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Pannike et al.: Behandhmgsgrundsiitze und Prioritiiten des PoIytraumas Behandlungsgrundsiitze und Priorit teu des Polytraumas in der Unfallchinlrgie A. Pannike, H. Siebert, H. Kron, R. Weitlner Unfatichirurgische Klinik der Johann-Wolfgang-Goethe-Universit~it Frankfurt a. M. (DirektorProf. Dr. A. Pannike) Im Rahmen der Mehffachverletzungwird die Frakturenbehandlung der Phase der defmitiveninterdisziplin~irenVersorgungzuge- ordnet. Das individuelle Trauma bestimmt den Ablaufeines integrierten und gestaffeltenBehandlungsplans. Die friihzeitige, unter intensivmedizinischem Schutz durchzuff~hrende Versorgungmultipler Frakturen wird emptbhlen, urn akute Komplikationenund irreversible Schi~denzu verhindem. Insbesondere das gleichzeitigeschwere Sch~idelhimtraumaverlangt jedoch ein dem Einzelfalt angepaf3tes und zeiflich abgestuftes Vorgehen. Principles of therapy and priorities in polytrauraa Immediate assessmentof severeinjuries, and instant, effective therapy are the fundamentals ofgetting good resuItsin the emergency management oftrauma victims.A schedule for,ifpossible,earlyfracturefixationin multiplytraumatized patients is recommended to avoid acute complicationsand irreversiblelesions. Yet cautious and individual timing of internal fixationis mandatoryespeciallyin seriously injured patients with concomitant severe cranio-cerebraltrauma and long-lasting unconsciousness. Grundlage des Effolges in der Behandlung des Polytraumas ist das umnittelbare Effassen des Ausmages der Vefletz~ng und eine unverztiglich einsetzende integrierte und gut gestaffelte Behandlung [1, 2, 3, 9, 36, 39, 53, 54, 55, 59, 63, 74, 75]. Eine einheitliche Definition des Syndroms der Mehr- fachvefletzung ist erforderlich, um vergleichbare Beurtei- lungskriterien ff'tr die Ptanung und Durchffihrung der Behandlung zu gewinnen. Als Potytrauma werden im folgenden gleichzeitig entstandene Verletzungen mehrerer K6rperregionen oder Organsysteme zusammengefal3t, yon denen nfindestens eine Verletzung oder das Zusammentref- fen rnehrerer Einzelvefletzungen lebensbedrohlich sein mug. Pathophysiologisch ist das Syndrom des Polytraumas auger durch die Gewebszerst6rung charakterisiert dutch 1. Hypovot~imie, Tachykardie, Hypotension, 2. Azidose, Hyperkali/imie, 3. Hypoxie, Hyperkapnie, 4. Oligurie/Anurie, 5. Koagulopathie, 6. Korea. Ftir die Beurteilung des Schweregrades einer Mehrfachver- letzung hat sich die yon Schweiberer aufgegfiffene und modifizierte Differenziemng in 3 Schweregrade klinisch bewghrt [56, 57]. Schweregrad I: leicht verletzt, station~ire Behandlung jedoch erforderlich; Pretlungen, Schi,irfungen, oberft~ichliche und tiefe Wunden, einfache Knochenbriiche, Gelenk- und Mus- kelzermngen; Sch~idel-Hirntrauma 1. Grades. Schweregrad IL" schwerverletzt, jedoch zun~ichst nicht lebensbedrohlich; ausgedehnte Wunden, offene Frakturen mit Dislokationen, Schock; Sch~del-Hirnttauma 2. Grades. Schweregrad Ill." lebensbedrohlich verletzt; schwerer Schock, Blutverlnst > 50 % der zirkulierenden Menge, PAO2 < 60 mm Hg, gef~ihrliche Thorax- und Bauchverletzungen, multiple Frakturen; Sch~idel-Hirntrauma 3. und 4. Grades. Die klinische Erfahrung, dab eine Mehrfachvefletzung stets schwerwiegender ist als die Summe der Einzelverletzungen, muf3 in der Beurteitung der Gesamtverletzung injedem Fall Befiicksichtigung finden. Fehleinsch~itzungen des Schwere- grades einer Mehrfachverletzung sind vor allem dann m6g- tich, werm der Verletzte am Unfallort oder bei der Aufnahme in die Klinik keine auff'~illige Beeintr/iehtigung yon Atmung und Kreisiauferkennen l~igt. In dieser Situation ist vor allem den jungen Verletzten mit lange kompensiert erscheinen- dem Kreislauf besondere Aufmerksarnkeit at schenken, da sie bei unzulg.nglicher Therapie sehr abrupt und ohne weitere Vorzeichen einen irreversiblen Schockzustand ent- wickeln k6nnen. 76 Unfallchirurgie 7 (1981), 76-85 (Nr. 2)

Behandlungsgrundsätze und Prioritäten des Polytraumas in der Unfallchirurgie

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Pannike et al.: Behandhmgsgrundsiitze und Prioritiiten des PoIytraumas

Behandlungsgrundsiitze und Priorit teu des Polytraumas in der Unfallchinlrgie

A. Pannike, H. Siebert, H. Kron, R. Weitlner

Unfatichirurgische Klinik der Johann-Wolfgang-Goethe-Universit~it Frankfurt a. M. (Direktor Prof. Dr. A. Pannike)

Im Rahmen der Mehffachverletzung wird die Frakturenbehandlung der Phase der defmitiven interdisziplin~iren Versorgung zuge- ordnet. Das individuelle Trauma bestimmt den Ablaufeines integrierten und gestaffelten Behandlungsplans. Die friihzeitige, unter intensivmedizinischem Schutz durchzuff~hrende Versorgung multipler Frakturen wird emptbhlen, urn akute Komplikationen und irreversible Schi~den zu verhindem. Insbesondere das gleichzeitige schwere Sch~idelhimtrauma verlangt jedoch ein dem Einzelfalt angepaf3tes und zeiflich abgestuftes Vorgehen.

Principles of therapy and priorities in polytrauraa

Immediate assessment of severe injuries, and instant, effective therapy are the fundamentals of getting good resuIts in the emergency management of trauma victims. A schedule for, ifpossible, early fracture fixation in multiply traumatized patients is recommended to avoid acute complications and irreversible lesions. Yet cautious and individual timing of internal fixation is mandatory especially in seriously injured patients with concomitant severe cranio-cerebral trauma and long-lasting unconsciousness.

Grundlage des Effolges in der Behandlung des Polytraumas ist das umnittelbare Effassen des Ausmages der Vefletz~ng und eine unverztiglich einsetzende integrierte und gut gestaffelte Behandlung [1, 2, 3, 9, 36, 39, 53, 54, 55, 59, 63, 74, 75]. Eine einheitliche Definition des Syndroms der Mehr- fachvefletzung ist erforderlich, um vergleichbare Beurtei- lungskriterien ff'tr die Ptanung und Durchffihrung der Behandlung zu gewinnen. Als Potytrauma werden im folgenden gleichzeitig entstandene Verletzungen mehrerer K6rperregionen oder Organsysteme zusammengefal3t, yon denen nfindestens eine Verletzung oder das Zusammentref- fen rnehrerer Einzelvefletzungen lebensbedrohlich sein mug.

Pathophysiologisch ist das Syndrom des Polytraumas auger durch die Gewebszerst6rung charakterisiert dutch

1. Hypovot~imie, Tachykardie, Hypotension, 2. Azidose, Hyperkali/imie, 3. Hypoxie, Hyperkapnie, 4. Oligurie/Anurie, 5. Koagulopathie, 6. Korea.

Ftir die Beurteilung des Schweregrades einer Mehrfachver- letzung hat sich die yon Schweiberer aufgegfiffene und modifizierte Differenziemng in 3 Schweregrade klinisch bewghrt [56, 57].

Schweregrad I: leicht verletzt, station~ire Behandlung jedoch erforderlich; Pretlungen, Schi, irfungen, oberft~ichliche und tiefe Wunden, einfache Knochenbriiche, Gelenk- und Mus-

kelzermngen; Sch~idel-Hirntrauma 1. Grades.

Schweregrad IL" schwerverletzt, jedoch zun~ichst nicht lebensbedrohlich; ausgedehnte Wunden, offene Frakturen mit Dislokationen, Schock; Sch~del-Hirnttauma 2. Grades.

Schweregrad Ill." lebensbedrohlich verletzt; schwerer Schock, Blutverlnst > 50 % der zirkulierenden Menge, PAO2 < 60 mm Hg, gef~ihrliche Thorax- und Bauchverletzungen, multiple Frakturen; Sch~idel-Hirntrauma 3. und 4. Grades.

Die klinische Erfahrung, dab eine Mehrfachvefletzung stets schwerwiegender ist als die Summe der Einzelverletzungen, muf3 in der Beurteitung der Gesamtverletzung injedem Fall Befiicksichtigung finden. Fehleinsch~itzungen des Schwere- grades einer Mehrfachverletzung sind vor allem dann m6g- tich, werm der Verletzte am Unfallort oder bei der Aufnahme in die Klinik keine auff'~illige Beeintr/iehtigung yon Atmung und Kreisiauferkennen l~igt. In dieser Situation ist vor allem den jungen Verletzten mit lange kompensiert erscheinen- dem Kreislauf besondere Aufmerksarnkeit a t schenken, da sie bei unzulg.nglicher Therapie sehr abrupt und ohne weitere Vorzeichen einen irreversiblen Schockzustand ent- wickeln k6nnen.

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~'dd~nliches girt f'tir Kinder und g.ltere Verletzte, die bereits bei vergleichbar weniger schwenviegendem Verletztmgsmuster in eine schwere Schocksituation kommen k6nnen [16, 33, 40, 64]. Es ist daher auch aus psychologischen Gri.inden zu empfehlen, stets die Gesamtverletzung im Blick zu bebalten und ebensowenig yon ,,Begleitverletzungen" des Sch~idels, Thorax, Abdomens oder Beckens sowie yon ,,Begleitver- letzungen" des Bewegungsapparates zu sprechen. Auch wenn die K6rperh{Shlenverletzungen in der Dringlichkeit der operativen Versorgung stets ff~hren, daffnicht aul3er acht gelassen werden, dab Polytraumatisierte mit schweren oder zahlreichen Verletzungen des Bewegungsapparates auch ohne Mitverletzung yon Thorax oder Abdomen in besonde- rein Mage zur Entwicktung einer posttraumatischen respira- torischen Insuffizienz disponiert sind [6, 7, 8, 29, 30, 41, 42, 44, 50, 66, 71, 72, 73, 7@ In diesem Zusammenhang ist attch der Dauer des der Behandlung voraufgegangenen therapie- freien Intervalls (Schockzeit) und des in dieser Zeitspanne eingetretenen Blutverlustes besondere Bedeutung beizu- messen [42, 51, 59, 60, 721.

Weitgehende {)bereinstimmung besteht heute hinsichtlich der diagnostischen und therapeutischen SofortmaBnahmen b eim Polytrauma [1, 3,43, 60, 74,75]. Ftir das Regelvorgehen beim Polytrauma hat sieh eine auf Schriefers [55] zur[ick- gehende Anteitung bew~hrt, die zwei Behandlungsstufen unterscheidet:

Stale 1

Stufe2

ZNS Bewugtsein Pupillen Motorik

Kreislauf Haut Puls Blutclruck

Atmung L~ihmung Mechemik Verlegung Pneumothorax, H~imatom

ZNS Neurotogie Computer-Tomographie (Echo-Enzephalogmmm, Angiographie)

Kreislauf Lavage zentraler Venendruck (Z~,~D). H~imoglobin/ H/imatokrit (Hb/Hk), Erythrozy/en us(. Blutgruppe EKG

Atmung Blutgasanatyse R6.-Thoraxaufnahme

Schockindex (Beatmung) (Absaugen) (Absaugen) (Punktion/ Drainage)

(Trepanation)

(Laparotomie)

Drainage Thorakotomie

Der taktische Oesamtplan der Behandlung der Mehffach- verletzung wird heute meist in ffmf Abschnitte gegliedert [57, 59, 60, 70, 73, 75].

1. Reanimation (Wiederherstellung yon Atmung und Kreis- lauf).

2. Chirurgische Notversorgung; lebenserhaltende Eingriffe bei Organverletzungen der K~Srperh6hlen.

3. Stabilisierung (Wiederherstellung eines physiologischen Gleichgewichts): Kreislauf, Atmung, NJere, ZNS, Gerin- nung.

4. Endgfiltige interdisziptin~ire Versorgung; 4.1. verz6gert prim~ire und/oder friihsekund~ire Eingriffe; 4.2. Sekund~ireingriffe.

5. Erholungsphase.

Nach Abschtug der lebenserhaltenden Mal3nahmen (Reani- mation, Volumenersatz, chirurgische Notversorgung) und allgemeiner Stabilisierung beginnt die Phase der defirtitiven imerdisziplin~iren Versorgung. Vorauszugehen hat die der Diagnostik und tier ~Vlederherstellung des physiologischen Gleichgewichts der Grundftmktionen yon Kreislauf, Atmung, Niere, ZNS und Gerinnung vorbehaltene Stabili- sierungsphase [43, 55, 56, 59, 60, 71, 72, 74, 75].

Von entscheidender Bedeutung f'lir den weiteren Behand- lungsablaufist es, dab die interdisziptin/ire Diagnostik (Neu- rologie, Computer-Tomographie usE) nicht nacheinander, sondem ineinandergreifend und gleichzeitig abl~iuft.

In der Phase der definitiven operativen Versorgung sind zun~ichst die in der ersten operativen Phase nicht oder noch nicht behandelten Verletzungen der K6rperhah.len (Sch/idel, Thorax, Abdomen) vorrangig. AIs prim~ir, nach Abschlul~ tier Stabilisierungsphase, zu versorgende Ver- tetzungen des Bewegungsapparates gelten die

t. offenen Frakturen 2?/3?. 2. Frakturen mit Verletzung groBer Get, Be (soweit nicht

schon vorher wegen massiver Blutung oder als Erhal- tungseingriff eingeschoben).

3. irreponible Verrenkungen und Verrenkungsbrtiche.

Die verz~Sgert prim~ire oder ffiih-sekund/ire operative Ver- sorgLmg wird angestrebt, soweit Atlgemeinzustand und lokale Weichteilsituation dies erlauben, bei

1. Femurschaftfrakture n, 2. symmetrischen Schaftfrakturen, 3. Kettenfrakturen, 4. Gelenkfrakturen und gelentmahen Frakturen sowie 5. Trtimmer- und Defektbriichen.

In der Rangfotge wird zun/ichst versucht, die stammnahen Frakturen zu versorgen. Bei symmetrischen Schafffrakturen ~,ird, ebenso wie bei den Kettenfrakturen, mamindest die

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Pannike et al.: Behandhmgsgrundsiitze und Prio~Jtiiten des Polytraumas

Stabilisierung einer Seite angestrebt. W/ihrend die Versor- gung der vorgenannten Frakturen im Dienste der Schock- bek/impfung und tier Vermeidung yon respiratorischer Insuffizienz und Fettembolie steht, dient die Versorgung der Gelenkfrakturen der Erhaltung der Funktion und der Ver- Nitung der posttraumatischen Arthrose. Untersuchungen yon Schweikert u. Mitarb. [67] haben gezeigt, dab bei Ver- renkungen groi3er Getenke, die l~inger als 6 Stunden beste- hen, in vermehrtem Mage mit einer Artbxose oder Kopf- nekrose gerechnet werden mug. Ebenso hat sich gezeigt, dab sich die Wiederherstellungsaussichten bei der operativen Versorgung der Azetabulumfrakturen von Woche zu Woche verschlechtern [13, 36, 52, 53, 57, 58, 65, 67, 70].

Im Rahmen der Mehrfachverletzung ist die VerlZahrens- wahl bei der Versorgung der Verletzungen des Bewegungs- apparates besonders flexibel zu handhaben und hat vielfach andere Gesichtspunkte zu berficksichtigen, als dies bei der Versorgung gleichartiger Einzelverletzungen der Fall ist.

Die pathophysiologische und pflegerische Ausnahmesitua- tion des Polytraumas kann einen vollst'andigen Indikations- und Veffahrenswechsel erfordertich machen. Frakturen, die als Einzelverletzung im Regelfall konservativ behandelt werden, bedtiffen im Rahmen der Mehrfachverletzung meist einer baldigen operativen Versorgung irn Dienste einer allgemeinen physiologischen Stabilisierung und Mobi- lisierung oder auch im Dienste der Weichteile. )~danliches gilt ftir die polytraumatisierten Kinder. W~ihrend die Schaft- fraktur des Kindes als Einzelverletzung mit wenigen Aus- nahmen konservativ behandelt wird, ist die operative Ver- sorgung der Diaphysenbrtiche im Rahmen der Mehrfach- verletzung ein entscheidender Schritt zurV~qederherstellung des meist schwer gest/Srten physiologischen Gleichgewichts [12, 16, 24, 33, 34, 40, 64]. Im Rahmen der Friihversorgung des Polytraumas (das gleiche gilt Ftir die Simultanversor- gung) ist die Marknagelung auch bei Schaftbriichen, die als Einzelverletzung eine gute Indikation ftir die gedeckte Marknagelung darstelten ~q.irden, aus allgemein-klinischen wie aus lagerungstechnischen Grtinden dutch eine Platten- osteosynthese zn ersetzen. Anders als bei Riska u. Mitarb. u.a. [4, 48, 49] z~ihlt die Marknagekmg bei uns nicht zu den Sofort- oder Frfihosteosynthesen. Sie hat ihren Platz in der 2. Behandlungswoche, z.B. nach Stabilisierung einer hfift- nahen Fraktur der anderen Seite. Bei Frakturen mit aus- gedehntem Weichteilschaden und Ge?,4fSverletzung wird der ~iuf3ere Festhalter im Dienste der Weichteile als das am wenigsten aufwendige Verfahren der anspruchsvolleren Plattenosteosynthese vorgezogen. Dieses Vorgehen erm/Sg- licht eine offene Wundbehandlung, ohne die Mobilisiemng des Verletzten zu beeintr/ichtigen. Lassen der Allgemein- zustand und die fhhrenden K{~rperh6hlenverletzungen eine

operative Versorgung der Verletzungen des Bewegungs- apparates nicht zu, so daft die konservative Behandlung keinesfatts nnr in dem Verziclat auf die operative Behand- lung bestehen, wie dies noch immer zu beobachten ist. Die konservative Behandlung ist auch im Rahmen der Mehr- fachverletzung so kunstgerecht und schulm~Big durchzu~ ftihren, dab sie, falls erforderlich, ohne Schaden ftir den Ver- letzten als konservative Behandlung zu Ende geffthrt wet- den kann.

Im Gegensatz zu der berichteten grundsfitzlichen Uberein- stimmung in der Indikation und Priorit~itenfolge bei der lebenserhaltenden chirurgischen Notversorgung gehen die Meinungen tiber den g~.instigsten Zeitpunkt ftir die defini- tive Versorgung der Verietz-ungen des Bewegungsapparates zum Teil weit auseinader. Zunehmend tiberwiegt die Ansicht, dab vor allem die unter intensivmedizinischem Schutz frtihzeitig durchgef'tihrte Stabilisierung der stamm- nahen Frakturen den unheilvollen Kreislauf yon Schmerz, Sedierung und Atemdepression vermeiden oder durch- brechen kann [50, 71, 74]. Dennoch wird die Abwehr einer ktinisch fatalen Fettembolie, die Stabitisierung des physiolo- gischen Gleichgewichts und/oder das Erreichen der PIlege- f'~ihigkeit von einigen Autoren auch beim Polytrauma als Argument ftir eine friihzeitige operative Therapie abgelehnt [11, 66].

Die yon uns vertretene Behandlungstaktik differenziert zwi- schen diesen gegens'atzlichen Standpunkten. Nach unserer Effahrung zwingen Allgemeinzustand und lokale Weichteil- situation nicht selten zu einem abgestuften Behandlungs- plan, tier den Effordernissen des individuellen Polytraumas anzupassen ist. Die fr~ihzeitige definitive Versorgung der Verletzungen des Bewegungsapparates soltte insbesondere beim Mehrfachverletzten im Interesse der allgemeinen physiologischen Stabilisierung und Mobilisierung, wenn immer m6glich, angestrebt werden, jedoch nicht grunds'atz- lich in den ersten 24-48 Stunden erzwungen werden. Obwoht yon Euler, Trojan, V6csei u. a. [14, t 5, 61,621 insbe- sondere beim Mehrfachverletzten mit schwerem Sch~idel- Him-Trauma beffirwortet, um ein sekund~ires Mittelhirn- syndrom zu verhindern, wird die frtihzeitige operative Ver- sorgung der Extremit/itenverletzungen auger dutch lokalen Weichteilschaden und posttraumatische putmonale Insuffi- zienz h~tdig gerade dutch das schwere Sch/ideihimtrauma selbst verhindert. Bereits 1960 beschrieb Gibson [27] die widerstreitenden Argumente bei der Kombknation von Sch~idelhirntrauma und Femuffraktur wie folgt: ,,Der be,aqagtlose Patient bedarf der Mobilisierung, die Femur- fraktur der Ruhigstellung. Die Sch~idelhimverletzung mul3 fiber einen ausreichend langen Zeitraum sorgfaltig (1bet-

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Initial als Bolus-Injektion in Abh~ingigkeR yore neurologischen Befund 4 0 - 100 mg i.v.

1 . - 3. Tag: alie 2 - 4 h 8 mg i.v.

4. - 6. Tag: alte 4 h 8 mg i. v.

7, - 10. Tag: alle 4 h 4 mg i. v.

Tabelle t. Steroidbehandtung bei schwerem Schiidelhhntrauma.

wacht werden, die offene Fraktur bedarf der friihzeitigen Versorgung. Die Sch~delhimverletzung verlangt eine umsichtige FltissigkeitsNlanz; der MeN-fachverletzte be- nStigt einen grot3ztigigen Volumenersatz."

Als kurzer therapeutischer Hinweis sei angemerkt, dab die yon einigen Autoren empfohlene Diuresetherapie beim Sch/idel-Hirntrauma yon uns nicht geiJbt wird, sondern statt- dessert eine am Unfallort (Notarztwagen) oder bei Klinikauf- nahme einsetzende Steroidbehandlung durchgeffthrt wird (Tabelle 1).

Die Ausffihrungcn Gibsons [27] werden erggnzt dutch die Amsicht yon Garland und Rhoades u.a. [5, 25, 26, 27, 28, 37, 47, 51, 60, 63], die bei einer langdauernden Allgemeinnar- kose in der Akutphase des Sch~delhirntraumas einen Anstieg des Himdmcks und ein Uberdecken der neurotogi- schen Symptomatik f'drchten und daher einer Atlgemein- an~isthesie in dieser Phase nut zustimmen, wenn einige wesentliche Voraussetamgen erfLillt sind.

1. Bei jedem Verletzten mit gest0rter BewuBtseinslage ist prgoperativ eine Computer-Tomographie-Untersuchung (bzw. ein Echo-Enzephalogramm oder eine Karotis-Angio- graphie) durchzuftihren. 2. Der neurologische Status des Verletzten sollte min- destens 24 Stunden stabit geblieben sein. 3. Der An~sthesist mul3 mit tier Pathophysiotogie des Poly- traumas vertraut sein und die Regeln der Neuroangsthesie beherrschen.

Abbildung la

Unfalich[mrgie 7 ([98i), 76-85 (Nr. 2)

Abb~dung tb

Bisher wurde davon ausgegangen, dab die Risiken einer All- gemeirmarkose nach Abklingen der Akutphase des Sch/idel- himtraumas, d.h. nach 7-10 Tagen, am geringsten seien und diese Zeitspanne daher als optimaler Operationszeit- punkt angesehen werden k6nne. Aufgrund der mehr als 10 Jahre umfassenden Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Frowein und Reichmann [10, 17, 18,19, 20, 21, 22, 23, 38,45, 46] scheint diese Problematik differenzierter gesehen wer- den zu mtissen. Jennett und andere [18, 22, 23, 35] haben daraufhingewiesen, dab eine prognostische Beurteilung des Sch/idelhimtraumas mit ausreichender Sicherheit bereits in den ersten 24-48 Stunden mOglich und l'flr die Behand- lungsfiihmng beim Polytrauma unerl/iglich ist.

Frowein u. andere [10, 17, 18, 20, 21, 22] unterscheiden 4 Grade der Bewuf3tlosigkeit beim Sch~delhirntrauma.

Korea 1: BewuBtlosigkeit ohne Paresen, keine A.nisokorie; Komadauer bis zu 4 Srunden.

Korea 2: Bewul3tlosigkeit mit Paresen und/oder Anisoko- fie; Komadauer 1- 8 Tage.

Korea 3: Bewul3tlosigkeit mit Streckkr~impfen (Mittelhirn- syndrom); Komadauer 2 - 20 Tage.

Korea 4: Bew~13tlosigkeit, PupiIlen weit und reakfionslos, Spontanatmung erhalten, Extremit~ten schlaff; {)berleben nur m/Jglich, wenn prim~ires Koma 4 < 4 ~ und sekund~ires Korea ~ < 10 ~.

Ubereinstimmend gitt als Faustregel, dab Sch~delhimver- letzte mit einem mehr als 6 Stunden andauemden prim/iren oder einem 1/inger als 10 Stunden bestehenden sekund/iren Korea 4 nicht [lberleben. Bei Fortdauer der BewuBtlosigkeit fiber 24 Stnnden verscNechtert sich die Prognose entspre- chend der Quaht~it der Bewuf3tseinsst6rung. Anhand eines grogen Ka'ankengutes konnte die Arbeitsgruppe von Fro- wein eine prognostische Beurteilung der Uberlebens- und Rehabilitationschancen in Abh~ngigkeit yon Lebensalter sowie Dauer und Intensit/it des posttraumatischen Komas

Abbi ldungen la und lb. PolytraumaI: Mittel- gesichtsfrakturen, Unterkiefenr [tmm effrak- turen, Beckenringbruch.

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Pannike et aL : Behandhmgsgrundsiitze und Priorit6ten des Polytraumas

Abbildung 2. Polytrauma I: Schen- kelhalsfraktur rechts, Femurschaft- fraktur rechts.

Abbildung 3a

Abbitdung 3b

Abbildungen 3a und 3 b. Polytrauma I: PatetlatrOmmerfraktur rechts, SchienbeinkopPomch rechts, Unterschenkeletagenbruch rechts,

erarbeiten [18, 20, 21, 22, 23]. Frowein und Reichmarm empfehlen eine differenzierte Indikationsskala ff~r die opera- tive Versorgung der Verletzungen des Bewegungsapparates bei gleichzeifigem schwerem Sch~idelhirntrauma mit B ewul3tseinsstSrungen.

Korea 1: Soformperation m/Sglich, wenn Op.-Dauer nicht > 2 Stunden; Vorsicht bei jungen/alten Polytrau- matisierten.

Korea 2: Sofortoperation nut bei offenen Frakturen 2?/3?. Koma 3: Keine prim~ire Osteos),nthese; frtihsektmdiire

Osteosynthese (Pflegeffahigkeit). Korea 4: Keine Osteosynthesen.

Abbildung 4a Abbildung 4b

Abbildungen 4a und 4b. Polytrauma I: Osteosynthese und kn6cherne Ausheiltmg des Schenkelhalsbmches, des Femurschaftbruches, des Schienbeinkoplbruches und Unterschenkeletagenbruches rechts, Patellektomie.

Zu erg~inzen bleibt, dab bei den Verletzten, die ein schweres Schiidelhirntrauma tiberleben, yon der Annahme auszuge- hen ist, dab sie eine gute neurologische Erholung erreichen werden nnd daher in jedem Falle eine der neurologischen Wiederherstellung angemessene Versorgung der Veflet~m- gen des B ewegungsapparates anzustreben ist.

Die beiden folgenden klinischen Beispiele wtlrden heraus- gegriffen, well bei ihnen keine Verletzung des Bmst- oder Bauchraumes, sondem das Ausmal3 der Gesamttraumati- sierung im Vordergrund stand,

Es handelt sich zun~ichst um einen 37j/ihrigen Maurer, der aus dem 5. Stock eines Hauses abstflrzte und sich folgende Vefletzungen zuzog:

1. Schock. 2. Sch~idel-Himtrauma: Neurologische Untersuchung,

Computer-Tomographie, Trepanation am Unfalltag (Diagnose: epidurales H~imatom).

3. Mittelgesichtsfrakturen zentral und lateral, Unterkiefer- tri~mmerfraktur.

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Pan~ffke et al.: BehandtungsgJ~t~Tdsfitze und 15qor#ihen des Polytrau~nas

Abbildung 5a Abbildung 5 b

Abbildungen 5a und 5b. Polytrauma I: Bela- stungsfiihige Extremit~it, Einbeinstanc! m6g- lich.

4. Becke~ingbmch. 5. Schenkelhalsfraktur und Femurschaftfraktur rechts

(Osteosynthese und Spongiosaplastik nach 21 Tagen). 6. Pateltatffdnm~effraktur rechts (Patellektomie nach

35 Tagen). 7. Tibiakopffraktur und Unterschenkeletagenbmch rechts

(Osteosynthese und Spongiosaplastik nach 35 Tagen).

VerlauE Intensivierte krankengymnastische ffTbungs- behandlung nach 36 Tagen, Teilbelastung naeh 52 Tagen,

Entlassung nach 12 Wochen (Abbildung 1 bis 5).

Der 2. Patient war ein 19jS.hriger Metallarbeiter, der einen Motorradunfali eflitt und sich hierbei fotgende Verletrangen

zuzog:

1. Schock. 2. Thoraxkontusion. 3. Sch~del-Himtrauma (nach 7 Tagen Halbseitensympto-

matik: Angiographie, Trepanation; Diagnose: subdurales

Hygrom). 4. Offene Femurschaftbriiche 1. Grades rechts und links

(Wundversorgung, Extension, GiI~s; Verriegelungsnage-

lung nach 17 und 26 Tagen). 5. Offene Tibiakopffrakmr 1. Grades links (Wundversor-

gung, Extension, Gips; Osteosynthese nach 26 Tagen). 6. Gesct-flossene Tibiaqueffraktur rechts (Extension, Re-

position. Gips; gedeckte Marknagelung nach 32 Tagen).

Verlauf: Bewegungsbad ab 6. Woche, Belastung ab 8. Woche, Entlassung nach 12 Wochen, Arbeitsaufnahme nach

6 Monaten (Abbildung 6 - 10).

Ein kurzer, vorl~iufiger Uberblick i.'~ber die in der Zeit vom

t. 1. 1975- 31.12. 1979 in tier Unfallchirurgischen Universi- t~itsklinik Frankfurt a.M. behandelten Mehffachverletzten miSge die bisherigen Ausffihrungen erg~inzen und abschlie- Ben. In dieser Zusammenstellung sind die in der Poliklinik oder in tabLfla Verstorbenen, die die Intensivstation nicht

mehr erreicht haben, nicht enthalten. Ebenso fehlen die polytraumatisierten Kinder, die in der Initialphase gemein- sara mit den P~idiatern auf der Intensivstation des Zentrums

der Kinderheilkunde behandelt wurden [64].

Verletzungsmuster n verstorben

K+T+B +E 25 17 75 % K+B+E 44 17 36% K+T+E 57 18 30 % K+E 99 10 10% B+E 8 0 - K+B 7 0 - K+T 7 4 - K+T+B 7 t - T+E 3 1 -

Tabelle 2. Verletzungsmuster und Letatitiit bei257 Mehrfachverletzten (K = Kopf [Sch~idelhimtrauma]; T = Tlaorax; B = Bauch [Ab domen + Retroperitoneum, Umgenitalsystem]; E = ExtremitS.ten).

Un(allchimrgie ? (1981), 76-85 (Nr. 2) 81

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Pannike et at.: Behandhmgsgrundsiitze und Prior#dten des Polytraumas

i;}):

Abbildung 6a Abbildung 6b

Abbildungen 6a und 6b. Polytmuma II: offene Oberschenkelschaft- br/.iche beidseits.

Abbildung 7a Abbildung 7b

Abbildungen 7a und 7b. Polytrauma II: geschlossene Tibiaquerfraktur rechts, offene Tibiakopffraktur (12) und hohe Tibiafraktur links.

Abbildung 8a Abbildung 8b Abbildung 9a Abbitdung 9b

Abbildungen 8a und 8b. Po!ytrauma II: Ver- riegelungsnagelung der Femurschaftbr/Sche rechts und links.

Abbi[dungen 9a und 9b. Polytrauma tI: Osteo- synthese und kn/Scherne Ausheilung der Tibiafrakturen rechts nnd links.

Von 257 erfaI3ten Patienten hatten 246 ein Sch~dethim- trauma, 236 Patienten Vefletzamgen des Bewegungsappara-

tes, 99 Patienten Verletzungen tier Thoraxorgane und 91 Patienten Verletzungen des Bauchraums und des Urogeni-

tatsystems erlitten. Bei den Sch/idelhimverletzangen lag in 35% der FgUe ein schweres Sch~idelhimtrauma vor. Ver- tetzungsmuster und Letalit-at verteilten sich bei diesen

257 Mehrfachvertetzten wie in nachfolgender Tabetle 2 dar-

gesteltt.

Die AufschlfLssetung der Verletzungsmuster nach dem.~ te r

der Vertetzten ergab das in nachfolgender Tabelte 3 wieder- gegebene Bild.

82 Unfallchirurgie 7 (1981), 76-85 (Nr. 2)

Page 8: Behandlungsgrundsätze und Prioritäten des Polytraumas in der Unfallchirurgie

Pannike et al.: Beha~Mhmgsglvmdsiitze und P,5oritdten des Po/y*raumas

Abbildung 10a Abbildung 10b

Abbildungen 10a bis 10d. Polytrauma: Bela- stungsfahige untere G!iedmaBen, Einbein- stand beidseits m6glich.

Abbildung 10c Abbildung 10d

Vertetzungsmuster n/Let. <20 J. 20-50 J. 50-70 J. >70 J.

K+T+B+E 25/17 5 12 6 2

K+B+E 44/17 t3 27 - 4

K+T+E 57/t8 4 38 9 6

K+E 99/10 21 62 6 10

B+E 8/0 7 - 1

K+B 7/0 2 2 2 I

K+T 7/4 1 4 2

K+T+B 7/I 6 - 1

T+E 3/1 2 1 -

TabeIle 3. AufschlOssehmg des Vertetzungsmusters nach dem Atter der Verletzten. (K, T, B, E: siehe Tabelle 2).

Verletzungsmuster < 48 < 1 Woche > 1 Monat n

K+T+B+E

n = 25 6 5 6 17 (75 %)

K+T+B+E

n = 25 6 5 6 t7 (36 %)

K+T+E

n = 57 6 3 9 18 (30 %)

K+E

n=99 5 2 3 10 (10%)

n=225 23 (10%) 15 (7%) 24 (10%)

Tabelle 4. Zusammenstetlung der Todesfatte in Abhgngigkeit yore Unfallzeitpunkt (K, T, B, E: siehe Tabelle 2).

Un~htlchimrgie 7 (198 D, 76-85 (Nr. 2) 83

Page 9: Behandlungsgrundsätze und Prioritäten des Polytraumas in der Unfallchirurgie

Pannike et at.: Behandtungsgnmdsiitze und ISJorit~iten des Polytraumas

Zeitpunkt n = operierte Patienten n = verstorbene Patienten

<48 52 8 (15°/0) 3.-7. Tag bis 2 Wochen 14 1 (7 %) nach 2 Wochen 71 4 (5%)

n 137 13 (10%)

Tabelle 5. GegenfibersteIlung yon Letalit~it und Operationszeitpunkt bzw. Taktik des therapeutischen Vorgehens.

Die Z u s a m m e n s t e l l u n g der Todesfiille in AbNingigkei t yore

Unfal lze i tpunkt liei3 keine signifikanten Gipfe lb i ldungen

e rkennen (Tabelle 4).

Kasuistisch karm erg/inzt werden, dab bei den in den ersten

48 S tunden Vers to rbenen die unmi t t e lba ren Traurnafolgen

u n d der Schock als Todesursache fiberwogen, wfihrend bei

den nach mehr als e inem Mona t Vers torbenen Embol ie ,

respiratorische Insuffizienz u n d Infekt vorherrschende

Todesursachen waren.

Die Gegenfiberstel lmag yo n Letalitfit u n d Operationszeit-

punk t bei 137 Verletzten l~2Bt die Taktik unseres bisher igen

therapeut i schen Vorgehens mi t der Un te r sche idung zwi-

schen prim~ir verz/3gerter, frfihsek~mdfirer u n d sekamd~rer

Versorgung der Ver le tzungen des Bewegungsapparates

e rkennen (Tabelle 5).

Der vorl iegende Beitrag gibt e i n en Oberbl ick iJber die in

u n s e r e m Hause gebr~uchlichen u n d bew/ihr ten Behand-

lungsgmnds/~tze bei der Behandkmg des Polytraumas. Die

abschliel3encl auszugsweise mitgetei l len Behandlungser -

gebnisse soll ten zugleich die Grf inde darlegen, die uns ver-

anlassen, zun~chst an tier bisherigen abgestuf ten u n d im

Einzeffall or ient ier ten BehandlungsFf ihmng bei der chirurgi-

schen u n d interdisziplin~iren Versorgung der Mehrfachver-

l e tzungen festzuhalten.

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Fiir die Vetfasser: Prof. Dr. A. Pannike, Direktor der Unfaltchin¢~gischen Klinit4 der Johann-Wolfgang-Goethe-Universitiit FrankJ~lrt a. M., Theo- dor-Stern-Kai 7, D-6000 Frankfi~rt a. 3,~

UnfNtchimrgie 7 (1981), 76-85 (Nr. 2) 85