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Beitrag zur Klinik und Pathologie der cystischen Meningitis des Riickenmarks 1). Von Oskar Fischer (Prag). Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 13. Juli 1923.) Die cystische Meningitis des Rtickenmarks kennen wir eigentlich nur als klinischen Symptomenkomplex: Bei Fi~llen, welche das Bild eines Rfickenmarktumors darboten, fand man bei der Operation nach dem Duradurchschnit~ die inneren ~eningen durch klare Flfissigkeit blasenartig aufgetrieben, nach Einstich quoll die Flfissigkeit heraus und dic Tumorsymptome schwanden allmi~hlich wie nach der Entfernung eines Tumors. Es ist klar, dab die cystische Auftreibung der Meningen nur so entstanden sein konnte, dab durch Verklebungen und Verwach- sungen von den tibrigen Subarachnoidealri~umen abgeschlossene Sonder- ri~ume entstehen, in denen sich Fliissigkeit bis zum ~berdruck ansam- melt und cystisch-tumorartig wirkt. Wie und wodurch kommt es zur Verwachsung, yon wo stammt die Flfissigkeit und wie kommt der Flfissigkeitsfiberdruck zustande ? Das sind wohl die wichtigsten allgcmein-pathologischen Fragen auf diesem Gebiete, sic sind aber, da einschl/~gige ~natomische Untersuchungen vollkommen fehlen, noch ungelSst. Als meines Wissens einzige fiir die cystische 1Keningitis in Betracht kommende anatomische Untersuchung kSnnte eine Untersuchung yon mir gelten, welche sich mit einer eigenartigen Form yon Meningeal- cysten des Gehirns befagt~). Ich land namlich, dab bei progressiver Paralyse und seniler Demenz eigenartige Cysten der 1Vfeningen des GroBhirnes vorkommen, welche nur in den Meningen primar entstehen und sekundar die Windungen auseinandertreiben; die histologische Untersuchung ergab, dab die Cysten vollkommen abgeschlossene binde- gewebige Hohlr~ume darstellen; Injektion yon farbiger Fliissigkeit in 1) Nach einem im Verein deutscher Arzte in Prag am 12. V. 1922 gehaltenen Vortrage. 2) Corticale Gruben als Folge meningealer Cystenbildung bei chronischen Meningitiden, insbesondere der progressiven Paralyse. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 21. 1914.

Beitrag zur Klinik und Pathologie der cystischen Meningitis des Rückenmarks

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Beitrag zur Klinik und Pathologie der cystischen Meningitis des Riickenmarks 1).

Von Oskar Fischer (Prag).

Mit 4 Textabbildungen.

(Eingegangen am 13. Juli 1923.)

Die cystische Meningitis des Rtickenmarks kennen wir eigentlich nur als klinischen Symptomenkomplex: Bei Fi~llen, welche das Bild eines Rfickenmarktumors darboten, fand man bei der Operation nach dem Duradurchschnit~ die inneren ~eningen durch klare Flfissigkeit blasenartig aufgetrieben, nach Einstich quoll die Flfissigkeit heraus und dic Tumorsymptome schwanden allmi~hlich wie nach der Entfernung eines Tumors. Es ist klar, dab die cystische Auftreibung der Meningen nur so entstanden sein konnte, dab durch Verklebungen und Verwach- sungen von den tibrigen Subarachnoidealri~umen abgeschlossene Sonder- ri~ume entstehen, in denen sich Fliissigkeit bis zum ~berdruck ansam- melt und cystisch-tumorartig wirkt.

Wie und wodurch kommt es zur Verwachsung, yon wo stammt die Flfissigkeit und wie kommt der Flfissigkeitsfiberdruck zustande ? Das sind wohl die wichtigsten allgcmein-pathologischen Fragen auf diesem Gebiete, sic sind aber, da einschl/~gige ~natomische Untersuchungen vollkommen fehlen, noch ungelSst.

Als meines Wissens einzige fiir die cystische 1Keningitis in Betracht kommende anatomische Untersuchung kSnnte eine Untersuchung yon mir gelten, welche sich mit einer eigenartigen Form yon Meningeal- cysten des Gehirns befagt~). Ich land namlich, dab bei progressiver Paralyse und seniler Demenz eigenartige Cysten der 1Vfeningen des GroBhirnes vorkommen, welche nur in den Meningen primar entstehen und sekundar die Windungen auseinandertreiben; die histologische Untersuchung ergab, dab die Cysten vollkommen abgeschlossene binde- gewebige Hohlr~ume darstellen; Injektion yon farbiger Fliissigkeit in

1) Nach einem im Verein deutscher Arzte in Prag am 12. V. 1922 gehaltenen Vortrage.

2) Corticale Gruben als Folge meningealer Cystenbildung bei chronischen Meningitiden, insbesondere der progressiven Paralyse. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 21. 1914.

78 O. Fischer :

(lie Cysten einerseits, in die ~Ieningen und Subarachnoideal raume der

Umgebung andererseits bewiesen, da[~ der Cys tenraum vol lkommen abgeschlossen ist, daf~ also kein Fli issigkeitsaustausch s ta t t f indet .

Xhnliehe Un te r suehungen fiber das Ri iekenmark feblen.

I m folgenden soll n u n ein Fal l mi tgete i l t werden, den ieh gemeinsam

mi t Her rn Dr. Otto Kuh zu beobaehten Gelegenheit ha t te und der, ob-

zwar es sieh nu r u m eine klinische Beobaeh tung handel t , doeh manchen Anstol3 zur Klg rung der obenerwghnten Fragen geben kann.

Anamnese: 56jahr. Mann. 1909 glitt Pat. aus und fiel mit der linken Brust- seite auf einen Eisblock, wobei es zu ,,Verbiegung einer Rippe" kam; die lokalen Sehmerzen an der Verletzungsstelle verschwanden bald, sp~ter aber stellten sieh beinahe alljghrlieh Sehmerzen in der linken Brustseite ein, die wieder verschwanden. Am st~rksten wurden die Schmerzen im Jahre 1914, wo sie links in Xiphoidh6he sal3en und bis in den Rticken ausstrahlten. Gleichzeitig stellten sich Blasen- besehwerden ein, Pat.. muflte hgufiger urinieren; yon grztlieher Seite wurde eine Retention konstatiert, weshalb er taglich katheterisiert werden muBte; gleich- zeitig kam es zu einer ganz enormen Darmtragheit und zu vollkommener Impotenz mit Ausfall jeglieher Erektion.

Im Jahre 1916 entwickeltc sich allmghlich eine Schwgche des linken Beins und seit der Zeit ist der Zustand ziemlich stationer. Keine luetisehe Infektion, gesunde Frau und gesunde Kinder.

Untersuchung am 7. IX. 1920: Status somatieus: Grol]er, kr/~ftiger M~nn; am Kopf niehts Pathologisehes,

Arme normal, Abdomen etwas aufgetrieben; der Gang spastiseh-paretiseh, mit st~rkerer Beteiligung des linken Beins. Pat. kann nur, wenn er sieh aufstiitzt, vom Sessel aufstehen. Beim Niederlegen ins Bert ka.nn er steif und langsam ein Bein nach dem andern ins Bert heben; kann mit Miihe lgngere Zeit stehen bleiben; kann mit Mtihe ohnc Stock, etwas besser mit Stock gehen. Die Beine fiihlt er steif und spiirt auch st~ndig ein Spannungsgeftihl in der Beckengegend.

Sensibilit~t: Um die linke Mamilla ist eine deutliche Hyperalgesie ftir Stiche vorhanden, welche sich an der vorderen Thoraxwand, etwa alff die Gegend des 4., 5. und 6. Dorsalsegments bezieht; aueh die feinsten Stiche werden daselbst sehr sehmerzhaft empflmden; nach hinten verlguft die Hyperalgesie mit unseharfen Grenzen.

Sonst ist die Sensibilit/~t ftir die versehiedenen Qualitgten vollkommen intakt. Der Bauehreflex ist links normal; rechts ist der Bauchreflex oberhalb des Nabels in der Nghe der Mittellinie schwgeher, weiter lateralwgrts besser auslSsbar, unter- halb des Nabels in der Nahe der Mittellinie gar nicht, weiter lateral recht gut aus- I6sbar; aber auch dort, wo der Reflex rechts ausl6sbar ist, ist er wesentlich schwitcher als links.

Patellarreflex reehts yon normaler Starke, links deutlieh gesteigert. Kefll Patellarklonus.

Aehilles-Sehnenreflex bds. vorhanden, kein Klonus. Babinski bds. vorhanden, doch links lebhafter und deutlieher.

Der Analreflex fehlt beim Eingehen des Fingers vollkommen. Pat. mull wegen Urinretention 5mal t'~glich katheterisiert werden, hat auch

nachts Urindrang und wird deshalb moist noch 2 real des Naehts katheterisiert. Stuhl wird nur so erzielt, dall er zweimal wSehentlich ein Abfiihrmittel nimmt, worauf dann am naehsten Tage erst eine hohe Darmspiilung eineetzen muff, welehe zu Stuhl fiihrt; doch kommt der Stuhl oft nach li~ngerer Zeit und in mehreren Portionen.

Beitrag zur Klinik u. Pathologie der eystischen Meningitis des Riickenmarks. 79

9. iX. 1920. Lumbalpunktion (nach 0,02 Mo subeutan). Es wird zuerst zwischen 4. und 5. Lendenwirbel eingestochen; trotzdem die Nadel sieher im Kanal war~ fliel~t nichts heraus; dasselbe geschieht bei der Punktion zwischell dem 3. und 4. Lendenwirbel, wobei jedesmal zweimal eingestochen wurde, einmal links und einmal rechts yon der Mittellinie; trotzdem floB nichts heraus.

Auf Gr tmd dieses Mil~erfolges der L u m b a l p u n k t i o n s tel l te ich die , k f i h n e " Diagnose einer chronischen Myelomeningi t i s ; denn ieh ha t t e

die GewiBheit , im Dura l saek mi t der lqadel gewesen zu sein und d a zu- fi~llige Ver legungen bei der 5 m a l an verschiedenen Stel len vorgenom- menen P u n k t i o n auszuschliel3en sind, so k o m m e n nur meningeale Ver- waehsungen in Be t rach t . I ch nahm also i rgendeine abgelaufene myel i t i sche Af- fek t ion im Conusgebie t an, welche zu den C o n u s s y m p t o m e n gef i ihr t ha t te , an diese h a b e n sieh ch ron i sch -en tz i i nd l i che Ver- i~nderungen der Meningen, welche die Ver- wachsungen bewerks te l l ig ten , angeschlos- sen. Die Pa rapa rese bl ieb dama l s noch

unklar .

15. I. 1921: Pat. stellt sich wieder vor~ nach- dem er inzwisehen zu Hause 10 Fibrolysininjek- tionen bekommen hatte; in den letzten Wo- chen bekam er jedesmal beim Bticken einen staxken Sehmerz, weleher wie ein elektrischer Sehlag yon der unteren tt~lfte des Unterleibes in die Beine geht.

Somatisch: die Bauehreflexe sind reehts deutlieh schw~cher als links, sonst an der Moti- lit~t und den Reflexen keine .~ndertmg gegen- fiber frtiher.

Sensibilit~t: Die ttyper~sthesie hat sieh an der vorderen Brustseite wesentlich verbreitert (s. Abb. 1), sie wird jedoch gegen den Rficken undeutlich und verschwindet schon in der Sea- Abb. 1. pulargegendr An den unteren Extremit~ten ausgesprochene Sensibilit~tsstSrung, welche bei der frfiheren Untersuchung nieht vorhanden war.

Am linken Bein ist eine sockenfSrmige Zone yon Unempfindliehkeit ftir Warm und Kalt; rechts ist die Unempfindlichkeit ffir Kalt in der gleichen Zone, die W~rmeanasthesie verbreitert sieh strumpffSrmig beinahe bis zum Knie, Ferse und Zehen sind analgetiseh (Abb. 1).

Die neu hinzugekommene Sensibilit~tsstSrung an den unteren Extremit~ten zeigte den Typus einer Seitenstrangaffektion und beweist, dab sieh hier etwas ent- wickelte, was am ehesten auf einen Tumor hinwies; die Lokalisation war einstweilen unmSglich, deswegen besehlol3 ich, noehmals zu punktieren.

17. I. Unter 0,02 Mo wurde wieder eine Lumbalpunktion gemaeht; ich punk- tierte wieder in der HShe zwisehen 3. und 4., dann 2. und 3. und schlieBlich zwi- schen 1. und 2. ein; stets hatte ieh das sichere Geffihl, im Duralsack zu sein, aber es entleerte sieh keine Flfissigkeit.

80 0. Fischer :

18. I. I-Ieute ungeahnte Besserung; die Spannung und Schwi~che der Beine hat beinahe vollkommen aufgehSrt, Pat. geht tadellos ohne Stock, kann sich ohne Miihe niedersetzen, kann yore Sessel aufstehen, was er nie ohne Sttitze oder Stock konnte, er kann Kniebeuge machen, auf einem Bein stehen; die Steifheit der unteren Extremitaten ist verschwunden, nur in der KnSchelgegend hat er noch das Geftihl yon Spannung.

Die SensibilitatsstSrung hat sich wesentlich gebessert, die Unempfindlichkeit flit Stiche ist vollkommen verschwunden, ebenso die fiir Warm und Kalt, obzwar hierbei doch noch hier und da eine gewisse Unsicherheit nachweisbar ist.

Die Hyperalgesie am Thorax ist unverandert geblieben; auch an den Re. flexen ergab sich keine ~nderung.

20. I. 1921. Der Urindrang ist geringer geworden, es gentigt, wenn er dreimal tiiglich katheterisiert wird, nachts halt er ohne katheterisieren aus.

Auch die Defi~kation ist besser, indem der Stuhl nicht melu" portionenweise, sondern nach der Sptilung in einem herauskommt.

Diese plStzliche u n d so weitgehende Besserung der eine beiderseitige

Sei tenstrangaffekt ion beweisenden Motiliti~ts- u n d Sensibiliti~tsstSrungen

der Beine ist sehr sonderbar ; ich mul~te dies doch mi t der P u n k t i o n

in Zusammenhang bringen, t ro tzdem diese auch in der HShe vom 1. u n d

2. Lendenwirbel ergebnislos blieb. Als Diagnose kam nu r eine cystische Meningit is in Betracht , welehe nach u n t e n wahrscheinlich zum 1. resp. 2. Lendenwirbel reichte; m a n mul~te annehmen, dab durch die P u n k t i o n

zwar die Cyste n ieht getroffen, sondern nu r t ang ie r t u n d ihre W a n d angerissen wurde, so dab sich die l~berdruekfltissigkeit n ieh t durch die Nadel, sondern erst allm~hlich ins Gewebe ent leeren konnte . Diese

Diagnose erschien mir etwas kiihn, aber es war schwer, i rgend etwas

anderes anzunehmen. Die Hyper~sth~sie am S tamm blieb damals noch ungeklhrt .

14. II. 1921. Pat. stellt sich wieder vor; der Zustand ist eigentlich stationer geblie'ben, etwa so wie er nach dem Punktionsversueh am 17. I. 1921 gewesen ist.

Objektiv: Motilit~tt wie nach der Punktion, nur das linke Bein hat sich noeh etwas mehr gekrgftigt.

Die Bauchreflexe von allen Partien der Bauchwand ausl6sbar, auf der rechten Seite etwas schw/~cher.

Patellarsehnenreflex rechts lebhaft, links deutlieh gesteigert; kein Patellar- klonus.

Achillessehnenreflex bds. lebhaft. Ful~klonus links~ Babinski bds. Sensibilit/it: die ttyperalgesie etwas eingeschr~tnkt (gegeniiber dem letzten

Status), befindet sich nur an der vorderen Brustwand und verschwindet nach der Seite zu vollkommen.

Die Sonsibilit/~t der Beine vollkommen normal. 15. II. 1921. 5 Uhr nachm. Unter 0,02 Mo Lumbalpunktion; die friiheren

Punktionen valrden mit einer diinnen Platiniridiumnadel gemacht, diesmal wurde absichtlich eine viel dickere KrSnigsche Stahlnadel verwendet. Zuerst wurde zwi- schen 2. und 3. Lumbaldorn eingestochen, und zwar rcohts und links yon der Mittel- linie, dann zwischen 1. und 2. Lumbalwirbel und bier ebenfalls rcchts und links yon der Mittellinie; es flog nichts heraus, auch nachdem eine Aspiration mit der Spritze versucht worden war.

Beitrag zur Klinik u. Pathologie der cystischen Meningitis des Rllckenmarks. 81

16. II . 1921. Nachts hat Pat. beinahe gar nicht geschlafen. Gegen 10 Uhr stelltc sich etwas Sonderbares tin: er hatte ein brennendes Gefiihl in der Lenden- gegend beiderseits, welches in die Beine his zu den KnSchelu rieselnd ausstrahlte; dieses Gcfiihl dauer~e etwa eine Stunde an; darauf merkte er schon nachts, dab die Hyperalgesie auf der Brust, welche st~ndig mit einem Spannungsgefiihl ver- bunden war, verschwunden ist.

Untersuchung 11 Uhr vormittags: Die Spannung in der Brustgegend und in der KnSchelgegend ist vollkommen geschwunden, die Beweglichkeit der Beine ist noch besser als vordem. Die Reflexe sind gleich geblieben; die Sensibilit/it der Beine intakt wie gestern, die Hyperalgesie his auf einen etwa 2 Finger breiten, nicht ganz schaff begrenzbaren Rest unter der Clavicula ist verschwunden.

18. II . 1921. Zustand unver/~ndert, noch etwas Wundschmerzen nach der Punktion; die Stuhltr~gheit ist sichtlich besser geworden; auch ist jetzt ein deut- liehr Analsehliel3reflex merkbar.

Das R e s u l t a t dieser P u n k t i o n war qua l i t a t i v ~hnlieh dem der vorigen, i iber t ra f es j edoeh quan t i t a t i v , indem die Besserung der Sei tens t rang- s y m p t o m e noch deu t l i cher w u r d e ; aber auBerdem is t auch die H y p e r -

algesie a m Thorax vo l lkommen verschwunden. Da raus folgt, dab die cys t i sche Ver~nderung der Meningen bis e twa zum obers ten Dor sa lmark gere icht ha t . Aueh bei dieser P u n k t i o n k a m durch die N a d e l kein Liquor , aber wahrseheinl ieh war die W i r k u n g intensiver , weft m i t e iner d ickeren Nade l p u n k t i e r t worden ist. Das plStzl iche E inse tzen der Besserung bemerk t e der P a t i e n t selber, als er einige S tunden naeh der P u n k t i o n das schon erw~hnte e igenar t ige Rieselgeffihl verspi i r te , welches m i t dem Abflufl der Fl i i ss igkei t im Z u s a m m e n h a n g s tehen diirfte.

25. V. 1921. Subjektiv fiihlt sich Pat. nicht wohl, der Gang hat sich ver- schlechtert, so dab er so geht wie vor den Punktionen; er geht langsam, steif und ermiidet leicht, die ~berempfindliehkeit der Brustgegend hat sich vor einigen Wochen wieder eingestellt.

Objektiv: Gang deutlieh spastisch-paretisch, Pat. kann keine Kniebeugen machen, kann sich nur sehr miihsam yore Sessel erheben.

Die Bauehreflexe sind beiderseits deutlich und kr~t ig auslSsbar. Patellarschnenreflex links sichtlich lebhafter. Kein Patellarklonus, kein Ful3klonus. Aehillessehnenreflex vorhanden, bds. Babinski. Sensibilit/~t: Die Hyperalgesie hat sich am Thorax wieder eingestellt und

reicht jetzt auch auf die Riiekseite his zur Mittellinie und ist ziemlich scharf ab- gegrenzt (Abb. 2 und 3).

An der rechten Ferse und der rechten groflen Zehe empfindet er mit .~ther getr~nkte Watte (ira Vergleich zu den anderen KSrperteflen und namentlich der Gegenseite) nur minimal j~tihl. Keine andere St6mng der Sensibilit/~t.

13. VI. 1921. Subjcktiv unver/~ndert. Objektiv: Die Motilitis und Reflexe gleich, nur der Aehillessehnenreflex rechts

deutlich schw~eher. Sensibilit~t: Am rechten Bein ist eine sockenfSrmige Zone yon Hyper~sthesie

iiir Warm und Kalt, die etwa in der Mitre des Unterschenkels ringf~irmig abge- grenzt ist (Abb. 4).

Die Hyperalgesie ist jetzt noch mehr verbreitert, und zwar vorne und hinten~ hat die Schultergegcnd aber freigelassen; die Ityperalgesie ist nicht nur fiir Stiche, sondern auch fiir Wiirme und K~lte deutlich (Abb. 4).

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. L X X X V I I I . 6

82 O. Fischer :

Die Verschlechterung des Zus tandes ging so weit, dab sich derselbe

Symptomenkomplex , welcher vor der P u n k t i o n war, eingestell t h a t t e ;

die Cyste muBte sich also wieder geffillt haben. E ine RSn tgenaufnahme

der Wirbels~ule in verschiedenen HShen ergab nichts Pathologisches. Es war wieder eine P u n k t i o n am Platze.

15.VI. 1921. 12Uhr mittagsLumbalpunktionin Seitenlage unter ~ther-Sauer- stoff-Narkose. Einstich zwischen dem 1. und 2. Lendenwirbel rechts yon der Mittel- linie, wobei die Nadel dem Gefiihle nach sicher in den Duralsack gelangte, aber kein Liquor floB heraus. Ein zweiter Einstich wurde versucht, und zwar so, dag die Nadel einige Millimeter tiefer den Duralsack traf, und sofort flol3 unter erh~htem

Abb. 2. Abb. 3.

Druck Liquor" heraus. Es wurden 30 ccm 'Liquor abgelassen, und zwar so lange, bis der LiquorausfluB tropfenfSrmig effolgte und beinahe vollkommen versiegte.

Die iWaxkose wurde w~hrend der Punktion sistiert, Pat. war gegen Ende der Punktion vollkommen bei BewuBtsein und frisch; schon am Operationstische war die Hyperalgesie vollkommen verschwunden, nut die Mamilla blieb noch deutlich iiberempfindlich.

Liquoruntersuchung: Der Liquor ist vollkommen klar, zel]/rei; Nonne-Appel~ zeigt keine Trfibung, Pandy eine Spur yon Trtibung; H~molysin und Wassermann vollkommen negativ.

Der Liquor wurde yon lerau Dr. Langec~r im Pharmakologischen Institute yon Prof. Wiechowskl chemisch untersucht; es ergaben sich folgende Rcsultate:

Trockensubstanz 4 ccm Liquor 0,0388 g .... 9,70/00 Asche 4 corn ,, 0,0365 g . . . . 9,1~ Organ. Substanz 4 ccm ,, 0,0023 g . . . . 0,60/00 Chloride 2 ccm ,, 2,55 n/lo-AgN08 . 7,420/00 NaC1 EiweiB 2 ccm ,, 0~32~

Beitrag zur Klinik u. Pathologic der eystischen Meningitis des R~lckenmarks. 83

Die Fliissigkeit zeigte keine optische Aktivit~t, sic gab keine Reduktions- proben. Die Asehe enthielt: Ca, Mg, Na, Chloride und Phosphate; Fe und A1 warde nicht gefunden.

Nachmittags 5 Uhr: Pat. fiihlt sich wohl, die Spannung in der Lendengegend und in den Oberschenkeln hat aufgehSrt und ist noch andeutungsweise in den Knien und ~fifen vorhanden; beim Katheterisieren ging seit Jahren das erste Mal wieder der Urin in st~rkerem Strahl heraus.

Status: Der Gang ist wesentlich besser, Pat. kann sehr gut ohne Stock gehen, kann aufstehen, sich niedersetzen und sogar Kniebeuge machen; die Reflexe wie friiher.

Sensibilit~t: Die St6rung am rechten Bein geschwunden, nur an der Ferse und den Zehen ist subjektiv die Empfindung yon KMte deutlieh sehw~eher. Die Hyperalgesie am Thorax hat sieh von oben und unten

einer sehr hoch h inauf re ichenden Cyste r ich t ig war. Der Ums tand , d a b w~hrend der P u n k t i o n t ro tz E n t n a h m e des groBen L i q u o r q u a n t u m s bis zum Versiegen P a t i e n t keine Beschwerden f/ihlte, schien mi r daf i i r zu spreehen, dal3 es sich ta t s~chl ich u m eine cyst ische Absackung ge- hande l t ha t te .

17. VI. 1921. Die Kopfsehmerzen sind gestem auf Veramon versehwunden; Pat. stand deshalb nachmittags auf. Abends traten sehr starke Kopfschmerzen auf, aber etwas anderer Art; die Sehmerzen sal3en im Hinterkopf und Nacken, es kam zu :starker Abgesehlagenheit und Nausea.

Der Status sonst im gleiehen. 18. VL 1921. Immer noeh sehr starke Kopfschmerzen, Schwindel, Nausea;

der Zustand ist besser im Liegen, beim Aufsitzen wesentliche Verschlechterung. 19. VI. Immer noeh starke Kopfsehmerzen und Brechreiz.

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84 O. Fischer :

20. VI. Beim ruhigen Liegen keine Besehwerden, aber etwas Sehwindelgefiihl, beim Aufsetzen Verst~rkung des Sehwindels, Kopfdruek und Breehreiz. Somatiseh: Das Spannungsgefiihl der Beine ist vollkommen versehwunden, die Reflexe wie friiher, kein Klonus, bds. deutlieh Babinski; die Hyper/~sthesie nut auf die Mamillae beschrankt, aber aueh da nur angedeutet.

21. VI. Der Sehwindel und Kopfsehmerz auch beim Aufstehen geringer, die Bewegung der Beine sehr gut, nur der Gang noeh taumelig.

22. VI. Der Schwindel sehon beinahe ganz verschwunden; Abreise nach Hause.

Auffa l lend war diesmal , d a b in den ers ten Tagen naeh der P u n k t i o n nu r min imale Kopfsehmerzen bes tanden , u n d dal3 erst , n a c hde m P a t i e n t au fges tanden war, in tens ivere Beschwerden als : s t a rke r Kopfsehmerz , Naekendruek , Sehwindel und Nausea , e in t r a t en ; m a n konn te d a r a u s sehliel~en, dab sieh vie l le ieht auf i rgendeine Weise wieder eine K o m m u - n i k a t i o n des Cys tenraumes m i t dem fibrigen S u b a r a e h n o i d e a l r a u m en twieke l t ha t te .

7. X. 1921. Naeh der Abreise hatte Pat. zu Hause noeh etwa 14 Tage Kopf- schmerzen und Sehwindel; dann ging es ihm reeht gut; in den letzten 14 Tagen zeigte sieh wieder etwas Spannung in der Lendengegend.

Somatiseh: Gang sehr gut, ohne Spasmen. Patellarsehnenreflex links wesentlieh lebhafter als rechts; dasselbe Verhalten

zeigen die Achillessehnenreflexe. Babinski beiderseits, kein Klonus. Bauehreflexe beiderseits in allen HShen zu erzielen, sind nur rechts sehw~eher. Die Hyper~sthesie ist wieder aufgetreten und besteht in gleieher Ausdehnung

wie am 15. VI. 1921. An den Beinen normale Sensibilit~t. Stuhl und Urin wie friiher; deutlicher AftersehluB. 12. X. 1921. Zustand unver~ndert. 5 Uhr naehmittags: Lumbalpunktion unter ~ther-Sauerstoff-Narkose: Einstieh

zwisehen dem 1. und 2., und zwar zweimal, dann zwischen 2. und 3., wobei niches ausflieBt; dann zwisehen 3. und 4 , yon wo ebenfalls niehts ausflieB~, dann noeh einmal zwischen 1. und 2, wobei schlieBlieh Liquor herauskommt. 8 ecru werden entnommen; nach der Punktion ist Babinski nieht auslOsbar.

Eine halbe Stunde sp~ter sehon Kopfschmerzen, Sehwindelgefiihl. 13. X. 1921. Kopfdruek, Schmerzen im Nacken, Sehwindelgefiihl, Mattigkeit.

Die Hyper~sthesie nur auf die Gr6Be einer Herzd~mpfungszone zuriiekgegangen. Rechter Bauehreflex lebhafter als gestern; Babinski rechts vorhanden, abet sehwerer ausl6sbar als links.

14. X. 1921. Heute friih war Pat. ganz wohl, stand auf, worauf Kopfschmerzen und Schwindel wieder zunahmen; die Hyperi~sthesie nut auf den Mamillaxhof beschr~nkt.

19. X. 1921. Erst seit 2 Tagen wieder ohne Kopfsehmerzen und Schwindel, die Hyper~sthesie vollkommen geschwunden; Gang gut.

17. I. 1922. Stellt sich wieder vor; es ging ihm reeht gut, in den letzten Woehen hat sich wieder eine l~berempfindliehkeit am Stature entwiekelt. Somatiseh: Gang gut, Bauchreflex auslSsbar, aber rechts schwi~eher.

Die Sehnenreflexe an den Beinen rechts lebhafter; kein Klonus. Beiderseits Babinski. Keine Sensibilit~tsstSrung an den Beinen.

Beitrag zur Klinik u. Pathologie der cystischen Meningitis des R[ickenmarks. 85

Wieder ausgesprochene Hyper~sthesie ffir Stich und auch ffir Druek; sic ist ausgedehnter als frfiher, geht auch auf den Oberarm fiber; am Arm keine scharfe Abgrenzung, ebenso auch nicht am Rfieken.

19. I. Lumbalpunktion 12 Uhr mittags unter Ather-Sauerstoff-Narkose. Ein- stieh zwischen 1. und 2. Lendenwirbel, klarer Liquor; 7 ecru entnommen; bei Zu- schnfirung des Halses wird der Druek nicht gr6Ber.

20. I. Bekommt gleieh abends nach der Punktion Kopfschmerzen; die Hyper- ~sthesie ist vollkommen verschwunden; ausgesprochene lacun~re Angina mit Pfr6pfen und Temperatur bis 39 ~

24. II. 1922. Angina versehwunden, Pat. ist aber reeht matt. 27. II. P16tzliehes Einsetzen yon Symptomen einer Blinddarmaffektion;

Operation (Prof. Schle]]er): Ein ehroniseher entzfindeter naeh hin~en fixierter Wurmfortsatz wird entfernt; nachher glatte Heilung, sparer etwas prolongiert dutch vorfibergehende Cystitis. l~ach der Operation ist die Darmtr~gheit wesentlich zurfiekgegangen. Pat. hat zwar spontan keinen Stuhl, doeh geht naeh Klysma die StuMentleerung leiehter vor sich als friiher.

31. VIII. Seit der Operation ffiMt er sich recht matt; das Gehen ist recht er- schwert, abet mehr infolge der k6rperlichen Mattigkeit.

Somatisch: Pat. kann im Bert die Beine recht gut bewegen, kann sieh ganz irei herumw~lzen und aufsetzen. Der Gang ist nicht steif, eher sehleppend, wie der eines Ermfideten.

Patellar- und Achillessehnenreflex lebhaft. Beiderseits Babinski; kein Klonus. Bauchreflexe vorhanden, sind links deutlieh starker. Sensibilit~t: Taktil fiberall normal. K~lte: Wird am rechten Fu~ in einer sockenf6rmigen Zone, die fiber die

KnSchel reieht, weniger deutlich geffihlt als links. W~rme fiberall intakt. Hyperalgesie: meist deutlieh ausgesproehen, aber diesmal viel ausgedehnter;

sie reieht links vorne vom Sehlfisselbein bis zur Leistenbeuge, greiit aber an Brust und Baueh auf die reehte Seite hinfiber, ohne da seharf begrenzt zu sein, und er- streckt sieh aueh auf die Vorderseite des reehten Oberschenkels. Am Rfieken ist die Hyperalgesie weniger sehaff ausgesprochen.

11 Uhr vormittags: Lumbalpunktion in ~thernark0se. Zwisehen 1. und 2. Lendenwirbel Einstich; Entleerung yon 12 eem Liquor auf den ersten Stich, deutlieher ~berdruck (200 mm), Zellen 0, Eiwei~probe negativ.

1. IX. 1922. Der Zustand nach der Punktion nicht ge~ndert. 4. IX. Auf Grund der Annahme, dab zu wenig Liquor entleert worden war,

wurde die Punktion wiederholt, und zwar wieder in ~_thernarkose. Diesmal war der Druck 180 ram; es wurden noeh 8 cem entleert.

Gleieh nach der Punktion ist Babinski rechts iiberhaupt nicht, links nur sehwer auslSsbar.

Abends ffihlt Pat. die Beine freier, die Hyperalgesie ist vollkommen gesehwun- den, nur die linke Mamilla empfindlieher.

11. IX. Nach der Punktion Auftreten yon Kopfschmerzen, die durch 4 Tage andauerten.

21. IV. 1923. Der Zustand bleibt nach der letzten Punktion reeht befriedigend, in den letzten Woehen wurden die Beine wieder etwas steif, die ~berempfindlich- keit am Stamme hat sich wieder eingestellt.

Somatisch: Gang reeht gut, aber doeh mit einer Andeutung yon Spasmus. Sehnenreflexe der Beine lebhaft. Bauchreflexe beiderseits lebhaft.

86 O. Fischer:

Kein Klonus, Babinski beiderseits nur angedeutet. Sensibilit~t: Die Hyperalgesie etwa in den Grenzen wie am 12. VI. 1921;

sonst intakt. 25. IV. 1923. Lumbalpunktion unter J~thernarkose zwisehen 1. und 2. Lenden-

wirbel. Entlcerung yon 10 ecru normalem Liquor. Sofor~ nach der Panktion Kopfschmerzen, die Hyperalgesie mi~ Ausnahme

der linken Mamilla versehwundcn. 27. IV. 1923. Pat. fiihlt sieh naeh der Punktion motoriseh wesentlieh freier,

braueht zum Gehen keinen Stock, kann z. B. Kniebeuge maehen. Jede Spannung ist verschwunden.

Ein ahnlieher Fall ist, sower ich die Literatur iibersehe, noch nicht beobachtet worden. Es handelt sich zwar nur um eine klinisehe Beobach- tung ohne Biopsie (ohne Operationsbefund) und ohne l~ekropsie, doeh ist die Symptomatologie so eindeutig und klar, dab der Fall aueh bei dieser Saehlage interessante Aufschlfisse zu geben imstande ist.

Es wird wohl kaum jemandem zweifelhaft erseheinen, da{~ wit es hier mit einer eystenartigen Bfldung innerhalb des Duralsackes zu tun haben; der Umstand, dab beinahe nach jeder Punktion ein groSer Tefl des krankhaften Symptomenkomplexes versehwand, l~Bt eine andere Erkl~rung glatt ausschliel~en.

Der ganze klinisehe Symptomenkomplex l ~ t sich in zwei Unter- komplexe einteilen: 1. die station~iren Symptome als Impotenz, I-I~rn- blasenl~ihmung im Sinne einer Harnretention und Def~kationsliihmung.

2. Die pazsageren, naeh der Cystenentleerung schwindenden oder an Intensitat verlierenden Symptome: Es sind dies: a) die doppelseitigen Seitenstrangsymptome; diese t ra ten am deutliehsten als Paraparese auf, die h~ufig die Andeutung einer Brown-S~quard-Anordnung zeigte, indem das linke Bein starker betroffen war als das rechte. Welter be- stand eine StSrung der Schmerz-, W~rme- und K~lteempfindung in einer Verteilung, welehe vollkommen der yon mir~) als ffir Seitenstrang- affektionen eharakteristiseh beschriebenen quersegment~ren Anordnung entspricht. Wie die Abbildungen zeigen, betrifft die Sensibilit~tsstSrung entweder die Zehen und die Ferse, oder sic erstreekt sich soekenf5rmig auf den Unterschenkel und ist querringfSrmig abgegrenzt; dabei ist sie dissoziiert, und die StSrung der einzelnen Qualitaten nimmt versehiedene Zonen ein; alle haben jedoch die quersegment~re, resp. querzirkul~re Abgrenzung.

b) die hyperalgetisehen Zonen; diese waren beinahe aussehlieBlich links am Stamme, hatten an der rechten H~lfte der Brust eine schaffe, am Riieken und naeh unten eine unseharfe Abgrenzung; man kann sie wolff unmSglich anders als dureh einen Druekreiz der Cystenfltissigkeit auf die Wurzeln entstanden erklaren.

1) Beitri~ge zur Pathologie und Therapie der Riickenmarks~umoren. Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 76. 1922.

Beitrag zur Klinik u. Pathologie der cystischen Meningitis des Rfickenmarks. 87

Als ProzeB k~me wohl nur irgendeine Art yon Meningoemye]itis in Betracht. Der myelitische Herd betrifft den Konus und verursacht die stationi~ren Symptome, die l~Ieningitis hat dutch Verwachsungen eine cystenartige Absackung der Meningen gebildet. Die Cyste beginnt unten in der HShe des Zwisehenwirbelraumes des 1. und 2. Lenden- wirbels; yon da nach unten mtissen die l~eningen vollkommen verklebt sein, da wiederholte Punktionen daselbst ergebnislos ausfielen. Die obere Grenze der Cyste li~Bt sich aus der oberen Grenze der Hyperalgesie ersehliel~en; das sofortige Versehwinden der Hyperalgesie nach den Punktionen beweist, dab die Cyste bis zu den obersten Dorsalsegmenten reicht. In der Gegend des Dorsalmarkes kann sieh die Cyste nur entlang der linken Rfickenmarkshi~lfte hinauf erstreckt haben, denn wohl nur auf die Weise ist der Reiz der linksseitigen Dorsalwurzeln ungekiinstelt zu erkl~ren; irgendwo hat die Cyste vielleicht auch einen grSl~eren Teil oder gar die Riiekenmarksperipherie umschlossen, was man aus den doppelseitigen Seitenstrangsymptomen erschliel~en kSnnte. Man kann nicht feststellen, an welcher Stelle der die Querschnittssymptome ver- ursaehende Druck eingewirkt hat, da nahere Lokalsymptome fehlen; doch so viel ist sieher, dab die Stelle oberhalb des Lendenmarkes zu suchen wi~re.

Es ist -- rein mechanisch betrachtet -- nicht recht verstandlich, warum stets nur die obersten Dorsalwurzeln zuerst gereizt wurden; viel- leicht war die Cyste hier nisehenfSrmig ausgebuchtet, so daB sieh der Druck auf das Gewebe leiehter iibertrug oder leichter zu einer Zerrung fiihrte? Jedenfalls hat die Affektion jeden entzfindlichen Charakter -- den sie anfangs wohl hatte -- verloren, denn die entnommene Fliis- sigkeit verhielt sieh wie ein normaler Liquor und enthielt niehts Ent- ziindliches. Deshalb ist aueh jede entziindliehe Grundlage der Hyper- algesie ausgeschlossen, um so mehr, als die Hyperalgesie sofort nach resp. noeh w~hrend der Punktion verschwand.

Soviel ich aus der Literatur ersehen kann, ist in diesem Falle das erstemal eine derartige Cysten/li~ssigkeit einer genauen chemischen Untersuchung unterzogen worden. Die entnommene Fliissigkeit stellt ehemisch bis auf kleine Differenzen -- sie enthielt z. B. keine reduzieren- den Substanzen -- ganz normalen Liquor dar, denn mit Ausnahme des Kammerwassers kommt eine derartig zusammengesetzte Fliissigkeit nur als Cerebrospinalliquor im KSrper vor. Das Sonderbare ist nun da- bei, dab die Cyste yon den iibrigen Subaraehnoidealr~umen ganz ab- geschlossen gewesen ist. Es konnte demnach keine aus dem Araehnoi- dealplexus stammende Fliissigkeit hineingeraten sein, und trotzdem regenerierte sieh in der Cyste die Fliissigkeit immer wieder, ja sie wirkte immer wieder als Druek und behielt sffindig den Liquorcharalcter, resp. sie i~nderte ihre chemisehe Beschaffenheit gar nicht. Das kann nur auf

88 O. Fischer: Beitrag zur Klinik u. Pathologie der eystischen Meningitis usw.

zweierlei Art zustande kommen: Entweder ist es bei der adh~siven Meningitis zu keinem vollkommenen AbsehluB gekommen, sondern es bestanden doch noch kleine Kommunikationen mit den iibrigen Sub- araehnoidealr~umen, nur dab dann ein ventilartiger AbsehluB vorhanden sein rouble, weleher den Liquoreintritt in die Cyste gestattete, den Ausflul3 aber hemmte; oder aber die Cyste ist vollkommen abgesehlossen gewesen; dann miil3te man aber die dem Liquor gleichkommende Fliis- sigkeit als Sekret der NIeningen selber erkl~ren, und welm dies zutr~fe, dann miiBte man annehmen, daB.sieh die Meningen auch unter normalen Umstgnden an der Liquorproduktion beteiligen. Welche yon diesen zwei MSgliehkeiten tatsi~eMich zutrifft, 1Afit sich nicht mit Sicherheit feststellen.

Von klinischem lmteresse ist an dem Falle die Tatsaehe, dab die Seitenstrangsymptome -- und zwar sowohl die Motilit~ts- als auch die SensibilitAtsstSrungen -- trotz ihrer langen Dauer sofort naeh der Punktion beinahe vollkommen verschwanden, ohne daB, wie man sonst anzunehmen geneigt w~re, eine Erholungszeit fiir das Riickenmark nStig gewesen w~re. Man ersieht daraus, daft auch nach einem lang. dauernden Druck au] das Riiclcenmark die normalen Funktionen so[ort nach Au/h6ren der Drucknvirkung eintreten kSnnen.

Weiter ist bemerkenswert, dab in dem Liquor trotz ausgesprochener Druekwirkung auf das Rfickenmark keine Eiweil]vermehrung im Sinne des Nonnesehen Kompressionssyndroms vorhanden war.

Die Lumbalpunktion wurde hier ursprfinglieh nur aus diagnostischen Griinden ausgefiihrt, da es sich um die Frage gehandelt hatte, ob ein Tumor vorhanden ist oder nieht. Der therapeutisehe Effekt der 3. Punk- tion war dann aussehlaggebend fiir das weitere Vorgehen; wit sahen yon einer Operation ab.

Naeh einigen Monaten versehlechterte sieh zwar der Zustand wieder, die Fltissigkeit in der Cyste hat sieh wieder vermehrt, aber dennoeh war uns die etwa zweimal im Jahre zu wiederholende Lumbalpnnl~tion weniger riskant als eine Operation. Uberdies hofften wir, was bisher allerdings nieht eingetreten ist, dab sich mSglicherweise doch eine grSBere Kommunikation ausbilden kSnnte, besonders nachdem bei der 4. Punk- tion so schwere Kopfschmerzen und Brechreiz eintraten, so da]~ man einen Durchbruch in den fibrigen Subarachnoidealraum annehmen duffte.

Die J~tiologie des Falles bleibt unklar, aul3er einem geringfiigigen Trauma (Fallen auf die Brust) ist niehts vorhanden, was eine Stellung- nahme zu dieser Frage gestatten wiirde.