7
Zehnte Friihjahrstagung der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft in Mainz vom 16.--19. M/~rz 1969 Begriil~ungsanspraehe des Vorsitzenden F. LW, MBECK Zum 10. Mal trifft sich die Deutsche Pharmakologisehe Gesellsehaft in Mainz. Als bcider 25. Jahres~agung unserer Gesellsehaft Feierliehkeiten und Hauptreferate die Einzelvortr/~ge fiberschatf~ten, fai~te unser ,zorniger junger Kollege" Herr Kuscm2csK¥ den EntschluI~, zu ehler einfachen Arbeitstagtmg nach Mainz einzuladen. Von tier ersten Friih- jahrstagung an, war diesen Tagungen im gastlichen Mainz ein roller Erfolg beschieden. Hier wurde freimiitig vorgetragen mid eifrig geredet -- in dieser uns schon sehr vertrauten Aula -- im ,,Haus des Deutsehen Weines" und im ,,Rebstock". Einen aufrichtigcn Dank unserem ver- chrten Gastgeber und seinen Mitarbeitern ! Im Namen des Vorstandes der Dcutschen Pharmakologischen Gesell- schaft begriiSe ich Sic alle hcrzlich, ob Sic als Gast oder als Mitglied gekommen sind, ob Sic bier neue Ergebnisse hSren oder vortragen wollen. Ich freue reich sehr, d~B die Vizepr/isiden~in der International Union of Pharmacology, Frau Prof. Dr. It. RA§KOYX, als First Lady in Inter- national Pharmacology anwescnd ist. Unser Ehrenmitglicd, Iterrn F~LI)- ~m~o, mSchte ich ganz besonders begrfiBcn: Wir mSchten ihn heute durch eine Ehrung erfreuen. Er aber wird maser Wissen durch einen Vor- trag bereichern. In diesem Jahr finder keine Herbsttagung start. Daher komme ich heu~e meiner Pfiieht als Vorsitzender hath, Worte des Besinnens und Dber- tegens an Sic zu riehten. Dem alten und schSnen Braueh folgend, lassen Sic mich zuers$ tier Mitglieder gedenken, die yon uns gegangen sind: Am 26. Januar 1969 entri$ tier Tod Herrn Dr. reed. Dr. rer. nat. E. K~$- Gw~-Tm~ im 51. Lebensjahr vSllig unerwartet aus einem Leben volI effolgreicher Schaffenskraft. Als Abteflungsleitcr im Forschungsinstitut Borstel gehSrte er zu den fiihrenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der i4 I~aunyn-Schmiedebergs Arch. Pharmak., Bd. 264 (Tagungsbericht)

Begrüßungsansprache des Vorsitzenden

Embed Size (px)

Citation preview

Zehnte Friihjahrstagung der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft in Mainz vom 16.--19. M/~rz 1969

Begri i l~ungsanspraehe des Vors i t zenden

F . LW, MBECK

Zum 10. Mal trifft sich die Deutsche Pharmakologisehe Gesellsehaft in Mainz. Als bcider 25. Jahres~agung unserer Gesellsehaft Feierliehkeiten und Hauptreferate die Einzelvortr/~ge fiberschatf~ten, fai~te unser ,zorniger junger Kollege" Herr Kuscm2csK¥ den EntschluI~, zu ehler einfachen Arbeitstagtmg nach Mainz einzuladen. Von tier ersten Friih- jahrstagung an, war diesen Tagungen im gastlichen Mainz ein roller Erfolg beschieden. Hier wurde freimiitig vorgetragen mid eifrig geredet - - in dieser uns schon sehr vertrauten Aula -- im ,,Haus des Deutsehen Weines" und im ,,Rebstock". Einen aufrichtigcn Dank unserem ver- chrten Gastgeber und seinen Mitarbeitern ! Im Namen des Vorstandes der Dcutschen Pharmakologischen Gesell- schaft begriiSe ich Sic alle hcrzlich, ob Sic als Gast oder als Mitglied gekommen sind, ob Sic bier neue Ergebnisse hSren oder vortragen wollen. Ich freue reich sehr, d~B die Vizepr/isiden~in der International Union of Pharmacology, Frau Prof. Dr. It. RA§KOYX, als First Lady in Inter- national Pharmacology anwescnd ist. Unser Ehrenmitglicd, Iterrn F~LI)- ~m~o, mSchte ich ganz besonders begrfiBcn: Wir mSchten ihn heute durch eine Ehrung erfreuen. Er aber wird maser Wissen durch einen Vor- trag bereichern. In diesem Jahr finder keine Herbsttagung start. Daher komme ich heu~e meiner Pfiieht als Vorsitzender hath, Worte des Besinnens und Dber- tegens an Sic zu riehten. Dem alten und schSnen Braueh folgend, lassen Sic mich zuers$ tier Mitglieder gedenken, die yon uns gegangen sind: Am 26. Januar 1969 entri$ tier Tod Herrn Dr. reed. Dr. rer. nat. E. K~$- G w ~ - T m ~ im 51. Lebensjahr vSllig unerwartet aus einem Leben volI effolgreicher Schaffenskraft. Als Abteflungsleitcr im Forschungsinstitut Borstel gehSrte er zu den fiihrenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der

i4 I~aunyn-Schmiedebergs Arch. Pharmak . , Bd. 264 (Tagungsbericht)

188 BegriiBungsansprache

Pharmakokinetik. Kerr KRi)G]~-THI~]~]R war im Krieg und in anschlie- Bender langer Gefangensehaft als Arzt t/~tig. Mit ungebrochener Kraft studierte er nach seiner Riiekkehr zun/~chst Mikrobiologie, Mathematik und Chemic. Dadureh erSffneten sich fiir ihn die Grundlagen fiir sein eigentliehes Arbeitsgebiet. Raseh wurden seine pharmakokinetisehen Arbeiten bekannt, fiihrten zu Gastprofessuren in Wisconsin nnd Boston, veranlaBten seine Auszeiehnung durch den Fritz-Merek-Preis. Ziel- geriehtetes Schaffen, gepr~gt yon einer vornehmen und bescheidenen Per- sSnlichkeit mit umfassender Bildung, zeichnen das Bild dieses unvergeB- lichen Kollegen. Am 7. Januar 1969 verstarb im 54. Lebensjahr Herr Dr. reed. J. VIEr- ~c~s, gesch£ftsfiihrender Gesellsehafter der Krewel-Werke. Wit verlieren in ihm einen Kollegen, der an der Entwieklung der pharmazeutischen Industrie maBgebenden Antefl hatte. Vielseitige praktische Erfahrungen und F/~higkeiten zeiehneten seine PersSnliehkeit aus. Am 1. Jannar 1969 verstarb in Belgrad Kerr Prof. Dr. I. DII~IITRIJ]]VI5 im 73. Lebensjahr. Er studierte in Genf un4 arbeitete anschlieBend in Betgrad an dem yon Prof. HonsTw neugegrfilldeten Pharmakologisehen Institnt, welches er selbst skit 1951 leitete. Ein beseelter Forseher und Lehrer, sehon sehr frfih ffir Probleme der klinisehen Pharmakologie auf- geschlossen, Herausgeber eines bekannten und gesch/~tzten Lehrbuehes, Lehrer unserer serbischen Ko]legen BOGDAZCOVr6, M~O~EW~, VAgAGI6 und 1V[EDAKOVIS. Wit betrauern gemeinsam mit unseren jugoslawisehen Kollegen seinen Ted. In ganz besonderem MaBe ersch/itterte uns das Ableben yon Herrn Prof. Dr. reed. Dr. rer. nat. W~Nv~ KoLn am 9. November 1968. Mitten ans einem yon geradezu frShlieher Arbeitsweise und bereitwilliger Ver- antwortung geprggten Leben wurde er im 67. Lebensjahr abberufen. In Kiel geboren, wo or seine Jugend and Studienzeit verbraeht hatte, erSffnete er als Vorsitzender der Gesellschaft vet 2 Jahren u_nsere Jahres- tagung in dieser Stadt. Seine umfassende Ausbildung, die sowohl der Medizin ats aueh der Chemic gewidmet war, die ihn mit D~rs, H6B~R, v. MSLL~DOgr, E P~G~g , P~GL und SCHITT~H~L~ zusammenbrachte, f~hrte ihn nach Frankfurt, Freiburg, Graz, Berlin und wieder nach Kiel, bis er 1940 auf den Lehrstuhl fiir Pharmakologie an der Medizi- nischen Akademie in Danzig berufen wurde. Seit 1947 leitete er die Medi- zinische Forsehungsanstalt in GSttingen, das jetzige Max-Planek-Institut fiir Experimentelle Medizin. Wesentlich war er an tier Entwicklung dieser groBartigen Forsehungseinriehtung beteiligt. Seine hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Neuropharmakologie wnrden yon Herrn LENDn~ and Iterrn V o ~ in Zeitsehriften gew/irdigt, so dab ich Sic darauf verweisen mSehte. Itier m6chte ich nur die viel- gestaltigen Leistungen W ~ g ~ g Kor~s nennen, die er ira seh~derigen

Begrtil]ungsansprache 189

Gebiet zwisehen unserem Fache und der 0ffentliehkeit vollbraehte: Mit- begrtinder und Vorsitzender der Europ/~isehen Gesellsehaft fiir Arznei- mitteltoxikologie, Initiator mehrerer Symposien in GSt$1ngen, bereit, jederzeit zwisehen Faeh und BehSrden, zwisehen Wissensehaft, Xrzte- kammer und Industrie zu vermitteln, fibernahm er gerade die Aufgaben, die anderen zu miihsam und undankbar erschienen. Er wugte sein Wissen mit seinem VerantwortungsbewuBSsein, seine Einflul]mSgliehkeit mit seinem PfliehtbewuBtsein zu verbinden. Im Widerstreit der 1Vieinungen land oft nut er eine LSsung, denn seine Selbstlosigkeit, 0bjektivit/~t und Toleranz standen anger jedem Zweffel. Wir haben in ibm einen wahrhaft guten Kameraden verloren, der zu geben versta, nd, ohne fordern zu mii~ssen. Ftir ihn mSge das Wort des Physiologen AnB~ECHT BETHE gesagt sein: ,F/~nde man nieht Befriedigung in dem Suehen nach Er- kenntnis, man wiirde die H/~nde in den Seho$ legen und sagen: Es ist zu schwer fiir uns Menschen." Wir befinden uns in einer Zeit, in weleher Interessen der Universit/~t zentrifugale Riehtung haben und von Divergenzen, Sehlagworten und Gruppeninteressen gepr/~gt sind. Wenn man yon dieser hoehschul- politisehen Zeiterseheinung absieht, ist es in der Medizin anders. I-Iier steht im Vordergrund der Trend zur Integration z~Jsehen den einzelnen Fgehern. Man hat den Eindruek, dab dieser Trend dutch die den l~'ieder- gang einer in vielen Belangen/iberholten ,,Universitas" noeh verstarkt wird. Diese Entwieklung innerhalb der Medizin kann man anhand einer Unter- suehung, die yon einem Universit£ts-Bauamt vor 10 Jahren gemacht wurde, darstellen (Abb. S. 190). Die vorrangigen Verbindungen yon Instituten/Kliniken (links} zu Instituten/Kliniken (reehts) wurden d~r- gestellt. Auf den ersten Bliek sieht man, dab man die Medizin kaum in Untergruppen (F~ehbereiehe) teilen kann. Ferner erkennt man einen Sehnittpunkt, we sieh die Klin~er treffen: Es ist der Pathologe (PAI). Er ist der Meister, welcher diagnostische Irr~iimer und Therapiefehler fixiert und gef/~rbt darstellen kann. Wenige Linien gehen zum Pharmakologen (PHAI). Seine Arbeit hat keinen tggliehen l%outinebezug zur Klinik. Seine Forsehungsarbeit steht im Schatten der Produktivitgt der pharmazeutischen Industrie und der sozialen Leistungsf~higkeit der Gesellsehaft, riesige Mengen yon l~Iedika- menten zu konsumieren. Die ~aeh t e der pharmakologisehen Forsehung karm man auch nieht fixieren und einbetten. Let~ten Endes sind es ge- heilte, substituierte und korrigierte, sehmerzfreie oder we~igstens sedierte Patienten mit hSheren Lebenserwartungen. Zwisehen experimenteller Pharmakologie und &ngewand~er Therapie liegt ein langer Weg mit vielen M6gliehkeiten der I%tiekkopplung. tiler gilt, was C. W. S~¢ow sagte :

14"

190 BegriiBungsansprache

,,Einmal soll die natfirliehe Welt vers~anden, zum andoron sell sie be- herrseht werden, gedes dieser Motive karm ffir don einzelnen Na~ur- wissensehaftler Vorrang haben; Teflgebiete der Na~urwissensehaften

VON ZU

Abb. 1

k6nnon ihre urspr'tingliohen Impulse aus dom einon odor andoron bezio- hen. Kosmogenie z.B., die Erforsohung des Ursprungs und des Wesens dos Kosmos, is~ ein ziemlich reines BoJspiel aus dot orsten Gruppe. Die ]~fedizin is~ das B{usterbeispiel aus der zweiten Gruppe. Dermoeh wird auf allen Gobio~en der Naturwissensehaften, von wo auch immor dot Ansto$

BegriiBungsansprache 191

zu ~rGr ArbGit kommt, das Gine Motiv im anderGn mit Gn~haltGn sGin. Von der Medizin, einer klassischen ,Technik' ausgGhend, ist man auf ,rGine' wissensehaftliche Probleme durehgestoBen, z.B. auf die Struktur der Itgmoglobinmolekiile." Man erkenn~ aus diesen Worten die va'elf£1tigen BGziehungen zwisehen Forschung und Anwendung. Oft ist der experimentelle Pharmakologe nieht mehr als der F~hrtensucher cter angGwandten Therapie. WiG aber sell der Therapeut handeln, wenn Gr die F~hrten der pharmakologischen Grundlagen nicht lesen kann ? Die experimentelle Pharmakologie hat immer jedG mGthodische MSglich- keit aus Physik, Chemic, ttistologie mad PhysiologiG bGrGitwillig ange- nommen und vGrwertet. Erst durch Adaptation und Anwendung in der Pharmakologie gewannen neuG Methoden breitere Bedeutung innerhalb 4Gr gesamten Medizin. Man daft beispielsweise nicht fibersehen, dab bio- metrisehe Methoden vielfaeh dem MGdiziner erst zug~nglieh wurden, nachdem sic veto Pharmakologen praktiziert worden waren. Auf dGr anderen Seite muB man hier herausstellen, dab zwei bedeutende Kliniker unserem naturwissensehaftlich messenden Bestreben die Wege bahnten: Der Internist MA~TrNI mit seinGr ~ethodenlGhre und der P~- diater DosT durch Fundierung tier PharmakokinGtik. Anregung un4 Anwendung lagen in vielsehiehtigen Ebenen. Es muBtGn aber immer erst die Voraussetzungen fiir eine Zusammenarbei~ gegeben sein. Dies gilt besonders heute wieder, we die Klinische Pharmakologie ein ernstes Anliegen unserer Gesellschaft ist. Dieses vielgestaltige Gebie~ wird nur dann erfolgreich sein, wGnn es Me~hoden und Erkermtnisse der ExperimentellGn Pharmakologie yell aus- niitzt. Dies sei ohne Uberhebliehkeit gesagt. Wenn man bedenkt, wie bereitwillig die Experimentelle Pharmakologie neue naturwissensehaft- liehe Methoden annektiert hat, dann kSnnte die Klinisohe Pharmakologie gar kein bessGres Patengesehenk mitbekommen als die F~higkeit, experi- mentelle pharmakologisGhe Methoden fiir die Klinik zu adaptieren. Neue experimentGlle Methoden werden in Zukunft oft zu sehwierig sein, um vom pharmakologiseh arbeitenden Mediziner allein beherrseht wer- den zu kSnnen. Die Zusammenarbeit mi~ Naturwissensehaftlern und deren erfreulich raseh fortsehreitende Infiltration in maser Faeh ist zu erkennen. Gleiohes ist fiir die weitere Bahnung der VGrbin4ung zwisehen klinischer Therapie und experimente]ler Pharmakologie zu erhoffen. Manehe physiologisehen, bioehemischen oder pharmakologisohen Arbei- ten mSgen noch ferne yon jeder therapeutisehen AnwendungsmSglieh- keit sein. Gednid, ihre Bedeutung kommt immer l I~erzu ein Beispiet: Vor 2 Jahren wurde in Ungarn ein Antikonzeptions- mittel registriert und bekam don Namen ,,Infeeundin". Der Name war berei~s seR 35 Jahren vorri~tig, denn schon damals wurde unter diesem

192 Begriiflungsanspra, che

Namen ein Antikonzeptionsmittel regis~riert. Es handelte sieh um einen Ovariatextra,kt, den der Inmsbrueker Physiologe HAVE,LAND 1930 tier- experimentell als sieher antikonzeptionell wirksam befunden hatte. Seine Untersuehungen, durchgefiihrt vor der Isolierung der Sexuathormone, veranlaBten damals die ungarisehe Firma Gedeon Richter, ein solehes Pr/iparat auf den Markt zu bringen. Aber erst vM sp/~tere, viel griind- liehere Untersuehungen, die yon PI~CUS ausgingen, ffihrten zu den heute anwendbaren und am Mensehen wirksamen Pr~paraten. Dem Pharmakologen ist vieles gel~ufig, was anderen bei weitem nieht verst~ndlieh ist. Wit erkennen als eindeutige Fortschritte an, wenn sieh die Therapie einer Krankheit in einem Jahrzehnt vSllig ver/indert. ~¥ir hoffen gleiehzeitig, dab die heutige Therapie in weiteren 10 Jahren viel- faeh fiberholt sein wird. Wit wissen, dab die Entdeeknng einer einzigen kausalen Therapieform alle vorherigen Formen symptomatiseher Thera- pie himvegfegt. Wit wagen zu hoffen, dab manehes Medikament, das heute als gut gilt, in 10 Jahren iiberfliissig sein kSnnte, wie etwa Antaeida, Antirheumatiea, Tubereulostatiea und Anthelminthiea. Diese st~ndigen Ver~ndertmgen im naturwissensehaftlieh-teehniseh-medizinisehen Be- reich betraohten Mr als den ,,Fortsehritt an sich". Wir wissen, dab damit meistens erhebliehe Auswirkungen auf den pers6nliehen Bereieh des Einzelnen und auf die gesamte Gesellsohaft verbunden sin& Es ist aber ein groBer Unterschied, ob der Fortschritt dazu ffihrt, dab ein Medi- kament fiberholt ist oder ob ein Berufszweig fiberfl~ssig wJrd und Mensehen zu einer weitgehenden Jl_nderung ihrer Existenzgrundlage gezwungen werden. ST]~INBUC~ sagte es deutlieh: ,,In Zuknnft werden sich die Lebensumstgnde sehr raseh vergndern, sic kSnnen nieht mehr als Uberggnge z~fisehen statisehen Zustgnden begrif- fen werden, das einzig Bleibende in Zukunft ist die Vergnderung." Diese Definition eines Naehrichtentechnikers erinnert an manehe f/Jr uns eingefahrene Begriffe wie Pharmadokynamik oder Pharmakokinetik. Aber vielMcht sehen wit deutlicher als ein Techniker, wie leicht solche ,,Flieggleiehgewiehte" gest6rt werden kSnnen. Wir sehen, wie einige Milligramme Barbiturat oder Methamphetamin ausgegliehene zentrale Funktionen sehlagartig vergndern. Die Pharmakologie als Wissenschaft hat sieh st/indig ver/~ndert, aber dureh bedeutende neue Entdeekungen wohl immer mehr ,,saltatorisch" als ,,steady". So gesehen, geh6rt zum Vertrauen des Teehnikers STEINBUCH in die sog. ,,stgndige Ver/~nderung" yon unserem -- toxikologiseh angehauchten Bliekwinkel aus --, einiger Optimismns. Doch sell es daran, wie bisher, nieht fehlen[ Methoden gndern sieh. Ergebnisse offerieren a~ndere Wertigkeiten. Aueh Publizistik gndert sich. Sehon die Einfiihrung des Xerox hat ermSglieht, dab gelegentlich viele Seiten xerographier~ und dann abgelegt, aber nicht gelesen werden. Neue Formen der Dokumentation, des Referatewesens,

Begrii~ungsansprache 193

der Stiehwor~auswahI und -erfassung sind und werden uns gel/~ufig. Aber die Konsequenzen zeiehnen sich erst ab: MuB eine Arbeit in 2000 Exem- plaren gedruckt und gebunden werden, wenn sie nur yon 50 Abonnenten gelesen, abet yon 500 Nicht-Abonnenten als Sonderdruck gewiinscht wird ? Dr/~ngt sich da nicht der ungeheuerliche Gedanke an eine ,,Informations- bank" an f, in der die Publikation, nach allen Stiehworten abrufbar, bereitliegen? Der Informationsflul~ a.nf engstem Gebiet kSnnte sieh da- dureh einem Idealzustand nihern. Wer aber prtift die zur Speicherung angebotene ,,soft ware" auf ihre Verl/~131ichkeit? ~Verden die Quer- verbindungen zu unerwarteten methodischen oder praktischen MSglich- keiten nicht empfindlich leiden ? Wird der Zafall noch Raum im Gehege der sorgf~ltigen Planung haben ? M5ge uns wenigstens der mensehliehe und koHegiale Kontakt tier T~gungen darer sehiitzen! Welchen Weg wird die ~dssensehaftliehe Sprache gehen ~. Altem ]iterariseh Seh6nen abhold, sell sie sehon lange aussehlie$1ich als Kommunikations- mittel dienen. In der Schule lernt man wohl sehreiben, aber nicht publi- zieren. Man daft nieht vergessen: Anch heute noch bleiben manehe Publikationen f i r einen Fremdsprachigen leider unzug~nglich, nieht well, sondem wie sie in Deutsch gesehrieben wurden! Die Kommunikations- technik der n/~ehsten Jahre wJrd verlangen, des wir entweder den inter- national bequemsten englischen ,,Klarf~xf," oder ein leieh~ iibersetzbares ,,Augstein-Deutseh" verwenden. Im folgenden werden 105 Knrzvortr/~ge geboten. Manehe werden man- chem ZuhSrer wenig bedeuten, seinem Verst/~ndnis wenig zug/~ng]ieh sein, und ftir die Eiirmerung unbedeutend erscheinen. Viele dieser Vortr/~ge sind des -- aus subjektiver Sieht sogar zwangsl/~ufig. Trotzdem kann man ihre Tragweite nieht absehg.tzen. Von bier nimmt man doch oft Erkennt- nisse mit, die man vielleieht erst in ganz anderem Zmsammenhang rich- rig sch~tzt und einseh/£tzt. Des wissensehaftliche Gewiehg der heutigen Vortr/~ge ist gegenwirtig noeh unbestimmbar. Es kann erst spiter, rtiek- blickend, erkannt werden. Aber nicht solche nnbestimmbaren Gewichte, sondern die Bewegliehkeit tier Diskussion sell, wie bisher, den Verlanf aueh dieser i0. Mainzer Tagudng bestimmen!

Prof. Dr. F. LEMs~ct;, Pharmakologisches Institu$ der Universi~it A-8010 Graz, Universitatsplatz 4, 0sterreich