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W. Klemm, W. Tilk u. H. Jacobi. Ammoniakate der Galliumhalogenide 187 Beitrage zur systematischen Verwandtschaftslehre. 58. I) der Verbindungen des Gallium und Indium. VIII. $) Beitrlge zur Kenntnis Die Ammoniakate der Galliumhalogenide Von WILHELM KLEMM, WOLDEMAR TILK 8) und HELMUT JACOBI Mit 2 Figuren im Text Die Untersuchung der Ammoniakate der Galhmtrihalogenide war &us verschiedenen Grunden erwiinscht. Einmal sind wir iiber die Ammoniakate von Trihalogeniden uberhaupt noch nicht sehr gut unter- richtet. AuBerdem interessierte ein Vergleich der Ammoniakate der Aluminiumhalogenidemit denen der iibrigen Halogenide der 3. Gruppe, insbesondere auch, um die auf S. 175 dieses Heftes erorterte Frage zu klaren, ob die Aluminiumverbindungen sich enger an die ent- sprechenden Verbindungen der Haupt- oder der Nebengruppe an- schlieBen. In der vorliegenden Mitteilung werden unter I. zuniichst die experimentellen Ergebnisse uber die Einwirkung von Ammoniak auf Galliumtrihalogenide mitgeteilt und in 11. unter den soeben ge- nannten Gesichtspunkten ausgewertet. In 111. werden Beobachtungen iiber die Einwirkung von Ammoniak auf Galliumdichlorid mitgeteilt. Anhangsweise wird iiber Erfahrungen mit dem Diphenyloxydkalori- meter von H. SACHSE~) berichtet. 1. Die Ammoniakate der Galliumtrihalogenide; Versuchsteil Bei der Untersuchung der Galliumhalogenid- Ammoniakate gingen wir ganz iihnlich vor, wie es von w. KLEMM und E. TANKE~) fruher beschrieben ist. ZunCichst wurden die im Gleichgewicht bestandigen hoheren Ammoniakate durch die Aufnahme von Isothermen fest- 1) Nr. 57: Vgl. It. JUZA u. W. BILTZ, Z. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 273. 2) VII: Vgl. die vorhergehende Wtteilung. 3) W. TILIE, Dissertation Hannover 1930. 4, H. SACHSE, 2. phys. Chem. 143 (19291, 94. 6, W. KLEMM u. E. TANKE, Z. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 343.

Beiträge zur systematischen Verwandtschaftslehre. 58. Beiträge zur Kenntnis der Verbindungen des Galliums und Indiums. VIII. Die Ammoniakate der Galliumhalogenide

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W. Klemm, W. Tilk u. H. Jacobi. Ammoniakate der Galliumhalogenide 187

Beitrage zur systematischen Verwandtschaftslehre. 58. I)

der Verbindungen des Gallium und Indium. VIII. $) Beitrlge zur Kenntnis

Die Ammoniakate der Galliumhalogenide Von WILHELM KLEMM, WOLDEMAR TILK 8) und HELMUT JACOBI

Mit 2 Figuren im Text

Die Untersuchung der Ammoniakate der Galhmtrihalogenide war &us verschiedenen Grunden erwiinscht. Einmal sind wir iiber die Ammoniakate von Trihalogeniden uberhaupt noch nicht sehr gut unter- richtet. AuBerdem interessierte ein Vergleich der Ammoniakate der Aluminiumhalogenide mit denen der iibrigen Halogenide der 3. Gruppe, insbesondere auch, um die auf S. 175 dieses Heftes erorterte Frage zu klaren, ob die Aluminiumverbindungen sich enger an die ent- sprechenden Verbindungen der Haupt- oder der Nebengruppe an- schlieBen.

In der vorliegenden Mitteilung werden unter I. zuniichst die experimentellen Ergebnisse uber die Einwirkung von Ammoniak auf Galliumtrihalogenide mitgeteilt und in 11. unter den soeben ge- nannten Gesichtspunkten ausgewertet. In 111. werden Beobachtungen iiber die Einwirkung von Ammoniak auf Galliumdichlorid mitgeteilt. Anhangsweise wird iiber Erfahrungen mit dem Diphenyloxydkalori- meter von H. SACHSE~) berichtet.

1. Die Ammoniakate der Galliumtrihalogenide; Versuchsteil

Bei der Untersuchung der Galliumhalogenid- Ammoniakate gingen wir ganz iihnlich vor, wie es von w. KLEMM und E. TANKE~) fruher beschrieben ist. ZunCichst wurden die im Gleichgewicht bestandigen hoheren Ammoniakate durch die Aufnahme von Isothermen fest-

1) Nr. 57: Vgl. It. JUZA u. W. BILTZ, Z. anorg. u. allg. Chem. 205 (1932), 273. 2) VII: Vgl. die vorhergehende Wtteilung. 3) W. TILIE, Dissertation Hannover 1930. 4, H. SACHSE, 2. phys. Chem. 143 (19291, 94. 6, W. KLEMM u. E. TANKE, Z. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 343.

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gestellt. Die BildungswBrmen dieser hoheren Ammine konnten a. T. den Isothermen entnommen werden, z. T. wurden sie kalorimetrisch ermittelt. Die Eigenschaften der Monammine, Schmelapunkte, Dichten und Bildungswarmen, wurden dann in einer besonderen Ver- suchsreihe ermittelt.

A. Die hoheren Ammoniakate (W. TILK): 1. Der isotherme Abbau. Unsere Arbeitsweise schliel3t sich

so eng an die fruher beschriebenel) an, daB sich eine Beschreibung im

Fig. 1

einzelnen erubrigt. Auch beziiglich der Beobachtungen bei den ein- zelnen Abbauten ist grundsiitalich nichts Neues mitzuteilen. Wir be- gnugen uns damit, in Fig. 1 eine Auswahl aus den aufgenommenen Isothermen und in Tabelle 1 eine Zusammenstellung der gefundenen Verbindungen zu geben.

1) W. Klernrn u. E. TAN-, Z. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 343.

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zahl der Molekulare Liisungswarme Messungen in kcal

* 032

Tabelle 1

Zahl der Molekulare Substanz Messungen Losungswiirme

in kcal

GaBr, . . . 2 38,4 f 0,2 GaBr3-5NH,/ 1 I 36,7 GaJ,. . . 2 33,O f 0,3 GaJ,.LNH,./ 1 1 34,7

MoleNH, 1 20 I 14 I 13 9 7 1 6 I 5 1 3

+ + Bromid. . . . . + Jodid. . . . . . t f f + +

Die Feststellung der niederen Ammine war tensimetrisch nicht moglich, da der Bodenkorper entweder sublimierte oder schmolz. Be- zuglich des Chlorids kann man aus den Isothermen irgendeine Angabe iiber die Existene eines Di- oder Monammins nicht machen. Fur das Jodid ist die Existenz eines Monammins wahrscheinlich; 4-, 3- und 2-Ammin fehlen hier sicher. Beim Bromid ist der Druckabfall zwischen 1 und 2 Mol Ammoniak dadurch bedingt, daD der feste Bodenkorper vollkommen verschwand und alles geschmolaen war ; es liegt daher keine Veranlassung vor, etwa ein ll/,-Ammin anzunehmen. Ein Mon- ammin ist moglich, 4-, 3- und 2-Ammin fehlen sicher.

2. Die Bildungswarmen. Auf die Aufnahme von Tensions- kurven wurde, soweit nicht schon die Isothermen mehrere p-t- Werte lieferten, wegen der Schwierigkeit, genau reproduzierbare Drucke zu erhalten, und wegen der zahlreichen Einphasengebiete verzichtet. Man begniigte sich damit, aus den Iso thermen die Teilbildungs- wiirmen Q‘ nach NERNST eu berechnen. Es mu13 jedoch darauf hin- gewiesen werden, daD namentlich bei den hoheren Ammoniakaten die Unsicherheit beziiglich der a-Werte die Berechnung recht unsicher macht ; die Fehler konnen 1 kcal und mehr betragen. Bei den niederen Ammoniakaten ist die Unsicherheit geringer. Die Ergebnisse der Be- rechnung enthiilt Tabelle 5 (S. 191).

Die Gesamtbildungswiirmen der Pentammine und des Gallium- chloridtriammins wurden kalorimetrisch ermittelt, indem mit dem von H. SACHSE~) angegebenen Diphenyloxydkalorimeter die Losungs-

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190 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 207. 1932

wiirmen der Ammine und der Halogenide in 9,2O/,,iger Salzsiiure be- stimmt wurden; uber unsere Erfahrungen mit diesem Instrument werden wir im Anhang berichten. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 2.

B. Die Monammine (H. JACOBI) Auf Grund der Erfahrungen beim isothermen Abbau und wegen

der Analogie zu den Aluminiumhalogeniden schien es wahrscheinlich, daB auch bei den Galliumhalogeniden Monammine bestehen. In der Tat ergaben sich starke Hinweise fur ihre Existenz. Es zeigte sich niimlich, daB Praparate der Zusammensetzung GaX,. NH, nach genugend langem Homogenisieren einheitlich schmo1zen.l) Ferner lieBen sich Priiparate dieser Zusammensetzung im Vakuum der Gaede- pumpe unzersetzt destillieren. Wir glauben daher, die Existenz von Monamminen mit Sicherheit annehmen zu durfen, und sahen von einer thermischen Analyse aus Grunden der Materialersparnis ab.

uber die Dichten der Monammine bei 25O gibt Tabelle 3 Aus- kunft.

Tabelle 3

- -~

GaCI,.NH, . . GaBr,-NH, . GaJ,.NH, .

2,189 1 2,189 1 88,2 2,189 3,100 3.124 3,112 104,9

37637 1 3,635 1 128,6 3,632

Die zur Berechnung der Bildungswarmen erforderlichen L 6 sung s - wiirmen bestimmte man im Eiskalorimeter. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 4.

Tabelle 4 Losungswiirmen in 9,2°/oiger Salzsiiure bei 0" 1 Zahl der 1 ~ o l e k ~ l a r e I I Zahl der 1 bkMdme

Substanz Messungen LBsungswLrme Substanz Messungen Losungswiirme in kcal in kcal

1) Das Temperaturintervall vom Beginn bis zum Ende des Schmelzens betrug im allgemeinen hochstens 3O. Wahrscheinlich riihrt dieses geringe Interval1 nocb von ungeniigender Homogenisierung her.

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C. Teil- und Gesamtbildungswarmen Eine Obersicht uber die gefundenen Verbindungen und die Teil-

und Gesamtbildungswiirmen gibt Tabelle 5 (vgl. auch Fig. 2, S. 192).

Tabelle 5 Teilbildungswiirmen (Q') und Gesamtbildungswlrmen (&) in kcal pro Mol NH,

11. Auswertung der Ergebnisse Wir wollen im folgenden bei der Besprechung der Ergebnisse die

Ammoniakate aller bisher untersuchten Trihalogenide im Zusammen- hang behandeh

1. Die Zahl der angelagerten Ammoniakmolekule. In Tabelle 6 ist eine Obersicht uber alle bisher festgestellten Ammo- niakate von Trihalogeniden der 3. Gruppe des periodisohen Systems

Tabelle 6 gegeben.

Man sieht zuniichst, daB gewisse Zahlen vorherrschen; Pentammine gibt es in allen bisher untersuchten Fallen; auch die Monammine kommen uberall vor, nur beim InBr, ist die Existenz

1) 22/,-Ammin.

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eines Monammins fraglich. Dagegen ist die Zahl6, die man aus geo- metrischen Grunden fur besonders wahrscheinlich haIten wurde, keineswegs auffallig haufig ; sie fehlt z. B. bei den Indiumhalogeniden

15

10

5

i'0 75 20 25 35%0m?

'Fig. 2. Bildungswiirmen der Ammo- niakate

und den Chloriden der seltenen Erden. Ebenso tritt die Zahl8 nicht sehr hSiufig auf; sie findet sich nur bei den Chloriden der seltenen Erden, dort allerdings ausnahmslos. Wahrend bei den Halogeniden der zweiten Gruppe des periodischen Systems - mit einer g e r a d e n Zahl von Halogenatomen - g e r a d e Verbindungsverhaltnisse fur NIT3 (2, 4, 6 , 8, 10) vorherrschen, sind bei den Trihalogeniden mit einer u n g e r a d e n Zahl von Halogen- atomen auch u n g e r a d e Ammo- niakate besonders haufig. Die Kristallstrukturen dieser Verbin- dungen sind wahrscheinlich ziem- lich kompliziert ; es w k e denkbar, daB die Ammoniak- und die Ha- logenpartikeln bei einer gera den Gesamtzah l zu Gitteranordnungen mit besserer Raumausnutzung zu- sammentreten konnen als bei einer ungeraden Gesamtzahl.

Die Dif fe renz zwischen zwei Verbindungsstufen ist bei der Mehr- zahl der Ammoniakate geradzahlig (2 oder 4); allerdings gilt diese

Regel nicht ausnahmslos. Insbesondere ist die Differenz zwischen dem hochsten und dem nachst niedrigeren Ammoniakat stets ungerade und zwar 5 oder 7.1) Die Zahl der maximal angelagerten Ammoniakatmole-

1) F. EPHRAIM u. P. RAY, Ber. 62 (1929), 1645, bezweifeln das allerdings beim SmCl,, bei dem sie ein 10-Ammin gefunden zu haben glauben. Nach unseren Erfahrungen befindet sich im Gebiet zwischen 13 und 8 Mol NH, ein Gebiet fester Losungen; wir halten es fast fur ausgeschlossen, daI3 wir ein 10-Ammin ubersehen haben sollten, glauben vtelmehr, daI3 EPHRAIM u. RAY durch die langen Einstell- zeiten getauscht worden sind. Die von diesen Autoren verwendete isobare Methode scheint uns hier wegen des Auftretens fester Losungen uberhaupt nicht sehr

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kule ist bei den Halogeniden des Al, Ga und I n geradzahlig (14 bzw. 20), beim SmC1, und wohl auch bei den anderen seltenen Erden un- gerade (13).

2. Die Eigenschaf ten der Monammine. Bei Komplexsalzen unterscheidet man mit A. WERNER Anlagerungs- u n d Ein lage- rungsverb indungen. Bei den ersteren handelt es sich bekanntlich urn Molekulgitter, bei denen das Dipolmolekiil die Anionen zwar bei- seite gedrangt, aber ihre Bindung an das Kation nicht gelost hat; bei den Einlagerungsverbindungen hingegen, die durchweg salzartig sind, ist das Kation von den Dipolmolekulen vollstandig umhullt und die direkte Bindung der Anionen an das Kation gelost. Fiir die Mon- ammine der Aluminiumhalogenide war fruherl) wahrscheinlich ge- macht, daB es sich um Anlagerungsverb indungen handelt. Auch fur die Galliumhalogenid-Monammine durfte dies zutreffen, wie schon aus ihren niedrigen Schmelz- und Siedepunkten hervorgeht. Die groBe Ahnlichkeit zwischen den entsprechenden Verbindungen des Alu- miniums und Galliums ergibt sich nicht nur aus der weitgehenden Ubereinstimmung der Schmelzpunkte , sondern auch der Mole- k u l a r v o 1 u mi n a , die bei den Chloriden und Bromiden geradezu zur Identitat wird (Tabelle 7).

TabelIe 7 Eigensohaften der Monammine

1 Chlorid I Bromid 1 Jodid

Schmelzpunkt in 0 C At . . . . 125 124 126 G a . . . . 1 124 I 124 1 140

141

Al . . . . 88,O 104,9 129,7 Ga . . . . 88,2 104,9 128,6 In . . . . I (83,O) 1 1 131,5

A I . . . . (32) 39 32 G a . . . 27 In . . . .

In . . . . (>300) -

Molekularvolumina bei 25O in cm3

-

Bildungswlrme in kcal pro Mol

geeignet. Diese Methode wurde von EPHRAIM u. R ~ Y auch bei der Untersuchung der Ammoniakate des SmBr, angewendet ; die hier von diesen Autoren erhaltenen Ergebnisse sind z. T. recht auffidlig. Wir baben sie nicht in Tabelle 6 auf- genommen, da sie fur den dort durchgefuhrtenVergleich ohne groBe Bedeutung sind.

1) W. KLEMM, E. CLAUSEN u. H. JACOBI, Z. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 367.

Z. snorg. u. allg. Chem. Bd. 207. 13

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194 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 207. 1932

Man erkennt deutlich, daB das Monammin des InCl,, das sich schon durch seinen hohen Schmelzpunkt als Einlagerungsverbindung erweist, auch im Molvolumen herausfallt.

Bhnliche Anlagerungsverbindungen diirften auch bei den Diamminen der Be-, Zn-, Cd- und Hg- sowie der Co-, Ni- usw. Halogenide vorliegen. Die meisten dieser Diammine schmelzen, wie man auf Grund der Erfahrungen beim ther- mischen Abbau') weiB, relativ niedrig, meist unterhalb 300O. Auch hier sind die Molekularvolumina bei 25O, soweit bisher bekannt, beinahe identisch (Tabelle 8).

Tabelle 8 Molekulamolumina bei 25O in om3

1 Chlorid 1 Bromid I Jodid I 1 Chlorid 1 Bromid 1 Jodid

Diammine I Ammoniakfreie Salze

Die Molekularvolumina der entsprechenden ammoniakfreien Salze hingegen zeigen recht erhebliche Verschiedenheiten. Eine niihere Untersuchung dieser Di- itmmine ist geplant.

Die Bildungswarmen von Anlagerungskomplexen sind, wie friiher am Beispiel des AlBr, und A1 J32) gezeigt werden konntez), fur den festen und den gasformigen Zustand sehr ahnli~h.~) Sie steigen in vielen Fallen

a) mit fallender Gro13e des Anions und b) mit steigender Groae der Zentralpa,rtikel.

Fur die festen Monammine der Al-, Ga- und In-Halogenide gil t nur die ers te dieser Regeln (vgl. Tabelle 7, S. 193): Die Bildungswiirmen steigen sowohl bei den Al- als auch bei den Ga-Halogenidmonamminen vom Jodid zum Chlorid.

AICI, fallt heraus; das hat seinen Grund, wie fruher ausfuhrlich dargelegt ist, in der abweichenden Konstitution des ammoniakfreien Salzes. InCI,-NH, ist als Einlagerungsverbindung (vgl. oben) nicht vergleichbar.

1) Vgl. zahlreiche Abhandlungen von W. BILTZ u. Mitarbeitern. 2) Ober AICI, vgl. den nachsten Absatz! 3) W. KLEMM, E. CLAUSEN u. H. JACOBI, 2. anorg. u. allg. Chem. 200

4, Die in Z . anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 380, gegebene Tabelle 4 enthalt (1931), 379.

einige Fehler ; wir geben sie daher berichtigt nochmals wieder.

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W. Klemm, W. Tilk u. H. Jacobi. Ammoniakate der Gallinmhalogenide 195

Dagegen versagt hier die zweite der oben genannten Regeln; die Bildungswarme wachst nicht beim Dbergang von den Al- zu den In-Verbindungen, sondern sie fallt. Der Grund fiir diese Abweichung ist leicht einzusehen. Wir wollen wieder annehmen, daB die Bildungs- warme des festen Monammins aus festem Halogenid und Ammoniak- gas (also unser Q) etwa gleich der Reaktionswiirme Q * der Gasreaktion (AlCl,) + (NH,) = (AlC1,-NH,) ist, wozu uns die S. 194, Anm.4 ge- gebene Tabelle berechtigt. Q* wird von zwei GroBen abhangen:

1. Der Arbeit E, die aufzuwenden ist, um die Halogenteilchen zur Seite zu drangen, und

2. der Arbeit A , die bei der Anlagerung des Dipols gewonnen wird; es gilt also: Q* =- E + A').

1st die Zentralpartikel sehr klein und die Zahl der Halogenionen groB - d. h. also bei sehr vollstandiger Umhullung - so wird E die praktisch allein bestimmende GroBe und es ergeben sich die oben genannten Regeln. 1st aber die Umhullung weniger vol ls tandig, so wird der EinfluB der GroBe A groBer.

Der zweite Fall liegt bei den Halogeniden des Al, Ga und In vor; denn auf der unvollstandigen UmhuLlung beruht ja gerade das Zn- standekommen von Doppelmolekulen im Gaszustande und in ver- dumter Losung. z, Infolge dieser unvolls tiindigen Umhiillung ist die Abhangigkeit der Bildungswarmen der Monammine von der GroBe des Kat ions hier anders. A fallt sehr stark mit wachsender GroBe des Kations, E fallt zwar auch, aber offenbar viel weniger. Infolge- dessen f a l l t hier die Bildungswiirme - im Gegensatz zu den sehr weitgehend umhullten Verbindungen - mit steigender Grolje des Anions.

Fur die Abhangigkeit der Bestandigkeit der Monammine von der Grolje des Anions hingegen macht es nicht sehr viel aus, ob die Urn- hullung vollstandig ist oder nicht, der Gang bleibt grundsiitzlich der- selbe. Denn es handelt sich ja immer um die Anlagerung eines Am- moniakmolekuls an das gleiche Kation; A ist also in erster Annaherung fur das Chlorid, Bromid und Jodid als konstant anzusehen. Da nun E vom Chlorid zu Jodid steigt, wird Q* in dieser Reihenfolge fallen.

l) Diese Formel ist identisch mit der von W. BILTZ u. H. G. GRIIKM, Z. anorg. u. allg. Chem. 145 (1925), 63, sowie von W. BILTZ, Naturw. 13 (1925), 500, be- nutzten, nur bezieht sie sich dort auf den festen Zustand; E bedeutet dann die Aufweitungsarbeit des Gitters.

2, Vgl. W. FISCHER u. 0. RAHLFB, 2. anorg. u. allg. Chern. 2005 (1932), 32 uad die dort zitierte Literatur.

13*

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196 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 207. 1932

Auch fur gasformige Diammine von Dihalogeniden sollte man er- warten, daB die Bildungswarmen mit steigender GroBe des Kations fallen, wah- rend die Abstufung von Chlorid eum Jodid schon recht gering sein sollte.1) Auch hier findet man (vgl. Tabelle 9), daB die Bildungswiirmen der festen Ammine so verlaufen, wie man es fur die gasformigen Verbindungen erwartete; das ist nicht selbstverstandlich, da der EinfluB der Gitternachbarn schon ein sehr groBer sein wird.2)

Tabelle 9 Bildungswarmen der festen Diammine in kcal pro Mol

(aus festem Halonenid und NH,-Gas) ~ 1 c4 I Br'2 I J, _____

Zn . . . . . . . . . . . . . . 22,l 19,9 19,4 Cd . . . . . . . . . . . . . . I :;y3 ! 2; ~ % Hg . . . . . . . . . . . . . .

Fur den V o 1 u me n a u ~ . v a c h s bei der Anlagerung eines Mols Am- moniak an die festen Halogenide ergeben sich fur die Al-, Ga- und In-Halogenide folgende Zahlen :

Tabelle 10 Volumdifferenz : Monammin-ammoniakfreies Halogenid bei 25O in om3

1 c1, 1 BI.3 I J3

. . . . . . . . . . . . . . . 263) Ga . . . . . . . . . . . . . . ~ g) 1 g) --I 20 A1

In . . . . . . . . . . . . . . . 25

Die Werte sind im Durchschnitt etwas groBer als das Nullpunkts- volumen des Animoniaks und zeigen die Tendenz, vom Chlorid zum Jodid zu steigen; sie bestatigen damit die von W. BILTZ~) gegebenen

Bei sehr groBen und niedrig geladenen Kationen wird die Bestandigkeit vom Chlorid zum Jodid sogar ansteigen, weil dann der raumliche EinfluB ganz zurucktritt und die grol3ere Entfernung des den Dip1 abstonenden Anions vom Dipolmolekiil von Bedeutung wird.

2, Mit diesem EinfluB der Gitternachbarn (d. h. der Gitterenergie) hangt es offenbar zusammen, daB z. B. bei vielen Komplexverbindungen der Co"- und Zn-Halogenide die Abhangigkeit vom Anion z. T. sogar umgekehrt ist, d. h. vom Chlorid zum Jodid steigt; vgl. dazu u. a. W. HIEBER u. H. APPEL, Z. anorg. u. allg. Chem. 196 (1931), 209.

3, Die Zahlen fur die Al-Halogenide sind gegeniiber friiher [Z. anorg. u. allg. Chem. BOO (1931), 3551 erheblich geiindert, da inzwischen Herr 0. HULSMANN im hiesigen Institut Neubestimmungen der Dichten der Al-Halogenide ausgefiihrt hat. Die fur AlCI, gegebene Zahl gilt fur die Differenz des Monammins gegenuber der (hypothetischen!) Molekiilgitterform des NH,-freien Salzes.

4, W. BLLTZ, Nachr. d. Ges. d. Wiss., Gottingen Math.-phys. K1. 1926, 52.

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W. Klemm, W. Tilk u. H. Jwobi. Die Ammoniakate der Galliumhalogenide 197

Regeln uber die Volumbeanspruchung des Ammoniaks in Komplex- salzen.

3. Die S te l lung des Alumin iums i n de r 3. G r u p p e auf Grund d e s Verha l tens d e r Ha logen ide gegen Ammonisk.

a) Die Zah l d e r ange lage r t en Ammoniakmoleki i le . Ver- gleicht man zunhchst die Ammoniakzahlen der Al-Halogenide mit denen der Ga- und In-Halogenide, d. h. den Vertretern der Neben- g r u p p e n (vgl. dazu Tabelle 6, S. 191), so ergibt sich eine aufftillige Ahnlichkeit. GewiB fehlen bei den In-Halogeniden die Hexammine, und auch sonst finden sich - vornehmlich bei den niederen Amminen - einzelne Abweichungen, aber das Gesamtbild ist doch auaerordent- lich ahnlich.

Von Vertretern der H a u p t g r u p p e n sind bisher leider nur LaC1, und einige Chloride der Lanthaniden untersucht. Auch hier finden sich in bezug auf die Verbindungstypen groBe Ahnliohkeiten mit dem AICl,; aber es ergibt sich auch ein sehr charakteristischer U n t e r - s c h i e d : Beim LaCI, und den anderen Lanthanidchloriden fehlt die Zahl 7, die fur die Ammoniakate des AlCl,, GaCl, und InCl, sehr charakteristisch ist ; dafdr tritt bei allen Vertretern der Lanthanid- chloride die Zahl 8 auf. Es ist sehr bedauerlich, daB die Ammoniakate der Sc-Halogenide noch nicht untersucht sindl) ; infolgedessen kann man z. Zt. die Frage, ob sich das A1 in bezug auf die Ammoniakat- typen seiner Halogenide mehr den Haupt- oder den Nebengruppen an- schlieDt, noch nicht befriedigend beantworten. Bei dem augenblick- lichen Stande kann man nur aussagen, daB in bezug auf die Ver- bindungstypen die Aluminiumhalogenide den Ga- und In-Halogeniden sehr nahe stehen und daB die Ahnlichkeit des AlCl, mit dem LaC1, geringer ist.

b) Bi ldungswarmen. In bezug auf die energetischen Verhalt- nisse (vgl. Tabelle 11, S. 198) bestehen zwischen den Ammoniakaten der Al-Halogenide einerseits, der Ga- und In-Halogenide andererseits z. T. Ahnlichkeiten, z. T. Verschiedenheiten:

Abhtingigkei t v o m Ka t ion . Fur ihre nahe Verwandtschaft spricht, daB man sowohl bei den Chloriden als auch bei den Bromiden und Jodiden einen regelmaBigen Abfall der Bildungswarmen mit steigender GroBe des K a t i o n s , d. h. vom A1 zum In, findet.2)

l) Die Untersuchung ist inzwischen begonnen; nach den ersten vorkufigen Versuchen nimmt ScC1, eine ausgesprochene Ubergangsstellung zwischen Lac& und AlCl, ein.

2, Mit Ausnahme von AICI,.NH,. Vgl. dazu S. 194.

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198 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 207. 1932

2071 30'0 i 31'3 I 18,,

Fiir die Monammine, die ja AnlagerungsverbinL ..ngen sind, Begriindung hierfiir schon S. 194 gegeben. Die hsheren Ammine diirften durchweg Einlagerungsverbindungen bi1den.l) Fur diese ist bereits friiher von W. BILTZ nachgewiesen worden, dal3 die Bildungswrirmen mit der GroDe des Kations ab- nehmen; dieses Ergebnis ist auch von W. BILTZ u. H. G. GRIMM theoretisch ver- stlndlich gemacht worden.1) Das Venhalten der hoheren Ammoniakate der Al- Ga- und In-Halogenide entspricht also durchgehend der allgemeinen Gesetz- miil3igkeit.

Abhangigkeit vom Anion. Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen den hoheren Ammoniakaten der Al-Halogenide einerseits und denen der Ga- und In-Halogenide andererseite in bezug auf die Abhangigkeit vom Anion. Man erkennt dies am besten aus Fig. 2, S. 192. Bei den Al-Halogeniden zeigt sich eine erhebliche Zu- nahme der Bildungswarmen vom Chlorid zum Jodid, beim Ga und In hingegen besitzen die hoheren Ammine des ChIorids, Bromids und Jodids bei gleioher Zahl der angelagerten Ammoniakmolekule nahezu die gleiche Bildungswarme.

Es hlngt dies bekannlich mit den Deformationserscheingen zusammen.a) Bei Einlagerungsverbindungen, wie sie bei den hoheren Ammoniakaten vorliegen, treten - im Gegensatz zu den oben besprochenen Anlagerungs- verbindungen - die Dipolmolekiile zwischen Kation und Halogenionen. Die zur Ablosung der Halogenionen vom Kation erforderliche Arbeit ist unter ,,normalen" Umstlnden beim Jodid kleiner als beim Chlorid, d. h. die Ammine des Chlorids sind bestiindiger als die des Jodids. Derartige ,,normale" Zustiinde findet man im allgemeinen dann, wenn Kationen mit Edelgaskonfiguration vorliegen. Handelt

l) Vgl. dazu W. KLEMM u. E. TANKE sowie W. KLEMM, E. CLAUSEN u.

a ) Vgl. dazu die Bemerkungen von K. FAJANS, mitgeteilt von W. BILTZ U. H. JACOBI, 2. anorg. u. allg. Chem. 200 (1931), 343 u. 367.

H. G. GRIMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 145 (1925), 63.

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es sich aber um Kationen mit 18 AuBenelektronen, so kommen zu den elektro- statischen Kraftwirkungen zwischen Anion und Kation noch besondere Zusatz- krate (Deformationskri), die beim Jodid groBer sind als beim Chlorid. Diem machen bei den Halogeniden des einwertigen Cu, Ag und Au einen verhiiltnismsflig sehr groBen prozentualen Betrag &us und fiihren hier dazu, daD die Ammoniakate der Jodide unbestkndiger sind rtls die der Chloride (,,Inverse" Ammoniakate nach W. BILTZ). Bei den Di- und Tri-Halogeniden hingegen ist der prozentuale Anteil dieser Zusatzkr&.fk geringerl); es ist daher nicht verwunderlich, daB die Bildungs- wgrmen der hiiheren Ammoniakate praktisch unabhlngig von Anion sind.

Wir konnen also zusammenfassend feststellen: In bezug auf die Zahl der angelagerten Ammoniakmolekule schlieBen sich die Halogenide des Al, soweit man es bisher ubersehen kann, etwas besser an die Halogenide der Neb e n gr u p p e n an als an die der Haupt- gruppen; in energetischer Beziehung bestehen sber oharakte- ristische Unt erschiede zwischen den Ammoniakaten der Al-Halo- genide und denen der Nebengruppen.

Dieses Ergebnis schlieBt sich sehr weitgehend an das Verhalten der Halogenide der 2. Gruppe an, das von W. BILTZ, K. A. KLATTE und E. RAHLFS~) erortert worden ist. Auch hier finden sich in bezug auf die Z ah1 der angelagerten Ammoniakmolekule Ahnlichkeiten zwischen den Be- und Mg-Verbindungen einerseits, den Zn-, Cd- und Hg-Verbindungen andererseits. Ferner besteht auch hier der gleiche Unterschied zwischen den entsprechenden Vertretern von Haupt- und Nebengruppe in bezug auf die Abhangigkeit der Amminbildungs- warmen vom Anion. Im Gegensatz zu den Trihalogeniden schlieBen sich aber hier die Bildungswkmen der Zn-Halogenidammoniakate nicht mehr kontinuierlioh an die der Be- und Mg-Halogenide an, sondern sie liegen zwischen den Werten der entsprechenden Be- und Mg-Verbindungen.

111. Die Einwirkung von Ammoniak auf Galliumdichlorid

Bei der Einwirkung von NH,-Gas auf Indiummonochlorid3) war beobachtet worden, daB das Monochlorid gemiiIj der Gleichung

3 InCl + x NH, = 2 In + InCl,-n NH, in Metal1 und Trichloridammoniak zerfallt. Beim Abbau dieses Am- moniakats erhielt man bis zum Triammin die gleichen Isothermen wie beim InCl, selbst. Beim weiteren Abbau trat jedoch nicht das Di-

1 ) nber die Abschlitzung dieser Zusatzkriifte durch Gitterenergie- bzw.

2) K. A. KLATTE u. E. RAHLFS, Z. anorg. u. allg. Chem. 166 (1927), 344. 3) W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 163 (1927), 240.

Molekiilenergiequotienten vgl. W. KLEMM, Z. phys. Chem., B 12 (1931), 1.

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200 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 207. 1932

bzw. Monammin des InCI, auf, sondern es bildete sich in einer Stufe InCl gema13

InC1,-3 NH, + 21n = 3InC1+ 3 NH, . Die bei dieser Reaktion erhaltenen NH,-Drucke waren gro13er als beim InGI, selbst, d. h. die zur Dissoziation des Triammins erforderliche Warmetonung war bei der Gegenwart von In-Metal1 kleiner, und zwar gerade um soviel, wie der Warmetonung der Reaktion 21n + InC1, = InCl entspricht.

Entsprechendes gilt auch fur die Einwirkung von Ammoniak auf die Merkurohalogenide.

Die Halogenide des zweiwertigen Zinns hingegen, sowie SmCl, und YbCI, bilden wirklich Ammoniakate der zweiwertigen Stufe. Es war daher von Interesse festzustellen, wie sich GaCl, verhalten wiird-e.

Der Versuch ergab, da13 sich das GaC1, an das InCl und die Mer- kurohalogenide anschlieBt : Es farbte sich bei der Einwirkung von NH, bei -7S0 grau (Abscheidung von Metall), und die erhaltenen Isothermen entsprachen durchaus denen der Ammoniakate des GaCl,, wenigstens bis zum Triammin. Bei der weiteren Untersuchung er- gaben sich allerdings unerwartete Schwierigkeiten. Als namlich bei hoheren Temperaturen weiter abgebaut wurde, entsprachen die Er- scheinungen nur zum Teil dem, was man fur die Reaktion 2GaCI, -3NH, + Ga = 3 GaCI, + 6NH, zu erwarten hatte: Die Drucke waren zwar, wie erwartet, hoher als beim reinen GaCl,; auch ver- schwand die graue Farbe des Bodenkorpers, was mit der erwarteten Bildung von GaC1, durchaus im Einklang war. Aber die volumetrisch bestimmten Gasmengen und die direkt bestimmten Gewichtsverluste des Bodenkorpers stimmten nicht mit der Annahme uberein, daB das abgegebene Gas Ammoniak war; vielmehr muBte ein leichteres Gas vorliegen. Dem entsprach, daB das Gas nur zum Teil mit flussiger Luft kondensierbar war; offenbar enthielt das Gas Wasserstoff. Als man erneut NH, anlagerte, traten zwar - bis auf eine geringe Ver- schiebung langs der Konzentrationsachse - dieselben Druck-Konzen- trations-kurven auf wie vorher; aber der Bodenkorper farbte sich nicht wieder grau.

Alle diese Erscheinungen weisen darauf hin, daB bei Temperaturen uber looo eine Reaktion etwa gemiiB

Ga + 3NH, = Ga(NH,), + ,/,HZ bzw. Ga + NH, = GaN + 3/2H2 einget ret en war.

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Wir priiften daher das Verhalten von metallischem Gallium gegen- iiber NH,-Gas bei hoheren Temperaturen. Bei beginnender Rotglut ent- stand ein schwer fliichtiges Sublimat, nach Iiingerem Erhitzen auf S0O-85O0 war das Metall mit einer diinnen Schicht von hellgelben glanzenden Nadeln iiberdeckt, die z. T. einige Millimeter lang waren. Priifung mit NaOH ergab die Anwesenheit eines Nitrids oder Amids. Gegen Luft schienen die Kristalle bestandig zu sein.

Es tritt also tatsachlich Reaktion ein, aber erst bei relativ hohen Tempe- raturen. Nun lag aber bei den Abbauprodukten das Metall in auBerst fein verteilter Form vor, es war also gleichsam ,,pyrophor" und reagierte schon bei sehr vie1 tieferen Temperaturen.

,41s Gesamte rgebn i s konnen wir also feststellen, daB GaC1, sich gegenuber Ammoniak ahnlich verhdt wie InCl und die Merkuro- halogenide; Ammoniakate des GaCI, selbst sind nicht bestandig.

Anhang Uber e in ige E r f a h r u n g e n mi t . d e m D i p h e n y l o x y d -

ka lo r ime t e r Wie S. 189 erwahnt, wurde zur Besbimmung der Losungswarmen

der Galliumhalogenide und einiger Ammoniakate ein Diphenyloxyd- kalorimeter nach H. SACHSE~) benutzt. Das Diphenyloxyd verdanken wir dem Hauptlaboratorium der Badischen Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen; wir mochten auch an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. K. H. MEYER fur die Uberlassung herzlichst danken. Das Praparat war bereits sehr rein; es erstarrte in einem Interval1 von 26,75 bis 26,63O. ,) Durch fraktionierende Kristallisation aus dem SchmelzfluB wurde ein zwischen 26,73 bis 26,71° schmelzender Anteil erhalten, der dann fur das Kalorimeter benutzt wurde.

Unser Instrument wich nur unerheblich von dem von SACHSE beschriebenen ab. Einmal besaB es einen Vakuummantel. Ferner lieBen wir den iiuderen Stutzen mit teilweise geschmolzenem Diphenyloxyd fort, der nach SACHSE - iihnlich wie beim Eiskalorimeter - die Temperaturschwankungen der Umgebung unschadlich machen soll. Wir stellten namlich fest, daB die Temperatur der das Kalorimeter umgebenden Thermostatenfliissigkeit bei uns urn 0,1-0,2" hoher sein muBte, als dem Schmelzpunkt des Diphenyloxyds entspricht, da sonst infolge der Warme- ableitung durch den oberen Teil des Reaktionsrohrs dauernd Diphenyloxyd gefror, so daB starke negative Gange auftraten. AuBerdem geniigte die Konstanz unseres Thermostaten ( 0,OZO) vollstandig, urn gleichmaBige Gange zu gewahrleisten. Unsere Konstruktion hatte, wie sich schon aus dem Vorstehenden ergibt, einen wesentlichen Fehler; diewarmeableitung nach oben war zu groB. Das riihrte offen- bar daher, dsB die Wasseroberflgche des Thermostaten nur etwa bis zu der Stelle ging, wo die obere Ableitung des Reaktionsrohres in den Vakuummantel ein- geschmolzen war. Infolgedessen wurde u. a. der Gang durch die Schwankungen der Zimmertemperatur beeinflult. Wir versuchten, dies dadurch zu beheben, daB wir den Hals mit einem kiihlerahnlichen Mantel umgaben, durch den wir mit

I ) H. SACHSE, Z. phys. Chem. 143 (1929), 94. 2, SACHSE gibt 26,55O an.

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einer Art von umgekehrter Wasserstrahlpumpe dauernd Thermostatenwasser durchdriickten; das half aber nur unvollkommen. Bei einer Neukonstruktion wiirden wir den oberen Teil des Reaktionsrohres maglichst lang und eng und den Thermostaten so hoch wahlen, daS das Thermostatenwasser bis zum oberen Ende dea Reaktionsrohres reicht.

Eine starke Wiirmeableitung mechte sich auch bei der elektrischen E ichung storend bemerkbar. Nahm man relativ dicke Cu-Zuleitungs- drlihte (0,75 mm Durchmesser), so wurde die Heizwarme z. T. durch diese Driihte abge1eitet.l) Nahm man hingegen sehr diinne Zuleitungs- driihte (0,18 mm Durchmesser), so fie1 zwar diese Fehlerquelle weg, aber die dunnen Drahte erwiirmten sich etwas durch den Heizstrom. Infolgedessen lieB sich der Umrechnungsfaktor nur angeniihert zu 0,0528 f 0,0005 g Hg/cal ermitteln.

Praktisch den gleichen Wert (0,0527 & 0,0001) erhielt man, als man die Losungswarme von metallischem Zink in HC1.20H20 be- stimmte und mit den Wer6en von T. W. RICHARDS undMitarbeitern2) und von W. BILTZ und W. WAGNER^), die auf 27O umgerechnet wurden, verglich. Es fallt auf, daB unsere Eichwerte VOR den von SACHSE an- gegebenen (2,705 mm3 Hg/cal = 0,0365 g Hg/cal) sehr stark ab- weichen. Herr SACHSE hat daraufhin seinen Wert nochmals nach- gepruft, aber keinen Unterschied gegen fruher gefunden.

Bei den Messungen mit Zink ergab sich als Ma13 fur die Le is tungs- fah igke i t des Kalorimeters folgendes: Von zwolf Messungen lagen fiinf innerhalb eines Bereiches von f 0 , l kcal (= 0,3%) vom Mittel- wert, sieben von &0,2 kcal, neun von &0,3 kcal, elf von &0,4 kcal. Fur Messungen, bei denen es nicht auf eine sehr groBe Prazision an- kommt, durfte dies geniigen.

Kontrollmessungen mit Zinkmetall, die am Beginn und am Ende einer Messungsreihe von etwa 2 Monaten gemacht wurden, stimmten miteinander innerhalb der oben genannten Fehlergrenzen uberein. Als wir aber nach weiteren 6 Monaten rnit dem gleichen Instrument erneut Messungen der LosungswBrme der Galliumhalogenide durch- fuhrten, ergaben sich Werte, die ewar untereinander gut uberein- stimmten, aber durchweg um etwa 2% hoher lagen als die friiheren. Wir konnen zur Zeit nicht angeben, woran dies liegt.

1) C. DIETERICI, Ann. Phys. [4] 16 (1905), 593, u. E. GRIFFITH, Roc. Phys. SOC. London 26 (1913), 1, haben diese Wiirmeableitung durch die Zuleitungs- drhhte bei der Eichung des Eiskalorimeters-ebenfalls festgestellt ; die Fehler waren hier jedoch bedeutend kleiner.

2) T. W. RICHARDS u. Mitarbeiter, Journ. Am. Chem. SOC. 32 (1910), 456; 44 (1922), 1051.

3) W. BILTZ u. W. WAGNER, Z. anorg. u. allg. Chem. 134 (1924), 10.

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Das Arbeiten mit dem Diphenyloxydkalorimeter ist sehr an- genehm, da das Instrument vie1 weniger Wartung braucht als das Eiskalorimeter und dauernd gebrauchsfahig ist. Es gestattet, ebenso wie das Eiskalorimeter, Reaktionen von sehr langer Dauer zu messen, und ist auch fur sehr kleine Materialmengen anwendbar. Wir haben z. B. mit Einwaagen von 20 mg Ga sehr brauchbare Werte fur die Losungswarmen in KBr,-Losung erhalten. Gegenuber dem Eis- kalorimeter hat es den Vorteil, da13 man bei hoheren Temperaturen arbeitet ; bei der Bestimmung der Losungswarme von Ga-Metal1 erwies sich das als entscheidend. Ehe man aber das Instrument a11- gemein empfehlen kann, bedarf es noch einer eingehenden Unter- suchung, ob es moglich ist, rnit Sicherheit einwandfrei reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten. Die Differenz unseres Eichwertes mit dem von SACHSE sowie der Unterschied zwischen unseren beiden MeB- reihen mahnen zur Vorsicht.

Zusammenfassung 1. Es wurden die im Gleichgewicht bestandigen Ammoniakate

der Galliumhalogenide festgestellt und ihre Bildungswarmen ermittelt. 2. Ferner wurden Schmelzpunkte und Dichten der Monammine

bestimmt. 3. Es werden die Ammoniakate der Trihalogenide zusammen-

fassend besprochen, und zwar werden behandelt : a) Die Verbindungstypen, b) die Eigenschaften der Monammine und c) die Stellung des Aluminiums in der dritten Gruppe auf Grund

des Verhaltens der Halogenide gegeniiber Ammoniak. 4. Galliumdichlorid zerfallt bei der Einwirkung von Ammoniak

in Metall und Trichloridammoniakat. Das fein verteilte Metall reagiert bei Temperaturen uber 1000 rnit Ammoniak unter Wasser- st off entwicklung.

5. Es werden einige Erfahrungen mit dem Diphenyloxydkalori- meter mitgeteilt.

Der Hannoverschen Hochschulgemeinschaft und der Notgemein- schaft der deutschen Wissensohaft danken wir fur die Gewahrung der Mittel zur Beschaffung des bei den vorstehenden Untersuchungen verwendeten Galliums, Herrn Prof. BILTZ fur die Uberlassung der Institutsmittel. Bei den Messungen an den Monamminen unter- stutzten uns Herr stud. ERNST MAY und Frl. stud. ERIKA PATZAK.

Hamnover, Technische Hochschule, Institut f u r anorgan6che Chemie. Bei der Redaktion eingegitngen am 10. Juni 1932.