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Beitr~.ge zur Kenntniss des Faserverlaufs im Rt~ckenmark. Von Dr. P. Sehiefferdeeker. Assistenten am physiologischen Institut der Universit~t Strassburg. gierzu Tafel XXXII, XXXIII und XXXIu Mit Untersuchungen fiber den Verlauf der Nervenfasern im Rackenmark der hSheren Wirbelthiere beschSftigt, gelang es mir vor Kurzem einige Prii.parate herzustellen, welehe mieh durch die Klarheit, mit welcher sie den Faserlauf erkennen liessen, (iberraschten. Bei der Dunkelheit, die auf diesem Gebiete der mikroskopischen Ana- tomie noch immer herrscht und bei der Wichtigkeit, welche auch noch so geringe hufschlfisse aber den Bau der Centralorgane ffir die Wissenschaft haben, schien es mir gerechtfertigt, diese Priipa- rate durch Zeichnung und Beschreibung zur allgemeinen Kenntniss zu bringen, zumal auch Herr Prof. Waldeyer, welcher die Gate hatte, dieselben der Durchsicht und Prfifung zu unterwerfen, mir zur VerSffentlichung rieth. Hierbei mag es mir gestattet sein zu- gleich zu bemerken, class ich diese kurze Mittheilung nur far eine vorliiufige halte, da ich hoffe, dass es mir mSglich sein wird, in n~ehster Zeit eine Monographie fiber den Bau des Rtickenmarks zu verSffentlichen. Ohne niiher auf die ja so reichhaltige Literatur fiber den vorliegenden Gegenstand einzugehen, will ich mich sofort, indem ich reich nur an Thatsachen halte, zur Beschreibung der Pr~parate and der Methode, nach der sie gefertigt warden, wenden. Die betreffenden Pr~parate, sowohl Liings- als Querschnitte

Beiträge zur Kenntniss des Faserverlaufs im Rückenmark

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Beitr~.ge z u r K e n n t n i s s des F a s e r v e r l a u f s i m

R t ~ c k e n m a r k .

Von

D r . P . S e h i e f f e r d e e k e r . Assistenten am physiologischen Institut der Universit~t Strassburg.

gierzu Tafel XXXII, XXXIII und XXXIu

Mit Untersuchungen fiber den Verlauf der Nervenfasern im Rackenmark der hSheren Wirbelthiere beschSftigt, gelang es mir vor Kurzem einige Prii.parate herzustellen, welehe mieh durch die Klarheit, mit welcher sie den Faserlauf erkennen liessen, (iberraschten. Bei der Dunkelheit, die auf diesem Gebiete der mikroskopischen Ana- tomie noch immer herrscht und bei der Wichtigkeit, welche auch noch so geringe hufschlfisse aber den Bau der Centralorgane ffir die Wissenschaft haben, schien es mir gerechtfertigt, diese Priipa- rate durch Zeichnung und Beschreibung zur allgemeinen Kenntniss zu bringen, zumal auch Herr Prof. W a l d e y e r , welcher die Gate hatte, dieselben der Durchsicht und Prfifung zu unterwerfen, mir zur VerSffentlichung rieth. Hierbei mag es mir gestattet sein zu- gleich zu bemerken, class ich diese kurze Mittheilung nur far eine vorliiufige halte, da ich hoffe, dass es mir mSglich sein wird, in n~ehster Zeit eine Monographie fiber den Bau des Rtickenmarks zu verSffentlichen.

Ohne niiher auf die ja so reichhaltige Literatur fiber den vorliegenden Gegenstand einzugehen, will ich mich sofort, indem ich reich nur an Thatsachen halte, zur Beschreibung der Pr~parate and der Methode, nach der sie gefertigt warden, wenden.

Die betreffenden Pr~parate, sowohl Liings- als Querschnitte

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geh0ren siimmtlich dem Rtickenmarke eines und desselben Hundes an und zwar der Partie der Lendenanschwellung, welche den Wurzeln des I. und II. Sacralnervenpaares ihren Ursprung giebt. Dieser Umstand gew~hrt uns den Vorthei], die einzelnen Schnitte nicht nur in Bezug auf die Art und Weise des Faserverlaufs, sondern auch in allen einzelnen Gr~issenverhiiltnissen unter einander ziem- lich genau vergleichen zu kSnnen.

Die Methode der hnfertigung war folgende: das Rfickenmark, dem frisch getSdteten Thiere entnommen und yon seinen Htillen befreit, wurde auf etwa 4 Wochen in Mfiller'sche Fliissigkeit gelegt, sodann etwa 24 Stunden lang ausgew~tssert und in Alkohol aufbe- wahrt. Die Schnitte wurden, um grSssere Feinheit und Gleichmiissig- keit zu erzielen, mittelst eines kleinen Mikrotoms angefertigt; dann wurden sie in destillirtem Wasser 1--2 Tage lang grtindlich ausge- waschen, darauf in Liisungen yon Palladiumchloriir (die Querschnitte) und Goldchlorid (die L~ingsschnitte) eingelegt; nachdem sie die ge- wtinschte FSrbung erhalten hatten, wurden sie wiederum mit Wasser tiichtig abgespiilt, dann in absoluten Alkohol, darauf zur Aufhellung in Nelkeniil und endlich zur Aufbewahrung in Canadabalsam gelegt.

Von dem Palladiumchlortir, welches ich zur Darstellung des Verlaufs der langen geraden Fasern im Riickenmarke auf das Beste empfehlen kann, wurde eine Liisung yon 1 : 10000 angewendet, in der die Priiparate so lange blieben, bis sie diffus hellbraun gefarbt waren, wozu meist 3--5 Stunden ausreichten, sodana wurden sie einfach in Wasser ausgespiilt.

Von Goldchlorid, alas sich im Gegensatz zum vorigen besonders zur Darstellung der feinen Nervennetze eignet, fand ich ebenfalls Liisungen yon 1 : 5000 bis 1 : 10000 am geeignetsten. Nach 1-- 3 Stunden waren die Priiparate darin ganz schwach violett gefiirbt; sie wurden sodann in Wasser abgespiilt, und auf 24 Stunden in eine 1/~--1% Essigs~ture gelegt, darin wiederum abgesptilt und, wie oben angegeben, behandelt.

Beide F~trbungsmittel besitzen wie bekannt die unangenehme Eigenschaft, nicht constant zu f~irben, und die PrSparate nachdun- keln zu lassen, so dass letztere mit der Zeit mehr oder weniger" unbrauchbar werden, ein Fall, der z. B. bei den yon mir mit Gold- chlorid behandelten Liingsschnitten zur Zeit, da ich dieses schreibe, bereits eingeh'eten isL

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Gehen wit nun zu der Betraehtung der so gefertigten Pr~ipa- rate [iber.

Die besten Uebersichtsbilder, mit Hiilfe deren man die Details dana gut versteht, gew~ihren uns bier die mit Palladiumehlorar be- handelten Querschnitte, yon denen ich einen, welcher alles Wesentliche zeigt, abgebildet habe (Fig. 1 a, b). Die Zeiehnungen sind, mit Aus- nahme yon zweien, alle yon mir selbst gemacht und in allen Einzel- heiten des Faserverlaufs so naturgetreu als mSglich, soweit sich dieses eben mit Halle einer Oberh~user'schen Zeichenkammer machen liess. Die Feinheiten, welche uns st~rkere Objective, z. B. Immer- sionssysteme auf solchen Praparaten zeigen, sind ja iiberhaupt nur durcb die Photographie, deren Anwendung mir nicht m~g]ich war, darstellbar.

Das Pr~parat stammte aus der Gegend des Ursprungs des ersten Sacralnervenpaares. Die weisse Substanz ist bei der Zeiehnung nur angedeutet, yon der grauen sind nur die nerv6sen Bestandtheile gezeichnet.

Die weisse Substanz, welche in dieser Gegend des R~ickenmarks bereits stark gegen die graue zuracktritt, zeigt sich vielfach durch- schnitten und zerkliiftet yon Bindegewebssepten, in denen die Gef~sse verlaufen, und welche auch den Nervenfasern oft als Strassen dienen, auf denen sie von der weissen zur grauen Substanz hingelangen. Bei V haben wir die Vorderstr~nge bis zu den bei VW durchtretenden vorderen Wurzeln, von da bis zu den bei HV eintretenden hintern Wurzeln bei S die Seitenstr~inge, und yon hier bis zur Fissura poster. die Hinterstvange H. Die schmale lange Fissura post. ist fast ganz mit Bindegewebe ausgefiillt, verfolgt man sie, so kommt man an die schmale Commis. post., daun auf den hier yon hinten nach vorn einen schmalen Spalt bildenden Canal centr, mit seiner Epithel- auskleidung und seiner Umgebung yon Bindegewebe. Vor diesem liegt dann die Commissura anterior ~), jene grosse Brticke, welche haupts~ehlich den u zwischen den beiden Riickenmarksh~Iften vermittelt, zugleicb als hintere Grenze der Fiss. ant., welche breiter

1) Ieh nenne, um Verweehselungen zu vermeiden, Commiss. anterior den Complex aller jener transveralen Fa~erzfige, welche vor demCanal, centr, von

einer Seite des Riickenmarks zur andern verlaufea, gleichgfiltig, ob die Fasern

markhaltig sind oder nieht und ob sie sieh kreuzen oder nicht; ebeuso ist die Benennung Commiss. posterior aufzufassen.

�9 I. Schul~ze, Archly f. mikrosk, Anatomie. Bd, 10. 31

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uad kiirzer als die Fiss. post. und nur zum kleinen Theile mit Binde- gewebe erfiillt die beiden Vorderstrange yon einander trennt.

Was die graue Substanz anbetrifft, so zeigt sich auf den ersten Bliek, wie unzureiehead zur Beschreibung speciellerer Verh~ltnisse derselben die Eintheilung in Vorder- und HinterhSrner ist, da ab- solut keine Grenze zwischen beiden existirt. Ich ziehe es daher zum Zweeke der Beschreibung vor, die graue 8ubstanz durch eine kiinst- lithe Grenze, welche ich mir yon den Proc. reticulares (Pr.) nach dem hintern Ende des Spaltes des Can. centr, gezogen denke, in zwei verschieden grosse Theile zu theilen, eine Eintheilung, die ilbrigens auch darin ibren Grund findet, dass fiir diesen Theil des Riickenmarks wenigstens diese beiden Abtheilungen far den Faser- verlauf und somit auch far die Function yon verschiedener Bedeutung sind. Der Rand der weissen Substanz nach der grauen hin ist viel- fach zerklilftet, und sieht auf dem Querschnitt wie eine von zahlreichen Fiorden zerschnittene Kiiste aus, mit vielen vorliegenden Inseln und Inselehen in dem Meere der grauen Substanz. Diese Bildung ist hauptsachlich den Seitenstriingen, dem an die Comm. ant. grenzenden Theile der Vorderstriinge und der vor den eintretenden hintern Wur- zeln liegenden Partie der weissen Substanz eigenthiimlicb, welche gewissermassen zwischen Seiten- und Hinterstr~ngen liegt.

In dem bach unserer Eintheilung vorderen Abschnitte der grauen Substanz nun, der etwa die Gestalt eines unregelmassigen Fiinfecks mit abgerundeten Ecken hat und den hinteren an GrSsse ungef~hr vier- real iibertrifft, finden wit drei Gruppen grosser Ganglienzellen, die sowohl an Zahl der in ihnen enthaltenen Zellen, wie aft GrSsse und Art und Weise der Anordnung derselben unter einander verschieden zu sein pflegen. Diejenige Gruppe, welche die meisten und gr6ssten Zellea enth~lt, liegt in jener tiefen und umfangreichen Bucht, welche die Seitenstr~inge in der H6he des Can. centr, bilden, wir wollen sie einfach als die s e i t l i c h e G r u p p e bezeichnen. Die Zahl der Zetlen, welche man auf den verschiedenen Querschnitten zu Gesicht bekommt, ist sehr verschieden, ich habe sie zwischen 8 und 25 schwankend gefunden, denn die S~iule, welche diese Gangliengruppe am Riickenmark bildet, zeigt, wie wir sp~ter bei den L~.ngsschnitten des Genaueren sehen werden, fortdauernd auf einander folgende Ein- schniirungen und Ausbauchungen. Der Dtlrchmesser der Zellen ist durehschnittlich 0,07 Mm. Was die Lagerung derselben zu ein- ander anbetrifft, so habe ich hier keine bestimmte Anordnung entdecken

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kSnnen, sie liegen eben meist zu einem Haufen vereint ordnungslos mehr oder weniger eng aneinander. Die Gruppe ragt, obwohl ihre iiussersten Zellen meist der weissen Substanz dicht anliegen, doch weit in die graue Substanz hiaein. Die zweite Ansammlung yon Nervenzellea, die v o r d e r e, finder sich am Rande der weissen Vorder- strange an denjenigen Stellen, an denen die vorderen Wurzeln durchtreten. Die GrSsse der Zellen ist geringer als die der vorigen, der Durchmesser betr~tgt im Durchschnitt 0,05 Mm. Ihre Zahl auf dem Querschnitte ist ebenfalls schwankend, sie betrug zwischen 6 und und 18. Die Zellen sind hier zu lauter kleinen H~ufchen yon 2--6 abgetheilt welche entweder gerade dem Austrittspunkte einer vorderen Wurzel gegemiber, oder zwischen zweien solcher in der Mitte liegen.

Die dritte Gruppe yon Ganglieuzellen endlich, die m i t t l e r e h i n t e r e , liegt etwa an der Grenze des ersten und zweiten Dritt- theils unserer imaginiiren Linie vom Can. centr, aus gerechnet und befindet sich entweder noch vor dieser Linie, ihr dann dicht anliegend, oder wird bereits yon ihr geschnitten. Die Zahl der Zellen schwankt hier auf den Querschnitten zwischen 4 und 8, ihre GrSsse ist der der Zellen tier vorigen Gruppe etwa gleich, sie liegen meist in zwei mehr oder weniger welt yon eiuander getrennte Hiiufchen gesondert. Diese Gruppe ist wohl als das Analogon der Clarke'schen Saulen des Dorsalmarks im Lendenmark aufzufassen.

Ausserdem giebt es natiirlich hin und wieder auch einzelne abgetrennt liegeade Ganglienzellen, doch bilden sie die entschiedenen Ausnahmen.

Die kleinen Ganglienzellen der I-IinterhSrner habe ich auf den Zeichuungen nicht beriicksichtigt, da sie bei der angewandten schwa- chen VergrSsserung auf den Pr~paraten nicht zu erkennen waren.

Bei Betrachtung des Faserverlaufs miissen wir zun~ichst den in der grauen und den in der weissen Substanz uaterscheiden.

Was den Verlauf der Fasern in der grauen Substanz anbe- trifft, so zeigte sich derselbe auch schon, wenn man nur, wie ich es gethan habe, die grSberen Ziige der 1%rvenfasern beriicksichtigte 0, ganz ausserordentlich complicirt.

Wir kSnnen zuniichst 5 Hauptarten yon Fasern je nach ihrem Ausgangs- und Zielpunkte unterscheiden :

1) Wenigstens auf den Querschni~ten, auf den L:~ingsschni~ten sind auch die feinen 1%rvenbiindel angegeben.

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1) Fasern, welche yon einem Punkte der Peripherie zu Gang- lienzellen laufen.

2) Faseru, welche yon einer Ganglienzellengruppe zu einer zweiten verlaufen.

3) Fasern, welche yon einem Punkte der Peripherie nach einer Commissur hin verlaufen.

Hier sind dann die GanglienzeIlengruppea tier centralen Com- missur gegenttber ebenfalls als Peripherie aufgefasst.

4) Fasern, welche in tier grauen Substanz senkrecht zur Quer- schnittsfliiche als Verbindangsfasern h6herer und tieferer Partieen verlaufen.

5) Fasern, welche in derselben Hiilfte des Riickenmarks bleibend direct yon einem Theile der weissen Substanz zu einem anderen hin]aafen.

Ich habe hier bei Bezeichnung des Laufes der Nervenfasern absichtlich die Worte Ausgangs- und Zielpunkt gebraucht, nicht Anfang and Earle, da ich dieselben uur zum Zwecke der Beschreibung benutzen wollte, ohne weiter auf die Frage einzugehen, wo Fasern entspringen oder endigen, oder nach welcher Richtung die Leitung in ihnen erfolgt.

Eine allgemeine Eigenschaft der in tier grauen Substanz ver- laufenden Faserziige ist die, dass sie entweder in enggesehlossenen Biindela austreten and sich dann allmhhlig immer feiner und feiner nach allen Richtungen hin pinself6rmig ausbreiten, oder dass sich eine Menge dfinner Fasern all,~J~thlig za einem B~ndel sammelt. Hieraus allein iolgt nun scbon, dass man aaf Querschnitten ver- h~ltnissm~tssig seltea Fa,-ern ihrer ganzen L~tnge nach verfolgen kaun, doch schadet dieses uicht so viel, da man meist Bandel antrifft, welche schr/~g yon uutea herauf- oder yon oben herabsteigend den gleichen Weg einschlagen, and als gate Wegweiser far den ferneren Verlauf betrachtet werden k/Junen. Dass diese Behauptung richtig ist, zeigt am besten die Betrachtung der L~ngsschnitte.

Gehen wir nun zur speciellen Beschreibung des Faserverlaufs selbst tiber.

Aus dem gauzen inneren Umfange der weissen Substanz sehen wir unz/ihlige griibere and feinere Nervenbtindel austreten and nach den verschiedensten Richtungen sich verbreiten. Am 1/ingstea bleiben diejenigen Fasern in Bandeln zusammen and verfolgen also denselben Weg, welche aus den Hinterstrangeu kommen; am schnellsten fahren

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sie nach allen Richtungen auseinander bei den durchtretenden vor- deren Wurzeln. Die Seitenstr~inge stehen zwischen beiden, sie bilden gewissermassen den allm~ihligen Uebergang zwischen den beiden Extremen. Der Grund dieses Unterschiedes liegt in der L~nge des Weges, den die betreffenden Fasern yon ihren Austrittspunkten bis zu ihren Zielpunkten zurtickzulegen haben: je k~irzer dieser Weg ist, um so schneller werden sich die verschiedenen Fasern eines B~indeIs voneinander trennen, um ihren verschiedenen Zielpunkten zuzulaufen, wobei dann die mannichfachsten Kreuzungen verschiedener Faserzfige zu Stande kommen.

Unsere e r s t e A b t h e i l u n g enthielt diejenigen Fasern, welche yon der Peripherie za Ganglienzellengruppen laufen.

Von wo iiberall her laufen nun Fasern zu den drei verschie- denen Gruppen ?

Am meisten bevorzugt ist in dieser Beziehung wieder die seit- liche Gruppe; wie sie die meisten und gr6ssten Zellen enth~lt, so erh~ilt sie auch die meisten und verschiedenartigsten Faserziige.

Erstens kann man deutlich dahin verfolgen grosse Faserztlge aus den vorderen durchtretenden Wurzeln (Fig. I a, b). Die medialen, der Fiss. ant. anliegenden Partieen der Vorderstriinge scheinen sich nicht oder wenigstens nur mit sehr geringen Faserziigen zu be- theiligen.

Zweitens treten zu dieser Gruppe eine Menge yon Fasern der Seitenstrange und zwar aus alien Gegenden derselben.

Drittens ziehen ohne ZweifeI starke Biindel aus den Hinter- str~ngen dorthin, und zwar haupts~chlich aus den vorderen schmalen medialen Theilen derselben (Fig. i a).

Alle diese Faserbtindel nun, welche an jenem Orte zusammen- kommen, l~isen sich fein pinselfSrmig auf, verfiechten sich dadurch, class sie nach allen Seiten hin zwischen den Ganglieazellen hindurch und um dieselben herumlaufen, auf das innigste und mannichfaltigste (oft laufen sie fast kreisfSrmig um die Zellen und Gruppen herum), und bilden so allmiihlig ein feines Netzwerk (wie das besonders bei den Liingsschnitten deutlich werden wird), in das ohne Zweifel auch die Forts~tze der Ganglienzellen eintreten, wenn mir dieses letztere auch sichbar zu machen bisher noch nicht gelungen ist.

Zu der zweiten Ganglienzellengmppe, welche den Vorderstriingen anliegt, begeben sich nicht so viel Fasern. Es sind folgende:

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Erstens und vor allen Dingen ein Theil der Z~ge der durch- tretenden vorderen Warzeln. Ich erw~hnte oben, dass die Ganglien- zellen in dieser Gruppe zu kleinen Haufchen geordnet seien, welche theils den Durchtrittspunkten der Wurzeln gegent~ber, theils zwischen denselben gelagert seien. Es tritt in Folge dessert auch die Haupt- menge der Fasern eines zutretenden Bfindels zu der zun~chst liegenden Gruppe hin und verzweigt sich zun~tchst in ihr, doch treten auch Fasern zu den weiter liegenden Haufchen, and ausserdem stehen alle diese Gruppen, diese kleinen Ganglien oder Centren, wie man sie nennen kSnnte, noch dureh feine aus dem zwischen den Zellen sich bildenden Nervennetze entspringende F~serchen untereinander in engerer Verbindung. Auch diese Verhaltnisse zeigen uns die L~ngs- schnitte besonders Mar. Bis zur Umbiegungsstelle der Vorderstr~nge nach der Fiss. ant. bin reicht das Gebiet, aus dem die zu den Zellen laufenden Fasern kommen, die medialen Partieen scheinen keine za entsenden.

Ferner treten yon den Seitenstr~ngen aus eine Menge yon Faserzilgen zu der vorderen Zellengruppe him Dieselben gehSren s~mmtlich der vorderen ttSlfte derselben an, die hintel~ten treten zur Seite oder dicht hinter der seitlichen Nervenzellengruppe aus und laufen um diese im Bogen herum, sowohl lateral als medial, um nach vorne zu gelangen.

Endlich laufen auch yon den Hinterstr~ngen und zwar, wie es scheint, gerade yon den medialen Partieen derselben diinne Faserziige zu den vorderen Ganglien him Die Querschnittsbilder liessen eine solche Verbindung bereits vermuthen, doch waren sie nicht beweisend; der in der Fig. 5 dargestellte L~tngsschnitt indessen, den wir spater noch genauer betrachten wollen, liess an Klarheit kaum etwas zu wttnschen iibrig. Es sind dieses jedenfalls Faserztige, die anfangs mit den zu der hinteren mittteren Ganglienzellengruppe gehenden zusammen oder doch in der NShe derselben verlaufen, sp~ter aber dann lateral an diesel: Gruppe vorbei nach vorne ziehen, und bei diesem weiteren Verlaufe leicht mit den yon der hinteren mittleren zu der vorderen Ganglienzellengruppe verlaufenden Verbindungs- fasern verwechselt werden kSnnen.

Die letzte und kleinste der drei Nervenzellengruppen endlich, die hintere mittlere enthiilt Fasern aus zwei Theilen der weissen Substanz : aus den gesammten Hinterstriingen und der hinteren Hiilfte der Seitenstriinge, namentlieh far die ersteren seheint sie yon Wich-

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tigkeit zu sein, wenn man diesen Schluss aus der Menge der hinzu- laufenden Fasern ziehen daft.

Unsere zw e i t e A b t h e i 1 u n g umfasste diejenigen Fasern, welche yon einer Ganglienzellengruppe zu einer zweiten hinziehen, also ge- wissermassen Commissuren zwischen denselben bilden. Wir haben drei Haufen yon Zellen, die alle untereinander verbunden sind, also auch drei solcher Faserztige. Der zwischen der seitlichen und vor- deren Gruppe ist auf beiden abgebildeten Rtichenmarkshiilften gut zu erkennen, der zwischen der seitlichen und der hinteren eben- falls auf beiden, der zwischen der vorderen und der hinteren nut auf Fig. 1 b deutlich sichtbar.

Wir kommen somit zu der d r i t t e n Fas e r a r t , zu denen, welche yon einem Punkte der Peripherie (weisse Substanz oder Ganglien- zellengruppen) aus zu einer der zwei, die beiden Seitenh~lften des Riickenmarks verbindenden Commissuren sich begeben. Beginnen wir mit der Comm. ant. Man kann sich hier recht kurz fassen und wird kaum etwas unrichtiges behaupten, wenn man sagt: es giebt kaum einen Punkt auf der ganzen Peripherie der weissen Substanz, es giebt keine Ganglienzellengruppe, yon wo aus nicht Fasern in die vordere Commissur eintr~ten. Miichtige dunkle Faserbtindel, aus allen Partieen der Hinterstr~inge mit Fasern versorgt, steigen dicht neben dem Can. centr., die hintere Zellengruppe yon beiden Seiten umfassend, zu der vorderen Commissur hinauf (Fig. 1 a und besonders gut 1 b). h'och gr(isser ist die Masse der aus den Seiten- striingen und zwar besonders wieder aus dem hinteren Theile der- ~elben zu jener Verbindungsbrilcke hinziehenden Btindel, und auch die Vorderstriinge liefern aus allen ihren Theilen ein nicht unbe- deutendes Contingent. Endlich ziehen yon jeder der Gangliengruppen noch mehr oder weniger starke Btindel dorthin. Der grSsste Theil dieser Faserztige kreuzt sich bekanntlich in der, Commissur, um dann der Hauptmenge nach wenigstens wohl in die medialen Partieen der Vorderstr~,inge einzubiegen, ein Theil indessen und zwar tier hintere, dem Can. centr, zun~ichst liegende, geht ohne Kreuzung als einfache Verbindungsfasern yon einer Seite zur andern. Die bier beschrie- benen Pr~tparate zeigten diese Faserztige nicht deutlich, sondern ent- hielten nur Andeutungen derselben, auf Querschnitten aus dem Hals- marke des Kalbes indess, welche mit Goldchlorid behandelt waren, babe ich diese Verbindungsztige mit grosser Deutlichkeit gesehen. Dass die in der vorderen Commissur sich kreuzenden Fasern aicht

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in der Horizontalebene verlaufen, sondern mit dieser oft einen recht bedeutenden Winkel bilden ist ja eine l~ngst bekannte and auf Fron- talschnitten leicht zu constatirende Thatsache.

Viel weniger bedeutend sind die Faserzfige, welche die hintere Commissur passiren. Dieselben gehen einmal yon den medialen Par- tieen der Hinterstriinge and zweitens yon der hinteren mittleren Ganglienzellengruppe aus (Fig. 1 a, b) und laufen einfach parallel und ohne sich zu kreuzen auf die andere Seite hintiber.

Was die beiden letzten Faserarten endlich anbetrifft, diejenigen, welche senkrecht zum Querschnitt verlaufen und die, welche zwei verschiedene Theile der weissen Substanz derselben Seite direct ver- binden, so besprechen wir dieselben besser bei der Betrachtung der Liingsschnitte.

Noch mSchte ich auf den Verlauf einiger Faserziige besonders aufmerksam machen, die bisher nut im A1]gemeinen erwiihnt sind and speciell dem hinteren Abschnitte angehSren.

E r s t e n s finden wir dicht an dem Rande der Seitenstriinge hinter den Proc. reticul, einen starken Faserzug, welcher nach hinten zu in einem Bogen bis zu der ebenfalls netzartig gebildeten Partie der weissen Substanz sich hinzieht, welche dicht vor dem Einhitt der hinteren Wurzeln liegt. In dieser Gegend treffen die Faserbtindel dana, indem sie sich theilweise kreuzen und durcheinander laufen, mit jenen weniger m~chtigen Faserztigen zusammen, welche yon bier am Rande der Hinterstr:~inge bogenfSrmig welter verlaufen, and allmiihlig in verschiedenen grSsseren and kleineren Biindeln mit anderen Fasern zusammen die Subst. gelat. Rolandi nach vorn durch- ziehen. Die an den Seitenstr~ngen sich hinziehenden Faserbiindel nehmen, wie es scheint, ihren Ursprung zum gr0ssten Theil aus den Strttngen dieser hinteren netzfSrmigen Substanz, zum sehr viel klei- neren Theile aus den atlliegenden Partieen der Seitenstr~inge, weiterhin erhalten sie dana noch Fasern aus den Striingen der Proc. reticul. and laufen alsdann sich theilend theils zu der hinteren mittleren, theils zu der grossen seitlichen Ganglienzellengruppe.

Z w e i t e n s sehen wir, dass aus den weiter in die graue Substanz vorgeschobenen Strtingen der Proc. reticul. Faserbtindel entspringen, welche nach den verschiedensten Richtungen verlaufen. Einmal sind es n~mlich solche., welche analog dem Verhalten der iibrigen Theile der Seiienstr~inge nach vorn and aussen zu der grossen seitlichen Ganglienzellengruppe und nach vorn und innen zu der kleinen mitt-

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leren hinzJehen, dana aber finden wir drittens auch noch constant einige besonders yon den hinteren dieser vielen kleinen Str~tnge ab- gehende B~indel, welche zuerst gerade nach innen verlaufen und dann sich pinselfSrmig aufl6send den aus den Hinterstr~ngen kommenden Faserz~igen entgegen laufen und sie unter verschiedenen Winkeln kreuzen. Wo eigentlich der Zielpunkt dieser Fasern ist, war mir bisher noch nieht mSglich nachzaweisen, wahrscheinlich werden sie aber sich immer feiner zertheilend mit einem in diesen Gegenden yon den aus den Hinterstr~tngen austretenden Fasern gebildeten feinen Nervennetze, dessert Existenz in einer nur wenig welter nach vorn gelegenen Region mir auf L~ingsschnitten nachzuweisen gelang, in Verbindung treten, sich mit den andern Fasern verflechtcn und weiterhin mit ihnen zusammen verlaufen.

D ri t t e n s endlich miichte ich noch auf die ungemein zahlreichen Kreuzungen aufmerksam machen, welche die aus den Hinterstr~ngen entspringenden Fasern g!eieh nach ihrem Austritt dicht an dem Rande der weissen Substanz untereinander ausf~ihren und welche uns alle Abbildut~gen besonders gut aber Fig. VII (die mit stiirkerer Vergr(isserung, Obj. 5, gezeichnete hinterePartie yon I b)zeigen. Es wird hierdurch bewirkt, dass in den ihren Zielpunkten nach ja durch- aus nicht einander gleichwerthigen Faserbfindeln, welche die Subst. gelat. Rol. nach vorne durehsetzen, sich Fasern befinden, welche aus den verschiedensten Theilen der Hinterstriinge entspringen. Bei Betrachtung des Faserverlaufs in der weissen Substanz werden wir hierauf noeh einmal zurtickkommmen.

Durch diese vielen grossen sich aufliisenden und nach den ver- schiedensten Richtungen durch- und tibereinander verlaufenden Faser- ztige, welche ich mich wenigstens ihrer grSbsten hnordnung nach zu beschreiben uud in ihrem Verlaufe klar zu legen bemiiht habe, entsteht also jenes fabelhafte Fasergewirr, welches uns das Studium des feineren Baus des Riickenmarks und die Feststellung der Bahnen so erschwert. Ein Blick auf Priiparat oder Zeichnung hilft hier natiirlich mehr als alle Beschreibung, deren Aufgabe wiederum es ist, auf die Einzelheiten aufmerksam zu machen und die Gesetz- m~issigkeit der Anordnung hervorzuheben.

Von den vielen L 5 n g s s c h n i t t e n, welche ich zum Zwecke der Untersuehung angefertigt hatte, waren nur wenige mittelst der Gold- chloridbehandlung so glticklich gelungen, dass sie einen klaren Eia- blick in den Faserverlauf gewtihrten; yon diesen wenigen sind einige

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als Zeichnungen dieser Arbeit beigegeben worden und sollen jetzt ihre Besprechung finden. Diese Zeichnungen sind auf die n~mliche Weise wie die tier Qaerschnitte angefertigt worden (Oberhiiuser'sche Zeichenkammer und Obj. 3), wenigstens was die allgemeinenUmrisse und den Verlauf der grSberen Faserzilge anbetrifft, und hierin sind sie also ganz genau, die Detailzeichnung ist wenigstens eine anniihernd genaue Copie des Originals. Auch bier ist nur auf die nerviisen Elemente Rticksicht genommen. Was die Richtung der Schnitte betrifft, so ist dieselbe auf Fig. 1 b durch je zwei in der Fortsetzung derjenigen Linie gelegene Punkte, in welcher der L~tngsschnitt den Querschnitt treffen wiirde, angegeben.

Fig. 2 zeigt uns einen Schnitt, der yon dem hinteren Theile der Seitenstriinge nach dem vorderen Theile des Canal. centr, gelegt ist, also etwa frontal. Wir sehen auf demselben ganz links bei a einen Fetzen des das R0ckenmark zunitchst umhtillenden Bindege- webes, dann fo]gt ein breiter Streifen weisser Substanz der Seiten- striinge bei b mit meist parallel laufenden ~'ervenfasern, nur am Rande liisen sich einige Bandel zeitweilig ab, um ein Ende dutch die graue Substanz zu verlaufen und dann wieder zu der weissen zuriickzukehren, wobei dann ein Uebereinanderlaufen vielfach unver- meidlich wird. Solche B(indel bilden auf dem Querschnitte die an dem Rande der Seitenstr~tnge liegenden Inselchen in der grauen Substanz. Aus der weissen Substanz sieht man bei c eine Reihe yon m~issig dicken, einander ziemlich parallel und zu den Fasern der weissen Substanz an der Austrittsstelle etwa senkrecht verlaufende Fa~erbiindel austreten, deren Anf~nge in der weissen Sabstanz man indessen verschieden weir in dieselbe hinein, oft his ~tber die Mitte derselben hinaus verfolgen kann : es sind s:,immtlich Fasern, die yon oben herab kommend nach der grauen Substanz zu sich umbiegen, und die in den verschiedensten Theilen der weissen Substanz herab- zusteigen scheinen. :Nachdem diese Faserbiindel ausgetreten sind, beginnen sie bald sich pinselfSrmig zu zerfasern, und diese Zertheilung wird schliesslich etwa in der Mitte der grauen Substanz so betr~tcht- lich, dass die Fasern der einzelnen Bttndel sich mit denen der ein bis zwei n~,ichsten Biindel jederseits auf das innigste verflechten- es finder hier also ein allgemeiner Austausch der Fasern der austretenden Biindel statt. :Nachdem dieser Gipfelpunkt der Zertheilung erreicht ist, eilen die einzelnen Fasern sich wieder zu neuen Btindeln zu einen, welche meist breiter sind als die austretenden, da die Fasern nicht

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so dicht aneinander gedr~ngt in ihnen liegen. Aus eben diesem Grunde erscheinen diese secundiiren Bandel auch nie so dunkel gef~rbt als die prim~ren. Diese zweite Reihe yon l~lervenb~indeln, welche den austretenden also keineswegs entsprechen, da jedes yon ihnen Fasera aus 4--5 der ersteren enth~lt, laufen dana schr~ig nach vorn und unten, um an dem Can. centr., dessen Bindegewebsumgebung und Epithel wit bei d u n d e sehen, vorbei nach der Comm. ant. zu ziehen, um sicb dutch diese auf die andere Seite zu begeben. Sie entsprechen also den grossen Faserz~igen, welche wir auf dem Quer- schnitte in der bezeichneten Gegend so reichlich yon den Seiten- str~ngen zu der Comm. ant. hinziehen sehen. Unserer Eintheilung nach wfirden es Fasern der dritten Abtheilung sein.

Es folgen drei Schnitte, welche mehr oder weniger genau sagittal gelegt sind und die Vorder- uud Seitenstr~nge betreffen.

Fig. 6 zeigt einea ziemlich genau sagittalen Schnitt durch die weisse Substaaz der Seitenstr~nge, welcher in der Mitte noch ein kleines Stfick der grauen Substanz gerade an der Stelle der tiefen Einbuchtung der Seitenstr~nge nebst einigen der seitlichen Gruppe angeh6rigen Ganglienzellen mitgenommen hat. Interessant ist hier haupts~chlich der Faserverlauf der weissen Substanz. W~hrend die Aussentheile uns nur parallel laufende Fasern zeigen, s'ehen wir die mittlere Partie, welche etwa den dritten Theil des Praparats ausmacht, von Faserz(igen eingenommen, welche sich fast zopfartig miteinander verflechten. Nach den Seitea hin finder ein ziemlich rascher Uebergang statt. Je n~iher tier grauen Substanz, um so starker wird die Verilechtung, um so grSsser werden die Maschen des l~etzwerks, bis endlich noch durch die graue Substanz selbst zahlreiche Biindel yon einem Pfeiler der weissen Substanz zum andern hiniiberlaufen, so class das Ganze den Eindruck macht, als ob man yon innen, yon der grauea Substanz her, versucht h~tte die weisse Substanz nach Aussen umzubiegcn und dieselbe nun auf der innereu Seite in Folge dessea auseinander geplatzt w~re, wobei dana, wie das ja bei faserigea Stoffea immer der Fall ist, ver- schiedene Rissstellen in verschiedeaen HShen entstanden w~ren, wodurch natiirlich schr~tg voa einer Seite zur andern laufende, Faserbiindel bedingt wiiren. Es siad dieses wieder dieselben B(indel, welche wir auf dem vorigen Pr~parate am Rande der weissen Sub- stanz vorfanden. Be[ a endlich sehen wir wieder einige aus der weissea Substanz austretende Faserzfige, welche in derselbea wiederum

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yon oben herabgestiegen sind, und sich jetzt zu den Ganglienzellen begeben.

Auf Fig. 4 haben wir eine der Mitte des Rfickenmarks n~iher gelegene Partie vor uns, die Schnittebene bildet mit der Sagittalebene einen Winkel yon etwa 25--30 o. Ganz rechts bei a finden wir wieder die Fasermasse des Seitenstranges, aus welchem ziemlich genau unter einem rechten Winkel eine sehr bedeutende ~Ienge yon Nervenb(indeln austreten. Dieselben sind yon sehr verschiedener Dicke und es liegen zwischen zwei starken Btindeln immer mehrere schw~tchere, hlle diese Btindel zerfasern sich pinselfSrmig, doch ist auch bier wieder ein Unterschied zwischen den dickeren und den diinneren bemerkbar. Die letzteren beginnen ihre Zertheilung sehr bald nach ihrem hustritt und bilden so, sich gegenseitig innig verfieehtend ein feines und zier- liches Netzwerk, zu welchem die dickeren Biindel wiihrend ihres Durchtretens dutch dasselbe ebenfalls dfinnere Zweige hinsenden. In diesem Nervennetze sehen wir an einigcn Stellen dunkle Punkte, yon denen eine Menge feiner Ausl~ufer ausgeht, welche sich in dem Nervennetze verlieren und genau dieselbe Beschaffenheit haben, wie die anderen das Netzwerk bildenden Fasern. Ich halte diese Punkte fiir den Ausdruck yon Quer- oder Schriigschnitten solcher Faserbiindel, welche mit der Ebene des Schnittes einen ziemlich bedeutenden Winkel in ihrem Verlaufe bilden (dass solChe in grosser Menge vor- handen sind, zeigen ja die Querschnitte); wit sehen also gewissermassen yon oben in die pinself~rmige Ausbreitung dieter Biindel hinein. Das Nervennetz, welches ich mir ttbrigens nicht durch wirkliche Ana- stomosen, sondern durch AufiOsung und Verfiechtung der Faser- biindel entstanden denke, dient nun zwei verschiedenen Zwecken: einmal namlich bewirkt es eine allgemeine Vermischung tier Fasern arts den verschiedensten Theilen des $eitenstranges durch Zu- und Abtreten derselben yon den grossen durchtretenden Bandeln, und zwei- tens giebt es anderen Nerve~btindeln ihren Urspl:ung, welche vertical aufsteigen und verschiedene Etagen des Riickenmarks mit einander ver- binden, doch erhalten dieselben theilweise wenigstens auch direct durchtretende Fasern. Neue, yon den durchtretenden Nervenbtindeln ganz unabh~tngige horizontal verlaufende Btindel scheinen sich meinen Beobachtungen nach aus dem Netze nicht zu bilden, jene weiter nach der Mitte zu pl6tzlich auftauchenden dickeren Nervenbtindel halte ich ebenfalls ffir solche, welche mit der Schnittebene einen in diesem Falle sehr spitzen Winkel bilden. Die dickeren Btindel also

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laufen, nachdem sie bei dem Durchtritt durch das:Netz die mannich- fachsten Yerbindungen eingegangen sind und nachdem sie vielfach grSssere und kleinere Biindel an die vertical aufsteigenden Faserziige abgegeben haben, sich mehr und mehr ver~tstelnd etwa bis zur Mitte der grauen Substanz noch als ziemlich starke Btindel hin. Einzelne Ganglienzellen, welche der Seitengruppe augehSren, werden in] Vorbei- ziehen umstr~ckt und geben wahrscheinlich ihre Ausl~tufer mit. Von der Mitre an dagegen beginnt die AufiSsung der Btludel ausserordent- lich rasch vor sich zu gehen, tiberall sieht man breite Pinsel, yon feiuen Fasern sich auf das mannichfaehste durchfiechten: es findet also zum zweitenmale ein neues und griindliches Durcheinander- mischen der Fasern statt. Dann sammeln sich dieselben wieder zu neuen Btindeln (die den prim~tren also nicht mehr entsprechen), indess nur um sich in oder zwischen die verschiedenen kleinen H~iufchen der vorderen Ganglienzellengruppe zu begeben, dutch welche sie allem Anscheine nach theilweise wohl direct hindurchtreten (Fasern der ftinften Abtheilung), zwischen deuen sie zum grSsseren Theile abet sich wieder in ein neues und sehr feines, mit den Ausl~ufern der Zellen sicher in Verbindung stehendes Netz auflSsen, um aus diesem wieder zu neuen B~indeln vereinigt auszutreten, und endlich zusammen mit den direct durchgetretenen Biindeln als austretende vordere Wurzeln schr~ig nach unten die weissea Vorderstr~inge zu durch- setzen und die welter nach der Peripherie verlaufenden NervenstEmme zu bilden. Die einzelnen HSufchen der Ganglienzellen der vorderen Gruppe h~tngen auf dem LSngsschnitte tibrigens ebenso gut durch feine Faserbfindel zusammen wie auf dem Querschnitte, wir kiinnen uns also, indem wir uns diese Gangliengruppen kSrperlich vorstellen, einen Begriff bildea yon der collossalen Menge yon Verbindungen, welche bier existiren.

Andere Pr~tparate, deren Zeichnungen ich bier nicht beigef~gt habe, zeigten in mancher Hinsicht noch schSner die eigenthiimliche baumartige Form der dicken aus den Seitenstr~tngen austretenden Btlndel mit ihrer so zierlichen Veriistelung und dem schSn geschwun- genen Verlauf der Fasern, ganz im Gegensatze zu den breiten ruthenartigen, h~isslich steifen B/indeln der vorderen durchtretenden Wurzeln, und bewiesen zugleich, dass jene senkrecht aufsteigenden FaserziJge durchaus nicht allen Partieen dieses Theiles des Riicken- marks eigen sind.

Fig. 3 ist dadurch sehr interessant, dass sie uns AufldSrung

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tiber das Verha]ten der seitlichen Ganglienzellengruppe gegenfiber den austretenden Fasern giebt.

Bei a bemerken wit wieder die Seitenstr~inge, aus denen ein wahrer Wald yon dickeren und diinneren Nervenbiindeln austritt, welche wiederum durch das bekannte feine l~Tetzwerk miteinander in Verbindung stehen. Alle diese sich weithin verzweigenden Btindel laufen zu einer Si~uIe grosser Ganglienzellen hin (seitliche Gruppe), welche, wie schon oben erw~ihnt, bald Einschntirungen bald Anschwel- lungen zeigt, je nach der Menge der Zellen, um zum Theil zwischen diesen Zellen hindurchzutreten, zum Theil sich in dem sehr feinen dort befindlichen Nervennetze aufzulSsen. Hier kommen nun sicher die mannichfaltigsten Verbindungen und Verflechtungen der Fasern mit den Zellen und den Fasern der verschiedenen Biindeln unter sich vor. Aus dem Netzwerke werden dann einmal vertical laufende Btindel gebildet, welche theils verschieden hoch gelegene Partieen der Gang- lienzellens~iule in Verbindung setzen, theils wohl auch spiiter seitlich umbiegende Fasern nach andern Partieen senden m6gen (Fasern der vierten Abtheilung bei x), und zweitens neue horizontal verlaufende St~mme, welche sich entweder den schoa vorhandenen einfach durch- tretenden anschliessen, oder selbst~ndig als neue B(indel weiter nach vorn ziehen. Einige yon dem grossen Haufen etwas entfernte, zer- streut liegende Ganglienzellen bilden unterwegs noch neue Ver- kntipfangspunkte, bis endlich wieder jene allgemeine pinsetf6rmige Aufl6sung und innige Verflechtung untereinander stattfindet, aus der auf die ja bei den vorigen Pr~iparaten bereits beschriebene Weise sich endlich mit Hiilfe der vorderen Gangliengruppe und eines neuen Netzwerks daselbst die austretenden vorderen Wurzeln bilden. Auch in einer anderen Beziehung ist dieses Priiparat noch interessant; durch die breite Fasermasse des Seitenstranges zieht sich ein heller Streifen, welcher anzeigt, dass das Pr~parat hier um vieles dtinner ist als sonst, wie das ja bei einer etwas unsicheren Schnittftihrung leicht vorkommt. Diese hellere Partie nun setzt uns in den Stand, den Verlauf der Anf~tnge der austretenden Fasern in der weissen Substanz weir zu verfolgen: auch hier kommen wieder die s~mmtlichen Fasern yon oben herab, und zwar in den ver- schiedensten Theilen des Seitenstranges, sowohl den iiusseren wie den inneren.

Fig. 5 giebt uns eine Ansehauung yon der zwischen den Hinter- und Vorderstriingen bestehenden Faserverbindung.

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Bei a bemerken wir die Parallelfaserzfige des schmalen media- len Theils der weissen Substanz der Hinterstri~nge noch bekleidet von einem Fetzen des die Fiss. post. ausfiillenden Bindegewebes. Zierliche feinere und gr6bere Nervenbfindel, welche jedoch nicht die Stiirke der aus den Seitenstr~ingen austretenden erreichen (ein Umstand, der sich wohl hinreichend erklSrt dutch die geringere Dicke der weissen Substanz und die grSssere Feinheit der Fasern) ziehen in die graue Substanz hinein. In einer bestimmten Entfernung yon dem Rande dcr weissen Substanz 15sen sich diese Btindel in ein feines Nervennetz auf, welches eine ziemlich bedeutende Breite be- sitzt. In diesem Netz scheinen sich alle iNervenbtmdel aufzul6sen und, wenn auch einige tier in dasselbe hineintreten, als wenn sie es einfach durchsetzen wollten, so ereilt sie ihr Schicksal doch, nut etwas sp~ter als die tibrigen. Auch in diesem Netz finden wir jene dunklen Punkte mit ihrem Faserkranz wieder, die wir schon auf Priiparat 4 zu bemerken Gelegenheit hatten, nur dass sie bier gem~iss der geringerea Dicke der Bttndel ebenfalls uns kleiner erscheinen. Es treten also auch hier yon den Seiten her radial verlaufende iNervenbiindel in das ~Netz ein. Auf diese Zone des Nervennetzes folgt weiterhin d. h. also nach vorn zu, eine Menge einander parallel laufender, jedoch vielfach untereinander durch schr~tg verlaufende he'ste sich verbindender m~ssig dicker Faserb~indel (bei x), welche senkrecht aufsteigen. Nur an einigen Stellen zieht sich das :Nervennetz his zwischen dieselben hinein. Der Ursprung dieser senkrechten Bandel ist sicher in dem feinen ~Netz- werke zu suchen, das geht aus dem ganzeu Verlaufe derselben deut- lich hervor; einen directen Uebergang des einen in das andere wirklich gesehen babe ich indessen bis jetzt noch nicht. Sie endigen auf der anderen Seite, indem sie sich wieder horizontal umbiegen, sich pinselfSrmig zertheilen und dann auf die Gangliengruppen an den Vorderstriingen und das zwischen denselben befindliche ~Netz zueilen, mit dem sie zum grSssten Theile sich verbinden, um dann in die vor- deren Wurzeln einzutreten. Es sind also wieder Treppenbiindel, welche verschiedene Stockwerke des Riickenmarks miteinander in Verbindung setzen (vierte Abtheilung). Dieses ist die eine aus dem :Netz ent- stehende Faserart. Zweitens finden wit noch rein horizontal ver- laufende Btindel, welche sich aus dem Netzwerk bilden, und die verticalen Ztige rechtwinklig schneidend, sich ebenso wie die aus den letztern sich umbiegenden Biindel pinselfSrmig zertheilen, um

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sich mit den Nachbarn, mSgen dieses nun rein horizontale, oder aus verticalen entstandene sein, zu durchflechten; dann entstehen aus diesem Fasergemiseh wieder neue Bandel, die nun also Fasern aus verschiedenen HShen des Raekenmarks ft~hren, diese treten zu den Ganglienzellenh~ufchen der vorderen Gruppe, bilden theils das feine Netz daselbst, in dem sie sJch nun wieder mit den yon den Seiten- str~ngen aus eintretenden Fasern vermischen warden, theils treten sie durch und bilden so zu~ammen mit den aus diesem letzten Netze sich wieder sammelnden B~ndeln die vorderen durchtretenden Wur- zeln, deren Verlauf man an diesem Priiparat auf das beste sieht. Die Zahl der einzelnen Biindel innerhalb der weis~en Substanz, welche sich schliesslich zu einer Nerven~'urzel vereinigen, ist tibrigens auf der Zeichnung genau dieselbe, wie die auf dem Pr~iparate, und also eine ziemlich betr~ichtliche, ebenso ist tier steife radienartige Verlauf vollstiindig nattirlich. Die vorderen durchtretenden Wurzeln stehen also mit den Fasern der Hinte~striinge derselben Rackenmarkshiilfte auf mehrfache Weise in Verbindung:

1. Von den Hinterstriingen laufen dicke Faserbandel (mit und ohne :Netz, mit und ohne HShenverschiebung) bis zu den Ganglien der vorderen Gruppe, dann :Netz und austretende B(indel.

2. Von den Hinterstr~tngen laufen Fasern (mit den vorigen Neben- bedingungen) zu

a) der mittleren hinteren, b) der seitlichen Gangliengruppe,

hier erstes :Netz, aus diesem Netz dann welter zu den Ganglien der vorderen Gruppe und bier dann entweder noch einmal AufiSsen in das zweite Netz oder directer Durchtritt.

3. Von den Hinterstriingen lau[en Fasern (Nebenbedingungen wie oben) direct his zu den vorderen Gangliengruppen, ziehen zwischen den Hi~ufchen derselben hindurch, ohne mit dem 1Netz in Ver- bindung zu treten und gehen dann mit den vorderen Wurzeln welter (fttnfte Abtheilung).

Diese letzte w~re eine sehr merkwardige Art der Verbindung, indessen haben mir die Pr~iparate, besonders das unter 5 abgebildete die Existenz derselben wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht.

Es bliebe uns nun noch die Betrachtung des Faserverlaufs in der weissen Substanz, doch ist derselbe, soweit ibn meine Priiparate erkennen lassen, nothwendigerweise schon bei der Beschreibung mit- beriicksichtigt worden, so dass ich es nicht fiir niithig halte, noch

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Bei t r~ge zu r K e n n t n i s s des F a se rve r l au f s im Ri ickenmark . 489

einmal niiher darauf zurtickzukommen; und nur einen Punkt, der bisher unerw~thnt blieb, mSchte ich aoch beriihren, ich meine die Eatstehung und netzartige Verfiechtung der aus den Hinterstriingen hervor- gehenden Nerveabiindel in der wmssen Substanz jener und den Eintritt der hinteren Wurzel in ihre Verbindung mit jenem Netz.

Fig. 7 welche, wie schon erwiihnt, die hintere Partie tier Querschnittsh~ilfte 2, b bei st~irkerer Vergr~isserung (Oberh~iusersche Zeichenkammer und Obj. 5) darstellt, zeigt uns diese Verh~tltnisse sehr klar. Wir sehen hier links das dicke Btindel der eintretenden hinteren Wurzeln, welches wiederum aus verschiedenen kleineren Btindel zusammengesetzt ist. Jedes dieser kleinerea Btindel sendet sowohl direct nach vorn als auch nach der Mitte zu laufende Faser- ztige ab, es mtissen also vielfach Kreuzungen dieser Fasern statt- finden, zumal da auch die nach der Mitre zu verlaufenden nicht einmal parallel laufen, sondern oft convergiren. Diese Fasern nun endigen theils in der weissen Substanz, indem sie sich, wie dies ja bekannt ist, zu senkrecht verlaufenden Fasern umbiegen, thefts treten sie direct mit jenem Faserbtindelnetz in Verbindung, das oben bereits erwiihnt wurde, thefts treten einige dtinne .grade nach vorne ge- hende Biindel direct in die graue Substanz ein. Diese letzteren sind auf dem vorliegenden Pr~parate ~tbrigens weniger deutlich als auf vielen anderen. Ausser diesen den Wurzeln angeh~irigen Btindeln finden wir Mso noch ein yon dickeren und dtinneren Nervenbiindeln gebildetes Netz, welches die gesammte Substanz tier weissen Hinter- str~tnge durchzieht. Diese Nervenbfindel werden einmal und zum bei Weitem griisseren Theil gebildet aus solchen Fasern, welche in den Hinterstriingen eine Zeit lang senkrecht verlaufen sind und nun umbiegen, um in die graue Substanz einzutreten, und zweitens aus dem Theft der hinteren Wurzelfasern, welcher ebenfalls seinen Lauf nach der grauen Substanz nimmt. Wie in einem Gebirge yon allen Seiten yon den Felsabh~ngen kleine Wasseradern herab rieseln, um sich zu immer grSsseren und grSsseren B~tchen in den Thiilern zu vereinigen, so sehen wir hier yon den verschiedensten Theilen der Hinterstr~tnge her ganz feine Nervenbtindelchen nach verschiedenen Punkten zusammenlaufen, um gemeinsam ihren Weg weiter fortzusetzen. Hier finden dann aber unterwegs zwischen be- nachbarten Z~igen die mannichfachsten Verbindungen start, wieder eine Vermischung der Fasern der verschiedensten Gegenden, so class schliesslich, wenn nun die allmiihlig ziemlich dick gewordenen

wr. Schultze, A-rchiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 10. 32

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B~indel in die graue Substaaz eiatreten, die grossen und kleinea dann aus ihnea entstehenden Fa~erz~ige, welche nach vorn weiter verlaufen, aus den verschiedensten Theilen der Hiaterstr~inge Fasern erhalten, und nicht nur daher, sondern auch voa der Peripherie des KSrpers direct kommende, da ja ein Theil tier Wurzelfasera in das Netz eintritt. Die ia der grauen Substanz befindlichen Biindel kreuzen sich dann noch vielfach, wie schon oben besprochen, uad so ist dann der schliessliche Erfolg der, dass sowohl zu den verschiedenen Ganglienzellengruppen als auch zu tier vorderen und hinteren Commissur Fasern aus sehr vielen Theilen der Hinterstr~nge ihren Weg nehmen. Es enth~lt also durchaus nicht ein bestimmter Faserstraag der Hiaterstr~inge nur Fasern, die nach e in ~m bestimmten Punkte der grauen Substanz verlaufea.

Die in die hinteren Wurzela eintretenden Fasern Iaufen also einmal direct zu den Bfindeln der grauen Substanz hin, zweitens werden sie zu Fasern, die senkrecht in der weissen Substanz welter verlaufen.

Die Nervenbandel, welche aus den Hinterstr~ingen in die graue Substanz treten, erhatten einmal Fasern, welche direkt aus dea hinteren Wurzeln zu ihnen durchtreten, zweitens solche, welche aus einem vertikalen Verlauf in den Hinterstrangen in den horizontalen umbiegen.

MSge es mir endlich noch gestattet sein, ein Pr~iparat zu be- schreiben, welches sich allerdings nicht genau an die eben besprochenen anschliesst, indessen doch yon Iateresse ist, da es uns aber den Ursprung eines Theils der vorderen Wurzelfasera Aufschluss giebt.

Das Pr~parat ist ein mit Goldchlorid behaadelter Querschnitt aus der Gegend des vierten Halswirbels vom Hunde, und zeigt die Verh~.ltnisse~ welche die beiliegenden beiden Zeichnungen, die Herr cand. med. K i l l i a n far reich anzufertigen so g~tig war, uns dar- stellen, auf das Klarste, so dass ein Zweifel nicht aufkommen konnte. Wir sehea auf Fig. 8 und 9, welche dieselbe Stelle be~ verschiedener Vergr~sserung darstellen (Hartnack Obj. 5 und 9 ~, immers., beides verkleinert) den vorderen Theil des rechten grauen Vorderhorns mit den grossen daselbst befiadtichen Gangliea- zellen, und die verschiedenen Ziige der durchtretenden Wurzeln mit den dazwischen in grosser Menge liegenden Nervenfaserquerschnitten, den sogenannten Sonnenbildchen, welche iibrigens in der Zeichnung im Verh~ltniss za den Ganglienzellen viel zu gross gemacht sind.

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In der Mitte des Bildes etwa erblicken wir ganz am Rande der grauen Substanz zwischen drei Blutgef~ssquerschnitten gelegen eine Ganglienzelte mit Kern und vier Ausl~ufera. Zwei dieser letzteren ziehen rackw~rts in die graue Substanz hinein, ohne class ich nach- weisen konnte, was weiter aus ihnen wird, zwei andere dagegen treten in zwei durch die weissen Strange hindurchtretende vordere Wurzeln ein und sind in diesen deutlich eine ziemliche Strecke welt zu ver- folgen. Dieser auch yon Herrn Prof. W a l d e y e r constatirte Befund l~sst es also wohl nicht zweifelhaft erscheinen, dass wires hier mit einer Ganglienzelle zu thua haben, yon der aus zwei Fortsatze zu Nervenfasern werden, welche durch die vorderen Wurzeln austretend nach der Peripherie des K~rpers verlaufen. Es wttrde dieses Pr~- parat also einmal zu der geringen Zahl derjenigen bisher beschrie- benen hinzatreten, welche den Beweis liefern, dass wirklich ein directer Fortsatz einer Ganglienzelle zu einer austretenden Wurzel- faser werden kann, zweitens aber wfirde es beweisen, dass eine Nervenzelle nicht nur einen, sondern auch zwei solcher Forts~tze, d. h. also nicht nur einen, sondern auch zwei Deiters'sche Axencylinder- fortsStze haben kann. Es ist dieses ein Befund, wie er meines Wissens aus dem Rackenmarke eines S~ugethieres bisher noch hie beschrieben worden ist, and der an Interesse noch zunimmt, wenn man sich erinnert, class vor etwa 25 Jahrea schon R. W a g e n e r in dem Centralorgane des Zitterrochens ebenfalls Ganglienzellen mit zwei Axencylinderforts~tzen auffand und beschrieb.

Werfen wit noch einmal einen Blick auf den Aufbau des Riickenmarks, wie er sich uns nach dieseu Beobachtungen dargestellt hat, so finden wir, dass zun~chst ein Princip dabei in der consequen- testen Weise durctlgeffthrt worden ist: alas Princip der mSglichst vielseitigen Verbindung. Um dasselbe nun auf mSglichst einfache and elegante Weise durchzuf(ihren, sind vers.chiedeae Mittel ange- wandt worden. (Sit venia verbo!)

1. Versckiedener Austritt der Fasern aus der weissen Substanz in die graue.

a) Die Fasern, die von demselben Punkte ausgehen, kSnnea in verschiedenen HShen in die graue Substanz eintreten.

b) Fasern, die yon verschiedenen. Punkten herkommend in ver- sehiedenen Theilen der weissen Substanz verlaufen, biegen an derselben Stelle in die graue Substanz ein.

c) Fasern, welche denselben senkrecht verlaufenden Bandeln an-

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,t92 Dr. P. S o h i e f f e r d e o k e r :

gehiiren, und auch in derselben HShe nach der grauen Sub- stanz hin umbiegen, gehen oft schon w~ihrend des horizon- talen Verlaufs in der weissen Substanz nach rechts und links hin auseinander und treten so in die graue Substanz zwar in derselben Horizontalebene ein, aber doch in Biindel, welche ihrem Zielpunkte nach verschiedenwerthig sind.

2. Verschiedene hrten des Verlaufs der Fasern in der grauen Substanz zum Zwecke der Faservermischung.

a) Einfache Netze (ohne Ganglienzellen). Diese kiJnneu wiederum zweierlei Natur sein, je nachdem sie

gleich am Rande der weissea Substanz liegend nur die einzelnen eben ausgetretenen Biindel unter sich verbinden - - prim~ire Netze, oder weiter nach tier Mitte der grauen Substanz zu liegend Btindel yon Fasern, welche bereits ein Netz durchgemacht haben, in Ver- bindung setzen - - secundiire Netze. Alle diese Netze denke ich mir indessen nur durch Verflechtung, nicht durch wirkliche hnasto- mosen entstaaden.

b) Faserzttge, welche verschiedene grSssere Theile des Rticken- marks verbinden; dahin gehSren:

a) die hinteren und vorderen Commissurfasern zar Verbindung der in den beiden Rackenmarksh~ilften gelegenea Theile, und

fl) die senkrecht in der grauen Substanz aufsteigenden, Punkte in verschiedenen HShen des Riickenmarks miteinander ver- bindenden Treppenfasern.

3. Besondere sehr wahrscheinlich wenigstens zur Verbindung ver- schiedenartiger Fasern dienende nerviise s die Ganglien- zellen mit den dichten zwischen ihnen befindlichen Netzen. K(innte man eine solche Gangliengruppe heil herausnehmen und besehen, wiirde sie wahrscheinlich mit ihren nach allen Richtungen bin ausgehenden Faserbttndeln einem zusammengerollten Igel nicht un~hnlich sehen.

4. Endlich gehSrt dahin auch noch die Art und Weise des Ein- tritts der Fasern der hinteren Wurzeln mit ihren Kreuzungen und ihrem weiteren horizontalen und verticalen Verlauf.

Bedenken wir nun endlich noch, dass oft mehrere, bis vier bis ftinf dieser eben angefahrtea Yerflechtungsarten hintereinaader in den Lauf derselben Fasern eingeschaltet sind, so erhalten wir eine solche Menge von Verbindungen, eine solche Menge yon Wegen fiir die Leitung zu den vershiedeasten Theilen des Riickenmarks, wir

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Beitri~ge zur Kenntniss des Faserverlaufs im Rfickenmark. 493

haben ferner in der sehr bedeutenden Anzahl yon Ganglienzellen so vide Uebertragungsapparate, denen wieder aus den verschie- densten Theilen Reize zugefiihrt werden, dass wit wohl auch bei den complicirtesten Th~itigkeiten, die wir nach den bisherigen dureh das physiologi~che Experiment gelieferten Thatsachen dem Rtickenmark zuschreiben k6aaen, dasselbe als einen, allerdings sehr complicirten Reflexmechanismus anzusehen berechtigt sind.

S t r a s s b u r g , 26. September 1873.

Erkliirung der Abbildungen auf Taf. XXXII, XXXIII u. XXXIV.

Alle Figuren sind um "~/s der GrSsse verkleinert, Figur 7 um die H~lfte.

Fig. 1 a,b. Hartnack Obj. 3. und Cam. luc. Querschnitt aus dem Lendenmark eines ttundes in der Gegend des Ursprungs des I. Sacralnerven- paares. F~irbung mit Palladiumchlorfir. Die Partien der weissen

Substanz sind nicht welter ausgefiihrt, nur die noeh in der grauen Substanz liegenden weissen Strange sind dunkel schraifirt.

Die auf 1, b m i t Zahlen versehenen Striche deuten die Richtung an, in der die L~ngsschnitte, die den Zahlen entsprechen, den Querschnitt schneiden

wiirden. Y. Vorderstriinge. S. Seitenstriinge. H. Hinterstriinge.

V.W. Vordere Wurzeln. H.W. Hintere Wurzoln.

F.a . und F.p. ---- Fissura anter, und poster. Cram. a. und Comm. p. ---- Commissura ant. und post.

C.c. Canal. eentralis.

V. G. Vordere

S.G. 8eitliehe Ganglienzellengruppe. H. M. G. Hintere mittlere

P.R. = Processas reticulares.

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494 Dr. P. S c h i e f f e r d e c k e r : Beitr~ge z. Kenntniss d. Faserverlaufs etc.

Fig. 2 a, b Liingsschnitte. Fig. 2. Frontalschnitt. Goldchloridpr~parat. Alles iibrige wie bei der

vorhergehenden Figur. a. Stiick des das Riiekenmark zun~chst umgebenden Bindegewebes. b. Seitenstrang. c. Austretende Nervenbfindel. (Siehe Text.) d. Den Can. centr, umgebendes Bindegewebe. e. Epithel des Canal centr,

Fig. 3. Sagittalschnit~. Alles Uebrige wie be[ den vorhergehenden Fi-

guren. a. Seitenstrang. b. Austretende Nervenbiindel. c. Seitliche Ganglienzellengruppe.

d. Vordere Ganglienzellengruppe. e. Vorderstrang mit durehtretenden vorderen Wurzeln. f. Bindegewebe. x'. Aufsteigende Nervenbiindel.

Fig. 4. Wie die vorhergehen~e Figur. Fig. 5. Wie die vorhergehende Figur.

a. mediale Partie des ttinterstranges. x'. aufsteigende Nervenbiindel. V.W. vordere Wurzeln.

Fig. 6. Wie die vorgehende Figur. a. Seitenstrang. b. austretende ~ervenbfindel.

Fig. 7. Hartnack. Obj. 5. Cam. luc. Theil von Fig. 1~ b. starker vergrSssert. Fig. 8 und 9. Theft eines Querschnitts aus dem Rfickenmark des

Hundes in der Gegend des Ursprungs des vierten Cervicalnerven- paares. Vorderhorn. Siehe Text.