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| Der Radiologe 11·98 Zur neuroradiologischen Diagnostik von Hirntumoren 924 J.B. Bader 1 · S. Samnick 1 · Andrea Schaefer 1 · T. Hagen 2 · J.-R. Moringlane 3 · W. Feiden 4 U. Piepgras 2 · C.-M. Kirsch 1 1 Abteilung für Nuklearmedizin, Radiologische Universitätsklinik, Homburg/Saar 2 Neuroradiologie der Radiologischen Universitätsklink, Homburg/Saar 3 Neurochirurgische Klinik, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar 4 Institut für Neuropathologie der Universität des Saarlandes, Homburg/Saar Beitrag der Nuklearmedizin zur Diagnostik des Hirntumorrezidivs und der zerebralen Radionekrose sorge die frühzeitige Diagnosesiche- rung des Rezidivs [12–14]. Diese ermög- licht, die Prognose des Patienten abzu- schätzen und ggf. frühzeitig eine weiter- führende operative oder adjuvante The- rapie einzuleiten [21]. In den Fällen, in denen die Beurteilung von morphologi- schen Veränderungen zu keiner eindeu- tigen Diagnose führt, können die funk- tionell orientierten nuklearmedizini- schen Verfahren wie IMT-SPECT und FDG-PET, die auf der Grundlage des Nachweises pathologischer Tumorstoff- wechselprozesse basieren, richtungs- weisende Informationen liefern [22, 28]. Das in der SPECT-Diagnostik ein- gesetzte Tyrosinanalog L- 123 I-α-Methyl- tyrosin (IMT) wird zellulär über einen Carrier-vermittelten aktiven Transport aufgenommen. IMT nimmt jedoch an der Proteinbiosynthese nicht teil. Eine im Vergleich zu Normalgewebe rasche Proliferation von Tumorzellverbänden führt zu einem gesteigerten Substrat- bedarf, der über die Induktion trans- zellulärer Transporter gedeckt wird. Dieser Mechanismus stellt die entschei- dende Determinante für die Anreiche- rung des Radiopharmakons in Hirntu- moren dar. Der Uptake bleibt zwischen der 15. und 60. min relativ konstant und ermöglicht bis 90 min p.i. eine SPECT- Darstellung der Tumoranreicherung [18, 19]. Nuklearmedizinische Verfahren in der Primär- und Rezidivdiagnostik von Hirntumoren gewinnen zunehmend an klinischer Bedeutung [1, 2]. Einerseits ist dies auf die Entwicklung neuer und spezifischer Radiopharmaka, zum an- deren auf Innovationen im Bereich der Gerätetechnik, insbesondere der PET Technologie zurückzuführen [10, 11, 23]. In der Nachsorge primär hirneigener Tumoren stehen Verfahren wie die cCT und die MRT an erster Stelle der dia- gnostischen Maßnahmen [6]. Eine bild- morphologische Differenzierung zwi- schen Rezidiv und therapiebedingten benignen Läsionen, hier insbesondere der Radionekrose, bereitet jedoch in vielen Fällen differentialdiagnostische Probleme [4, 24]. Von großem klini- schen Interesse ist gerade in der Nach- Zur neuroradiologischen Diagnostik von Hirntumoren Radiologe 1998 · 38:924–929 © Springer-Verlag 1998 Zusammenfassung Ziel der Studie: Die Beurteilung des Hirntu- morrezidivs und der davon differentialdia- gnostisch abzugrenzenden posttherapeu- tisch bedingten benignen Veränderungen nach operativer Resektion und/oder Radiatio stellt eine Herausforderung sowohl für die morphologisch orientierten (cCT/MRT) als auch die funktionell bildgebenden Verfahren (SPECT/PET) dar. Anhand einer Literatur- übersicht und der hier vorgestellten Daten des eigenen Patientenguts soll die diagno- stische Effizienz von L-3-[ 123 I]Iodo-α-me- thyltyrosin-SPECT (IMT-SPECT) und [ 18 F]-Flu- orodeoxyglucose-PET (FDG-PET) im Rahmen der Rezidivdiagnostik und dem In-vivo Gra- ding primärer Hirntumoren aufgezeigt wer- den. Patienten: 39 Patienten im Alter zwischen 26 und 67 Jahren, bei denen im Rahmen der Nachsorge der Verdacht auf das Vorliegen ei- nes Tumorrezidivs nach vorangegangener operativer Resektion und/oder Radiatio be- stand, wurden zur weiteren Abklärung einer IMT-SPECT- und FDG-PET Diagnostik zuge- führt.Bei 34/39 Patienten lag ein Rezidiv vor, in 12 Fällen ein zusätzlicher Grading-Wan- del. Mit FDG-PET und IMT-SPECT konnten al- le Tumoren höheren Malignitätsgrads nach- gewiesen werden.Im Vergleich zu FDG zeig- te IMT eine höhere Sensitivität, niedriggradi- ge Rezidive zu bestätigen. FDG-PET ist im Gegensatz zu IMT-SPECT in der Rezidivdia- gnostik hinsichtlich des nichtinvasiven Gra- dings Methode der Wahl. Sowohl die PET als auch die SPECT-Befunde ermöglichten zwi- schen einem Rezidiv und der Radionekrose zu differenzieren. Bei 2 Patienten führte die Dr. J.B. Bader Abteilung für Nuklearmedizin, Radiologische Universitätskliniken des Saarlandes, Oskar-Orth-Straße, D-66421 Homburg/Saar& / f n - b l o c k : & b d y : nuklearmedizinische Diagnostik zum Nach- weis eines Rezidivs,in 1 weiteren Fall wurde eine Radionekrose bestätigt. Diskussion: Zusammenfassend belegen die Ergebnisse insbesondere im Fall unklarer cCT/MRT-Befunde, daß mit der IMT-SPECT in der Rezidivdiagnostik und der FDG-PET bei Verdacht auf einen Grading-Wandel ent- scheidende diagnostische Zusatzinformatio- nen gewonnen werden. Schlüsselwörter Hirntumor · Rezidiv · FDG-PET · IMT-SPECT

Beitrag der Nuklearmedizin zur Diagnostik des Hirntumorrezidivs und der zerebralen Radionekrose

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Page 1: Beitrag der Nuklearmedizin zur Diagnostik des Hirntumorrezidivs und der zerebralen Radionekrose

| Der Radiologe 11·98

Zur neuroradiologischen Diagnostik von Hirntumoren

924

J.B. Bader1 · S. Samnick1 · Andrea Schaefer1 · T. Hagen2 · J.-R. Moringlane3 · W. Feiden4

U. Piepgras2 · C.-M. Kirsch1

1 Abteilung für Nuklearmedizin, Radiologische Universitätsklinik, Homburg/Saar2 Neuroradiologie der Radiologischen Universitätsklink, Homburg/Saar3 Neurochirurgische Klinik, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar4 Institut für Neuropathologie der Universität des Saarlandes, Homburg/Saar

Beitrag der Nuklearmedizinzur Diagnostikdes Hirntumorrezidivs undder zerebralen Radionekrose

sorge die frühzeitige Diagnosesiche-rung des Rezidivs [12–14]. Diese ermög-licht, die Prognose des Patienten abzu-schätzen und ggf. frühzeitig eine weiter-führende operative oder adjuvante The-rapie einzuleiten [21]. In den Fällen, indenen die Beurteilung von morphologi-schen Veränderungen zu keiner eindeu-tigen Diagnose führt, können die funk-tionell orientierten nuklearmedizini-schen Verfahren wie IMT-SPECT undFDG-PET, die auf der Grundlage desNachweises pathologischer Tumorstoff-wechselprozesse basieren, richtungs-weisende Informationen liefern [22, 28].

Das in der SPECT-Diagnostik ein-gesetzte Tyrosinanalog L-123I-α-Methyl-tyrosin (IMT) wird zellulär über einenCarrier-vermittelten aktiven Transportaufgenommen. IMT nimmt jedoch ander Proteinbiosynthese nicht teil. Eineim Vergleich zu Normalgewebe rascheProliferation von Tumorzellverbändenführt zu einem gesteigerten Substrat-bedarf, der über die Induktion trans-zellulärer Transporter gedeckt wird.Dieser Mechanismus stellt die entschei-dende Determinante für die Anreiche-rung des Radiopharmakons in Hirntu-moren dar. Der Uptake bleibt zwischender 15. und 60. min relativ konstant undermöglicht bis 90 min p.i. eine SPECT-Darstellung der Tumoranreicherung[18, 19].

Nuklearmedizinische Verfahren inder Primär- und Rezidivdiagnostik vonHirntumoren gewinnen zunehmend anklinischer Bedeutung [1, 2]. Einerseitsist dies auf die Entwicklung neuer undspezifischer Radiopharmaka, zum an-deren auf Innovationen im Bereich derGerätetechnik, insbesondere der PETTechnologie zurückzuführen [10, 11, 23].In der Nachsorge primär hirneigenerTumoren stehen Verfahren wie die cCTund die MRT an erster Stelle der dia-gnostischen Maßnahmen [6]. Eine bild-morphologische Differenzierung zwi-schen Rezidiv und therapiebedingtenbenignen Läsionen, hier insbesondereder Radionekrose, bereitet jedoch invielen Fällen differentialdiagnostischeProbleme [4, 24]. Von großem klini-schen Interesse ist gerade in der Nach-

Zur neuroradiologischen Diagnostik von HirntumorenRadiologe1998 · 38:924–929 © Springer-Verlag 1998

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Die Beurteilung des Hirntu-

morrezidivs und der davon differentialdia-

gnostisch abzugrenzenden posttherapeu-

tisch bedingten benignen Veränderungen

nach operativer Resektion und/oder Radiatio

stellt eine Herausforderung sowohl für die

morphologisch orientierten (cCT/MRT) als

auch die funktionell bildgebenden Verfahren

(SPECT/PET) dar. Anhand einer Literatur-

übersicht und der hier vorgestellten Daten

des eigenen Patientenguts soll die diagno-

stische Effizienz von L-3-[123I]Iodo-α-me-

thyltyrosin-SPECT (IMT-SPECT) und [18F]-Flu-

orodeoxyglucose-PET (FDG-PET) im Rahmen

der Rezidivdiagnostik und dem In-vivo Gra-

ding primärer Hirntumoren aufgezeigt wer-

den.

Patienten: 39 Patienten im Alter zwischen

26 und 67 Jahren, bei denen im Rahmen der

Nachsorge der Verdacht auf das Vorliegen ei-

nes Tumorrezidivs nach vorangegangener

operativer Resektion und/oder Radiatio be-

stand, wurden zur weiteren Abklärung einer

IMT-SPECT- und FDG-PET Diagnostik zuge-

führt. Bei 34/39 Patienten lag ein Rezidiv vor,

in 12 Fällen ein zusätzlicher Grading-Wan-

del. Mit FDG-PET und IMT-SPECT konnten al-

le Tumoren höheren Malignitätsgrads nach-

gewiesen werden. Im Vergleich zu FDG zeig-

te IMT eine höhere Sensitivität, niedriggradi-

ge Rezidive zu bestätigen. FDG-PET ist im

Gegensatz zu IMT-SPECT in der Rezidivdia-

gnostik hinsichtlich des nichtinvasiven Gra-

dings Methode der Wahl. Sowohl die PET als

auch die SPECT-Befunde ermöglichten zwi-

schen einem Rezidiv und der Radionekrose

zu differenzieren. Bei 2 Patienten führte die

Dr. J.B. BaderAbteilung für Nuklearmedizin, Radiologische

Universitätskliniken des Saarlandes,

Oskar-Orth-Straße, D-66421 Homburg/Saar&/fn-block:&bdy:

nuklearmedizinische Diagnostik zum Nach-

weis eines Rezidivs, in 1 weiteren Fall wurde

eine Radionekrose bestätigt.

Diskussion: Zusammenfassend belegen die

Ergebnisse insbesondere im Fall unklarer

cCT/MRT-Befunde, daß mit der IMT-SPECT in

der Rezidivdiagnostik und der FDG-PET bei

Verdacht auf einen Grading-Wandel ent-

scheidende diagnostische Zusatzinformatio-

nen gewonnen werden.

Schlüsselwörter

Hirntumor · Rezidiv · FDG-PET · IMT-SPECT

Page 2: Beitrag der Nuklearmedizin zur Diagnostik des Hirntumorrezidivs und der zerebralen Radionekrose

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J.B. Bader · S. Samnick · A. Schaefer · T. Hagen

J.-R. Moringlane · W. Feiden · U. Piepgras

C.-M. Kirsch

Contributions of nuclear medicine to thediagnosis of recurrent cerebral tumorsand cerebral radionecrosis

Summary

The evaluation of brain tumor recurrence

and therapy-induced benign changes fol-

lowing surgery and/or irradiation is a dia-

gnostic challenge for imaging methods

based on either morphology (cCT/MRI) or

function (SPECT/PET). Current literature and

the present data of our own patients de-

monstrate the diagnostic efficiency of

IMT-SPECT and FDG-PET in the detection of

recurrence and in-vivo grading.Thirty-nine

patients suspected of brain tumor re-

currence at follow-up were studied by

FDG-PET and IMT-SPECT.Thirty-four of

39 patients showed recurrences; in 12 cases

even a change in the grade of malignancy

was observed. All high-grade recurrences

could be confirmed by either methods.

IMT-SPECT showed a higher sensitivity in de-

tecting low-grade tumors at recurrence. In

contrast to IMT-SPECT, FDG-PET supports

sufficient in-vivo grading. Both methods can

be used to differentiate between tumor re-

currence and radionecrosis. In conclusion the

results of our study demonstrate the effi-

ciency of IMT-SPECT and FDG-PET in confir-

ming recurrences and determining the actu-

al tumor grade.

Key words

Cerebral tumors · Recurrence · FDG-PET ·

IMT-SPECT

Wandels vs. Narbe bzw. Radionekrosebestand, wurden einer weiteren Abklä-rung mittels 123IMT-SPECT und 18FDG-PET zugeführt. Das Alter der Patientenlag zwischen 26 und 67 Jahren (13 weib-liche und 27 männliche Patienten). DieTumorklassifikation zum Zeitpunkt derPrimärtherapie ergab folgende Zuord-nung: 31 Astrozytome, 2 Oligoastrozy-tome und 6 Oligodendrogliome (18Astrozytome II, 3 Astrozytome III, 10Glioblastome, 2 Oligoastrozytome II, 4Oligodendrogliome II und 2 Oligoden-drogliome III).

IMT-SPECT

Nach 12stündigem Fasten erhielten diePatienten eine i.v. Injektion von 200MBq 123IMT. Um eine mögliche Aufnah-me freien Jodids in die Schilddrüse zuhemmen, wurde durch 1malige peroraleVerabreichung von 1000 mg Perchlorat(Irenat®, Bayer) 3 h vor Untersuchungs-beginn eine Schilddrüsenblockadedurchgeführt. Die SPECT-Akquisitionerfolgte 20 min später an einer 2- bzw.3-Kopf-γ-Kamera (MS2, MS3; SiemensAG, Hofman Estate, IL, USA). Die 2-Kopf-γ−Kamera war mit hochauflösen-den Parallellochkollimatoren ausge-stattet, an der 3-Kopf-γ-Kamera wurdenfokussierende Fanbeam-Kollimatorenverwendet. Die SPECT-Projektionenwurden in 6°-Schritten (MS2) bzw. in3°-Schritten (MS3) bei einer Rotationvon 180° (MS2) bzw. 120° (MS3) proKopf aufgenommen und in einer 64×64Matrix gespeichert. Unter Anwendungder gefilterten Rückprojektion (MS2:Butterworth Filter, 10. Ordnung, cutoff0,6 bzw. MS3: Shepp Logan HanningFilter, cutoff 0,8) wurden aus den Pro-jektionsdaten transversale, sagittale

Der Transport des in der PET-Dia-gnostik zum Einsatz kommenden Glu-koseanalogs 18F-2-Fluor-2′-Deoxyglu-kose (FDG) wird von demselben enzy-matischen Transportsystem katalysiert,das auch den Glukosetransport selbststeuert. Dabei steht der Uptake der Sub-stanz in direkter Beziehung zur lokalenGlykolyseaktivität. Im Vergleich zuNormalgewebe ist diese in malignenTumoren deutlich erhöht und korre-liert darüber hinaus mit dem Tumor-grad [25]. Nach intrazellulärer Aufnah-me wird FDG ebenso wie Glukose vonHexokinase zu FDG-6-P phosphory-liert. Der Transport von FDG-6-P überdie Blut-Hirn-Schranke in das Plasmaist vernachlässigbar. Der weitere Abbauvon FDG-6-P über die Dehydrogenasezum Fruktose-6-Phosphat ist jedochgehemmt. Die Phosphataseaktivität, diezu einer Rückreaktion führen könnte,ist im Gehirn vernachlässigbar klein.Dies gilt auch für die Umlagerung zuFDG-1-P, das Folgereaktionen in dennachgeschalteten Stoffwechselwegen un-terliegt. Daraus resultiert, daß FDG-6-Pim Gewebe angereichert wird. DiesenMechanismus bezeichnet man auch als„metabolic sink“ [7, 16]. Im Gegensatzzur SPECT bietet PET außerdem denVorteil, Stoffwechselleistungen absolutzu quantifizieren.

Material und Methodik

Patienten

39 Patienten, bei denen nach erfolgteroperativer Resektion und/oder Radia-tio infolge eines oligodendroglial bzw.astrozytär differenzierten Hirntumorsin der Nachsorge der Verdacht auf dasVorliegen eines Rezidivs bzw. Grading-

Radiologe1998 · 38:924–929 © Springer-Verlag 1998

Tabelle 1

Ergebnisse von IMT-SPECT und FDG-PET

Histologie IMT-SPECT FDG-PET

RP RN FN RP RN FN

Astrozytom (II) 6 2 2 4 2 4Astrozytom (III) 4 – – 3 – 1Astrozytom (IV) 16 1 – 16 1 –Oligoastrozytom II – 1 – – 1 –Oligoastrozytom III 1 – – 1 – –Oligodendrogliom II 2 1 – 1 1 1Oligodendrogliom III 3 – – 3 – –

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Zur neuroradiologischen Diagnostik von Hirntumoren

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a

b

Abb. 1a, b b Rezidiv einesAstrozytoms II linksfrontal mit regional ver-mindertem FDG- (a) underhöhtem IMT-Uptake (b)

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Der Radiologe 11·98 | 927

a

b

Abb. 2a, b m Rezidiv und Gradingwandel eines Oligoastrozytoms II in ein anaplastisches Oligoden-drogliom im Marklager rechts temporal mit erhöhtem FDG- (a) und IMT-Uptake (b)

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und koronale Schnittbilder berechnet.Zur Schwächungskorrektur wurde einAlgorithmus verwendet, der einegleichmäßige Schwächung der Photo-nen annimmt (µ=0,095 cm−1).

FDG-PET

Zur Vorbereitung auf die FDG-PETwurde der Patient nach mindestens12stündiger Nahrungskarenz in einemabgedunktelten, geräuscharmen Raumgelagert. Unter Ruhebedingungen er-folgte die i.v. Injektion von 150 MBqFDG. 60 min nach der Injektion wurdedie PET-Akquisition mit einem ECAT-ART-PET Scanner (Siemens AG/CTI,Knoxville, Tn, USA) durchgeführt. DieDatenakquisition erfolgte über 30 minim 3D-Modus. Nach Normalisierungder Sinogramme wurden transversaleSchnittbilder unter Anwendung der ge-filterten Rückprojektion (Ramp Filter,cutoff 0,25) berechnet und in einer128×128-Matrix gespeichert. Die Schwä-chungskorrektur erfolgte mittels einesAlgorithmus, der die unterschiedlicheSchwächung der Photonen in der Schä-delkalotte (µ=0,151cm−1) und im Gehirnberücksichtigt (µ=0,095 cm−1) [5].

Die PET und SPECT-Studien wur-den in erster Linie visuell beurteilt, wo-bei die Klassifikation der Tracer-An-reicherung (erniedrigt/erhöht/fehlend)durch Vergleich der IMT/FDG-Akku-mulation in der Läsion mit der Anrei-cherung im kontralateralen Hirnparen-chym erfolgte. Die SPECT-Befundewurden zusätzlich in ROI-Technik se-miquantitativ ausgewertet. Die Befun-dung wurde von 2 erfahrenen Nuklear-medizinern durchgeführt und mit denErgebnissen der aktuellen cCT/MRTund/oder stereotaktischen Biopsie kor-reliert. In divergierenden Fällen, in de-nen keine histopathologische Befund-objektivierung erfolgte, wurden die imweiteren Verlauf durchgeführten cCT/MRT-Kontrollen herangezogen.

Ergebnisse

Bei 34/39 Patienten lag ein Tumorrezi-div vor (s. Tabelle 1). Im Vergleich mitdem zum Zeitpunkt der Erstdiagnoseprimär ermittelten Malignitätsgradzeigten 12 der Rezidivtumoren einenGrading-Wandel zu einem höherenMalignitätsgrad. In 32 der 39 Fällekonnte das Rezidiv mit der IMT-SPECT

wiesen werden [17, 26, 27]. Im Fall nied-rig maligner Tumoren zeigt IMT ähn-lich wie die PET, Tracer 18F-Tyrosin und11C-Methionin, ein höheres T-NT-Up-take-Verhältnis als FDG und ist derFDG-PET aufgrund der daraus resultie-renden guten Abgrenzbarkeit auch vonLow-grade-Rezidiven vom umgeben-den Hirnparenchym überlegen [7, 9, 15].Ziel gegenwärtiger Studien ist, durchden konsequenten Einsatz der multi-modalen Bildgebung mittels Fusionvon PET und MRT eine höhere Sensiti-vität in der Diagnostik von Low-grade-Rezidiven zu erreichen [8, 20].

Die Ergebnisse der Quantifizie-rung der IMT-Anreicherung in Rezidi-ven korrelierten jedoch nicht, wie diesfür Primärtumoren gezeigt werdenkonnte, mit dem Malignitätsgrad. Mitder FDG-PET steht dagegen aufgrundder engen Beziehung zwischen Gluko-seumsatzrate und Malignitätsgrad eineverläßliche Methode für die nichtinva-sive Diagnostik des Tumor-Gradingszur Verfügung [16, 22]. Ein verminder-ter FDG-Uptake konnte in allen Low-grade, ein erhöhter Uptake in allenHigh-grade-Rezidiven beobachtet wer-den. Das Ergebnis der PET-Diagnostikkorrelierte in allen Fällen, in denen inder Nachsorge der Verdacht auf einenGrading-Wandel zu einem höherenMalignitätsgrad geäußert wurde, mitden Ergebnissen der stereotaktischenBiopsie. Bezüglich der FragestellungGrading ist die FDG-PET damit derIMT-SPECT überlegen.

Die falsch-negativen Befunde, dieim Rahmen dieser Studie mit beidenMethoden in 2 Fällen erhoben wurden,können mit diffusen Tumormanifesta-tionen erklärt werden. Im Fall diffuswachsender Tumoren ist eine Abgren-zung der Tracer-Anreicherung in denTumorzellen zu der im umgebendenHirnparenchym nicht möglich.

Die FDG-PET gilt gegenwärtig alsder nichtinvasive Goldstandard für dieDifferenzierung der Radionekrose vs.Hirntumorrezidiv [3, 14]. In unseremPatientengut konnte bei den 3 zu unter-suchenden Fällen mittels der PET undSPECT-Diagnostik die DifferenzierungRadionekrose/Rezidiv eindeutig vorge-nommen werden. Ob allerdings auchmit der IMT-SPECT eine weitere viel-versprechende Methode zur Klärungdieser Fragestellung zur Verfügungsteht, bleibt aufgrund der kleinen Fall-

anhand des erhöhten Tracer-Uptakesnachgewiesen werden. Der Rezidivaus-schluß gelang bei 5 Patienten. Falsch-negative Befunde wurden in 2 Fällen er-hoben. Mit der FDG-PET konnten 28der 34 Rezidive diagnostiziert werden.Der Ausschluß eines Rezidivs erfolgtein 5 Fällen. Die Anzahl der falsch-ne-gativen Resultate der PET Studie be-lief sich auf 6. Während mit der IMT-SPECT 8 von 10 Low-grade-Rezidivennachgewiesen werden konnten, gelangdies mit der FDG-PET in nur 5 Fällen (s.Abb. 1a, b). Unter Berücksichtigung desMalignitätsgrads zeigte sich eine Über-einstimmung beider Methoden hin-sichtlich Tumorausschluß/Nachweis inder Gruppe der Astrozytome IV, denOligoastrozytomen III und den Oligo-dendrogliomen III (s. Abb. 2a, b). DieErgebnisse der IMT-SPECT-Quantifi-zierung in ROI-Technik zeigten keineKorrelation mit dem Malignitätsgrad.In der FDG-PET dagegen wurden einverminderter FDG-Uptake in Rezidivenniedrig maligner Hirntumoren und ei-ne erhöhte Anreicherung in allen High-grade-Tumoren nachgewiesen.

Die Differenzierung zwischen Ra-dionekrose und Rezidiv war mit Hilfeder PET und SPECT-Diagnostik in den 3in dieser Studie betrachteten Fällenmöglich. Bei 2 dieser 3 Patienten wurdeein Rezidiv, im 3. eine Radionekrose be-stätigt.

Diskussion

Besteht im Rahmen der Nachsorge vonPatienten, die aufgrund eines Hirntu-mors bestrahlt und/oder operiert wur-den, klinisch der Verdacht auf ein Rezi-div, stehen Verfahren wie die CT/MRTan erster Stelle der diagnostischenMaßnahmen. Eine sichere bildmorpho-logische Differenzierung zwischen Re-zidiv und therapiebedingten Läsionen(Radionekrose/Narbe) ist in vielen Fäl-len nicht möglich. Kontrolluntersu-chungen verzögern die Diagnosestel-lung, die eine unabdingbare Vorausset-zung für die Abschätzung der Prognoseund die resultierende Therapieplanungdarstellt. Die Ergebnisse dieser Studiebelegen die Effizienz der IMT-SPECTund FDG-PET in der Rezidivdiagno-stik. Im Rahmen dieser Studie konntensowohl mit der IMT-SPECT als auchmit der FDG-PET alle Hirntumorrezi-dive höheren Maligitätsgrads nachge-

| Der Radiologe 11·98

Zur neuroradiologischen Diagnostik von Hirntumoren

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Der Radiologe 11·98 | 929

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