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BAU MEISTER B7 Juli 14 111. JAHRGANG Das Architektur- Magazin Aufstockungen + MEISTERSCHAFT IN BRASILIEN + MEISTERHÄUSER IN DESSAU D 15 EURO A,L 17 EURO CH 23 SFR

Baumeister 7/2014

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B a um e i s t e r

B7

Juli 14

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Das architektur-magazin

aufstockungen

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28 29Ideen 1 und 2

Dem Druck des Kapitals vom nahen Finanzviertel nicht nachgegeben: ein spekulatives Bürohaus aus Alt und Neu

Der Name „Vorhangstraße“ geht wahrscheinlich auf die Theater in Tudorzeiten zurück, die hier in Hackney, nördlich der „City of London“ zu finden waren. Wohl ebenso auf die ansässigen Textil- und Möbelhersteller sowie auf William Shake-speare selbst, der um 1500 in der Nachbarschaft wohnte. Diese Geschichte hat die Architekten zu ihrer Wellaluminiumfassade inspiriert: Sie ist tatsächlich wie ein zarter Vorhang vor die Fenster gezogen – unsichtbar von außen verbirgt sich dahinter eine Reihe ein Meter breiter, sich abwechselnder Glas- und Wandele-mente. Nur drei große, zueinander versetzte Scheiben bleiben als Guckkasten-fenster frei. Die Nähe zum Finanzviertel lockt die Spekulanten in diese scheinbar so vor-städtisch-gemütliche Gegend, die Hauspreise steigen stetig, und Investoren reißen sich um jeden Quadratmeter. Der banale dreigeschossige Altbau, nied-riger als der Rest der Häuserzeile, hatte früher aus drei Wohnhäusern bestanden, die schon seit langer Zeit zusammengelegt waren. Der Käufer hatte seine Archi-tekten schon ausgesucht und plante Abriss und Neubau. Da hatte er jedoch die Rechnung ohne den „Conservation Officer“ gemacht. Die aufgeschlossene, aber resolute ältere Dame konnte sich zwar für den mo-dernen Architekturentwurf begeistern, aber sie hatte auch ihre Prinzipien und verlangte den Erhalt des Gebäudes. Der Altbau selbst hat einen geringen Denk-malwert, dennoch trägt er viele Charakterzüge des gesamten Häuserzeile. Die Architektin Mary Duggan sagt, als sie sich an die Verhandlungen mit der Dame erinnert, sie sei sich sicher, dass eine Person von schwächerer Statur dem Inves-tor nachgeben hätte. Das eben erst fertig gestellte Bürohaus wartet nun also auf Mieter. Die sind na-türlich nicht so leicht zu finden wie bei einem Neubau. Die vier relativ niedrigen Geschosse in den alten Mauern haben kaum übersehbare große Lüftungsgerä-te in jeder Ecke und wirken konventionell mit ihren Lochfassaden. Der Bau hatte sich zudem nicht unerheblich verteuert, weil statische Winkelzüge erforderlich waren, um die Lasten der aufgesetzten Stahlkonstruktion abzutragen. Die Räume sind so aufgeteilt, dass etwa ein Galerist die Flächen im Erd- und Untergeschoss übernehmen kann und darüber ein Mieter die restlichen Geschosse. Daher gibt es zwei getrennte Eingänge. Dagegen sind Licht und Weite der drei neuen Obergeschosse beeindruckend: Denn zur Rückseite musste der Bau mehrfach zurückgestaffelt werden, um die Belichtung der Nachbarhöfe nicht zu beeinträchtigen. Die Architekten machten aus der Not eine Tugend mit Hilfe einer attraktiven Terrassenlandschaft, die sich übrigens auch ganz wunderbar zum Wohnen eignen würde. Doch leider enthal-ten die Regeln der Conservation Area in diesem Fall auch die Vorschrift einer gewerblichen Nutzung, die seit Hunderten von Jahren in diesem Straßenzug üblich ist.

A R C H I T E K T E N

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F O T O S

Jack Hobhouse

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Pläne siehe Seite 33

34 35Ideen 1 und 2

Die rostrot schimmernde Metallfassade des neuen Aufbaus musste hart erkämpft werden. Sie stellt Bezugslinien zu den Nachbarn her.

Die Umgebung südlich der London Bridge erlebt seit dem Bau von Renzo Pi-anos „Shard“ (Baumeister 10/2013) eine enorme Aufwertung. Doch während der Wolkenkratzer und das monströse Guy‘s-Krankenhaus außerhalb der Bermond-sey „Conservation Area“ liegen, sind innerhalb des markierten Bereichs gleich nebenan stattliche, gepflegte Ziegelwohnbauten mit Gartenhöfen aus dem 19. Jahrhundert zu finden; es gibt viel Kleingewerbe in dem ehemaligen Gerber-viertel, Ateliers und alte Pubs – alles Backsteinhäuser. Außerdem reiht sich in der Snowfields-Straße eine völlig intakte, kleinteilige, alte Ladenzeile auf, wie Tou-risten und Einheimische sie gleichermaßen lieben. Die Zeile schloss bis vor kur-zem noch mit einem Flachbau ab. Bis ihn der Schmuckdesigner Alex Monroe entdeckte, kaufte und ein befreundetes Architekturbüro um einen Entwurf dafür bat. Die Architekten des Büros DSDHA entwickelten einen dreigeschossigen Holzbau aus Kreuzlagenholz-Platten, der geschickt die winzige Grundfläche in die Höhe stapelt. So entsteht pro Geschoss ein Raum, wobei die gewendelte Treppe – die viel Platz braucht – an der Brandwand zum Nachbarn liegt. Auf Straßenebene wurde im Altbau der Schmuckladen untergebracht: Die hell gestrichene, hübsch verschnörkelte Ladenfront lockt vor allem Besucherinnen an, die dann regel-mäßig beim Anblick der Enge des Geschäfts, seiner altmodischen Einrichtung und der romantischen Schmuckstücke in Verzückung geraten.Der Denkmalschutzbeamte hielt sich in diesem Fall streng an die Regeln und lehnte den Vorschlag einer Metallfassade zunächst ab. Den Architekten schien es dagegen die einzig logische Verkleidung für den Holzbau – noch dazu für einen Bauherrn, der mit Metall arbeitet. Dennoch entwickelten sie gehorsam Ziegel- und Terrakotta-Varianten, die angeblich besser zur Umgebung passten, nur um am Ende nach einem Jahr Hin und Her dann endlich doch die verzinkte, „ziegelfarbene“ Alu-Verkleidung realisieren zu können. Die Holzkonstruktion bleibt sichtbar im Inneren, und so fühlt man sich dort an ein halbes Schiff erinnert: Sie setzt sich in der Möblierung fort, etwa in den Werkbän-ken und -tischen im Atelier im ersten Stock, darüber in den Schiebetüren und Kücheneinbauten im Essraum. Ebenso scheinen Lagerschränke und Packtische aus den Wänden im Keller zu wachsen. Auf dem Dach gibt es eine Terrasse mit Ausblick ins Viertel. Wie heil doch die Umgebung mit ihren romantischen Fas-saden von hier oben wirkt, während Pianos Wolkenkratzer unglaublich weit weg und merkwürdig zweidimensional, ja virtuell erscheint.

A R C H I T E K T E N

DSDHA

Sno

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F o T o S

Dennis Gilbert

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Pläne siehe Seite 39

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T i T e l T h e m a

a r c h i T e k T e n

Bast

k r i T i k

maike Burk

F o T o s

Bast

in Toulouse ist man Ziegelbauten gewohnt. Die archi tekten von Bast wagten mit dem Umbau eines Wohn­hauses etwas neues: Das alte Gemäuer trägt jetzt eine alumi­niumbox. Wie die ar­chitekten mit Bestand umgehen, zeigen wir an zwei Projekten.

kleine

inter ven­tionen

ideen 3 und 4m03 heißt das erste

realisierte Projekt

der Toulouser archi­

tekten Bast. Das

Wohnhaus wurde

umgebaut und um

ein Dachgeschoss

aus aluminium auf­

gestockt.

54 55Ideen 5 bis 10

Das ist ja die Höhe!

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Der zweigeschossige Bestand wird durch drei eigenständige Maiso-nettewohnungen aufgestockt; diese werden im ersten Oberge-schoss offen durch eine große Terrasse erschlossen und sind so zu einem Gesamtvolumen zusammengefasst. Die „Drei Häuser unter einem Dach“ lassen eine neue Situation hoher städtischer Dichte

entstehen, mit individuellen Erschließungen, Räumen und Zuschnit-ten, die ein kommunikatives Wohnen und Arbeiten am Hof ermögli-chen. Zur Straße formt sich so das Bild eines gewachsenen Hauses, das trotz eigenständigen Charakters sensibel auf seinen räumli-chen Kontext reagiert. Juryprotokoll

Barbara Trojer, Markus Munzig, Cosima KrubasikLehrstuhl für Städtebau und WohnungswesenTU München

Straßenansicht

T I T E L T H E M A

ie Baumeister-Studentenwettbewerbe stehen in einem diskursi-ven Kontext. Sie gehören zur unendlichen Geschichte des Städtebaus – wir sind in der Stadt, wie wir sie wirklich vorfinden, mit all ihren Unzulänglichkeiten, Widersprüchen und Zumu-tungen. Dieses Jahr waren die besten Projekte rund um das Thema Aufstocken gefragt. Der Wettbewerb wurde zum fünften Mal in Folge gemeinsam mit dem Softwareanbieter Nemetschek Allplan Systems ausgelobt. Neben der technischen Umsetzbar-keit wurde vor allem die Auseinandersetzung mit der gegebenen Architektur bewertet. 266 Studenten von 16 Hochschulen haben sich dieser Aufgabe gestellt, die nicht ortsbezogen war und da-her von jeder Hochschule etwas anders interpretiert werden konnte. Die Einreichungen zeigten viele überraschende Ansät-ze im Umgang mit dem Bestand, die Mehrheit beschäftigte sich aber mit wirklich praktikablen Lösungen. Besonders beliebte Spielorte für die Logik der Aufstockung – das zeigen auch die Siegerprojekte und Anerkennungen – waren dieses Jahr Indus-triebrachen: Bunker, Flaktürme und andere Bestandsobjekte mitten in der Stadt oder in Hafengebieten.

P R E I S W O H N E N

Barbara Trojer, Markus

Munzig, Cosima Krubasik

Ö F F E N T L I C H E S B A U E N

Patrick Knüppe

P R E I S K O N v E R S I O N

Thomas Haber

A N E R K E N N U N G I

Felix Broer

A N E R K E N N U N G I I

Janne Lane, Jan Hendrik

Lorenzen

A N E R K E N N U N G I I I

Ömer Acar, Xi LiD

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Die Arbeit „Tauchbunker“ beeindruckt durch eine klare und realis-tische Analyse des Bestands und seiner Möglichkeiten. Der alte Bunker wird ohne große veränderung und Eingriff mit Wasser gefüllt, sein rauer, ruppiger Charakter bleibt im Inneren und von außen be-trachtet erhalten. Darüber wird eine leicht wirkende Struktur errich-tet, ähnlich wie ein Brückenbau – der verfasser nennt es „Expedi-

tions- oder Bergungsschiff“. Durch die neue Nutzung als Tauchbasis bleibt der Zweckbau ein Zweckbau. Der Entwurf überzeugt ästhe-tisch, geometrisch sowie in seiner Darstellung und konsequenten Umwidmung. Juryprotokoll

Thomas HaberLehrstuhl BaukonstruktionRWTH Aachen

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Konv

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Querschnitt

Durch die Aufstockung des „Kurienhauses am Roncalliplatz in Köln“ ergibt sich aus einem horizontalen ein vertikaler Stadtkör-per, der einerseits der freistehenden Lage des Gebäudes am Platz und andererseits seiner Nutzung als öffentliches Gebäude neues Gewicht und Präsenz verleiht. Im vergleich zum Bestand erscheint die Erweiterung selbstverständlich und maßvoll, ja un-

auffällig aufgesetzt. Die Beletage im letzten Geschoss lässt da-bei einen für das Publikum attraktiven Raumabschluss erwarten. Für die dreigeschossige Aufstockung wurde eine leicht wirken-de Pfostenriegelkonstruktion aus Stahl gewählt, die die vertika-le Fassadengliederung des Bestands durch doppelte Lisenen auf selbstverständliche Weise fort. Juryprotokoll

Patrick KnüppeLehrstuhl BaukonstruktionRWTH Aachen

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n“Ideen 5 bis 10

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Längsschnitt