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Beitriige zur anatomischen l~inik der Augen- kr~]rheiten Yon Prof. A. v. Grllfe und Dr. C. Schweigger. Fall IV. Glaucoma absolutum. Frau Lehrer K. aus Jiiterbock, 60 Jahr alt, stellte sich am 12. Januar 1860 in meiner Klinik vor. Das linke Auge war presbyopisch, aber vollkommen seh- kr~ftig, auf dem rechten traten alle Zeichen eines ab- gelaufenen Glaucom's hervor: Der Bulbus steinhart, unter der Coniunetiva mehrere sehr ausgedehnte und geschl~ingelte Venen, die Cornea in ihren oberfl&ich- lichen Schichten diffus getrfibt, bei der Betastung fast unempfindlich, Pupille ad maximum erweitert, so dass die Iris, wclche zugleich stark hervorgedr~ingt ist, nut noch einen schmalen Ring bildet, deren Gewebe durch- weg schmutzig grau verFtlrbt~ hier und davon grSberen Gefiissen durchzogen, humor aqueus diffus getrlibt, periodische Ergiissc dunk[en Blutes in dem beengten Raum der vorderen Kammer~ die Linse zeigt an der Kerngrenze einen leichten cataractlisen Anflug, sie ist stark hervorgedr~ingt, so dass der mittlere Ab~hnitt bereits in den Raum der vorderen Kammer hineinragt; der Augenhintergrund liefert iiberall einen schwaehen

Beiträge zur anatomischen Klinik der Augenkrankheiten

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Beitriige zur anatomischen l~inik der Augen- kr~]rheiten

Y o n

Prof. A. v. Grllfe und Dr. C. S c h w e i g g e r .

Fall IV.

G l a u c o m a a b s o l u t u m .

Frau Lehrer K. aus Jiiterbock, 60 Jahr alt, stellte sich am 12. Januar 1860 in meiner Klinik vor. Das linke Auge war presbyopisch, aber vollkommen seh- kr~ftig, auf dem rechten traten alle Zeichen eines ab- gelaufenen Glaucom's hervor: Der Bulbus steinhart, unter der Coniunetiva mehrere sehr ausgedehnte und geschl~ingelte Venen, die Cornea in ihren oberfl&ich- lichen Schichten diffus getrfibt, bei der Betastung fast unempfindlich, Pupille ad maximum erweitert, so dass die Iris, wclche zugleich stark hervorgedr~ingt ist, nut noch einen schmalen Ring bildet, deren Gewebe durch- weg schmutzig grau verFtlrbt~ hier und davon grSberen Gefiissen durchzogen, humor aqueus diffus getrlibt, periodische Ergiissc dunk[en Blutes in dem beengten Raum der vorderen Kammer~ die Linse zeigt an der Kerngrenze einen leichten cataractlisen Anflug, sie ist stark hervorgedr~ingt, so dass der mittlere Ab~hnitt bereits in den Raum der vorderen Kammer hineinragt; der Augenhintergrund liefert iiberall einen schwaehen

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br~iunlich-rothen Reflex, etwas Weiteres kann wegen der diffusen Triibung des Kammerwassers und der zu pr~isumirenden Glask;Srpertrfibung, nicht emfittelt wer- den; Lichtschein vollkommen aufgehoben.

Das Krankenexamen ergiebt, dass Pafienfin skit edichen Monaten vollst~ndig erblindet ist; da die Ab- nahme des Sehvermligens ganz allm~lig und ohne Schmerzen eingetreten, hat sie (ibrigens die Symptome in der friiheren Periode ungenau beobachtet. Erst 6 Woehen vor der Untersuchung bekam sie auf dem bereits erbliudeten Auge heftige Schmerzen in Form der eharacteristischen Ciliarneurose, Thr~inen und Rii- thung. Diese Symptome verringerten sich zwar perio- disch, liessen ihr abet doch im Ganzen nur wenig Ruhe, so dass sie seitdem meist schlafios war und iiberhaupt sehr verflel.

Die Diagnose wurde auf chronisches Glaucom, welches in seiner sp~itereu Periode die entzlindliche Form angenommen hatte, gestellt. Der letztere Theil

�9 dieser Diagnose musste als unumstSsslich gelten, denn es hatten sich w':ihrend der emziindlichen Anffille, die skit 6 Woehen hervorgetreten, alle Symptome einer secretorischen inneren Entzlindung mit Zunahme des intraocularen Drucks entwiekelt, als Ausdehnung der subeonjunctivalen Venen, Unempfiudlichkeit der Cornea, Iridoplegie, Verengerung der vorderen Kammer, H~irte des Bulbus. Dagegen konnte die schleichende Erblin- dung, welche vor den entziindlichen Anf'~illen vorhanden war, auch noch eine andere Dcutung flnden. Wir sehen ja nicht selten subretinale Ablagerungen, Sarcombildun- gen , ehronische Chorioiditides anderer Art schleichende Erblindung einleiten, und dann auf einer gewissen HShe dutch Hypersecrefion yon Fliissigkeiten eine glau- eomatSse Entziindung induciren. Konnten nun auch solche Miiglichkeiten bei tier Patientin nicht ausge-

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sehlossen Werdon, so gewahrte man bet der ophthal- moskopischen Untersuchung docti fiberall einen gIeich- m~ssigen br'~unlich-rothea Schimmer~ welcher eine subretinale Ablagerung, eine Geschwulstbildung we- nigstens unwahrscheinlich macht. Eino chronische Cho- rioiditis mit Ectasie der hinteren .Theilo konnte nicht gut pr~iexistirt haben, -da dieses Auge, wie das linke, presbyopisch gewesen war. Endlich bleibt yon alien Vorg~ngen, die den Symptom~.omplex erklllren, der oben aufgestelhe bet ~ilteren Leuten mit presbyopischen Augen der unendlich h~ufigste, nnd wir batten uns dem- nach, cateris paribus, auch mit der grassten Wahrschein- liehkeit Fdr diesenTheil derDiagnose zu entseheiden.- Bet d er allgemeinen Entwickelung der Druekzunahme musste eine exquisite Sehnervenexcavation und bet dem Fehlen jeder quantitativen Liehtempfindung Atrophie der Faser- und Gangliensehieht angenommen werden. Eben so gab die hoehgradige l)esorganisation der Iris, welche, wie erw~hnt, nut ~ einen schmaIen Ring redueirt ist, Grund, an eine ansgedehnte Entartung der naehbarliehen Ciliar- und Chorioidal-Theile, wahrscheinlieh mit fettiger oder atrophischer Riickbildung des Stromas, zu denken.

Dass in diesem Stadium yon der Iridectomie Fdr das Sehverm~gen keine Hfilfe zu erwarten war, ver- stand sieh yon selbst. Das Fehlen aller quantitativea Liehtempfindung Schliesst an sich, abgesehen yon der langen Dauer, .iede Hoffnung" aus. Dagegen stellte sich die Frage, ob die sehr heftigen und Fdr den Gesund- heitszustand der Patientin bedrohlichen Beschwerden noch durch die genannte Operation zu beseitigen seien. Wit wissen, dass in dieser Beziehung die Hilfe der Operation sich oft auf viele Jahre nach erfolgter Er- blindung erstreckt. Allein in dem conereten Falle au- gurirteiieh auch in der erwahnten Richtung zweifelhaft. Ich habe mehrfaeh gefunden, dass, wenn die Iris auf

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eine, l minimalen Ring reducirt und mit grlisseren Ge- f~issen durehzogen ist, wenn Ergiisse dunklen Blutes in die vordere Kammer (zuweilen au,'h in den Glas- kSrper und die inneren Membranen) sich suecediren, wenn secundiire Infiltration oder Erweiehung der un- empfindlichen tIornbaut begonnen, dass alsdann nach der Iridectomie nieht mehr die gewlinschte Linderung eintritt. Es mag sich dies erkl~iren, theils aus der welt gediehenen Entartung der inneren Membranen mit Ausdehnung d e r venSsen St~imme, theils aus substantiell gewordener Verilnderung in den compri, mirten Ciliarnerven, tbeils abet aus der Unmiiglich- keit bei einem so schmalen Irisringe ein ausre~ehendes St~iek zu excidiren. Trotz dieser Bedenken schien mir der Versuch einer Irideetomie zuliissig, doeh theilte ieh der Patientin die Wahrscheinliehkeit miner zweiten Operation sofort mit. Die erstere wurde am 16. Jan. in ilblicher Woise verrichtet. Es konnte eben nut ein m~issig grosses Irisstiick exeidirt werden. Eine Ab- nahme der Beschwerden war unverkennbar, da Patien- tin .jetzt einen grossen TheiI tier Naeht sehlafen und den Tag ertr~iglich zubringen konnte; dennoch bet der Zustand des Auges keine Garantie. Dessen Prallheit war noch erheblich, auch traten wiederholentlieh Blu- tungen in die vordere Kammer, deren Tiefe jetzt etwas zugenommen hatte, ein. In einem anderen Falle hiitte ieh abgewartet; eventualiter naeh einiger Zeit eine zweite Iridectomie oder totale Entfernung der Iris gemac},t,*) allein die Verh~iltnisse tier Patientin stem,nten sieh einer langen Abwesenheit yon der Heimath entgegen. Ausserdem gebot der gebrechliehe Gesundheitszustand

o) F.s ist m~glich, dass man in solchen F~illen mit der totalen Ent- fernung der Iris durch complette Dialysis besser fahren wird, einem VorBchlage, auf den ich bei Gelegenheit zuriickkommen werde.

Ar~htv fLtr Ophthalmologle. Vl. 2. t7

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eine mSglichst rasehe Boseitigung der Sehmerzen. End- lieh wi]nschte Patientin sehnlichst, yon allen Beschwer- den beFreit zu sein, und versicherte,:dass sic auf den Besitz ihres linksseitigen Bulbus nicht das mindeste Gewicht legte. Es wurde demnach am 3. Februar die Enucleatio P~ulbi ausgeFdhrt. W~ihrend derselben barst die noch unvollkommen vernarbte lineare Hornhaut- narbe.

S e c t i o n s b e f u n d und e p i k r i t i s c h e B e m e r k u n g e n .

Von Dr. C. Sehweigger.

Excavation der papilla herr. optici. Atrophic der Ganglien-Zellen der Retina. Retinalh~morrhagien. Abnorme Pigmentirungen und fettige

Degeneration im Choro]dalstroma. Gla~kSrperveriinderung.

Hornhaut, Iris und Linse wurden nach der Exstir- pation abgetragen und zu anderen Untersuchungen ver- wendet. Nach der Erh~irtung in chroms. Kali liess sich folgender Befund feststellen:

Der GlaskSrper ist grSsstentheils verflfissigt, nur die peripherischen Sehichten sind noch vorhanden, an tier era serrata fest mit der Retina verbunden und reichlich durchsetzt mit grossen runden, gewShnlich mehrkernigen Zellen mit getrfibtem Inhalt~ an einigen dersclben er- kennt man noch kurze Fortsfitze, andere documentiren sich noch deutlicher als Uebergangsformen zu den ge- wShnlicheren Zellen mit kleinerem KSrper und ver~stel- ten Forts~itzen. (CF.. Tar. III. Fig. 2.)

Im Chorioidalstroma finden sich hie und da ab- norme, racist goldgelbe Pigmente, theils als freie kSrnige Conglomerate, theils in Zellen enthalten. Von den ver- ~istelten Zellea des Chorioidalstroma sind viele eaff~rbt, andero in fettiger Degeneration begriffcn.

Chorioidal-Epithel dunkel gef~irbt, fibrigens regel- m~issig. O p t i c u s tief excavirt; die Wandungen der

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Excavation sind glatt, der Grund derselben erstreckt sich bis hinter das iiussere Niveau der Sclera.

Die Ganglienzellenschicht der Retina ist vSllig atro- phirt. Die feinen Retinalgef~isse und Capillaren stark mit Blur gefiillt, in den ~quatorialen Partieen der Netzhaut, besonders an der Schl~ifenseite, finden sich vie]e kleine punktfSrmig% IA--lmm' grosse H~imorrhagien, nut eine ist grSsser (ungef~hr 2 - -3 ram' ) , und unregelm~issig zackig. Die H~imorrhagien liegen meistens in den mitt- leren Schichten der Retina, einige dringen keilfSrmig in die ~iusseren Schichten vor, durchbrechen dieselben und bilden flaehe, einige Mm. grosse Eechymosen auf der Aussenfl~iche der Retina (zwischen St~ibchenschicht und Chorioidalepithel.)

Nur fiber den letzterw~hnten Punkt, n~imlich den Durehbruch yon Retinalh~imorrhagien zwischen Retina und Choroidea, will ich noch einige Worte hinzuf'dgen, da ich wiederhoh Gelegenheit gehabt babe, reich davon zu iiberzeugen, dass Retinalh~imorrhagien sieh sehr leicht durch die ganze Dicke der Retina hindureh erstrecken, und im Ganzen mehr Neigung haben nach aussen (naeh der Choroidea hin), als nach innen in den GlaskSrper- raum hinein durchzubrechen. Der anatomische Grund dieser Erscheinung ist wahrseheinlieh der, dass das Bindegewebsgeri]st der Retina seiner ganzen Anordnung nach eher dazu disponirt ist, in senkrechter Richtung zu zerkliiften, als der Fl~iehe naeh zu zerspalten. Aueh dnreh die ophthalmoskopische Untersuehung kann man sich fiberzeugen, dass Retinalh~imorrhagien nicht selten hinter den feineren Retinalgeflissen liegen. Genau ge- nommen handelt es sieh also hier um sehr kleine Netz- haut- A bl~sungen; ausgedehntere Netzhaut- AblSsungen seheinen in Folge yon Reiinalh~imorrhagien nieht vor- zukommen, wahrcheinlich deshalb, weil H~immorrhagien

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aus den feinen RetinalgeFtlssen nicht unter einem Drucke vor sich geben, der hinreichend stark w~ire, den Glas- kiirper zur Resorption zu hringen. Sehener als der Durchbruch nach aussen erfolgt wegen des kraf'tigeren Baues des Bind egewebsgeriistes in den inneren Retinal- sehichten und tier gr~sseren Resistenz des M. Limitans, der Durehbrueh yon Retinalh~imorrhagien in das lnne/'e des Bulbus. Dennoch kommen au(.h solche F~ille v01'. Ich halt~ es fiir sehr wahrscheinlieh, dass es Si"ch in =eit~'em yon E s l n a r c h (A. f. O. IV. 1. 350.) als ,Perforation der Netzhaut dureh eine Choroidealblutung" besehriebefien Fall nieht um eine Choroidealblutung, sondern um eine nach Innen durchgebrochene Netzhautblutung handelte. Abgesehen davon, dass E s m a r e h iiber das Verhahen der Choroidea keine Angaben beibringt, handelte es sich um eine quantitativ sehr geringe H~imorrhagie. Der L';ingendurehmesser des kolbenfiirmigen Blutextravasats hatte nach E s m a r e h ' s eigner Angabe ann~ihernd die- selbe Griisse, Wie der Durchmesser der Papilla nervi optici; das sehr entwiekelte GeFsisssystem der Choroidea h~itte wahrseheinlich ein viel betr~ichtlieheres Extravasat geliefert. Noeh mehr aber sprieht gegen die Deutung, die E s m a r c h seiner Beobachtnng gab, der Oft des Extra- vasates in der unmittelbaren N~ihe der maeula lutea. Der Zusammenhang zwisehen Netzhaut und Choroidea ist hier ein so locke, rer, dass Choroidal},~imorrhagien, wenn sic fiberhaupt die Choroidea naeh Innen hin durehbreehen, die Netzhaut nothwendig erst in bedeutenderem Umfang abliise~ miissen, ehe sic dieselbe zerreissen kSnnen. Auch v. G r~i:fe besehdinkt das Vorkommen yon Netzhautperfo- ration dutch Choroidalblutungen auf die vorderen, der Or a serrata nahe gelegenen Theile der Retina. (Cf. A. f. O. I. 1. pag. 358.)

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Fall V.

P a n o p h t h a l m i t i s .

Herr S., 49 Jahr alt, hatte wegen inveterirter Gra- nulationen mit eonsecutivem Hornhautleiden liingere Zeit in einem Berliner Krankenhause gelegen. Als er sich in meiner Klinik vorstellte, war er v;311ig erblindet und beide Augen noch in hoftigem Reizzustande. Rechts Abflachung der Cornea, deren mittleres Bereich dutch ein vascula- risirtes Narbengewebe ersetzt war, quantitative Licht- empfindung noch ziemlich gut, die Fixation aber aub gehobcn. Links war die Conjunctiva grlisstentheils geschrumpft, zum Theil noch mit granulilren Einlage- rungen behaftet, die Cornea nur in einem schmalen peripheren Ringbereiche durchscheinend, im ~'lbrigen narbig getrllbt. Die Spuren'. mehrfaeher Perforationen sind sichtbar, und ist die Iris in weitem Umfange mit dem'Narbengewebe, welches die Lilcken fiillt, ver- wachsen. An zwei Stellen bestehen noch Vorf'~iile d e r Iris, ether derselben ist stark gespannt, zeigt noch eine ziemlich nackte Iris, und erregt, da er sich grade in der Mitre befindet nnd auch die anliegende Partie des Narbengewebes etwas in seine Prominenz hincinzieht, sofort den Verdacht einer dahinter !iegenden, dislocir- ten oder gesprengten Linse Dieser Verdacht wird ansserdem dutch die abnorme Hfirte und fortw~ihrende subconjuncfivale Injection des Auges mit periodisch sieh steigernder Ciliarneurose best~irkt. Der Lichtschein nach aussen noch gut, in den anderen Richtungen diirftig. Die Prognose musste, abgesehen yon letzterem Urn- stand, schon auf Grund der fast totalen Hornhautzer- sttlrung ungiinstig gestellt werden.

Patient war theils dutch die vielen Leiden, thetis dutch die depotenzirende Behandlung so reducirt, dass

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eine rasche Abhilfe yon seinen Sehmerzen recht drin- gend erschien, dies um so mehr, als wfihrend der links- seitigen Entzilndungsanf~ille aueh das rechte Auge, Fdr welches noch eine Hoffnung auf Coremorphose bestand, sympathi~ch zu participiren schien. Ich hielt es ffir nothwendiv,, den linksseitigen Irisvorfall zu ertiffnen und die vermuthlich dahinter liegende Linse zu evacuiren. Ein solcher Versuch konnte wenigstens mit Recht der immer noch iibrig bleibenden Exstirpation vorangeschickt werdcn. In der That stelhe sich, sowie der Irisvorfall eriiffnet war, die dessen Hiihlung ausfiiUende Linse ein, doch blieben Broeckel derselben zurfick. Ich h~itte diese Broeckel gcrn nachtr~iglich entfernt, allein Patient drlickte sehr stark, so dass GlaskSrper hervortrat. Ein sanfter Druckverband ward angelegt. In den ersten Tagen ging es gut, die Wunde schien wie in gewilhnlichen F~illen yon Staphylomabtragung zu verheilen. Nach einigen Tagen erneuerten sieh jedoch die Schmerzen, das junge Ersatz- gewebe in der Wunde ward gelb, deutlich eiterig und serSse Chemosis trat hinzu. Die Eitermasse aus der Wunde, welche ich noch einmal entfernte, includirt zum Theil die 0ben erw~ihnten dutch den Glask~rpervorfall tempor~r dislocirten Linsenreste. Der hinter dem Eiter- pfropf liegende Glaskiirper schien damals noch ziemlich rein zu sein. Die Zuffille steigern sich mehr und mehr, so (lass 10 Tage nach der ersten Operation ein dicker Eiterpflock, der sieh ohne Zweifel durch die HShle des Bulbus ausbreitct, die Wunde Fdllt, der Bulbus selbst deutlich prominirt, die Chemosis erheblich, die Lateral- bewegungen beinahe aufgehoben sind, und der fi'iiher vorhandene Lichtschcin vollst~indig erloschcn ist. Die Exstirpation scheint jetzt dringend n~ithig, um dem Pa- tienten weitere Schmerzen und sch~idliche Riickwirkung auf das andere Auge zu ersparen.

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Ieh diagnostieire als friiheren Zustand eine chro- nisehe Iridocyclitis mit vermehrter Transsudafion (yon Fliissigkeiten wahrscheinlich schon Excavation der Seh- nerven), ausgehend yon der Reizung der prolabirten Iris dutch das Linscnsystem, als hinzugetretene Krank- heit eitrige Irido-Chorioiditis, jedenfalls mit Eiterinfiltra- tion des GlaskSrpers, wahrseheinlich mit Eiterinfihration und Abl~isung der Netzhaut, ausgegangen yon der durch Abtragung des Irisvorfalls entstandenen Wunde. MSglicherweise ist die Eiterbildung dutch zuriickbleibende Linsenreste angeregt worden, m;3glieherweise aueh als die natiirliche Fortbildung des inneren Entzllndungs- prozesses nach der traumatischen Bloslegung des Glas- k~h'pers und Zertrllmmerung desselben autzuiassen. Je- denfalls ist hier der Prt, zess ein yon vorn nach hinten dutch den GlaskSrper fortschreitender. Die Tenon ' sche Kapsel participirt in Form seriiser Schwellung, wie stets bei aeuter eitriger Chorioiditis; deshalb die Zeiehen der starken serSsen Chemosis, der Exophthalmie und der Besehr~inkung in der lateralcn Beweglichkeit.

S e c t i o n s b e f u n d u n d e p i k r i t i s e h e B e m e r k u l l g e n .

Von Dr. C. Schweigger. Eitrige Keratitis, Iritis, Choroiditis und Retinitis. Vereiterung des

GlaskSrpers.

DiG Hornhaut wurde (nebst der Iris) unmittelbar nach der Exs'tirpation abgetragen und in Holzessig ge- legt. Bei der Untersuchung derselbeu zeigt sich nut noeh an der Peripherie ein Streifen yon Hornhautsubstanz, in der Mitte der Cornea findet sich ein dureh eine dcutlich markirte Grcnze abgesetztes faseriges Narbengewebe, welches vorn yon einer ungleichmlissig dicken Epithelial- schieht iiberzogen ist; die Epithelialzellen stehen bier ganz wie im Normalzustand senkrecht auf den ober- fl~ehlichsten Gewebschichten und nehmen erst in ihren

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oberfliichlichon Schichten eine mehr horizontalc Lagerung an. Von der Bowmann ' schen Membran finder sich in dicsem Bereiche keine Spur, an dor Grenze desSub- stanzverlustes hSrt sie scharf abgeschnitten auf.

Die D e s c e m e t' sche Membran hat dem V erschw~i- rungsprozesse, der die centralen Hornhauipartieen zer- st;Jrte, einen liingeren Widerstand geleistet~ und hat sich naeh dem Durehbrnch des Gesehwfires vielfach gefaltet naeh aussen umgeschlagen. Sie e'rscheint daher auf Querschnitten in Gestalt ether unregelm~issig geschl~n- gelten Linie, welche in dea inneren Schiehten der Horn- haut den tier und unregelmilssig ausgebuchteten Rand der restirenden Hornhautsubstanz gegen das neugebil- dete Narbengewebe abgrenzt. Letzteres iiberragt das Niveau der Descemet'schen Membran naeh der vorderen Kammer zu um ungef~ihr "/4 '='=. und endet hier mit einer ausserordentlich diehten Membran, welehe mit der Iris verwachsen ist.

Die Linsenkapsel ist in ilhnlieher Weise wellen- f0rmig gefaltet und zusammengeroIlt, wie die D e s c e - met'sche Haut. Die Iris ist mit reichlichen Eiterzellen durchsetzt. Der hintere Bulbusabschnitt wurde nach der Erhfirtung durch einen in meridionaler Richtung und durch den Sehnerven-Eintritt geffihrten Schnitt halbirt und dadurch eine klare Uebersicht fiber das Verhalten der:inneren Organe des Auges gewonnen. (Vgl. Taf. III. Fig. 3.)

Der Glasklirper erscheint, kurz gesagt, als ein yon teinen Membranen durchsetzter Eiterpfropf. Die Hya- loidea h~ingt der Netzhaut grSsstentheils nur lose an, nut in der Gegend der. e r a serrata etwas fester.

Die Netzhaut ist yon der Papille der Sehnerven bis zur e r a 'serrata vol!stlindig abgel~st, vielfach gefahet, in ihren hinteren Partieen etwas verdickt, ihr vorderer Abschnitt verdfinnt. Innere und llussere Oberflfiche der

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Retina sind bes0nders im hinteren Abschnitt mit einer aus feinenGerinnungsfasern zusammengeflochtenen, Eiter- k:~rperehen einschlidssenden Masse (ibcrzogen, welche an einzelnen Stellen lest mit der St~ibchenschicht verklebt ist. Die Sffibchenschicht hat sich dabei gerade da, wo sie mit dieser Gerinnungsma~se umkleidet ist, besser erhalte:n, als im Bereich der iibrigen Retina.

Die hinteren (etwas verdickten) Abschnitte der Re- :tina sind reichlieh mit H~imorrhagien durehsetzt, an eini- gen Stellen findet sich die N e r v e n f a s e r s c h i c h t d ich t mit E i t e r z e l l e n erFdllt; w/ihrend in den K~irnerschich- ten sich ein Netzwerk feiner unregelm~issig verflochtener Gerinnungsfasern vorfindot. Nervenfasern und Ganglien- zellen sind im hintoren Abschnitt der Retina hie und da noch nachweisbar; die vorderen verdfinnten Retinal- partieen bestehen nur noch aus atrophischen Resten des Bindegewehsgerlistes.

Die Choroidea ist in ihrem ganzen Umfange be- tr~ieht]ich und ungleichmfissig verdickt; am st~rksten ihre vorderen Partieen. unmittelbar hinte1"~dem Ciliark(irper. Sic bildet hier rundliche Buckel yon 4 - - 5 =~' H~ihe, welehe halb kugelartig in die Bulbusfl~iche vorragen.

Querschnitte dutch diese Partieen zeigen, dass es sich nicht um eine Abliisung der Choroidea yon der Sclera, sondern um eine sehr betr~ichtliehe Infihration des :Choroidealstroma handelt. Es finder sieh n~imlich hier ein sehwammiges Netzwerk feiner Fasern (wahr- seheinlich Gerinnungsfasern), in welchem noch in un- mittelbarer N~ihe der Selera einzelne Streffen der pig- mentirten Stromazellen liegen. In den inneren Schichten treten diese zu sehmalen Biindeln vereinigten Stroma- zellen in reieh[ieher Menge auf, gleiehzeitig finden sieh Massen yon Eiterzellen.

Das Epithel der Choroidea ist normal, hie und da lie- gen auf demselben Eiterzellen und amorphe Gerinnungen.

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Etwa 4 ~ " yon der Papille entfernt, zeichnet sich ein ungeF~ihr 3 ~ grosses Stiick Choroidalstroma durch eine schwarze F~rbung aus, als deren Grund sich eine ungewiihnlich ~reichliche Anfiillung der Stromazellen mit einem sehr dunklen Pigmente ergiebt.

Bemerkenswerth ist e r s t e n s , dass trotz der sehr bedeutenden Verdickung, welche die Choroidea durch Infiltration ihres Stroma erfahren hatte, die Pigment- zellen derselben sowohl im Stroma als im Epithel nut sehr geringe Ver';inderungen zeigten. Die i m Augen- hintergrund vorgefuadene lokale schwarze Verf~irbung der Stromazellen kann miiglicherwcise schon vor der panophthalmitis pr~iexistirt haben; nicht selten jedoch finden sich bei Chorioidifis disseminirte schwarze Flecke im Stroma, h~iufiger finden sich dieselben Ver~inderungen (starke Anfiillung der Pigmentzellen mit einem abnorm dunkeln Pigment) im Epithel.

Zwei t ens , das Vorhandensein einer wirklichen, citrigen Retinitis. Die AnFdllung tier Nervenfaserschicht des hintern Retinalabschnittes mit Eiterzellen l~isst darliber keinen Zweifel, dagegen kSnnte die Durchtr~inkung der Retina mit einer gerinnbaren Fliissigkeit auch als Folge der Chorioiditis aufgefasst werden; das aber ist sicher- gestellt, dass dieselben und andre ganz ~ihnliche Gerin- nungsmassen auch bei prim~iren Retinalaffectionen (wie bei Morbus Brightii) vorkommen.

Die Vereiterung des Glaskiirpers wird man gleich- falls als Entziindung auffassen diirfen.

Dass die Netzhautabliisung als directe Folge der eitrigen Chorioiditis aufzufassen ist, bedarf wohl keiner weiteren Auseinandersetzung.

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Fall VI.

E i t r i g e I r i d o c y c l i t i s ( m i t s y m p a t h i s c h e r I r i t i s

de s a n d e r e n A u g e s ) .

Herr S. aus Stettin, 37 Jahr ah, stellte sich im

vergangenen Winter bei mirvor , wegen Erblindung des

linken Auges, zu welcher sich ganz neuerdings drohende

Zuf'~Ule des redhten Auges hinzugesellt batten. Ich land

auf dem ersteren eine ]rido-Chorioiditis mit iolgendeu

Ch arakteren: Der Bulbus etwas weicher, aber in seiner Form

noch nicht wesentlich ver~ndert, lebhafte subconjuncti- vale Injection; auch wird das Auge nicht frei geiiffnet und thr~int, so wie das andere dem Licht expouirt oder

zur scharfen Fixation verwendet wird; auf der Cornea

nichts Bemerkenswerthes mit Ausnahme einer narbigen

Triibung gegen die inhere Grenze, welche yon einer friihe-

ren Iridectomie herriihrt; der humor aqueus, diffus getr[ibt,

tr~igt'~esentlich zu der scheinbaren Vers der Iris bei.*) Diese ist d'~thlich-gelb~ zeigt dam blossen Auge zahlreiche Gef~isse, besonders in der N~ihe der nach innen angelegten kiinstlichen Pupille, deren ohnedem

*) Der Antheil, den das Kammerwasser an den scheinbaren Farben- verilnderungen der Iris nimmt, ist noeh grSsser, ale er yon den meisten gesch~itzt wird. Es ist nicht allein die yon F, xsudationsproduc~en und emulgirten Ze]len herriihrende diffuse Triibuug', welche bei entziindlichon Affectionen einen gelblichen Sehleier iiber das Irisgewebe wirft, sondem es" ist bei chronischer Iridocyclitis, meines ]~raehtens, aueh wesentlich der im Kammerwasser aufgelSste Bhtfarbestoff, der das Farbenph~nomen erkl~rt. Findeu wir zum Beispiel bei solchen Zust~inden, besonders nach H~morrhagien in die vordere Kammer und in den GlaskSrper die bekannte papageigriine FKrbung der Iris, wobei deren GeFdge nieht wie hei acuten ]~ntz~indungen versehleiert, sondern oft reeht klar entgege n- tritt, so sehen wir in der Regel diese Farbe mit Ausfluss des gelblichen Kammerwassers in einer iiberraschenden Weise sich ver~indern, resp. gauz ziir normalen Irisfarbe zur/ickkehren.

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kleines Bereich, ebenso wie das Bereich der nat(irlichen Pupille, jetzt zum ~'rSssten Theil durch das Pigmentblatt und Exsudationen occupirt wird, so dass man nur mit M(ihe eine dahinter ]iegende cortieale Linsentriibung diagnosticiren kann. Die Fl~iche der Iris ist naeh vorne gedr~ingt~ (]as Gewebe wuchernd; besonders bet schiefer Beleuchtung mit LoupenvergrSsserung sieht man die Oberfi~iche sich in Form k]einer Hiigel erheben, bier und da aucb sammetartig geschwe/lt. Am al~ff~illigsten ist die Verdickung in den stark vascularisirten Partieen, welche sich in der Naehbarschaft der kilnstliehen Pu- pille befinden. Der Liehtschein ist sehr gering. Patient unterscheidet eben das Hell und Dunkel ether intensiv brennenden Lampe und lokalisirt alle Gesichtseindrlieke in Richtung der Sehnervenaxe. Ciliarneurose taucht nur in geringer Iniensiffit periodisch auf, dagegen ist die Berlihrung des Bulbus selbsi~ dem Patienten stets empfiudlich, namentlich aber die directe Betastung der CiliarkSrpergegend durch die Sclera an den meisten Stellen ~iusserst schmerzhaft.

Das recht c Auge ist leicht gereizt, beim Lichteinfall oder bet der Fixation tritt eine feine rosige Injection unter der Conjunctiva horror. Patient kann mit diesem Auge freilieh noch die Schrift Nr. 1 yon J~iger lesen, muss sie abet bis auf 4 Zoll, die Schrift Nr. 4 bis auf 6 Zoll ann~ihern; selbst die schw~iehs~en Concavgl~iser setzen die Distinctionsf'~ihigkeit noch mehr herab. Patient versichert, noch vor ether Woche auf dem Auge seharf in der N•be und i~ der Ferne gesehen zu haben. Jetzt klagt er fiber einen gieichm~ssigen Rauch oder Nebel, der den Bilderr, die gewohnte Precision raubt, ausser- dem fiber allerlei Farben- und Feuererseheinungen, welche ihn sehr be~ingstigen. Bet oberfi~ichlicher Unter- suchung ist, selbst mit dem Augenspiegel, keine Stiirung in den brechenden Medien und inneren Membranen zu

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constatiren, allen fails erscheint der Augenhintergrund etwas matter, als bei einem gesunden Auge. Bei ge- nauer Untersuchung mit Schiefer Beleuchtung Und Loupen-VergrSsserung zeigt sieh dagegen als aus- reichende Begriindung f(ir die geringe Amblyopie die hintere Ho,'nhautwand mit vielen Hunderten ausser- ordentlich feiner, im Durehschnitt vielleicht I/8'nm" mes- sender Pfinktchen bes~t. Diese Triibungen mit der gleich- zeitigen Neigung zur Subconiunctivalinjection und den Beschwerden des Patienten m(issen die Diagnose einer sogenannten h'itis serosa, d. h. einer vorwaltend secre- torisehen Entziindung der Iris motiviren. In der That glauhte ich die vordere Kammer etwas gross und den humor aqueus im leichtesten Grade diffus getriibt zu finden - - Wahrnehmungen, welche jedoch in ihrer ge- ringsten Andeutung nur durch den Vergleich mit einem, hier ibhlenden, gesunden zweiten Auge zu erh~irten sind. Die Licht- und Farbenerscheinungen konnten theils auf eine Hyper~imie der inneren Membranen,*) theils anf eine leichte Druckver~nderung in Folge des iiberm~issi- gen secernirten Kammerwassers, theils auf eine sym- pathische Erregung des Optieus~ durch den linksseitigen Zustand bedingt, bezogen werden.

Ich war sehr geneigt, den Zustand des reehten Auges in eine sympathische Abh~ingigkeit yon der links- seitigen Irido-Chorioiditis zu bringen. Einmal spraeh hierffir der U,nstand, dass das Leiden sich gerade wiih- rend einer Steigerung der linksseitigen Beschwerden entwickelt hatte, zweitens, in dem Zustande des linken

*) Man beobachtet diese subjectiven Lichterscheinungen in der That nicht selten gerade in solehen F~llen van Iritis, in denen sehr zahlreiche feine Triibungen auf der Desoemet'schen Haut entstehen. Es ist wohl begreiflich~ dass die Diffractlonswlrkungen hier die Netzhaut besonder~ irritiren~ namentlich wenn auf Grund einer bes~ehenden Hyper~mie die Reizbarkeit bereits gesteigert ist.

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Auges selbst, die starke Schmerzhaftigkeit der Ciliar- k~irpergegend, drittens die Erfahrung, dass gerade diese Formen secretorischer Iri.tis als Ausgangspunkt evi- denier sympathischer Ophthalmieen, z. B. nach Trauraen, nicht selten vorkommen.

Nach einer Beobachtung yon wenigen Tagen be- schloss ieh, die Enucleation des erblindeten Auges zu machen. Eine neue Pupillenbildung schien mir in kei- ner Weise angezeigt. Abgesehen davon, dass die erste, yon einem sachverst~indigen Collegen verrichtet , ohne Erfolg geblieben war, deuteten die Symptome bier un- zweifelhaft auf eine fioride Cyclitis bin: schon das Er- scheinen grSsserer Gef'~isse in tier Iris argumentirt an solchen Augen Fdr Infiltration der Ciliartheile (gehinder, tar venSser Riickfiuss) sodann die Sehmerzhaftigkeit der Ciliark~irpergegend bei der Betastung und endlich dig Herabsetzung des Lichtseheins bei weicher Consistenz des Bulbus. Die Gefahr einer doppelseitigen Erblindung lag hier zu nahe, als dass man nicht ohne Zaudern h~itte zu dem relativ sichersten Schutzmittel greifen sol- len; ic h sage, zu ctem relativ siehersten, well, wie ich frliher hervorgehoben, die Prognose Ffir das zweite Auge selbst mit der Enueleation des ersten nicht mehr sicher ist, so wie einmal iritische Prozesse sich entsponnen haben. Vor der Exstirpation specificirte ieh die Diagnose in fol- gender Weise : Iritis mit zelliger Wueherung des Gewebes und des Pigmentblattes, Trfibung des Kammerwassers, Cyclitis derselben 1Natur mit Glaskiirpertriibung und einer mehr oder weniger ausgedehnten, vielleieht totalen Netzhaut-AblSsung (letztere auf Grund des schlechten Lichtscheins und der Projection s~mmtlicher Liehtein- driicke l~ings der Sehnervenaxe). Aller Wahrschein- ]ichkeit dehnt sich der Prozess durch den ganzen Tractus der Aderhaut aus.*)

*) Es erging dem Patienten naeh ~xstirpation seines ]inken Auges reeht erwiinseht. Die Punkte auf der I)escemet'schen Haut wurden

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S e c t i o n s b e l u n d und e p i k r i t i s c h e B e m e r k u n g e n .

Yon Dr. C. Schweigger.

]~itrige Irido- Choroiditis, Eiterbildung im Glask6rper, Atrophie und Pigmentirung der vorderen~ AblSsung der hinteren Netzhauthi~lfte.

ErSffnung des Auges im Aequator. Sclera ver- dickt, meistens bis 1,7 Mm. Choroidea ebenfalls dicker als normal. Retina mit blossem Auge und bei LoupenvergrSsserung nicht zu erkennen. Glas- kSrper compakt, gallertartig, an seiner Peripherie ein 2--3 Mm. breiter, dutch etwas dunklere Ffirbung aus- gezeichneter Streifen; yon der Peripherie aus erstreekt sieh ein weitmasehiges Netzwerk hellerer St~eifen gegen das Centrum hin. Hornhaut normal gekrfimmt, durch- siehtig, an der Nasenseite die Narbe einer Iridectomie, die Hornhaut ist hier etwas angeschwollen, so dass die L~inge des Wundkanals 2 Mm. betr~igt, die Vereinigung der Wunde ist durch eiue zellenreiche Zwischensubstanz bewirkt, an der Innenseite der Cornea ist die Wunde nicht gesehlossen, der bei der Iridectomie naeh aussen umgesehlagene Theil der Iris ist mit ihr verklebt, Pig- mentzellen yore Uvealblatt der Iris erstrecken sich auf eine gewisse T~efe in das Hornhautgewebe. Die vor- dere Kammer ist 1,8 Mm. tief und mit einer amorphen EiterkSrperchen einschliessenden lockern Gerinnung aus- gef~illt; der PupiIlarrand der Iris liegt der Kapsel dicht an, zwischen dem Ciliartheil der Iris und der vorderen Kapsel liegt eine ebensolche Gerinnungsmasse, wie in der vorderen Kammer. Die Iris ist etwas naeh vorn gedr~ingt, so dass ein Theil ihrer vorderen Fl~iche an

freilich gr~ber und deshalb aufi~,~lliger, aber viel sp~rlicher, verschwanden endlich ganz~ die Injectionstendenz und die subjectiven Lichterseheinungen bildeten sich zu~iick~ das Sehverm~gen nahm allm~lig zu~ dics Alles mit der Langsamkeit~ die bekanntlich diesen Prozessen elgenthiimlich ist.

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der Hornhaut anliegt; an der Stelle der Iridectomie ist die Iris nahe am Pupillarrand nach aussen umgebogen und der inneren IIornhautwundc adh~irent.

Die vordere Kapsel ist an ihrer Peripherie mit der Iris verklebt, beim Abl0sen der letzteren bteibt etwas UveaIpigment an der Aussenfl~iche der Kapscl haften. Linse in den ~iussel~en Schichtcn leicht cataractSs. Dad Sh'oma der Iris, des Ciliarkilrpers und der Choroidea mit dicht gedr~ingten Eiterzellen durchsetzt. Aehnliche Gerinmmgsmassen, wie in vorderer und hinterer Kam- met finden sich auch an einigen Stellen an der Aussen- fl~iche des Ciliarkilrpers.*) Ein grosser Theil der pig- mentirten Stromazellen der Choroidea ist entffirbt, die noch pigmeatirten liegen zu einzelnen Streifen aggregirt zwischen den Eiterzel|en. Die Glaslamelle der Cho- roidea ist (wegen der Schwellung der ganzen Membran) stark weilenf'drmig gefa[tet.

Der Glaskiirper zeigt sich sowohl an seiner Peri- pherie, als im Inaern ~iusserst reichlich mit Zellen durch- setzt: ein Theil derselben verh~lt sich ganz wie Eiter- zellen, die anderen sind gross, ver~stelt, hiiufig unter ein- ander anastomosirend, gewiihnlich mehrkernig. Manche dieser Zellen sind in fettiger Degeneration begriffen, andere haben einen stark getrfibten In'air und dehnen sich unter Einziehung ihrer Forts~itze zu grossen kuglichen Eormen aus (yon 0,02--0~024 Mm.). (Neben diesen Zellea findet sich meistens ein aus ~usserst fei- nen, eng verflochtenen langen Fasern bestehendes Netz- work, welches sich in Natron aufliist. Es muss vor der Hand unentschieden bleiben, oh diese Fibrillen nicht

~) Jedenfalls sind alle diese Masseu erst unter Einwirkung des chroms. Kali geronnen; aber gerade die Erzeuguug dieser Kunst- produkte ist ein wesentlicher Vorzug der Erhiirtungsmethode, da fliissige Exsudate yon so geringer QuantiK4t bei der Untersuchung eines frischen Pr~parates wahrscheinlich verloren geheu wiirden.

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lediglich a]s Gerinnungsfasern in Fo]ge der Einwirkung des chroms. Kali auhufassen seth.)*)

In den peripherischen Theilen des Glaskiirpers ver- ]aufen s Gef~isse, - - wahrscheinlich directe Fort- setzungen feiner Gef~sse der Retina und tier Papille.

Von der Peripherie, resp. yon der Hyaloidea aus erstreeken sich membran(ise Septa in das Innere des Glaskiirpers, welche an der Peripherie e~lgere, in der Mitre gr~issere, mit einer amorphen Substanz ge- fiillte R~ume einschliessen; die zelligen Elemente ge- hilren lediglich diesen membraniisen Septis an. Die yon diesen Septis umschlossene Glask(irpersubstanz war gelee-arfig und ganz amorph. Im Augenhintergrund ist die Retina yon der Choroidea abge]~ist; der Abstand beider Membranen betr~gt 1--1~/~ Mm. Die Netzhaut- abllisung erstreckt sich naeh unten 6 Mm., nach oben 9 Mm., naeh tier Nasen- und Schl~fenseite 12 Mm.

An der Grenze der Netzhautabl~isung liegt ein schmales h~morrhagisches Gerinsel zwischen Netzhm~t und Choroidea, der gr~isste Theil der zwischen beiden Membranen befindlichen Masse ist locker geronnen und ganz amorph. Eine ebensolche Masse ]iegt in der Nfihe der PaDille, auch zwischen Netzhaut und Glask(irper.

In der N~he tier Papiile sind die Retinal-Elemente noeh zum Theil erhalten, die St~bchenschicht ist noch

�9 zu erkennen, die Kiirnerschichten und das Bindegewebs- gerfist sehr deutlich, yon den nerviisen Elementen keine Spur; jedoch schon in einiger Entfernung yon der Pa-

*) Auf Taf. III. Fig. 1 gebe ich eiue Abbildung dieser anastomo- sirenden Zellen-Netze, bemerke jedoch~ dass ieh der Uebersichtlichkeit wegen eiue Stelle des ])r~parates copirt habe, wo die Gerinnungsf'gden ganz fehlten und die Zellen in ether einfachen Schieht lagen. In natura liegen immer mehrcre solcher ScMehteu, ebenfaUs unter eiuander anasto- mosirend fiber einander, was beziiglieh des ophthalmoskopisehen ]~ffoctes wohl zu beriieksiehtigen ist.

A~'chiv fiir Ophthalmologie. VI. 2. 18

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pille, ungef~ihr in der Mitte der abgelSsten Partie, ist die Retina sehr bedeutend verdfinnt (bis auf 0,05 Mm.) und besteht nur noch aus den verschrumpften Resten des Bindedewebsgerfistes, wetter naeh vorn (an der Grenze der NetzhautablSsung) treten noch einmal Reste der KSrnerschichten auf, um sofort wieder zu ver- schwinden, gleichzeitig finden sieh in der Retina reich- liche Pigmentzellen. Der vordere Theil der Ratina, welcher der Choroidea noch anliegt, ist untrennbar mit derselben verwachsen, im hSchstan Grade atrophirt und reichlich pigmentirt. Im Bereich der NetzhautablSsung ist das Chorioidal-Epithel gr~isstentheils' regelm~issig, i]berall jedoch, wo die Retina der Chorioidea anliegt, befindet sigh das Chorioidalepithel in einem erheblichen Wucherungsprocess, dergcstalt, dass ein grosser Theil des Pigmentepithels in der Retina, oder vielmehr in der dieselbe repr~sentirenden faserigen Membran liegt.

Wir haben hier drei der wichtigsten Consecutiv- zust~inde eitrigerIrido-Chorioiditis neben einander: Netz- hautablSsung, Atrophie und Pigmentirung der Netzhaut und Glask~rpertrSbung.

Die ]rido-Chorioiditis hatte neben der Eiterproduction auch flfissige gerinnbare Exsudate geliefert, die sich in tier vorderen und hinteren*) Kammer, an der Aussen- seite des CiliarkSrpers (rasp. zwischen diesem und der Sclera) und im Augenhintergrund zwisehen Chorioidea und Retina und endlich neben der Papilla des Opticus auch zwischen Retina und GlaskSrper fanden. Letztere waren wahrscheinlich durch die Retina hindurch filtrirt, und nicht yon der Retina selbst gelicfert, denn in diesar

*) Eine hintere Kammer war hier uuzweifelhaft vorhanden, h~chst wahrscheinlieh aber war sie pathologisch vergrSssert, da der Ciliartheil der Iris nach vorn gedr~ingt und eine Strecke welt an die Descemet'sche Mombrall angedrilekt war.

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fanden sieh neben jener hoehgradigen Atrophic keine Ver~inderungen, die man als prodneiiv-entziindlieher Natur.aufzufassen bereehtigt gewesen w~ire.

NetZhautabl~sung fiihrt an sieh nieht znr vglligen Atrophie, sondern racist nut dureh das Mittelglied der Compression, bet totaler Netzhautablgsung pflegen die hinteren strangf~rmig zusammengedriiekten Partieen der Netzhaut zu einer fasrigen Masse zu atrophiren, in weleher man keine Spur tier normalen Retinalelemente findet, w~ihrend die vorderen in Gestalt einer eompaeten Masse an die hintere Fl~ehe der Linse angedriiekten Partieen lange Zeit einen Theil tier normalen Retinal- elemente (Reste der St~ibehensehieht, der KSrnersehieh- ten und des Bindegewebsapparates)eonserviren kgnnen. Wenn dennoeh im vorliegenden Falle ein Theil der ab- gel6sten Netztlaut v311ig atrophirt war, so ist dies wohl nieht F01ge der Netzhautabl~3sung, sondern diese Atro- phie bestand sehon vor derselben als Conseeutivzustand der Chorioiditis. Pigmentimmg der Retina war hier nieht erfolgt, well ttas Chorioidalepithel im Bereieh der Netzhautablgsung seine Regelm~ssigke{t bewahrt hatte; wohl aber in der wetter naeh "corn (an der Orenze aer Netzhautabl6sung) gelegenen Partie, wo das {Jl~orioidal- epithel bereits Unregelm~issigkeiten zeigt. Noeh weiter naeh vorn hat ein intensiver Wuehertmgsproeess der Choroidal-Epithelien ein Eindringen derselben in die destruirten Ileste des Retinalgewebes zur Folge gehabt. Die bekannte ver'istelte Form der Pigmentfleeke, wie sic der gemeinhin als ,pigmentirte Netzhaut" bezeieh- neten Krankheitsform eigenthfimlieh ist, war hier nieht vorhanden.

Die besehriebenen Ver'~nderungen des Glask6rpers geben Reehensehaft ~ber die Natur der bei intensiven Formen yon Irido-Chorioiditis so ~usserst h~iufig vor- kommenden membran;Jsen Glask3rperMibungen.

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Derartige a,ls diebt gedr':ingten geschwollenen und getrfibten Zellenmassen zusammengesetzte Membranen miissen, ganz wie die Hornhaut in einem ~hnlichen Zu- stande, ein bei auffallendem Lichte (Focalbeleuchtung) sehmutzig weissliches, bei durchfallendem Lichte (oph- thalmoskopische Beleuchtung) dunkles Aussehen dar- bieten. Der Vergleich mit gewissen Hornhauttriibungen ist in mancher Beziehuag zutreffend. Man kann bei Kaninchen, (z. B. dutch Alkohol-Einspritzung in die vordere Kammer) eine Form yon Keratitis erzeugen, welche der, die man klinisch als parenchymatlise Kera- titis hezeichnet, ziemlich genau eatspricht, sich aber durch einen viel schnelleren Verlauf auszeichnet. Die IIornhaut pflegt sich in ihrer Totalit/it zu tr[iben, nach eiaigen Tagen entwiekelh sich yore Rande aus gestreckt vorw~irts verlaufende Gef/isse, bald darauf erfolgt die Kl~rung der Cornea, meistens ist dieselbe schon nach 8 Tagen wieder durchsichtig. Als Grund der Tr[ibung ergiebt sich in diesen F/illen nut eine Schwellung und und Triibung der IIornhautzellen, verbunden mit einem ungewfhnlich starken Lichtbrechuogs-VcrmSgen der Kerne. Aehnlich verhielt sich, wie wir gesehen haben, der G[askiirper; man kann also, wenn man will, diesen Beftmd als Entz[indtmg des GlaskSrpers bezeichnen, wobei .iedocb zu beriicksichtigen ist, dass dieser Befund, so viel mir wenigstens bekannt, immer nur als Conse- cutivzustand anderer Ver~inderungen vorkommt.

Man hat sich daran gewSbnt, diesen Trfibungen eine freie Beweglichkeit im GlaskSrper zuzuschreiben, aber gerade deshalb, well man tiiglich Gelegenheit hat, sich yon der Riehtigkdit dieser Anschauungsweise zu iiberzeugen, will ich diese Gelegenheit benutzen, darauf aui'merksam zu maehen, class die hier beschriebenen Opacii~i:teo eiae ~'reie Beweglichkeit nicht haben konn-

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ten. Sie waren theils durch die Continuiffit der yon ihnen gebildeten Septa, theils dutch die Consistenz tier yon ihnen umschlossenen Glask~irper-Intercellularsub- stanz an einer h'eien Beweglichkeit verhindert. Erst wenn (lurch regressive Metamorphosen, z. B. (lurch fet- tige Degeneration, wie sie sich in den hier beschriebe- hen Zellenmassen hie und da vorfand, die Continuit~it dieser Septa geliist wird und~gleiehzeitig dim Intercellular- substanz sich verflfissigt, wird eine freie Beweglichkeit ermSglicht. Ich habe, dureh diesen Befund aufmerksam gemacht, nicht selteu Gelegenheit gefunden, mich in tier Praxis bei den versehiedensten Formen yon Chorioiditis yon dem Vorkommen unbeweglicher Glask~irperopaci- t~iten zu iiberzeugen, die bei erhaltener Durchsichtigkeit der hyalinen GlaskSrpersubstanz nut einen kleineu Theil des Augenhintergrundes verschleiern. Am deutliehsten sieht man diese tri'lben, bei ophthalmoskopischer Be- leuchtung durch eine graue F~irbung markirten Mum- branen dann, wenn man sic in einem m~glichst stumpfen Winkel, d. h. nahezu in der Ebene der Membran be- trachtet.

Die in diesem Fall constatirte Vascularisation der peripherischen Pattie des Glaskiirpers kommt bekannt- lich bei ~ihnlichen Zust~nden nicht selten in viel hliherem Grade vor, diirfte aber immer eine bedeutende Destruction der Retina voraussetzen.

Fall VII.

N e t z h a u t - D e g e n e r a t i o n in F o l g e d i f f u s e r N e p h r i t i s .

Am 27. November des vertiossenen Jahres forderte reich Prof. T r a u b e aui, eiuen in seiner Abtheilung auf

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der Charit6 befindliehen, an Br igh t ' s che r Krankheit leidenden Patienten ophthalmoskopisch zu untersuchen, welcher Tags zuvor pliitzlich erblindet war.*) Ich land das Sehverm~igen bereits theilweise zuriiekgekehrt und gab die Augenspiegeluntersuchung ein durehaus nega- tives Resultat. Dieses uad die Anamnese erwies, dass es sich hier nicht um eine dutch Retinitis bedingte SehstSrung, sondern um eine urilmische Krankheitsform handelte. Patient hatte n/imlich bei Anbrucb des 26. tiber Kop/'schmerz, Gef'fihl yon Hitze, Mattigkeit und Luftmangel geklagt und war gleichzeitig mit diesen S ymptomen Morgens 5 Uhr plStzlich erblindet, so dass er kaum noch das Tageslicht, aber gar keine Gegen- stiinde unterschei'den konnte; am Mittag desselbcn Tages watch epilepto~de Aniiille erfo]gt, mit deren Nachlassen auch das Sehvermtigen wieder aufge- taucht war. Am 28. hatte Patient seine normale Seh- schiirfe wieder erreicht und behielt dieselbe bis zum 25. December, an welchem Tage ein iihnlicher urilmi- scher Anfall sich wieclerholte. Auch bier trat wiederum vollstiindige Erblindung gleichzeitig mit Kopfschmerzen und bald'daraus folgenden Convulsionen ein. Das Seh- vermSgen kehrte zwar binnen 2 Tagen, doch nicht ganz zu seiner normalen Schiirfe zuriick, und ring sogar einige T~ge spilter an," wieder progressiv zu sinken, ohne dass neue Symptome acuter Uriimie sich einstellten. Ich erhielt deshalb am 6. Jan. dieses Jahres aufs Neue die Aufforde- rung, den Patienten ophthalmoskopisch zu untersuehen. Die Sehfunetion war jetzt wesentlich gestSrt, Patient erkannte wohl alle griiberen Objeete, konnte abet we- der mit blossem Auge, noch mit optischen Hilfsmitteln

*) Die Krankengeschiohte des Falles, welche in maneher Bcziehung lehrreieh ist;~ hat Prof. T raube im gerein Berlin er Aerzte mitgel;heilt. Daa Protokoll der Sitzung ist in der Allg. Medic. Centralzeitung 1860. .N'r. 17. ver6ffentliehL

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gewShnliche Druckschrift lesen, aueh vorgehaltene Fin- ger mit Sicherheit nut auf 4 Fuss z~hlen. Das Ge- sichtsfeld war nirgends beschr~inkt, das excentrische Sehen beiderseits nach oben etwas herabgesetzt, nach den anderen Richtungcn verh/iltnissm/issig besser als l~ings der Setlaxe. Der Augenspiegel zeigt linkerseits die Netzhautvenen stark und ungleichm~ssig iiberffillt, ihren Verlauf sehr geschlfingelt, die Arterien relativ eng. Die den Opticus umgebende Netzhaut ist durch eine vollkommen diffuse bl~iuliehgraue Infiltration ge- schwellt, und verhSllt die darunterliegende Pigmentlage, welche erst in einem Abstande yon circa 4 Linien yon der Sehnervencontour allm~ilig wieder hervortritt. Inner- halb der infiltrirt.en Partie zeigen sich zerstreut streifige und tleckige Apoplexien. Manche derselben liegen deut- lich hinter den Gef~issen. Die UeberFdllung tier Venen ist bedeutend wetter nach den Seiten zu verfolgen, als die erw':4hnte Infiltration. Rechts ist der Befund im Wesentlichen derselbe, die Apoplexieen noch zahlreichcr, w~ihrend die venlise UeberFdllung "sich nicht so weir nach der Peripherie auszudehnen scheint. Nur gerade nact~ unten geht die Schl~ingelung und Verbreiterung der Venen bis in die feincren Vertheilungen gegen den Aequator hin, was mir, eben der umschriebenen Loka- lisation wegen, auffallend ist. Da ausserdem nach dieser Richtung der GlaskSrper leieht diffus getrlibt und das Netzhautbild demnach etwas verschlciert erschicn, so wurde damals ,,die Bcflirchtung einer imminenten Netzhautabliisung" zu Protokoll dictirt. Eine wirkliche Abhebung der Membran yon dem Augenhintergrunde war bet der sorgffiltigsten Untersuchung nicht zu constatiren.

Offenbar handelte es sich jetzt um das erste Stadium der flir Nephritis characteristischen Netzhautentartung. Bemerkenswerth war das nur zerstreute Vorkommen yon Apoplexieen, welche sich gew~hnlich in diesem

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Stadium reichlichor finden. Eine Entwiekelung gl'~nzen- tier weisser Plaques und die yon Dr. L i e b r e i c h in dem vorigen Bande dieses Archiv's so treffend abge. bildete Gruppirung dfirfen wir bekanntlich in diesem Stadium noch nicht erwarten. Die Amblyopie konnte wenigstens auf einem Auge nicht l~inger als yon 8 Ta- gen datiren, da dieselbe dem Patienten, der seit dora ersten ur~imischen Anfall auf sein SehvermSgen auf- merksam achteto, nicht entgangen w~re.

Am 20. Januar, also circa 3 Wochen naeh dem hu/2tritt der Netzhautaffection, war es mir gestattet, die Untersuchung zu wiederholem Die Functionen waren noch etwas mehr verfallen. Patient z~hlte Finger nur auf 2 Fuss; es schien beiderseits ein leichter Gesiehts- felddefect nach oben zu existiren; doch konnte ich bei der Hinf~lligkeit des Paticnten weder die fuactionellen St~r'ungen genau prfifen, noeh aueh die peripheri- sehen Theile des Augenhintergrundes mit dem Augen- spiegel genau durehmustern. Ieh besehr~nkte reich darauL die Entwieklung der nm den Optieus herum beflndliehen Infiltration festzustellen. Die diffuse blau- liehe Trfibung war .jetzt yon geringerem Umfang, sie schien sieh mehr um die Papille, ungef~hr in einer Zone yon 3 Linien Breite, welehe naeh aussen nnvoll- kommen gesehlossen war, zusammen zu ziehen; aueh innerhalb dieses Bereiehes war sie nieht mehr so gleiehm~ssig wie frtiher, sondern es ersehienen beson- ders gegen die periphere Umgr~inzung bin, zwisehen getriibteren, -con der Sehnerven-Gr~inze ausstrahlen- den, Streifen, durchseheinendere, ebenfalls streifen- f~rmige Partieen. Ferner markirten sieh hier und da: allerdings mit versehwommenen Umrissen (z. B. links naeh innen und oben wm der Papille), Fleeke, die etwas mehr ins Weissliehe spielteu, aber noeh keiaesweges den starken Reflex der fettig degenerirten Plaques zu-

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rfickwarfen. Grosse streifige Apoplexieen waren noch

sp~rlicher, als bei der ersten Untersuchuug, dagegen

ziemlich viele fleckfS,'mige, racist .ienseits tier GeF~isse.

Die ganze Infiltration scheint sich meilr in die ~iusse-

ren Netzhautlagen einzusenken, da Ge~dssstrecken,

die friiher vol lkommen verschleiert erschienen, jetzt

deutlicher hervortreten und iedenfalls den grSssten Theil

der T r f b u n g hinter sich lassen.*) An der Gegend der

macula lutea konnte ich noch nichts yon Belang ent-

decken.

Am 31. J a n u a r effolgte aufs Neue ein sehr heftiger

ur~mischer Anf'all, wfihrcnd dessen Patient schon ganz

alas Bild eines Moribundus darbot, doch auch aus diesem

erholte er sich nochmals auf kurze Zeit, eben so wie

das sp~rliche, kurz v o r u n d nach dem Anfalle g';inzlich ~ O " erloschene Sehvermo~en. Ich wollte denselben, da

die Beschwerden des Hydrops ausserordentlich gross

waren, nicht noch einma[ mit einer ophthalmoskopischen

Untersuchung qu~len, so (lass ich den Einfluss des letzte-

l~n Anfalls nicht mehr ~'estgestellt habe, eben so wenig, ob die schon bei dcr ersten Uatersuchung beFdrchtete

Netzhautabl(isung sich jetzt wirklich realisirt hatte, wie

'~) Diesen IIergang habe ieh mehrfaeh im Verlauf der nephri- tischeu h'etzhaut-Entartang beobaehtet. So schwebt mir im Augenblick ein Patient, ebenfalls yon Prof. Traube's • vor, den ieh li~ngere Zeit hindureh his kurz vor dem Tode beobaehten konnte, und dessen Augen Dr. Schweigger zur Unt~rsuehung erhielt. Bei diesem Patienten waren anfangs um die Papille sehr viele disseminirte weisse Heerde, innerhalb deren die Netzhaut gesehwellt und die Gefiisse voll- st'~ndig verdeckt ersehienen. Sp~iter confluirten diese Heerde zu einer grossen weissen Plaque um den Sehnerven; aber die Schwellung ging hierbei zuriiek und die Gef'dsse traten an der Inuenfl~ehe der Triibung immer deutlieher hervor und verliefen endlieh so frei fiber dieselbe hinweg, dass man, bei Abstraction yon tier Entwickelung und manehen immer noeh beweisenden Stellen, dem opthalmoskopisehen Befunde nach, die Triibung zum grossen Theil zwisehen Netzhaut und Aderhaut h~tte lokalisiren kSnnen.

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ich es im Ganzen nur bet zwei an dieser Form yon Retinitis erkrankten Individuen beobachtet hatte. Patient fiberlebte den erw~ihnten Anfall circa 14 Tage. ~ie Section erwies das Nierenleiden in der yore Prof. T r a u b e diagnosficirten Form diffuser Nephritis,*) secund~re I:Iy- pertrophie des linken Ventrikels und allgemeinen Hydrops. Die Augen wurden Herrn Dr. S c h w e i g g e r zur Unter- suchung fibergeben. Als Diagnose hatte ich notirt: In- filtration der Netzhaut mit noch nicht oder sp~rlich entwickelter fettiger Entartung (Fehlen weisser Plaques und tier eigenthiimlichen Ver~inderungen um die ma- cula lutea); Apoplexieen, welche zum grossen Theil hinter den Gef~issen liegen; wahrscheinlich mikrosko- pisehe Netzhautver~nderungen, welche sich bedeutend fiber die Grenzen der Infiltration erstrecken (auf Grund der functionellen Sffirungen) leichte Glaskiirpertrfibung (wenigstens im rechten Auge constatirt), periphere Netz- hautablSsung ungewiss (wegen Unvollst~indigkeit der beiden letzten Untersuchungen).

Bemerkenswerth im klinischen Verlauf des Falles ist besonders das Durcheinanderlaufen der ur~imischen Amaurose mit der yon Retinitis abh~ingigen. Es ist kein Zweitbl, dass diese beiden Formen, wie es bereits mehr- faeh (z. B. yon F S r s t e r ) geschehen ist, und wie as die Casuistik natfirlich mit sich gebracht hat, yon einander zu scheiden sind. Ich habe sehr h~ufig F~ille gesehen, in denen die Netzhautentartung schon in ihre sp~iteren Stadien eingetreten war und in denen die Zeichen acu- ter und chronischer Ur~imie g~nzlich fehlten, wenn wir nicht etwa die Symptomatologie der letzteren bis in die

~) Dass das Zustandckommen des Netzhautlcidens nieht an die Form diffuser Nephritis gcbunden ist, beweist ein Befund yon Prof. Traube, in welehem es sich bet amyloidcr Degeneration entwiekclt hare (s. Deutsche Klinik 1859. Nr. 7).

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unbestimmtesten Andeutungen vert'olgen wollen. Um- gekehrt habe ich allerdings nur seltene F~ille gesehen, in welchen amaurotische Erblindung bei Nephritis ohne Bes auf der Netzlmut, als Gerebral-Amaurose, in Verbindung mit ur~imischen Symptomen auftrat; endlich z~ihle ich eine grosse Quote yon F~illen, in welchen~ wie in dem beschriebenen, beide Formcn successive, und wenn man wi]l, gemischt auf'traten. V o r 2 Jahren machte ich eine Zusammenstellung yon 32 in meiner Praxis vorgekommenen F~illen yon Amblyopie bei A1- buminurie; unter diesen war 30real die charakteristische Netzhautver~inderung vorhandcn, 2real kein materieller Befund~ wohl abet exquisite ur'~mische Symptome. Unter jenen 30 F~illen yon Netzhaut-Entartung waren 6real ebenfalls ur~imische Kramp[anf~ille beobachtet, 5real Symptom% die ffir chronische Ur~imie sprachcn, ia 14 F/illen fehlten auch die letzteren vollst~indig, in 5 wurde zum Theil keine Auskunft erhaltcn, oder racine Notizen blieben unausgef'fillt, lch lege auf diese Angaben ein sehr untergeordnetes Gewicht in Betreff etwaiger sta- tistischer Schlfisse (weshalb ich deren Fortf]]hrung vcr- nachl~ssigt babe), weil eine l~ingere Beobachtung die Verh~iltnisse jedenfalls bedeutend ver~indert h~itte, denn sehr leicht kommen ja bei bereits bestehender Netzhaut- affection sp~iter noch ur~mische Symptome hinzu und umgekehrt; nur so viel ist daraus zu erschliessen, class beide Affectionen und namentlich h~iufig die Netzhaut- affection, selbstst~indig vorkommen, was noch imm~r yon einzelnen bezweifelt wird. Dass fibrigens zwischen beiden irgend ein n'~herer Zusammenhang s~attfindet~ mSchte ich eher unterstfitien, als eatkr~iften. Es bleibt immerhin auff$illig, dass ein grosset Theil der an Reti- nitis Erkrankten bald nach dieser Affection ur~misehea Zuf~illen unterliegen, wie es mir in meiner Praxis h~iufig begegnet, auf der andern Seite muss zugegeben wet-

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den, dass zuweilen kurz nach ur~mischen Anflillen Re- tinitis ausbricht, wof'dr obigec Fall, welchem ich noch 2 analoge anreihen kSnnte, ein Beispiel abgiebt. MSg- licherweise ist die Retinitis selbst als ein Symptom der chronischen Ur~imie zu betrachten; alsdann w~iro es auch wohl begreiflich, dass die Ueberladung des Blutes mit Harnstoff odor dessen Zersetzungsprodukten mitunter zuerst odor alleinig auf die Ern~ihrung der zarten Ner- vensubstanz derNetzhaut influirt. Andererseits sprechen manche Umstiinde Fdr die yon T r a u b e aufgestellte An- sicht (s. Deutsche Klinik 1859. p. 314), dass die secund~ire Spannungsvermehrung im Aortensystem den Ausgangs- punkt Fdr das Netzhautleiden bietet. Bemerkenswerth bleibt es in der That, dass in allen meinenFi i l len se- cund~ire Herzdilatation resp. Hypertrophic nachweisbar war. Das constante Vorkommen der Apoplexieen im Begina der Krankheit kann ebenfalls nach dieser Rich- tung ausgebeutet werden, obwohl bet der Textur tier Netzhaut und ihrer Gef~isse das Zustandekommen yon H~imorrhagieen an specieller Bedeutung verliert. Auch ist das Verh~iltniss der Apoplexieen zu der Infiltration ein sehr wandelbares; im obigen Falle z. B. waren die Hilmorrhagieen nicht so zahlreich, im Verh~iltniss zu der ausgedehnten Infiltration, um letztere in einer natiir- lichen Weise an erstere ankniipfen zu kSnnen.*) End- lich ist es mSglich, dass eine tiefere Analyse der yore Gehirn ausgehenden ur~imischen Erscheinungen dereinst ein entsprechendes Band zwischen beiden Affectionen nachweisen wird, wenn sich n~imlich auch f'dr jene im

*) Da wir so h~uflg Netzhautapoplexieea sehen, ohne dass sieh die fragliche Infiltration ankniipft, und zwar in einer unendlich massen- hafteren :Eatwiekluug (z. B. bet den gewShnlichen leiillea yon retinitis apopleetica), so muss immer hier noeh ein besondres Moment, scies priiexistirend in dem Gewcbe der Netzhaut odor in der Blutmasse an- genonunen werden, welches dem :Prozesse eine eigenthiimliehe Rich- tung giebt.

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Gewebe oder in den Gef~sswandungen eine anatomisehe Grundlage fimten sollte.

In diagnostischer Beziehung unterscheidet sich die ur~imische Amaurose schon durch das rasche Auftreten yon der durch Retinitis bedingten. Sie erreieht meist in einigen Stunden, zuweilen in einigen Minuten ihre ItShe, die nicht selten in v611iger Erblindung liegt. Ebenso geht die Rfickbildung verhiiltnissm~issig rasch. Die yon Retinitis abh~ingige Amaurose macht zwar auch zuweilen eine ziemlich brusque Entwickhmg durch, geht abet dann immer stufenweise, indem auf eine innerhalb einiger Tage eriolgte Verschlech~erung ein l~ingerer Stillstand folgt. Sis fiihrt hSchst ausnahmsweise zur vSlligen Erblindung, ich sah dies nur ein einziges Mal. Die Riickbi]dung scbreitet, wenn [iberhaupt, hSchst all- miilig vor sich. Ich besitze drei Beohachtungen, in welchen ausserordentlich ausgedehnte, weisse Plaques auf der Netzhaut spurlos und mit vSUiger Restitution der Funetionen schwanden; eine Thatsache, die sich jetzt e her, als fr[iher erkl~irt, seitdem wir wissen, dass eben das Zwischenbindegewebe besonders der Sitz der fettigen Entartung ist.

Die yon L a n d o u z y zur Zeit vertretene Ansicht, dass die Amblyopie der Entwickelung des Nierenleidens h~ufig vorangeht, kann ich durchaus nicht best~itigen. Allerdings ist sie hiiufig vor dell [ibrigen Beschwerden auff}illig; alsdann handelt es. sich um schleichende Nephritis, deren Symptome iibersehen wurden, Die Untersuchung des Itarns ergiebt einen oft sp~irliehen Eiweissgehalt, und ein sehr geringes speeifisehes Ge- wicht, das Aortensystem befindet sich in erhShter Span- nung, der linke Ventrikel ist hypertrophisch, resp. zugleich dilatirt; es ist mithin Nierensehrumpfung allm~ilig einge- treten, ohne dass t i e . an te 5rtliche Symptome oder hydro- pische Erscheinungen sich hinzugesellten. So wurden mir

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al]erdings zuweilen Patienten wegen Amblyopie zugeflihrt, deren Aerzte keine Ahnung yon einem veralteten Nieren- leiden hatten ; niemals waren Beschwerden in der Nieren- gegend, auff'~llige Anomalieen im Ham oder Oedeme vorhanden gewesen. Das Ophthalm0scop wies die chh- rakteristische Retinitis nach und die hieraut" angestellte Allgemeinuntersuehung stellte nachtr~glich die erw~ihnte Symptomreihe heraus. Es handelte sieh mithin um Nieren- schrumpt'ung, welehe auch in einem Fall, wo bald darauf

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ein ur~m~scher Anfall eintrat, dutch die Section besti~tigt ward. Die Retinitis ist also nie ein Prodromalsymptom, sondern gehiirt dem endlichen Stadium der Nierenkrank- heit, n~mlieh der N i e r e n s e h r u m p f u n g an; diese mag durch diffuse Nephritis, amyloide Degeneration (oder viel- leieht noch auf anderem Wege, wof'dr bis jetzt Belege feh- len) hervorgerufen sein. Ein Schwanken der Retinitis mit den Symptomen des Nierenleidens kommt allerdings vor, aber nicht in einer Proportionaliffit, wie sic L a n - d o uzy hervorgehoben. Ich sah bedeutende Besserungen der Netzhaut-Affection bei einer geeigneten Behand- lung ohne Besserung des Grundleidens, und auch Belege Fdr den umgekehrten Hergang k~nnte ich anf'fihren.

In therapeutischer Beziehung habe ich eine Ueber- zeugung nur yon dem glinstigen Einflusse ~rtlieher Blutentleerungen gewonnen. Ich rathe dringend zu denselben, wenn nicht wichtige Contraindicafionen in dem All~emeinbefinden vorliegen. Als die wirksamste Form dei" Blutentleerungen land ieh die Application des Heurteloup'schen Blutegel an die Schl~fe mit den ge- wotmten Cautelen nach jeder. Application. Innerlich

�9 verabreichte ich in der Regel S~uren; ob deren Ge- branch zu den nicht selten erreichten Besserungen bei- trug, m ilchte ich bezweifeln.

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S e c t i o u s b e f u n d . * ) Won Dr. C. Sehwelgger.)

ttypertr~phie, Selerose und fettige Degeneration der blndegewebigen, selerotisehe und ser5se Ausehwolluug nervSser Retinalclemente. Infil- tration der Retina. NetzhautablSsung. Se]erose der Chorioeapillaris.

Locale EntFarbung des Pigmenteplthels in der Choroidea. Diffuse GlaskSrpertriibung.

Aus dem yon Prof. T r a u b e (Med. Central-Zeitung vom 29. Febr. 1860) mitgetheilten Sectionsbefund hebe ich fo[gende Punkte hervor: ,,Das Herz war in seinem Volumen nicht vermehrt; der linke Vemrikel stark ver- dickt, in seinen Wandungen resistenter, sein Muskel- fieisch dunkelroth. Die Volumsverh~ltnisse der Nieren waren normal, die Oberfl~che glatt; die F~rbung der Corticalsubstanz gleichmiissig gelblich weiss, die der Markkegel blSulich roth, so dass man auf den ersten Blick an arnyloide Entartung h~tte denken k~nnen. Die meisten Tubu]i waren yon norma]em Lumen mit Fett- trSpfchen erffillt; an den Glomeruli keine Spur amyloi- der Degeneration, sic waren trfibe, zeigten reichlichen Kernbesatz und warcn durchg'~ngig yon starkem Binde- gewebe umgeben. Zwischen den Tubuli zeigten sich stellenweise ziemlich reichliche Anh~ufungen neugebil7 tel' Kerne."

Das linke Auge wurde bei der Section erSffnet, ,]as rechte erst nach der Erh~rtung untersucht.

L i n k e s Auge . Die Papilla n. opt. ist umgeben yon einem in der

Gegend der macula lutea nicht geschlossenen ringFSr- migen Wall der nach der Peripherie hin in zackige

*) Im Hinblick auf dnige welter unten mitzutheilende F~ille der- selben Krankheit, will ieh diesen Fall mit I. bezeichnen.

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Strahlen ausl~ui't, die, wo. sie in Begleitung eines Ge- f~isses verlaufen, sich etwas welter nach vorn erstrecken, bis zu ether Entfernung yon 9 Mm. yon der Papille, w~ihrend die durchschnittliche Entfer~ung der vor- springenden Zacken 7 M m . , die Entfernung der ein- springenden Winkel des weissen Walles (zwisehen der Basis zweier Ausl~iufcr) 2 Mm. yon der Papilla betr~igt. In und neben diesem weissen Wall zeigen sich streifige Hiimorrhagien.

.Die macula lutea bleibt fret. Jenseits dcr macula lutea verl~iuft halbkreisf6rmig

um den Sehnerven ein weisser Hof, der eine feine, dem Verlauf der Nervenfasern entsprechende Strichelung erkennen liisst, bet sehwacher Vergrgsserung liisen sich diese Striche wieder in gradlinig radi~ir angeordnete Punkte auf. Die ~ussere Grenze dieses Hoies ist etwa 15 Mm. yore Opticus entfernt. In den peripherischen Partieen der Retina bis in die N~ihe der Ora serrata finden sich noch zerstreute weisse Punkte.

Die Untersuchung der erh~irteten Retina ergab einen yon dem gewiihnlichen etwas abweichenden Befund.

Der den Opticus mit Ausnahme der macula lutea umgebende weisse Wall kam nicht, wie sonst meistens, durch eine massenhafte Anh~iuthng yon Fettkllrnchen- kugela zu Stande, sondern dadurch, dass in a l l e n Retinalschichten vorziiglich aber in der ~iusseren KSr- nerschicht eine bet durchfallendem Licht dunkle, aus feinen verfilzten, meistens (vorziiglich in den KSrner- schichten) biischel- oder garbenf'drmig zusammengeball- ten Fasern bestehende Substanz lag.

Diese (Gerinnungs-) Fasermassen pflegten thetis die Retinalelemente als feines verfilztes Netzwerk zu umspinnen, thetis zu grSsseren f'aserigen Convoluten vereinigt, die Elemente der KSrnerschichten auseinander zu dr~ingen. In der N~ihe yon H~imorrhagieen schliessen

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sic Blutk3rperchen ein, in der ~iussern KSrnersehicht gehen sic hie und da in eompaetere Gerinnungsmassen iiber, dutch Natron werden sic, wie die Retina selbst, sehr blass, wiihrend etwa vorhandene FcttktJrnchen- kugeln dadurch sehr deutlich hcrvortreten.

Auffallend ist ferner in nnd neben der Papille eine deutliche Hypertrophic des Bindegewebsgeriisies der Nervenfaserschieht; dieselhe ist nicht nut absolut dicker, als sic der Lokalit~it naeh sein sollte (z. B. 2 Mm. yon tier Papille 0,5 bis 0,54 Mm., w~ihrend die iibrigen Re- tinalschichten, mit Ausschluss der St~bchenschicht, an derselben Stelle 0,18 Mm. messen), sondern die einzel- hen Faserz(ige derselben erscheinen stark verdickt, manchmal auc}| mit reichlichen Kernen durchsetzt. Gleich- zeitig finden sieh einzelne Heerde sclerotisch verdickter Optieusfasern.

Die feineren Retinalgef/isse dieses Bezirkes~ nahe an der Papille'~ sind znm Theil gleichfafls scierotiseh, in ihren Wandungen verdiekt u nd stark lichtbrechend, w5hr~nd (tie grSsseren Gef~sse h'3ufig eine auffallende Entwickelung der Adventitialschicht zeigen. Reichliche tt~imorrhagieen erstrecken sich dutch aIle Schichten der Retina. Fettk(irnchenkugeln finden sich in dem eben beschriebenen Nachbarhezirk der Papille nicht oder nnr ganz ausnahmsweise. In @tiger Entfernung yon der Papille (4--5 Mm.) zeigen sich an einigen Stellen reich- lichere, an andern sp~irlichere Fettk0rnchenkugeln in den KSrnerschieh~en, ~hnlich verhahen sich die faserigen Einlagerungsmassen.

Bis auf eine Entfernung yon 6 Mm. yon der Papille kommen einzelne Nester sclerotisch verdickter Optieus- tasern vor, gleichzeitig mit bedeutender Dickenzunahme der Nervenfaserschicht und Ilypertrophie ihres Binde- gewebsgeriistes. Cf'. Tar. Ill. Fig. 5.

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In noch grSsserer Enffernung yon der Papille, 12--15 Mm., wo sich bei der Untersucimng des frischen Pr~parates der den Opticus halbkreisfSrmig umgebende weisse radi~r gestriehelte Hof zeigte, sind keine Ein. lagerungsmassen mehr vorhanden; als Ursache der ra. diiiren Streifimg finder sieh bier eine auff'~llige Ver~n,te- rung der Endignngen der R adi~rlasern an der Limitans. Dieselben erscheinen auffallend stark refleetirend und verdiekt (0,015 bis 0,02 in einem reehtwinklig auf den Verlaulf der Nervenfasern gef[ihrten Durchschnitt), eiae Ver~inderung, die man gleiehfalls als Selerose be- zeiehnen kann. Gleiehzeitig finden sieh Fettkgrnehen- kugeln in den inneren Retinalsehiehten a u s g e s t r e u t . .

Es ist schliesslieh noeh zu erMihnen, dass die St~ibehenschieht siela fiberall abgelSst hatte und grgssten- theils verloren ging, wghrend sic in unmittelbarer N~he der Ptipille zwar noeh vorhanden, abet an ihrer fi'eien (Choroideal-) "Fl~iche theils yon einem dichten Filz einer

�9 Gerinnungsmasse, theils yon einer gesehiehteten Zellen- lage [iberzogen war. Diese mehrfaeh 5bereinandei' ge- sehtchteten Zellen waren zum Theil braun pigmentirt und mussten als Derivate des Choroidalepithel s auf- gefasst werden. - - Bei Besehreibung des reehten Auges komme.n wit; auf diesen Beftmd, so wie auf das Ver- halten der Papille und der Chorioidea zur~iek.

R e e h t e s Auge . VertieaM)urehsehnitt in der Axe des Sehnerven. Die Papille ist stark geschwelh untl zeigt eine kleine

eentrale Vertiefung, deren Grund 1,5 Mm. [iber der La- mina eribrosa liegt.

Der GlaskSrper ist bis in sein Centrum reichlich durehs~it mit sehr feinen dannen, gewShnlieh lekht va- rieSsen, abet unver/istelten, immer etwas gekr[]mmten F/iden, naeh der Perilaherie hin werden dieselben immer kiirzerun'd erscheinen endlieh ganz punktfSrmig.

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Die /iussersten Sehiehten enthahen sp/irliehe Glas- kiirperzellen, die meist vergrSssert sind und deutliche Kern- und Zellentheilungen erkennen lassen. Die Zel- len gehen dabei durch Einziehen ihrer Ausl~infer in rundliche Formen fiber, welche bis 0,04 Mm. gross werden.

Zwischen Netzhaut und Chorioidea finder sicb, dem ganzen Umfang der ersteren entspreehend, eine an der Eintrittsstelle des Sehnerven der Retina lest anhafiende Membran. Dieselbe bestebt griisstentheils aus einem feinem Netzwerk ~usserst dfinner F~iserchen, auf welchem tbeils mehr oder weniger enff~irbte Choroideal- epithelien in regelm~issiger Anordnung, theils unregel- m/issig gestaltete, rundliche, eckige oder zackige, braune Pigmentmoleeule enthaltende, nicht selten mehrkernige Zellen liegen, meist sind dieselben etwas griisser, als normale Choroidealepitbelin und offenbar Derivate der- selben. Dazwischen liegen die abgeliisten Elemente der Stiibehenschieht, untermischt mit KSrpern, welche ver- /inderte Zapfen zu sein scheinen: kolbig, gewiihnlieh mit einem, seltener mit zwei (einander gegeniiberstehe~l- den) kurzen fadigen Ausl~ufern versehen, bis 0,022 Mm. gross~ stark lichtbrechend, im Innern granulirt und hiiufig ein kerniihnliches KSrperchen enthaltend, erinnern die- selben auffallend an die ~ihnlichen Formen selerosirter Opticusfasern, w~ihrend die verfilzten (Gerinnungs-) F~i- den grosse Aehnlichkeit mit den in der Retina liegen- den gleichen Massen zeigen. - - Ganz dieselben Massen sind hie und da am Choroidalepithel h~ingen geblieben, nur dass sie hier h~iufiger mit amorph geronnenen Mas- sen untermischt sin&

An der Nasenseite liegt zwischen Retina und Cho- rioidea eine etwa bohnengrosse, ganz amorphe Gerin- nungsmasse. Die dadurch bewirkte NetzhautablSsung erstreckt sich, nahe an der Ora serrata beginnend,

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his etv~as hinter den Aequator, miss~ in iiquatorialer Richtung 12 Mm., in meridionaler 10 Mm. und ist 3--4 Mm. tier.

(D.,er Ort dieser NetzhautablSsung ist ungewShnlich ; da es abet hinl'anglich constalirt ist, dass selbst im lebenden Auge Netzhautabl;3sung~n durch Senknng der Flfissigkeit ihren Ort "andern k~nnen, so kann dasselbe post m6rtem bei verminclerter Spanmmg der Membranen erst recht gesehehen. Wahrscheinlich lag das Auge mit der inneren Seite nach unten in der Erh~irtungs- mischung; die Senkung der Fliissigkeit musste natfirlich vor der Gerinnung erfolgt sein.)

In der Netzhaut derselbe Befund, wie im andern Auge. In der N.ahe tier Papille Gerinnungsfaser-Con- volute in allen Schichten, vorziiglieh in den ilusseren:, hie und da fibergehend in eompaciere Gerinnungs- massen; fettiger Zerfall des Bindegewebsapparates bis hinein in die Enden tier Radiiirxeasern an der Limitans; einzelne feinere Get'asse mit FettkCirnchen spiirlieh be- streut, andere sclerosirt; einzelne Nester sclerosirter Opticusfasern~ untermischt mit FettkSrnchenkugeln. Ein- zelne H~imorrhagieen. Die Gegend tier macula lutea unver~ndert, nur einzelne Elemente der ilusseren K;Jrner- schicht erscheinen vergr~issert, indem sich die Zellen- membran yon dem Kern abgehoben hat, diese Zellen erreichcn dadureh eine Grllsse yon 0,015 his 0,017 Mm., wiihrend der Kern 0,008 Mm. misst.

In den peripherischen Schichten, etwas welter als 15 Mm. yon der Papille~ Fettkiirnchenkugeln in ver- sehiedenen Retinalschich{en.

Die Choroidea zeigt in einzelnen Gef'~ssbezirkcn denselben Prozess; der sich auch in den Retinalgef~issen vorfand und dort als Sclerose bezeichnet wurde. Man sieht die Wandungen der Gef~isse stark verdiekt: alas Lumen bedeutend verengert oder ganz aufgehoben~

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das gesammte Gef'~iss elwas verbreitort und geschl~ingelt. GewShnlich l~isst sich dieser Prozess yon den Kapillaren aus his in die Wandungen gr~3sserer Gef~sse zur~'lck vertblgen (vergl. Tar. IV. Fig. 8). Das diesen ver. /inderten Gef~issbezirken anliegende Choroidealstroma ist dtwas compacter und fester adh~irent, ~'lberall sprechen sich in dem Bindegewebe der innersten GeF, qssschicht leichte Reizungserscheinungen durch VergrSsserung der BindegewebskSrperehen aus. Die braunen Pigmentzellen des Stroma u nverilndert, die Epithelien der innern Ober-. tt~iche leicht entf~irbt und fester an der Glaslametle hat'- tend, als die normalen.

Leichte Ver~inderungen des Choroidealepithels finden sich an mehreren Stellen auch ohne Sclerose der Choriocapillaris.

Endlich will ich noch erw/ihnen, dass in beiden Augen das reticulum des CiliarkSrpers cine ungew~hn- lieh starke Entwickehmg zeigte, besonders in seiner hinteren, dicht an der ora serrata gelegenen Pattie.