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BAYERISCHE STAATSZEITUNG NR. 9 LEBEN IN BAYERN FREITAG, 5. MÄRZ 2010 3 welt. „Zum Beispiel kann er als Recyclingstoff im Straßenbau be- nutzt werden, dafür muss er aber wirklich ganz sauber sein. An- sonsten wird er – je nach Zustand – beispielsweise im Kanalbau oder beim Bau von Lärmschutzwällen verwendet.“ Während Erlangen, München und Kempten den Splitt von ver- schiedenen Firmen wiederaufbe- reiten lassen, bringen die Nürn- berger Straßenreiniger ihn auf die Müllkippe. „Wir haben erwogen, ihn reinigen zu lassen, aber das war zu teuer“, sagt SÖR-Spreche- rin Ulrike Goeken-Haidl. Die aufwendige Entsorgung des Splitts treibt nicht nur die Kosten in die Höhe, sondern geht auch zu- lasten der Ökobilanz des Streuguts im Vergleich zum Salz. „Die Ent- scheidung, ob man salzen oder splitten soll, ist nie leicht“, sagt Henschel. „Bei der Ökobilanz gibt es einfach keinen klaren Sieger, das haben alle Untersuchungen ge- zeigt.“ > CHRISTINA HORSTEN, DPA Während der Splitt den Winter über auf der Straße liegt, wird er verschmutzt hauptsächlich durch Salzreste, Schwermetalle und Schadstoffreste aus dem Ver- kehr. Splitt wird zum Recyclingstoff All das muss wieder herausge- waschen werden, bevor der Splitt erneut verwendet werden kann – allerdings im seltensten Fall wie- der als Straßensplitt. „Wenn er so lange draußen liegt, Fußgänger darauf rumlaufen und Autos da- rauf fahren, dann wird er rund und weist keine Scharfkantigkeit mehr auf, verliert also die Griffig- keit auf Eis“, erklärt Nina Lindin- ger vom Münchner Bauamt. Auf dem Bau kann der abge- schliffene Splitt aber noch ge- braucht werden, sagt Thomas Henschel vom Landesamt für Um- Vorjahr. Viele Städte und Kom- munen mussten auf Splitt zurück- greifen, nachdem das Salz ausge- gangen war. Die Anbieter von Winterstreu- gut profitieren. Er habe glatt dop- pelt so viel verkauft wie letztes Jahr, schätzt beispielsweise Claus Eggers, Chef eines Kies-Unterneh- mens in Hamburg. Auf die Städte und Kommunen kommen hinge- gen hohe Kosten zu. Denn wäh- rend das Salz durch schmelzen- den Schnee und Regen einfach in die Kanalisation gespült wird, muss Splitt ordnungsgemäß ent- sorgt werden. „Es handelt sich da- bei um Abfall, der behandelt wer- den muss“, sagt Thomas Hen- schel, Sprecher des Bayerischen Landesamtes für Umwelt, „da gibt es einen ganzen Haufen rechtli- cher Auflagen.“ Berlin beispiels- weise rechnet nach Angaben des Senats damit, diesen Winter rund 600 000 Euro für die Splitt-Ent- sorgung und Wiederaufbereitung auszugeben. Nürnberg. Aufgrund des strengen Winters mit außergewöhnlich viel Schnee in vielen Teilen des Lan- des ist in Deutschland deutlich mehr Splitt gestreut worden als im Der Schnee ist geschmolzen, zu- rück bleibt der Splitt. Mehrere zehntausend Tonnen des Streu- guts sind in diesem Winter auf Deutschlands Bürgersteigen, Fahrradwegen und Straßen ver- teilt worden – allein in München waren es nach Angaben des Bau- amts rund 22 000 Tonnen. Höchs- te Zeit für einen groß angelegten Frühjahrsputz in den Städten und Kommunen, sagt Uwe Gail, der für den Winterdienst in Kempten im Allgäu zuständig ist und Semi- nare zu dem Thema gibt. „Im Mo- ment sind wir allerdings in einem Wechselbad der Gefühle. Eigent- lich müssten wir dringend diesen Frühjahrsputz machen, anderer- seits müssen wir auch damit rech- nen, dass neuer Schnee kommt und dann müssen wir natürlich wieder streuen.“ Bis spätestens Ostern wollen die meisten Städte und Kommunen den Splitt wieder aufgekehrt ha- ben. „Mitte März hatten wir uns eigentlich als ehrgeiziges Ziel ge- Wintersplitt wird oft zu Baumaterial In Bayerns Städten steht der Frühjahrsputz an Weil diesen Winter das Streusalz ausging, stiegen viel Kommunen auf Splitt um. Dieser muss jetzt zusammengekehrt werden. FOTO SCHWEINFURTH setzt, aber ob wir das schaffen, wenn jetzt wieder neuer Schnee kommt, ist fraglich“, sagt Ulrike Goeken-Haidl vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR) in rung über Missstände dringend ge- boten ist. Denn die Welt der Adop- tionen ist eine Welt ohne echte Kontrolle. Das Büro der Haager Konventi- on, die die Regeln aufstellt, ermit- telt so wenig wie staatliche Behör- den. Staatliche Vermittlungsstel- len wüssten oft über Skandale in der Herkunftsländern kaum Be- scheid, sagt Dohle, der Skandale in Indien und Äthiopien untersucht hat. Diese Woche traf er die Leite- rin der Adoptionsstelle im Bayeri- schen Landesjugendamt, Claudia Flynn. Sie sprachen über die pro- blematische Praxis von Zwangsge- bühren in dem Heim Preet Mandir in Indien, aus dem die bayerische Stelle adoptierte. Eine Bewerberin musste 2006 mehr als 5000 Euro im Voraus bezahlen, noch bevor sie ein Kind vermittelt bekam oder ir- gendwelche Gebühren angefallen waren. Der Behörde war diese Praxis be- kannt, wie aus einem Schreiben von 2006 hervorgeht, und sie un- terstützte die Adoption dennoch – ein Verstoß gegen die Haager Kon- vention. Reinhardt schrieb damals, der Leiter des Heims habe ihn aus Indien angerufen und darauf be- standen, dass die Bewerber nicht weiter zu den Zahlungen befragt werden. Er fragte Reinhardt: „Do you want a child or do you want a problem?“ Das Amt entschied sich, das Kind zu vermitteln. > THOMAS SCHULER Unter dem Deckmantel der Ein- führung einer so genannten Euro- päischen Adoption ging es um die erneute Öffnung des rumänischen Adoptionsmarktes, sagt Roelie Post. Dass Rumänien sich nicht für die Welt öffnen will, ist für die Adoptionslobby kein Problem. Jede Adoption innerhalb Europas soll künftig europäisch sein. Regis- triert und überwacht von einer eu- ropäischen Adoptionsbehörde. Das würde die Abschaffung der na- tionalen Adoption bedeuten. Stu- dien sollen belegen, dass sich die Bürger in Europa eine solche eu- ropäische Regelung wünschten. Das deutsche Justizministerium lehnt eine europäische Regelung ab. Sofern es bei diesem Nein bleibt, ist die Europäische Adopti- on erledigt, denn eine Änderung kann nur einstimmig durchgesetzt werden. Roelie Post bezieht ihr Ge- halt weiter aus Brüssel und darf mit Erlaubnis der EU ganz offiziell in ihrer Organisation gegen Kinder- handel („Against Child Traffi- cking“) arbeiten. Eine merkwürdi- ge Situation, denn immerhin be- kämpft ihre Organisation die Poli- tik der EU. In ihrer Arbeit wird sie von Arun Dohle, 36, aus Aachen unterstützt. Beide verbindet das Ziel, Aus- landsadoptionen abzuschaffen – zu oft gebe es keine Grenze zum Kinderhandel. Selbst wer ihre Po- sition für eine Abschaffung nicht teilt, muß zugestehen, dass Aufklä- te nach Europa, auch nach Deutschland. Kaum hatte Rumänien 2001 ein Moratorium für Auslandsadoptio- nen durchgesetzt, setzten die USA zahlreiche Ausnahmen durch. An- geblich ging es dabei nur um Fälle, deren Verfahren vor dem Stopp be- gonnen wurde. Doch die meisten wurden erst danach in die Wege ge- leitet, wie aus einem Schreiben der rumänischen Adoptionsbehörde hervorgeht. Die Niederländerin wurde wegen ihrer kritischen Hal- tung aus ihrem Job gedrängt. Sie schrieb das Buch „Romania - For Export Only“ und verlegte es 2007 selbst. „Do you want a child or do you want a problem?“ Gegenüber dem WDR bestätigte ihr ehemaliger Chef Günter Ver- heugen 2009 ihre Vorwürfe: „Es gibt eine sehr gut organisierte Lobby, die unter dem Deckmantel von Adoptionen in Wahrheit eine Art von Kinderhandel betreibt“, sagte der ehemalige EU-Kommis- sar. Selbst innerhalb der EU in Brüssel gibt es eine Adoptionslob- by. Im Dezember 2009 haben Eu- ropäische Kommission und Euro- parat rund 150 Experten und Re- gierungsvertreter zu einer zweitä- gigen Konferenz nach Staßburg eingeladen. amt in Ingolstadt wissen, dass eine Mutter existierte und diese nie eine Freigabeerklärung für die Adopti- on unterschrieben hatte. Es gab weitere ähnliche Fälle – wie viele, das blieb jedoch letzt- lich ungeklärt. Wacker schrieb 2003: „Wir fordern die betroffenen Adoptionsstellen auf, alle erhalte- nen Pro Infante-Akten daraufhin zu überprüfen, ob die beigebrach- ten indischen Dokumente mit al- len anderen Informationen zur Vorgeschichte der vermittelten Kinder übereinstimmen.“ Es gab jedoch nie eine große Untersu- chung von unabhängiger Seite. Wo aber Widersprüche – im Ein- zelfall, aber auch im System – nicht aufgeklärt werden, gedeiht Kinderhandel. „Das Bild des Kin- derhändlers ist eines vom bösen Mann, der Kinder in den Sack steckt und verkauft,“ sagt Marlene Rupprecht, SPD-Bundestagsabge- ordnete aus Fürth, „das ist zu ein- fach“. Oft bedenken Paare nicht, dass 10 000 Euro Gebühren – und selbst ein Teil davon – für Vermitt- ler in Afrika oder Asien ein Ver- mögen sind. „Junge Paare glau- ben, sie haben das Recht auf ein Kind. Dem ist nicht so. Kinder ha- ben ein Recht auf Eltern, und zwar auf ihre eigenen.“ Die Abgeordnete kümmert sich seit Jahren um die Themen Kinder- rechte und Auslandsadoption. Sie fasst ihre Erfahrungen mit den Worten zusammen: „Sie können leichter ein Kind nach Deutsch- land bringen als Kaffee einführen. Für jeden Hund brauchen Sie Pa- piere. Bei Kindern anerkennt man einfach eine im Ausland durchge- führte Adoption.“ Weil im Inland auf ein Kind, das zur Adoption freigegeben wird, zehn Bewerber kommen, adoptie- ren Paare im Ausland. Rund die Hälfte bis zwei Drittel der Aus- landsadoptionen sind nach Rupp- rechts Schätzung so genannte un- begleitete Adoptionen – Privat- adoptionen, die ohne Beteiligung und Prüfung der Jugendämter er- folgen. Zollbeamte lassen diese Kinder einreisen und Richter prüfen die Rechtmäßigkeit erst im Nachhi- nein. Aber wie sollen sie urteilen? Die Kinder zurückschicken? Selbst bei Widersprüchen ent- scheiden Richter meist für den Ver- bleib der Kinder – weil das zum Zeitpunkt des Urteils im Interesse des Kindes sei. „Ein Richter, der eine Adoption rückgängig macht, würde gevierteilt“, sagt Rupprecht – „das riskiert kein Richter.“ Jörg Reinhardt, bis 2008 Leiter des Bayerischen Landesjugendam- tes, forderte ein Verbot von Privat- adoptionen. Es gebe dafür leider keine politische Lobby, sagt Mar- lene Rupprecht. Das Bundesfami- lienministerium war dafür, das Jus- A nisha ist 19 Jahre und stammt aus Hyderabad in Indien. Als Baby wurde sie von einem Paar aus München adoptiert. In der Pu- bertät begann sie zu zweifeln, ob ihre leibliche Mutter sie damals freiwillig abgegeben hat. Heim- lich, ohne das Wissen ihrer Adop- tiveltern, spürte sie mit Hilfe einer Menschenrechtlerin ihre Mutter auf. An Weihnachten 2009 machte Anisha sich selbst auf den Weg nach Indien, um ihre Mutter zum ersten Mal zu treffen. Neben einer Freundin begleitete sie die Journa- listin Golineh Atai und drehte ei- nen Film, der vergangene Woche im WDR ausgestrahlt wurde. In Hyderabad erzählte Anishas Mut- ter Fatima, dass das Baby ihr da- mals weg genommen wurde, weil sie das Geld für die Entbindung nicht zahlen konnte. Eine Adoption in Aichach musste aufgelöst werden Der Film zeigt, wie die Mutter das Krankenhaus und Kinderheim besucht und der Heimleiterin Schwester Theresa vorwirft, dass sie ihre Tochter verkauft habe. Das dementiert Schwester There- sa. Allerdings wurde sie wegen Fälschung von Adoptionspapie- ren bereits zu sechs Monaten Haft verurteilt. Die Berufung des Ver- fahrens läuft. Mit einer Sonderge- nehmigung vermittelt sie weiter Kinder ins Ausland, auch nach Deutschland. Sie verweist im WDR-Film auf die vielen Kinder, die ihr dankbar seien für die Ver- mittlung ihrer Adoption. Anishas Verhalten nennt sie „idiotisch“. Anisha wiederum fragt, warum ihre Adoptiveltern sich von den Heimschwestern vorschreiben lie- ßen, keine Fragen zu stellen und sich von der Mutter fernhielten. Adoptionsexperte Bernd Wa- cker ging vor Jahren im Auftrag von Terre des Hommes problema- tischen Fällen in Ingolstadt, Aich- ach und anderen Orten nach und fand viele Ungereimtheiten. Mehr als 1500 Adoptionen hatte der Verein Pro Infante damals vor al- lem aus Indien nach Deutschland vermittelt. Es wurden Fälschun- gen und Ungereimtheiten nachge- wiesen; es bestand der Verdacht auf Kinderhandel, und eine Adop- tion in Aichach mußte sogar auf- gelöst werden, weil die Adoptivel- tern eines angeblichen Waisenkin- des in Indien die leibliche Mutter aufspürten. Laxmi Schneider galt offiziell als Waisenkind. In Wirklichkeit – so Bernd Wacker nach Durchsicht der Dokumente – mussten die Missi- onsschwestern in Indien, Pro In- fante und das zuständige Jugend- Nicht immer läuft bei Auslandsadoptionen alles rechtlich einwandfrei ab – das belegen auch Schicksale von in Bayern aufgewachsenen Kindern Fragen nicht erwünscht Die Zustände in vielen Kinderheimen in Schwellen- und Entwicklungsländern sind erbärmlich. Ob Adoptionen ins Ausland der richtige Lösungsweg sind, ist jedoch äußerst umstritten. FOTO DDP tizministerium dagegen. Der Kon- flikt ist ungelöst. Eigentlich soll das Vertragswerk der Haager Konvention rechtsver- bindliche Regeln schaffen. Aber Skandale in Indien und Rumänien seien eine Bankrotterklärung für die Wirksamkeit dieser Konventi- on, sagt Roelie Post, 50. Denn beide Staaten sind der Konvention bei- getreten. Roelie Post war zwanzig Jahre lang Beamtin in der Europäi- schen Union und von 1999 bis 2005 zuständig für die EU-Erweiterung und Auslandsadoptionen aus Ru- mänien. Nach dem Ende des Kommunis- mus wurden aus Rumänien inner- halb von zehn Jahren mehr als 30 000 Kinder ins Ausland vermit- telt. Die meisten von ihnen waren keine Waisen. Adoptionsbewerber aus Rumänien hatten keine Chan- ce. Sie konnten sich das nicht leis- ten. Etwa 30 000 Dollar an Gebüh- ren zahlten Amerikaner für ein Kind. Das macht bei 30 000 Kin- dern einen Umsatz von 900 Millio- nen Dollar. Eine Zahl, die die ehe- malige Leiterin der rumänischen Adoptionsbehörde, Theodora Bertzi, im Jahr 2006 für „nicht über- trieben“ hielt. Diese Unsumme schuf in Rumä- nien ein unkontrolliertes, mafiöses System aus Vermittlungsagentu- ren, die am Profit und nicht am Wohl der Kinder interessiert wa- ren. Etwa die Hälfte dieser Kinder kamen in die USA, die andere Hälf-

Bayerische Staatszeitung - Fragen nicht erwünscht - 5 March 2010

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adoption, kinderhandel

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BAYERISCHE STAATSZEITUNG NR. 9 LEBEN IN BAYERN FREITAG, 5. MÄRZ 2010 3

welt. „Zum Beispiel kann er alsRecyclingstoff im Straßenbau be-nutzt werden, dafür muss er aberwirklich ganz sauber sein. An-sonsten wird er – je nach Zustand– beispielsweise im Kanalbau oderbeim Bau von Lärmschutzwällenverwendet.“

Während Erlangen, Münchenund Kempten den Splitt von ver-schiedenen Firmen wiederaufbe-reiten lassen, bringen die Nürn-berger Straßenreiniger ihn auf dieMüllkippe. „Wir haben erwogen,ihn reinigen zu lassen, aber daswar zu teuer“, sagt SÖR-Spreche-rin Ulrike Goeken-Haidl.

Die aufwendige Entsorgung desSplitts treibt nicht nur die Kostenin die Höhe, sondern geht auch zu-lasten der Ökobilanz des Streugutsim Vergleich zum Salz. „Die Ent-scheidung, ob man salzen odersplitten soll, ist nie leicht“, sagtHenschel. „Bei der Ökobilanz gibtes einfach keinen klaren Sieger, dashaben alle Untersuchungen ge-zeigt.“ > CHRISTINA HORSTEN, DPA

Während der Splitt den Winterüber auf der Straße liegt, wird erverschmutzt – hauptsächlichdurch Salzreste, Schwermetalleund Schadstoffreste aus dem Ver-kehr.

Splitt wird

zum Recyclingstoff

All das muss wieder herausge-waschen werden, bevor der Splitterneut verwendet werden kann –allerdings im seltensten Fall wie-der als Straßensplitt. „Wenn er solange draußen liegt, Fußgängerdarauf rumlaufen und Autos da-rauf fahren, dann wird er rundund weist keine Scharfkantigkeitmehr auf, verliert also die Griffig-keit auf Eis“, erklärt Nina Lindin-ger vom Münchner Bauamt.

Auf dem Bau kann der abge-schliffene Splitt aber noch ge-braucht werden, sagt ThomasHenschel vom Landesamt für Um-

Vorjahr. Viele Städte und Kom-munen mussten auf Splitt zurück-greifen, nachdem das Salz ausge-gangen war.

Die Anbieter von Winterstreu-gut profitieren. Er habe glatt dop-pelt so viel verkauft wie letztesJahr, schätzt beispielsweise ClausEggers, Chef eines Kies-Unterneh-mens in Hamburg. Auf die Städteund Kommunen kommen hinge-gen hohe Kosten zu. Denn wäh-rend das Salz durch schmelzen-den Schnee und Regen einfach indie Kanalisation gespült wird,muss Splitt ordnungsgemäß ent-sorgt werden. „Es handelt sich da-bei um Abfall, der behandelt wer-den muss“, sagt Thomas Hen-schel, Sprecher des BayerischenLandesamtes für Umwelt, „da gibtes einen ganzen Haufen rechtli-cher Auflagen.“ Berlin beispiels-weise rechnet nach Angaben desSenats damit, diesen Winter rund600 000 Euro für die Splitt-Ent-sorgung und Wiederaufbereitungauszugeben.

Nürnberg. Aufgrund des strengenWinters mit außergewöhnlich vielSchnee in vielen Teilen des Lan-des ist in Deutschland deutlichmehr Splitt gestreut worden als im

Der Schnee ist geschmolzen, zu-rück bleibt der Splitt. Mehrerezehntausend Tonnen des Streu-guts sind in diesem Winter aufDeutschlands Bürgersteigen,Fahrradwegen und Straßen ver-teilt worden – allein in Münchenwaren es nach Angaben des Bau-amts rund 22 000 Tonnen. Höchs-te Zeit für einen groß angelegtenFrühjahrsputz in den Städten undKommunen, sagt Uwe Gail, derfür den Winterdienst in Kemptenim Allgäu zuständig ist und Semi-nare zu dem Thema gibt. „Im Mo-ment sind wir allerdings in einemWechselbad der Gefühle. Eigent-lich müssten wir dringend diesenFrühjahrsputz machen, anderer-seits müssen wir auch damit rech-nen, dass neuer Schnee kommtund dann müssen wir natürlichwieder streuen.“

Bis spätestens Ostern wollen diemeisten Städte und Kommunenden Splitt wieder aufgekehrt ha-ben. „Mitte März hatten wir unseigentlich als ehrgeiziges Ziel ge-

Wintersplitt wird oft zu Baumaterial

In Bayerns Städten steht der Frühjahrsputz an

Weil diesen Winter das Streusalz ausging, stiegen viel Kommunen auf Splittum. Dieser muss jetzt zusammengekehrt werden. FOTO SCHWEINFURTH

setzt, aber ob wir das schaffen,wenn jetzt wieder neuer Schneekommt, ist fraglich“, sagt UlrikeGoeken-Haidl vom ServicebetriebÖffentlicher Raum (SÖR) in

rung über Missstände dringend ge-boten ist. Denn die Welt der Adop-tionen ist eine Welt ohne echteKontrolle.

Das Büro der Haager Konventi-on, die die Regeln aufstellt, ermit-telt so wenig wie staatliche Behör-den. Staatliche Vermittlungsstel-len wüssten oft über Skandale inder Herkunftsländern kaum Be-scheid, sagt Dohle, der Skandale inIndien und Äthiopien untersuchthat. Diese Woche traf er die Leite-rin der Adoptionsstelle im Bayeri-schen Landesjugendamt, ClaudiaFlynn. Sie sprachen über die pro-blematische Praxis von Zwangsge-bühren in dem Heim Preet Mandirin Indien, aus dem die bayerischeStelle adoptierte. Eine Bewerberinmusste 2006 mehr als 5000 Euro imVoraus bezahlen, noch bevor sieein Kind vermittelt bekam oder ir-gendwelche Gebühren angefallenwaren.

Der Behörde war diese Praxis be-kannt, wie aus einem Schreibenvon 2006 hervorgeht, und sie un-terstützte die Adoption dennoch –ein Verstoß gegen die Haager Kon-vention. Reinhardt schrieb damals,der Leiter des Heims habe ihn ausIndien angerufen und darauf be-standen, dass die Bewerber nichtweiter zu den Zahlungen befragtwerden. Er fragte Reinhardt: „Doyou want a child or do you want aproblem?“ Das Amt entschiedsich, das Kind zu vermitteln.> THOMAS SCHULER

Unter dem Deckmantel der Ein-führung einer so genannten Euro-päischen Adoption ging es um dieerneute Öffnung des rumänischenAdoptionsmarktes, sagt RoeliePost. Dass Rumänien sich nicht fürdie Welt öffnen will, ist für dieAdoptionslobby kein Problem.Jede Adoption innerhalb Europassoll künftig europäisch sein. Regis-triert und überwacht von einer eu-ropäischen Adoptionsbehörde.Das würde die Abschaffung der na-tionalen Adoption bedeuten. Stu-dien sollen belegen, dass sich dieBürger in Europa eine solche eu-ropäische Regelung wünschten.

Das deutsche Justizministeriumlehnt eine europäische Regelungab. Sofern es bei diesem Neinbleibt, ist die Europäische Adopti-on erledigt, denn eine Änderungkann nur einstimmig durchgesetztwerden. Roelie Post bezieht ihr Ge-halt weiter aus Brüssel und darf mitErlaubnis der EU ganz offiziell inihrer Organisation gegen Kinder-handel („Against Child Traffi-cking“) arbeiten. Eine merkwürdi-ge Situation, denn immerhin be-kämpft ihre Organisation die Poli-tik der EU.

In ihrer Arbeit wird sie von ArunDohle, 36, aus Aachen unterstützt.Beide verbindet das Ziel, Aus-landsadoptionen abzuschaffen –zu oft gebe es keine Grenze zumKinderhandel. Selbst wer ihre Po-sition für eine Abschaffung nichtteilt, muß zugestehen, dass Aufklä-

te nach Europa, auch nachDeutschland.

Kaum hatte Rumänien 2001 einMoratorium für Auslandsadoptio-nen durchgesetzt, setzten die USAzahlreiche Ausnahmen durch. An-geblich ging es dabei nur um Fälle,deren Verfahren vor dem Stopp be-gonnen wurde. Doch die meistenwurden erst danach in die Wege ge-leitet, wie aus einem Schreiben derrumänischen Adoptionsbehördehervorgeht. Die Niederländerinwurde wegen ihrer kritischen Hal-tung aus ihrem Job gedrängt. Sieschrieb das Buch „Romania - ForExport Only“ und verlegte es 2007selbst.

„Do you want a child or do

you want a problem?“

Gegenüber dem WDR bestätigteihr ehemaliger Chef Günter Ver-heugen 2009 ihre Vorwürfe: „Esgibt eine sehr gut organisierteLobby, die unter dem Deckmantelvon Adoptionen in Wahrheit eineArt von Kinderhandel betreibt“,sagte der ehemalige EU-Kommis-sar. Selbst innerhalb der EU inBrüssel gibt es eine Adoptionslob-by. Im Dezember 2009 haben Eu-ropäische Kommission und Euro-parat rund 150 Experten und Re-gierungsvertreter zu einer zweitä-gigen Konferenz nach Staßburgeingeladen.

amt in Ingolstadt wissen, dass eineMutter existierte und diese nie eineFreigabeerklärung für die Adopti-on unterschrieben hatte.

Es gab weitere ähnliche Fälle –wie viele, das blieb jedoch letzt-lich ungeklärt. Wacker schrieb2003: „Wir fordern die betroffenenAdoptionsstellen auf, alle erhalte-nen Pro Infante-Akten daraufhinzu überprüfen, ob die beigebrach-ten indischen Dokumente mit al-len anderen Informationen zurVorgeschichte der vermitteltenKinder übereinstimmen.“ Es gabjedoch nie eine große Untersu-chung von unabhängiger Seite.

Wo aber Widersprüche – im Ein-zelfall, aber auch im System –nicht aufgeklärt werden, gedeihtKinderhandel. „Das Bild des Kin-derhändlers ist eines vom bösenMann, der Kinder in den Sacksteckt und verkauft,“ sagt MarleneRupprecht, SPD-Bundestagsabge-ordnete aus Fürth, „das ist zu ein-fach“. Oft bedenken Paare nicht,dass 10 000 Euro Gebühren – undselbst ein Teil davon – für Vermitt-ler in Afrika oder Asien ein Ver-mögen sind. „Junge Paare glau-ben, sie haben das Recht auf einKind. Dem ist nicht so. Kinder ha-ben ein Recht auf Eltern, undzwar auf ihre eigenen.“

Die Abgeordnete kümmert sichseit Jahren um die Themen Kinder-rechte und Auslandsadoption. Siefasst ihre Erfahrungen mit denWorten zusammen: „Sie könnenleichter ein Kind nach Deutsch-land bringen als Kaffee einführen.Für jeden Hund brauchen Sie Pa-piere. Bei Kindern anerkennt maneinfach eine im Ausland durchge-führte Adoption.“

Weil im Inland auf ein Kind, daszur Adoption freigegeben wird,zehn Bewerber kommen, adoptie-ren Paare im Ausland. Rund dieHälfte bis zwei Drittel der Aus-landsadoptionen sind nach Rupp-rechts Schätzung so genannte un-begleitete Adoptionen – Privat-adoptionen, die ohne Beteiligungund Prüfung der Jugendämter er-folgen.

Zollbeamte lassen diese Kindereinreisen und Richter prüfen dieRechtmäßigkeit erst im Nachhi-nein. Aber wie sollen sie urteilen?Die Kinder zurückschicken?Selbst bei Widersprüchen ent-scheiden Richter meist für den Ver-bleib der Kinder – weil das zumZeitpunkt des Urteils im Interessedes Kindes sei. „Ein Richter, dereine Adoption rückgängig macht,würde gevierteilt“, sagt Rupprecht– „das riskiert kein Richter.“

Jörg Reinhardt, bis 2008 Leiterdes Bayerischen Landesjugendam-tes, forderte ein Verbot von Privat-adoptionen. Es gebe dafür leiderkeine politische Lobby, sagt Mar-lene Rupprecht. Das Bundesfami-lienministerium war dafür, das Jus-

Anisha ist 19 Jahre und stammtaus Hyderabad in Indien. Als

Baby wurde sie von einem Paaraus München adoptiert. In der Pu-bertät begann sie zu zweifeln, obihre leibliche Mutter sie damalsfreiwillig abgegeben hat. Heim-lich, ohne das Wissen ihrer Adop-tiveltern, spürte sie mit Hilfe einerMenschenrechtlerin ihre Mutterauf.

An Weihnachten 2009 machteAnisha sich selbst auf den Wegnach Indien, um ihre Mutter zumersten Mal zu treffen. Neben einerFreundin begleitete sie die Journa-listin Golineh Atai und drehte ei-nen Film, der vergangene Wocheim WDR ausgestrahlt wurde. InHyderabad erzählte Anishas Mut-ter Fatima, dass das Baby ihr da-mals weg genommen wurde, weilsie das Geld für die Entbindungnicht zahlen konnte.

Eine Adoption in Aichach

musste aufgelöst werden

Der Film zeigt, wie die Mutterdas Krankenhaus und Kinderheimbesucht und der HeimleiterinSchwester Theresa vorwirft, dasssie ihre Tochter verkauft habe.Das dementiert Schwester There-sa. Allerdings wurde sie wegenFälschung von Adoptionspapie-ren bereits zu sechs Monaten Haftverurteilt. Die Berufung des Ver-fahrens läuft. Mit einer Sonderge-nehmigung vermittelt sie weiterKinder ins Ausland, auch nachDeutschland. Sie verweist imWDR-Film auf die vielen Kinder,die ihr dankbar seien für die Ver-mittlung ihrer Adoption. AnishasVerhalten nennt sie „idiotisch“.

Anisha wiederum fragt, warumihre Adoptiveltern sich von denHeimschwestern vorschreiben lie-ßen, keine Fragen zu stellen undsich von der Mutter fernhielten.

Adoptionsexperte Bernd Wa-cker ging vor Jahren im Auftragvon Terre des Hommes problema-tischen Fällen in Ingolstadt, Aich-ach und anderen Orten nach undfand viele Ungereimtheiten. Mehrals 1500 Adoptionen hatte derVerein Pro Infante damals vor al-lem aus Indien nach Deutschlandvermittelt. Es wurden Fälschun-gen und Ungereimtheiten nachge-wiesen; es bestand der Verdachtauf Kinderhandel, und eine Adop-tion in Aichach mußte sogar auf-gelöst werden, weil die Adoptivel-tern eines angeblichen Waisenkin-des in Indien die leibliche Mutteraufspürten.

Laxmi Schneider galt offiziell alsWaisenkind. In Wirklichkeit – soBernd Wacker nach Durchsicht derDokumente – mussten die Missi-onsschwestern in Indien, Pro In-fante und das zuständige Jugend-

Nicht immer läuft bei Auslandsadoptionen alles rechtlich einwandfrei ab – das belegen auch Schicksale von in Bayern aufgewachsenen Kindern

Fragen nicht erwünscht

Die Zustände in vielen Kinderheimen in Schwellen- und Entwicklungsländern sind erbärmlich. Ob Adoptionen ins Ausland der richtige Lösungsweg sind, istjedoch äußerst umstritten. FOTO DDP

tizministerium dagegen. Der Kon-flikt ist ungelöst.

Eigentlich soll das Vertragswerkder Haager Konvention rechtsver-bindliche Regeln schaffen. AberSkandale in Indien und Rumänienseien eine Bankrotterklärung fürdie Wirksamkeit dieser Konventi-on, sagt Roelie Post, 50. Denn beideStaaten sind der Konvention bei-getreten. Roelie Post war zwanzigJahre lang Beamtin in der Europäi-schen Union und von 1999 bis 2005zuständig für die EU-Erweiterungund Auslandsadoptionen aus Ru-mänien.

Nach dem Ende des Kommunis-mus wurden aus Rumänien inner-halb von zehn Jahren mehr als30 000 Kinder ins Ausland vermit-telt. Die meisten von ihnen warenkeine Waisen. Adoptionsbewerberaus Rumänien hatten keine Chan-ce. Sie konnten sich das nicht leis-ten. Etwa 30 000 Dollar an Gebüh-ren zahlten Amerikaner für einKind. Das macht bei 30 000 Kin-dern einen Umsatz von 900 Millio-nen Dollar. Eine Zahl, die die ehe-malige Leiterin der rumänischenAdoptionsbehörde, TheodoraBertzi, im Jahr 2006 für „nicht über-trieben“ hielt.

Diese Unsumme schuf in Rumä-nien ein unkontrolliertes, mafiösesSystem aus Vermittlungsagentu-ren, die am Profit und nicht amWohl der Kinder interessiert wa-ren. Etwa die Hälfte dieser Kinderkamen in die USA, die andere Hälf-