Spezialisierung. In der Bundesrepublik Deutschland findet

diese Arbeitsteilung Ausdruck in der institutionellen Organisation des

politischen Systems, d. h. in der Aufteilung der Bearbeitungskompetenzen in

Ministerien. Es ist nahe liegend, dass aufgrund der Vielzahl zu bearbeitender

Aufgaben und Probleme nicht jedem Lebensbereich ein eigenes Ministerium

110 Vgl. Freyer, W. (2006), S. 411.

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zugeordnet werden kann. Die von Regierung zu Regierung wechselnde Zahl

an Ministerien gibt die Wahrnehmung gesellschaftlicher Problemlagen und

die Festsetzung ihrer politischen Priorität wieder. Diese Institutionalisierung

führt zu einem Denken in Schubladen: Es gibt beispielsweise eine

Wirtschafts-, eine Sozial-, und eine Finanzpolitik, die unverbunden

nebeneinander bestehen. Dies hat den Vorteil, dass Probleme und Aufgaben

in übersichtlichen Dimensionen begrenzt bearbeitet werden können,

allerdings werden die Zusammenhänge der einzelnen Bereiche aufgrund

fehlender Verknüpfungen kaum noch wahrgenommen. Tourismus passt in

keine Schublade, da er keine Branche im traditionellen Sinne, sondern in

verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu finden ist.111 Zusätzlich zur

Wirtschaftspolitik ist der Tourismus auch eng mit anderen politischen

Wirtschaftsbereichen, wie u. a. der Sozial- und Gesundheitspolitik verknüpft.

Tourismuspolitik ist also eine Querschnittsaufgabe, die nahezu alle

Ministerien und Politikbereiche betrifft. Demzufolge muss man zwischen

direkter und indirekter Tourismuspolitik unterscheiden. Direkte

Tourismuspolitik umfasst alle Maßnahmen, die ausschließlich oder

hauptsächlich aus dem Tourismus heraus begründet werden, bzw. sich auf

ihn beziehen. Indirekte Tourismuspolitik bezieht sich auf alle Maßnahmen,

die den Tourismus als Wirtschaftszweig zwar maßgeblich betreffen, aber

nicht aus ihm heraus begründet werden.112 Tourismuspolitik wird auf allen

Regierungsebenen, also sowohl auf Bundes-, Landes-, als auch auf

kommunaler Ebene, betrieben. Allerdings hat sie bisher in Deutschland auf

Bundesebene nur einen geringen Stellenwert und dringt somit kaum ins

Bewusstsein der Öffentlichkeit. Ein Grund hierfür ist die Komplexität des

Politikfeldes Tourismus, dessen Dimensionen nicht ohne weiteres

überschaubar sind, sondern erst mühsam analytisch erschlossen werden

müssen. Dazu kommt die traditionelle Sichtweise der deutschen

Wirtschaftspolitik, dass materieller Wohlstand allein durch die industrielle

Güterproduktion gesichert werden kann. Politische Entscheidungsträger sind

sich der zunehmenden Bedeutung von Dienstleistungen jeglicher Art, zu

denen auch der Tourismus zählt, oftmals nicht bewusst. Zudem besteht das

111 Vgl. Mundt, J. (2006), S. 478ff. 112 Vgl. Mundt, J. (2004), S. 12f.

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politische System in seiner institutionellen Form seit langer Zeit, die hohe

Relevanz des Tourismus ist historisch gesehen allerdings relativ neu und

lässt sich keinem der traditionellen Politikfelder zuordnen. Zuständigkeiten

müssen erst zugeordnet werden. Daraus ergibt sich, dass kaum auf

Erfahrungen bezüglich der Formulierung und Durchsetzung

tourismuspolitischer Konzepte zurückgegriffen werden kann, was die

Bereitschaft vieler Politiker sich damit zu beschäftigen auch nicht erhöht.

Weder auf Bundes- noch auf Landesebene gibt es eine differenziert

ausformulierte Tourismuspolitik. Allerdings nimmt der Staat in fast allen

Bereichen direkt oder indirekt Einfluss auf den Tourismus. Der �inbound

tourism� wird weitestgehend von öffentlichen, wie beispielsweise von den

Gemeinden betriebene örtliche Tourismusstellen, bzw. quasi-öffentlichen

Organisationen, d. h. Tourismusorganisationen, die mit staatlicher

Unterstützung agieren, betreut und abgewickelt. Ein Beispiel hierfür ist die

Destinationswerbung der nationalen Tourismusorganisationen, u. a. der

Deutschen Zentrale für Tourismus, die mithilfe staatlicher Zuwendung

durchgeführt wird. Im Hinblick auf die Tourismuspolitik im Allgemeinen ist der

Staat vor allem in seiner Rolle als Organisator, Koordinator und Geldgeber

für wirtschaftliche Aktivitäten gefragt. Die meisten Subventionen im

Tourismus werden als Investitionen gesehen, die in verschiedenen

Bereichen Renditen abwerfen, die nicht ausschließlich finanzieller Natur

sind.113 So zieht ein Wachstum der Tourismuswirtschaft, einer

beschäftigungsintensiven Branche, zwangsläufig die Schaffung neuer

Arbeitsplätze und gegebenenfalls Verbesserungen des Einkommensniveaus

nach sich. Zudem fördert Tourismuswachstum die regionale Entwicklung und

bringt, durch Steuern und Abgaben, die Steigerung öffentlicher Einnahmen

mit sich.

Zusätzlich zur Wirtschaftsförderung unterstützt der Staat auch die

touristischen Aktivitäten seiner Bürger. Im Rahmen der gesundheitlichen und

sozialen Bedeutung des Tourismus soll einkommensschwachen

Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit für längere Urlaubs- und

Erholungsaufenthalte geboten werden. In Deutschland wurde der so

113 Vgl. o. V., http://www.bmwi.de/Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/tourismuspolitik.html 17.12.07.

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genannte Sozialtourismus vom nationalsozialistischen Regime zwischen den

beiden Weltkriegen etabliert. Aufgrund des zusammengestrichenen

Sozialetats stehen heute kaum noch die Mittel zur Verfügung um Reisen für

die sozial schwächere Bevölkerung zu fördern, wodurch der Begriff

Sozialtourismus an Bedeutung verliert. Im Bereich des Jugendtourismus

allerdings unterstützt der Staat Organisationen, wie das Deutsch-

Französische und das Deutsch-Polnische Jugendwerk, die Jugendlichen

Begegnungsreisen ermöglichen. Auch das deutsche Kurwesen ist, zumindest

teilweise, dem Sozialtourismus zuzurechnen, da Kuraufenthalte, auf Basis

der gesetzlichen Bestimmungen, zu einem großen Teil von

Sozialversicherungsträgern oder Krankenkassen finanziert werden.114

Staatliche Eingriffe in die Tourismuswirtschaft sind hinsichtlich

übergeordneter Ziele, wie u. a. regionaler Entwicklung, wichtig und werden

auch von der Tourismusbranche gern angenommen. Allerdings kommt dem

Staat gegebenenfalls auch die unangenehme Aufgabe der Drosselung des

Tourismus zu. Sobald die natürlichen oder wirtschaftlichen Ressourcen einer

Destination zu stark beansprucht werden, müssen geeignete Maßnahmen

ergriffen werden, um diese zu schonen bzw. optimaler einzusetzen.

Die Diskussion über die Problematik einer ständigen Vergrößerung des

Wirtschaftskreislaufs kam erst in den 1970er Jahren auf. Bis dahin

entwickelte sich der Tourismus, ohne dass die Grundlagen des auf

Wirtschaftswachstum angelegten Systems in Frage gestellt wurden. In der

Folge gewann die Umweltpolitik als eigenes Politikfeld in Deutschland immer

mehr an Bedeutung. Die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 war der

Auslöser zur Gründung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und

Reaktorsicherheit. Damit wurde die Umweltpolitik institutionalisiert und mit

dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Naturschutz wurden

Einrichtungen zur Dauerbeobachtung der Entwicklung und Politikberatung in

diesem Bereich geschaffen. Tourismus- und Umweltpolitik sind eng

miteinander verbunden. Es gehört zu den Aufgaben der Tourismuspolitik

negative Begleiterscheinungen des Reisens zu vermeiden. Somit ist

Tourismuspolitik auch Umweltpolitik. Die Zielstellungen scheinen auf den

114 Vgl. Mundt, J. (2006), S. 485f.

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ersten Blick eindeutig zu sein: Die Umwelt soll weniger belastet und die

natürlichen Ressourcen geschont werden. Kompliziert wird es allerdings,

sobald konkrete Messwerte festgelegt werden sollen. Problematisch gestaltet

sich auch die Diskussion der staatlichen Maßnahmen, da hierbei auch

politisch-ideologische Aspekte eine entscheidende Rolle spielen. Es stellt

sich die Frage, in welchem Ausmaß staatliche Einflussnahme mit den

Grundsätzen der Verfassung vereinbar ist.115 Grundsätzlich ist die

Tourismuspolitik gefordert über Gesetze und Verordnungen, die Auflegung

von Förderprogrammen, Vereinbarungen mit der Tourismuswirtschaft und die

Verbreitung von Informationen den notwendigen Rahmen für die Entfaltung

nachhaltiger Entwicklung im Tourismus schaffen.

Steuerpolitische Maßnahmen oder ökologische Anreize beispielsweise

können als Motivation für umweltschonendes Verhalten eingesetzt werden.

Das heißt knappe Ressourcen werden höher besteuert, um zu ihrem

effizienteren Gebrauch anzuhalten, umweltkonformes Verhalten wird

subventioniert und Umweltzertifikate in Form handelbarer Emissionslizenzen,

die den Gesamtverbrauch einer Periode festlegen und deren Preisbildung

dem Markt überlassen wird, werden eingeführt. Durch direkte staatliche

Maßnahmen, wie dem Bau von Umweltschutzeinrichtungen wie u. a.

Klärwerken und Lärmschutzwällen, leistet die Politik ihren Beitrag zum

Umweltschutz. Zudem kann innerhalb der Ordnungspolitik mittels

gesetzlicher Regelungen ein Rahmen für umweltrelevantes Verhalten

geschaffen werden. Dieser beinhaltet beispielsweise festgelegte

Emissionsgrenzwerte und ausgewiesene Naturschutzgebiete. Wichtig hierbei

ist die Einführung von Sanktionen, falls die Bestimmungen nicht eingehalten

werden. Begleitend zu diesen Maßnahmen besteht die Möglichkeit über

Umweltschäden aufzuklären und Appelle an das Umweltgewissen zu richten,

in der Hoffnung das entsprechende Verhalten positiv zu beeinflussen. Allein

durch Appelle und Aufklärungen kann jedoch nur dann eine Änderung

bewirkt werden, wenn das Erreichen des gewünschten Verhaltens nur mit

geringen Kosten verbunden ist. Neben Kosten finanzieller Art sind hierunter

auch andere Einschränkungen, wie der persönliche Verzicht auf Konsum

115 Vgl. Mundt, J. (2006), S. 517ff.

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oder Mobilität zu verstehen. Tab. 1 gibt einen zusammenfassenden Überblick

über die genannten Instrumente und den Grad ihrer Verbindlichkeit.116

Tab. 1 � Instrumentarium der staatlichen Tourismuspolitik117 Politikbereiche / Maßnahmen Grad der

Verbindlich- keit

Aufklärung Verhandlungssysteme mit den Akteuren (�runde Tische�, �Aktionsbündnisse� usw.) Ökonomische Anreize (Subventionen für die Erhaltung von Naturräumen, Kosteneinsparung durch geringeren Ressourcenverbrauch usw.) Steuerpolitik � Verstärkung des Marktpreismechanismus (höhere Besteuerung knapper Ressourcen, Einführung von handelbaren Emissionslizenzen usw.) Ordnungspolitik (Umweltauflagen, Verbote, Grenzwerte, Überwachung, Sanktionen bei Nichteinhaltung usw.) Maßnahmenpolitik (Bau von Kläranlagen, Lärmschutzwälle, an Umweltschutzvorgaben orientierte staatliche Beschaffungs- und Investitionspolitik usw.)

Die Tatsache, dass das Interesse der Tourismusunternehmen vorwiegend

der Sicherung bzw. Steigerung des eigenen Umsatzes gilt und sie die

negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit nicht bemerken oder

ignorieren, macht die Notwendigkeit der Einrichtung einer oder mehrerer

neutraler Stellen für die Steuerung und Koordination übergreifender

Aktivitäten der Tourismusindustrie offensichtlich. Im Folgenden werden die

wichtigsten Akteure der nationalen und internationalen Tourismuspolitik mit

ihren jeweiligen Tätigkeitsschwerpunkten auch in Hinblick auf die nachhaltige

Entwicklung im Tourismus vorgestellt.

6.2 Akteure der Tourismuspolitik 6.2.1 Bundesebene

1975 äußerte sich die Bundesregierung erstmals offiziell zur

Tourismuspolitik. Seitdem werden in mehrjährigen Abständen

116 Vgl. Mundt, J. (2004), S. 312ff. 117 Vgl. Mundt, J. (2004), S. 312.

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�Tourismuspolitische Berichte der Bundesregierung� erstellt, zuletzt im Jahr

2003. 1987 wurde auf parlamentarischer Ebene zunächst im

Wirtschaftsausschuss des Bundestages ein Unterausschuss für

Fremdenverkehr und Tourismus etabliert, der dann 1990 zu einem

Vollausschuss aufgewertet wurde und seitdem Ausschuss für Tourismus

heißt.118

Innerhalb der Bundesregierung liegt die Verantwortung für die

Tourismuspolitik in erster Linie beim Bundesministerium für Wirtschaft und

Technologie. 1977 wurde durch Erlass des Bundeswirtschaftsministers ein

Tourismusbeirat gegründet, dem maximal 30 Vertreter aus Unternehmen und

Spitzenverbänden der Tourismuswirtschaft, der Verkehrsträger, des

Deutschen Industrie- und Handelskammertages, der Kommunen, der

Gewerkschaften, der Medien und der Wissenschaft angehören. Dieser dient

zum einen der Zusammenführung der unterschiedlichen Interessen und hat

zum anderen die Aufgabe den Bundesminister in Fragen der

Tourismuspolitik zu unterstützen. 2005 wurde per Kabinettsbeschluss ein

Tourismusbeauftragter ernannt und dem Bundesministerium für Wirtschaft

und Technologie als Berater zugeordnet. Dieser ist Ansprechpartner für die

Wirtschaft und ihre Verbände, vertritt tourismuspolitische Anliegen innerhalb

der Bundesregierung und im parlamentarischen Bereich, leitet den

Tourismusbeirat und steht in intensivem Dialog mit den Bundesländern.119

Eine nationale Strategie für nachhaltigen Tourismus gibt es auf

Bundesebene noch nicht, da der Bund lediglich die Rahmenbedingungen für

die Tourismusentwicklung vorgibt und den Ländern die Ausgestaltung im

Detail überlässt. Allerdings unterstützt der Bund die nachhaltige

Tourismusentwicklung in Deutschland u. a. durch die Förderung von

Projekten verschiedener Träger, die Entwicklung der Umweltdachmarke

Viabono, die nachhaltige Nutzung von nationalen Naturlandschaften sowie

Konferenzen und Fortbildungen zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit

(BMZ) unterstützt internationale Bemühungen ii diesem Bereich und

118 Vgl. Mundt, J. (2006), S. 501ff. 119 Vgl. o. V., http://www.bmwi.de/Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/tourismuspolitik.html 17.12.07.

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kooperiert mit verschiedenen internationalen Initiativen, wie beispielsweise

CIPRA, EUROPARC oder ICLEI, die sich für eine nachhaltige

Tourismusentwicklung einsetzen.120

6.2.2 Länderebene

Auf Länderebene werden tourismuspolitische Fragen in den

Wirtschaftsausschüssen und in den Ausschüssen zur Landes- und

Entwicklungsplanung verhandelt. Das wichtigste Instrument der

Bundesländer für ihre Tourismuspolitik sind allerdings die

Landestourismusverbände. Deren Tagesgeschäft wird oftmals von

branchenerfahrenen Geschäftsführern abgewickelt, die Präsidenten, zumeist

Minister oder Landtagspräsidenten, kommen jedoch aus der Politik. Die

direkte Tourismusförderung, wie beispielsweise Werbung für das jeweilige

Bundesland, wird über diese Verbände angewickelt. Es fällt in den

Zuständigkeitsbereich der Länder zu bestimmen, welche speziellen

Finanzierungsmöglichkeiten Städte und Gemeinden im Bereich der

Tourismusförderung haben. Dazu gehören auch Landesentwicklungspläne,

über die die Tourismusentwicklung einzelner Regionen oder Kommunen

gefördert werden soll.121

Bezug nehmend auf den föderalen Aufbau der deutschen Politik ist der Bund

eher für die Rahmenbedingungen und die Länder für die Ausgestaltung des

Tourismus zuständig. Um die Abstimmung zwischen Bund und Ländern

hinsichtlich der gegenseitigen Unterrichtung und Koordination

tourismuspolitischer Aktivitäten zu gewährleisten, wurde der Bund-Länder-

Ausschuss Tourismus eingerichtet, in dem das Bundesministerium für

Wirtschaft und Technologie und die für Tourismus zuständigen Ministerien

der Bundesländer vertreten sind. Dieser tagt in halbjährlichem Rhythmus und

diskutiert primär tourismuspolitische Konzepte und Maßnahmen und trägt

Sorge für deren Abstimmung zwischen den Ländern und zwischen Bund und

Ländern.122

120 Vgl. o. V., http://www.zukunft-reisen.de/bundesregierung.html, 17.12.07. 121 Vgl. Mundt, J. (2006), S. 503ff. 122 Vgl. o. V., http://www.zukunft-reisen.de/bundesregierung.html, 17.12.07.

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6.2.3 Kommunale Ebene

Tourismuspolitik ist keine �Pflicht�aufgabe der Kommunen, allerdings haben

diejenigen unter ihnen, für die Reisende und Touristen eine wichtige

Einkommens- und Beschäftigungsquelle darstellen, freiwillig Stellen zur

Förderung und Koordination von Tourismus eingerichtet. Diese Stellen

erbringen, ähnlich wie die nationalen Tourismusorganisationen, kollektive

Leistungen, wie u. a. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Da die daraus

entstehenden Vorteile für die Unternehmen vor Ort nicht im Einzelnen

zurechenbar sind, ist es nahezu unmöglich ihnen die Kosten für diese

Leitungen in Rechnung zu stellen. Demzufolge sind kommunale

Tourismusstellen auf Subventionen angewiesen und folglich nicht

privatisierbar. Die Finanzierung kommunaler Tourismusstellen basiert also

üblicherweise auf allgemeinen Steuermitteln. Zusätzlich haben Kommunen

die Möglichkeit tourismusspezifische Steuern bzw. Abgaben, wie zum

Beispiel die Kurtaxe oder die Fremdenverkehrsabgabe, zu erheben.123 Im

Hinblick auf einen umweltgerechten Tourismus kommt den

Kommunalverwaltungen eine wichtige Schlüsselrolle zu. Durch ihre

Genehmigungspraxis und Flächennutzungspolitik besitzen sie ein

geeignetes Instrumentarium, um die tourismusrelevanten

Umweltproblemfelder Flächenverbrauch und Verlust von Biodiversität gezielt

anzugehen. Auch lokale Probleme, wie beispielsweise die verkehrsbedingte

hohe Lärmbelastung oder die Abfallentsorgung können auf kommunaler

Ebene gezielter gelöst werden, als auf Länder- oder Bundesebene. Zudem

können Sie mit ihren Fremdenverkehrsämtern, Tourismus- und

Kurbetriebsgesellschaften direkte touristische Anbieter und somit

umweltbewusste Tourismusangebote schaffen. Problematisch ist allerdings,

dass Kommunen ihr Maßnahmenspektrum oftmals nur unzureichend nutzen.

Politische Interessen und kommunale Haushalte schränken dies ein. Auch

durch die ökonomische Abhängigkeit vom Tourismus und durch das

Konkurrenzdenken der Gemeinden untereinander agieren kommunale

123 Vgl. Mundt, J. (2006), S. 506ff.

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Entscheidungsträger nicht immer im Sinne eines umweltgerechten

Tourismus.124

6.2.4 EU-Ebene

Lange Zeit gehörte die Tourismuspolitik nicht zu den europäischen

Gemeinschaftsaufgaben. Erst mit der Unterzeichnung Vertrags über die

Europäische Union 1992 in Maastricht wurde Fremdenverkehr als

potentielles Tätigkeitsfeld aufgenommen.125 Eine ausdrückliche Kompetenz,

beispielsweise in Form eines Tourismuskapitels im Vertrag, besteht jedoch

nicht. Die Kompetenz der Europäischen Union in touristischen Fragen wird

durch das im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

verankerte Subsidaritätsprinzip begrenzt. Demnach soll die EU nur aktiv

werden, wenn die Mitgliedsstaaten nicht in der Lage sind, geeignete

Lösungen hinsichtlich tourismuspolitischer Problemstellungen zu finden.126

Die Gremien der EU verfügen bezüglich direkter Tourismuspolitik nur über

eine vergleichsweise begrenzte Entscheidungsbefugnis. Allerdings sind

Politikbereiche wie die Verkehrs-, Umwelt- oder Verbraucherschutzpolitik, in

denen der Einfluss der EU deutlich ausgeprägter ist, von entscheidender

Bedeutung für den Tourismus. Die Reiserechtslinie beispielsweise, die u. a.

einen Insolvenzschutz für Pauschalreisende beinhaltet, wurde zwar im

Rahmen der EU-Verbraucherschutzpolitik erlassen, könnte allerdings auch

der Tourismuspolitik zugerechnet werden. Und die Verkehrspolitik zum

Beispiel betrifft einen Kernbereich des Tourismus. Tourismuspolitik wird

demzufolge sehr wohl auch auf EU-Ebene betrieben, zumindest in indirekter

Form. Problematisch wirken sich auch die grundverschiedenen

Interessenlagen der Mitgliedsstaaten auf eine EU-Tourismuspolitik aus. So

stellen die hochindustrialisierten Entsendeländer des europäischen Nordens

andere Anforderungen an die EU-Tourismuspolitik als die wirtschaftlich

weniger entwickelten Empfängerländer im Süden Europas. Die EU fungiert

124 Vgl. Schmied, M. (2002), S. 88ff. 125 Vgl. Kahlenborn, W., http://www.ecologic.de/download/projekte/800-849/840/840_Endbericht.PDF, 17.12.07. 126 Vgl. o. V. (2006), http://www.bmwa.gv.at/BMWA/Schwerpunkte/Tourismus/IntTourBeziehung/EU/default.htm, 17.12.07.

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als Moderator und soll zum Ausgleich der unterschiedlichen Interessen

beitragen und eine gemeinschaftsorientierte Tourismuspolitik entwickeln.

Übergeordnetes Ziel ist es hierbei sowohl eine Qualitätssteigerung im

Tourismus als auch positive Arbeitsmarkteffekte vor allem im Bereich kleiner

und mittelständischer Unternehmen zu erreichen. Tourismus dient als

Instrument der Entwicklung. Zusätzlich soll er das kulturelle und politische

Zusammenwachsen der Mitgliedsstaaten fördern. Eine wesentliche

Errungenschaft der EU-Tourismuspolitik ist die Richtlinie �Über die Erhebung

statistischer Daten im Tourismus� von 1995. Bis dahin waren die

statistischen Daten der Mitgliedsstaaten, aufgrund zu unterschiedlicher

Ansätze hinsichtlich deren Erfassung, nicht vergleichbar und somit als

Grundlage tourismuspolitischer Entscheidungen unbrauchbar. Da

Tourismuspolitik ohne genaue Kenntnis der wirtschaftlichen Bedeutung des

Tourismus nicht effektiv betrieben werden kann, haben sich die EU-

Mitgliedsstaaten auf eine einheitliche Methodik zur Erhebung statistischer

Daten im Tourismus geeinigt.127

Grundsätzliches Problem der EU-Tourismuspolitik ist, dass die Kompetenzen

nicht klar geregelt sind und unter den Mitgliedsstaaten auch keine Einigkeit

herrscht. Während die nördlichen Mitgliedsstaaten einer verstärkten

Einflussnahme der EU eher ablehnend gegenüberstehen, würden die

klassischen Urlaubsstaaten dies begrüßen. Die EU ist in ihrer

Handlungsfähigkeit paralysiert. Vor diesem Hintergrund ist auch die

nachhaltige Entwicklung des Tourismus in Europa kritisch zu sehen. Im

Bereich Tourismus und Umwelt ist eine gewisse Stagnation zu beobachten.

Europa ist weltweit die wichtigste Destination des Tourismus und somit auch

besonders stark von dessen negativen Auswirkungen betroffen. Eine

Mitwirkung der EU ist erforderlich, um Lösungen für grenzüberschreitende

Probleme zu entwickeln. Hinsichtlich der Herausforderung einen

nachhaltigen und gleichzeitig wirtschaftlich tragbaren bzw. erfolgreichen

Tourismus zu etablieren, ist die tourismuspolitische Situation der EU

unbefriedigend.128

127 Vgl. Mundt, J. (2006), S. 495 ff. 128 Vgl. o. V. (1999), http://www.tab.fzk.de/de/projekt/zusammenfassung/ab59.htm, 17.12.07.

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6.2.5 Globale Tourismuspolitik

Die 1995 von der UNO als verantwortliche zwischenstaatliche Behörde für

den Tourismusbereich anerkannte Welttourismusorganisation (WTO),

bemüht sich sowohl um die Integration der ökologischen als auch der

ökonomischen Aspekte des Tourismus. Gemeinsam mit ihren

Kooperationspartnern, u. a. der UNEP und der CSD, engagiert sich die WTO

intensiv im nachhaltigen Tourismus und trug z. B. auch die Verantwortung für

das Internationale Jahr des Ökotourismus 2002.

Über die diversen Unterorganisationen, wie die WHO oder die Weltbank, war

die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) schon lange im Tourismus

aktiv, zum expliziten Schwerpunktthema wurde dieser allerdings erst 1997

erklärt. Die Hauptaufgabe der Kommission für Nachhaltige Entwicklung

(CSD) besteht in der Überwachung der Umsetzung der Agenda 21-

Beschlüsse, wobei sie hierbei auf die Berichte der

Nichtregierungsorganisationen (NRO) und der nationalen Regierungen

angewiesen ist. Die CSD ist nicht berechtigt völkerrechtlich verbindliche

Entscheidungen zu treffen oder Konventionen zu verabschieden, sie kann

lediglich Maßnahmen empfehlen. Die Welthandelsorganisation (WTradeO),

1993 in Marrakesch gegründet, wacht über die Einhaltung und

Weiterentwicklung des GATS und ist somit für den Tourismus von zentraler

Bedeutung. Die Weltbank, als ressourcenstärkste und einflussreichste

Institution der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, ist zuständig für

die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts in

Entwicklungsländern. Dieser Aufgabe kommt sie durch die gezielte Vergabe

von Krediten nach. Zusammen mit dem Internationalen Währungsfond (IWF)

engagiert sich die Weltbank für Modernisierungsprojekte und versucht das

Prinzip der Liberalisierung und Deregulierung durchzusetzen. Da

problematische Auswirkungen dieser Maßnahmen nicht ausbleiben, ist die

Weltbank hinsichtlich ihrer Strategien äußerst umstritten.129 Das World Travel

and Tourism Council (WTTC) entstand 1990, als sich die 100 weltweit

größten Tourismusunternehmen zusammenschlossen, um die wirtschaftliche

129 Vgl. Friedl H., Tourismusethik, München, 2002, S. 130

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Bedeutung des Tourismus auf politischer Ebene bewusst zu machen. Die

Organisation hat sich folgende Ziele gesetzt: Öffnung der Märkte,

Wachstumssteigerung und nachhaltige Tourismusentwicklung � in dieser

Reihenfolge, wie sich anhand der Aktivitäten des WTTC vermuten lässt.

Durch das WTTC will die internationale Tourismuswirtschaft ihren

wachsenden Spielraum zur Beeinflussung der politischen und

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zugunsten des Tourismus nutzen. Die

vorgelegte Millennium Vision beinhaltet die folgenden Forderungen:

- den Sektoren Reisen und Tourismus Priorität hinsichtlich der

regierungsseitigen Entwicklungs- und Beschäftigungspolitik

einzuräumen

- die Märkte weiter zu öffnen

- eine beschleunigte Umsetzung des GATS zu verstärken

- die Liberalisierung des Flugverkehrs

- die Deregulierung des Telekommunikationssektors

- die Beseitigung der Wachstumsschranken im Tourismus

- die Modernisierung und Erweiterung der Infrastruktur130

Diese Forderungen sind jedoch nicht darauf ausgelegt, den negativen

Auswirkungen des Tourismus entgegenzuwirken. Im Sinne der nachhaltigen

Tourismusentwicklung hatte das WTTC 1996 an der Erstellung der Agenda

21 for Travel and Tourism Industry mitgewirkt und das

Zertifizierungsprogramm Green Globe für Unternehmen und Destinationen

realisiert.

Das Engagement um eine nachhaltige Tourismusentwicklung wächst auch

bei internationalen Nicht-Regierungsorganisationen, wie dem (WWF), der

International Union Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN)

und dem Earth Council und bei europäischen NRO�s, wie den Naturfreunden

International (NFI). Allerdings behindern personelle und finanzielle Engpässe

zumeist die Entwicklung und Durchsetzung von strategischen Visionen und

geschlossenen Gesamtkonzepten.131

130 Vgl. u. a. Kahlenborn, W. (2000), S. 49ff. 131 Vgl. Friedl H. (2002), S. 130ff.

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6.3 Deklarationen und Initiativen

Im Hinblick auf das Thema Nachhaltiger Tourismus wurden zahlreiche

Versuche unternommen verbindliche Richtlinien durchzusetzen. Die

bedeutendsten werden im Folgenden vorgestellt:

Die Lanzarote Charta für einen verträglichen Tourismus (1995) war das

Ergebnis der Weltkonferenz für einen verträglichen Tourismus, die 1995

gemeinsam von der UNESCO, der UNEP und der WTO auf Lanzarote

veranstaltet wurde. Erstmals wurde anerkannt, dass Tourismus über das

Potenzial zur Völkerverständigung und zu sozioökonomischer und kultureller

Entwicklung verfügt, andererseits aber auch zur Ausbeutung der Umwelt und

zur Untergrabung der lokalen Identität beitragen kann. Die Charta sollte als

Grundlage zur Konkretisierung von Zielen, Kriterien und Plänen für eine

nachhaltige Tourismusentwicklung dienen, erhielt allerdings aufgrund zu

vager Formulierungen nur wenig Aufmerksamkeit.132

Ein Jahr später, 1996, veröffentlichten der WTTC, die WTO und der Earth

Council die Agenda 21 für die Reise- und Tourismusindustrie, in der die

Ergebnisse des Umweltgipfels 1992 in Rio de Janeiro auf den Tourismus

übertragen wurden. Im Wesentlichen beinhaltet die Agenda zwei Kriterien:

Zum einen soll die ortsansässige Bevölkerung in den Zielgebieten

hauptsächlicher Nutznießer des Tourismuswachstums sein, zum anderen

müssen eben diesem Wachstum Grenzen gesetzt sein, damit Landschaft,

Kultur und lokale Ressourcen erhalten bleiben.133 Der Schwachpunkt der

Agenda besteht in erster Linie im Fehlen eines konkreten

Maßnahmenkatalogs, �insofern kann die Agenda lediglich als Bekenntnis des

guten Willens bewertet werden.�134

1997 wird im Zuge der Weltkonferenz über die sozialen Auswirkungen des

Tourismus in Manila von 77 Teilnehmerländern die Manila Deklaration

verabschiedet. Dieses Dokument verpflichtet die Unterzeichnenden in erster

Linie zur Ausarbeitung eines Globalen Ethikkodex für den Tourismus, und

wird somit zum Vorbereiter für den Global Code of Ethics, der 1999 auf der

132 Vgl., Müller, H. (2007), S. 203ff. 133 Vgl. Kahlenborn, W. (2000), S.123ff. 134 Friedl H. (2002), S.123.

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WTO-Generalversammlung in Santiago de Chile vorgestellt wird. Die zehn

Artikel des Katalogs umfassen die Rechte und Pflichten für alle

Tourismusteilnehmer, d. h. für Zielgebiete, Regierungen, Reiseveranstalter,

Reisemittler, Personal, Tourismusplaner und Touristen. Im zehnten Artikel

sind der Geltungsbereich, die Modalitäten der Anwendung, sowie das

Schlichtungsverfahren im Fall von Verstößen gegen den Kodex dargelegt,

weshalb der Global Code of Ethics als innovatives Instrument begrüßt

wurde.135

Die internationale Nichtregierungsorganisation ECPAT136 trug 2001 mit der

Lancierung des Code of Conduct for the Protection of Children from Sexual

Commercial Exploitation in Travel and Tourism wesentlich zur Realisierung

von sozialverträglichen Reisen bei. Die Organisation, die sich gegen die

sexuelle Ausbeutung von Kindern einsetzt, verpflichtet mit dem Code of

Conduct die unterzeichnenden Reiseveranstalter ihre Maßnahmen zum

Schutz von Kindern vor Missbrauch durch Touristen zu treffen. Die

Einhaltung des Verhaltenskodex wird durch ein unabhängiges

Evaluierungskomitee überprüft. Auf Regierungsebene wurden u. a. von

Deutschland und den USA strenge Gesetze erlassen, die das kommerzielle

Anbieten von Kindersex mit hohen Haft- und Geldstrafen bedrohen.137

2002 fand in Johannesburg der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung statt

mit dem Ergebnis, dass ein Umsetzungsplan für nachhaltige Entwicklung

verabschiedet wurde, der auch den Tourismus berücksichtigt. Den

vorgegebenen Zielen folgt allerdings kein konkreter Maßnahmenkatalog,

zudem geben sie laut der Einschätzung durch Nicht-

Regierungsorganisationen, wie Tourism Watch, �weder wirklich Neues, noch

halbwegs Konkretes� wieder.138 Problematisch ist vor allem die hohe

Wirtschaftslastigkeit der Erklärung. Spezifische Initiativen, wie die

International Hotels Environment Initiative oder die Tour Operators� Initiative

for Sustainable Development, verpflichten ihre Mitglieder die jeweiligen

135 Vgl. Gurtner, R. (2006), S. 12ff. 136 ECPAT = End Children Prostitution, Pornography and Trafficking 137 Vgl., o. V., http://www.drv.de/drv/fachbereiche/umwelt-kultur/code-of-conduct.html, 11.12.07. 138 Vgl. Kamp, C. (2002), http://www.tourism-watch.de/dt/28dt/28.johannesburg/index.html, 11.12.07.

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festgelegten ökologischen und sozialen Anforderungen zu erfüllen und

dienen in erster Linie als Kommunikationsplattform.139

Derartige Absichtserklärungen, Programme und Maßnahmenkataloge stehen

in der Kritik das Papier auf dem sie geschrieben sind, nicht wert zu sein.

Hinter diesem massiven Gegenwind verbirgt sich die Unzufriedenheit an der

unkonkreten und wenig innovativen Schreibweise der Texte. Ein

gemeinsames Dokument muss, um die höchst unterschiedlichen Interessen

der beteiligten Partner zu vereinen, zwangsläufig diplomatische

Kompromisse eingehen, um überhaupt unterschrieben zu werden. Der

unbestimmten Formulierung der Texte fehlt oft der lokale Kontext, d. h. die

festgeschriebenen Prinzipien sind unmöglich auf die verschiedenen

Destinationen übertragbar und somit praktisch irrelevant.140 Allerdings

können auch unverbindliche Erklärungen eine wichtige Funktion

übernehmen, nämlich die der Vertrauensbildung. Trotz ihrer Defizite kann

sich die gemeinsame Erarbeitung der internationalen Absichtserklärungen

kooperationsstiftend und vertrauensbildend auf die beteiligten Parteien

auswirken. Durch das demonstrierte Problembewusstsein nach außen wird

zudem ein konstruktiver Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für

soziale und ökologische Aspekte geleistet. Trotzdem bleibt natürlich die

Umsetzung konkreter Maßnahmen das Maß aller Dinge. Alle erfreulichen

Signale können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die

Nachhaltigkeitsbestrebungen oftmals noch im krassen Widerspruch zu den

Bestrebungen der Wirtschaftskräfte stehen. Pleumaron geht sogar so weit zu

behaupten, dass das Konzept Nachhaltiger Tourismus und die damit

verbundenen Aktivitäten zu einer cleveren Marketingstrategie für neue

Tourismusformen, wie den Ökotourismus, verkommen.141

6.4 Gegenmaßnahmen der Wirtschaft

Die Tatsache, dass der WTTC, dessen Interesse am Wachstum der

weltweiten Tourismusindustrie eindeutig dem Interesse an einer nachhaltigen

139 Vgl. Gurtner, R. (2006), S. 12ff. 140 Vgl. Friedl H. (2002), S. 130ff. 141 Vgl. Friedl H. (2002), S.130 ff.

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Entwicklung überwiegt, an der Erarbeitung der meisten Deklarationen

beteiligt war, lässt die Schwierigkeiten bei der Findung konkreter

Formulierungen und der Festlegung verbindlicher Maßnahmen vermuten. Die

Bestrebungen der Wirtschaftskräfte um Deregulierung und Liberalisierung

widersprechen einem der Kernprinzipien der Nachhaltigkeit, nämlich

demokratisch legitimierter Regulierung durch lokale Partizipation. Von

überragender Bedeutung für die Tourismusindustrie ist das General

Agreement on Trade in Services (GATS), das 1995 als erstes multilateral

ausgehandeltes Abkommen mit rechtlich durchsetzbaren Regeln für den

Handel mit Dienstleistungen abgeschlossen wurde. Die

Globalisierungsdynamik wird durch die internationale Handelspolitik und

ihren derzeit geltenden Regelungsinstrumenten extrem forciert.142 Das GATS

mag den Aufschwung des Tourismuswachstums begünstigen, läuft allerdings

gleichzeitig der Nachhaltigkeitsbewegung zuwider. �Errungenschaften� des

GATS sind die Einschränkung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums

der nationalen Politik. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass lokale

Dienstleistungsanbieter nicht in höherem Maß gefördert werden dürfen als

transnationale Unternehmen. Das heißt die betreffenden Länder verlieren

sämtliche Instrumente zur Förderung heimischer Industrien, wodurch diese

schutzlos den sich ohnehin schon im Vorteil befindlichen transnationalen

Unternehmen ausgeliefert sind. Im Hinblick auf den Tourismus werden

internationale Veranstalter ihre Geschäftstätigkeit in den Destinationen weiter

ausweiten, damit kleineren heimischen Anbietern zunächst konkurrieren und

diese dann zunehmend verdrängen. Die hohen Devisenabflüsse nehmen

weiterhin zu. Das Konzept der Nachhaltigkeit beinhaltet hingegen eine

stärkere Einbeziehung lokaler Anbieter, um die erwähnte hohe Sickerquote

zu verringern und das Kapital, das mit den Touristen ins Land fließt, auch

dort zu halten. Zudem berücksichtigt das GATS keine Mitwirkungs- und

Einspruchsrechte der lokalen Verwaltungen, Nicht-Regierungsorganisationen

sowie der Bevölkerung. Soziale Mindeststandards sind nicht konkret

142 Vgl. o. V., http://www.bmz.de/de/themen/globalisierung/hintergrund/Welthandel/GATS.html, 11.12.07.

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festgelegt und die Regelungen zum Schutz der Umwelt weisen gravierende

Mängel auf.143

Das GATS als Beispiel für die Durchsetzungsfähigkeit der Wirtschaft macht

deutlich, wie das Kräfteverhältnis zwischen Wirtschaftsakteuren und

Nachhaltigkeits-Aktivisten aussieht. Während die Bestrebungen das Konzept

der Nachhaltigkeit im Tourismus zu verwirklichen, aufgrund fehlender

Einigkeit der Initiatoren, im Sande verlaufen, setzen die Wirtschaftskräfte

nach und nach den Globalisierungsprozess mit seinen negativen

Begleiterscheinungen fort.

143 Vgl. Friedl H. (2002), S. 126 ff.

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7. Umweltauszeichnungen im Tourismus

7.1 Gütezeichen im Allgemeinen

Gütezeichen sind definiert als �Wort- oder Bildzeichen oder beides, die als

Garantieausweis zur Kennzeichnung von Waren oder Leistungen

Verwendung finden, die die wesentlichen, an objektiven Maßstäben

gemessenen, nach der Verkehrsauffassung die Güte einer Ware oder

Leistung bestimmenden Eigenschaften erfüllen [�].�144 Sie bezwecken die

Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen, die nach hohen

festgelegten Qualitätskriterien hergestellt bzw. angeboten werden. In

Deutschland werden die Anforderungen für die jeweiligen Gütezeichen von

der RAL festgelegt. Die RAL, der Reichsausschuss für Lieferbedingungen,

wurde 1925 gegründet und ist heute als Deutsches Institut für Gütesicherung

und Kennzeichnung bekannt. Mit der Gründung dieser neutralen

Organisation wurde das Ziel verfolgt, eine unkontrollierte Herausgabe

zahlreicher Gütezeichen und die damit verbundene Irreführung der

Verbraucher zu vermeiden. In Deutschland ist der Begriff des Gütezeichens

rechtlich geschützt, da die RAL alleinig berechtigt ist Gütezeichen zu

vergeben.145 Träger eines RAL-Gütezeichens ist in der Regel eine

Gütegemeinschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Hersteller

und Anbieter schließen sich zu einer solchen Interessengemeinschaft

zusammen und übernehmen somit die mit einem Gütezeichen verbundenen

speziellen Aufgaben. Sie vergeben das Recht zur Führung eines

Gütezeichens an Hersteller und Dienstleister. In ihren Aufgabenbereich fällt

außerdem die Verteidigung ihres Gütezeichens vor jedwedem Missbrauch.

Zudem überwacht die Gütegemeinschaft die Einhaltung der

Gütebedingungen und die korrekte Anwendung des Gütezeichens.

Gütezeichenbenutzer unterwerfen sich freiwillig der Erfüllung der Güte- und

Prüfbestimmungen sowie der Überwachung durch die Gütegemeinschaft.

Pro Gütezeichen wird eine Gütegemeinschaft gegründet. Momentan

existieren in Deutschland über 160 Gütezeichen aus den verschiedensten

144 Esch, F.-R. (2005), S. 464. 145 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 295 ff.

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Bereichen.146 Es ist jeder Branche freigestellt überhaupt ein Gütezeichen zu

entwickeln und ferner gilt die Freiwilligkeit für Hersteller und Anbieter ein

Gütezeichen zu erwerben. Die RAL sieht den Zweck von Gütezeichen darin

Markt- und Gütertransparenz zu schaffen und gleichzeitig eine Steigerung

des Umweltbewusstseins zu bewirken. Die Qualität von Waren und

Dienstleistungen soll gekennzeichnet und im Rahmen des technischen

Fortschritts und der Markterwartung gesteigert werden. Der Verbraucher ist

auf zuverlässige Informationen angewiesen, um sich umweltbewusst zu

verhalten. Hierbei sollen ihm Gütezeichen helfen. Anbieter und Hersteller, die

sich entschließen ein Gütezeichen zu erwerben, können sich im Gegenzug

durch deren Werbewirksamkeit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Anreiz

und Motivation der Konkurrenzunternehmen den höheren Standart ebenfalls

zu erreichen, wird dadurch gesteigert.147

7.2 Gütezeichen im Tourismus

Umweltgütezeichen im Tourismus beziehen sich auf die bereits vorhandene

Umweltverschmutzung ohne den eigentlichen Verursacher zu

berücksichtigen oder Informationen über tourismusinduzierte

Verunreinigungen zu geben. Dem Touristen wird also Auskunft über die

Umweltlage Im Urlaubsland gegeben, das heißt z. B. über die Sauberkeit des

Meerwassers, über die Luftqualität, über den Waldbestand usw. Das

Umweltgütezeichen bietet dem Verbraucher die Möglichkeit sich zwischen

�sauberen� und ökologisch belasteten Zielgebieten zu entscheiden. Die

Nachfrage nach sauberen Destinationen steigt, wodurch bereits unter

Umweltverschmutzung leidende Urlaubsländer entlastet werden. Dies trägt

zur Lösung der Umweltproblematik auf dem touristischen und allen anderen

Gebieten bei, da touristische Destinationen erkannt haben, dass die

ökologische Qualität des Zielgebietes einen wesentlichen Anteil der

Reiseentscheidung der Touristen ausmacht. Allerdings liegt hier die

Verantwortung für ökologische Qualität allein bei den Destinationen selbst.

146 Vgl. o. V., http://www.ral.de/de/ral_guete/guetesicherung/guetegemeinschaften.php, 15.01.08. 147 Vgl. u. a. Haussmann, A. (1992), S. 28ff.

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Umweltgütezeichen tragen nicht unbedingt dazu bei den Blick der Touristen

für tourismusinduzierte Umweltschäden zu schärfen.148

7.3 Weitere Umweltauszeichnungen

Nachdem die Idee eines Gütezeichens für den Tourismus aufgekommen

war, ließ sich vermuten, dass dessen Vergabe für die gesamte deutsche

Tourismusbranche durch die RAL vorgenommen werden würde. Die übliche

Entwicklung von Gütezeichen für Verbrauchsgüter und Dienstleistungen lässt

sich allerdings nur schwer auf die Tourismusbranche übertragen. Daher ist

es nicht weiter verwunderlich, dass momentan lediglich die folgenden vier

Gütezeichen existieren:

- Buskomfort

- Urlaub auf dem Bauernhof

- Traditionelle Kneippkureinrichtungen

- Diätverpflegung

Ohne näher auf die einzelnen Gütezeichen einzugehen, fällt auf, dass damit

nicht der gesamte touristische Markt abgedeckt werden kann. Da sich das

touristische Produkt wesentlich von den Industrieprodukten unterscheidet,

gestaltet sich die Festlegung der Kriterien schwierig.149 Das touristische

Produkt setzt sich aus zahlreichen Teilprodukten zusammen, die nicht mit

einheitlichen Kriterien beurteilt werden können. Zudem ist das touristische

Produkt räumlich an die Destination gebunden, weshalb die Qualität der

jeweiligen Destination in direktem Zusammenhang zur Qualität des

touristischen Gesamtproduktes steht. Umweltauszeichnungen für

Industrieprodukte geben Informationen über den Einfluss der betreffenden

Produkte auf die Umwelt. Im Tourismus wird der Begriff

�Umweltauszeichnung� oft fälschlicherweise gleichgestellt mit dem Begriff

Ökoqualität der touristischen Destination. Umweltauszeichnungen für

touristische Produkte geben vorwiegend Informationen über die ökologische

Qualität der touristischen Destination, beachten aber nicht den Einfluss

dieses touristischen Produktes auf die Umwelt. Bei Umweltauszeichnungen

148 Vgl. Mundt, J. (2006), S. 525f. 149 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 297.

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für Industrieprodukte sind die Industrieprodukte selbst Träger der

Auszeichnung. Im Tourismus können allerdings sowohl die gesamten oder

partiellen Tourismusprodukte, als auch touristische Organisationen, wie z. B.

Hotels, Gaststätten oder Reisebüros, sowie touristische Destinationen, wie z.

B. Orte, Marinas, Strände oder Skigebiete, ausgezeichnet werden.150 Da der

Begriff des Gütezeichens in Deutschland rechtlich geschützt ist und alleinig

durch die RAL vergeben werden darf, werden zahlreiche andere

Bezeichnungen, wie u. a. Umweltgütesiegel, Umweltzeichen, Umweltsiegel,

Umweltwettbewerbe und Umweltpreise genutzt. Im Sinn der allgemeinen

Verkehrsauffassung werden diese Begriffe synonym verwendet.151 Ein Hotel,

ein Reiseveranstalter, eine Region kann sich mit einer neutralen,

glaubwürdigen Auszeichnung von Konkurrenzangeboten abheben und seine

Chancen verbessern, die Touristen für sich zu gewinnen. Dem Thema

Umweltbewusstsein im Tourismus wird mittlerweile von einer wachsenden

Zahl von Tourismusteilnehmern Beachtung geschenkt. Allerdings gehen

Umweltauszeichnungen angesichts der Vielzahl an Auszeichnungen zu allen

möglichen Qualitäten des touristischen Angebots oft unter.152

Ziel dieser Auszeichnungen ist es in erster Linie einen sanfteren Tourismus

zu forcieren. Um Touristen, die umwelt- und sozialverträglich reisen wollen,

die Möglichkeit zu geben die entsprechenden Produkte aus der Vielzahl von

Angeboten auszuwählen, wurden verschiedene Umweltauszeichnungen

entwickelt. Diese sollen den Reisemarkt transparenter machen, denn ohne

die entsprechenden Informationen kann auch ein verantwortungsvoll

denkender Reisender nicht gemäß seinen Einstellungen handeln.153 Der

Markt wird überflutet mit einer zunehmenden Zahl an Angeboten, die den

Zusatz �sanft� tragen und auch die Anzahl an touristischen

Marketingaktionen, die unter dem Aspekt �Öko� kommuniziert werden, wächst

ständig. Derartige Auszeichnungen sind allerdings nur dann sinnvoll, wenn

bekannt ist, welche Kriterien sie bewerten. Umwelt- und sozialverträgliche

Formen des Tourismus sollen aus dem Gesamtangebot herausgefiltert und

150 Vgl. Mihalic, T. (1996), S. 117. 151 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 83ff. 152 Vgl. Mundt, J. (2006), S.525f. 153 Vgl., u. a. Spittler, R. (1998), http://www.aube-umweltakademie.de/Umweltauszeichnungen_im_Tourismus.htm, 15.01.08.

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prämiert werden und dadurch möglichst viele Leistungsträger zur freiwilligen

Senkung von Umweltbelastungen motivieren.154 Bislang ist das Interesse von

Hotels, Freizeitzentren und Campingplätzen, sowie anderen touristischen

Anbietern trotz der Aussicht auf Imagegewinne und Marktvorteile gering. Ein

Grund für dieses Desinteresse ist, dass mittlerweile in vielen Regionen

verschiedene Umweltauszeichnungen in Konkurrenz zueinander stehen. So

hat beispielsweise ein Hotelier in Saalbach-Hinterglemm in Österreich eine

schwierige Entscheidung zu treffen: Soll er sich für die lokale Grüne Hand,

für das Umweltsiegel Tirol-Südtirol oder für das nationale Österreichische

Umweltzeichen für Tourismusbetriebe bewerben? Auch die Blaue Schwalbe

von Verträglich Reisen oder das Grüne Bäumchen im ADAC-Reisekatalog

könnten sein Umweltengagement unter Beweis stellen. Neben dem geringen

Interesse der Leistungsträger tauchen bisher auch in den Katalogen der

führenden Reiseveranstalter kaum Umweltauszeichnungen auf. Das heißt,

dass Umweltauszeichnungen, zusätzlich zu der Konkurrenz untereinander,

der mächtigen Konkurrenz der Marken, die mit großen Budgets vermarktet

werden, ausgesetzt sind. Bei der Einführung des Österreichischen

Umweltzeichens für Tourismusbetriebe hat sich gezeigt, dass sich eine

Umweltauszeichnung ohne Marketing, d. h. ohne ein entsprechendes

Werbebudget, nicht durchsetzen kann. Dieses eine Beispiel hat zwar dank

finanzieller Unterstützung seitens des Staats gute Chancen sich gegenüber

den regionalen Konkurrenten durchzusetzen oder zumindest als Alternative

zu behaupten, ist allerdings trotzdem darauf angewiesen in den Katalogen

der Reiseveranstalter erwähnt zu werden, um die breite Masse der Touristen

anzusprechen.155 Ein Großteil der Touristen weiß gar nicht, dass es

Umweltauszeichnungen im Tourismus gibt bzw. was diese beinhalten.

Vorreiter der Umweltauszeichnungen im Tourismus waren 1987 die FEE mit

ihrem Wettbewerb �Blaue Europa Flagge� und der DRV mit seinem

Umweltpreis. Seitdem hat die Anzahl an Umweltauszeichnungen und

Wettbewerben deutlich zugenommen. Die weltweit größte Dichte findet man

im Alpenraum und hier besonders in Österreich. Das Gros der

154 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 313. 155 Vgl., u. a. Spittler, R.(1998), http://www.aube-umweltakademie.de/Umweltauszeichnungen_im_Tourismus.htm, 15.01.08.

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Umweltauszeichnungen wird heute im Gastgewerbe vergeben.156 Die

Akademie für Umweltforschung und -bildung in Europa (AUbE e.V.) hat 1998

eine umfassende Beschreibung und Bewertung der Umweltauszeichnungen

im Tourismus vorgenommen. Während 1989 lediglich drei touristische

Umweltauszeichnungen existierten, waren es 1998 bereits 46.157 Die Frage

wie viele Umweltauszeichnungen es zur Zeit im Tourismus gibt, ist nicht zu

beantworten, da einige eingestellt wurden und neue hinzu gekommen sind.

Tab. 2 im Anhang gibt einen Überblick über die von AUbE e.V. untersuchten

Auszeichnungen.158

Die positive Seite dieser vielen Auszeichnungen ist, dass das Engagement

hinsichtlich des Umweltschutzes offensichtlich stark zugenommen und sich in

vielen Variationen entwickelt hat. Problematisch ist allerdings die Tatsache,

dass zu viele Engagierte ihre Projekte allein durchsetzen anstatt sich mit

Gleichgesinnten zu verbünden. Als Resultat kommen zahlreiche

Umweltauszeichnungen mit ganz unterschiedlichen Kriterien auf den Markt,

wodurch das eigentliche Ziel, nämlich Transparenz zu schaffen, unerreichbar

wird. Die Vielzahl an Auszeichnungen führt zu einer Verunsicherung der

Verbraucher und einem zunehmenden Glaubwürdigkeitsverlust der

Umweltpreise. Dazu kommt, dass es erhebliche Mängel bei einigen

Umweltauszeichnungen gibt. So berücksichtigen weniger als 40% der in Tab.

2 aufgeführten Auszeichnungen soziale Aspekte, sondern konzentrieren sich

lediglich auf die ökologische Seite. Bei einem Drittel der

Umweltauszeichnungen sind die Vorgaben zu niedrig angesetzt, d.h. es

müssen weniger als 80% der Anforderungen erfüllt sein, um die

Auszeichnung zu erhalten.159 Um der Konkurrenz etwas entgegen setzen zu

können, wird die Werbewirksamkeit von Umweltauszeichnungen gezielt

eingesetzt. So werden Touristen durch ein solches Alleinstellungsmerkmal

bei der Reiseentscheidung gelenkt, obwohl die gesetzten Forderungen nicht

erreicht sind. Um solche Missbräuche zu vermeiden, muss einem

übertriebenen Engagement entgegengesteuert werden. Es gibt offenkundig

156 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 83ff. 157 AUbE e.V. erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit 158 Vgl., u. a. Spittler, R. (1998), http://www.aube-umweltakademie.de/Umweltauszeichnungen_im_Tourismus.htm, 15.01.08. 159 Vgl., u. a. Spittler, R. (1998), http://www.aube-umweltakademie.de/Umweltauszeichnungen_im_Tourismus.htm, 15.01.08.

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zu viele Umweltauszeichnungen. Kurzfristig müssen die bereits existierenden

Auszeichnungen lokalisiert, systematisiert und qualitativ verbessert werden.

Langfristig müssen die Auszeichnungen in einem einheitlichen,

übersichtlichen System zusammengefasst werden, sodass dem Verbraucher

die notwendige Transparenz geboten wird.160 Um dem Thema

Umweltverträglichkeit im Tourismus international zu größerer Bedeutung zu

verhelfen, wäre die Entwicklung eines EU-einheitlichen Umweltzeichens ein

beachtlicher Fortschritt. Denn im Binnenmarkt Europa fällt die Orientierung

angesichts der Vielzahl an Umweltauszeichnungen schwer. Allerdings sind

hierbei die Vergleichbarkeit von Preisen und Leistungen und der leichte

Zugang zu verlässlichen Informationen für Verbraucher unabdingbare

Anforderungen.

Im Rahmen der ITB im Jahr 2000 in Berlin veranstaltete ECOTRANS161 eine

Podiumsdiskussion zum Thema �Eines oder Keines �

Umweltauszeichnungen im Tourismus�, an der u. a. Dr. Wolf Michael Iwand

vom Umweltmanagement der TUI, Susanne Chlan vom Österreichischen

Umweltzeichen, Walter Leu von der European Travel Commission in Brüssel

und Horst Nitschke von der ADAC Redaktion für Camping und Caravan

Führer teilnahmen. Alle Beteiligten standen dem Vorschlag ein einheitliches

Europäisches Umweltzeichen einzuführen eher skeptisch als euphorisch

gegenüber. Der Vorschlag von Walter Leu von der European Travel

Commission, eine Tourism Standard Agency zu ins Leben zu rufen, die

verbindliche Lizenzverträge eingeht und bei Nichteinhaltung der Richtlinien

Konventionalstrafen verhängt, stößt auf Kritik. Der TUI-Umweltbeauftragte

Dr. Iwand spricht am Beispiel der TUI einige kritische Punkte an. Die TUI

vergibt zwar kein eigenes Umweltzeichen, stellt aber über 200 Hotels für

umweltfreundliche Hotelführung in den Katalogen heraus. Ein kritischer

Punkt bei der Einführung eines europaweit einheitlichen Umweltzeichens ist

die Überprüfung der Richtlinien. Momentan kontrollieren die Initiatoren der

einzelnen Umweltzeichen die Einhaltung der Kriterien selbst, allerdings ist

die Frage nach der Handhabung bei einer EU-einheitlichen Lösung nicht

160 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 296. 161 ECOTRANS e.V. ist ein Europäisches Netzwerk von Experten und Organisationen aus den Bereichen Tourismus, Umwelt und regionale Entwicklung, die sich für einen langfristig umweltverträglichen Tourismus einsetzen.

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unberechtigt. Wer trägt die Garantie dafür, dass die gekennzeichneten

Betriebe auch den Anforderungen entsprechen? Dazu kommt, dass seitens

der Verbraucher die Umweltverträglichkeit nicht oberste Priorität hat.

Wichtiger für TUI-Kunden sind Qualitäten wie Sicherheit, Gesundheit und

100% Geld-zurück-Garantie. Horst Nitschke vom ADAC sieht das Interesse

an Umweltzeichen grundsätzlich positiv, gibt allerdings zu bedenken, dass

die Rahmenbedingungen beispielsweise für Campingplätze in Europa zu

unterschiedlich sind, um sie nach einheitlichen Kriterien zu bewerten.

Speziell nach der EU-Osterweiterung müssten die Richtlinien auf niedrigerem

Niveau angesetzt werden, damit eine Chancengleichheit geschaffen und den

osteuropäischen Ländern die Möglichkeit gegeben wird am Europäischen

Umweltzeichen teilzuhaben. Für Susanne Chlan vom Österreichischen

Umweltzeichen ist ein niedrigeres dafür aber einheitliches Niveau keine

Lösung. Österreich hat mit seinem Umweltzeichen eine Auszeichnung

entwickelt, die zu den anspruchsvollsten in Europa gehört und mit Hilfe der

langjährigen Erfahrungen der Pioniere der Umweltauszeichnungen aufgebaut

und weiterentwickelt wurde. Man ist nicht bereit einen Rückschritt hinsichtlich

der Kriterien hinzunehmen. Da ein einheitliches Europäisches

Umweltzeichen aufgrund des starken Gegenwindes in der Tourismusbranche

unrealistisch erscheint, kommen Alternativen zur Sprache. Einhellig

befürwortet wurde der Vorschlag, dass die bestehenden

Umweltauszeichnungen von der EU geprüft und gekennzeichnet werden

sollen. Das EU-Label für Eco-Labels könnte mit dem Prädikat �Von der EU

anerkanntes Umweltzeichen für Tourismus� die Spreu vom Weizen

trennen.162

7.4 Einheitliche Umweltauszeichnung in Deutschland

Bedingt durch die unübersichtliche Entwicklung der vielfältigen

Umweltauszeichnungen Anfang der 90er Jahre, wurde auch in Deutschland

ein einheitliches nationales Umweltzeichen gefordert. Diesem Ziel kam man

1991 einen Schritt näher, als der Verein Ökologischer Tourismus in Europa

162 Vgl. o. V., http://www.eco-tip.org/Brennpunkt/brennpunkt.htm, 15.01.08.

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(Ö.T.E. e.V.), mit dem Ziel ein solches Zeichen zu entwickeln, gegründet

wurde. Mit dem Grünen Koffer wurde ein Zeichen erarbeitet, welches sich,

mit den jeweiligen Kriterienkatalogen, an Fremdenverkehrsorte,

Beherbergungsbetriebe und Reiseveranstalter wendet. Die erste Vergabe

war für 1992 geplant. Da allerdings die Kriterien immer wieder Anlass zu

Diskussionen gaben und verschiedentlich neu verfasst wurden, fand die

Erstverleihung an Fremdenverkehrsorte erst 1994 statt.

Beherbergungsbetriebe und Reiseveranstalter wurden bis heute nicht

ausgezeichnet. Das wohl größte Hindernis bei der Etablierung des Grünen

Koffers war dessen Ausrichtung auf einen Sanften Tourismus und die

entsprechend einschränkenden Kriterien. So werden beispielsweise laut dem

entsprechenden Kriterienkatalog keine Reiseveranstalter ausgezeichnet, die

ausschließlich Flugreisen im Angebot haben.163 Die Zielsetzung den

Touristen von (vermeintlich) umweltschädlichen Flugreisen abzuhalten und

sie zu sanfteren Reiseformen zu erziehen, ist nicht praxisorientiert.

Besonders im Urlaub nehmen Menschen ungern Einschränkungen hin. Da

die Bewerbung um Umweltauszeichnungen wie dem Grünen Koffer in

Deutschland freiwillig ist, blieb dessen Bedeutung in der Tourismusbranche

gering. Die Tourismusbranche arbeitet nachfrageorientiert und solange unter

den Verbrauchern kein allzu großes Interesse an Sanftem Tourismus

besteht, sehen Veranstalter und Leistungsträger keine Veranlassung ihr

Angebot entsprechend einer solchen Auszeichnung zu ändern. Natur- und

Umweltschutzverbände sahen sich also einem massiven Widerstand aus

Teilen der Tourismusbranche gegenüber, wodurch die Einführung des

Grünen Koffers verhindert wurde.164 Ein Zeitinterview mit �dem� Grünen

Koffer reflektiert die Frustration und Verärgerung seiner Initiatoren (siehe

Anhang Abb. 2). Der Regierung und dem Umweltministerium wird die Schuld

für das Scheitern des Umweltzeichens nachgesagt, da sie allein auf die

Eigeninitiative der Tourismusbranche gesetzt haben und keinerlei staatliche

Unterstützung geleistet haben. Die Vielzahl an Umweltauszeichnungen wird

als Plage betrachtet, das Radolfzeller Umweltbäumchen als Beispiel für

163 Vgl. o. V., Der Grüne Koffer (Stand: 16.01.08) 164 Vgl., u. a. Spittler, R. (1998), http://www.aube-umweltakademie.de/LokaleAgenda21_1.htm, 15.01.08.

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unsinnige Auszeichnungen aufgeführt. Die Blaue Europa Flagge, der Pionier

der Umweltsiegel, wird sogar des Etikettenschwindels bezichtigt. Der grüne

Koffer �sieht sich selbst� als rotes Tuch der Tourismuslobby und blickt einem

weiteren Versuch, ein einheitliches, nationales Umweltzeichen zu entwickeln,

resigniert entgegen.165 Trotz des umstrittenen Konzeptes des Grünen

Koffers, wird dieses Umweltzeichen als guter Ansatz in der Branche

gewertet. Die Idee einer einheitlichen Umweltauszeichnung ist nicht endgültig

aufgegeben worden. 1999 kehrten Tourismusverbände, Umwelt-,

Naturschutz- und Verbraucherverbände auf Einladung des

Bundesumweltministeriums an den Verhandlungstisch zurück und

diskutierten die Entwicklung einer gemeinsamen Umweltdachmarke für

möglichst alle touristischen Dienstleistungen. Obwohl das Projekt aufgrund

unterschiedlicher Ausgangspositionen der beteiligten Verbände mehrfach

vom Scheitern bedroht war, konnte 2001 zur ITB die Gründung der Viabono

GmbH bekannt gegeben werden. Im Oktober desselben Jahres wird die

Marke �Viabono � Reisen natürlich genießen� verabschiedet und im Frühjahr

2002 wird schließlich der Viabono Trägerverein e.V. als Kommunikations-

und Kooperationsplattform für Mitglieder und Partner gegründet. Zweck des

Trägervereins ist es einen nachhaltigen Tourismus in Deutschland zu

fördern. Unter der Marke Viabono wird die Nachfrage nach

umweltorientierten Reiseangeboten gebündelt und verstärkt, wodurch den

Anbietern Wettbewerbsvorteile verschafft werden sollen. Aus Sicht der

Mitglieder ist der Trägerverein ein interessantes Forum zur Präsentation

eigener Produkte und Dienstleistungen. Obwohl die Entwicklung von Viabono

unter staatlicher Federführung stand, stellt die Vergabe und Vermarktung

keine staatliche Aufgabe dar.166 Deshalb wurde von den beteiligten

Verbänden die Viabono GmbH gegründet. In ihren Aufgabenbereich fällt das

gesamte operative Geschäft, d.h. die Viabono GmbH prüft die umwelt- und

qualitätsorientierten Tourismusanbieter auf Eignung und trägt Sorge für eine

professionelle Vermarktung. Langfristig gesehen soll die Marke über ein

Lizenzgebührensystem finanziert werden. Bis dieses allerdings in der Lage

ist die Kosten zu decken, wurde die Finanzierung für Viabono mit 500.000

165 Vgl. u. a. Ermlich, G. (1999), http://www.zeit.de/1999/35/Der_Gruene_Koffer, 16.01.08. 166 Vgl. o. V. (2005), http://www.aube-umweltakademie.de/Viabono.htm, 16.01.08.

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DM aus dem Bundeshaushalt angekurbelt. Der Erfolg der Dachmarke hängt

von den Marketingmaßnahmen ab. Eine intensive Kommunikationspolitik ist

notwendig, um die geschaffene Wort-Bild-Marke in den Köpfen der

Verbraucher und Tourismusanbieter zu verankern. Der Vorteil einer

Dachmarke mit einem immer wiederkehrenden Logo ist offensichtlich: Die

Initiatoren erwarten, zusätzlich zu einer höheren Kundenakzeptanz, eine

deutliche Verringerung der Marketingkosten infolge von Synergien.167 Nach

der offiziellen Einführung der Marke auf der ITB konzentriert sich Viabono

GmbH darauf Markenpartner zu finden, um auf dem Urlaubsmarkt mit einer

breiten Produktpalette vertreten zu sein. Zum Internationalen Jahr des

Ökotourismus 2002 waren dann die ersten Angebote buchbar. Hinsichtlich

der Kriterienkataloge verfolgt Viabono nicht die knallharte Philosophie von

Umweltauszeichnungen wie dem Grünen Koffer. Viabono erfüllt nicht die

Voraussetzungen eines Gütesiegels, sondern sieht sich eher als

Orientierungshilfe für Verbraucher. Viabono spricht in erster Linie die

Themen Gesundheit, Erholung und Spaß an und soll durch emotionale

Kommunikation Leute ansprechen, die vernünftig genießen wollen. Erst mit

zunehmendem Erfolg soll die Nachhaltigkeitsdebatte stärker in den

Vordergrund gestellt werden. Viabono steht und fällt mit den Kriterien, die

weniger streng sind als beim Grünen Koffer, allerdings werden auch hier

beispielsweise Reiseveranstalter mit einem nicht ausschließlich

umweltverträglichen Angebot ausgegrenzt168. Das größte Problem Viabonos

dürfte der zu geringe Bekanntheitsgrad sein. Wirtschaftsunternehmen

investieren über mehrere Jahre hinweg Millionenbeträge, um eine Marke

aufzubauen, was trotzdem oft misslingt. Viabono fehlen für eine aggressive

Werbestrategie die nötigen finanziellen Mittel. Das Ziel der breiten Masse der

Verbraucher eine Orientierungshilfe hinsichtlich eines mit der Marke

verbundenen (Umwelt-) Qualitätsversprechens zu sein, konnte in den ersten

Jahren nicht erreicht werden. Aus diesem Grund werden Unternehmen kaum

stolz darauf sein, die Marke Viabono zur Produktauszeichnung nutzen zu

dürfen. Viabono hat in den letzten sechs Jahren keinen entscheidenden

Durchbruch erreichen können und es ist fragwürdig, ob sich die Marke in der

167 Vgl. o. V., http://www.eco-tip.org/Hotspot/hotspot_mf.htm, 14.01.08. 168 Vgl., o. V., http://www.eco-tip.org/Umweltaz/umweltaz.htm, 14.01.08.

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Zukunft durchsetzen kann.169 Wenn man allerdings einen Blick über die

Landesgrenzen hinaus wirft, scheint die Lage nicht aussichtslos. Einigen

europäischen Ländern ist es durchaus gelungen nationale Umweltzeichen zu

etablieren, auch ohne Rückschritte hinsichtlich der Mindestanforderungen

hinnehmen zu müssen. In Österreich beispielsweise hat das nationale

Umweltzeichen gute Chancen seine regionalen �Konkurrenten� zu

verdrängen.

7.5 Internationale Gütesiegelinitiativen

Europaweit können Unterkünfte, Restaurants, Urlaubsorte und �regionen,

internationale und lokale Reiseanbieter die Umweltqualität ihrer Produkte

durch unabhängige Umweltauszeichnungen kennzeichnen lassen. Diese

Umweltzeichen versprechen, dass das gekennzeichnete Angebot besser als

viele andere ist, weil es Umweltleistungen über die gesetzlichen Vorschriften

hinaus erbringt. Da der Verbraucher aber erst von der Qualität und Seriosität

dieser Auszeichnungen überzeugt werden will, haben sich sieben der

führenden Umweltzeichen in Europa 2004 im Rahmen des Europäischen

Projektes VISIT zusammengeschlossen.170 Gemeinsam repräsentieren sie

über 2000 Tourismusunternehmen. VISIT steht für Voluntary Initiative for

Sustainability in Tourism. Die Organisation, die einzige ihrer Art in Europa,

verfolgt in erster Linie das Ziel, sicher zu stellen, dass Umweltzeichen

erfolgreich, praxisorientiert und verantwortlich arbeiten.171 Aus diesem Grund

haben sich die teilnehmenden Umweltzeichen auf einen Katalog von 21

Mindestanforderungen in den Bereichen Umwelt, Organisation und

Prüfverfahren geeinigt. Bestehende Umweltzeichen in Europa werden einer

Prüfung unterzogen und mittels Marketingstrategien bekannter gemacht. Die

zertifizierten Produkte der VISIT-Umweltzeichen sollen in einer

Onlinedatenbank aufgelistet werden. Diese ist allerdings noch in der

Entwicklung, da wichtige touristische Zielgebiete noch nicht aufgeführt

169 Vgl. Kirstges, T. (2003), S. 308ff. 170 Vgl. Hamele, H., http://www.eco-world.de/scripts/basics/eco-world/service/main/basics.prg?a_no=122, 14.01.08. 171 Vgl. o. V., http://www.visit21.net/, 14.01.08.

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werden.172 Finanziell angeschoben wurde VISIT durch das LIFE-Programm

der EU, welches zur Förderung von Umwelt- und Naturschutzprojekten ins

Leben gerufen wurde. Seit 1992 wurden 2750 solcher Projekte mit insgesamt

1,35 Milliarden Euro durch LIFE unterstützt.173

Der letztendliche Erfolg von Umweltauszeichnungen ist nur schwer zu

beurteilen, und muss vor allem aus verschiedener Sichtweise betrachtet

werden. Die ursprüngliche Zielstellung der Initiatoren muss genauso

untersucht werden, wie die ökologische Zielsetzung, d. h. der Verbesserung

der Umweltqualität, und die Frage nach der Bedeutung der Auszeichnungen

für den Verbraucher. Bisher findet man das Gros der Umweltauszeichnungen

im Gastgewerbe, kaum jemand wagt sich an Auszeichnungen für Reisen,

Reiseveranstalter, oder auch Regionen. Experten scheint es zu illusorisch,

umfassende Umweltzeichen für ganze Zielgebiete zu entwickeln, welche die

Badewasser- und Luftqualität, Vielfalt von Flora und Fauna,

Abfallbehandlung, Verbrauch und Entsorgung von Wasser, Energienutzung

und -erzeugung berücksichtigen. Grundsätzlich stellt sich für die

Umweltauszeichnungen, ebenso wie für die Dachmarke Viabono, die Frage,

ob derartige alternative Angebote überhaupt die �Masse� der Touristen

erreichen können.174

172 Vgl. http://www.verbraucherbildung.de/projekt01/d/www.verbraucherbildung.de/im_brennpunkt/fair_reisen_komplett.html, 14.01.08. 173 Vgl. o. V., http://ec.europa.eu/environment/life/, 14.01.08. 174 Vgl. u. a. Kreisel, W. (2000), S. 83.

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8. Umfrage zum Thema Sanfter Tourismus

8.1 Beschreibung der Problemsituation

Neben der notwendigen Einstellung und dem Willen der Reisenden zur

Beteiligung am Sanften Tourismus ist aber auch die Anbieterseite wichtig.

Entsprechende Rahmenbedingungen und Angebote müssen gegeben sein,

damit dieses Konzept umgesetzt werden kann. Manche Reiseveranstalter

sowie Zielgebiete haben erkannt, dass eine nur langfristige (nachhaltige)

Tourismusentwicklung den ökonomischen Erfolg und den gesellschaftlichen

Fortschritt sichern kann. Als erster Reiseveranstalter hat Studiosus sich offen

zu seiner Verantwortung für die Erhaltung von Umwelt und Kultur bekannt.

Reisekataloge werden auf umweltverträglichem Papier gedruckt und Kunden

werden gebeten, die nicht mehr benötigten Kataloge in die Reisebüros

zurückzubringen. Um den Straßenverkehr zu entlasten ist die Anreise mit der

Bahn zum Abflughafen bei jeder Buchung inklusive. Zudem erhalten

Reisende Empfehlungen, wie sie sich im Gastgeberland umwelt- und

sozialverträglich verhalten sollen.175 Als Urlaubsregion engagiert sich

beispielsweise Bayern, das Konzept einen umwelt- und sozialverträglicheren

Tourismus in der Praxis umzusetzen. Bayrische Fremdenverkehrsorte bieten

umfangreiche Beschreibungen hinsichtlich umweltverträglicher Aktivitäten vor

Ort. So werden z. B. erdgasbetriebene Busse zur Beförderung der

Urlaubsgäste zum Ausgangspunkt einer Wanderung eingesetzt. Mit Hilfe

derartiger umwelt- und sozialverträglicher Alternativangebote sollen Urlauber

zu einer Mitwirkung an einer sanfteren Tourismusentwicklung bewegt

werden.

Das Bewusstsein für negative tourismusinduzierte Auswirkungen in der

Tourismuswirtschaft setzte erst 1987 ein. Seitdem engagieren sich immer

mehr Branchenvertreter für eine umwelt- und sozialverträglichere

Entwicklung. Auf allen Stufen der Wertschöpfungskette werden die

Leitgedanken des Sanften Tourismus in unterschiedlich starker Ausprägung

in die Praxis umgesetzt. Letztendlich steht und fällt eine nachhaltige

Tourismusentwicklung mit dem Reiseverhalten der Urlauber.

175 Vgl. o. V., http://www.studiosus.com/unternehmen/nachhaltigkeit/unternehmensoekologie/ index.php, 02.01.08.

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Es liegt der Verantwortung aller Vertreter der Reisebranche diesen für

ökologische und gesellschaftliche Probleme des Tourismus zu

sensibilisieren. Da 44% der Touristen ihren Urlaub im Reisebüro buchen,

kommt diesem hierbei eine bedeutsame Rolle zu.176 Um heraus zu finden,

inwiefern Reisemittler diese Aufgabe wahrnehmen, wurde der folgende

Fragebogen konzipiert. Umweltwissen und die Einstellung der Expedienten

gegenüber Sanftem Tourismus sollten erfragt werden.

8.2 Definition der Grundgesamtheit

In Hinblick auf das Untersuchungsziel wurden von der Verfasserin

Reisebüros in Deutschland als Grundgesamtheit, d. h. als Menge aller

potenziellen Untersuchungsobjekte, definiert. Laut einer DRV-Statistik aus

dem Jahre 2005 gibt es in Deutschland insgesamt 12.639 Reisebüros. Da

sich die Befragung lediglich auf den freizeittouristischen Bereich beziehen

sollte, musste hierbei noch nach Reisebüroart unterschieden werden. 980

Büros in Deutschland sind dem Business Travel-Bereich zuzuordnen, d. h.

sie wickeln überwiegend Dienstreisen ab und konzentrieren sich auf

Geschäftsreisekunden. 3.636 sind als klassisches Reisebüro zu bezeichnen,

d. h. sie verfügen über min. eine Reiseveranstalter- und über min. eine

Verkehrsträgerlizenz. Der überwiegende Teil, 8.023, sind touristische

Reisebüros, welche min. zwei Reiseveranstalter- allerdings keine

Verkehrsträgerlizenz besitzen.177 Weiterhin ist es wichtig zwischen

veranstaltergebundenen und unabhängigen Reisebüros zu unterscheiden.

Die TUI AG ist in Deutschland mit 1.419 Reisebüros, darunter 411 eigenen

und 1.008 Franchise Agenturen, vertreten. Davon decken insgesamt 1.040

den freizeittouristischen Vertriebsbereich der TUI, TUI Leisure Travel

genannt, ab. Dazu gehören die Marken FIRST REISEBÜRO, Hapag-Lloyd

Reisebüro und TUI ReiseCenter.178 Die Rewe Group ist mit 2.700 Büros am

stärksten im Reisebürovertrieb vertreten. Sie nennt 662 DER Reisebüros und

Atlas Reisen und Derpart Agenturen ihr Eigen. Ferner sind 2.000 Atlas

176 Vgl. o. V., http://www.fur.de/downloads/FUR_Ergebnisse_2006.pdf, 30.01.08. 177 Vgl. o. V., http://www.drv.de/fileadmin/user_upload/2007_DRV_FZD_2006.pdf, 02.01.08. 178 Vgl. o. V., http://www.tui-group.com/uuid/d1e6f76a113b439187edd55fd0868cc5, 02.01.08.

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Franchise Agenturen und RSG (Reise Service GmbH) Büros dem Konzern

angeschlossen.179 Thomas Cook verfügt über 1.080 Büros, die sich in 140

eigene und 940 Franchise Agenturen, wie Holiday Land und Neckermann,

aufgliedern.180 Zusätzlich zu den drei marktbeherrschenden Konzernen

verfügen auch kleinere Veranstalter, wie u. a. FTI oder Alltours, über eigene

oder Franchise Vertriebsagenturen.181 Konzerneigenes Reisebüro oder

Franchise Agentur zu sein, heißt allerdings nicht, dass nur der jeweilige

Leitveranstalter gebucht werden darf. Die Reisebüros sind angehalten,

beispielsweise durch Umsatzziele, bevorzugt die Produkte ihres jeweiligen

Partners zu verkaufen, dürfen aber seit der Abschaffung der

Vertriebsbindung im Jahre 1994, frei entscheiden, welches Produkt sie dem

Kunden anbieten.

8.3 Erhebungsmethode und Stichprobenauswahl

Im Rahmen der Befragung sollten möglichst die gesamte Breite des

deutschen Reisebüromarktes abgedeckt werden. Aus Zeit-, Kosten- und

Organisationsgründen wäre es allerdings nicht möglich gewesen eine

Vollerhebung durchzuführen, demzufolge wurde aus der Grundgesamtheit

eine Stichprobe gewählt. Die Verfasserin hat sich gegen eine probalistische

Auswahl entschieden, weil es ihr nicht möglich war ein wirklichkeitsgetreues

Abbild der Grundgesamtheit wiederzugeben. Unter den nicht-probalistischen

Auswahlverfahren entschied sie sich für das Quotaverfahren. Das heißt die

Grundgesamtheit wurde hinsichtlich bestimmter Merkmale unterteilt.

Dementsprechend wurden Reisebüros mit Leitveranstalterbindung ebenso

befragt, wie unabhängige oder auf bestimmte Zielgebiete oder Reisearten

spezialisierte Agenturen. Ziel der Befragung war es qualitative

Zusammenhänge zu erkennen und Tendenzaussagen treffen zu können.

Eine Hochrechenbarkeit der Ergebnisse auf die Grundgesamtheit wurde

nicht angestrebt, da es aus Kosten- und Zeitgründen unrealistisch erschien

eine repräsentative Anzahl an Reisebüros zu befragen. Um regionen- oder

179 Vgl. o. V., http://www.rewe-group.com/fileadmin/download/imagebroschuere.pdf, 02.01.08. 180 Vgl. o. V., http://www5.thomascook.info/tck/downloads/Unternehmenspraesentation_2007.pdf, 02.01.08. 181 Vgl. o. V., http://www.drv.de/fileadmin/user_upload/2007_DRV_FZD_2006.pdf, 02.01.08.

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ortsspezifische Antworten zu vermeiden, wurde die Befragung in

verschiedenen Orten Deutschlands durchgeführt. Infolgedessen wurden

Reisebüros in Großstädten (Frankfurt am Main, Leipzig), in Kleinstädten im

Alpenvorland (Deggendorf), in Franken (Coburg, Erlangen), in den neuen

Bundesländern (Altenburg) sowie in Norddeutschland (Salzgitter) befragt.

8.4 Konzeption des Fragebogens

Zum Einstieg in den Fragebogen wurde eine leicht zu beantwortende

Eisbrecherfrage gestellt, mit dem Ziel den befragten Expedienten die

Befangenheit zu nehmen und ihr Interesse zu wecken. Diese erste Frage

sollte zudem Auskunft darüber geben, inwiefern sich die Befragten mit dem

Thema �Sanfter Tourismus� und dessen �Vermarktung� auskennen. Daraufhin

folgten sechs Kernfragen, mit denen in die Tiefe des Themas vorgedrungen

wurde. Zum einen wurde nach dem Verhalten der Kunden gefragt, zum

anderen aber auch nach der Eigeninitiative des Reisebüros in Bezug auf die

Aufklärung über ausgezeichnete Reiseangebote oder Umweltschädigungen

und Menschenrechtsverletzungen im Zielgebiet. Diese Fragen zielten nicht

darauf ab, den Wissensstand der Expedienten zu erforschen. Es ging

vielmehr darum herauszufinden, ob Reisebüromitarbeiter umwelt- und

sozialverträglichem Reisen eher positiv oder negativ gegenüberstehen.

Zudem sollte die intuitive Einschätzung hinsichtlich der Umwelt- und

Sozialverträglichkeit der größten deutschen Reiseveranstalter erfragt

werden. Diese Frage zielte nicht darauf ab herauszufinden wie

verantwortungsvoll diese Veranstalter sind, sondern wie sie wahrgenommen

werden. Zusätzlich wurde, mit Hinblick auf die Bereitschaft nach alternativen

Angeboten zu suchen, nach dem Bekanntheitsgrad einiger �Öko�veranstalter

und touristischer Umweltorganisationen und �marken gefragt. Der

Fragebogen schließt mit drei Statistikfragen zum Unternehmen ab. Zum

einen wurde nach einer eventuellen Spezialisierung auf eine oder mehrere

Reisearten, zum anderen nach einer eventuellen Leitveranstalterbindung

gefragt. Die Frage nach den drei am häufigsten verkauften Produkten, sollte

Aufschluss über die Klientel geben.

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8.5 Durchführung der Befragung

Aus Rücksicht auf den Arbeitsalltag in einem Reisebüro hat sich die

Verfasserin dafür entschieden, den Fragebogen persönlich im Reisebüro

abzugeben und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abzuholen. Der Vorteil

dieser Variante ist, dass die Befragten die Möglichkeit erhalten, selbst zu

bestimmen zu welchem Zeitpunkt sie die Fragen beantworten. Dahinter

verbirgt sich das Ziel einer möglichst hohen Rücklaufquote. Bei einer

persönlichen Befragung, könnte der Expedient in die Situation geraten sich

zwischen einem Kunden und der Fortführung der Befragung entscheiden zu

müssen. Mit der gewählten Variante konnte dieses Problem umgangen

werden. Zudem wurde den Befragten auf diese Art und Weise mehr Zeit

gegeben, um über das Thema nachzudenken und durchdachte Antworten zu

geben.

Die Einführung in das Thema sowie der Zweck und die Dauer der Umfrage

wurden bei Aushändigung des Fragebogens von der Verfasserin persönlich

übermittelt. Tiefer gehende Informationen wurden nicht vermittelt, um

möglichst unbefangene Antworten zu erhalten. In einigen Fällen waren die

befragten Expedienten am Thema interessiert und diskutierten bei Rückgabe

des Fragebogens einige Aspekte mit der Verfasserin und gaben interessante

Einblicke aus der Sicht der Reisebüros. Die Befragung wurde im Verlauf von

zwei Monaten durchgeführt, die Befragten hatten jeweils ein Zeitfenster von

bis zu einer Woche zwischen Abgabe und Abholung des Fragebogens.

Insgesamt wurden 60 Reisebüros befragt, effektiv liegen 38 ausgefüllte

Fragebögen vor, was einem Rücklauf von 63% entspricht.

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8.6 Auswertung

Frage 1 Welche der folgenden Umweltauszeichnungen / Gütezeichen kennen Sie?

71

53

3 5 8 1118

813

8

010

203040

5060

708090

100

Blaue F

lagge

Blauer

Engel

Grüner

Koffer

Blaue Sch

walbe

Grüne P

alme

Ecotel

ADAC Eich

hörnch

en

Grünes

Blatt

Eur. Preis

für T

ouris

mus un

d Umwelt

Weite

re

Umweltauszeichnungen

in %

Diese erste Frage sollte Auskunft darüber geben wie hoch der

Bekanntheitsgrad einzelner Umweltauszeichnungen ist. Die eindeutig

höchste Bekanntheit erreicht die Blaue Europa Flagge, die 71% der

Befragten kannten. Auch der Blaue Engel, das Umweltzeichen für

Industrieprodukte, war etwa der Hälfte der Expedienten geläufig. Das ADAC

Eichhörnchen, eine Auszeichnung für Campingplätze und Raststätten,

erreichte noch einen Wert von 18%. Die übrigen Umweltzeichen waren nur

vereinzelt bekannt. Als weitere Zeichen wurden die Auszeichnungen der TUI,

d. h. der TUI Umweltchampion, der TUI Delphin und TUI Ecoressort,

genannt. Diese sind allerdings keine richtigen Umweltzeichen, da lediglich

TUI-Produkte damit ausgezeichnet werden. Die geringe Bekanntheit der

meisten Umweltzeichen lässt sich damit begründen, dass Reiseveranstalter

darauf verzichten diese Zeichen zur Vermarktung ihrer Produkte zu

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verwenden. Lediglich die Blaue Europa Flagge ist als positives Beispiel

hervorzuheben. Einige Veranstalter, wie u. a. DERTOUR, verwenden dieses

Umweltzeichen in ihren Katalogen und nutzen es somit als �Beweis� für eine

gute Strandqualität.182 Diese Frage hebt die Bedeutung der

Veranstalterkataloge nochmals hervor. Reisebüros verkaufen Produkte auf

Basis der Kataloge. Umweltzeichen, die darin nicht erwähnt werden, haben

es ungleich schwerer sich beim Verbraucher als Qualitätshinweis

durchzusetzen. Zusätzlich erschwert die Vielfalt der touristischen

Umweltzeichen ihre Durchsetzung am Markt. Der Verbraucher verliert leicht

den Überblick. Zudem werden nicht alle Zeichen nach ausreichend strengen

Kriterienkatalogen vergeben. Ihrer Vermarktung stehen finanzielle Probleme

im Weg. Zur Einführung einer Marke sind hohe Summen erforderlich, die

nicht allein durch Lizenzgebühren und eventuelle staatliche Subventionen

aufgebracht werden können.

Der Blaue Engel kennzeichnet keine touristischen Angebote, ist allerdings

das führende Umweltzeichen unter den Industrieprodukten. Es wurde in die

Fragestellung mit aufgenommen, um einen ersten Eindruck über das

Umweltwissen im Allgemeinen zu gewinnen.

Frage 2: Machen Sie Ihre Kunden auf derartige

Auszeichnungen aufmerksam?

ja32%

nein68%

Nachdem der Bekanntheitsgrad der Auszeichnungen erfragt wurde, war es

wichtig zu wissen, ob die Expedienten auch auf diese hinweisen. Der

182 Vgl. o. V. (2008), DERTOUR Griechenland/Zypern Katalog, S. 29ff.

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überwiegende Teil der befragten Reisebüromitarbeiter tut dies nicht. Der

Hauptgrund ist wahrscheinlich, dass die Umweltzeichen unter den

Verbrauchern weitestgehend unbekannt sind und somit nicht als

Verkaufsargument taugen. Weiterhin haben Expedienten, selbst wenn sie die

Umweltzeichen kennen, nicht zwangsläufig Kenntnisse darüber, welche

Destinationen oder Betriebe ausgezeichnet sind. Da die meisten

Umweltzeichen, wie bereits erwähnt, nicht in den Veranstalterkatalogen

aufgeführt sind, müssten sich Expedienten selbständig darüber informieren.

Frage 3:Wie schätzen Sie die Chancen von umwelt- und sozialverträglicheren "sanften" Reisen ein? Als Trend, Nische oder Flop? Bitte begründen Sie

Ihre Antwort.

Trend32%

Nische39%

Flop13%

keine Angaben16%

32% der befragten Expedienten schätzen die Chancen von umwelt- und

sozialverträglicheren Reisen optimistisch ein und sehen diese als Trend.

Folgende Begründungen wurden genannt:

- Das Umweltbewusstsein und das soziale Gewissen der Menschen /

Kunden steigen.

- Der Trend geht vom Massentourismus und den damit verbundenen

Hotelbunkern weg in Richtung Ökotourismus / verantwortungsvoller

Tourismus.

- Das Umweltbewusstsein der Reiseveranstalter steigt.

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- Back to Nature: Menschen / Kunden sehnen sich nach unberührter

Natur.

- Der Klimawandel ist in aller Munde. Die Menschen haben Angst vor

den Auswirkungen in Zukunft und werden sich folglich auch auf

Reisen mit dem Umweltschutz auseinandersetzen.

Etwas vorsichtiger sehen 39% der Befragten die Zukunftsaussichten für den

Sanften Tourismus. Sie begründeten ihre Entscheidung für die Nische mit

folgenden Argumenten:

- Die Kunden fragen noch zu wenig danach. Es ist keine

Nachfragesteigerung erkennbar.

- Zu wenige Menschen verhalten sich verantwortungsbewusst

gegenüber der Umwelt.

- Mit verstärkten Klimaproblemen wird auch die Nachfrage nach

Sanftem Tourismus steigen.

- Wenn man den Kunden richtig erklärt, kann es eine Chance für unsere

Welt sein.

- Umwelt- und sozialverträglichere Angebote sind preisintensiver und

haben deshalb �nur� Potenzial zur Nische. Den Kunden ist der Preis

am wichtigsten.

- Wenn der Kunde über die finanziellen Mittel verfügt und der Preis

keine vordergründige Rolle spielt, sind andere Faktoren, wie Luxus

und Komfort, dennoch wichtiger als die Umwelt- und

Sozialverträglichkeit.

- Viele Reiseziele leben vom Massentourismus und richten sich nach

den Bedürfnissen der Touristen. Es wird nur wenig in den

Umweltschutz investiert.

- Umwelt- und sozialverträgliche Angebote sind zu unbekannt.

- Flugreisen sind für Kunden enorm wichtig.

Nur 13% sehen keine Chance für umwelt- und sozialverträglichere Reisen

und betrachten den Sanften Tourismus aus folgenden Gründen als Flop:

- Es besteht keine Nachfrage, daher ist Sanfter Tourismus im

Reisebüro kein Thema.

- Massenziele sind notwendig. Es liegt am jeweiligen Urlaubsland

entsprechende, umweltverträgliche Zonen einzurichten.

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- Kunden werden Ihre Reisegewohnheiten nicht ändern.

- Die meisten Kunden haben daran kein Interesse. Nur der Preis ist

ausschlaggebend.

16% machten keine Angaben zu dieser Frage.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass 71% der Befragten den Sanften

Tourismus zumindest als Alternative am Reisemarkt wahrnehmen, auch

wenn sich der überwiegende Teil der Expedienten eher skeptisch äußerte. In

den Begründungen finden sich allerdings auch unbewiesene Vorurteile

wieder. Die gängige Behauptung, dass Ökotourismus weniger

umweltschädlich sei als Strandurlaub in den Bettenburgen am Meer muss

nicht zwangsläufig richtig sein. Ökotouristen suchen die unberührte Natur

und bewegen sich in hochsensiblen Ökosystemen. Auch sie können große

Schäden anrichten und stören schon durch ihre pure Anwesenheit Tiere und

Pflanzen. Ökotourismus wird besonders von Zielgebieten in Mittelamerika,

wie beispielsweise Costa Rica, angeboten. Die Klientel sind in erster Linie

Touristen aus Nordamerika und Europa. Bei der Einschätzung der

Umweltverträglichkeit darf die weite Anreise, zumeist mit dem Flugzeug,

nicht unbeachtet bleiben.

Weiterhin werden Flugreisen grundsätzlich als umweltschädlicher

angesehen, als Anreisen mit anderen Verkehrsmitteln. Stellt man sich

allerdings vor, dass alle Flugpassagiere plötzlich mit dem eigenen PKW

anreisen würden, wären die Umweltschäden, durch Lärm und Autoabgase,

kaum geringer.

Nur einer der befragten Expedienten gab an, dass sich die Chancen eines

Sanften Tourismus erhöhen würden, wenn man den Kunden ausdrücklich die

negativen tourismusinduzierten Auswirkungen erklärt und sie auf alternative

Angebote aufmerksam macht. Ansonsten wurde die Verantwortung an die

Kunden (�zu geringe Nachfrage�) und an die Reiseveranstalter (�kein

ausreichendes Angebot�) weitergereicht.

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Frage 4:Geben Sie an wie oft Ihre Kunden selbständig nach

umwelt- und sozialverträglichen Reisen fragen?

häufig0%

gelegentlich5%

manchmal11%

selten41%

nie43%

Die vierte Frage bestätigt die skeptischen Zukunftsaussichten für den

Sanften Tourismus, die aus der Frage 3 hervorgingen. Insgesamt 84% der

Kunden fragen selten oder nie nach umwelt- und sozialverträglichen

Angeboten. 16% fragen gelegentlich bzw. manchmal danach. Eine häufige

Nachfrage seitens der Kunden konnte keines der befragten Reisebüros

angeben.

Frage 5: Weisen Sie Ihre Kunden auf Umweltsünden oder Menschen-

rechtsverletzungen in touristischen Zielgebieten hin?

ja54%

nein46%

Beide Extreme befinden sich in etwa im Gleichgewicht, wobei die knappe

Mehrheit der Befragten die Kunden doch auf Missstände im Zielgebiet

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hinweist. Ein Grund für die 46% der Expedienten, die nicht darauf

aufmerksam machen, ist die Tatsache, dass Ungerechtigkeiten ein

Verkaufshindernis darstellen. Beobachtet man die Situation am deutschen

Reisebüromarkt, so wird deutlich, dass in den letzten Jahren zahlreiche

Reisebüros schließen mussten und viele am Existenzminimum arbeiten.

Expedienten können es sich schlicht und einfach nicht leisten Kunden zu

Gunsten des Umweltschutzes zu verlieren. Reisewarnungen, die sich auf

Sicherheit der Touristen beziehen, wie beispielsweise Informationen über

Naturkatastrophen oder Aufstände, werden weitergeleitet. Hinweise

bezüglich umweltschädlicher und respektloser Aktivitäten im Zielgebiet

werden in vielen Fällen gar nicht oder nicht in vollem Umfang vermittelt.

Frage 6: Wie umwelt- und sozialverträglich schätzen Sie die

Produktpalette der folgenden Reiseveranstalter ein? Ordnen Sie in einer Reihenfolge von 1-8. Beginnen Sie mit dem umweltfreundlichsten Angebot.

1. Studiosus

2. TUI

3. Thomas Cook

4. REWE Bausteintouristik (u. a. Dertour)

5. Neckermann

6. REWE Pauschaltouristik (u. a. ITS, Tjaereborg)

7. FTI

8. Alltours

TUI und Studiosus werden mit großem Abstand als umwelt- und

sozialverträglichste Reiseveranstalter empfunden. Mit einigem Abstand

folgen Thomas Cook und REWE Baustein Touristik, Neckermann und REWE

Pauschaltouristik halten sich in etwa die Waage. Weit abgeschlagen als

verantwortungsloseste Reiseveranstalter schätzten die Befragten FTI und

Alltours ein. Natürlich ist es nicht ohne weiteres möglich das Bewusstsein für

ökologische und soziale Aspekte in einer solchen Reihenfolge darzustellen.

Ziel der Frage war es lediglich die Wahrnehmung der Expedienten

herauszustellen.

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Frage 7a:Welche der folgenden Reiseveranstalter / Verbände /

Organisationen sind Ihnen bekannt?

2,6 7,9 13,2 2,6 2,6 13,2 023,7 26,3

020406080

100

Via

bono

ReN

atou

r

Foru

man

ders

reis

en

VIS

IT

Sta

ttRei

sen

Nat

ours

Nat

urfre

unde

Inte

rnat

iona

l

Trav

el-to

-na

ture

Dem

eter

Rei

sen

alternative Veranstalter / Organisationen

in %

Sämtliche, hier aufgeführte, Reiseveranstalter, Verbände und Organisationen

erreichten unter den Befragten Expedienten nur einen geringen

Bekanntheitsgrad. Der VISIT Dachverband für europäische

Umweltgütezeichen und Viabono, als deutsche Umweltmarke waren lediglich

2,6% der Befragten ein Begriff. Die geringe Bekanntheit Viabonos gewinnt

vor dem Hintergrund, dass die Marke auf Bundesebene gefordert, initiiert und

subventioniert wurde, an Bedeutung im negativen Sinne. Naturfreunde

Internationale ist keine touristische Organisation, setzt sich allerdings u. a. für

die umweltgerechte Gestaltung von touristischen Aktivitäten in der Natur

sowie für die Vermittlung zwischen den Interessen der Bereisten und der

Reisenden ein. NFI gehört mit mehr als 500.000 Mitgliedern zu den weltweit

größten Nichtregierungsorganisationen und ist u. a. Mitglied im European

Environmental Bureau und bei den Green 10, den zehn größten

europäischen Umweltorganisationen.183 Umso erstaunlicher ist es, dass

keinem der Befragten die Organisation bekannt war. Auch die

Reiseveranstalter ReNatour, Natours, Travel-to-Nature und Demeter Reisen

waren nur weniger als einem Drittel der befragten Expedienten bekannt,

wobei die beiden Letzteren noch vergleichsweise gute Werte erreichten. Das

Forum Neue Städtetouren ist ein Zusammenschluss von Veranstaltern von

Stadterkundungen, die meist unter dem patentrechtlich geschützten Begriff

StattReisen agieren. Der Verband ist in zahlreichen deutschen Städten mit

183 Vgl. o. V., http://www.nfi.at/index.php?option=com_content&task=view&id=2&Itemid=8, 04.01.08.

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seinen Mitgliedsorganisationen vertreten, die vor Ort Städteerkundungen

anbieten. Ziel dieser Organisation ist es einen auf die Stadt bezogenen

umwelt- und sozialverträglichen Tourismus zu fördern.184 Obwohl StattReisen

große Veranstaltungen wie u. a. die Messe Reisepavillon in Hannover, die

bereits seit 1991 stattfindet und mittlerweile 300 Aussteller und 18.000

Besucher anzieht, organisiert, kannten nur 2,6% der Befragten den

Verband.185 Auch das Forum anders reisen, ein Zusammenschluss kleiner

und mittelständischer Unternehmen, erreichte lediglich einen

Bekanntheitsgrad von 13,2% unter den Befragten. Angesichts dieser

geringen Bekanntheit stellt sich die Frage, ob derartige alternative

Reiseveranstalter und Verbände die �Masse� der Touristen mit ihrem Angebot

erreichen können.

Als Hauptproblem ist die fehlende Einigkeit unter den Akteuren

hervorzuheben. Die marktbeherrschenden Reiseveranstalter, setzen

übergeordnete Interessen gemeinsam durch, und wirken als Gegner

übermächtig.

Frage 7b:Geben Sie außerdem an, ob Sie deren Reisen anbieten.

0 0 2,6 0 2,6 2,6 07,9 2,6

0102030405060708090

100

Viabon

o

ReNato

ur

Forum an

ders

reisen

VISIT

StattReis

en

Natours

Naturfr

eund

e Inter

nation

al

Travel-to

-natur

e

Demete

r Reis

en

alternative Veranstalter / Organisationen

in %

Infolge der geringen Bekanntheit der aufgeführten

Veranstalter/Organisationen, ist auch ihre Präsenz im Angebotssortiment der

184 Vgl. o. V., http://www.stattreisen.de/, 04.01.08. 185 Vgl. o. V., http://www.reisepavillon-online.de/, 04.01.08.

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Reisebüros gering. Lediglich fünf unter ihnen sind überhaupt im Reisebüro

vertreten. Allerdings stellen VISIT und Viabono auch keine eigenen Reisen

zusammen, sondern präsentieren die Angebote ihrer Mitglieder. Ein

möglicher Grund für die mangelnde Bereitschaft die Veranstalter in das

eigene Sortiment aufzunehmen ist, dass diese Veranstalter ihre Produkte in

erster Linie direkt verkaufen und keine Provision an Reisemittler zu zahlen

bereit sind. Somit ist eine Aufnahme ihrer Produkte in das Angebot für

Reisebüros in betriebswirtschaftlicher Hinsicht unattraktiv und erfolgt, wenn

überhaupt, vorrangig aus moralischen Gründen.

Frage 8:Ist Ihr Reisebüro spezialisiert auf eine oder mehrere

Reisearten? Wenn ja, auf welche?

89,6

2,6

2,6

2,6

2,6

0 20 40 60 80 100

Vollreisebüro

Sprachreisen

Last Minute

Asien/Thailand

Afrika

Spez

ialis

ieru

ng

in %

89,6% und somit das Gros der befragten Reisebüros verkauft alle Arten von

Reisen. Um eventuelle Unterschiede in Bezug auf die Einstellung gegenüber

Sanftem Tourismus hervorzuheben, wurden auch Reisebüros befragt, die

sich auf ein bestimmtes Zielgebiet oder eine bestimmte Reiseart spezialisiert

haben. Alle spezialisierten Büros schätzen den Sanften Tourismus als Trend

oder Nische ein. Dies könnte in der kleineren Produktpalette begründet sein.

Reisebüros, die sich auf nur ein Zielgebiet oder nur eine Reiseart

spezialisiert haben, verfügen in Bezug auf regionale Besonderheiten und

alternative Angebote jenseits der marktbeherrschenden Reiseveranstalter

über tiefergehende Informationen.

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Frage 9:Nennen Sie Ihre 3 am häufigsten verkauften Produkte.

39,5

76,3

10,521,1

89,5

5,3

23,7

10,5

0102030405060708090

100

Stud

ienr

eise

n

Städ

tere

isen

Kreu

zfah

rten

Clu

burla

ub

Stra

nd- /

Bad

e- /

Sonn

enur

laub

srei

sen

Spor

t- un

dAk

tivur

laub

srei

sen

Wel

lnes

s- u

ndG

esun

dhei

tsur

laub

srei

sen

Wei

tere

verkaufte Produkte

in %

Die mit Abstand umsatzstärksten Produkte sind Strand-/ Bade-/

Sonnenurlaubsreisen (89,5%), Städtereisen (76,3%) und Studienreisen

(39,4%). Die weiterhin aufgeführten Reisearten werden mehr oder weniger

gleich stark verkauft. Unter weitere Produkte wurden individuelle Flüge,

Baustein- und Rundreisen genannt.

Frage 10:Ist Ihr Reisebüro an einen Leitveranstalter

gebunden? Wenn ja, an welchen?

50

21,1

15,8

7,9

2,6

2,6

0 20 40 60 80 100

kein Leitveranstalter

Thomas Cook

Rewe-Touristik

TUI

FTI

Reiseland

Leitv

eran

stal

ter

in %

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Die Hälfte der befragten Reisebüros arbeitet unabhängig von einem

Leitveranstalter, ansonsten wurden vorwiegend die konzerngebundenen

Reisebüros, wie Thomas Cook (21,1%), Rewe (15,8%) und TUI (7,9%),

befragt. Ziel dieser Frage war es u. a. herauszustellen ob

veranstaltergebundene Reisebüros zugunsten Ihres Leitveranstalters

antworten. Zudem können anhand dieser Frage mögliche Unterschiede

hinsichtlich des Umweltwissens und des Verantwortungsbewusstseins betont

werden.

Es fällt auf, dass sich unter all jenen Befragten, die Sanftes Reisen als Trend

einschätzen, kein einziges TUI Reisebüro befindet. Thomas Cook und

Neckermann Agenturen sehen die Chancen dieser Reisen vorrangig in der

Nische. Rewe-Büros beurteilen sie optimistisch als Trend oder Nische. Kein

Rewe-Büro schätzt Sanfte Reisen als Flop ein. Das Erstaunliche hierbei ist,

dass gerade die Expedienten der TUI, welcher von der Mehrheit der

Befragten Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich ökologischer und sozialer

Aspekte bescheinigt wurde, dem Sanften Tourismus eher skeptisch

gegenübersteht.

Bei Frage 6, welche sich auf die intuitive Einschätzung der Produktpalette

der Veranstalter in Bezug auf Umweltbewusstsein und soziale Verantwortung

bezieht, bestand die Vermutung, dass leitveranstaltergebundene Reisebüros

zugunsten �ihres� Veranstalters antworten würden. Dies hat sich nicht

bestätigt. TUI und Studiosus wurden von allen Büros mit Bestnoten

versehen. Und auch die Einschätzung des jeweiligen Leitveranstalters

erfolgte realistisch. Rewe-Büros werteten ihre Bausteinreisen nach Studiosus

und der TUI auf Rang 3 und ihre Pauschalreisen auf Rang 5. Zwar

verbessern sich beide in dieser Auswertung um eine Position, aber die

Abstände zwischen Position 3 und 4 beziehungsweise 5 und 6 waren so

gering, dass dies nicht als Übervorteilung gewertet werden kann. Gleiches

gilt für Thomas Cook Agenturen, die ihre Veranstalter Thomas Cook und

Neckermann ebenso realistisch auf Position 3 beziehungsweise Position 4

sahen.

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8.7 Zusammenfassung

Ziel der Umfrage war es herauszustellen, inwiefern Reisebüromitarbeiter

über Informationen in Bezug auf Tourismusauswirkungen und

umweltverträgliche und sozialverantwortliche Reiseangebote verfügen und

inwiefern sie bereit sind dieses Wissen an ihre Kunden zu vermitteln.

Positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass über zwei Drittel der Befragten

dem Sanften Tourismus zumindest in der Nische eine Chance einräumten.

Zudem kannten 97,4% der Expedienten zumindest eine der unter Frage 1

aufgeführten Umweltauszeichnungen.

Allerdings ist die Bereitschaft das vorhandene Wissen an die Kunden

weiterzugeben steigerungsfähig. Reisewarnungen werden selbstverständlich

vermittelt, aber Hinweise, wie man sich umweltschonend und

sozialverträglich im Urlaubsland verhält, werden zumeist nicht

ausgesprochen. Die Expedienten befürchten dadurch Kunden und den damit

verbundenen Umsatz zu verlieren. Der Wettbewerb unter den Reisemittlern

ist hart. Reisebüros konkurrieren nicht nur untereinander, sondern auch mit

dem Direktvertrieb von Airlines, Hotels sowie Reiseveranstaltern. Tendenziell

sinkende Provisionen wirken sich zusätzlich negativ auf ihre finanzielle

Situation aus.186 Vor diesem Hintergrund ist es durchaus verständlich, dass

Reisebüros keine Risiken zugunsten des Umweltschutzes eingehen.

Tatsache ist, dass Reisebüros meist nur dann auf Umwelt- und

Sozialverträglichkeit eingehen, wenn die Kunden selbständig danach fragen.

Alternative Anbieter sind teilweise bekannt, werden aber nur von einigen

wenigen Büros ins Angebot aufgenommen. Letztendlich gilt für Reisebüros

das gleiche, wie in allen anderen Tourismusbereichen: Sanfter Tourismus

kann derzeit nur in der Nische erfolgreich sein.

186 Vgl. o. V., http://www.eti.de/cgi-bin/cms?_SID=fake&_sprache=ar&_bereich=artikel&_aktion= detail&idartikel=100106, 05.01.08.

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9. Fazit

Die Diskussion um einen Sanften Tourismus erreichte in den 1990er Jahren

ihren Höhepunkt. Die gesamte Tourismuswelt folgte den Spuren der

Vordenker. Der Sanfte entwickelte sich zum Nachhaltigen Tourismus. 1990

erschien der Artikel �Mit grünen Tupfen� von K. Wulf in der Frankfurter

Rundschau und brachte die Situation auf den Punkt: �Die Macher im

Reisegeschäft nennen die �grünen Spinner� von einst jetzt respektvoll

Mahner, und diese akzeptieren, dass halt Geld die Welt regiert. Nach mehr

als zehn Jahren Tourismuskritik soll nun gehandelt werden.�187 Mit

sarkastischem Unterton wies Wulf darauf hin, dass zu viele Kompromisse,

eingegangen werden und den Worten zu selten Taten folgen. Heute scheint

die Aufbruchstimmung der 1980er/1990er Jahre verflogen. Ein

Gewöhnungsprozess hat eingesetzt, man kennt ihn jetzt den Sanften

Tourismus. Neue Impulse sind notwendig um wieder Schwung in die

Bewegung zu bringen.

Die Verantwortung allein an die Reiseveranstalter weiterzureichen ist falsch.

Die Entwicklung eines sanfteren Tourismus kostet den Reiseveranstalter

zunächst einmal Geld. Umweltschutzbeauftragte mögen sich, aufgrund der

hohen Werbewirkung, langfristig als rentable Mitarbeiter erweisen, kurzfristig

fallen jedoch Kosten an, wie sie gerade für mittelständische Unternehmen

kaum tragbar sind.

Zudem laufen Pioniere des Öko-Marketings Gefahr, dass ihre potenziellen

Kunden von den Informationen über Umweltschäden und umweltschädliches

Verhalten von Touristen abgeschreckt werden und empfänglich für die �Heile-

Welt-Werbung� anderer Veranstalter sind. Konzepte eines Sanfteren

Tourismus sind notwendig, aber bieten noch keine ökonomische Sicherheit.

Ähnlich hoch ist das betriebswirtschaftliche Risiko für Reisemittler. Durch die

große Anzahl an Reisebüros in Deutschland stehen diese unter enormem

Wettbewerbsdruck. Auch wenn das Wissen hinsichtlich ökologischer und

soziokultureller Auswirkungen vorhanden ist, so wird es dem Kunden oftmals

187 Wulf, K. (1990), S.12.

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nicht vermittelt. Verantwortungsbewusstsein ist in diesem Fall ein

Verkaufshindernis, dass sich nur die wenigsten leisten können.

Die Notwendigkeit den Tourismus sanfter zu gestalten ist nach wie vor

vorhanden und gewinnt, betrachtet man die gravierenden negativen

Auswirkungen und das stetige Tourismuswachstum, mehr und mehr an

Bedeutung. Momentan haben Anbieter von Sanften Reisen lediglich eine

Chance in der Nische. Positiv zu bewerten ist das Umweltbewusstsein auf

hohem Niveau, sowohl innerhalb der Bevölkerung als auch unter den

Branchenvertretern. Ein Sanfter Tourismus in Reinform ist angesichts der

heutigen Reiseströme nicht realisierbar. Jede Massenbewegung widerspricht

grundsätzlich seinen Idealen. Ziel für die Zukunft muss es sein auf einen

Sanfteren Tourismus hinzuwirken. Jeder Tourismusteilnehmer trägt hierfür

einen Teil der Verantwortung:

- Die Reisebranche muss die Umweltqualität ihrer Produkte erhöhen

und entsprechend gekennzeichnete sanfte Reisen anbieten.

- Aufgabe der politischen Entscheidungsträger ist es den Spagat

zwischen dem gewünschten Wirtschaftswachstum und dem Erhalt

lokaler und globaler Umweltqualität zu schaffen.

- Reisende sollen sich ihrem Wissen und Gewissen entsprechend

verhalten und der Umwelt und Kultur im Zielgebiet

verantwortungsbewusst und respektvoll begegnen.

Tourismus hat, wenn er richtig betrieben wird, auch positive Auswirkungen

und kann beispielsweise als Instrument des Naturschutzes dienen oder zu

einer Verbesserung der Lebensbedingungen beitragen. Die Idee des Sanften

oder Nachhaltigen Tourismus muss attraktiv und bekannt gemacht und als

intelligentes, zukunftsfähiges Konzept dargestellt werden.

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o. V.: Umweltbewusstsein in Deutschland 2006,

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o. V.: Reisebüros,

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Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich an Eides Statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und

ohne unerlaubte Hilfe angefertigt habe, andere als die angegebenen Quellen nicht

benutzt und die den benutzen Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen

als solche kenntlich gemacht habe.

Frankfurt am Main, 04.02.2008 _____________________

Nicole Vogel

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Anhang A: Tab. 2 - Umweltauszeichnungen im Tourismus188 Titel Ver-

gabe Gültigkeits- bereich

Zielgruppen Initiatoren

ADAC-Eichhörnchen 1996 bundesweit spezielle Zielgruppen ADAC Blaue Schwalbe 1990 international

europaweitweltweit

Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser

Verträglich Reisen

Der umweltfreundliche Hotel- und Gaststättenbetrieb

1994 regional Hotels und Gaststätten Hotel- und Gaststättenverband Hessen

Der umweltfreundliche Hotel- und Gaststättenbetrieb

1993 regional Hotels und Gaststätten Dehoga Lippe

Der umweltfreundliche Hotel- und Gaststättenbetrieb

1994 regional Hotels und Gaststätten Hotel- und Gaststättenverband Schleswig-Holstein

Die beste Wahl für die Umwelt

1992 regional Hotels und Gaststätten Collegium Touristicum Carinthae

Distinction Award ? internationaleuropaweitweltweit

Hotels Green Globe

Grüne Hand 1991 Kommunal Hotels und Gaststätten, Privatvermietungen

Gemeinde Saalbach

Grüne Schlüssel 1994 bundesweit Hotels HORESTA Dänemark

IH&RA Environmental Award

1990 internationaleuropaweitweltweit

Hotels und Gaststätten IH&RA Int. Hotel und Restaurant Association

Öko-Grischun 1994 regional Hotels und Gaststätten, Agrarproduzenten

Verein Ökomarkt Graubünden

Österreichisches Umweltzeichen für Tourismusbetriebe

1997 bundesweit Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser, Ferien auf dem Bauernhof, Jugendherbergen, Campingplätze, Erholungsheime und Bildungszentren

Gesellschaft für ökologische Projektent-wicklung

188 Vgl., u. a. Spittler, R. (1998), http://www.aube-umweltakademie.de/Umweltauszeichnungen_im_ Tourismus.htm, 15.01.08.

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Q for you 1992 regional Städte, Orte, Ortsteile, Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser, Ferien auf dem Bauernhof, Verwaltungen, Jugendherbergen, Campingplätze, Cafes, Bars, Skischulen

Verkehrs-verein Saas-Fee

Spanisches Ökozertifikat für Hotels

1997 regional Hotels, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser

Vereinigung Biosphären-Hotels

TUI International Environment Award

1991 internationaleuropaweitweltweit

Hotels, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser

TUI

TUI-Umwelt-Champion

1997 internationaleuropaweitweltweit

Hotels, Verwaltungen TUI

TUI-Umweltschonende Hotelführung

1997 internationaleuropaweitweltweit

Hotels, Jugendherbergen TUI

Umweltbewusster Hotel- und Gaststättenbetrieb

1991 regional Hotels und Gaststätten Bayrische Staatsre-gierung

Umweltfreundliches Gastgewerbe

1995 regional Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser, Ferien auf dem Bauernhof

Fremden-verkehrs-verband Mecklen-burg-Vor-pommern

Umweltorientierte Betriebe in Niedersachsen

1997 regional Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser, Ferien auf dem Bauernhof

Dehoga Nieder-sachsen

Umweltpalette �Der Umwelt zuliebe�

1992 Kommunal Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser

Inselge-meinde Juist

Umweltsiegel Kleinwalsertal �Silberdistel�

1988 Kommunal Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser

Gemeinde Mittelberg

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Umweltsiegel Lurgau 1992 regional Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser, Ferien auf dem Bauernhof, Verwaltungen, Jugendherbergen, Campingplätze

Ökoaus-schuss Lurgau

Umweltsiegel Tirol-Südtirol

1994 Kommunal Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser, Ferien auf dem Bauernhof, Verwaltungen, Jugendherbergen, Campingplätze

Tirol und Südtirol Werbung

Umweltzeichen Abfallvermeidung

1990 Kommunal Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser, Ferien auf dem Bauernhof, Verwaltungen, Jugendherbergen, Campingplätze

Stadt Borkum

Wir führen einen umweltorientierten Betrieb

1993 Bundesweit Hotels und Gaststätten Dehoga

Wir führen einen umweltorientierten Betrieb

1993 Regional Hotels und Gaststätten, Privatvermieter, Apartments, Ferienwohnungen bzw. �häuser, Ferien auf dem Bauernhof

Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg

Blaue Europa Flagge 1987 International europaweit, weltweit

Städte, Orte, Ortsteile F.E.E.

Bundeswettbewerb umweltfreundliche Fremdenverkehrsorte

1996 bundesweit Städte, Orte, Ortsteile DFV

Bundeshauptstadt für Umwelt- und Naturschutz

1990 bundesweit Städte, Orte, Ortsteile Deutsche Umwelthilfe

Dorfurlaub in Österreich

1991 bundesweit Städte, Orte, Ortsteile Verein Dorfurlaub in Österreich

Europäischer Preis für Tourismus und Umwelt

1995 International europaweit, weltweit

Städte, Orte, Ortsteile EU-Kommission

Grüner Koffer in Pla-nung

bundesweit Städte, Orte, Ortsteile Ö.T.E.

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Internationale Umweltauszeichnung des DRV

1987 International europaweit, weltweit

Städte, Orte, Ortsteile, Einzelpersonen, Gruppen, Organisationen, Betriebe

DRV

Schwedischer Umwelt- und Tourismuspreis

1995 bundesweit Städte, Orte, Ortsteile, Einzelpersonen, Gruppen, Organisationen, Betriebe

Schwedenwerbung

TAT-Orte 1995 regional Städte, Orte, Ortsteile, Tourismus- und Umweltinitiativen

Deutsche Bundesstiftung Umwelt

ADAC-Eichhörnchen Autobahn-Raststätte

1993 bundesweit Autobahn-Raststätten ADAC

British Airways Tourism for Tomorrow Awards

1992 International europaweit, weltweit

Tourismus- und Umweltinitiaven

British Airways

Empfehlenswerte Reiseveranstalter

1998 bundesweit Reiseveranstalter BUND

Europa Nostra Awards

1997 International europaweit, weltweit

Einzelpersonen, Gruppen, Organisationen, Betriebe

Europa Nostra Awards

Landschaft des Jahres

1989 International europaweit weltweit

grenzüberschreitende Landschaften

Naturfreunde International

National Ecotourism Accreditation Program

1991 Bundesweit Einzelpersonen, Gruppen, Organisationen, Betriebe

Ecotourism Association

Top-Team-Natur 1999 bundesweit Jugendreisen AG Jugendreisen mit Einsicht

Umweltpreis des Deutschen Golfverbandes

1991 bundesweit Golfanlagen Deutscher Golfverband