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ANNALEN DER CHEMIE UND PHARMACIE, CXXII. Bandes erstes Heft. Beitrag zur Keiintnifs der Untersalpetersaure ; von Richad MMer. Herr Professor C. W e l t z i e n hat in seiner Arbeit uber die Oxydationsstufen des Stickstoffs (Ann. d. Chem. u. Pharm. CXV, 243) , gestutzt auf die Dampfdichten der Untersalpeter- saure und des Stickoxydes, zur einfachen Erklarung der Ein- wirkung von Untersalpetersaure auf concentrirte Schwefel- saure , wobei keine Gasentwickelung bemerkbar ist , die Existenz eines zweiatomigen Stickoxydes fur wahrscheinlich erklart urid mehrere Analysen von Verbindungen mitgetheilt, welche durch Einwirkung von Untersalpetersaure und sal- petriger Saure auf concentrirte Schwefelsaure erhalten worden waren J+). Die angefuhrten Analysen zeigten zwar keine voll- standige Uebereinstimmung mit der theoretischen Annahme, jedoch auch keine ungewohnliche Abweichung , so dafs die Annahme eines zweiatomigen N0 allcrdings die Vorgange am einfachsten zu erklaren schierr. *) Da es durchaus nothwendig geworden iat, die Radieale der sal- petrigen und SalpetersBure zu benennen, so schlage ich fiir das der ersteren (NQ) den Namen ,Nitroxyl', fur das der zweiten (NW) ,,Nitroxydu vor. Demnach wtire die von G a y - L u s s a e dargestellte Verbindung N0C1 Nitroxylchloriir und die yon R. Miiller erhaltene Nitroxydchloriir. W el t zi en. Annal. d. Chem. u.'Pbsrm. CXXII. Bd. 1. Heft. 1

Beitrag zur Kenntniss der Untersalpetersäure

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ANNALEN DER

CHEMIE UND PHARMACIE,

CXXII. B a n d e s e r s t e s H e f t .

Beitrag zur Keiintnifs der Untersalpetersaure ; von Richad MMer.

Herr Professor C. W e l t z i e n hat in seiner Arbeit uber die Oxydationsstufen des Stickstoffs (Ann. d. Chem. u. Pharm. CXV, 243) , gestutzt auf die Dampfdichten der Untersalpeter- saure und des Stickoxydes, zur einfachen Erklarung der Ein- wirkung von Untersalpetersaure auf concentrirte Schwefel- saure , wobei keine Gasentwickelung bemerkbar ist , die Existenz eines zweiatomigen Stickoxydes fur wahrscheinlich erklart urid mehrere Analysen von Verbindungen mitgetheilt, welche durch Einwirkung von Untersalpetersaure und sal- petriger Saure auf concentrirte Schwefelsaure erhalten worden waren J+). Die angefuhrten Analysen zeigten zwar keine voll- standige Uebereinstimmung mit der theoretischen Annahme, jedoch auch keine ungewohnliche Abweichung , so dafs die Annahme eines zweiatomigen N 0 allcrdings die Vorgange am einfachsten zu erklaren schierr.

*) Da es durchaus nothwendig geworden i a t , die Radieale der sal- petrigen und SalpetersBure zu benennen, so schlage ich fiir das der ersteren (NQ) den Namen ,Nitroxyl', fur das der zweiten (NW) ,,Nitroxydu vor. Demnach wtire die von G a y - L u s s a e dargestellte Verbindung N0C1 Nitroxylchloriir und die yon R. Miil ler erhaltene Nitroxydchloriir. W e l t z i en.

Annal. d . Chem. u.'Pbsrm. CXXII. Bd. 1. Heft. 1

2 Mii I l e r , Beitrag ZUT Kenntnifi

Um jedoch weitere Belege fiir die Existenz eines zwei- atomigen NO aufzufinden, war es von Interesse, dieses frag- liche Molecnl in andere Verbindungen einzufuhren , und es schien zu diesem Zwecke eine Chlorverbindung desselben besoriders geeignet zu sein. Den einfachsten Weg, eine solche Chlorverbindung darzustellen , schien die Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Untersalpetersaure zu bieten , da das Resultat dieser Einwirkung moglicherweise N O W , die von G a y - L u s s a c zuerst beschriebene ,,acide hypochloronitrique' sein konnte :

wobei die Einwirkung des bei der Reaction entstehenden Wassers aufser Acht gelassen ist. Es war defshalb zunachst die Aufgabe, zu untersuchen, ob durch Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Untersalpetersaure wirklich N O W er- halten werden konnte, ndchdem Prof. W e l t z i e n bereits bei einem friiheren Versiiche sich iiberzeugt hatte , dafs wirklich beim Zusammentreffen oben genannter Korper eine Reaction stattfindet, deren Ergebnifs ein den B a u d r i m o nt'schen Ver- bindungen ahnliches Product ist.

Herr Professor W e 1 t z i e n veranlafste mich defshalb, einige Versuche in dieser Richtung anzustellen. Bei diesen Untersuchungen, welche sich etwas weiter ausdehnten, wurden rnehrere allgemeine Reactionen der reinen Untersalpetersaure naher studirt, wovon die wichtigsten Resultate in Folgendem zusammengestellt sind.

NQ2 + 2HCl = N0C12 + HW,

I. Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Unter- salpetersaure.

Die zu sammtlichen Versuchen verwendete Untersalpeter- siiure wurde aus sehr stark getrocknetern salpetersaurem Blei in etwas grofsereni Mafsstdbe dargestellt, wobei mehrmals

der Untersalpetersazcre. 3

sehr hubsche Krystallisationen der Untersalpetersaure erhalt en wurden , die aber wegen ihrer Verganglichkeit krystallogra- phisch nicht naher untersucht und nur zur Controlirung des Schmelzpunktes der festen Untersalpetersaure benutzt werden konnten, welcher bei mehreren Versuchen als bei - bis 12O C. liegend gefunden wurde.

Die so dargestellte Untersalpetersaure wurde als rein angesehen und direct zu den Versuchen verwendet. In die nur schwach rothlichgelb gefarbte Untersalpetersaure, welche in U formigen Rohren mit Schenkeln von verschiedenem Durchmesser in einer Kaltemischung (Chlorcalcium und Eis) von - 22" C. sich befand, wurde ChlorwasserstolTgas geleitet, welches durch vier Chlorcalciumriihren und concentrirte Schwefelsaure wohl getrocknet war. Die Gasblasen von HC1 wurden vollstandig yon der Untersalpetersaure absorbirt, wo- bei sich letztere nach und nach feurig gelblichroth farbte. Mit dem Einleiten des HCl wurde aufgehort, als die Gas- blasen unabsorbirt die Flussigkeit passirten. Gegen Ende der Einwirkung trat etwas Chlor auf, welches an seiner blei- chenden Eigenschaft erkannt wurde (die B a u d r i m o n t'schen Sauren bleichen bekanntlich nicht).

Beim Herausnehmen der rothgefarbten Flussigkeit aus der Kaltemischung gerieth dieselbe in lebhaftes Kochen, unter Verbreitung des bekannten Geruchs nach Konigswasser.

Die so erhaltene Flussigkeit konnte nur durch drei- bis viermalige vorsichtige fractionirende Destillation in drei deut- lich verschiedene Verbindungen geschieden werden.

Das rohe Product der Einwirkung von HCl auf Unter- salpetersaure fing schon bei - 10° C. zu sieden an; es ent- wick dabei neben zu einer gelblichrothen Fliissigkeit conden- sirbarem Dampf ein Gas, welches selbst durch eine Kiilte- mischung von - 22O C. nicht condensirt werden konnte;

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4 M ii 11 e r , Beitrag zur Kenntnijs

die grunlichgelbe Farbung, sein Geruch und seine bleiehende Eigenschaft liefsen es als reines Chlorgas erkennen.

Die Menge des enlweichenden Chlorgases schien jedoch sehr unbedeutend im Verlialtnifs zu den anderen Producten der Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Untersalpetersaure zu sein, derin sclion nach kurzer Dauer der crsten Destillation hiirte die Gasentwickelung an dem vorgelegten Indicator auf und die Condensation des nunmehr bei ungefahr - 5" C. ubergehenden Destillates war eine so vollstandige , dafs bei der Miindung der gut abgekuhlten zweiten Vorlage kein Geruch nach Chlor oder einer B a u d r i m on t ' schen Ver- bindung bemerkbar war. Die Ternperatur der Flussigkeit in der Retorte stieg nun rasch bis + 5O C., ohne dafs die Flussigkeit in's Sieden kam , wahrend der Thermometer die zwischen - 4 und 5" C. liegendeii Teniperaturgrade zcigte. Die Vorlage wurde jetzt gewechselt und das nuninehr bei + 5" C. Uebergeliende in einer neuen Vorlage anfgesammelt. Nach und nach stieg die Ternperatur der irnmer noch lebhaft rothgefarbten Flussigkeit his + 10 und 12" C., wobei die Destillation abermals unterbrochen wurde. Nachdem die Teinperatnr + 12" C. uberschritten war, stieg sie in raschen Sprungen bis 60" C., ohne dafs etwas Nennenswerthes wah- rend dieser Zeit ubergegdngen ware, aufser etwas Unter- salpetersaure. Bei 60" wurde die Dcstillation zum dritten Male unterbrochen ; die in der Retorte zmiickgebliebene, nur schwach gelblichgefarbte Flussigkeit erwies sich als reines Salpetersaurehydrat.

Die bei der erstmaligeii Destillation zwischen den Tern- peraturgrenzen - 7" u. + 5" und + 5" u. 12O C. auf- gefangenen, aui'serlich nicht von einander verschiedenen Flussigkeiten wurden einer Analyse unterworfen, und zwar wurde der Chlorgehalt, da er am leichtesten und sichersten zu erniitteln ist, als Anhaltspunkt benutzt. Die beiden Flussig-

der Untersalpetersaure. 5

keiten setzen sich namlich mit Wasser augenblicklich unter Bildung von Chlorwasserstoff um, eine Eigenschaft , welche bereits von G a y - L u s s a c fur die Baudrimont 'schen Ver- bindungen angegeben wird. Die zu analysirende Fliissigkeit wurde in passende kleine abgewogene Glasgefafse gebracht, die, nachdem das Gewicht des Inhalts bestimmt war, in einem gut verschliefsbaren Glasgefafse uiiter Wasser durch Schutteln zertrummert wurden.

a. Flussigkeit zwischen - 10" u. + 5 O C. uber- gegangen :

1) 0,5395 Grm. gaben 1,2545 Grm. AgCl = 0,3099 C1 =

2) 0,4705 Grm. gaben 1,1007 Grm. AgCl = 0,2721 C1 = 57,42 pC. C1.

57,82 pC. C1.

b. Fliissigkeit zwischen + 5" u. 12" C. iiberge-

0,5212 Grm. gaben 1,0158 Grm. AgCl = 0,2512 C1 = 48,19 gangen :

pc. c1.

Weder die eine noch die andere Fliissigkeit zeigten also bei der Analyse einen Chlorgehalt, welcher auf eine bcstiminte Verbindung zwischen NO9 oder NO und C1 pafst.

Die zwischen den angegebenen Ternperaturgrenzen auf- gefangenen beiden Destillate wurden 111111 noch zwcimal ge- t remt mit grofster Vorsicht umdestillirt , ehe sie eincr neuen Analyse unterworfen wurden. Bei dcr letztcn Destillation zeigten die Flussigkeiten einen zienilich constanten Siedepunlrt bei - 5O C. u. + 5'' C., die Schwankungen hielten sich innerhalb zweier Grade, in der Retorte blieb Nichts zuriick. niese wiederholt getrennt rectificirten Pliissigkciten wurden nun wicderum analysirt und dabei folgende Zahleu erhalten :

a. Flussigkeit bei - 5(' C. iibcrgegangcn : 1) 0,3734 Grm. gnbon 0,8393 Grm. AgCl = 0,2075 Grm. C1

= 55,58 pC. C1.

6 M ii I I e r , Beitray zur Kenntnirs

2)

3)

0,4207 Grm. gaben 0,951'5 Grm. AgCl = 0,2353 Grm. C1

0,2710 Grm. gaben 0,6103 Grm. AgCl = 0,1500 Grm. C1

im Mittel 55,72 pC. C1; dieser Chlorgehalt wiirde am niich- sten dem Chlorgehalte in NOCl kommen, welches 54,17 pC. C1 verlangt. Die Schwierigkeit, die letzten Spuren des bei der Darstellung in geringer Menge auftretenden Chlors trotz mehrmaliger Destillation zu entt'ernen , erklart den etwas hiiheren Chlorgehalt.

= 55,90 pC. C1.

= 5$68 pC. C1

b. Flussigkeit bei + So C. ubergegangen : * 1 ) 0,3720 Grm. gaben 0,6687 Grm. AgCl = 0,1653 Grm. C1

0,3708 Grm. gaben 0,6651 Grm. AgCl = 0,1644 Grrn. C1 = 44,44 pc. C1.

= 44,35 pc. C1. 2)

Dieser Chlorgehalt fuhrt zur Verbindung NOW, welche 43,55 pC. C1 verlangt.

Diese Resultate scheinen genugend darznthun , dafs bei der Einwirknng von Chlorwasserstoff auf Untersalpetersfinre, abgesehen von dem Salpetersiiurehy-drat und der geringen Menge Chlorgas, zwei Verbindungen N0C1 nnd NWCl ge- bildet werden, von welchen die letztere bis jetzt unbekannt gewesen ware. Dieselbe wiirde nach alterer Betrachtungs- weise als Anhydrid der Salpctersaure anzusehen sein , in welchem 1 Aeq. 0 durch C1 vertreten ist; zweckmafsiger wurde sie jedoch zu HC1 zu stellen sein, in welchem H durch N W vertreten ist.

Obwohl ein constanter Siedepunkt und Uebereinstimmung der chemischeii Zusammensetzung mit einfhchen aquivalenten Verbindungsverhiltnisseri noch nicht als endgiltige Kriterien fur die Selbststandigkeit eines chemischen Individuurns anzu- sehen sind, wie die Versuche von R o s c o e ,,) beweisen, so

*) Aim. Chcm. Pharm. CXVI, 203.

der Untersa~pelersiiure. 7

durften doch diese beiden Umstande in dem vorliegenden Falle genugen , die Selbststandigkeit einer Verbindung N82C1 anzuerkennen, da die Bildung eines solchen Kiirpers durch das iibrige Verhalten der Untersalpetersaure , wie spater unten gezeigt werden wird, eine gewisse innere Wahrschein- lichkeit zu gewinnen scheint.

Da die Verbindung N8C1 durch die Arbeiten von Gay- L u s s a c bereits naher untersucht worden ist, so wurde von derselben abgesehen und nur die zweite einer naheren Be- achtung unterzogen.

Bestimmung des specifischen Gewichts und der Dampfdichte der Verbindung NQ2C1.

Beide Bestimmungen wurden rnit einander vereinigt, indem anstatt eines Ballons sogleich die Rohre, in welcher sich die Fliissigkeit eingeschlossen befand , als Gefiifs fur den Dampf benutzt wurde, in der Weise, wie es kiirzlich von J o l l y bei der Bestirrimung des spec. Gewichts des fliissigen Ammoniaks geschah.

Flussigkeit in der Rohre wurde hei + 14O markirt. 1. Bsstimmung des spec. Gewichts : Der Stand der

Gefiillte RBhre . . . . . 17,6835 Glasrohre + Dampf . . . 13,2619

Glasriihre + Luft . . . . 13,2440

Gewicht der Flussigkeit . . 4,4398

Gewioht der Rolire, bei 14' C. bis zur Marke mit Wasser gefiillt , . . . . . . 16,6062

Gewieht des Wassers . . . 3,3622

4,4398

3,3622 Spee. Gewicht . . . - - = 1,32 bei 14O C .

8 Mii 11 e r , Beitrag zur Kenntnifi

2. Bestimmung der Dampfdichte der Ver6indung NQ2C1. a) Glasrijhre + Dampf . . . . . . . . . 13,2619

Glasrijhre + Luft . . . . . . . . . . 13,2440 Temperatur beim Znschmelzen . . . . . . Barometerstand . . . . . . . . . . . 758,5 MM. Glasrijhre mit Wasser gcfiillt bei 16O C. . . 22,8991 Gewicht dcs Wassers . . . . . . . . . 9,6551 9,6551 Grm. H * 8 bei 15" C. cntsprechen . . 9,6618CC. Dampfdichte bei Oo und 760 MM.

b) Darnpfdichtebestimmung in einem Ballon :

+ 16O C.

. . . . = 2,52.

Ballon + Luft . . . . . . . . . . . 21,7688 Ballon + Wasser von 15O C. . . . . . 264,8865 Capacitat des Ballons an Wasser von 15" . 239,9209 CC. h = BS wahrend der W5gung . . . . 748 MM. t' = Temperatur beim Zuschmelzen . . . 20° C. h' =.1 BS wahrend des Zuschmelzens , . 746,O MM Ballon + Dampf . . . . . . . . . . 22,2372 Capacitat des Ballons . . . . . . . . 240,Ol CC. Gewicht der 240 CC. Luft Eei 1 5 O und 748,O MM.

p = 0,2895 S = 2,6368.

Fur N O T I berechnete Dampfdichte = 2,8.

Aus diesen beiden Dampfdichten geht hervor, dafs die fur dic neue Verbindung angeriommene Formel N 0 W 1 die richtige ist.

Optisches Verhalten der Verbindung N8'Cl.

Da das aufsere Ansehen der beiden Flussigkeitcn N8C1 und NWCl keine Unterscheidung zuliefs , so vermuthete ich, dafs vielleicht ihr optisches Verhalten Unterschiede aufweisen moge. Herr Dr. E. Voit, Assistent am hiesigen physikalischen Lahoratorium, war so freundlich , dem Wunsche, das optische Verhalten der beiden Fliissigkeiten zu untersuchen , nachzu- kommen und folgende Mittheilung dariiber zu machen :

der Untersai'petersuure. 9

Sendet man die von einem Heliostaten reflectirten Sonnen- strahlen auf eine cylindrische Rohre vom aufseren Durch- messer von 15 MM. , welche mit der rothgefarbten Flussigkeit angefullt ist , und lafst man sodann die durchgelassenen Strah- len, nachdem sie einen engen Spalt passirt haben, ein astro- nomisches Fernrohr mit herausgenonimenem Ocular durch- laufen, so werden die aus dem Objectiv parallel austretenden Strahlen, durch ein Prisma gebrochen , ein reines Spectrum geben. Mit einem Fernrohre betrachtet zeigt sich dieses Spectrum nur wenig ausgedehnt, indelri es zwischen C und D beinahe scharf abbricht, so dafs eine zicmlich sichere Grenze angegeben werden kann, iiber welche hiiiaus in der Richtung nach E gar kein 8 Licht mehr anftritt. Um mit einiger Ge- nauigkeit diese Grenze angeben zu kiinnen, wurde das Bre- chungsverhaltnifs der aufsersten Farbe aus Luft in Flintglas bestimmt, wofiir der Werth 1,633 erhalten wurde. Benutzt man zur Bestimmung der Wellenlange dieser Farbe die Cauchy'sche Formel :

1 b C n2 = a + __ p + R4 ll. s. w.> -

wo n das Brechungsverhiiltnifs, R die Wellenliinge und a,

b, c Constante bedeuten, und bestimmt man die Constante fur das benutzte Flintglasprisma von F r a u n h o f e r , dessen Brechungswinkel = 45O und welches aus der von F raun- h o f e r mit Nr. 13 bezcichneton Glassorte gefertigt ist, aus den Messungeri der Brechungsverhiiltnisse fur dcei Linien, so findet man aus obiger Formel fur die Wellenlange der Grenzfarhe 0,000617 MM. Die Fraunhofer 'schen Linien A, B, C erscheinen nach dem Durchgange tier Lichtstrahlen durch diese Flussiglteit vie1 scharfer , was vielleicht daher kommen mag, dafs das intensiv gelbc Licht, welches das Auge blendet, vollkommert fehlt. Artdere Linicn, als die des Son- nenspectrums, konnten-nicht wahrgenommen werden , indem

10 Mii l ler , 3eitra.q zur Kenztnifs

alle gernessenen feinen Linien , welche noch sichtbar waren, mit anderen in dem gewohnlichen Flintglasspectrum zusam- menfielen. Die Flussigkeiten N8C1 und NWC1 zeigten bei diesen Versuchen keine bemerkbaren Unterschiede und sind deninach beide als nahezu monochromatisch anzusehen.

Mit Wasser von gewohnlicher Temperatur zersetzt sich die Verbindung NWC1 augenblicklich , ohne eine Spur von Gasentwickelung ; das Wasser enthalt Chlorwasserstoff und Salpetersaure :

NQ2C1 + H 2 8 = NFIQ + HCI.

Mit Wasser, bis nahe zum Gefrierpunkt abgekiihlt, oder Eis in Beruhrung gebracht erleidet sie keine so weitgehende Veranderung, indem sie sich dunkelgriin farbt, wahrschein- lich in Folge der Bildung yon salpetriger Saure. Mit Platin larigere Zeit in einer Glasrohre eingeschlossen erleidet sie ebenfalls eine Zersetzung , es bilden sich gelblichbraune Schuppchen von PtCP , die uberstehende Flussigkeit farbt sich dabei heller.

Diese Verbindung wird wahrscheinlich sich sehr gut dazu eignen, die Gruppe NQa in organische Verbindungen einzu- fiihren; das Darstellen und Operiren mit dieser fliichtigen Verbindung erfordert jedoch eine grofse Menge Kaltemischung, und aus diesem Grunde wurde das Arbeiten iiber diesen Gegenstand auf die kaltere Jahreszeit verschoben.

der Untersalpetersaure. 11

11. Einwirkung von Phosphorsuperchlorid aiif Untersalpetersaure.

Bei der Einwirkung von HCI anf Untcrsa'lpetersaure tritt H2Q auf , welches die Reaction etwas complicirt macht.

4 NG2 + 3 HC1 = 2 N 8 C l + NQ2C1 + ","'/1. + H20.

Um die Bildung von H 2 0 respective von Salpetersaure- hydrat auszuschliefsen , schien es vortheilhaft , Chlorverbin- dungen anzuwenden , deren eine Componente sich mit Sauer- stoff verbinden kann, ohne dafs sich gleichzeitig dieses Oxydationsproduct reactiv gegen Untersalpetersaure verhalt. Am geeignetsten hierzu schien Phospliorsuperchlorid zu sein, indem es moglicherweise in dieser Weise einwirken konnte :

2N43 + PC15 = N0W1 + N0C1 + PC138.

Denkbar war es auch, dafs NQ2 in das Molecul PCI' eintritt, indem sich ein Phosphornitrosuperchlorid bildet, wah- rend das austretende C1 auf iiberschiissige Untersalpetersaure einwirken konnte. Die Reaction verlief indefs , wie man unten sehen wird, mehr in der der ersten Annahme pntsprechen- den Richtung.

Der Versuch wurde in folgendcr Weise ausgefiihrt. Untersalpetersaure wurde bei circa 24O C. in eine Uformige Rohre destillirt , welche mit Stuckchen von Phosphorsuper- chlorid angefiillt war. An diese UI'Grmige Rohre, welche durch eine Kaltemischung abgekuhlt war, waren noch zwei andere Uformige Rohren und ein Indicator angefugt, um das Auftreten eines Gases zu bernerken. Es fand eine aufser- ordentlich heftige Reaction statt, die sich an dem vorgelegten Indicator durch einen lebhaften Strom von Chlorgas bemerk- bar machte, welches aufser an seinem Geruche noch an seiner bleichenden Eigenschaft erkannt wurde. In den beiden wohl abgekuhlten Vorlagerohren hatte sich nach Beendigung

12 Mii 11 e r , Beitrag zur Kenntnqs

der Reaction eine lebhaft gelbrothe (weinrothe) Flussigkeit angesammelt, welche deutlich den Ceruch der Baudrimont ' - schen Verbindungen zeigte.

Das PCI5 war vollstandig flussig geworden. Um fluch- tige Nitrochlorverbindungen aus der ersten Uformigen Rohre zu entfernen , wurde dieselbe bei Belassung der Anordnung der iibrigen Theile des Apparates in ein Wasserbad von 19@ C. gebracht.

Die rothe Flussigkeit wurde aus den beiden Vorlegerohren vereinigt und fiinfmal sorgfaltig umdestillirt, bis kein freies Chlor mehr bei dem Umdestilliren auftrat. Ein ganz constanter Siedepunkt konnte bei den ersten Rectificationen nicht wahrgenommen werden, weil das in der Fliissigkeit geloste Chlor durch sein Entweichen schon bei - 10" C. und darunter die Erschei- nungen des Sicdens hervorrief; der Siedepunkt der Flussig- kcit lag jedoch bei der letzten Destillation entschieden in der Nahe von - 5 " ; die Quantitat der Flussigkeit hatte sich durch das mehrmalige Umdestilliren ziemlich verringert und eine genaue Bestimmung des Siedepunkts unmoglich gemacht. Die Flussigkeit enthielt keinen Phosphor. Von der funfmal umdestillirten Flussigkeit wurde zur Aualyse verwendet und darin der Chlorgehalt ermittelt, weil diese Bestimmung die grofste Sicherheit und Einfachheit bietet.

Es ging bei dieser Temperatur Nichts uber.

0,1958 Grm. Fliissigkeit gaben 0,4189 AgCl = 0,1036 Grm. C1

was sich dem Chlorgehalt der Verbindung N0C1, welche 54,17 pC. C1 verlangt, annahert.- Die in der ersten Uformigen Rohre bei + 19O C. zuruckbleibende Flussigkeit wnrde weiter erhitzt. Zwischen 20° und 30'' ging Untersalpetcrsaure uber, welche nicht zur Reaction gekommen war und nach mehr- maligem Urndestilliren immer noch Spuren von C1 und P enthielt, herruhrend von einer geringcn Menge mit uber-

= 52,89 pC. C1,

dsr Untersalpetersaure. 13

gerissenen Phosphoroxychlorids. In der Retorte blieb eine hellgelb gefarbte Flussigkeit zuruck , welche bei 110" in's Sieden kam und die ubrigen Eigenschaften des Phosphor- oxychlorids zeigte.

Die Einwirkung des Phosphorsuperchlorids auf Unter- salpetersdnre lakt sich demnach durch folgende Gleichung ausdrucken :

NQ2 + PC15 = NQCl + C1 + PC138.

Die Einwirkung von Phospliorsuperchlorid auf Unter- salpetersaure unterscheidet sich deninach von der des Chlor- wasserstoffs auf letztere dadurch , dafs hier nur eine Chlor- verbindung aus der Untersalpetersaure sich bildet und freies Chlor dafur auftritt.

Da bei dem eben beschriebenen Versuche dampfformige Untersalpetersaure angewendet wurde, wahrend bei der Ein- wirkung von Chlorwasserstoff fliissige Untersalpetersaure zur eerwendung karn, so konnte vermuthet werden, dafs die fliissige Untersalpetersaure eine andere Anordnung der Mo- lecule habe, als dampfformige bei hoherer Temperatur, welclie auch hier wirklich durch die sehr heftige Einwirkung des Phosphorsuperchlorids hervorgerufen war. Um eine Stutze fur diese Vermuthung zu bekommen, wurde eine Reihe von Dampfdichtebestimmungen mit sorgfaltig praparirter Unter- salpetersaure bei verschiedenen Temperaturen ausgefiihrt und in der That ein Resultat dabei erhalten, welches eine Ver- doppelung der Formel fur flussige Untersalpetersaure verlangt, wahrend die Dichte der darnpfformigen Untersalpetersaure bei hoherer Temperatur der bisher angenommenen einfachen Formel entspricht.

Diese Versuche waren schon vorigen Winter ausgefiihrt worden; die vor Kurzem von P l a y f a i r und W a n k l y n " )

*) Trans. of the Roy. SOC. of Edinb. Vol. XXlI, p. 3.

l 4 Mii 1 I e r , Beitrag zur Kenntnifi

mitgetheilten Untersuchungen fuhrten zu demselben Re- sultate.

111. 1)ampfclichtebestimmungen der Untersalpeter-

saure bei verschiedenen Teinperaturen iiach der

Methode von Dumas.

Gewicht des mit Luft erfiillten Ballons . . Temperatur wllhrend der Wagung . . , . Barometerstand ,, ,, ,) . . . . Gewicht des mit Dampf erfiillten Ballons . Temperatur wahrend des Zuschrnelzeris . Barometerstand ,, n n

Capacitiit des Ballons (mit Wasser calibrirt) Gewicht des luftleeren Ballons . . . . . Gewioht der V C C . Luft bei to und h MM

. - - B

. - t

. - h

. = B'

. = t'

. = h'

. = v

. = t i 0

P.

-

-

- . -

E r s t e r V e r s i i c h .

B = 21,0728 h' . . . . . = 757

t = 16' V . . . . . = 225,4957

h = 756 p . . . . . - - 0,2739 B' = 21,3512 B 0 z B - p . = 20,7989 t' = 52" Gew. d. Darnpfes = 0,5523

-. 2,26. -

0,5523 0,2439

s = -

Z w e i t e r V e r s u c h .

B = 21,0570 h' . . . . . = 754,s t = 160 v . . . . . - 235,4957

11 = 754,5 Bo . . . . . - 20,7836

B' = 21,2344 Gew. d. Dampfes = 0,4508 t' = 70'

- -

1,95. - 0,4508 0,2304 - s =

der Untersalpetersaure. 15

D r i t t e r V e r s u c h.

B = 20,9981 h' . . . . . = 748,O

t = 16" V . . . . . = 225,4957 h = 748,O B" . . . . . - 20,7271 B' = 21,4079 Gew. d. Dampfes = 0,6808

-

t' = 32'

- 0,6808 0,2568

- 2,65. s =

V i e r t e r V e r s u c h .

Der mit Dampf erfullte Ballon wurde in ein auf 80" erhitztes Was- serbad gebracht , die ausgezogene Spitze mit dem Lothrohre aufge- schmolzen und , naohdem Gleichgewicht hergestellt war , wiederum zugeschmolzen.

h = 748,O t' = 790 B' = 21,1370

- 0,4099 0,2226

s = - 1,84.

F f i n f t e r V e r s u c h .

B = 20,9785 B' = 21,412 t = 16O t' = 28' h = 751,O V = 225,4957

0,7056 0,2613

s = = 2,70.

Z u s a mm e n s t e 1 l u n g . Temperatur Dampfdichte

28" 2,lO 32O 2,65 52O 2,26 70° 1,95

790 1,84 Diffwenz NQ2 verlangt 1,59 0,25 bei 79" N2a4 ,, 3,17 0,47 bei 28".

Obwohl es schwer sein diirfte, fur diesen stufenweisen Uebergang der Dampfdichten der Untersalpetersaure bis zum

16 Mu 11 e r , Beitrag zur KenntniJs

doppelten Gewichte der Dampfdichte jenseits der Grenze, wo constante Ausdehnung eintritt , eine haltbare Hypothese aufzustellen, so scheint es doch nicht ganz ungerechtfertigt zu sein, auf diese, iibrigens bei vcrschiedenen anderen Ver- bindungen wiederkehrende Thatsache, die rationelle Formel fiir dic fliissige Untersalpetersaurc zu basiren , zumal eine solche, wie durch nachfolgende Belege gezeigt werden wird, durch das ubrige reactive Verhalten der fliissigen Unter- salpetersamre unterstutzt wird. Bci sammtlichen Versuchen, welche mit der fliissigen Untersalpetersaiire angestellt worden sind, treten die beiden Molecule N 8 und N W auf, oder,mit anderen Worten : es kommen stets 2 Molecule N W zur Re- action. Will man daher uberhaupt eine rationelle Formel fur die ,fliissige Untersalpetersaure aufstellen , so scheint es zweckmiifsig zu sein, die beiden Molecule NO2 und NO getrennt in die Formel aufzunehmen. Wenn kein anderer Vortheil damit erreicht wird, als der einer bequemen , iibersichtlichen Darstellung der Reactionen, welche weiter unten noch kurz beschrieben werden sollen , so ware die Schreibweise

0 fur flussige Untcrsalpetersiiure schon dadurch vielleicht

gerechtfertigt. Es fallt diese mit der B erzelius 'schen Be- trachtung, nach welcher Untersalpetersaure salpetrige Salpeter- saurc ist , zusammen.

Das von G u t h r i e 35) kurzlich entdeckte Amylenbinitr- oxyd bildet ein Beispiel aus der organischen Chernie , bei welchem 2 Molecule NO2 sich direct mit einem zweibasischen Radical verbinden.

*) Ann. Chem. Pharm. CXIX, 85.

der Ufitersalpetms&re. 17

IV. Einwirkung der fliissigen Untersalpetersaure auf Metalle.

Die Einwirkung der reinen fliissigen Untersalpetersaure im Ueberschusse auf Metalle beschrankt sich unter allen Um- standen, wo Wasser und erhohte Temperatur ausgeschlossen sind, auf die Bildung eines scclpetersuuren Salzes und Ent- bindung von St ickoyd , welches letztere wiederum mit iiber- schussiger Untersalpetersaure unter geeigneten Umstanden salpetrige Saure bildet , so dab diese Einwirkung allgemkin ausgedruckt werden kann :

;g2\C+ + R = ","'\0 + N 8 .

Die Versuche wurden in der Weise ausgefiihrt, dafs man in einem kleinen Gefafse mit aufgesetzter Ent- bindungsrohre, welche unter Wasser mundete, bei ent- sprechender Abkuhlung (in der Regel - loo) reine Un- tersalpetersiiure auf verschiedene feinzertheilte Metalle ein- wirken liefs. Selbst bei sehr niedriger Temperatur findet eine, wenn auch etwas trage Reaction statt. Trotz grofser Abkuhlung entweicht stets ein Theil Stickoxyd , welches nicht zur Bildung von salpetriger S u r e verwendet wird. Dafs dasselbe nicht durch Einwirkung von ubergerissener Untersalpetersiure oder salpetriger Siiure auf das vorge- schlagene Absperrungswasser entstand, war an der Farblosig- keit des entwickelten Gases vor dem Eintritte in das Wasser zu sehen.

Auch bei der Darstellung der salpetrigen Saure dnrch Einwirkung von Stickoxyd auf Untersalpetersiiure geht stets eine ziemlich bedentende Quantitat Stickoxyd unabsorbirt durch die fliissige UntersalpetersBure.

Anna]. d. Cliem. 11. Pharm. CXXII. Bd. 1. Heft. 2

18 Mii I I er, Beitrag mr Iienntnifi

Die Metalle, welche auf diese Weise der Einwirkung der Untersalpetersaure unterworfen wurden, waren Kalium, Natrium, Blei und Quecksilber. Niemals konnte in den erhaltenen Salzen eine Spur von salpetrigsaurem Salze, weder durch Jodkaliuinstirlrekleister noch salpetersaures Kobaltoxyd, nach- gewiesen werden. Salpetersaures Natron und - Kali wurden aufser an denr qualitativen Verhalten namentlich an der characteristischen Krystallform erkannt.

2,3142 Grin. des Bleisalzcs hinterliehen beim Gluhen 1,5592 Grm. PbO = 67,3 pC.

N*zl 0 verlangt gleichfalls 67,3 pC. Pb. Pb \

1,0452 Grm. des Quecksilbersalzes hinterlieten beim Erhitzen in eineiri schwachen Luftstrome 0,8524 Grm. HgO = 81,55 pC. HgO.

HgzO, NO5 verlangt 82,44 pC.

Die Differena von nahezu 1 pC. mag in der nicht ganz zuvcrliissigcn RIethode seinen Grund haben, die ubrigens in dem uorliegenden Falle vollstandig ausreichend wdr.

V. Einwii-kung der fliissigen Untersalpetersiiure auf Metalloxyde.

Die Einwirkung der Untersalpetersaure auf Metalloxyde liefert ebenfalls , wie an Bleioxyd in einer zugeschmolzenen Rohre versucht wurde, ein salpetersaures Salz und salpetrige Siiure, fallt also mit der Einwirkung von Untersalpetersanre auf Wasser bei niedriger Temperatur zusammen.

Untersalpetersaure treibt dieKohlensaure ans dem CaO, COz bei gewiihnlicher Temperatur nicht aus.

der Untersalpeters&re. 19

VI. Einwirkung von Untersalpetersaure auf con- centrirte Schwefelsaure.

Wie schon Eingangs erwahnt wurde, sind bereits Analysen von den durch Einwirkung von Untersalpetersaure auf con- centrirte Schwefelslure entstehenden Verbindungen in den Annalen d. Chemie u. Pharmacie von Prof. W e l t z i e n mit- getheilt worden. Da nun aus den bereits angefuhrten Unter- suchungen hervorgeht, dafs die Einwirkung der Untersalpeter- saure sich in den meisten Fallen durch das Auftreten der beiden Radicale NO2 und NO kennzeichnet, dabei nie das Auftreten eines zweibasischen NO wahrgenommen oder zur Erklarung von Erscheinungen angenommen werden mufste, so forderte mich Herr Prof. W e l t z i e n auf, das Verhalten der Untersalpetersaure zu concentrirter Schwefelsaure einer nochmaligen Untersuchung zu unterwerfen, zumal bei der Dar- stellung und Analyse der Verbindung sehr sorgfaltig verfahren werden mu&, urn Zahlen zu erhalten, welche uber die wirk- liche Zusammensetzung der betreffenden Verbindung keinen Zweifel ubrig lassen. Aus diesem Grunde wurde vor allen Dingen darauf gesehen , ein Priiparat herzustcllen , welches absolut frei von anhangender oder eingeschlossener Schwefel- saure war.

Durch Anwendung von uberschussiger Untersalpetersaure, Auswaschen der zerkleinerten Krystalle mit flussiger Unter- salpetersaure und nachheriges Trocknen unter der Luftpumpe wurde diefs vollkommen erreicht. Ueber die aufseren Er- scheinungen der Reaction und Verhalten der Verbindung gegen Wasser u. s. w. ist nichts Neues nachzutragen, aufser dafs die Verbindung in bis zu einem gewissen Grade ver- dunnter Schwefelsaure schwieriger loslich ist , als in concen- trirter Saure. Beim Verdunnen einer concentrirten Losung

2 "

M ii I I e r , Beitrag zur Kenntnirs

der Verbindung in Schwefelsaure mit Wasser scheiden sich unter schwacher Entbindung von NO und Bildung von salpetri- ger Siiurc, was man an der blaugrunen Farbe der Fliissigkeit erkennen kann , Krystalle der Verbindung in unveranderter Zusamniensetzung ab. Die Krystdllforni der Verbindung ge- hiirt wahrscheinlich dem gerad - rhombischen Systeme an, was durch reclitwinkelige Zwillingsverwachsungen von an- scheinend rhombischen Pyramiden angedeutet erschien.

Der Stickstoff wurde bei einigen Analysen als Gas be- stimnit. Mehrerc directe Bestimniungen des Wassers durch vorgelegte Chlorcalciumriiliren und Zerlcgung der Verbindnng durch Kupferspiine gaben unter sich schwankende Resultilte, wahrscheinlich in Folge der Bildung von schwefliger Saure. Zuletzt wurde in dem Verhalten der Verbindung gegen reines Bleioxyd eiri bequemes und aufserst einfaches Mittel gefunden, sammtliche Hauptbestandtheile der Verbindung getrennt zu besliminen, namlich der Reihe nach UntersalpetersGure, Wasser und Schwefelsaure quantitativ festzustellen.

Men@ man namlich die trockene Verbindung mit der drei- bis vierfachen Menge Bleioxyd innig zusammen, so findet nach kurzer Zcit schon bei gcwohnlicher Temperatur irn Exsiccator eine Reaction statt, welche sich durch das Auftreten von rothen DIinpfen kund giebt. Wird das, Ge- meiigc nacli niehrstiiiidigem Verbleiben im Exsiccator gegluht, so entwejcht Wasser ohne wietlerholte Entbindung von rothen Diiinpfen ; das ausgegluhte Bleioxyd enthalt sammtliche der Verbindung angehiirige Schwefclsaure. Auf diese Weise wurden inelirere Analysen ausgefiihrt , welche unter sich zienilich genau stimmten.

Bestimmung des Stickdoffs nls Gas.

Angewandt : 1,1698 Grm. Erhalten : 102 CO. N bei 1 7 O C . und 749,3 MM. Baro-

meterstand = 0,1269 N = 10,85pC.

der Untersalpetersawe. 21

I. 11. 111. IV. 1) SO3 . . . . . . . 60,32 60,16 60,5 59,36 2) HO . . . . . . . - 6,52 5,7 - 3) ~ 0 4 . . . . . . . - 33,33 33,7 -

Das Material zu diesen Analysen war von verschiedenen

Diese Werthe fiihren zur Formel :

Gluhverlust zusammen 39,68 - - 40,64.

Darstellungen.

(alt) SO3, HO + SO3, NO4; also ware die Verbindung die Vereinigung von 1 Molecul Nordhauser Schwefelsaure mit 1 Molecul NO".

Diese Formel verlangt : SO3 . . . . . . . . . . 59,26 HO . . . . . . . . . . 6,66 NO4 . . . . . . . . . . 34,07

Gesammtverlust beim Gliihen 40,73 N . . . . . . . . . . 10,37.

Will man eine typische Form1 fur diese Verbindung aufstcllen, so kann man dieselbe als durch dievereinigung von 2 Moleculen SchwefelsHurehydrat entstandcn sich vorstellen, von denen eines anstatt H2 die Verbindung N2Q3 oder besser die beiden Radicale NB und NG2 enthalt :

Die Entstehung der Verbindung kann demnach einfach dargestellt werden durch folgende Gleichungen :

oder typisch : ~ ( ~ 0 3 , HO) + ~ 0 4 = 503, ~ 0 4 + 803, HO + HO

Die Einwirkung des Bleioxyds bei gewohnlicher Tem- peratur erstreckt sich nur auf das erste Glied, denn das

22 Ha ag , uber Dicyandiamid

Wasser kann erst bei einer Temperatur uber ioOo aus- gebrieben werden ; Untersalpetersaure und Wasser wurden aufserdem , wenn sie gleichzeitig freigemacht wurden, Sal- petersaure und Stickoxyd geben, was, wie oben erwahnt, hier nicht der Fall ist.

Carlsruhe, den 15. December 1861.