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ANNALEN DER CHEMIE IJND PHARMACIE. ~ ~ CXXX. Bandee drittes Heft. Beitrage zur Kenntnifs der Diglycolsaure ; von W. Heirats. Durch die Arbeiten von P a s t e u r ist dargethan, dafs die Aepfelsaure gleich wie die Weinsaure Modificationen bilden kann, die sich besonders durch ihr Verhalten gegen das polarisirte Licht unterscheiden. Man kennt eine active, nach links drehende und eine inactive Aepfelsaure. Spater wurde von mir *) die mit der Aepfelsiiure iso- mere Paraapfelsaure entdeckt , welche ich aus Monochlor- essigsdure durch Zersetzung mittelst basischer Substanzen neben Glycolsaure erhielt. Fast gleichzeitig stellte W ur tz**) dieselbe Saure aus dem Diiithylenalkohol dor, indem er ihn mit Sdpetersaure oxydirte. Er nannte sie Diglycolsiure, welchen Namen ich dann *+**) adoptirte, da er offenbar die Constitution derselben besser andeutet, als der Name Para- iipfelsaure. Neuerdings hat nun K a m m e r e r -f) wiederum eine der Aepfelsaure isomere Saure angezeigt, die er Isomalsaure *) Pogg. Ann. CIX, 47OC. ***) Pogg. Ann. CXV, 280*. **) Compt. rend. LI, 162, ; cliese Annalen CXVlI, 136*. j-) Journ. f. pract. Chemie LXXXVIII, 321*. Annal. d. (:hem. u. Pharm. CXXX. Bd. 3. BeR. i7

Beiträge zur Kenntniss der Diglycolsäure

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Page 1: Beiträge zur Kenntniss der Diglycolsäure

ANNALEN DER

CHEMIE IJND PHARMACIE. ~ ~

CXXX. B a n d e e d r i t t e s H e f t .

Beitrage zur Kenntnifs der Diglycolsaure ; von W . Heirats.

Durch die Arbeiten von P a s t e u r ist dargethan, dafs die Aepfelsaure gleich wie die Weinsaure Modificationen bilden kann, die sich besonders durch ihr Verhalten gegen das polarisirte Licht unterscheiden. Man kennt eine active, nach links drehende und eine inactive Aepfelsaure.

Spater wurde von mir *) die mit der Aepfelsiiure iso- mere Paraapfelsaure entdeckt , welche ich aus Monochlor- essigsdure durch Zersetzung mittelst basischer Substanzen neben Glycolsaure erhielt. Fast gleichzeitig stellte W u r tz**) dieselbe Saure aus dem Diiithylenalkohol dor, indem er ihn mit Sdpetersaure oxydirte. Er nannte sie Diglycolsiure, welchen Namen ich dann *+**) adoptirte, da er offenbar die Constitution derselben besser andeutet, als der Name Para- iipfelsaure.

Neuerdings hat nun K a m m e r e r -f) wiederum eine der Aepfelsaure isomere Saure angezeigt, die er Isomalsaure

*) Pogg. Ann. CIX, 47OC.

***) Pogg. Ann. CXV, 280*.

**) Compt. rend. LI , 162, ; cliese Annalen CXVlI, 136*.

j-) Journ. f. pract. Chemie LXXXVIII, 321*.

Annal. d . (:hem. u. Pharm. CXXX. Bd. 3. BeR. i 7

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258 H e in t I, Beitrage zur Kenntnifs

nennt, und welche er aus einem Silbersalz abgeschieden hat, das sich aus einer sogenannten Vervielf~ltigungsfliissi~keit der Photographen abgesetzt hatte. Aufserdem giebt er an, dafs die nach der Methode von K e k u I e aus Monobronibern- steinsaure gewonnene Saure ebenfalls verscliieden sei von den beiclen Aepfelsauren sowohl, als von der Isornalsiure.

Wir wtlrden dernnach jetzt f u n f verschiedene isomere KBrper von der Zusmmensetzung der Aepfelsaurc kennen. K a m m e r e r zahlt nur vier derselben auf. Orenbar ist ihm, so wie C a r i u s , der uber seine Untersuchung der natur- historischen Cesellschaft in Heidelberg vorgelragen hat, die Existenz der Diglycolsaure unbekannt. Es ist dieh u m so mehr zu bedauerri, ais dieselbe mit der Isomalsaure grofse Aehnlichkeit hat, und daher die Frage entsteht; ob diese Sauren nicht identisch sein mbchten. Dagegen spricht frei- lich, dafs die dem Augit ahnlichen Kryslalle der freien Isornal- saure nach K a m m e r e r luftbestiindig und wasserfrei sein sollen, wahrcnd die graden rhombischen Prismen der Digly- colsaure niit einein Molecul Wasser (11’0) krystallisiren, wel- ches sie bei trockener Left, d ine zu zerfallen, abgehtm, in- dem sie weirs und undurchsichtig werden. Auch die Be- mhreibung der Eigenschaften der weriigen Sdze der Isonial- s h e , welche Kam m e r e r untersucht hat, weicht in manchen Punkten von den Angaben ab, wclche ich uber die ent- sprechenden diglycolsauren Salze gemacht Babe. Indessen wiire ohne Zweifel eine vergleichende Untersuchung der Diglycolsaure und Isomalsaure erfordcrlich, bevor die Nicht- idenfitat derselben entschieden ausgesprochen werden durfte.

K a m m e r e r bezeichnet das Silbersalz der Isomalsaure als characteristisch. Cerade das Silbersalz der Diglycolsaure habe ich nicht naher untereucht, weil es friiher W u r t z snalysirt halte. K a tn in e r e r beschreibt das isornalsaure Sil- beroxyd als einen weifsen, anfangs flockigen Niederschlag,

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dcv Diglycolsifure.

der durch Erwarnien mit Wasser in sechsseitige, mikroscopi- sche Tlfelchen verwandelt wird.

Bei einem Versuch , das diglycolsaure Gilberoxyd darzu- stellen, erhielt ich es als einen anfangs flockigen Niederschleg, der unter dem Mikroscop nur ganz undeutlich krysiallinisch erschien. Hier uiid da glaubte ich concentrisch gruppirte Nadeln zu crkennea. Beim Erhitzen mit Wasser gingee d h e Nadeln in deutliche sechsseitige Thfelchen iiber , die aber auch unter dem Mikroscop zu klein erschienen, als dafs es rn6glich gewesen ware, die Winkel derselben genau zu messen. Diese Krystallchen sind eigentlich rhombische Tafeln mit einem Winkel von circa io00, deren spitze Winkel aber in den allermeisten Fallen niehr oder weniger, wie es scheint, grade abgestumpft sind.

Hiernach diirfte meine Vermuthung , die Isornalslure sei nichts anderes als Diglycolsaure, nicht ganz ungerechtfertigt erscheinen. Leider hat Ka m m e r e r das Kalksalz seiner Saure nicht untersucht. Der diglycolsaure Kalk zeichnet sich bekanntlich durch die aufserordentliche Schwerloslichkeit, durch seine Krystallisirbarkeit und seinen reichen Gehalt an Krystallwasser (6 H'e) aus.

Die Biltlung der Diglycolsaure aus dem Diathylenalkohol erklart W u r t z sehr einfach durch die Umwandlung der beiden Atome Aethylen, welche sich in diesem Alkohol be- finden, in zwei Atome des zweiatomigen Radicals der Glycol- siure, des Oxathylenyls (Cli2H20). Sowie der Aethylenalkohol (Glycol) durch Oxydation in GlycolsCure iibergeht, so mufs der Diiithylettalkohol durch dieselbe chemische Action Diglycol- s iure liefern. Folgendc Gleichungen erllutern den Vorgang :

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260 E e in t e, Beitrage zuv Kenninifs

Diese Reaction war eben der Grund , wefshalb W u r t z diese S u r e Diglycolshre nannte. Ich *) habe mich spater bemuht, in der Synthese derselben weitere Beweise fur die Ansicht, dab in der Diglycolsaure zwei Atome des zwei- atomigen Radicals der Glycolsaure enthalten seien , aufaufin- den, allein diese Versuche waren nicht rnit Erfolg gekrBnt. Dessen ungeachtet hielt ich **) die Formel :

aufrecht, indem ich mich auf die Versuche von W u r t z stutzte ***). - Aus dieser Forniel ist ersichtlich, dafs ich

die Diglycolsiiure als Glycolsaure HI* Ie ansehe , in

welcher ein Aequivalent extraradicalen Wasserstoll's durch

das einatornige Radical der Glycols~ure, " " ~ [ 8 vertreten

ist, und da der extraradicale Wasserstoff desselben in der Diglycolsaure durch Metalle leicht ersetzt werden kann , so

GZHW

H

mufs das Radical Aciglycolyl (6'H2~16) oder besser E8HP I HI*

als entfernteres Radical dieser Saure angesehen werden. 1st diefs der Fall, so lafst sich erwarten, dafs die Di-

glycolsaure hei geeigneter Behandlung in Glycolsaure wird riickverwandelt werden konncn. Einen Beweis dafur habe ich fruher schon dadurch geliefert, dafs ich nachwies +), dafs die Diglycolsaure bei der trockenen Dcstillation in der That etwas Glycolsaure liefert, wahrend allerdings der gr6fste Theil der Siiure unzersetzt ubergeht. Es ist nicht zu er-

*) Pogg. Ann. CXV, 456- ff. **) a. a. 0. 5. 281*.

***) a. a. 0. S. 465*.

t) Diem Annalen CXXVIlI, 129*.

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der Dig Zycolsaure. 264

warten, dafs die Diglycolsiure durch Einwirkung von Jod- wasserstoffsaure einfach in Glycolsaure uingewandelt werden konne, weil jenes Reagens nur Wasserstoff zufuhren kann, zur Diglycolsaure aber Wasser hinzukominen mufs, wenn sie in Glycolsiure ubergehen soll.

In einer friiheren Arbeit habe ich+) aber dargethen, dafs die Oxacetsauren, d. h. diejenigen IiGrper, die als Gly- colsaure betrachtet werden k6nnen, in der der negative Wasserstoff durch ein Alkoholradical vertreten ist , unter der Einwirkung des Jodwasserstoffs in die Jodverbindung des Alkoholradicals, Glycolsaure und Essigsaure iibergefiihrt wer- den. Es war zu erwarten, wenn anders die Zusammensetzung der Diglycolsaure mit Recht durch obige Formel ausgedruckt werden darf, dafs auch die Diglycolsaure durch Jodwasser- stoff in Glycolsaure und Essigsaure verwandelt werden k6nne nach der Gleichung :

6'H8Q5, 2JH = 6zH4C+z, 6'H4Q3, 2J. Da aber die Glycolsaure selbst durch Jodwasserstoff in

Essigsaure ubergefuhrt werden k a n n , so liegt es nahe, dab allein von dem Uinstand, welcher von den beiden agirenden Horpern irn ffeberschufs vorhanden ist, es abhangig ist, ob das Product der Action nur aus Essigsaure, oder aus Essig- und Glycolsaure besteht. 1st Jodwasserstoff uberschussig, so rnufs Essigsaure allein das Endproduct der Zersetzung sein, waltet dagegen die Diglycolsaure vor, so mufs neben Essig- saure Glycolsaure entstehen. Erstere Zersetzung kann durch die Gleichung

ausgedruckt werden.

gerec.htfertigt sind.

6'HdQ5, 4 JH = 2 (6*H443') ,Hp43, 4 J

Versuche haben gelehrt , dafs beide Voraussetzungen

___

*) Pogg. Ann. CXIv, 475*.

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262 He in t I ~ BeitrKp zttr Kenntntxs

A h ich Diglycolsaure mit uberschfissiger Jodwasserstuff- siiure in einern zugeschmolzenen Rohr 12Stunden auf 120° C. erhitzte, war eine tiefbraune Flussigkeit entstanden , in der das ausgeschiedene Jod aufgelost blieb. Gase hatten sich nicht gebildet. Als die Flussigkeit der Destillation unter- worfen wurde , ging eine stark saure, dunkelbraun gefarbte Flussigkeit iiber, wihrend eine noch dunkeler gefiirbte zu- reckblieb, aus der sich nun eine bedeutende Menge Jod ab- geschieden hatte. Dieses wurde durch Filtration gctrennt und das Filtrat im Wasserbade verdunstet, wobei nur eine Spur einer nicht fluchtigen Substanz zuruckblieb, die mit Kalk gesattigt nur eine sehr kleine Menge eines jodhaltigen Salzes erzeugte. Glycolsaurer und diglycolsaurer Kalk konnte darin nicht entdeckt werden.

Das Destillat schfittelte ich zuerst niit Quecksilber, uin

das freie Jod zu entfernen, worauf die Flussigkeit mil koh- lensaurern Natron alkalisch gernaclit und dann wieder mit Weinslure stark iibersattigt wurde. Bei der Destillation ging nun eine stark saure Flussigkeit iiber, welche mit kohlen- saurem Natron neutralisirt und verdunstet eine verhaltnifs- niafsig grofse Menge eines Natronsalzes lieferte, das alle Eigenschaften des essigsauren Natrons b e d s .

Die Losung desselben in Wasser wurde nainlich mit Eisenchlorid tief roth gefarbt und entwickelte mit Schwefel- saure verrnischt den Geruch nacli Essigsaure. Die allioho- lische Losung stiefs auf Zusatz von coticentrirter Scliwcfel- saure beiin Kochen der Mischung den characteristischen Geruch des Essigithers aus. Als die wiisserige Losung des- selben niit salpetersaurem Quecksilheroxydul gemischt wurde, entstand ein weifser Niederschlag , der beiiti Kochen init Wasser sich zwar grau farbte, aber aus der filtrirten heifsee Losung schieden sich wieder Krystalle rnit allen Eigenschaften

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der Diglycolsaure.

des essigsauren Quecksilberoxyduls aus. hielt sich salpetersaures Silberoxyd.

Wenn hiernach schon kein Zweifel rnehr sein kann, dafs die Saure in diesern Natronsalze reine Essigsaure war , so habe ich doch die Sicherheit dieses Schlusses durch die Analyse des Silbersalzes derselben befestigen zu miissen geglaubt.

Genau eben so ver-

0,3307 Grm. des einmal umkrystallisirten Salzee lieferten 0,2137 Grm. Silber. Das Salz enthielt hiernach 64,132 pC. Bilber; nach der Kechnung uriter der Voraussetzring, dab es reines ersigsaures Silberoxyd sei, sol1 es 64,G7 pC. Silber entbalten.

Bei einem Versuch, der rnit iiberschiissiger Diglycolsiiure, genau wie der beschriebene, ausgefuhrt wurde, waren die Erscheinungen ahnlich aber nicht gleich. Nach zwdfstiindiger Einwirkung der Warme auf das Gernisch von Diglycolsaure ini t Jodwasserstoff war eine dunkelhraune Flussigkeit ent- standen, die kein Jod ahgeschieden hatle. Als sic der De- stillation unterworfen wurde, ging rieben vieleni Jod eine hraunliche gelbgefarhte Flussigkeit iiber, die nur Spuren von Jodwasserstoff enthielt. Sie wurde von dtm Jod abfiltrirt, rnit Quecksilber geschuttelt u n J von Neuern filtrirt. lhr Ge- ruch war der einer ziemlich stnrken Essigsaure. Alle eben schon erwiihnten Reactionen wiesen iibereinstimmend die Ge- genwart dieser Saure nach.

In dem Ruckstarid ia der netorte, welcher init elwas Wasser verdunnt worden war, fand sich nun auch etwas ausgeschiedenes Jod. Er ward filtrirt und linter i0o' 'C. zur Trockene verdunstet. Der noch etwas Jod enthaltende Riick- stand wurde rnit Wasser verdunnt , filtrirt , rnit Quecksilber geschiittelt, nochmals filtrirt und nun kochendheifs mit Kalk gesiittigt. Die hinreichend concentrirte filtrirte Fliissigkeit setzte zunachst Krystalle von dig1 ycolsaurem Kalk ab. Die davon getrennte , weiter eingedampfte Mutterlauge erstarrte

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264 He an t z , Beitriige zur Kenntn$

beim Erkalten ganz wie eine concentrirte Losung von gly- colsaurem Kalk.

Nach zweirnaligent Unikrystallisiren dieses Salzes benutzte ich es zu einer Wasser- und einer Kalkbestirnrnung, um seine Identitat rnit deni glycolsauren Kalk aufser Zweifel zu setzen.

0,2324 Grin. des Iiifttrockenen Sslzes verlorcii hei I2O0 C. 0,0651 Grm. an Gewicht und hinterliarsen gcgliiht 0,0500 Grrn. Kalk- erde, entsprechcnd 28,Ol pC. Wasser und 21,51 pC. Kalkerde.

Die Pormel

verlangt 27,48 pC. Wasser und 21,37 pC. Kalk *).

Vorstehende Versuche liefern den Beweis, dafs in der That, so wie die Diglycolsaure in die Lage versetzt wird, Wasserstoff aufzunehmen , die beiden Radicale Aethylenyl in derselben von einander getrennt werden. Beirn Beginn der Einwirkung wird neben Essigsaure Glycolsaure gebildet. Wird die Zersetzung bis zu Ende gefuhrt, so entsteht BUS

der Glycolsaure ebetifalls noch Bssigsaure. Die .Qtialogie zwischen der Diglycolshure und den Oxacetsaureti liegl durch diese Versuche deutlich vor.

Allerdings lehren sie auch sehr wichtige Unterschiede beider kennen. Diese basiren aber weniger auf weseritlicli verschiedener chernischer Structur derselben , als vieltnchr darauf, dafs in dent einen Palle das an die Stelle des nega- then Wasserstoffs der Glycolsaure getreterie Radical ein Al- koholradical ist, welches sicli selbst bei Gegenwart von Wasser leicltt rnit Jod verbinden kann, wahrend in der Diglycolsaure diese Stelle das Aciglycol einninimt, welches, wenn es uber- haupt irn Stande ist, sich rnit Jod zu verbitiden, in dieser Ver-

*) In Betreff des Wassergehalts dcs lufttroclcenen glycolsanrcn Kalks eiehe Pogg. Ann. CXXII, 259.

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der Diylycolsaure. 265

bindung bei Gegenwart von Wasser nicht bestehen kann, durch dasselbe vielirielir in Glycolsaure und Jodwasserstoff- saure ubergehen mufs. Man konnte sich den Vorgang so vorstellen, dafs iin ersten Moment aus der Diglycolsaure unter dem Einflufs der Jodwasserstoffsaure Jodaciglycolyl und Gly- colsaure entstiinde, nach der Gleichung

dafs dann das Jodaciglycolyl durch Wasser in Glycolsaure und Jodwasserstoffsaure ubergefuhrt wurde nach der Glei- chung

und dafs die Bildung der Essigsaure erst durch weitere Ein- wirkung der Jodwasserstoffsaure auf die Glycolsaure eintrete. Diese Annahme, welche die vollstandige Analogie der Zer- setzung der Diglycolsaure rind der Oxacetsauren herstellen wiirde, ist jedocli so langc ungereclitfertigt, als die Existenz eines Jodaciglycolyls nicht fest steht.

*

Durch diese Betrachtung zu der Frage gefuhrt, wie sich die der Jodwasserstoffsiure so ahnlichc, sicli aher wesentlich dadurch, dafs sie nicht reducirend wirkt, von ilir unter- scheidende Chlorwasserstoflsaure gegen Diglycolsaure ver- halt, habe ich eiiien Versuch in ganz ahiiliclier Weise auch rriit dieser Saure angestellt. Das Resultat desselben scheint in der That dafiir zu sprechen, dafs die Zersetzung in den angedeuteten zwei Phasen verlauft.

Nachdeiti Diglycolsaure getnischt niit rauchender Salz- saure zwdlf Stunden lang irn zugeschiriolzerien Rohr auf 120" C. erhitzt worden war , dampfte ich die vollstandig farblose Lo-

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266 H e i n t z , Beitrage zur K e m t n i f s

sung im Wasserbade ein und verwandelte den Riickstand in Kalksalz. Es war leicht, eine kleine Menge diglycolsauren Kalks von einer weit grcifseren von glycolsaurern Kalk zu trennen.

Bei einem zweiten Versuch steigerte ich, da die Zer- setzung unvollkornmen stattgefunden hatte , die Ternperatur auf 130 bis i40°C., aber auch diefsrnal wurde aus dern Pro- ducte noch ehe njcht unbedeutende Menge diglycolsauren Kalks erhalten. Bei diesem Versuch hatte ich, um zu priifen, ob keine fliichtige Substanz enfstanden war, die Mischung zuerst destillirt, das Destillat mil kohlensaurem Natron schwach alkalisch, dann rnit Weinsaure wieder sauer gemacht und nochmals destillirt. Dieses Destillat reagirte sauer freilich n u r sehr schwach urid behielt diese Reaction auch, als es nochmals destillirt wurde. Ich neutralisirte es mit Kalk , er- hielt aber nur eine Spur eines Kalksalzes, das jetloch in einem Tropfen Wasser gel6st und mit ebenfiills einem Tropfen concentrirter Schwefelsaurc verselzt , den Ceruch nach Essig- sauy deutlich ausstiefs. Weitcre Versuche konnte ich der geringen Menge wegen dniriit nicht anstellen. Hieraus scheint hervorzugehen , dafs auch die Chlorwasserstoffsaure unter Umstanden, wenn auch nur sehr schwach reducirend wir- ken kann.

Glycolsaure ist also das einzige Hwptproduct der Zer- setzung der Diglycolsiiure unter den1 Einflufs der Salzsaure bei einer Temperatur von 130 bis 140” C. Wollte ich dar- aus den Schlufs ziehen , die Verwandlung der Diglycolsaure in Glycolsaure durch die Wassersloffsauren gehe in der That in den erwahnten zwei Phasen vor sich, so wiirde ohne Zweifel eingewendet werden, dieselbe geschehe gar nicht durch diesu Sauren, sondern vielmehr durch das in denselben mit in Anwendung gekommene Wasser, da ja Diglycolsiiure

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der Lhg Zycolsaure. 267

in zwei Moleciile Glycolsaure iibergehen kann , wenn sie ein Molecul Wasser aufnimrnt.

Dagegen spricht allerdings der Umstand, dafs sowohl die Jod - als die Clilorwasserstoffslure in concentrirtestern Zustande angewendet worden waren. Indessen habe ich auch einen directen Versuch angestellt, der diesen Einwurf als ganzlich unbegriindet zuriickweist.

Eine wasserige Losung von Diglycolsaure, welche zwdf Stunden bei einer Temperatur von 130 bis i40° C. erhalteri worden war, lieferte eiri neutral reagirendes Destillat und ein Kalksalz, welches ganz aus diglycolsaurern Kalk besland : selbst aus den letzten Mutterlaugen von der Krystallisation des ersteren Salzes gelang es mir nicht, auch nur eine kleine Menge des glycolsauren Salzes zu erhalten.

Die LBsung des Kalksalzes war, indem sie krystallisirte ini Wasserbade, verdunstet worden. Dershalb enthielt dieses Salz auch weniger Krystallwasser, als tlas in der Kalte an- geschossene. Schon 6fter hatte ich bemerkt, dafs der in der Warme gebildete diglycolsaure Kalk in anderer Weise kry- stallisirte, als dieses. Ich beutzte defshalb diese Gelegenheit, urn den Wassergehalt desselben zu bestimmen.

0,2292 Grm. desselben verloren bei 190° C. 0,0613 Grm. Wnsser, entsprechend 26,74 pC.

3 H 2 8 entsprechen allerdings nur 24 pC. Wasser. Doch glaube ich, dafs Beimengung einer kleinen Menge des wasserreicheren Salzes die Ursache war, d a b die Analyse zu vie1 Wasser geliefert hat, dafs also die Forrnel des in der Warrne krystallisirten diglycolsauren Kallis C4H4Ca485 + 3 H48 ist.

Dafs das Salz aber wirklich diglycolsaurer Kalk war, ergiebt sich aus der Bestimmung des Kalkgehaltes des ruck- sttindigen wasserfreien Salzes.

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268 Heir] t 8 , Beitra,qe zur Renntnib~

0,1679 Grrn. dessetben hinterlieken namlich 0,0545 Grm. Kalk, ciitsprechend 32,46 pC. Der wasserfreie diglycolsaure Kalk eiithiilt 32,56 pC. Kalk.

Ganz analog verhalten sich die Oxacetsauren. Aniox- acetsiure rnit Wasser zwolf Stunden bis 140" C. erhitzt, war nicht zersetzt. Wurde die Losung mit Kalk gesattigt und verdunstet, so l6ste sich der Riickstand, der alle Eigenschaften des anioxacetsauren Kalks behielt, in Alkohol bis auf eine ganz unbedeutende Spur auf , welcher unlosliche Riickstand inoglicher Weise etwas glycolsaurer Kalk sein konnte.

Durch diese Versuche gelangt die Annahme, dafs bei der Zerselzung der Diglycolsaure durch die Wasserstoffsauren zuerst neben Glycolsaure die Haloidverbindung des Acigly- colyls entsteht , welches sich aber durch Wasser sofort in Glycolsaure und die Wasserstoffsaure des Haloids zersetzt, allerdings zu eineni hohen Grade von Wahrscheinlichkeit. Das ist aber gewifs, dafs man nun annehrnen darf, die Di- glycolsiiure werde auch durch Jodwasserstoff zunachst ganz in Glycolsaure umgewandelt, und diese gehe erst durch die reducirende Wirkung der Jodwasserstoffsaure in Essigsaure uber.

Der Urnstand aber, dafs durch Salzsaure nur ein haupt- sachliches Zersetzungsproduct aus der Diglycolsaure gebildet wird, ist insofern von ganz besonderer Wichtigkeit, als darin ein entschiedener Beweis fur die Richtigkeil des Satzes, in der Diglycolsaure seien zwei Aequivalente des zweiatomigen Radicals der Glycolsaure enthalten , gefunden werden kann. 1)enn sowie zwei Atome Monochloressigsiure , von denen jedes ein Atom des Radicals Oxathylenyl elithalt, bei der Bildung eines Atoms 1)iglycolsiiure concurriren , so zerfiillt ein Atom des letztercn (lurch Salzsaure in zwei Atome Gly- colsaure , von denen wiederuni jedes ein Atom desselben

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der Diglycols6ure. 269

Radicals Oxathylenyl enthalt. Der Schlufs lie@ nahe , dafs auch in der Diglycolsiiure diese beitlen Radicale Oxathylenyl enthalten gedacht werden inussen und das wird am Besten ausgedruckt durch die Formel

H a l l e , den

B eitriig e

von

Gestutzt auf

16. Februar 1864.

zur Keniitiiifs des Coniins ;

Prof. Theodor Wertheim *). -~

11.

1. Azoconydrin. einen Versuch zur Bestimmung der Dampf-

dichte des Azoconydrins stellte ich in meiner e rs ten , unter obigem Titel verofTentlichten Arbeit (siehe diese Annalen CXXIII, 157) fur diese Substanz die Formel Cs,H6,N,04 auf.

Allein indem ich seither diesen Versuch mit gesteigerten Beimischungen von permanentem Gas mehrfach wiederholte, gewann ich die Ueberzeugung , dafs die damals ausgefiihrte Bestimniung ein vollig irrthumliches Resultat geliefert habe; denn in dem Mafse, als das Verhiiltnifs dieser Beimischung stieg, erhielt ich nach und nach imrner kleinere Dampfdichten, bis sich zuletzt, und zwar erst bei einer Beimischung von 12 bis i9 Volumen permanenten Gases auf 1 Volum Azocony-

*) Bus den Sitzungsberichten der Wiener Acndemie vom. Verfnseer Initgetheilt.