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Bemerkungen 2004 des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein mit Bericht zur Landeshaushaltsrechnung 2002 Kiel, 30. März 2004

Bemerkungen 2004 - Landesrechnungshof Schleswig-Holstein ... · IABV Integriertes automatisiertes Besteuerungs-verfahren ... sich seit dem 01.09.2003 in der Freistellungsphase im

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Bemerkungen 2004

des

Landesrechnungshofs

Schleswig-Holstein

mit Bericht zur

Landeshaushaltsrechnung 2002

Kiel, 30. März 2004

Inhaltsverzeichnis Seite

Einleitung

1. Allgemeines 9

2. Entlastung des LRH 11

3. Besondere Prüfungsfälle und Sonderberichte 11

Bericht zur Landeshaushaltsrechnung

4. Entlastung der Landesregierung für das Haushaltsjahr 2001 18

5. Abschluss der Haushaltsrechnung 2002 18

6. Umstellung des Rechnungswesens auf SAP R/3 24

7. Feststellungen zur Haushaltsrechnung 2002 54

8. Aktuelle Haushaltslage des Landes 102

9. Neben- und Schattenhaushalte des Landes 123

Allgemeines

10. Stellenentwicklung in der Landesverwaltung 131

11.

Querschnittsprüfung Öffentlichkeitsarbeit des Landtages und der Landesregierung - Veranstaltungen und Verfügungsmittel

141

Innenministerium

12. Aus- und Fortbildung in der Feuerwehr 159

13.

Beschaffung, Instandhaltung und Betrieb von landeseigenen Wasserfahrzeugen 170

Finanzministerium

14.

Organisation und Aufgabenstellung der Prüfgruppe Land beim Landesbesoldungsamt 177

15. Anrechnung von Renten auf Versorgungsbezüge 180

16.

Arbeitsweise in den gewerblichen Veranlagungsstellen der Finanzämter, Umsetzung der GNOFÄ 1997 182

17.

Beschaffung von Geräten der Informations- und Kommunikations- technik in den Monaten November und Dezember 2002 193

18. Vorbereitung auf die Einführung von FISCUS 204

19. Beseitigung des Bauunterhaltungsstaus durch die GMSH 214

20. Bewirtschaftung öffentlicher Liegenschaften durch die GMSH 227

Seite

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

21. Ausbau des Flugplatzes Kiel-Holtenau 237

Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur

22.

Instandhaltung technischer Anlagen und Einrichtungen beim Universitätsklinikum Schleswig-Holstein 252

23. Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik der Universität Flensburg 260

24. Freie Waldorfschulen 272

25. Schleswig-Holsteinisches Institut für Friedenswissenschaften 286

26.

Förderung der Museumsarbeit und Ausstellungstätigkeit nichtstaatlicher Museen 295

Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie

27.

Zuwendungen an Träger der Jugend- und Straffälligenhilfe sowie Ausgaben für Therapiemaßnahmen und für die Schuldnerberatung in den Justizvollzugsanstalten 304

Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz

28. Schuldnerberatungsstellen 311

Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft

29.

Ausübung der Fachaufsicht durch das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft 320

30. Grundwasserentnahmeabgabe 329

Juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts

31.

Auswahl des SAP-Verfahrens in vom Land getragenen Einrichtungen und Gesellschaften 341

Rundfunkangelegenheiten

32.

Förderung der technischen Infrastruktur für die terrestrische Versorgung des Landes durch die Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien 347

33. Norddeutscher Rundfunk 354

Abkürzungsverzeichnis

LRH Landesrechnungshof Schleswig-Holstein Bildungsministerium Kultusministerium Wissenschaftsministerium

Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur

Jugendministerium Justizministerium

Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie

Sozialministerium Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz

Landwirtschaftsministerium Umweltministerium

Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft

Verkehrsministerium Wirtschaftsministerium

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

ABAP Advanced Business Application Programming (Programmiersprache)

ABl. EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ADV Automatisierte Datenverarbeitung AG Arbeitsgruppe AH-GF Allgemeine Hinweise zum Gruppierungsplan

und zum Funktionenplan AIT Amt für Informationstechnik AK Arbeitskreis ALR / ÄLR Amt / Ämter für ländliche Räume AMEV Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik

staatlicher und kommunaler Verwaltungen Amtsbl. Schl.-H. Amtsblatt Schleswig-Holstein ANBest-P Allgemeine Nebenbestimmungen für

Zuwendungen zur Projektförderung AO Abgabenordnung AöR Anstalt des öffentlichen Rechts ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen

Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland

Art. Artikel AWT Automatische Warentransport-Anlage BAT Bundes-Angestelltentarifvertrag BBesG Bundesbesoldungsgesetz BeamtVG Beamtenversorgungsgesetz BEZ Bundesergänzungszuweisung BFQG Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungs-

gesetz BGBl. Bundesgesetzblatt BIAT Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik BIP Bruttoinlandsprodukt BK Baukosten BNK Baunebenkosten BrSchG Brandschutzgesetz

BSHG Bundessozialhilfegesetz BStBl Bundessteuerblatt BVerfG / BVerfGE Bundesverfassungsgericht /

Bundesverfassungsgerichtsentscheidung CAFM Computer Aided Facility Management CAU Christian-Albrechts-Universität zu Kiel DAB Digital Audio Broadcasting DINO Digital Nord Private Hörfunkanbieter GmbH DLR DeutschlandRadio DRN Digital Radio Nord GmbH ECMI European Center of Minority Issues EFRE Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung EOSS Evolutionär orientierte Steuersoftware Epl. Einzelplan FISCUS Förderales integriertes standardisiertes

computerunterstütztes Steuerungssystem FH Fachhochschule FMK Finanzministerkonferenz FraktionsG Fraktionsgesetz FSC Fujitsu Siemens Computers GA Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der

regionalen Wirtschaftsstruktur“ GBV Geschäftsbesorgungsvertrag GG Grundgesetz GMSH Gebäudemanagement Schleswig-Holstein GMSHG Gesetz über die Errichtung der Gebäude-

management Schleswig-Holstein GNOFÄ Grundsätze zur Organisation der Finanzämter

und Neuordnung des Besteuerungsverfahrens GoBS Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter

Buchführungssysteme Gr. / HGr. / OGr. Gruppe / Hauptgruppe / Obergruppe GruWAG Grundwasserabgabengesetz GuB Genehmiger und Bucher GVFG Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz GVOBl. Schl.-H. Gesetz- und Verordnungsblatt Schleswig-

Holstein GW Grundwasser HGrG Haushaltsgrundsätzegesetz HKR Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen HKR-ADV-Best Bestimmungen über den Einsatz von automa-

tisierten Verfahren im Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen

HLU Hilfen zum Lebensunterhalt HNF Hauptnutzfläche HOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure HSG Hochschulgesetz HSP Hochschulsonderprogramm

IABV Integriertes automatisiertes Besteuerungs-verfahren

IB Investitionsbank Schleswig-Holstein i. d. F. d. in der Fassung der / des i. d. R. in der Regel IHS Instandhaltungsstau IKS Internes Kontrollsystem InsO Insolvenzordnung IR Innenrevision i. S. im Sinne ISA Internationale Sommerakademie IT Informationstechnik IuK Informations- und Kommunikationstechnik i. V. m. in Verbindung mit Kap. Kapitel K.E.R.N.-Region Kiel, Eckernförde, Rendsburg, Neumünster KFG Kieler Flughafengesellschaft mbH KMK Kultusministerkonferenz LAG Landesarbeitsgemeinschaft der Freien

Waldorfschulen in Schleswig-Holstein LANU Landesamt für Natur und Umwelt LBesA Landesbesoldungsamt LBK Landesbezirkskasse LEG Landesentwicklungsgesellschaft mbH LFA Länderfinanzausgleich LHO Landeshaushaltsordnung LNatSchG Landesnaturschutzgesetz LRG Landesrundfunkgesetz LV Verfassung des Landes Schleswig-Holstein LVS Lehrveranstaltungsstunden LVSH Liegenschaftsverwaltung Schleswig-Holstein LVVO Lehrverpflichtungsverordnung LVwG Landesverwaltungsgesetz LWG Landeswassergesetz MB Mittelbewirtschaftung MFG a. F. / n. F. Mittelstandsförderungsgesetz alte Fassung /

neue Fassung MG Maßnahmegruppe MTOW Maximum Take-Off-Weight MVSH Museumsverband Schleswig-Holstein e. V. NDR Norddeutscher Rundfunk NOVA Neuorientierung des Veranlagungsbereichs ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr OFD Oberfinanzdirektion

PFK Projektverbund Friedenswissenschaften Kiel POL Prüfungsordnung Lehrkräfte RStV Rundfunkstaatsvertrag SAP R/3 - IS-PS Industry Solution-Public Sector SCHIFF Schleswig-Holsteinisches Institut für

Friedenswissenschaften SchulG Schulgesetz SGB Sozialgesetzbuch SH AbgG Schleswig-Holsteinisches Abgeordneten-

gesetz S/L-Bahn Start- und Landebahn SS Sommersemester StUÄ Staatliche Umweltämter SWS Semesterwochenstunden T€ Tausend Euro TG Titelgruppe UKK Universitätsklinikum Kiel UKL Universitätsklinikum Lübeck UK SH Universitätsklinikum Schleswig-Holstein ULR Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk

und neue Medien UNIFA Universeller Arbeitsplatz im Finanzamt UVP Umweltverträglichkeitsprüfung UWB Untere Wasserbehörde VgV Vergabeverordnung VOF Verdingungsordnung für freiberufliche

Leistungen VOL Verdingungsordnung für Leistungen VE Verpflichtungsermächtigung VerfGH Verfassungsgerichtshof VN Verwendungsnachweis VV Verwaltungsvorschriften WaFIS Wasserwirtschaftliches Fachinformations-

system WRRL EU-Wasserrahmenrichtlinie WS Wintersemester WSG Wasserschutzgebiet ZIAF Zahlstellenintegriertes Verwaltungs- und

Kontroll-System Agrar-Förderung

9

Einleitung

1. Allgemeines

1.1 Bedeutung und Inhalt der Bemerkungen Nach Art. 56 Abs. 5 der Landesverfassung (LV) hat der Landesrech-nungshof Schleswig-Holstein (LRH) das Ergebnis seiner Prüfungen jähr-lich gleichzeitig dem Landtag und der Landesregierung zu übermitteln. Um diese zeitnahe Information zu gewährleisten, stimmt der LRH die Bemer-kungsbeiträge teilweise noch während der laufenden Stellungnahmefristen zu den ausführlichen Prüfungsmitteilungen mit den geprüften Stellen ab. Das zusammengefasste Prüfungsergebnis ist in den Bemerkungen des LRH enthalten. Auf diese Informationen des unabhängigen Verfassungsorgans LRH ist ins-besondere der Landtag angewiesen. Die Bemerkungen bilden neben der Haushaltsrechnung des Finanzministeriums und dem (jeweils zusammen mit den Bemerkungen veröffentlichten) Bericht des LRH zur Haushalts-rechnung die Grundlage für die Entscheidung des Parlaments über die Entlastung der Landesregierung (Art. 55 Abs. 2 LV). Da sich die Bemerkungen nicht auf ein bestimmtes Haushaltsjahr bezie-hen (§ 97 Abs. 3 LHO), berichtet der LRH in den Bemerkungen überwie-gend über aktuelle Prüfungsergebnisse, um dem Landtag Gelegenheit zu geben, rechtzeitig Konsequenzen aus finanzwirksamen Vorfällen zu zie-hen.

1.2 Zusammensetzung des Senats Der Senat des LRH war im Zeitpunkt der Beschlüsse über die Bemerkun-gen 2004 wie folgt besetzt: Vizepräsident Klaus Qualen Ministerialdirigent Dr. Ulrich Eggeling Ministerialdirigent Claus Asmussen Ministerialdirigent Dieter Pätschke Die Abteilungsleiterin 2, Frau Ministerialdirigentin Siebenbaum, befindet sich seit dem 01.09.2003 in der Freistellungsphase im Rahmen einer Sab-batjahrregelung. Über den Inhalt der Bemerkungen entscheiden die Mitglieder des LRH kol-legial als Senat. Den Vorsitz im Senat führt der Präsident, im Hinderungs-

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fall vertritt ihn der Vizepräsident. Wegen der bisher nicht erfolgten Nach-besetzung der Stelle des Präsidenten nimmt der Vizepräsident diese Ver-tretung seit dem 01.02.2003 wahr. Der LRH bedauert, dass die Ministerpräsidentin auch über ein Jahr nach dem Ausscheiden des ehemaligen Präsidenten noch keinen konsensfähi-gen Vorschlag für seine Nachfolge unterbreiten konnte. Er appelliert drin-gend an Landesregierung und Parlament, das Präsidentenamt nunmehr zügig zu besetzen. Gerade in Zeiten leerer öffentlicher Kassen braucht der Landtag ebenso wie die Landesregierung die kritische und kompetente Unterstützung des LRH. Die Zahl der „Sparkommissare“ zu reduzieren, ist ein Sparen an der falschen Stelle. Vor diesem Hintergrund sind die überproportionale Budgetkürzung beim LRH und die Entscheidung, eine Senatsstelle zu streichen, sowohl fiska-lisch als auch politisch das falsche Signal.

1.3 Prüfungsverfahren Das Prüfungsverfahren gliedert sich in verschiedene Arbeitsphasen. Es beginnt mit der Arbeitsplanung und endet mit der Mitteilung des Prüfungsergebnisses an die zuständige Stelle (§ 96 LHO) und der anschließenden Erwiderung und Erörterung des Prüfungsergebnisses bzw. mit dem als Bemerkungen bezeichneten Bericht an den Landtag (§ 97 LHO). Die Entwürfe der Bemerkungsbeiträge sind den zuständigen Ministerien jeweils zuvor zur Stellungnahme zugeleitet worden. Falls Er-gänzungen zu den Sachverhalten oder abweichende Auffassungen vorge-tragen worden sind, kommt dies in den Bemerkungen zum Ausdruck. Der LRH kann keine Weisungen erteilen, seine nicht justiziablen Prü-fungsergebnisse zu vollziehen. Er sucht deshalb den Dialog mit den ge-prüften Stellen und Aufsichtsbehörden, um durch Argumente zu überzeu-gen. In diesem Zusammenhang präsentiert und erläutert der LRH bei Be-darf auch der Öffentlichkeit seine Bemerkungen, Sonderberichte und Gut-achten im Rahmen von Pressekonferenzen, Pressemitteilungen und Inter-views. Der LRH ist ein unabhängiges Verfassungsorgan. Seine Mitglieder genie-ßen den Schutz richterlicher Unabhängigkeit. Einflussnahmen und Einwir-kungen auf seine Tätigkeit durch Parlament oder Regierung sind mit Art. 57 Abs. 1 Satz 2 LV unvereinbar. Dennoch hat es in der jüngsten Vergangenheit vermehrt Versuche gege-ben, den LRH in seiner verfassungsrechtlich geschützten Unabhängigkeit

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und in seiner Wirkkraft zu schwächen. Anlass dafür waren häufig diejeni-gen Prüfungsberichte des LRH, die aufgrund ihrer besonderen Bedeutung und Reichweite ein breites Öffentlichkeitsinteresse fanden. Der wiederhol-te Vorwurf der politisch Verantwortlichen, der LRH mische sich damit in die Politik ein, geht fehl. Zukunftsorientierte Finanzkontrolle ist nicht nur Kon-trolle des Haushaltsvollzugs, sondern insbesondere auch Hilfe zur gegen-wartsnahen Haushaltsgestaltung. Damit bewegt sich der LRH zwangsläu-fig im unmittelbar politischen Raum. Der LRH ist berechtigt, eigenverantwortlich und unabhängig von Dritten die Öffentlichkeit und die Presse über seine Prüfungsergebnisse zu infor-mieren. Der Zugang des LRH zur Öffentlichkeit ist ein wichtiges Element des demokratischen Staatsgefüges.

2. Entlastung des LRH

Die Rechnung des LRH wird vom Landtag geprüft, der auch über die Ent-lastung beschließt (§ 101 LHO). Der Landtag hat dem LRH am 12.11.2003 einstimmig Entlastung für die Haushaltsjahre 2000 und 2001 erteilt.1

3. Besondere Prüfungsfälle und Sonderberichte

3.1 Besondere Prüfungsfälle

3.1.1 Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2004/2005 Der LRH hat am 28.10.2003 im Rahmen seiner Beratungsfunktion dem Finanzausschuss eine Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2004/2005 und zur Finanzlage des Landes vorgelegt.2 Sie macht deutlich, dass sich das Land Schleswig-Holstein ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland in der schwersten Finanzkrise seiner Ge-schichte befindet. Vor allem die bislang unzureichende Haushaltskonsoli-dierung, aber auch die stagnierende wirtschaftliche Entwicklung haben hierzu beigetragen. Auf hinter den Erwartungen zurückbleibende Einnah-men wurde nicht ausreichend reagiert. Stattdessen wird die Staatsver-schuldung in unvertretbarer Weise ausgeweitet. Seit Jahren weist der LRH darauf hin, dass das Land über seine Verhältnisse lebt.

1 Landtagsdrucksache 15/2917 vom 18.09.2003; Plenarprotokoll 15/98, S. 7556. 2 Veröffentlichungen des LRH sind abrufbar unter: www.lrh.schleswig-holstein.de.

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Eine überzeugende Begründung dafür, weshalb die Landesregierung ge-rade in diesen unsicheren Zeiten „ausnahmsweise“ einen Doppelhaushalt vorlegt, fehlt. Der Zeitpunkt für die Einführung eines Doppelhaushalts für die Jahre 2004 und 2005 ist denkbar ungeeignet, um dessen Wirkung zu erproben. Den äußerst optimistischen Einnahmeerwartungen der Landesregierung stehen tatsächliche Ausgabensteigerungen und globale Minderausgaben in erheblichem Maße gegenüber. Damit werden die Haushaltsrisiken wei-ter erhöht. Der LRH wird dennoch nicht müde, die notwendigen Konsoli-dierungs- und Sparmaßnahmen anzumahnen.

3.1.2 Investitionsbegriff und verfassungsmäßige Grenze für die Kreditauf- nahme

Der LRH hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit der Definition der Kreditobergrenze und insbesondere des Investitionsbegriffs befasst.1 Des Öfteren thematisierte auch der Finanzausschuss des Schleswig-Holstei-nischen Landtages die Frage einer Neufassung der die Kreditaufnahme begrenzenden Regelungen und hatte den LRH gebeten, Anregungen und Vorschläge zu erarbeiten. In seiner Vorlage2 für den Finanzausschuss stellt der LRH neben den der-zeit geltenden Kreditbegrenzungsregeln auch neuere wissenschaftliche Ansätze zur langfristigen Begrenzung der Kreditaufnahme der öffentlichen Haushalte vor, die bereits in der öffentlichen Diskussion stehen - nämlich die Generationenbilanzierung und das Konzept der nachhaltigen Finanz-politik. Diese Konzepte unterscheiden sich von den bisherigen Begren-zungsregelungen insbesondere in ihrer langfristigen Betrachtung. Die Ge-nerationenbilanzierung zielt darauf ab, Umverteilungswirkungen der Fi-nanzpolitik zwischen Generationen zu ermitteln und Aussagen über die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu machen. Sie bedient sich eines Modells, das auf Generationenkonten für jeden Jahrgang und deren Fortschreibung aufbaut. Demgegenüber geht die nachhaltige Fi-nanzpolitik von der Betrachtung der jährlichen Finanzierungsdefizite der öffentlichen Haushalte aus. In konjunkturellen Normallagen sind nach die-sem Konzept Primärüberschüsse zu erzielen, die dazu dienen sollen, die Staatsschuld zurückzuführen. In der langfristigen Betrachtung ist von einer nachhaltigen Finanzpolitik zu sprechen, wenn der Gegenwartswert aller Primärüberschüsse der gegenwärtigen Staatsschuld entspricht.

1 Insbesondere in den Bemerkungen 1994 des LRH, Nr. 8.3, Bemerkungen 1997 des LRH,

Nr. 8.8, Bemerkungen 1999 des LRH, Nr. 7.15.1, und Bemerkungen 2000 des LRH, Nr. 10.3.2.

2 Schreiben des LRH vom 13.01.2004, Umdruck 15/4129 - veröffentlicht unter: www.lrh.schleswig-holstein.de.

13

Ungeachtet dieser neueren Ansätze für eine Begrenzung der Schulden-aufnahme hat der Haushaltsgesetzgeber die geltenden verfassungsmäßi-gen Kreditbegrenzungsregeln in Art. 115 GG bzw. Art. 53 LV zu beachten. Der LRH zeigt auf, welche Probleme und Lösungswege bei der Auslegung und Anwendung des Investitionsbegriffs und der Verfassungsgrenze für die Neuverschuldung bestehen. Nach Auffassung des LRH sollten nicht nur gesamtwirtschaftliche sondern stärker auch betriebswirtschaftliche Überlegungen bei der Kreditaufnahme berücksichtigt werden. Z. B. sollte die Kreditaufnahme auf die Nettoinvestitionen begrenzt, Erlöse aus der Veräußerung von i. d. R. kreditfinanziertem Vermögen nur zur Schulden-reduzierung eingesetzt und die Wertgrenze für über Kredite finanzierbare Investitionen erhöht werden. Der LRH schlägt auch vor, dass die Kredit-obergrenze sowohl bei der Haushaltsaufstellung als auch im Haushalts-vollzug gelten sollte. Weiterhin rät er, in § 18 LHO zu regeln, dass nur die sog. eigenfinanzierten Investitionen in die Kreditobergrenze eingerechnet werden dürfen. Bei Anwendung dieser Abgrenzungen - und darauf hat der LRH in der Ver-gangenheit mehrfach hingewiesen - wäre die Kreditobergrenze auch bei Aufstellung des Haushalts de facto schon seit Jahren überschritten wor-den. Die derzeitige dramatische finanzielle Situation darf nicht daran hin-dern, das richtige Ziel der Rückführung der Kreditaufnahme und der Kre-ditaufnahmemöglichkeiten zu verfolgen. Hierzu gibt es aus Sicht des LRH derzeit keine Alternative. Das Finanzministerium teilt die Sorgen des LRH über die Höhe der Staatsverschuldung und sieht alle öffentlichen Haushalte aufgefordert, die Verschuldung mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne Neuver-schuldung zurückzuführen. Allerdings wendet das Finanzministerium ein, zum Ausgleich der dann drastisch niedrigeren Kreditobergrenze wären hö-here Steuereinnahmen und/oder kräftige Ausgabenkürzungen erforderlich. Beides sei politisch nicht umsetzbar.1 Da das Finanzministerium in der Vergangenheit bis 2001 stets bemüht war, die verfassungsmäßige Kreditobergrenze - wenn auch mit all ihren beschriebenen Mängeln - einzuhalten, hätte eine engere Auslegung des Investitionsbegriffs den Finanzminister in der Vergangenheit dabei unter-stützen können, die Netto-Kreditaufnahme zu bremsen. Der Finanzausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat die Stellungnahmen des LRH und des Finanzministeriums intensiv diskutiert und beabsichtigt, das Thema weiterzuverfolgen.

1 Schreiben des Finanzministeriums an den Finanzausschuss vom 30.01.2004, Umdruck

15/4183.

14

3.1.3 Jugendbildungsstätte Mözen Durch eine Schenkung wurde dem Land Schleswig-Holstein im Jahr 1951 eine Liegenschaft in Mözen übertragen. Diese Liegenschaft ist einem Ju-gendverband zur Nutzung als Jugendbildungsstätte vertraglich überlassen worden. Auf Bitte des Ministeriums für Justiz, Frauen, Jugend und Familie (Ju-gendministerium) hat der LRH für diese Jugendbildungsstätte die Möglich-keit einer Überführung in eine Stiftung geprüft. Anhand eines Nutzungs- und Ausbaukonzepts des Jugendverbands untersuchte der LRH die lang-fristige Sicherstellung einer wirtschaftlichen Betriebsführung. Ohne Zuwendungen und die Übernahme der Bauunterhaltung durch das Land kann die Bildungsstätte trotz des geplanten Ausbaus nicht wirtschaft-lich betrieben werden. Die strengen Anforderungen, die an die Gründung einer bürgerlich-rechtlichen Stiftung zu stellen sind, werden insbesondere durch die unzureichende Kapitalausstattung nicht erfüllt. Der LRH hat dem Jugendministerium empfohlen, die Förderung einzustel-len und den Nutzungsvertrag zu kündigen. Sofern der Jugendverband die Bildungsstätte weiterhin für Zwecke der Jugendarbeit nutzen soll, hält der LRH die Übertragung der Liegenschaft auf den Jugendverband für sinn-voll. Hierzu könnte eine unselbstständige Stiftung unter der Treuhänder-schaft des Jugendverbands im Einvernehmen mit dem ursprünglichen Eigentümer errichtet werden. Das Jugendministerium teilt die Auffassung des LRH, dass die Liegen-schaft Mözen zu den bisherigen Bedingungen nicht mehr fortgeführt wer-den kann. Um jedoch alle in Betracht kommenden Lösungsmöglichkeiten sorgfältig und ohne Zeitdruck klären zu können, hält das Jugendministe-rium es für notwendig, die Förderung zunächst fortzusetzen. Es gehe da-von aus, dass im Jahr 2004 ein wirtschaftlich tragfähiges und jugendpoli-tisch befriedigendes Konzept vorgelegt werde. Außerdem habe es den Ju-gendverband aufgefordert, im ersten Halbjahr 2004 zu prüfen, ob die Lie-genschaft in eine unselbstständige Stiftung des Jugendverbands überführt werden kann. Sollte es nicht gelingen, eine wirtschaftlich tragfähige Lösung zu finden, erwägt es die Rückübertragung der Liegenschaft.

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3.1.4 Kommunalbericht Mit dem Kommunalbericht 2003 hat der LRH nach 1999 und 2001 einen dritten gesonderten Bericht über seine Prüfungstätigkeiten im kommunalen Bereich und die daraus gewonnenen Erkenntnisse von übergeordneter und allgemeiner Bedeutung veröffentlicht.1 Neben einer Fortschreibung der Analyse der kommunalen Finanzlage der-jenigen Kommunen, die der unmittelbaren Prüfung durch den LRH unter-liegen (Kreise, kreisfreie Städte, kreisangehörige Städte über 20.000 Ein-wohner), befasst sich der Bericht auch mit mehreren Problembereichen auf dem Gebiet der Sozialen Sicherung, die in einem unmittelbaren Zu-sammenhang mit den Belastungen der kommunalen Haushalte stehen. Der Kommunalbericht enthält außerdem zwei Beiträge, die Erkenntnisse aus dem kreisangehörigen Bereich berücksichtigen. Die Beiträge „Kom-munale Versicherungen“ und „Auswirkungen der Budgetierung“ beruhen auf gemeinsamen Prüfungen des LRH mit den Gemeindeprüfungsämtern der Kreise. Abgerundet wird der Kommunalbericht durch einen Ausblick auf die aktuelle landes- und kommunalpolitische Diskussion zum Thema „Verwaltungsstrukturreform“, zu deren Durchführung der LRH eine grund-legende Konzeption anmahnt.

3.1.5 Verwaltungsstrukturen und Zusammenarbeit im kreisangehörigen Bereich

Angesichts der breiten landes- und kommunalpolitischen Diskussion zum Thema „Verwaltungsstrukturreform“ hat der LRH eine Prüfung der Verwal-tungsstrukturen und Zusammenarbeit im kreisangehörigen Bereich durch-geführt und seine Erkenntnisse im Dezember 2003 gesondert veröffent-licht.2 Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass viele verschiedene Formen der Zu-sammenarbeit genutzt werden, von Zweckverbänden über öffentlich-rechtliche Vereinbarungen und Verwaltungsgemeinschaften bis hin zu pri-vatrechtlichen Kooperationen. Ihre Gesamtzahl erscheint zunächst positiv. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass es sich vielfach eher um Einzelfelder gemeinsamer Aufgabenerledigung handelt. Eine umfas-sende Verwaltungskooperation findet dagegen kaum statt. Insbesondere ist der LRH der Frage nachgegangen, ob größere oder klei-nere Verwaltungseinheiten wirtschaftlicher arbeiten und welche Synergie-effekte durch den Zusammenschluss hauptamtlicher Verwaltungen entste-

1 Veröffentlichungen des LRH sind abrufbar unter: www.lrh.schleswig-holstein.de. 2 Vgl. Fußnote 1.

16

hen. Die Untersuchung hat ergeben, dass sich die Personalausgaben erst ab einer Größenordnung von 9.000 bis 10.000 Einwohnern auf eine so breite Einwohnerbasis verteilen, dass es zu nachhaltig günstigeren Durch-schnittskosten kommt. Der LRH hält neue Leitlinien der Landesregierung für unverzichtbar. Darin sollte die Mindestgröße für Ämter auf 6.000 Einwohner und die anzustre-bende Optimalgröße auf 9.000 Einwohner und größer festgesetzt werden. Entsprechendes sollte auch für die amtsfreien Städte und Gemeinden ge-regelt werden. Die jeweilige Mindest- bzw. Optimalgröße kann durch die Zusammenlegung hauptamtlicher Verwaltungen - ohne Gebietsreform - er-reicht werden. Angesichts der Tatsache, dass sich in den letzten 30 Jahren auf freiwilliger Basis keine grundlegenden Änderungen der Verwaltungsstrukturen erge-ben haben, ist nicht zu erwarten, dass hier ein flächendeckender Umden-kungsprozess stattfindet. Deshalb wird es auf der Basis der geforderten neuen Leitlinien, verbunden mit finanziellen Anreizmodellen und nach einer befristeten Freiwilligkeitsphase, unumgänglich sein, auch gesetz-geberische Maßnahmen einzuleiten. Nur auf diesem Wege wird man nach den Erkenntnissen des LRH zu deutlich effektiveren und effizienteren kommunalen Verwaltungsstrukturen gelangen. Die kommunalen Körperschaften haben es mit einer starken Eigeninitiative in Richtung umfassender Verwaltungszusammenschlüsse noch selbst in der Hand, den Inhalt, die Ausrichtung und den Umfang etwaiger gesetzge-berischer Maßnahmen maßgeblich mitzubestimmen. Die Vorschläge des LRH haben breite Resonanz gefunden und die landes- und kommunalpolitische Diskussion in besonderem Maße beflügelt.

3.1.6 Aufgabe der Landesbeteiligung am LEG-Konzern Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat am 19.06.2003 den Verkauf der Anteile des Landes an der LEG Immobiliengesellschaft mbH an die HSH Nordbank AG sowie die Ausgliederung des Aufgabengebiets Regional-entwicklung und Gründung einer GmbH unter Beteiligung des Landes de-battiert und den LRH gebeten, das Wertgutachten und die Vertragsentwür-fe im Hinblick auf die Wahrung der Landesinteressen zu beurteilen. Der LRH ist dem Ersuchen nachgekommen und hat mit Schreiben vom 18.08.2003 zum Vorhaben insgesamt Stellung genommen.

17

Wie bereits bei der Teilprivatisierung des LEG-Konzerns im Jahre 20011 befürwortete der LRH weiterhin eine Vollprivatisierung, d. h. Veräußerung der verbliebenen Landesanteile in Höhe von 50,07 %. Die gewerbliche Geschäftstätigkeit einschl. der Vermietung von Wohnungen stellt im heuti-gen Wirtschaftsumfeld keine wichtige Landesaufgabe dar. Die Umsetzung landesentwicklungspolitischer Konzepte ist auch mit privaten Investoren möglich. § 10a Landesplanungsgesetz sollte insoweit geändert werden. Eine Vollprivatisierung bereits im Jahr 2001 hätte die mit der Teilprivatisie-rung verbundenen Bewertungsabschläge vermieden und kein weiteres Preisermittlungsverfahren im Jahr 2003 und auch nicht die daraus folgen-den Diskussionen um einzelne Bewertungssachverhalte ausgelöst. Der LRH hat empfohlen, von einer Beteiligung des Landes, d. h. einem Rückerwerb von Anteilen an der für Regionalentwicklung zukünftig zu-ständigen LEG Schleswig-Holstein Entwicklung GmbH abzusehen. Die neue Gesellschaft befindet sich mit ihrem Geschäftsfeld und einer regiona-len Ausrichtung auf Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein im harten Wettbewerb. Auch der private Mitgesellschafter ist auf verwandten Märkten erwerbswirtschaftlich tätig. Hohe unternehmerische Risiken sowie die Notwendigkeit eines bedeutenden finanziellen Engage-ments des Landes in Höhe von 13,6 Mio. € sprachen für den Verzicht auf eine Beteiligung des Landes. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat am 24.09.2003 der Veräußerung der Landesanteile an der LEG Immobiliengesellschaft an die HSH Nord-bank AG zu einem Preis von 105 Mio. € zugestimmt und die Landesregie-rung aufgefordert, von der vorgesehenen Option zum Rückerwerb der LEG Schleswig-Holstein Entwicklung GmbH keinen Gebrauch zu machen sowie dem Landtag einen Entwurf zur Änderung des § 10a Landespla-nungsgesetz zuzuleiten. Die für den Erwerb der Beteiligung ansonsten notwendigen Mittel in Höhe von 13,6 Mio. € konnten somit eingespart werden.

3.1.7 Nicht erledigter Sonderbericht gem. § 99 LHO - Maßnahmen zur Deckung des Personalbedarfs an öffentlichen Schulen

Der zum Schuljahr 2001/02 veröffentlichte Sonderbericht über „Maßnah-men zur Deckung des Personalbedarfs an öffentlichen Schulen“ ist nach wie vor noch nicht parlamentarisch behandelt worden. Darauf hat der LRH bereits in seinen Bemerkungen 2002, Nr. 4.2.1, hingewiesen.

1 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 4.1.1, S. 11 f.

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Bericht zur Landeshaushaltsrechnung

4. Entlastung der Landesregierung für das Haushaltsjahr 2001 Der Landtag hat der Landesregierung am 12.11.2003 gem. Art. 55 Abs. 2 Landesverfassung (LV) die Entlastung für das Haushaltsjahr 2001 (Plenar-protokoll 15/98, S. 7558) erteilt.

5. Abschluss der Haushaltsrechnung 2002

5.1 Nach Umstellung der dezentralen Mittelbewirtschaftung und der Buch-

führung auf das Verfahren SAP R/3 - Branchenlösung IS-PS1 - am 01.10.2001 wurde erstmals der Jahresabschluss 2002 mit diesem Ver-fahren erstellt. Der Jahresabschluss 2001 wurde noch mit dem zwischen-zeitlich abgelösten zentralen HKR2-Verfahren durchgeführt. Der LRH stellt im Folgenden zunächst den so vom Finanzministerium erstellten Abschluss 2002 des Landes dar. Noch vor seiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Abschluss in den Feststellungen zur Landes-haushaltsrechnung (Nr. 7) befasst sich der LRH mit den sich aus der Umstellung ergebenden Problemen sowie mit dem Ergebnis seiner IT-Sicherheitsprüfung und der Prüfung des Berechtigungskonzepts (Nr. 6).

5.2 Die Landesregierung hat dem Landtag zu ihrer Entlastung die gedruckte Haushaltsrechnung 2002 mit der Vermögensübersicht 2002 am 20.11.20033 vorgelegt. Die Gesamtergebnisse der Haushaltsführung sind dargestellt im • kassenmäßigen Abschluss gem. § 82 LHO

(Ist-Ergebnisse ohne Haushaltsreste), • Haushaltsabschluss gem. § 83 LHO

(Ist-Ergebnisse zuzüglich Haushaltsreste) und in der • Gesamtrechnung

(Soll-Ist-Vergleich, Gesamtsummen der Einzelpläne).

5.3 Grundlagen der Haushaltsführung des Landes im Haushaltsjahr 2002 waren • das Haushaltsbegleitgesetz zum Haushaltsplan 2002 (Haushaltsbe-

gleitgesetz 2002 ) vom 12.12.2001,

1 SAP R/3 IS-PS = Industry Solution-Public Sector; im Folgenden SAP-Verfahren genannt. 2 HKR = Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen. 3 Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003.

19

• das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrages zum Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2002 vom 13.12.2002,

• der Haushaltsführungserlass des Finanzministeriums für das Haus-haltsjahr 2002 vom 14.12.2001 und

• der Erlass des Finanzministeriums über den Haushaltsvollzug im Jahr 2002 vom 28.02.2002.

Eine Haushaltssperre gem. § 41 LHO war seit dem 17.05.2002 erlassen. Sie wurde mit Erlassen vom 22.05. und vom 09.07.2002 modifiziert.

5.4 Haushaltsplan einschl. Nachtragshaushalt 2002 weisen insgesamt Einnahmen und Ausgaben von jeweils

9.563.369.000 € sowie Verpflichtungsermächtigungen (VE) von 728.485.000 € aus. Das Haushalts-Soll 2002 nach Vollzug des Haushalts betrug in Einnah-men und Ausgaben 9.570.974.400 €, es erhöhte sich um rd. 201,9 Mio. € oder rd. 2,2 % gegenüber 2001 (9.369,1 Mio. €). Gegenüber dem Haushaltsplan 2002 stieg das im Haushaltsvollzug fortgeschriebene Haushaltssoll um rd. 7,6 Mio. € oder 0,08 %. VE wurden in Höhe von 733.176.000 € bereitgestellt. Die folgende Übersicht stellt die Entwicklung des Haushalts-Solls und der VE dar (in €):

20

Rechtliche Grundlage Einnahmen Ausgaben VE

(1) Haushaltsplan lt. HG 2002 vom 12.12.2001 Nachtragshaushaltsgesetz vom 13.12.2002

9.537.030.600

+ 26.338.400

9.537.030.600

26.338.400

728.485.000

+/-0

Summe veranschlagter Mittel 9.563.369.000 9.563.369.000

728.485.000

(2) Einwilligungen des Finanz- ministeriums in zusätzliche Einnahmen, Ausgaben und VE , die als Änderung des Haushalts-Solls gelten:

§ 7 Abs. 1 HG 2002 + 2.984.400 + 2.984.400 + 4.691.000

§ 7 Abs. 3 HG 2002 + 98.800 + 140.900-42.100

+ 400.000 - 400.000

§ 20 Abs. 2 HG 2002 § 29 Abs. 1 HG 2002

+ 3.579.100+ 943.100

+ 3.579.100+ 1.433.000- 489.900

- - -

Summe Einwilligungen des Finanzministeriums + 7.605.400 + 7.605.400

+ 4.691.000

Haushalts-Soll insgesamt 9.570.974.400 9.570.974.400 733.176.000

5.5 Der kassenmäßige Abschluss gem. § 82 LHO (Ist-Ergebnisse ohne

übertragene Haushaltsreste) war 2002 ausgeglichen.

Die Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben 2002 betrugen 10.200.239.554,93 €. Sie überschritten das Haushalts-Soll des Jahres um rd. 629,3 Mio. € oder rd. 6,6 %. Gegenüber den Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben des Jahres 2001 (9.320,2 Mio. €) haben sie sich um rd. 880,1 Mio. € oder rd. 9,4 % erhöht. Die Steigerung der Einnahmen resultiert insbesondere aus der Zunahme der Zuweisungen und Zuschüsse um 154 Mio. € und der gestiegenen Schuldenaufnahme um 1.259 Mio. €1, denen Steuermindereinnahmen von 245 Mio. €, eine Verringerung der Verwaltungseinnahmen um 194 Mio. € und der Rückgang der Entnahmen aus Rücklagen von 87 Mio. € gegen-überstanden. Die Ausgabensteigerung ergibt sich vorwiegend aus dem Anstieg der Personalausgaben um 103 Mio. €, der sächlichen Verwaltungsausgaben um 30 Mio. €, des Schuldendienstes um 724 Mio. €2, der Zuweisungen und Zuschüsse um 28 Mio. € und der Zuführungen an Rücklagen um 49 Mio. €. Demgegenüber war eine Verminderung der Investitionsaus-gaben um 56 Mio. € zu verzeichnen.

1 Davon entfallen 600,5 Mio. € auf Umschuldungen. 2 Davon entfallen 600,5 Mio. € auf Umschuldungen.

21

Aus der Differenz der Nettoeinnahmen ohne Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft1 von 6.704.850.271,76 € und der Nettoausgaben von 7.816.546.598,16 € ergibt sich ein Finanzierungsdefizit in Höhe von 1.111.696.326,40 €. Dieses wurde durch folgende Finanzierungsmittel gedeckt:

Einnahmen aus Krediten am Kreditmarkt 3.412.766.708,68 €

abzüglich Ausgaben zur Schuldentilgung am Kreditmarkt 2.311.899.219,43 €

Nettokreditaufnahme am Kreditmarkt

1.100.867.489,25 €

zuzüglich Erlöse aus Liegenschafts-übertragungen

15.560.248,- - €

zuzüglich Entnahme aus Rücklagen 67.062.326,49 € abzüglich Zuführung an Rücklagen 71.793.737,34 € mithin abzüglich 4.731.410,85 €

Finanzierungsmittel insgesamt

1.111.696.326,40 €

Das für 2002 erwartete Finanzierungsdefizit2 von 1.162.759.700,- - € wurde um 51.063.373,60 € oder rd. 4,4 % unterschritten, weil die Nettoeinnahmen um 128,2 Mio. €, die Nettoaus-gaben jedoch nur um 77,2 Mio. € stiegen.

5.6 Der Haushaltsabschluss 2002 gem. § 83 LHO weist einen rechnungs-mäßigen Jahresüberschuss von 9.300.017,59 € (2001: Defizit 119.094.777,23 €)

aus.

Er entspricht der Differenz der aus dem Haushaltsjahr 2001 (179,6 Mio. €) und der in das Haushaltsjahr 2003 (167,2 Mio. €) übertragenen Einnahme- und Ausgabereste unter Berücksichtigung der 2002 in Abgang gestellten Einnahme- und Ausgabereste (3,1 Mio. €). Die über die Einnahmereste hinaus verbleibenden nach 2003 zu über-tragenden Ausgabereste ergeben Ende 2002 einen rechnungsmäßigen Gesamtfehlbetrag von 167.186.389,49 € (2001: 179.595.079,64 €).

1 2002 wurden - wie bereits seit 1999 - unentbehrliche Liegenschaften des Landes an die

Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB) veräußert, die diese an die Gebäudemana-gement Schleswig-Holstein Anstalt des öffentlichen Rechts (GMSH) verpachtete und die das Land anmietete. Die Einnahmen des Landes aus der Veräußerung in Höhe von 15,6 Mio. € sind gem. einstweiliger Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17.09.1998 wie Einnahmen aus Kredit zu behandeln.

2 Nach dem Stand Haushaltsplan 2002 einschl. Nachtragshaushalt 2002.

22

5.7 Die Ergebnisse der Haushaltsrechnung 2002 werden in der folgenden Übersicht mit • dem Haushalts-Soll (Ansätze des Haushaltsplans einschl. Soll-Ände-

rungen im Haushaltsvollzug), • dem Gesamt-Soll (Haushalts-Soll zuzüglich aus 2001 übertragene

Reste), • dem kassenmäßigen Ergebnis gem. § 82 LHO und • dem rechnungsmäßigen Ergebnis gem. § 83 LHO nach Einnahme- und Ausgabearten getrennt dargestellt. Die Veranschlagung von Zuschusstiteln (Hauptgruppe (HGr.) 6) in den jeweiligen Kapiteln der Hochschulen und Fachhochschulen berücksichtigt entgegen § 13 LHO bzw. § 10 Haushaltsgrundsätzegesetz nicht mehr die Zuordnung zu den einzelnen Hauptgruppen der Haushaltssystematik. Die Buchungen der Ausgaben werden weiterhin bei den jeweiligen Personal- und Sachtiteln des Haushaltsplans der HGr. 4 und 5 durchgeführt. Damit ergeben sich innerhalb der Ausgabegruppen erhebliche Soll-/Ist-Abwei-chungen1. Der LRH hat die Soll-Zahlen nicht um die Ergebnisse der Hochschulen und Fachhochschulen (insgesamt 219,4 Mio. €) bereinigt.

1 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 9.3.5 und Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 6.6.

Gruppierungs- Bezeichnung Haushalts-Soll 2002 (nach Haushaltsvollzug)

aus 2001 übertragene

Haus-

Rest-abgänge in

2002

Gesamt-Soll 2002 kassenmäßiges Ist 2002

gem. § 82 LHO

nach 2003 zu über-tragende

rechnungs-mäßiges Ist (Gesamt-Ist)

rechnungsmäßiges Mehr/Minder (-) (Spalte 13 - 8)

Haushalts-überschreitungen

Nr. Änderung haltsreste Änderung Anteil Haushalts- gem. § 83gegen- Anteil gegen- reste LHO in % in %

über über des Ist des 2001 2001 2002 Gesamt- Gesamt-

Mio. € in % in % Mio. € Mio. € Mio. € Mio. € in % in % Mio. € Mio. € Mio. € Solls Mio. € Solls1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 170 Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen

Abgaben 5.002,7 -1,4 52,3 0,0 0,0 5.002,7 4.966,1 -4,7 48,7 0,0 4.966,1 -36,6 -0,71 Verwaltungseinnahmen, Einnahmen aus

Schuldendienst und dgl. 478,2 -29,4 5,0 0,0 0,0 478,2 480,0 -28,8 4,7 0,0 480,0 1,9 0,42 Einnahmen aus Zuweisungen und Zuschüssen mit

Ausnahme für Investitionen 923,9 -18,8 9,7 3,3 0,0 927,2 1.115,3 16,1 10,9 3,8 1.119,1 191,8 20,70-2 Fortdauernde Einnahmen 6.404,8 -7,0 66,9 3,3 0,0 6.408,1 6.561,4 -4,2 64,3 3,8 6.565,2 157,1 2,5

31-34 Einnahmen aus Schuldenaufnahmen, aus Zuweisungen und Zuschüssen für Investitionen 3.110,2 32,8 32,5 27,1 5,3 3.132,0 3.559,9 54,1 34,9 22,8 3.582,7 450,7 14,4

35-38 Besondere Finanzierungseinnahmen 56,0 -59,6 0,6 0,0 0,0 56,0 78,9 -51,7 0,8 0,0 78,9 23,0 41,00-3 Gesamteinnahmen 9.571,0 2,2 100,0 30,4 5,3 9.596,1 10.200,2 9,4 100,0 26,6 10.226,8 630,8 6,6

4 Personalausgaben 2.962,0 3,8 30,9 7,6 0,0 2.969,6 3.157,8 3,4 31,0 8,5 3.166,2 196,7 6,6 7,8 0,351-54 Sächliche Verwaltungsausgaben 453,2 7,6 4,7 10,6 0,6 463,2 489,8 6,3 4,8 11,5 501,4 38,2 8,2 2,4 0,5

6 Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse mit Ausnahme für Investitionen 2.730,7 0,1 28,5 40,0 1,6 2.769,1 2.584,6 1,1 25,3 32,6 2.617,3 -151,8 -5,5 30,4 1,1

4,51-54,6 Fortdauernde Ausgaben ohne Ausgaben für den Schuldendienst 6.145,9 2,4 64,2 58,1 2,2 6.201,9 6.232,2 2,6 61,1 52,6 6.284,9 83,0 1,3 40,6 0,7

56-59 Ausgaben für den Schuldendienst 2.708,4 3,9 28,3 0,0 0,0 2.708,4 3.194,5 29,3 31,3 0,0 3.194,5 486,2 18,04-6 Fortdauernde Ausgaben 8.854,3 2,8 92,5 58,1 2,2 8.910,2 9.426,8 10,3 92,4 52,6 9.479,4 569,2 6,4 40,6 0,57 Ausgaben für Baumaßnahmen 143,0 3,4 1,5 12,1 2,2 152,8 148,7 5,6 1,5 12,6 161,4 8,5 5,6 0,0 0,08 Sonstige Ausgaben für Investitionen und

Investitionsförderungsmaßnahmen 620,7 -0,7 6,5 139,8 4,0 756,5 541,1 -10,5 5,3 128,5 669,6 -86,8 -11,5 0,8 0,17+8 Ausgaben für Investitionen und

Investitionsförderungsmaßnahmen 763,7 0,1 8,0 151,9 6,2 909,3 689,8 -7,5 6,8 141,1 831,0 -78,3 -8,6 0,9 0,19 Besondere Finanzierungsausgaben -47,0 1141,2 -0,5 0,0 0,0 -47,0 83,6 163,5 0,8 0,0 83,6 130,6 -278,1 0,8 -1,6

7-9 Einmalige Ausgaben 716,7 -5,6 7,5 151,9 6,2 862,3 773,5 -0,5 7,6 141,1 914,6 52,3 6,1 1,6 0,24-9 Gesamtausgaben 9.571,0 2,2 100,0 210,0 8,4 9.772,5 10.200,2 9,4 100,0 193,8 10.394,0 621,5 6,4 42,2 0,4

Ergebnis 0,0 -179,6 -3,1 -176,5 0,0 -167,2 -167,2 9,3 -5,3

Nachrichtlich:32 Schuldenaufnahme am Kreditmarkt 2.925,8 35,1 2.925,8 3.412,8 58,4 3.412,8 487,0 16,659 Tilgungsausgaben am Kreditmarkt 1.823,8 7,7 1.823,8 2.311,9 48,3 2.311,9 488,1 26,8

Nettokreditaufnahme am Kreditmarkt 1.102,0 133,4 1.102,0 1.100,9 85,0 1.100,9 -1,1 -0,1Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft 16,0 -86,4 16,0 15,6 -86,8 15,6 -0,4 -2,7Nettokreditaufnahme mit Immobiliengeschäft 1.118,0 1.118,0 1.116,4 1.116,4 -1,6

Differenzen zwischen Gesamtzahl und Summe der Teilzahlen entstehen durch unabhängige Rundungen; allen Rechnungen liegen ungerundete Zahlen zugrunde.

Ergebnisse der Haushaltsrechnung 2002

23

24

24

6. Umstellung des Rechnungswesens auf SAP R/3

Das zur Abbildung der kameralen Buchführung eingesetzte Verfahren erfüllt noch nicht alle Anforderungen des staatlichen Rechnungswesens i. S. der gesetzlichen Vorgaben des Landes Schleswig-Holstein. Die mithilfe eines externen Sachverständigen durchgeführte Prüfung der IT-Sicherheit und des Berechtigungskonzepts hat ergeben, dass das verfahrensbezogene Risikopotenzial aufgrund der unzulänglichen landesspezifischen Anpassungen als hoch eingestuft werden muss. Die so in ihrer Sicherheit eingeschränkte Funktionalität des Ver-fahrens hat zur Folge, dass es bei Eingaben von Buchungsdaten nicht zu richtigen, vollständigen, zeitgerechten und nachvollzieh-baren Ergebnissen kommen muss. Damit war die Ordnungsmäßigkeit des auf die Bedürfnisse des Landes eingestellten Verfahrens zum Zeitpunkt der Prüfung nicht gegeben. Der LRH empfiehlt, die festgestellten Verfahrensmängel kurz-fristig zu beseitigen und damit zu einem dauerhaft sicheren SAP-Verfahren zu gelangen.

6.1 Verfahrensstand

Im Juli 1998 hat die Landesregierung die Ablösung des HKR1-Verfahrens für die Mittelbewirtschaftung und die Buchführung des Landes durch das Verfahren SAP R/3 - Branchenlösung IS-PS2 - entschieden. Im September 1999 wurde die Erweiterung um die Teile Kasse, Jahresabschluss sowie Rechnungslegung beschlossen.3 Nach Umstellung der dezentralen Mittel-bewirtschaftung und der Buchführung auf das SAP-Verfahren am 01.10.2001 wurde der Jahresabschluss 2002 erstmals mit diesem Ver-fahren - ohne Unterstützung des abgelösten HKR-Verfahrens4 - erstellt. Das Finanzministerium setzte im Haushaltsjahr 2002 für die kamerale Buchführung sowie die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) einschl.

1 HKR = Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen. 2 SAP R/3 IS-PS = Industry Solution-Public Sector; im Folgenden SAP-Verfahren genannt. 3 Der LRH hat 1999 die Vergabe des Verfahrens geprüft, vgl. Bemerkungen 2000 des

LRH, Nr. 10. Mit dem Ergebnis befasst sich der Zweite Parlamentarische Unter-suchungsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages.

4 Vgl. Nr. 5.1 dieser Bemerkungen.

25

Anlagenrechnung die Software SAP R/3 mit den Modulen IS-PS, FI1, FI-AA2 und CO3 ein. Zum Zeitpunkt der Entscheidung für das SAP-Verfahren stand ein kameralistisches Buchführungssystem von SAP einschl. Jahresabschluss und Rechnungslegung gem. LHO für ein staatliches Rechnungswesen nicht zur Verfügung.4 Dies wurde erst nach Vorlage der seinerzeit vereinbarten Machbarkeitsstudie in enger Zusammenarbeit von SAP, dem Finanzministerium und seinem Berater X entwickelt. Zur Anpassung an die LHO sowie an die Verhältnisse und Anforderungen des Landes wurde das Verfahren u. a. von dem Berater X um mehr als 1.000 eigens hierfür entwickelte Programmbausteine ergänzt. Die erforderlichen landesspezifischen Anpassungen des SAP-Verfahrens weisen noch erhebliche Mängel auf, die es abzustellen gilt. Teile des Gesamtverfahrens erreichen heute noch nicht - wie die folgenden Aus-führungen belegen - den Standard des abgelösten HKR-Verfahrens. Das Finanzministerium führt in seiner Stellungnahme aus, dass das abgelöste HKR-Verfahren eine speziell auf die Anforderungen des Landes zugeschnittene und im Laufe der Jahre optimierte Eigenentwicklung dar-stellte, während es sich beim SAP-Verfahren um ein Standard-Produkt handele. Der Vergleich des SAP-Verfahrens mit dem abgelösten HKR-Verfahren sei unzulässig und in der Argumentationslogik der Bemerkun-gen auch inkonsequent. Der LRH habe die jetzt von ihm durchgeführte Prüfung beim alten HKR-Verfahren nie thematisiert. Aus Sicht des LRH war eine derartige Prüfung nicht erforderlich, gerade weil es sich bei dem alten HKR-Verfahren um ein speziell auf die Belange des Landes abgestimmtes und entwickeltes Verfahren gehandelt hat.

6.1.1 Abbildung der gesetzlichen Vorgaben der LHO Das neue Verfahren erfüllt materiell und in begrifflicher Hinsicht noch nicht vollständig die Ausschreibungsbedingungen des Landes, wonach es eine Buchführung nach den VV zu § 71 LHO5 abbilden soll: • Der LRH sieht § 72 LHO, der die Buchung nach Haushaltsjahren

vorschreibt, bei Buchungen von Zahlungseingängen, die Anfang des

1 FI = Finanzbuchhaltung. 2 FI-AA = Anlagenrechnung. 3 CO = Kostenrechnung. 4 Die bereits existierende Branchenlösung für den kommunalen Bereich erfüllte nicht alle

Anforderungen an ein staatliches Rechnungswesen. 5 VV zu § 71 LHO - Buchführung über Bewirtschaftungsvorgänge und Zahlungen -.

26

neuen Haushaltsjahres dem alten Jahr zugeordnet werden, verletzt. Das Finanzministerium hat den Tagesabschluss 30.12.2002 schwe-bend bis zum 06.01.2003 offen gehalten. Die generelle Buchung von Einzahlungen - bei denen nicht durch gesonderte Zuordnungsmerk-male eine korrekte Zuordnung zum richtigen Kalenderjahr möglich ist - auf das alte Haushaltsjahr widerspricht § 72 LHO1.

• Weiterhin ist das eingesetzte Buchführungsverfahren bislang nicht in

der Lage, das kassenmäßige Gesamtergebnis gem. § 82 LHO und das rechnungsmäßige Gesamtergebnis gem. § 83 LHO2 darzu-stellen. Diese Daten ermittelt das Finanzministerium manuell und stellt sie in der Landeshaushaltsrechnung dar.3 Der LRH erwartet, dass die-se Abschlüsse künftig aus dem Buchführungsverfahren erstellt werden.

• Auch Sprache und Begriffe der LHO und der VV zur LHO finden sich

in dem Verfahren, seinen Beschreibungen und den Anwenderhand-büchern nicht wieder. Hieraus resultieren nach Auffassung des LRH erhebliche Betriebs-risiken, die weit über die Risiken hinausgehen, die üblicherweise mit einer derartigen Verfahrensumstellung verbunden sind.

So werden im SAP-Verfahren − „Titel“ als „Finanzpositionen“, − „Dienststellen“ als „Finanzstellen“, − „Soll-Änderungen“ als „Umkehrbuchungen“, − „Verrechnungen“ als „Erfolgsumbuchungen“ bezeichnet. Verwirrend sind auch die vielfältigen Bezeichnungen für Felder, in denen Datumsangaben abgespeichert werden.

Eine im Rahmen der Vereinbarung nach § 59 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein über die Einführung eines Verfahrens zur integrier-ten Ressourcensteuerung4 vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Untersuchung vom 03.12.2002 bestätigt die hiermit verbundene Be-lastung selbst für sehr routinierte Nutzer des Verfahrens. Nach dem von diesem Gutachter im Zuge seiner Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung gewonnenen Eindruck sind offenbar große Teile der eingesetzten SAP-Funktionen nicht ausgereift und machen die Arbeit umständlich und fehleranfällig.

Sofern das neue Verfahren nicht an das geltende Recht der Buchführung angepasst werden kann, ist das Regelwerk entsprechend zu ändern.

1 Vgl. Nr. 7.2.1 dieser Bemerkungen. 2 Vgl. Nr. 7.2.2 dieser Bemerkungen. 3 Landtagsdrucksache 15/3045 vom 20.11.2003. 4 Amtsbl. Schl.-H. 2001, S. 520.

27

Das Finanzministerium sieht weder die Betriebsrisiken noch die Nicht-einhaltung der gesetzlichen Normen des Landes durch das SAP-Ver-fahren. Der LRH bleibt dennoch bei seiner Auffassung und wird hierin hinsichtlich der Betriebsrisiken durch den Sachverständigen des Landes bestätigt.

6.1.2 Auswertungsmöglichkeiten Hinsichtlich der Auswertungsmöglichkeiten ist das SAP-Verfahren dem früheren Verfahren überlegen. Doch ist das Verfahren komplex und an-spruchsvoll, sodass sinnvolle Ergebnisse nur durch intensive Schulungen und nur von wenigen Mitarbeitern erreicht werden können. Deshalb führen viele Mittelbewirtschafter nach wie vor eine eigene parallele Buchführung in Form von EXCEL-Tabellen, um die Übersicht über die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zu behalten. Durch Schulung und standardi-sierte Auswertungen muss sichergestellt werden, dass diese unwirtschaft-liche Doppelarbeit künftig unterbleibt.1 Das Finanzministerium widerspricht den Ausführungen des LRH. Sicher-lich gebe es umfangreiche Bewirtschaftungskomplexe, für deren Darstel-lung im SAP-Verfahren vertiefende Kenntnisse notwendig seien; dies könne aber nicht für alle und jegliche Bewirtschaftungsmaßnahmen unter-stellt werden. Der LRH sieht sich durch seine Prüfungserfahrungen in seiner Auffassung bestätigt.

6.1.3 Verfügbarkeitskontrolle und Funktion des Genehmigers und Buchers Ein Vorteil des SAP-Verfahrens sollte auch die systemseitige Über-wachung der Haushaltsmittel sein. Hiermit wurden u. a. die Abschaffung der Funktion des Anordnungsbefugten und die Einführung der Funktion des Genehmigers und Buchers (GuB) begründet. Grundlage für diese Änderungen der Überwachung ist die systemseitige Verfügbarkeitskont-rolle, die bei Anordnung von Zahlungen jeweils die noch zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel anzeigen soll. Im Prüfungsjahr 2002 war die Verfügbarkeitskontrolle nur in der Zeit vom 28.09.2002 bis 02.10.2002 und 09.11.2002 bis 28.11.2002 eingeschaltet. In der übrigen Zeit gab es - wegen immer wieder auftre-tender Verfahrensfehler - systemseitig keine Verfügbarkeitskontrolle.

1 Vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 7.1.4.

28

Im Haushaltsjahr 2002 fand mithin überwiegend keine programmgesteuer-te Verfügbarkeitskontrolle statt, sodass die Dienststellen sie auf andere Weise sicherstellen mussten. Dies ist ebenfalls ein Grund für die aus Sicht der Mittelbewirtschafter notwendige parallele Buchführung in Form eigener Aufzeichnungen neben den Daten aus dem SAP-Verfahren. Die Grundlage, auf der der LRH der Einführung des GuB zugestimmt hatte, war somit im Haushaltsjahr 2002 nicht gegeben.

6.2 Unwirtschaftliche Verwendung der gekauften Lizenzen Das Finanzministerium hat sich zum Erwerb von 3.150 SAP-Software-lizenzen für die flächendeckende dezentrale Mittelbewirtschaftung sowie die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) im Umfang von rd. 4,4 Mio. € verpflichtet. Die Zahlungsmodalitäten wurden zuletzt durch den vierten Änderungsvertrag1 neu geregelt. Zum Prüfungszeitpunkt (01.09.2003, 11:47 Uhr) wurden 1.544 Lizenzen aktiv genutzt. Hierin sind die Kennungen für Stellvertreter nicht enthalten, da diese - nach Auskunft des Finanzministeriums - unentgeltlich zur Verfü-gung gestellt werden. Das Finanzministerium hat deutlich gemacht, dass sich durch die flächendeckende Einführung der KLR die Anzahl an genutzten Lizenzen zwar auf 2.200 erhöhen, jedoch ein Lizenzüberhang von 900 nicht genutzten Lizenzen bestehen bleiben würde. Es hat eine Bedarfsermitt-lung bei den Ressorts angekündigt mit dem Ziel, zum Jahreswechsel 2003/2004 den Lizenzüberhang abzubauen. Der LRH hatte bereits im Zuge der Vergabeprüfung2 die unwirtschaftliche Beschaffung der Lizenzen sowie die zu zahlenden Pflegekosten für noch nicht genutzte Lizenzen moniert. Für die eventuell nicht benötigten rd. 900 Lizenzen sind bereits haushalts-mäßige Belastungen für deren Beschaffung in Höhe von rd. 1,26 Mio. € entstanden. Hinzu kommen zukünftige Pflegekosten (17 % vom Auftrags-wert3) in Höhe von rd. 214 T€ jährlich. Unter Berücksichtigung der vom Finanzministerium in seinen Wirtschaft-lichkeitsberechnungen angenommenen Nutzungsdauer des SAP-Verfah-

1 Vgl. Umdruck 15/3172 vom 08.04.2003. 2 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 10. 3 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 10.4.

29

rens von 15 Jahren kann sich bis 2016 ein finanzieller Schaden von ins-gesamt rd. 3,8 Mio. € ergeben1. Das Finanzministerium wird aufgefordert, • darzulegen, wie der derzeit absehbare Überhang an Lizenzen abge-

baut werden kann, • das Ergebnis der vorgenommenen Ressortumfrage vorzulegen, • mitzuteilen, wie eine Reduzierung der Pflegekosten für die nicht benö-

tigten Lizenzen erreicht werden kann und • zu prüfen, ob eine Rückgabe der nicht benötigten Lizenzen gegen Ent-

geltreduzierung möglich ist, um weiteren finanziellen Schaden vom Land abzuwenden. Das Finanzministerium erläutert, dass es eine Neuregelung der Lizenz-nutzung anstrebe mit dem Ziel, einerseits Dataport mit dem Vertrags-management zu beauftragen und andererseits die Vielfältigkeit der SAP-Anwendungen besser als bisher nutzen zu können. Der LRH bittet das Finanzministerium, ihn zeitnah über die Entwicklung zu unterrichten.

6.3 Landeskasse Schleswig-Holstein Insbesondere im Bereich der Landeskasse Schleswig-Holstein (Landes-kasse) (mit Außenstelle in Lübeck), die zum 01.05.2003 aus den bis dahin bestehenden 4 Landesbezirkskassen (LBK) und der Landeshauptkasse errichtet wurde, ist seit Einführung des SAP-Verfahrens auch kaufmänni-sches Wissen zur Abwicklung der Kassengeschäfte erforderlich.

6.3.1 Mit der Zentralisierung der Kassenaufgaben auf eine Landeskasse im Jahr 2003 folgte die Landesregierung den Grundstrukturen des SAP-Ver-fahrens. Für die Landeskasse wurde erstmals eine Innenrevision (IR) als Sachgebiet2 mit 3 Stellen (davon eine noch nicht besetzt) eingerichtet. Von den 2 vorhandenen Mitarbeitern (Leiter der IR und Mitarbeiterin) ist auch noch der Aufgabenbereich „Schulungsbeauftragte“ für die gesamte Landeskasse wahrzunehmen. Daneben verfügt das Finanzministerium nunmehr über 0,5 Kassenprüfer für unvermutete Kassenprüfungen gem. § 78 LHO. Das ist eine Stelle weniger als bisher. Angesichts der beschriebenen Risiken des Verfahrens empfiehlt der LRH, die noch nicht besetzte Stelle der IR umgehend zu besetzen.

1 Summe aus den Beschaffungskosten in Höhe von 1,26 Mio. € sowie den jährlichen Pfle-

gekosten ab dem Jahr 2004. 2 Diese sollte als Stabsstelle, die unmittelbar dem Kassenleiter unterstellt ist, organisiert

werden, da es sich hier nicht um normale Linienaufgaben handelt.

30

Das Finanzministerium erklärt, dass dies von der Landeskasse beab-sichtigt sei.

6.3.2 Mitte der 90er-Jahre leitete das Finanzministerium die Dezentralisierung der Zahlungs- und Buchführungsaufgaben auf die Dienststellen des Landes ein. Sie wurde durch die elektronische Zahlungsanordnung, die dezentrale Belegablage im Jahr 1996 und mit der Einführung des SAP-Verfahrens abgeschlossen. Diese Dezentralisierung steht konträr zur Zentralisierung der Kassenaufgaben. Es stellt sich die Frage, ob mit der Zentralisierung der Kassenaufgaben und der Einführung einer auf eine zentrale Buchführung ausgerichteten Buchführungssoftware auch eine Zentralisierung der Buchführung des Landes zu besseren Ergebnissen und zu Kosteneinsparungen führen kann. Gerade nach Einführung des sehr komplexen und anspruchsvollen SAP-Verfahrens zeigt sich, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nur gelegentlich Aufgaben mit dem Verfahren erfüllen, dessen Anforderungen nicht gewachsen sind. Die Buchführung des Landes wird auf diese Weise von mehr als 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrgenommen mit der Folge, dass zur Nutzung des SAP-Verfahrens die notwendigen Lizenzen vorgehalten werden müssen1. Auch die Verantwortung für die Buchführung und die richtigen Ergebnisse in der Haushaltsrechnung sind auf viele Stellen verteilt. Vor diesem Hintergrund rät der LRH der Landesregierung zu prüfen, inwieweit eine Zentralisierung der Zahlungs- und Buchführungs-aufgaben auf die Landeskasse die Buchführung verbessern und zu einer kostengünstigeren Aufgabenerfüllung führen kann. Mit seinen Ausführungen, die Buchführung des Landes fände nicht dezentral sondern zentral im Verantwortungsbereich der Kasse statt, ver-kennt das Finanzministerium, dass bereits mit der Freigabe einer erfassten Anordnung durch den GuB Buchführung und Zahlung dezentral veranlasst werden - ohne dass die Kasse hierauf Einfluss hat. Der LRH hält deshalb ein Organisations- und Wirtschaftlichkeitsanalyse für erforderlich, um eine wirtschaftliche Aufgabenerledigung zu erreichen.

6.3.3 Für Zahlungsempfänger (Kreditoren) werden im SAP-Verfahren wie im abgelösten HKR-Verfahren Stammdaten gespeichert. Zuordnungskriterien sind die Adresse und die Kontoverbindung. Mehr als 1.600 Benutzer im Mittelbewirtschaftungsverfahren sind ermächtigt, Kreditorenstammsätze anzulegen, zu verändern oder zu löschen. Je nach Schreibweise des Empfängers (z. B. Maier, Udo; Udo Maier; U. Maier; Maier, U.; pp.) kann eine Vielzahl von unterschiedlichen Kreditorenstammsätzen im Verfahren angelegt werden, sodass mehrere Stammsätze zu ein und demselben

1 Vgl. Tz. 6.2.

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Empfänger mit der identischen Bankverbindung existieren. Beim Anlegen eines Stammsatzes verhindert das Verfahren nicht, dass zu einer bestehenden Bankverbindung ein weiterer Stammsatz angelegt wird. Durch die große Anzahl der Anwender wurde ein hoher Bestand an Kreditorenstammsätzen aufgebaut. Die Einrichtungs-, Lösch- und Änderungsmöglichkeiten der Stammsätze durch die Anwender stellen ein mögliches Sicherheitsrisiko bei der Zahl-barmachung von Beträgen dar. Der LRH empfiehlt dem Finanzminis-terium, die Kreditorenstammsätze zentral zu pflegen und den vorhandenen Bestand auf mehrfach vorhandene Stammsätze zu überprüfen. Daneben sollte beim Anlegen und bei der Pflege von Stammsätzen das 4-Augen-Prinzip eingeführt wird. Hier sind die notwendigen Programmänderungen zu veranlassen. Das Finanzministerium sieht die möglichen Sicherheitsrisiken nicht. Der LRH hält seine Forderung aufrecht. Er weist darauf hin, dass es bei der dezentralen Form der Stammdatenpflege – trotz des seinerzeit noch gültigen 4-Augen-Prinzips - bereits ein Beispiel für den Missbrauch gegeben hat. Um so wichtiger ist es, nicht hinter den seinerzeit gültigen Standard zurückzufallen, sondern ihn zumindest zu halten.

6.4 Würdigung des Einsatzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Finanzministeriums und der Lan-deskassen, aber auch die in den Ressorts für diese Aufgaben zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich in vorbildlichem Einsatz und mit großem Engagement für die Realisierung einer kameralen Buch-führung im SAP-Verfahren eingesetzt. Ihnen und den sachkundigen und weit über das übliche Maß hinaus einsatzbereiten Mitarbeitern der Datenzentrale Schleswig-Holstein (Datenzentrale)1 ist es zu verdanken, dass es gelungen ist, die Verfahrensumstellung - trotz aller noch verblie-benen Probleme - zu realisieren.

6.5 IT-Sicherheit und Berechtigungskonzept Da die Verarbeitung der kameralen Buchführungsdaten nunmehr in einem sehr komplexen Verfahren durchgeführt wird, hat der LRH den ersten Jahresabschluss mit dem SAP-Verfahren auch zum Anlass genommen, die IT-Sicherheit und das Berechtigungskonzept unter Mitwirkung eines externen Sachverständigen zu prüfen.

1 Datenzentrale Schleswig-Holstein, mit Wirkung vom 01.01.2004 Dataport Anstalt des

öffentlichen Rechts, Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 15.01.2004, GVOBl. Schl.-H. S. 45.

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6.5.1 Prüfungsmaßstäbe Die Ordnungsmäßigkeit einer DV-gestützten Buchführung ist grundsätzlich nach den gleichen Prinzipien zu beurteilen, wie die einer manuell erstellten Buchführung. Somit müssen die Eingaben ins DV-gestützte Buchführungs-system zu richtigen, vollständigen, zeitgerechten und nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Für automatisierte Verfahren im Bereich des Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens des Landes, insbesondere für die Berechnung und Festsetzung von Zahlungen, Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln, Er-teilung von Kassenanordnungen, Zahlbarmachung, Buchführung oder Rechnungslegung, hat das Finanzministerium mit den Bestimmungen über den Einsatz von automatisierten Verfahren im HKR (HKR-ADV-Best1) besondere Regelungen geschaffen. Nach den VV Nr. 2.3 zu § 71 LHO sollen die der Buchführung zugrunde liegenden Bücher in magnetischen oder in sonstigen visuell nicht lesbaren Speichern (Speicherbuchführung) geführt werden. Für die Buchführung gelten die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungs-systeme (GoBS) in der jeweiligen Fassung2. Das Finanzministerium selbst misst den GoBS eine so gewichtige Bedeutung bei, dass es sie im Rahmen der Ausschreibung und Vergabe eines Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungsverfahrens ausdrück-lich unter der Rubrik „Buchführung nach LHO“ als Leistungsmerkmal einforderte. Der Bund/Länder-Arbeitsausschuss „Kassen- und Rechnungswesen“ (Arbeitsgruppe „Neues Rechnungswesen“) hat einen Entwurf neuer Ver-waltungsvorschriften für Zahlungen, Buchführung und Rechnungslegung erarbeitet, der sich derzeit im Abstimmungsprozess befindet. Darin wird klargestellt, dass die GoBS sowohl bei der Entwicklung und dem Betrieb von IT-Verfahren als auch bei der Verfahrensdokumentation einschl. der Risikoanalyse und des Sicherheitskonzepts einzuhalten sind. Die SAP AG hat durch eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerbera-tungsgesellschaft die Ordnungsmäßigkeit der Finanzbuchhaltung und der Anlagenbuchhaltung der Software SAP R/3 (Release 4.0 B/3) prüfen lassen. In dem dem LRH vorliegenden Ergebnis stellte die Prüfungsgesell-schaft im Dezember 1999 fest, dass das Finanzbuchhaltungssystem bei

1 Erlass des Finanzministers vom 06.04.1987, Anlage 1 zu VV Nr. 3.9 zu § 79 LHO - HKR-

ADV-Best, Amtsbl. Schl.-H., S. 214. 2 Vgl. BStBl 1995 I S. 738.

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sachgerechter Anwendung eine den Ordnungsmäßigkeitsgrundsätzen entsprechende Buchführung ermöglicht. Darüber hinaus wurde festge-stellt, dass zur Erfüllung der Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze vom Anwen-der weitere anwendungsabhängige und anwendungsunabhängige Maß-nahmen und interne Kontrollen zu realisieren sind. Nach Auskunft der SAP AG gibt es für die Branchenlösung „Public Sector“ solch ein Prüfungsergebnis nicht. Damit kommt den sog. Customizing-Einstellungen1 sowie den sonstigen Maßnahmen (z. B. den vom Berater X entwickelten Programmbausteinen) eine maßgebliche Bedeutung für die Ordnungsmäßigkeit des beim Land Schleswig-Holstein zur Buchführung eingesetzten SAP-Verfahrens zu. Nur bei Vorliegen gesicherter rechnungsrelevanter Daten und IT-Systeme kann die Verlässlichkeit der in Buchführung und Jahresabschluss ent-haltenen Informationen gewährleistet werden. Das Finanzministerium kann diesen Ausführungen des LRH nicht folgen. Es akzeptiert weder die GoBS als Prüfungsmaßstab für die IT-Sicherheit, noch akzeptiert es, dass ein Testat für die Branchenlösung IS-PS nicht vorliegt. Die Branchenlösung stelle dem Anwender lediglich zusätzliche, auf die Belange der Öffentlichen Verwaltung zugeschnittene Erfassungs-masken zur Verfügung. Die buchführungstechnische Basis bilde die ge-prüfte und als ordnungsmäßig erachtete Finanzbuchhaltung des SAP R/3-Systems. IS-PS sei somit sicher und ordnungsmäßig. Organisatorische Regelungen - und nicht Programmbausteine - seien notwendig, um die Ordnungsmäßigkeit zu unterstützen. Der LRH vermag die Einwände nicht nachzuvollziehen. Das Testat besagt ausdrücklich, dass das Finanzbuchhaltungssystem bei sachgerechter Anwendung eine den Ordnungsmäßigkeitsgrundsätzen entsprechende Buchführung ermöglicht. Zur sachgerechten Anwendung gehört die Be-achtung der erforderlichen Sorgfalt beim Customizing und bei der Erstel-lung von Programmbausteinen. Nur wenn die Customizing-Einstellungen ordnungsgemäß sind und die organisatorischen Regelungen eine hin-reichende Kontrolle gewährleisten, ist die Branchenlösung IS-PS sicher. An den GoBS als Prüfungsmaßstab hält der LRH fest, zumal diese in den eigenen Vorschriften des Finanzministeriums als Maßstab für die Buchfüh-rung genannt werden. Im Übrigen sollte Ziel eines jeden Buchführungs-pflichtigen die Ordnungsmäßigkeit seiner Buchführung sein. Die DV-Buch-

1 Anpassung des SAP-Verfahrens an die speziellen Anforderungen des Anwenders, hier

des Landes Schleswig-Holstein.

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führung ist informationstechnisch untrennbar von der Berechtigungsver-gabe und den Customizing-Einstellungen. Der LRH stellt daher fest, dass seine Prüfungsmaßstäbe auf der Basis des geltenden Rechts angelegt sind. Er hält an den hierauf beruhenden Prüfungsfeststellungen fest.

6.5.2 Prüfungsgegenstand Gegenstand dieser Prüfung, deren Leistungsumfang mit dem Finanz-ministerium abgestimmt wurde, war das Berechtigungskonzept des Landes Schleswig-Holstein bezogen auf das SAP-Verfahren sowie die umgesetzten Berechtigungen und die GoBS-relevanten Einstellungen insbesondere des produktiven SAP-Verfahrens. Darüber hinaus waren die Eigenentwicklungen bezogen auf die geprüften Berechtigungen und deren Dokumentation Untersuchungsgegenstand. Die Customizing-Einstellungen innerhalb des SAP-Verfahrens wurden im Wesentlichen durch den Berater X im Rahmen der vertraglich vereinbarten Implementierung der SAP R/3-Software vorgenommen.1 Die SAP R/3-Software war nicht Gegenstand der Prüfung, da sie Einstellungen des gewünschten Sicherheitsniveaus grundsätzlich ermöglicht. Ebenfalls nicht Gegenstand dieser Prüfung war der Nachweis, ob die missbräuchliche Nutzung einer Berechtigungseinstellung oder ein unzu-länglicher Zusammenhang zwischen fehlender formaler Freigabe und fehlerhafter Buchführung bestand. Im Rahmen der Prüfungshandlungen hat der externe Sachverständige des LRH zum Prüfungszeitpunkt Daten aus dem SAP-Verfahren ausgewertet. Dem Finanzministerium wurde das Gutachten des Sachverständigen über-mittelt. Dessen Arbeitspapiere werden dem Finanzministerium zur Beseiti-gung der aufgezeigten Mängel zur Verfügung gestellt.

6.6 IT-Sicherheitsprüfung Nach den HKR-ADV-Best werden nicht nur an das zur Durchführung der umfassenden Buchführungsaufgaben genutzte Verfahren besondere Anforderungen gestellt. Auch die Einführung eines solchen Verfahrens, die Dokumentation sowie die Übertragung von IT-Fachaufgaben an Stellen außerhalb der unmittelbaren Landesverwaltung stellen hohe Ansprüche an

1 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 10.

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die IT-Sicherheit, um ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Abbildung der Buchführung und zur Erstellung des Jahresabschlusses gewährleisten zu können.

6.6.1 Verfahrensfreigabe Nach Nr. 3.1.1 HKR-ADV-Best ist bei der Durchführung automatisierter Verfahren im Bereich des HKR sicherzustellen, dass nur dokumentierte, freigegebene und gültige Programme verwendet werden. Bevor ein solches Verfahren für den Betrieb (Produktiveinsatz) freigegeben werden kann, sind alle Funktionen zu testen. Die fachlich zuständige Stelle - in diesem Fall das Finanzministerium - hat hierfür Testfälle mit im Voraus festgelegten Eingaben und erwarteten Ergebnissen zu erstellen. Die Ergebnisse des abschließenden Tests sind zu dokumentieren. Die Landesregierung hat am 14.11.2000 dem generellen Einsatz der SAP-Software für die Mittelbewirtschaftung, das Kassenverfahren einschl. Jah-resabschluss und Anlagenrechnung zugestimmt. Die Frage, ob diese Soft-ware in der Landesverwaltung überhaupt eingesetzt werden sollte, blieb bis dato offen1. Unverständlich ist, dass es für dieses komplexe, neu entwickelte Verfah-ren keinen umfangreichen Test in Form eines zeitlich begrenzten Paral-lelbetriebs von altem und neuen Verfahren gegeben hat, um die Funk-tionsfähigkeit des neuen Verfahrens ganzheitlich prüfen zu können. Erst damit hätte die Komplexität der Geschäftsvorfälle des Landes abgebildet und die Funktionsfähigkeit dieses Verfahrens beurteilt werden können. Stattdessen wurden einzelne Tests von gezielt eingesetzten Testgruppen mit eng begrenzten Testfällen durchgeführt. Diese vorab durchgeführten Tests, die noch nicht einmal in dem vom Finanzministerium ursprünglich geplanten vollen Umfang durchgeführt werden konnten, wurden nicht hin-reichend dokumentiert. Die begrenzten Testfälle konnten die Komplexität des realen Buchungsstoffs nicht hinreichend abbilden, zumal für sie nicht alle Komponenten des Verfahrens zur Verfügung standen (z. B. Verfügbar-keitskontrolle) und das Zusammenspiel aller Anwendungen in dem an-spruchsvollen SAP-Verfahren nicht hinreichend wiedergegeben wurde. Noch im Rahmen des Produktiveinsatzes wurden laufend Verfahrens-änderungen im SAP-Verfahren durchgeführt, ohne dass ordnungsgemäße Freigaben bislang nachgewiesen wurden. Das Finanzministerium bestätigt, dass nicht alle Programme und Pro-grammänderungen in einem förmlichen Verfahren getestet und freige-

1 Vgl. Umdruck 15/0525 vom 27.11.2000.

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geben wurden. Neue Programmfunktionen seien immer in einem kontrol-lierten Dialog zwischen Entwickler und Anwender eingesetzt worden. Für die Mittelbewirtschaftung sei die Notwendigkeit eines Test-Parallelbetriebs nicht gesehen worden. Die Funktionen des Kassenverfahrens seien - mit Ausnahmen - in ihrer Gesamtheit zentral im Finanzministerium unter Mit-wirkung von Kassenmitarbeitern getestet worden. Ein Parallelbetrieb wäre auch aufgrund der unterschiedlichen Buchungssysteme nicht sinnvoll ge-wesen. Soweit das SAP-Verfahren noch fehlerbehaftet sei, liege es sicher-lich nicht an einem nicht durchgeführten Paralleltest. Der LRH ist weiterhin der Auffassung, dass bei angemessener Zeitpla-nung eine befristete Parallelverarbeitung sinnvoll und notwendig und die jetzt vom LRH aufgezeigten Mängel1 vermeidbar gewesen wären. Hierauf hat der LRH das Finanzministerium bereits mit Schreiben vom 21.05.1999 hingewiesen. Der LRH hält Tests und Freigaben sämtlicher Änderungen für unabdingbar. Der „kontrollierte Dialog zwischen Entwickler und An-wender“ ist weder nach den GoBS noch nach den HKR-ADV-Best als ausreichend zu betrachten, um auf umfangreiche Tests und förmliche Freigabeverfahren verzichten zu können.

6.6.2 Fehlende inhaltliche Endabnahme des Verfahrens Im Rahmen der Prüfung wurde dem LRH ein Abnahmeprotokoll der Endabnahme für die eingerichtete produktive Systemlandschaft zur Abbil-dung der dezentralen Mittelbewirtschaftung auf Basis der SAP R/3-Soft-ware vorgelegt. Dieses Protokoll trägt die Unterschriften der Projektleiter sowohl des Finanzministeriums als auch des Beraters X vom 01.06. bzw. 30.07.2002. Diesem Protokoll wurden 3 sog. Fehlerreports vom Dezember 2001 beigefügt. Nach Angaben des Finanzministeriums wurden die in diesen Fehlerreports aufgeführten Mängel bis zur Leistung der Unterschrif-ten nicht beseitigt. Weitere Angaben über durchgeführte Tests, genutzte Testdaten, Hardware- und detaillierte Softwarebeschreibung, Testumge-bung sowie detaillierte Beschreibung der Abnahme fehlen in dem Abnah-meprotokoll. Die Abnahme der durch Vertrag vom September 19992 vereinbarten Zu-satzleistungen (Einrichtung produktiver Kassenfunktionalitäten und des Jahresabschlusses) erfolgte am 15.12.2003, d. h. nach Ablauf von mehr als 2 Jahren seit Inbetriebnahme des Produktivsystems zum 01.10.2001. Die Abnahme erfolgte mit Mängeln, die größtenteils auf Programm- und konzeptionelle Fehler zurückzuführen sind.

1 Vgl. Nr. 7 dieser Bemerkungen. 2 Vertrag zwischen dem Finanzministerium und der Firma Y (Vorgänger von Firma X) u. a.

zur Ergänzung des Projektumfangs um den Bereich Kasse, Jahresabschluss und Rechnungslegung i. S. des Jahresabschlusses.

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Damit wurden sowohl die Buchführung als auch der Jahresabschluss 2002 durch ein inhaltlich nicht abgenommenes sowie mit Mängeln behaftetes Verfahren durchgeführt. Die noch bestehenden Mängel wirken sich auch auf den Jahresabschluss 2003 aus. Das Finanzministerium führt hierzu aus, dass das Bewirtschaftungsver-fahren und das Kassenverfahren vor ihrer zunächst pilothaften Inbetrieb-nahme nicht ohne jegliche Mängel hätten übernommen werden können. Der LRH verkenne eklatant die Komplexität und die funktionale Mäch-tigkeit des SAP-Verfahrens. Die Ausführungen bestätigen den LRH in seiner Auffassung, dass das SAP-Verfahren mit unzureichender Vorbereitung und zu schnell im Land eingeführt wurde. Gerade weil der LRH die Komplexität des SAP-Verfahrens nicht verkennt, besteht er bei jeder Änderung auf Tests und Freigaben, um die Ordnungsmäßigkeit sicherzustellen.1

6.6.3 Protokollierung Die SAP R/3-Software arbeitet tabellengesteuert, d. h. mit einer Änderung eines Tabelleneintrags werden die entsprechenden Programmroutinen beeinflusst, ohne dass eine weitere Programmierung der Software not-wendig ist. Da diese Tabellen als ausgelagerte Programmteile zu betrach-ten sind, stellen sie wie Programmänderungen einen Pflichtbestandteil der Verfahrensdokumentation dar und müssen nach Nr. 5.4 HKR-ADV-Best 10 Jahre lang - beginnend nach Ablauf des Haushaltsjahres, indem das Verfahren letztmalig eingesetzt worden ist - aufbewahrt werden. Darüber hinaus muss nach Nr. 3.1.4 HKR-ADV-Best jede Veränderung von Dateien nachvollziehbar sein. Um dies für Tabelleneinträge im SAP-Verfahren sicherzustellen, kann in den sog. Systemparametern über den Eintrag „rec/client“ festgelegt wer-den, ob bzw. für welchen Mandanten2 innerhalb des Systems grund-sätzlich die Protokollierung aktiviert werden soll. In den technischen Einstellungen jeder einzelnen Tabelle muss zudem gesteuert werden, ob sie in die Protokollierung einbezogen werden soll. Im Rahmen der Prüfung wurde festgestellt, dass die Protokollierungs-funktion (rec/client) erst am 22. Mai 2003 eingeschaltet worden ist. Dies hat zur Folge, dass erst seit diesem Datum eine Protokollierung durchge-

1 Vgl. auch Tz. 6.6.1. 2 Höchste hierarchische Ebene in der SAP R/3-Software zur Abbildung unterschiedlicher

Gesellschaften.

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führt wird, sofern die technische Einstellung der einzelnen Tabellen dem nicht entgegensteht1. Im geprüften Haushaltsjahr 2002 gab es keine Protokollierung der Tabel-len. Mithin lässt sich nicht feststellen, wer wann welche Änderungen vor-genommen hat. Damit hat das Finanzministerium die Vorgaben der GoBS und der HKR-ADV-Best nicht beachtet, wonach Änderungen von Tabellen mit Programmfunktion in der Weise zu dokumentieren sind, dass für die Dauer der Aufbewahrungsfristen der jeweilige Inhalt einer Tabelle fest-gestellt werden kann. Das Finanzministerium wird aufgefordert darzulegen, warum es erst fast 2 Jahre nach Produktivstart des SAP-Verfahrens die generelle Protokol-lierung veranlasst hat. Darüber hinaus war zum Prüfungszeitpunkt das sog. AUDIT LOG (Proto-kolldatei) ausgeschaltet, mit dem die Anmeldungen, Transaktionsstarts so-wie andere wesentliche Tätigkeiten aufgezeichnet werden und auswertbar sind. Auch damit fehlt ein wesentlicher Bestandteil der Revisionsfähigkeit. Das Finanzministerium wird gebeten darzulegen, warum auch diese Pro-tokollierung bislang unterblieben ist, und aufgefordert, zukünftig diese Daten - in Abstimmung mit dem LRH - für Prüfungszwecke zur Verfügung zu stellen. Nach Auffassung des Finanzministeriums ist die aus dem späten Einschalten der Protokollfunktion gezogene Schlussfolgerung des LRH, dass mit der nicht eingeschalteten Protokollierung nicht feststellbar ist, wer wann welche Änderungen vorgenommen hat, in dieser Ausschließlichkeit falsch. Die Feststellung des LRH, dass mit dem AUDIT LOG ein wesent-licher Bestandteil der Revisionsfähigkeit fehlt, werde nicht geteilt. Aus Sicht des Finanzministeriums sei trotzdem das Einschalten der Proto-kollfunktion des AUDIT LOG wünschenswert, da mit ihr die Aufzeichnung von Transaktionsstarts, auch von vergeblichen Änderungs- und Zugriffs-versuchen, protokolliert werde. Dataport werde daher ein Konzept erarbei-ten, wie Einschalten und Betrieb des AUDIT LOG sinnvoll durchgeführt werden können. Der LRH begrüßt, dass im Ergebnis seine Empfehlungen umgesetzt werden sollen und bittet das Finanzministerium, ihm das Konzept nach Fertigstellung zur Verfügung zu stellen.

1 Zum Prüfungszeitpunkt waren im SAP-Verfahren 24.432 Tabellen vorhanden, von denen

13.321 Tabellen nicht protokolliert wurden. Von den 466 im System als selbst erstellt gekennzeichneten Tabellen waren 439 unprotokolliert. Vgl. auch Tz. 6.6.4.

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6.6.4 Verfahrensdokumentation und Prüfbarkeit Eine DV-gestützte Buchführung muss - wie jede Buchführung - von einem sachverständigen Dritten hinsichtlich ihrer formellen und sachlichen Rich-tigkeit in angemessener Zeit prüfbar sein. Aus der Verfahrensdokumentation müssen Inhalt, Aufbau und Ablauf des Verfahrens vollständig ersichtlich sein. Dabei richtet sich der Umfang nach der Komplexität der DV-Buchführung. Die Anpassung der beim Land Schleswig-Holstein zur Abbildung der ka-meralen Buchführung eingesetzten Branchenlösung „Public Sector“ mach-ten u. a. eigenentwickelte Programme und Tabellen notwendig1. Das Finanzministerium teilte mit, dass 1.009 Programmbausteine zur Anpas-sung des SAP-Verfahrens an die Bedürfnisse des Landes erstellt wurden. Zum Prüfungszeitpunkt waren noch 826 als selbst erstellt gekennzeich-nete sog. ABAP2-Programme im System vorhanden. Zur Dokumentation dieser Programmbausteine wurde dem LRH eine EXCEL-Tabelle über-geben. Die Namensvergabe dieser Programme war uneinheitlich. Darüber hinaus waren 466 als selbst erstellt gekennzeichnete Tabellen im System vorhanden, von denen lediglich 27 die technische Eigenschaft zur Protokollierung besaßen. Dies verhindert eine Historienführung und ver-letzt somit die Ordnungsmäßigkeit des Buchführungssystems. Die Überprüfung der hierfür notwendigen Dokumentation ergab, dass beispielsweise zur Umsetzung der Vertreterregelungen zwar das SAP-Be-rechtigungskonzept ergänzt wurde. Jedoch fehlen als Konsequenz dieser Eigenentwicklung innerhalb des SAP-Verfahrens Möglichkeiten zur Über-prüfung. Die im Rahmen der Prüfung zur Verfügung gestellte „Dokumentation der kundenspezifischen Erweiterung und Modifikation“3 beinhaltet weder Datenfluss- noch Programmablaufpläne und entspricht damit nicht den Anforderungen der GoBS an eine ordnungsgemäße Dokumentation, die denselben Stand wie das tatsächliche Verfahren aufzuweisen hat. Auch die dem LRH übergebene EXCEL-Tabelle mit der Auflistung von 846 selbst erstellten Programmbausteinen kann eine solche Dokumentation nicht ersetzen.

1 Vgl. Tz. 6.4.1. 2 Advanced Business Application Programming = von SAP entwickelte Programmierspra-

che. 3 In der Version 1.0 vom 03.06.2002.

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Das Finanzministerium wird aufgefordert, eine ordnungsgemäße Doku-mentation der systemseitig vorgenommenen Erweiterung des SAP-Verfah-rens sicherzustellen. Der LRH erinnert an dieser Stelle auch an die ver-tragliche Verpflichtung des Beraters X. Das Finanzministerium kündigt an, dass die Vollständigkeit der Verfah-rensdokumentation überprüft werde. Seines Erachtens sei dabei die Ein-haltung formaler Kriterien erst in zweiter Linie wichtig. Nach Auffassung des LRH sind die festgestellten Mängel der Doku-mentation mehr als 2 Jahre nach Einführung des Verfahrens nicht mehr zu akzeptieren. Weder die HKR-ADV-Best noch die GoBS unterscheiden zwischen wichtigen und weniger wichtigen (formalen) Dokumentations-kriterien. Über einige Customizing-Einstellungen, die die Revisionsfähigkeit des SAP-Verfahrens zusätzlich einschränkten, wurde im Rahmen der Prüfung vom Sachverständigen des LRH eine Änderung angeregt. Das Finanzministerium hat mitgeteilt, dass die Einstellungen zwischen-zeitlich angepasst worden seien.

6.6.5 Internes Kontrollsystem Gem. den GoBS hat eine Organisation, um die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu gewährleisten, ein internes Kontrollsystem (IKS) einzu-richten. Übertragen auf die Verhältnisse des Landes verfolgt ein IKS im Zusam-menhang mit einer DV-gestützten Buchführung insbesondere das Ziel, die Gesetzmäßigkeit von Buchführung und Jahresabschluss nach LHO zu ermöglichen. Hierfür ist die Bereitstellung vollständiger, genauer, aussage-fähiger und zeitgerechter Daten eine wesentliche Voraussetzung. Um dies sicherzustellen und zu kontrollieren, reichen aufgrund der komplexen Abläufe und Strukturen einzelne, voneinander isolierte Kontrollmaß-nahmen nicht aus. Vielmehr - so die Vorgaben der GoBS - bedarf es einer planvollen und lückenlosen Vorgehensweise, um ein effizientes Kontroll-system zu installieren. Vor dem Hintergrund der beim Land bestehenden Buchführungsorgani-sation ergeben sich durch die Tätigkeiten • von derzeit mehr als 1.600 Nutzern des Buchführungssystems (dezent-

rale Mittelbewirtschaftung, KLR), • der Landeskasse, • der Datenzentrale sowie • vom Finanzministerium Kontrollfelder, die bislang nicht ganzheitlich betrachtet wurden. Insofern bestand zum Prüfungszeitpunkt kein IKS i. S. der GoBS.

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Der LRH hält den Aufbau eines IKS, das zentral beim Finanzministerium angesiedelt sein sollte, für dringend notwendig. Allein die im Rahmen der Prüfung gemachten Feststellungen, wie beispielsweise • die Nutzung von SAP_ALL-Rechten1 im Produktivsystem, • die Abweichung von den konzeptionellen Vorgaben bei der Einrichtung

von Benutzern, • die nicht vorgenommene Protokollierung und • die nicht ordnungsmäßige Umsetzung der Vertreterregelung zeigen deutlich, dass das bisherige Vorgehen nicht ausreichte, um ein ord-nungsmäßiges Verfahren zur Abbildung der Buchführung und zur Erstel-lung des Jahresabschlusses sicherzustellen. Welche Problemfelder sich allein aus der bislang nicht in die Überwachung einbezogenen Delegation von IT-Aufgaben auf die Datenzentrale ergeben können, wird nachfolgend in Tz. 6.6.6 dargestellt und unterstreicht die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Überwachung i. S. eines IKS. Das Finanzministerium sieht mit dieser Forderung des LRH die Organi-sation, den gesetzlichen Rahmen und die Wahrnehmung der Verantwor-tung in der Landesverwaltung außer Acht gelassen. Die Landesverwaltung sei kein „Betrieb“. Forderungen nach einem beim Finanzministerium einzu-richtenden IKS seien nur aus der eingeengten Unternehmenssicht der GoBS erklärlich. Der LRH bleibt dennoch bei seiner Auffassung. Gem. VV Nr. 2.3 zu § 71 LHO sind die GoBS für die Buchführung des Landes entsprechend anzu-wenden. „Das IKS stellt nur eines von vielen Kriterien zur Erfüllung der Ordnungsmäßigkeit einer DV-gestützten Buchführung dar.“2 Es ist damit auch im Land einzurichten, um die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung des Landes sicherzustellen. Wie auch das Finanzministerium in seiner Stellungnahme richtig feststellt, sind nach Auffassung des Wirtschafts-prüfers, der die Ordnungsmäßigkeit des SAP-Verfahrens bestätigt hat3, „weitere anwendungsabhängige und anwendungsunabhängige Maßnah-men und interne Kontrollen zu realisieren“. Der LRH hält es - ungeachtet des Ressortprinzips - für sinnvoll und wirt-schaftlich, das IKS zentral beim Finanzministerium anzusiedeln, da dieses verantwortlich ist für die Rechnungslegung, den Jahresabschluss und die Haushaltsrechnung des Landes.

1 Vgl. Tz. 6.7.2. 2 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die obersten Finanzbehörden der

Länder vom 07.11.1995 - IV A 8 - S 0316 - 52/95 - BStBl I S. 738. 3 Vgl. Tz. 6.5.1.

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6.6.6 Delegation von IT-Aufgaben Für die Einhaltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ist auch bei einer DV-Buchführung allein der Buchführungspflichtige verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit erstreckt sich sowohl auf den Einsatz selbst als auch fremd erstellter DV-Buchführungssysteme. Nach Nr. 10 HKR-ADV-Best ist bei der Übertragung von Verfahren auf Stellen außerhalb der Landesverwaltung sicherzustellen, dass die Bestimmungen der HKR-ADV-Best eingehalten werden. Damit bleibt die Verantwortlichkeit des Landes Schleswig-Holstein als Buchführungspflichtigem auch bei Übertragung der Verarbeitung von Buchführungsdaten auf die Datenzentrale bestehen. Auch in der Geschäftsanweisung der Datenzentrale heißt es: „Die Verant-wortung für die Zuverlässigkeit und Ordnungsmäßigkeit sowie für die Ein-haltung gesetzlich geforderter technischer und organisatorischer Maßnah-men liegt bei dem jeweiligen Auftraggeber“. Das Finanzministerium hat diese Auffassung der Datenzentrale im Zusammenhang mit der Fachauf-sicht zur dezentralen Benutzeradministration im SAP-Verfahren bestätigt. Das Finanzministerium nimmt aber die aufgrund der Verantwortungs-situation zu fordernden Kontrollmaßnahmen derzeit nicht wahr. Der zuletzt im Juli 2001 geschlossene Vertrag zwischen dem Finanzminis-terium und der Datenzentrale über den Betrieb und die Betreuung der SAP R/3-Standardsoftware für das staatliche Finanzwesen in Schleswig-Holstein sieht eine Verpflichtung der Datenzentrale, alle technischen Änderungen vor Umsetzung an das Finanzministerium zu melden, nicht vor. Auch die Verwendung allumfassender Berechtigungen im Produktivsystem (z.B. SAP_ALL), die im Haushaltsjahr 2002 in großem Umfang auch an externe Berater und Mitarbeiter der Datenzentrale und damit an „Betriebs-fremde“ vergeben wurden, muss Reglementierungen unterliegen, die einer strengen Überwachung i. S. eines IKS bedürfen. Dies wurde bislang vom Finanzministerium nicht durchgeführt. Beispielhaft sei an dieser Stelle die Verwendung des sog. JOBADM-Be-nutzers innerhalb der Datenzentrale genannt. Dieser technische Benutzer ist auch heute noch u. a. mit einer SAP_ALL-Berechtigung ausgestattet und hat im Haushaltsjahr 2002 mehr als 6 Mio. sog. FI-Belege im Produk-tivsystem gebucht. Darüber hinaus macht auch der mögliche - und teilwei-se auch technisch notwendige - Eingriff in Produktivdaten durch die Daten-zentrale eine umfassende Überprüfung solcher Tätigkeiten notwendig.

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Allein schon die Kontrollen nach dem Rahmenberechtigungskonzept, die bei der Fülle von Buchführungskräften und ihren Vertretungen zwingend notwendig sind, wurden nicht immer beachtet. So wurde die von SAP vor-gegebene und im Rahmenberechtigungskonzept des Landes festgeschrie-bene Funktionstrennung zwischen der Pflege, Aktivierung und Vergabe von Berechtigungen und Profilen in der Datenzentrale nicht umgesetzt. Der LRH hält es für dringend geboten, dass die Aufgabenwahrnehmung der Datenzentrale nicht nur im Rahmen der Rechtsaufsicht überwacht wird, sondern auch inhaltlich alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Abwicklung der dezentralen Mittelbewirtschaftung, der KLR und der Anlagenbuchhaltung anfallen, mit dem Finanzministerium abgestimmt werden. Die bisherigen vertraglichen Regelungen zwischen dem Finanzministerium und der Datenzentrale reichen nicht aus, um eine allumfassende Kontrolle sicherzustellen. Es bedarf daher vertraglicher Anpassungen, die eine ent-sprechende Meldepflicht der Datenzentrale über alle technischen Ver-änderungen am und im SAP-Verfahren vorsehen. Das Finanzministerium kann den Forderungen des LRH nicht folgen. Es akzeptiere die Prüfungsmaßstäbe des LRH und die daraus abgeleiteten Überwachungsaufgaben als Buchführungspflichtiger nicht. Weiterhin halte es eine derartige Überwachung nicht nur für rechtlich nicht geboten sondern auch für unwirtschaftlich. Es sehe auch seine Mitarbeiter mit der Überwachung qualitativ und quantitativ überfordert. Der LRH weist auf den Widerspruch hin, dass das Finanzministerium an anderer Stelle beschreibt, dass seine Mitarbeiter gleichzeitig die konzep-tionellen, systemtechnischen und strategischen Entscheidungen über das Gesamtverfahren fällen und die Datenzentrale mit deren Durchführung beauftragen. Die unstreitig für die Buchführung des Landes geltenden GoBS bestim-men, dass die Einhaltung der GoBS auch bei Durchführung der Buch-führung durch Fremdfirmen dem auftraggebenden Buchführungspflichtigen obliegt. Der LRH vermag nicht zu erkennen, aus welchem Grund dies für das Finanzministerium gegenüber dem Auftragnehmer Datenzentrale nicht gelten soll. Er weist darauf hin, dass der hier angelegte Maßstab von jedem Buchführungspflichtigen einzuhalten ist. Es erstaunt daher, dass ausgerechnet das Finanzministerium diese Regeln als unwirtschaftlich bezeichnet und sie aus finanziellen Erwägungen insbesondere mit dem Hinweis auf zusätzlichen Personalbedarf nicht umsetzen will.

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6.7 Berechtigungskonzept Die Sicherheit und damit auch die Ordnungsmäßigkeit eines SAP-Ver-fahrens hängen wesentlich von den erteilten Berechtigungen ab. Neben dem Schutz vor unerlaubter oder versehentlicher Nutzung oder Manipu-lation von Daten ist auch die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen an das Rechnungswesen - so auch die Einhaltung der LHO - notwendiges Ziel eines ordentlichen Berechtigungswesens. Im Rahmen dieser Prüfung wurden lediglich Berechtigungen innerhalb des SAP-Verfahrens untersucht. Weitere Zugriffsrechte, die ebenfalls Einfluss auf die Datensicherheit der Buchführungsdaten haben können (z. B. auf Netzwerk- und Betriebssystemebene), wurden hierbei nicht geprüft. Der LRH behält sich vor, dies im Rahmen künftiger Prüfungen zu betrachten.

6.7.1 Berechtigungsvergabe Für die zur Buchführung notwendige Berechtigungsvergabe hat das Finanzministerium zwar konzeptionell ein sog. Rahmenberechtigungskon-zept erstellt, jedoch fehlt ein umfassendes Sicherheitskonzept. Aus Sicht des LRH ist eine solche allumfassende Konzeption, die alle Systemebe-nen und Anwendungen einschließt, notwendig, um die Sicherheit der Daten - auch vor dem Hintergrund der mehr als 3.000 angestrebten Benut-zer - zu gewährleisten. Unabhängig davon muss eine solche Konzeption auch im täglichen Betrieb umgesetzt werden. Der LRH konnte feststellen, dass die in den Konzepten beschriebene Vorgehensweise in der praktischen Umsetzung nicht eingehalten wurde. Hierdurch sind Sicherheitslücken entstanden, die zügig zu schließen sind. Keinesfalls darf es durch eine Minimierung des hierfür notwendigen Aufwands zu einer Reduzierung des angestrebten Sicherheitsstandards kommen. Das Rahmenberechtigungskonzept des Finanzministeriums verfolgt die Ziele: • Transparenz und Nachvollziehbarkeit im System (wer hatte wann

welche Berechtigung), • Schutz vertraulicher Daten vor unberechtigter Kenntnisnahme, • Sicherung der Daten und der Systemeinstellungen vor unbeabsichtigter

sowie unberechtigter Veränderung oder Löschung, • Verhinderung von missbräuchlicher Benutzung des Systems sowie • Vermeidung unautorisierter Daten im System. Mit diesen Zielen sind folgende Feststellungen nicht vereinbar: Im System befinden sich • 10 aktive Benutzer mit SAP_ALL-Rechten,

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• Benutzerkennungen, die aufgrund ihrer Bezeichnung keine eindeutige Zuordnung zum Namen herstellen,

• anonymisierte Kennungen, die einer natürlichen Person nicht zuge-ordnet werden können,

• 32 Benutzer mit mehreren Kennungen, • 26 Benutzer, die das AUDIT LOG und das SYSLOG1 ändern können

und • Kennungen (z. B. im Finanzministerium), die die vorgegebene Tren-

nung bei Einrichten von Berechtigungen zwischen Landeskasse und Datenzentrale aufheben können.

Weiterhin kann die nach dem Rahmenberechtigungskonzept geforderte Dokumentation im Zuge der Bereitstellung von sog. Notfallnutzern nicht umgesetzt werden, da die hierfür notwendige Protokolldatei AUDIT LOG zum Prüfungszeitpunkt nicht aktiviert war. Darüber hinaus besteht das Problem der nicht eindeutigen Identifizierung der Benutzer im SAP-Verfahren. Nach dem Rahmenberechtigungskonzept soll ein Antrag auf eine Benutzerkennung vom beantragenden Benutzer selbst und von einem Verantwortlichen2 unterschrieben werden. Das dop-pelt unterschriebene Antragsformular wird dann an die dezentrale Benut-zeradministration (= Landeskasse) weitergeleitet. Die im Rahmen der Prüfung stichpunktartig eingesehenen Anträge er-gaben, dass nicht in allen Fällen die angestrebte Kontrolle durch den Ver-antwortlichen (i. d. R. der nächsthöhere Vorgesetzte) umgesetzt wurde. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Landeskasse als dezentrale Benutzeradministration eine Unterschriftenkontrolle der Verantwortlichen weder vornimmt noch vornehmen kann, da keine Vergleichsunterschriften vorliegen. Damit wird keine eindeutige und zweifelsfreie Identifikation der Benutzer im SAP-Verfahren vorgenommen. Die Ziele des Berechtigungskonzepts können auf diese Weise nicht umgesetzt werden. Eine technische Über-wachung zur Feststellung, wer wann welche Datenveränderungen vorge-nommen hat, läuft ins Leere, wenn bei der Einrichtung von Benutzerken-nungen die eindeutige Zuordnung von Benutzern im System zu natürlichen Personen nicht sichergestellt werden kann.

1 Protokolldateien. 2 Verantwortlich i. S. des Rahmenberechtigungskonzepts sind in der jeweiligen Behörde

der jeweilige Haushaltsbeauftragte für die Mittelbewirtschaftung, der KLR-Behördenkoor-dinator für die KLR sowie der CustomerCompetenceCenter-Verantwortliche für die Ad-ministrationsaufgaben.

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Das Finanzministerium stimmt den Ausführungen des LRH zu und erklärt, dass es die notwendigen Schritte zur Erstellung der geforderten Konzepte einleiten werde. Das Prinzip der minimalen Berechtigung werde auf allen Ebenen umgesetzt. Im Übrigen werde das Finanzministerium prüfen, ob es die Ausführungen des LRH zur Identifizierung der Benutzer im SAP-Verfahren von Unter-schriftsmitteilungen für die Beantragung von Berechtigungen im SAP-Verfahren umsetzen kann. Der LRH sieht die Unterschriftskontrolle als zwingend an.

6.7.2 Sonderbenutzer Innerhalb des Systems stellt SAP einige Profile für sog. Sonderbenutzer zur Verfügung. Auch wenn einige von diesen für die Implementierungs-phase der Software notwendig waren, so sollten sie nicht im Produktiv-system eingesetzt werden. Ein äußerst kritisches Sammelprofil ist das sog. SAP_ALL. Benutzer mit diesem Profil verfügen über alle Berechtigungen in einem SAP-Verfahren. So ist es ihnen beispielsweise möglich, neue Benutzer anzulegen, Customizing-Einstellungen zu verändern sowie nahezu alle Berechtigun-gen für das Finanzwesen auszuführen. Damit besteht die Gefahr, dass sowohl die Funktionstrennung als auch das Prinzip der Nachvollzieh-barkeit (VV Nr. 2.5 zu § 71 LHO) verletzt und die Buchführungsgrundsätze beeinträchtigt werden. Im SAP-Sicherheitsleitfaden1 wird zum Berechtigungsprofil SAP_ALL folgendes dargestellt: „Dieses Sammelprofil enthält alle Berechtigungen. Ein Benutzer mit diesem Profil kann im SAP-System alle Aufgaben durchführen. Sie sollten das Berechtigungsprofil daher keinem Ihrer Benutzer zuweisen. Wir empfehlen Ihnen, nur einen Benutzer mit die-sem Profil zu pflegen. Sie sollten das Kennwort des Benutzers geheim halten (im Safe aufbewahren) und nur in Notfällen verwenden. ... Anstatt das Profil SAP_ALL zu benutzen, sollten Sie die darin enthaltenen Berech-tigungen auf die entsprechenden Stellen verteilen. Sie sollten z. B. dem Systemadministrator (oder Superuser) nicht die Berechtigung SAP_ALL zuweisen, sondern nur die für Systemverwaltung erforderlichen Berech-tigungen. .... Dies berechtigt ihn zur Verwaltung des gesamten SAP-Systems, er kann damit jedoch keine Aufgaben in anderen Bereichen ... durchführen.“

1 SAP-Sicherheitsleitfaden der SAP AG, Walldorf, Version 3.0, Stand 11.04.01, S. 8

(Hervorhebungen durch den LRH).

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Zum Prüfungszeitpunkt befanden sich noch 10 aktive Benutzer mit dem Profil SAP_ALL im SAP-Verfahren; im Haushaltsjahr 2002 konnten bis zu 27 aktive Benutzer - darunter auch Mitarbeiter des Finanzministeriums und der Datenzentrale - mit diesem Profil im Produktivverfahren nachgewiesen werden. Die Vergabe dieses Profils an mehrere Nutzer verstößt gegen die Buch-führungsgrundsätze (VV Nr. 2 zu § 71 LHO). So ist es mit dem Grundsatz der Nachvollziehbarkeit (sog. Radierverbot) nicht vereinbar, dass mit der SAP_ALL-Berechtigung beispielsweise die Protokollierung ausgesetzt, die Systemänderbarkeit umgestellt, Änderungen vollzogen und anschließend die ersten beiden Tätigkeiten wieder zurückgesetzt werden könnten. Hier-durch wären keine der vorgenommenen Änderungen nachvollziehbar. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass mit dem Profil SAP_ALL ausgestattete Benutzer Änderungen von Benutzerrechten im Prüfungszeit-raum durchgeführt haben. Diese Vorgehensweise widerspricht sowohl dem Grundsatz der Funktionstrennung als auch den Vorgaben des landes-eigenen Berechtigungskonzepts1. Das Finanzministerium wird aufgefordert darzulegen, aus welchen Gründen es im Produktivsystem diese Berechtigungen - insbesondere auch an nicht dem Landesdienst angehörende Berater und Mitarbeiter der Datenzentrale - vergeben hat, welche Arbeiten am Produktivsystem diese umfassenden Berechtigungen notwendig machten und warum es nicht den Empfehlungen der SAP AG gefolgt ist. Der LRH fordert das Finanzministerium auf, künftig den sicherheits-relevanten Empfehlungen der SAP AG zu folgen.

6.7.3 Anonymisierte Benutzerkennungen Als besonderes Betriebsrisiko wertet der LRH die im Produktivsystem existierenden Kennungen, die nicht eindeutig natürlichen Personen zuge-ordnet werden können. So ist beispielsweise im Produktivsystem die Kennung DZADMIN vorhanden, die von mehreren Personen genutzt wird. Es ist nicht feststellbar, wer aus diesem Personenkreis Änderungen von Daten oder Systemeinstellungen vorgenommen hat. Darüber hinaus ist diese Kennung mit SAP_ALL-Rechten ausgestattet. Damit bestehen u. a. die Möglichkeiten zur umfassenden Benutzerverwaltung, Tabellen-änderungsprotokolle zu löschen, das sog. AUDIT LOG bzw. SYSLOG zu ändern, Daten zurückzusetzen und diese ohne Archivierung zu löschen. Unberechtigte Eingriffe können dadurch nicht ausgeschlossen werden.

1 Vgl. Tz. 6.7.

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Die anonymisierte Vergabe dieser Rechte widerspricht sowohl dem Rahmenberechtigungskonzept des Finanzministeriums als auch den GoBS, die beide eine Transparenz und Nachvollziehbarkeit im System zum Ziel haben. Darüber hinaus widerspricht es auch den Vorgaben der Nr. 7.4 HKR-ADV-Best, wonach die Zugriffe zu dokumentieren sind. Dass die o. a. Kennung in der Datenzentrale eingesetzt wird, unterstreicht die Forderung des LRH nach einem übergreifenden IKS in der Verantwortung des Finanzministeriums.

6.7.4 Nicht ordnungsmäßige Umsetzung der Vertreterregelungen Das Rahmenberechtigungskonzept sieht vor, dass die Tätigkeitsbereiche der Mittelbewirtschaftung (Erfassung - kurz: MB) sowie des Genehmigens und Buchens (Freigabe - kurz: GuB) aufgrund des 4-Augen-Prinzips zwin-gend voneinander getrennt sein müssen. Dies soll verhindern, dass ein Mittelbewirtschafter mit seiner eigenen Kennung Mittel freigibt. Um das 4-Augen-Prinzip auch im Vertretungsfall, wenn ein Benutzer als Vertreter für einen anderen Mittelbewirtschafter und/oder für einen ande-ren GuB im SAP-Verfahren tätig ist, sicherzustellen, wird - durch die vorgenommenen landesspezifischen Anpassungen des SAP-Verfahrens - eine Tabelle im System geführt, die die Beziehung zwischen Vertreter und Vertretenem abbildet. Diese Tabelle (ZVERTRETER) soll in Verbindung mit einer programm-technischen Lösung verhindern, dass derselbe Benutzer Mittel bewirt-schaften und diese genehmigen und buchen kann. Die Regelung über die Tabelle ZVERTRETER ist in der vorgefundenen Umsetzung als problematisch anzusehen, da 1. einige Benutzer über mehrere Kennungen verfügen, 2. Benutzer teilweise Namen führen, die unterschiedliche Schreibweisen

zulassen und damit eine eindeutige systemseitige Überprüfung der Namensidentität zwischen MB und GuB ausschließen,

3. Vertreter auch nach Ende ihrer Vertretungsvollmacht im System als Vertreter fungieren; nur bei 9 von 765 Vertretern wurde ein gültiges Enddatum eingetragen und

4. die technische Eigenschaft der Tabelle eine klassische Historien-führung innerhalb des SAP-Systems nicht ermöglicht.

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Darüber hinaus werden in der Tabelle vorgenommene Eintragungen überschrieben mit der Folge, dass die erforderliche Überprüfung des 4-Augen-Prinzips umgangen werden kann1. Erschwerend kommt hinzu, dass die technische Eigenschaft der Tabelle ZVERTRETER von 2.085 aktiven Benutzern (inkl. der Stellvertreterken-nungen) gelesen werden kann und diesen somit auch die Funktionsweise der Tabelle bekannt wird. Damit erhalten die Benutzer Einblicke in die Revisionsfähigkeit des genutzten und für die Zwecke des Landes ange-passten SAP-Systems. Die vom Finanzministerium gewählte Regelung zur Überprüfung, ob sich die Rechte eines MB und GuB in der Person eines Vertreters - auch über unterschiedliche Kennungen und Zeiträume - in einer Buchung vereinen, ist nicht eindeutig. Damit fand eine Überprüfung der über die Vertreter-berechtigungen vergebenen Zugriffsrechte und damit möglichen Wider-sprüche aus den Rechten MB und GuB zum Prüfungszeitpunkt nicht statt. Diese Praxis weicht vom Rahmenberechtigungskonzept ab. Das derzeit eingesetzte Verfahren ist als nicht ordnungsgemäß zu bewerten. Durch die Abweichung vom SAP-Prinzip zur Berechtigungsvergabe stehen innerhalb des SAP-Standards keine Prüfungsmöglichkeiten zur Verfügung. Auch wurde hierfür eine neue - diese Prüfungslücke schließende - Lösung nicht geschaffen. Damit kann das Finanzministerium nicht für alle Benutzer überprüfen, ob die Funktionen MB und GuB von einer Person ausgeführt werden können. Das Finanzministerium bestätigt die Feststellungen des LRH, dass das Berechtigungskonzept und die praktizierte Vertreterregelung voneinander abweichen. Es werde eine Anpassung des Berechtigungskonzepts an die tatsächlichen Verhältnisse vornehmen. Für die Tabelle ZVERTRETER seien Protokollierung und Historienführung inzwischen aktiviert. Ansonsten werde die Vertreterregelung als mit der erforderlichen Sicherheit ausge-stattet angesehen. Der LRH weist darauf hin, dass die Abweichung zwischen Berechti-gungskonzept und praktizierter Regelung an sich bereits eine Nicht-Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens begründet. Er bittet, ihn an der Anpas-sung des Konzepts zu beteiligen.

1 So ist es möglich, dass ein Benutzer über zeitlich begrenzte und unterschiedliche Ver-

treterkennungen, die sowohl MB- als auch GuB-Rechte umfassen, eine selbst vor-genommene Mittelbewirtschaftung genehmigt und bucht.

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6.7.5 Kritische Berechtigungskombinationen (auch im Finanzwesen) Berechtigungen sind als kritisch zu betrachten, wenn sie geeignet sind, das Prinzip der minimalen Berechtigungsvergabe zu durchbrechen bzw. in sonstiger Weise das Sicherheitsniveau absinken lassen. Neben der einzelnen Berechtigung sind auch die Kombinationen von Berechtigungen besonders kritisch zu würdigen. Zum Prüfungszeitpunkt wurden kritische Berechtigungskombinationen im produktiven Buchführungssystem festgestellt, die dem Finanzministerium mitgeteilt wurden. Nach Auffassung des Finanzministeriums hat die Auflistung der kri-tischen Berechtigungen keine Aussagekraft hinsichtlich der Verfahrens-sicherheit, weil z. B. die dort aufgeführten Anwender die angeführten Akti-vitäten trotz vorhandener Berechtigungen nur durchführen könnten, wenn das System als „änderbar“ deklariert sei. Das Produktivsystem sei aber grundsätzlich immer im Modus „nicht änderbar“ eingestellt. Die Risiken, die von diesen Berechtigungen ausgingen, seien deshalb verschwindend gering und widersprächen nicht den im Rahmenberechtigungskonzept for-mulierten Zielen. Die dem Finanzministerium mitgeteilten Berechtigungen werden nach Auffassung des LRH durch die Tatsache besonders kritisch, dass 21 Be-nutzerkennungen über die Berechtigung „Systemänderbarkeit einstellen“ verfügen, die nur einer, höchstens 2 Benutzerkennungen zugestanden werden sollte. Das Finanzministerium teilt zwar nicht die Bewertung des LRH hinsichtlich der hohen Anzahl der Nutzer und der weitgehenden z. T. kriti-schen Berechtigungen als „deutliche Beeinträchtigung der IT-Sicherheit des eingesetzten Verfahrens“, will aber gleichwohl die Berechtigungen auf das notwendige Maß beschränken. Der LRH rät, künftig das Prinzip der minimalen Berechtigungen aus Sicherheitsgründen strikt umzusetzen und dabei auf das Zusammentreffen verschiedener kritischer Berechtigungen ein besonderes Augenmerk zu richten. Er bittet das Finanzministerium, ihn auch zu diesem Punkt an der Überarbeitung des Berechtigungskonzepts zu beteiligen.

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6.8 Zusammengefasstes Ergebnis der Prüfung Aufgrund der fehlenden inhaltlichen Abnahme sowie der noch nicht ab-geschlossenen Einführung des SAP-Verfahrens zu Beginn des Haushalts-jahres 2002 muss das verfahrensbezogene Risikopotenzial für die Ord-nungsmäßigkeit des Untersuchungsgegenstands als hoch eingestuft werden. Das im Land Schleswig-Holstein zur Abbildung der dezentralen Mittelbe-wirtschaftung eingesetzte und auf die Bedürfnisse der kameralen Buch-führung angepasste SAP-Verfahren bietet bezogen auf die Sicherheit eine eingeschränkte Funktionalität, sodass es bei vorgenommenen Eingaben nicht zwingend zu • richtigen, • vollständigen, • zeitgerechten und • nachvollziehbaren Ergebnissen kommen muss. Diese Prüfungsfeststellungen des LRH beruhen auf den Ergebnissen des für diese Prüfung eingesetzten externen Sachverständigen. Nach Nr. 3.3.1 der Korruptionsrichtlinie Schleswig-Holstein1 zielen die dienstrechtlichen, organisatorischen, haushalts- und kassenrechtlichen Regelungen auf eine korruptionshemmende Wirkung ab. Danach muss sichergestellt sein, dass • Transparenz gewährleistet ist und zwar so, dass Entscheidungen nach-

vollziehbar und aktenkundig begründet werden; dies gilt insbesondere auch für Vorgänge, die IT-gestützt bearbeitet werden und

• das 4-Augen-Prinzip eingehalten und verstärkt wird. Durch • die nicht ordnungsgemäße Abbildung der Vertreterregelung, • die von den Konzepten abweichende Vorgehensweise bei der prakti-

schen Umsetzung der Berechtigungsvergabe, • anonymisierte Kennungen und eingerichtete Sonderbenutzer, • die nicht vorgenommene Protokollierung sowie • das fehlende IKS werden die von der Landesregierung angestrebten Kontrollmechanismen zur Korruptionsbekämpfung und insbesondere die Korruptionsprävention unterlaufen.

1 Vgl. Richtlinie „Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung in der Landesver-

waltung Schleswig-Holstein“ (Korruptionsrichtlinie Schl.-H.) vom 07.11.2003, Amtsbl. Schl.-H. S. 826.

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Dies weist das Finanzministerium zurück. Der LRH sieht angesichts der aufgezeigten Sicherheitsmängel keinen Grund, seine Auffassung zu ändern. Nach den Feststellungen des LRH war vielmehr zum Prüfungszeitpunkt die Einhaltung dieser Kontrollmechanismen im SAP-Verfahren nicht gege-ben. Der LRH erwartet daher - auch zum Schutz der mit der Wahrneh-mung von Buchführungsaufgaben und Kassengeschäften beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - eine zügige Schließung der aufgezeigten Sicherheitslücken, damit zukünftig ein zur ordnungsmäßigen Buchführung und zur Erstellung eines Jahresabschlusses geeignetes Verfahren im Produktiveinsatz genutzt werden kann. Vor dem Hintergrund dieser Prüfungsfeststellung im Zusammenhang mit den Feststellungen zur Haushaltsrechnung 2002 - dem erstmals unter SAP erstellten Jahresabschluss - stellt sich die Frage, ob ein nicht ord-nungsgemäß auf die Bedürfnisse des staatlichen Rechnungswesens des Landes Schleswig-Holstein eingestelltes Buchführungsverfahren die Buch-führungsergebnisse ordentlich abgebildet hat und hieraus ein ordentlicher Jahresabschluss erstellt werden konnte. Der LRH kann diese Frage auf-grund der oben dargestellten Verfahrensmängel nicht (mehr) abschließend beantworten. Im Übrigen nimmt das Finanzministerium wie folgt Stellung: „Schleswig-Holstein ist bundesweit das erste Land gewesen, das mit der Einführung von SAP R/3 IS-PS auch gleichzeitig das SAP-Kassen-verfahren auf der Grundlage der kaufmännischen Buchführung (SAP-Modul FI) eingesetzt hat. Damit steht in Schleswig-Holstein ein hoch integratives und auch auf die Belange der kaufmännischen Buchführung eingerichtetes Verfahren zur Verfügung. Die bei der Umstellung des abge-lösten HKR-Verfahrens auf das komplexe und mächtige SAP-Verfahren aufgetretenen Übergangsschwierigkeiten, Mängel und Fehler gingen dabei nicht über ein vertretbares Maß hinaus. Das Finanzministerium räumt zwar ein, dass die Einführung des SAP-Verfahrens, weniger die Mittelbewirtschaftung, mehr das Kassenverfahren, nicht immer problemlos war und zur Aufgabenerledigung in der Kassen-verwaltung und zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes in Einzelfällen auch formlose und schnelle Wege gegangen werden mussten. Das Finanzministerium weist aber darauf hin, dass sich das Verfahren im Prüfungszeitraum noch im Stadium des Überganges vom General-unternehmer auf die Fa. Dataport befand. Aus diesem Zustand resultierten Fehler und Mängel und insbesondere über das normale Maß hinausge-

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hende Berechtigungsvergaben und -einstellungen. Dies war dem LRH bekannt und hätte erwähnt werden müssen. Deshalb hält das Finanz-ministerium die Bedenken des LRH nicht für das Ergebnis einer objektiven und ergebnisoffenen Prüfung.“ Nach Auffassung des Finanzministeriums erfülle darüber hinaus das SAP-Verfahren die gesetzlichen Bestimmungen der LHO. Es sehe in den GoBS keine im Land gültige Rechtsgrundlage für die Beurteilung der IT-Sicherheit des SAP-Verfahrens und halte die Schlussfolgerungen des LRH für unzutreffend. Gleichwohl werde das Finanzministerium auch die in die-ser Grundlage enthaltenen Prinzipien der Verfahrenssicherheit beachten und umsetzen, um eine größtmögliche Sicherheit für das SAP-Verfahren zu erreichen. Das Finanzministerium hält es wegen des nicht geführten Nachweises fehlerhafter Buchungen aufgrund der Sicherheitsmängel für unzulässig, nur aufgrund theoretisch begründeter Sicherheitsbedenken die Buchfüh-rungsergebnisse für die Haushaltsrechnung 2002 als „unordentlich“ zu bezeichnen. Damit verkennt das Finanzministerium nach Auffassung des LRH die Bedeutung der Sicherheitsmängel für die Buchführung des Landes, für die es keines Beispiels bedarf. Der LRH verkennt nicht, dass eine derart komplexe Verfahrensumstellung zu erheblichen Einführungsproblemen und Reibungsverlusten führen kann. Gerade die Ausführungen des Finanzministeriums unterstreichen die Feststellungen des LRH, dass die Vorbereitungszeit für die Verfah-renseinführung zu kurz war. Der LRH begrüßt die Absicht des Finanz-ministeriums, nunmehr die bestehenden Sicherheitsmängel zu beseitigen und die Anregungen des LRH hierfür umzusetzen. Er nimmt dies zur Kenntnis und wird das Finanzministerium hierbei unterstützen.

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7. Feststellungen zur Haushaltsrechnung 2002

Die Vorbereitungen des Finanzministeriums und seines Bera-tungsunternehmens für den ersten Jahresabschluss und die Haushaltsrechnung 2002 unter SAP R/3 haben viel zu spät - erst weit nach Einführung des Verfahrens - begonnen. Der kamerale Jahresabschluss unter SAP R/3 wurde nicht mit Echtdaten getestet. Dies erfolgte lediglich für einzelne Funktio-nalitäten. Die dem LRH für die Prüfung der Haushaltsrechnung zur Verfü-gung gestellten Unterlagen standen nicht rechtzeitig, nicht rich-tig bzw. nicht vollständig zur Verfügung. Im Wesentlichen stellte der LRH folgende Mängel nach der Um-stellung auf das neue Verfahren fest: • Am Jahresanfang 2003 wurden Buchungen entgegen § 72

LHO verfahrensmäßig dem Haushaltsjahr 2002 zugeordnet. • Das Buchführungsverfahren lieferte nicht die kassenmäßigen

und haushaltsmäßigen Gesamtergebnisse gem. §§ 82 und 83 LHO.

• Die aus dem SAP-Verfahren produzierten Jahresabschluss-listen für die nicht abgewickelten Festlegungen haben unter-schiedliche Bestände.

• Die Nachweisungen der Abschlags- und Vorauszahlungen weichen von der Buchführung ab.

• Die dem LRH vorgelegten Bestandslisten Verwahrungen und Vorschüsse aus dem SAP-Verfahren für die Kassen stimmen jeweils nicht mit der Buchführung des Landes überein.

Darüber hinaus gab es eine Reihe von Beanstandungen bei der Haushaltsführung und Rechnungslegung. Die Kreditobergrenze nach Art. 53 LV wurde durch den Nach-tragshaushalt unter Berufung auf die Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts gem. Art. 53 Satz 2, Halbsatz 2 LV überschritten. Damit wurde die Nettokreditaufnahme am Kredit-markt im Haushaltsjahr 2002 gegenüber dem Ursprungshaushalt auf 1,1 Mrd. € mehr als verdoppelt. Die Diagnose der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und die von der Landes-regierung und dem Parlament eingesetzten Mittel zur Beseiti-gung der Störung stehen nach Auffassung des LRH nicht im Einklang mit der LV.

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Mit Blick auf die im Vollzug des Haushalts tatsächlich finanzier-ten Investitionen wurde die Verfassungsgrenze nicht wie vorge-sehen um 543 Mio. € sondern um 574 Mio. € überschritten. Die nahezu konstante Entwicklung der Zinsausgaben des Lan-des ist bei steigender Verschuldung von einem sinkenden Zins-niveau abhängig. In ihrer Finanzplanung geht die Landesregie-rung bereits ab 2006 von steigenden Zinsausgaben aus.

7.1 Vorbereitung und Durchführung des Jahresabschlusses und der Rechnungslegung 2002 Erst Ende September 2002, also ein Jahr nach Einführung von SAP R/31 für die Mittelbewirtschaftung und weit nach Beginn des Haushaltsjahres, für das Rechnung gelegt werden sollte, begann das vom Finanzministeri-um eingesetzte Beratungsunternehmen damit, die Vorbereitungen für die Rechnungslegung zu treffen. Der seinerzeit aufgestellte Zeitplan des Bera-ters für die Fertigstellung der Unterlagen wurde nicht eingehalten. Das Finanzministerium bedauert die daraufhin verspätete Vorlage der Rechnungsunterlagen. Damit war bei Beginn des Echt-Betriebs des SAP-Verfahrens nicht sicher-gestellt, ob die abschlussrelevanten Buchungsvorgänge vollständig und korrekt erfasst und damit im Jahresabschluss dargestellt werden konnten. Bereits vor dem Echt-Betrieb hätte ein Jahresabschluss mit begrenztem Testdatenbestand (aus Echt-Daten) simuliert werden müssen. Das Finanzministerium bestätigt, dass zwar mit Echt-Daten getestet wor-den sei, allerdings seien nur einzelne Funktionalitäten getestet worden, nicht aber der Gesamt-Abschluss. Dies sei wegen fehlender personeller, zeitlicher und technischer Ressourcen nicht möglich gewesen. Der LRH hat schon frühzeitig gegenüber dem Finanzministerium auf die notwendigen Abstimmungen und Klärungen im Zusammenhang mit einem kameralen Jahresabschluss aus dem SAP-Verfahren hingewiesen. Bereits im Jahr 2000 hat der LRH die Einrichtung eines Workshops für die Vorbe-reitung des Jahresabschlusses vorgeschlagen. Das Finanzministerium hat diesen Vorschlag nicht aufgegriffen. Erst ab September 2002 wurde auf Anregung des Finanzministeriums gemeinsam mit dem LRH an der Vorbe-reitung der Rechnungslegungsunterlagen gearbeitet. Bis heute liegt dem LRH kein Konzept für den ersten Jahreswechsel und Jahresabschluss mit dem SAP-Verfahren für den Jahresabschluss 2002 und die folgenden Jah-resabschlüsse vor. Noch für den Abschluss 2001 war ein Konzept über das Zusammenspiel zwischen altem HKR-Verfahren und neuem SAP-

1 Im Folgenden SAP-Verfahren genannt.

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Verfahren vorgelegt worden. Dieses hätte vor dem Hintergrund, dass der Abschluss 2002 erstmals vollständig mit SAP durchgeführt wurde, weiter-entwickelt werden müssen. Das Finanzministerium vertritt die Auffassung, dass das für 2001 vorge-legte Jahresabschlusskonzept weiter Gültigkeit habe und mit dem LRH besprochen wurde. Dies trifft nach Ansicht des LRH nicht für den ersten Jahresabschluss unter SAP für 2002 zu. So weist das Konzept für den Jahresabschluss 2001 (auf S. 4 des Konzepts) darauf hin, dass die Ge-samtrechnungslegung mit SAP eine Ergänzung des alten Konzepts erfor-derlich macht. Ab Oktober 2002, also 10 Monate nach Beginn und 2 Monate vor Ende des Haushaltsjahres, für das erstmals mit dem SAP-Verfahren Rechnung gelegt werden sollte, wurden dem LRH die ersten vereinzelten Probeaus-wertungen zugesandt. Die Auswertungen und Rechnungsnachweisungen für den Jahresabschluss wurden nicht - wie vom LRH mehrfach gefordert - auf der Basis eines einheitlichen Testdatenbestands erstellt und konnten so nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit und ihre Stimmigkeit mit anderen Nachweisungen geprüft werden. Weitere Abstimmungen mit dem LRH ha-ben vor Jahresabschluss nicht stattgefunden. Der LRH konnte somit ledig-lich auf den Aufbau und offensichtliche Unstimmigkeiten oder Unplausibili-täten der Listen Einfluss nehmen. Eine inhaltliche Prüfung der Testausdru-cke durch den LRH, geschweige denn eine inhaltliche Abstimmung war angesichts der ungenügenden Vorbereitung durch das Beratungsunter-nehmen und das Finanzministerium nicht möglich. Zusätzlich wurde die Prüfung der Haushaltsrechnung 2002 durch erhebli-che Verspätungen bei der Vorlage der erforderlichen Unterlagen behin-dert. Nachdem das Finanzministerium noch im November 2002 davon ausging, dass die Unterlagen für die Prüfung rechtzeitig vorgelegt wer-den1, wurde der Termin für die Vorlage der Unterlagen der Ressorts beim LRH wegen technischer Probleme bei der Erstellung der Jahresab-schlussunterlagen aus dem SAP-Verfahren vom 15.05.2003 auf den 30.06.2003 verschoben (vgl. Tz. 7.3.1).2 Die zentralen Jahresabschlussunterlagen wurden mit durchschnittlich 2-monatiger Verzögerung (z. B. Zentral- und Hauptrechnung, Gesamt-rechnungsnachweisung, Liste der nicht abgewickelten Festlegungen, Liste der nicht abgewickelten Abschlags- und Vorauszahlungen nach Einzelplä-

1 Schreiben des Finanzministeriums an den Finanzausschuss vom 26.11.2002, Umdruck

15/2675. 2 Schreiben des Finanzministeriums an den Finanzausschuss vom 20.05.2003, Umdruck

15/3386.

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nen - Epl.) erstellt. Teilweise wurden dem LRH Unterlagen auch erst 6 Monate später als im Vorjahr zugeleitet (z. B. Liste der gestundeten und befristet niedergeschlagenen Beträge, Liste der unbefristet niedergeschla-genen Beträge, Bestand an Verpflichtungsermächtigungen (VE), Inan-spruchnahme von VE). Erst danach war für den LRH eine Abstimmung der Unterlagen auch miteinander möglich (z. B. Verwahrungen und Vorschüs-se mit der Gesamtrechnungsnachweisung). Einige Unterlagen konnten aus technischen Gründen nicht oder nicht vollständig erstellt werden (z. B. Gesamtrechnungsnachweisung vor Jahreswechsel, Gesamtrechnungs-nachweisung Finanzkassen vor Jahreswechsel, Gruppierungsübersicht am ersten Werktag des neuen Haushaltsjahres für das abgelaufene Haus-haltsjahr) oder waren mit den vom Verfahren zur Verfügung gestellten Da-ten nur eingeschränkt verwendbar (z. B. Bestand an VE, Abrechnung Ge-samtverfahren). Aufgrund der verspäteten Vorlage sowohl der zentral als auch dezentral von den Ressorts zur Verfügung zu stellenden Unterlagen des Jahresab-schlusses mussten insbesondere Erhebungen in Dienststellen reduziert werden. Der LRH ist vor dem Hintergrund der dargestellten Verzögerungen und der Mängel der Unterlagen gezwungen, seine Feststellungen zur Prüfung der Landeshaushaltsrechnung auf die vorgelegten mängelbehafteten Unterla-gen zu beschränken. Der LRH hat das Finanzministerium und den Finanzausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags bereits frühzeitig auf die Auswirkun-gen einer verspäteten Vorlage der Unterlagen für die Prüfung der Landes-haushaltsrechnung 2002 hingewiesen.1 Der LRH steht weiterhin mit dem Finanzministerium in einem laufenden Austausch der noch nicht richtigen Darstellungen in den Jahresabschluss-unterlagen, um für künftige Jahresabschlüsse eine Korrektur der Verfahren zu erreichen. Das Finanzministerium führt die nicht richtigen Ergebnisse in den Listen und Nachweisungen zur Rechnungslegung i. d. R. auf fehlerhafte Buchun-gen im Verfahren zurück. Es sieht diese als Folge der Umstellung des Rechnungswesens vom abgelösten HKR-Verfahren auf das SAP-Verfah-ren und arbeitet intensiv an einer Aufklärung und Vermeidung dieser Feh-ler, um künftig korrekte Rechnungslegungsunterlagen bereitstellen zu kön-nen.

1 Schreiben des LRH an die Vorsitzende des Finanzausschusses und an das Finanz-

ministerium vom 15.05.2003.

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7.2 Besondere Feststellungen aufgrund der Umstellung des Jahresab-schlusses und der Rechnungslegung auf das SAP-Verfahren

7.2.1 Der LRH stellt fest, dass die Vorschriften von § 72 LHO, der die Buchung nach Haushaltsjahren regelt, bei Buchungen von Zahlungseingängen, die Anfang des neuen Haushaltsjahres dem alten Jahr zugeordnet wur-den, verletzt werden. Das Finanzministerium hat den Tagesabschluss 30.12.2002 schwebend bis zum 06.01.2003 offen gehalten. Vom 06. auf den 07.01.2003 wurde der Buchungstag 30.12.2002 beendet. In der vor-genannten Zeit wurden aus dem ELKO (elektronischer Kontoauszug) auch Einzahlungen dem Haushaltsjahr 2002 zugeordnet. Die generelle Buchung von Einzahlungen, bei denen nicht durch gesonderte Zuordnungsmerkma-le eine korrekte Zuordnung zu dem richtigen Kalenderjahr möglich ist, auf das alte Haushaltsjahr 2002 widerspricht § 72 LHO. Das Finanzministerium bestätigt, dass im neuen Haushaltsjahr dem Kon-to der Landeskasse im Kalenderjahr 2002 gutgeschriebene Einzahlungen dem Haushaltsjahr 2002 noch zugeordnet worden sind. Es sieht hierin keinen Verstoß gegen § 72 LHO. Gem. § 72 Abs. 2 LHO sind Zahlungen für das Haushaltsjahr zu buchen, in dem sie eingegangen oder geleistet worden sind. Vor Einführung des SAP-Verfahrens wurden die vom Finanzministerium aufgeführten Buchun-gen entsprechend § 72 Abs. 2 LHO stets dem Haushaltsjahr, in dem die Kasse Kenntnis von dem Zahlungseingang erhalten hat, zugeordnet.1 Erst mit Einführung des auf kaufmännische Belange abgestellten SAP-Verfahrens wird wie vom Finanzministerium beschrieben gebucht. Der LRH schlägt vor, das Regelwerk der LHO zu ändern, sofern das Buchfüh-rungsverfahren nicht den geltenden Vorschriften angepasst werden kann.

7.2.2 In der vorgelegten Hauptrechnung über die Einnahmen und Ausgaben aus dem SAP-Verfahren für das Haushaltsjahr 2002 wurden das kassenmäßi-ge Gesamtergebnis (§ 82 LHO) und das rechnungsmäßige Gesamtergeb-nis (§ 83 LHO) nicht dargestellt. Das Finanzministerium hat diese Ab-schlüsse manuell ermittelt und in der gedruckten Haushaltsrechnung 20022 ausgewiesen. Nach Mitteilung des Finanzministeriums konnten die für die Darstellung erforderlichen Daten bzw. Berechnungen nicht aus dem SAP-Verfahren erstellt werden. Der LRH fordert das Finanzministerium auf

1 Gem. Piduch, Bundeshaushaltsrecht - Kommentar Rd. 3 zu § 72 BHO gilt für die Zuord-

nung von Zahlungen das Fälligkeitsprinzip gem. § 11 BHO (ebenso § 11 LHO). Gem. VV zu § 11 BHO/LHO dürfen nur diejenigen Einnahmen und Ausgaben veranschlagt werden, die im betreffenden Haushaltsjahr auch kassenwirksam werden. Nach diesem Prinzip der Veranschlagung sind auch die Zahlungen zu buchen.

2 Haushaltsrechnung 2002, Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003, S. 11 - 13.

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zu veranlassen, dass künftig die nach den §§ 82 und 83 LHO erforderli-chen Abschlüsse aus dem SAP-Verfahren erstellt werden.1

7.2.3 Für das Haushaltsjahr 2002 wurden bei 5 Dienststellen stichpunktartig

Belegprüfungen durchgeführt. Es gab keine wesentlichen Beanstandun-gen. Die Belege der geprüften Buchungsstellen waren vollständig und stimmten mit den Ergebnissen der Buchführung überein.

7.2.4 Die Übernahme von Altdatenbeständen aus 2001 nach 2002 aus dem

HKR-Verfahren (Verwahrungen, Vorschüsse, offene Posten) in das SAP-Verfahren hat das Finanzministerium stichpunktartig für Titelergebnisse geprüft. Die Landesbezirkskassen (LBK)2 hatten die richtige und vollstän-dige Übernahme gegenüber dem Finanzministerium bestätigt. Der LRH hat bei der Landeskasse ebenfalls eine stichpunktartige Prüfung der Über-nahme der Altdaten vorgenommen und keine Fehler festgestellt. Eine Abstimmung aller Daten, die aus dem alten in das neue Verfahren überspielt wurden, hat das Finanzministerium nicht vorgenommen. LRH und Finanzministerium sind hierüber weiterhin im Gespräch. Weder von den Ressorts noch von der Landeskasse und dem Finanzministerium lie-gen Vollständigkeitserklärungen der übernommenen Altbestände vor.

7.2.5 Das Ergebnis der IT-Sicherheitsprüfung und der Prüfung des Berechti-gungskonzepts3 hat eine Reihe von Sicherheitsmängeln und Unzuläng-lichkeiten der Berechtigungsvergabe aufgezeigt. Das Finanzministerium wird aufgefordert, bei der Vorlage der nächsten Haushaltsrechnung nach-zuweisen, dass die festgestellten Sicherheitsmängel und Unzulänglichkei-ten des Berechtigungswesens beseitigt wurden. Der LRH weist darauf hin, dass die Überwachung der IT-Sicherheit und des Berechtigungswesens eine Daueraufgabe des Finanzministeriums selbst ist.

7.2.6 Der LRH hat angesichts der späten Vorlage der Prüfungsunterlagen und des erheblichen zusätzlichen Prüfungsaufwands aufgrund der Verfahrens-umstellung keine Prüfung der automatischen Überleitungen der Daten aus Vorverfahren über Schnittstellen durchgeführt.

7.2.7 Die Verwahrungen zum Stand 31.12.2002 sind gemäß VV Nr. 1.2.1 zu § 80 LHO nachzuweisen. Dieser Bestand ist nach VV Nr. 20.3.2 zu § 71 LHO in das folgende Haushaltsjahr zur weiteren Bearbeitung zu übertra-gen. Bei diesem Vorgang, nämlich dem Vortrag des Gesamtbestands in das Jahr 2003, ist durch das Jahreswechselprogramm und durch Anwen-

1 Vgl. Nr. 6.1.1 dieser Bemerkungen. 2 Zum 01.05.2003 wurden die Landesbezirkskassen und die Landeshauptkasse zur Lan-

deskasse Schleswig-Holstein (Landeskasse) zusammengelegt. 3 Vgl. Nr. 6 dieser Bemerkungen.

60

derfehler ein Bestand nicht in das Haushaltsjahr 2003 vorgetragen wor-den. Der überwiegende Teil der nicht übertragenen Bestände wurde durch Korrekturbuchungen in 2003 bereinigt. Für den verbliebenen Betrag konn-te der Finanzminister den Ausgleich in 2003 belegen. Ursächlich für die Korrekturen waren falsche Kontenzuordnungen im kaufmännischen Fi-nanzbuchhaltungs-Bereich. Die kameralen Titelergebnisse 2002 stimmten mit Ausnahme der Beanstandungen in Tz. 7.9. Hier handelt es sich um ein Problem, das nur wegen Anwendung eines kaufmännischen Verfahrens zur Erstellung eines kameralen Jahresabschlusses entstanden ist. Der LRH fordert das Finanzministerium auf, bei künftigen Jahreswechseln derartige Fehler im Programm und bei der Anwendung zu vermeiden.

7.2.8 Im Jahr 2002 konnte das Land wegen der mangelhaften Zuordnung der Zahlungseingänge zu den korrekten Buchungsstellen zunächst keine Mahnungen durchführen. Dies hat möglicherweise zu Einnahmeverlusten des Landes geführt. Das Finanzministerium hat die Frage, wie hoch die etwaigen Einnahmeausfälle des Landes hieraus waren und ob ggf. gegen-über dem Beratungsunternehmen Schadensersatz geltend gemacht wur-de,1 wie folgt beantwortet: Das Finanzministerium erklärt, dass es einen Zinsverlust in Höhe von rd. 32,8 T€ errechnet und gegenüber dem Beratungsunternehmen geltend gemacht habe. Im Wege des Vergleichs gem. § 58 Abs. 1 Nr. 2 LHO wäre der Schadensersatzanspruch des Landes durch eine Zahlung in Höhe von 20 T€ als abgegolten betrachtet worden. Eine Begründung, inwiefern ein Vergleich zweckmäßig und wirtschaftlich i. S. von § 58 Abs. 1 Nr. 2 LHO ist, gibt das Finanzministerium nicht. Der LRH bittet um Erläuterung.

7.3 Allgemeine Feststellungen zur Haushaltsrechnung 2002

Die Landesregierung hat dem Landtag gem. Art. 55 Abs. 1 Satz 2 Landes-verfassung (LV) die Haushaltsrechnung mit einer Übersicht über das Vermögen und die Schulden des Landes im nächsten Haushaltsjahr vorzulegen. Zur Haushaltsrechnung berichtet der LRH dem Landtag und der Landesregierung unmittelbar. Die Landesregierung legte die Haushaltsrechnung 2002 dem Landtag am 20.11.2003 mit Landtagsdrucksache 15/3054, dem LRH am 01.12.20032 vor.

7.3.1 Der Termin für die dem LRH für die Prüfung der Haushaltsrechnung vorzu-legenden Unterlagen, u. a. die Beiträge der Ressorts mit den dazugehö-renden Anlagen zur Haushaltsrechnung musste vor dem Hintergrund

1 Finanzausschusssitzung vom 23.05.2002. 2 Eingang beim LRH.

61

der Umstellung auf das SAP-Verfahren aus technischen Gründen auf En-de Juni 2003 verschoben werden.1 Zu diesem Zeitpunkt lagen die voll-ständigen, richtigen Unterlagen nur von 2 Epl. und für 9 Kapitel (Kap.) des Epl. 12 vor. Insgesamt waren 11 Nachlieferungen und 15 Korrekturen be-reits abgegebener Unterlagen erforderlich, sodass dem LRH erst am 31.10.2003 von den Ressorts alle für die Prüfung vorzulegenden Unterla-gen zur Verfügung standen. Die Landeshauptkasse verbindet die veranschlagten Einnahmen und Aus-gaben sowie deren Änderungen mit den abgerechneten Einnahmen und Ausgaben. Die sich daraus ergebende Haushaltsrechnung hat das Fi-nanzministerium aufgestellt. Die Jahresabschlüsse der Landesbetriebe werden in Anlagen zur Haus-haltsrechnung dargestellt.

7.3.2 Der endgültige Abschluss der Bücher für das Haushaltsjahr 2002 wurde erst am 17.03.2003 vorgenommen, weil die Abrechnung des Länder-finanzausgleichs unter Berücksichtigung des Umsatzsteueraufkommens des Landes und die Abrechnung der Bundesergänzungszuweisungen für das gesamte Jahr 2002 abgewartet und Einzahlungen bzw. Verrech-nungsbuchungen in Höhe von insgesamt rd. 65,5 Mio. € noch für das Jahr 2002 vereinnahmt wurden.

7.3.3 In das Haushaltsjahr 2002 fiel die Euro-Umstellung der Buchführung des Landes. Im SAP-Verfahren wurde bereits seit Jahresbeginn in der Trans-aktionswährung EURO gebucht. Erst in der Zeit vom 08. bis 13.05.2002 wurde das Gesamtverfahren auf die Hauswährung EURO umgestellt, da noch Tests nach Einführung des Kassenverfahrens zum 01.01.2002 not-wendig waren. Die VV zur LHO wurden am 27.04.2001 angepasst. Mit Erlass vom 31.10.2001 hat das Finanzministerium alle Dienststellen umfangreich über die Euro-Umstellung unterrichtet. Der LRH hat keine Prüfungen der Vollständigkeit, Zeitgerechtigkeit und Angemessenheit der mit der Euro-Umstellung beim Land verbundenen Maßnahmen durchgeführt. Nach Auskunft des Finanzministeriums haben sich im Zusammenhang mit der Euro-Umstellung mit Ausnahme geringfügiger Rundungsdifferenzen keine nennenswerten Probleme ergeben.

1 Vgl. Tz. 7.1.

62

7.4 Haushaltsüberschreitungen

7.4.1 Die im Haushaltsplan ausgewiesenen Ausgabeansätze und die Aus-gabereste ergeben das Gesamt-Ausgabe-Soll. Sollerhöhungen aufgrund § 7 Haushaltsgesetz (HG), der LHO oder von Haushaltsvermerken hat das Parlament bereits zugestimmt. Über diese vom Parlament erteilten Er-mächtigungen, Mehrausgaben zu leisten, hinaus darf das Finanzminis-terium im Falle unvorhergesehener und unabweisbarer Bedürfnisse in über- oder außerplanmäßige Ausgaben einwilligen (Notbewilligungsrecht gem. § 37 Abs. 1 LHO), sofern nicht ein Nachtragshaushalt eingebracht werden muss (§ 37 Abs. 2 und 3 LHO). Anträge auf über- und außerplanmäßige Ausgaben sind unter Berücksich-tigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts1 für die Ausübung die-ses Notbewilligungsrechts zu prüfen.2 Das Ergebnis ist zu dokumentieren. Mehrausgaben (Haushaltsüberschreitungen) - mit und ohne Einwilligung des Finanzministeriums -, die sich beim Vollzug des Haushaltsplans erge-ben, werden in der Haushaltsrechnung nachgewiesen. Insgesamt wurden die Haushaltsansätze um 42.187.647,78 € überschritten, davon waren: überplanmäßig 41.041.158,36 €, außerplanmäßig 1.146.489,42 €. Das Gesamtvolumen der Überschreitungen hat sich gegenüber 2001 (rd. 20,1 Mio. €) mehr als verdoppelt.

7.4.2 Die gesamten Haushaltsüberschreitungen verteilen sich wie folgt auf die Ressorts und Hauptgruppen (HGr.) - gerundet auf volle € -:

1 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 25.05.1977 - 2 BvE 1/74 -, NJW 1977,

Heft 31, S. 1387 ff. 2 Vgl. Empfehlungen in den Bemerkungen 1995 des LRH, Nr. 7.4.

63

Epl. Personal-ausgaben

HGr. 4

Sächliche Verwal- tungs-

ausgaben

HGr. 5

Zuwendungen mit

Ausnahme für Inves- titionen

HGr. 6

Baumaß-nah- men

HGr. 7

Sonstige Investitio- nen und Investi-

tionsförde- rungen HGr. 8

Besondere Finanzie-

rungs-maß-

nahmen

HGr. 9

Gesamt

01 12.075 294 12.368

02

03 327.625 327.625

04 22.398.735 300.295 22.699.030

05 2 166 168

06 6.432 6.432

07 2.059.107 29.188 2.998.279 441.284 17.788 5.545.646

08 869 90.360 735.173 826.402

09 37.327 3.172 606 41.106

10 3.856.403 3.856.403

11 5.666.815 2.157.242 580.746 8.404.803

12 31.071 31.071

13 22 224.374 212.198 436.594Sum-me 7.782.649 2.414.435 30.374.593 31.071 831.938 752.961 42.187.648

Differenzen zwischen Gesamtzahl und der Summe der Teilzahlen entstehen durch unabhän-gige Rundungen; allen Rechnungen liegen ungerundete Zahlen zugrunde. Dies gilt auch für alle folgenden Tabellen.

7.4.3 Die Überschreitungen waren mit Einwilligung des Finanzministeriums gedeckt durch: • Einsparungen 7.209.514,83 €, • Einnahmen bzw. Mehreinnahmen 11.312.720,87 €, • Berichtigungsbuchungen gem. § 35 LHO in 2001 109.047,89 €, • Mehreinnahmen in 2003 2.402.976,18 €, • andere Deckungen, die in 2003 erbracht werden,

− durch Inabgangstellung von Ausgaberesten 310.339,05 €, − durch Inabgangstellung von Rücklagen 735.173,13 €.

Die Haushaltsrechnung weist aus, dass Überschreitungen in Höhe von 20.107.875,83 € (Vorjahr: 15.036.649,92 €) entgegen § 37 Abs. 5 LHO nicht gedeckt sind. Dies betrifft insbesondere folgende Positionen: • rd. 11,0 Mio. € Erstattung von Wohngeld an die Bewilligungsstellen, • rd. 1,1 Mio. € Ausbildungsförderung, • rd. 5,7 Mio. € Versorgungsbezüge für Beamtinnen und Beamte sowie • rd. 2,2 Mio. € Mieten für Fernsprecheinrichtungen. Der Haushalt ist insgesamt ausgeglichen. Das Finanzministerium sollte aber darlegen, wo die Deckung für diese Ausgaben erbracht worden ist.

64

Die Haushaltsüberschreitungen ohne Einwilligung des Finanzminis-teriums betrugen rd. 1.367 T€ bei 29 Titeln (2001: 1.174 T€). Die unge-nehmigten Überschreitungen waren überwiegend, wie wiederholt seit Jah-ren festgestellt, auf mangelnde Überwachung sowie auf fehlende oder nicht rechtzeitige Abstimmung während des Haushaltsvollzugs zurückzu-führen. Auch im Zuge der Modernisierung der Bewirtschaftung von Haus-haltsmitteln bleibt die Haushaltsüberwachung weiterhin erforderlich. Ferner waren auch Fehlinterpretationen des HG und von Haushaltsvermerken für die ungenehmigten Haushaltsüberschreitungen ursächlich. Folgende ungenehmigten Überschreitungen seien beispielhaft genannt: • Überschreitung um rd. 300 T€ bei Titel 0401-883 69, Maßnahmen in

der Metropolregion Hamburg, Zuweisungen an Kreise und Ge-meinden,

• Überschreitung um rd. 133 T€ bei Titel 0733-684 15, Zuwendungen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur Förderung von Gra-duiertenkollegs,

• Überschreitung um rd. 735 T€ bei Titel 0801-919 01 Zuführung an die Rücklage Personal.

Das Finanzministerium weist darauf hin, dass es sich bei Überschreitun-gen von über 1 Mio. € nicht um Ist-Ausgaben, sondern lediglich um bu-chungstechnische Vorgänge (fehlerhafte Restebildung sowie Zuführungen an Rücklagen) handele, die im folgenden Jahr korrigiert würden. Mit den festgestellten Haushaltsüberschreitungen ohne Einwilligung des Finanzministeriums und des Parlaments wurden Ausgabeermächtigungen über den Haushaltsplan des Vorjahres hinaus in das Folgejahr übertragen. Der LRH nimmt zur Kenntnis, dass das Finanzministerium diese in Ab-gang gestellt hat und wird auf die Angelegenheit im Rahmen der Prüfung der Haushaltsrechnung 2003 wieder zurückkommen. Nach dem Beschluss des Landtages1 ist die Landesregierung aufgefor-dert, Sanktionsmaßnahmen bei auftretenden ungenehmigten Überschrei-tungen vorzuschlagen.

7.4.4 Mit Einwilligung des Finanzministeriums vom 20.11.2002 wurden im Kap. 0703 Maßnahmegruppe (MG) 01 (Ausbildungsförderung) überplanmä-ßig Ausgabemittel in Höhe von 3.152.536,38 € bereitgestellt, deren teil-weise Deckung durch Mehreinnahmen im folgenden Haushaltsjahr erfol-gen sollte. Begründungen für die Bereitstellung waren Leistungsverbesse-rungen und gestiegene Fallzahlen.

1 98. Sitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtages, TOP 47, Landtagsdrucksache

15/2985 vom 06.11.2003.

65

Parallel dazu war eine für den Verwendungszweck „Ausbildungsförderung“ bestimmte Einzahlung in Höhe von 3.003.606,95 € wegen eines Bu-chungsfehlers in 2001 nicht in das SAP-Verfahren für das Haushaltsjahr 2002 übertragen worden. Vielmehr wurde diese Buchung auskunftsgemäß in das alte HKR-Verfahren 2002 eingegeben, das aus vom Finanzministe-rium zu erklärenden Gründen noch Buchungen zuließ. Die Dienststelle bemerkte das Fehlen des Eingangs im SAP-Verfahren erst im Februar 2003, sodass eine Berichtigung für das Haushaltsjahr 2002 nicht mehr durchgeführt werden konnte und die beantragte überplanmäßige Ausga-beermächtigung in 2002 bereits in Anspruch genommen worden war. Eines Antrags auf überplanmäßige Ausgaben hätte es nicht bedurft, wenn bei Beantragung und Einwilligung in die überplanmäßige Ausgabe größere Sorgfalt geherrscht hätte und der Zugang zum alten HKR-Verfahren ab 2002 gesperrt gewesen wäre, sodass auch die Kasse keinen Zugriff dar-auf gehabt hätte.

7.4.5 Die Einwilligung in überplanmäßige Ausgaben bei Titel 1111-518 03 (MG 02) - Mieten für Fernsprecheinrichtungen - in Höhe von 2.157 T€ hätte nicht erteilt werden dürfen. Der Veranschlagung der Haushaltsmittel 2002 lagen fehlerhafte Annahmen über die Anzahl der Anschlüsse im Sprachnetz des Landes zugrunde. Seit spätestens 2000 war die Anzahl der Anschlüsse bekannt, da in diesem Jahr ein finanzieller Fehlbetrag festgestellt wurde, der sich seitdem jährlich erhöhte. Vor diesem Hinter-grund ist es unverständlich, dass sich das Finanzministerium in seiner Stellungnahme darauf zurückzieht, dass die Mehrausgabe nicht vorherge-sehen war.

7.4.6 Bei Titel 0710-684 17 (MG 17) – Betreute Grundschulen - wurde einer überplanmäßigen Ausgabe in Höhe von 174 T€ zugestimmt. Bei den Zuwendungen an die Schulen handelt es sich um freiwillige Leis-tungen des Landes; sie sind nicht unabweisbar. Der überplanmäßigen Ausgabe hätte nicht zugestimmt werden dürfen. In seiner Stellungnahme weist das Finanzministerium darauf hin, dass das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur die Be-wertung des LRH nicht teile. Die Bereitstellung der Mittel entspräche den politischen Zielsetzungen aller Landtagsfraktionen. Eine Verschiebung der Zahlung in das folgende Haushaltsjahr hätte den beabsichtigten Erfolg nicht zeitgerecht eintreten lassen. Die Begründung des Finanzministeriums berücksichtigt weder die Anforde-rungen von § 37 LHO noch die Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts (BVerfG) zu § 37 BHO1.

1 BVerfG, Urteil vom 25.05.1977 - 2 BvE 1/74, NJW 1977, S. 1387 ff.

66

7.4.7 Einer überplanmäßigen Ausgabe wurde bei Titel 1301-671 02 - Kostener-stattung an die GOES1 für die zentrale Begleitscheinerfassung - zu-gestimmt. Begründet wird die überplanmäßige Ausgabe mit einem Mehr-bedarf aufgrund rechtlicher Verpflichtungen. Nach der Begründung des Finanzministeriums für seine Zustimmung zur überplanmäßigen Ausgabe ist die rechtliche Verpflichtung durch eine Vertragsänderung nach Verab-schiedung des Haushalts 2002 auf Veranlassung der GOES entstanden, die eine Erhöhung der Erfassungskosten für die Begleitscheine vorsieht. Das Finanzministerium hätte danach der Vertragsänderung für das Jahr 2002 nicht zustimmen dürfen, ohne vorher eine entsprechende haushalts-rechtliche Ermächtigung einzuholen. Das Finanzministerium erklärt in seiner Stellungnahme nunmehr, dass eine vertragliche Vereinbarung mit der GOES in diesem Zusammenhang nicht bestehe und auch nicht erforderlich sei.

7.5 Haushaltsreste Als Ausnahme vom Grundsatz der zeitlichen Bindung der Ausgabe-ermächtigung können Ausgabereste gem. § 45 Abs. 2 LHO gebildet wer-den. Ausgabereste entstehen nicht automatisch in Höhe der am Jahres-ende verbliebenen Ausgabeermächtigung; sie werden fallweise nach den Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 LHO gebildet, nämlich um einge-gangene Verpflichtungen zu erfüllen oder um Ausgaben wirtschaftlicher und sparsamer zu leisten. Ausnahmen von diesen Voraussetzungen zur Restebildung können für Modellprojekte im Rahmen der Experimen-tierklausel nach § 10 a LHO zugelassen werden. Wie in den Vorjahren lag die Zuständigkeit für die Bildung der Ausgabereste nach § 45 Abs. 3 LHO am Ende des Haushaltsjahres 2002 bei den Ressorts. Das Finanzminis-terium willigt unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 LHO in die Inan-spruchnahme der von den Ressorts gebildeten Reste ein, soweit nicht den Ressorts selbst durch Bestimmungen des HG eine Inanspruchnahme der gebildeten Reste ohne Einwilligung des Finanzministeriums zugestanden worden ist.

7.5.1 Die in das jeweils folgende Haushaltsjahr übertragenen Ausgabereste entwickelten sich wie folgt:

1 Gesellschaft für die Organisation der Entsorgung von Sonderabfällen mbh, Neumünster.

67

Jahr Ausgabereste (abzüglich Vorgriffe)

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr

T€ T€ %

1999 2000 2001 2002

216.699,4 216.508,3 209.978,7 193.789,1

+ 267,4 - 191,1 - 6.529,6 - 16.189,6

+ 0,1 - 0,1 - 3,0 - 7,7

Nach der Gesamtrechnungsnachweisung sind im Haushaltsjahr 2002 von den aus 2001 übertragenen Ausgaberesten in Höhe von 209.978,7 T€ 81.197,1 T€ (rd. 38,7 %) verausgabt worden. In Abgang gestellt wurden rd. 8.407,5 T€ (4 %). Rechnerisch verblieb ein Betrag von 120.374,1 T€ (57,3 %), der in das Haushaltsjahr 2003 weiter übertragen wurde. Der im alten HKR-Verfahren mögliche getrennte Nachweis der Ist-Ausgaben aus dem Ansatz, dem Ausgaberest oder den außerplanmäßi-gen Mitteln wurde im SAP-Verfahren mit dem Beginn des Haushaltsjahres 2002 eingeführt. Die Bewirtschaftung der Einnahme- und Ausgabereste er-folgt über einen einheitlich festgelegten Buchungsabschnitt der jeweiligen Buchungsstelle. Die Gesamtrechnungsnachweisung 2002 weist wieder die tatsächliche Inanspruchnahme der Ausgabereste aus. Nach § 45 Abs. 2 LHO können Ausgabereste über das Haushaltsjahr, in welchem sie gebildet wurden, hinaus bis zum Ende des auf die Bewilli-gung folgenden zweitnächsten Haushaltsjahres verfügbar bleiben. Bei Bauten tritt an die Stelle des Haushaltsjahres der Bewilligung das Haus-haltsjahr, in dem der Bau in seinen wesentlichen Teilen in Gebrauch ge-nommen ist. Weder aus dem alten HKR-Verfahren noch aus dem SAP-Verfahren war und ist erkennbar, in welchem Haushaltsjahr der Ausgabe-rest gebildet bzw. wann ein Bau in Gebrauch genommen wurde. Der LRH bittet die Landeskasse und die Ressorts, die Zusammenstellung der am Schluss des Haushaltsjahres verbliebenen Haushaltsreste um die Anga-ben der Bewilligungsjahre der Reste bzw. die Ingebrauchnahme der Bau-ten zu ergänzen.

7.5.2 Ende 2002 wurden Einnahmereste für noch erwartete Zuweisungen der EU gebildet. Außerdem verblieb wie in den Vorjahren ein Einnahmerest aus der Kreditaufnahme:

68

Jahr Einnahme- reste

Änderung darunter Einnahmen

aus Krediten

Änderungen gegen- über dem Vorjahr

T€ T€ % T€ T€ %

1999

2000

2001

2002

124.037,8

151.959,3

30.383,6

26.602,7

+ 60.744,9

+ 27.921,5

- 121.575,7

- 3.780,9

+ 96,0

+ 22,5

- 80,0

- 12,5

104.637,6

138.605,2

15.634,8

17.199,0

+ 50.573,5

+ 33.967,6

- 122.970,4

+ 1.564,2

+ 94,0

+ 32,4

- 88,7

+ 10,0 Nach der Gesamtrechnungsnachweisung sind im Haushaltsjahr 2002 3.545,2 T€ (11,7 %) von den aus 2001 übertragenen Einnahmeresten in Höhe von 30.383,6 T€ eingegangen. In Abgang gestellt wurden Einnah-mereste in Höhe von 5.298,8 T€ (17,4 %). Rechnerisch verblieb hieraus ein Einnahmerest von 21.539,6 T€. Das sind 81 % des nach 2003 übertragenen Einnahmerests. Wie bei der Bewirtschaftung der Ausgabereste ist ab dem Haushaltsjahr 2002 eine getrennte Nachweisung der Ist-Einnahmen zugunsten des Ansatzes sowie des Einnahmerestes durch Einrichtung eines einheitlichen Buchungsabschnitts im SAP-Verfahren durchgeführt worden.

7.5.3 Folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der gebildeten Haushaltsreste und der Haushaltsvorgriffe in den Jahren 1992 bis 2002 nach Angaben des Finanzministeriums: Jahr Einnahme-

reste Ausgabe-

reste Vorgriffe Haushaltssoll

Reste in % des

Solls T€ T€ T€ T€ Einnahme Ausgabe

1992 289.588,3 232.880,1 -,- 7.663.778,1 3,8 3,0

1993 248.599,5 205.935,2 -,- 8.323.492,7 3,0 2,5

1994 265.564,4 217.558,9 -,- 8.681.535,7 3,1 2,5

1995 117.481,3 254.902,7 -,- 9.511.041,1 1,2 2,7

1996 23.257,2 184.232,1 (405,6)1 9.372.570,4 0,3 2,0

1997 22.654,0 204.300,6 -,- 9.126.941,5 0,3 2,2

1998 63.292,9 216.432,0 -,- 9.248.391,3 0,7 2,4

1999 124.037,8 216.699,4 -,- 8.877.106,0 1,4 2,5

2000 151.959,3 216.508,3 -,- 9.317.074,8 1,6 2,3

2001 30.383,6 209.978,7 -,- 9.369.061,1 0,3 2,3

2002 26.602,7 193.789,1 -,- 9.570.974,4 0,3 2,0

7.6 Festlegungen

Bei der Bewirtschaftung von Ausgaben stellen die jeweiligen Ausgabean-sätze im Rahmen ihrer Verfügbarkeit die obere Grenze der Ermächtigung dar, bis zu der Festlegungen vorgenommen bzw. Ausgaben im jeweiligen Haushaltsjahr geleistet werden dürfen.

1 Die Mehrausgaben wurden nicht als Vorgriff dargestellt und Ausgabeermächtigungen des

Folgejahres nicht reduziert (§ 37 Abs. 8 LHO), obwohl das Finanzministerium die zusätz-liche Ausgabe als Vorgriff bestimmt hatte.

69

Am Jahresende dürfen Ausgaben und nicht abgewickelte Festlegungen den Haushaltsansatz nicht überschreiten. Eingegangene Verpflichtungen aus dem Haushaltsansatz sind in der Buchführung des Landes festzulegen (VV Nr. 7 zu § 34 LHO). Sie werden durch die Anordnung von Ausgaben abgewickelt. Nicht abgewickelte Fest-legungen bleiben bestehen, sie belasten das Folgejahr. Nicht abgewickelte Festlegungen dürfen am Jahresende nur verbleiben, wenn • bei einer Buchungsstelle Minderausgaben vorhanden sind und als

Ausgabereste übertragen werden oder • bei einer Buchungsstelle eine VE für das Folgejahr in Anspruch genom-

men worden ist oder • es sich um Ausgaben für laufende Geschäfte handelt. In allen anderen Fällen dürften zum Jahreswechsel keine Festlegungen in der Buchführung vorhanden sein, da Maßnahmen, die das Land zur Leis-tung von Ausgaben in künftigen Jahren verpflichten, nur zulässig sind, wenn der Haushaltsplan durch eine formell veranschlagte VE dazu er-mächtigt (§ 38 Abs. 1 LHO), es sich um übertragbare Ausgaben oder um Ausgaben für laufende Geschäfte handelt. Während des Haushaltsvollzugs ist von den Bewirtschaftern zu kontrollie-ren, inwieweit die Ansätze des Haushaltsplans, d. h. die Ermächtigungen, Verpflichtungen einzugehen und Zahlungen zu leisten, eingehalten worden sind. Hierzu gehört auch die Kontrolle, ob bestehende Festlegungen be-reits durch Zahlungen erledigt und in der Buchführung als solche gekenn-zeichnet sind oder noch weitergelten. Wenn der Haushaltsansatz durch nicht abgewickelte Festlegungen überschritten worden ist, so handelt es sich um eine unzulässige Haushaltsüberschreitung.

7.6.1 Nach der Haushaltsrechnung waren am Ende des Haushaltsjahres 2002 Festlegungen von insgesamt 164,7 Mio. € (2001: 164,5 Mio. €) nicht ab-gewickelt. Die Ergebnisse der den Ressorts vom Finanzministerium zur Verfügung gestellten Listen über die nicht abgewickelten Festlegungen (Stand: 15.04.2003) aus dem SAP-Verfahren stimmen mit den Angaben der Ge-samtrechnungsnachweisung überein. Allerdings hatte eine im Monat Mai 2003 erstellte Unterlage der nicht abgewickelten Festlegungen ein von der Gesamtrechnungsnachweisung abweichendes Ergebnis. • Bei den Epl. 05, 07, 10 und 12 differierten die Einzelplansummen zwi-

schen beiden Listen um insgesamt 0,3 Mio. €. Aus dem SAP-Verfahren wurden somit unterschiedliche Listen für die Erstellung der Haushalts-rechnung produziert.

70

• Das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie hatte für das Kap. 1209 sowohl die Liste vom April 2003 als auch die vom Mai 2003 als richtig bescheinigt.

• Nur das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und das Ministe-rium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft haben die Erläute-rungsspalte der Liste der nicht abgewickelten Festlegungen ausgefüllt und somit deutlich gemacht, dass eine Kontrolle der Festlegungen durchgeführt wurde. Bei 3 Finanzpositionen wurden Fehler im SAP-Verfahren als Grund für die geringen Beträge der Festlegungen ange-geben. Ähnliche Kleinstbeträge sind bei weiteren 10 Buchungsstellen verschiedener Einzelpläne vorhanden. Das Finanzministerium und die betroffenen Ressorts werden gebeten, diese Einzelfälle in den Epl. zu analysieren und ggf. Programmänderungen im SAP-Verfahren zu ver-anlassen. Dem LRH ist zu berichten.

Der LRH bittet das Finanzministerium zu klären, wie 2 im Ergebnis unter-schiedliche Listen aus dem gleichen Datenbestand des Haushaltsjahres 2002 entstanden sind, und zu prüfen, welche Auswertung die richtigen Er-gebnisse darstellt. Die Ressorts werden nachdrücklich aufgefordert, die für die Haushalts-rechnung erstellte Liste der nicht abgewickelten Festlegungen sorgfältig zu kontrollieren. Sollte eine Prüfung vonseiten der rechnungslegenden Stelle im Ministerium nicht möglich sein, so ist die Richtigkeit der Zahlen von der bewirtschaftenden Stelle (z. B. GMSH) bescheinigen zu lassen. Der LRH erwartet, dass künftig die in der Liste vorhandene Spalte „Bemerkungen“ von den Ressorts ausgefüllt wird. Entsprechende Hinweise sind in den Rechnungslegungserlass durch das Finanzministerium aufzunehmen.

7.6.2 Wie in den Vorjahren ist es zu unzulässigen Haushaltsüberschreitungen aufgrund der Nichtberücksichtigung der nicht abgewickelten Festle-gungen im Rahmen des Haushaltsvollzugs gekommen. Auch sind bei einigen Buchungsstellen Festlegungen nachgewiesen, die das Folgejahr belasten, ohne dass für die Festlegung eine haushaltsrechtliche Ermächti-gung vorhanden ist. Insgesamt wurden bei 246 Buchungsstellen nicht ab-gewickelte Festlegungen vorgenommen. Davon sind 80 Titel den laufen-den Geschäften zuzuordnen. Nach der VV Nr. 6 zu § 38 LHO sind das solche Geschäfte, die sich im Rahmen der „üblichen Tätigkeit“ der Verwal-tung auf Ausgaben der HGr. 4 (Personalausgaben) und 5 (sächliche Ver-waltungsausgaben) beziehen. Der LRH ist der Auffassung, dass nicht alle sächlichen Verwaltungsausgaben den „üblichen Tätigkeiten“ der Verwal-tung zuzuordnen sind. Beispielhaft seien hier die Gr. 533 (Ausgaben für Werkverträge), 534 und 536 (verschiedene Zweckbestimmungen) ge-nannt. Der LRH empfiehlt dem Finanzministerium den Begriff des „laufen-

71

den Geschäfts“ zu überprüfen und die Ausgaben der Gr. 533, 534 und 536 nicht in die „laufenden Geschäfte“ einzubeziehen.

7.7 Verpflichtungsermächtigungen VE sind - abweichend vom Jährlichkeitsprinzip - Ermächtigungen zum Ein-gehen von Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben in künftigen Jahren (§ 6 LHO). Um im Haushaltsvollzug Verpflichtungen eingehen zu können, die erst in künftigen Jahren zu Haushaltsbelastungen führen (§ 38 LHO), ist die Veranschlagung solcher Ermächtigungen im Haushaltsplan erfor-derlich. Zur Buchführung des Landes gehört auch die Buchung der Inan-spruchnahme von VE (§ 71 Abs. 1 LHO).

7.7.1 Der für die Haushaltsrechnung erstellte Bestandsnachweis der VE ist fehlerhaft. Die Bestandsvorträge aus dem Haushaltsjahr 2002 in das Haushaltsjahr 2003 weisen bei 3 Epl. größere Differenzen aus: • Im Epl. 04 wurde ein um rd. 180.000 € geringerer Vortrag als der End-

betrag des Vorjahres ausgewiesen, • im Epl. 06 stieg der Vortrag um 198.000 € und • beim Epl. 08 verringerte sich der Vortrag um 1.655.000 €. Der LRH bittet, die Ursachen für die Abweichungen zu erklären. Die buchmäßigen Bestände der noch einzulösenden VE sind an die tatsäch-lich noch einzulösenden VE anzupassen. Da in den vergangenen Jahren die Bestände der VE häufig in der Buch-führung nicht richtig ausgewiesen wurden, empfiehlt der LRH dem Fi-nanzministerium und den Ressorts dringend, künftig die Bestände der VE rechtzeitig vor dem Jahresabschluss zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Dem LRH ist über das Veranlasste zu berichten.

7.7.2 Folgende Übersicht zeigt die Inanspruchnahme der VE in der Buch-führung des Landes und nach den Angaben der Ressorts. Sie weichen 2003 erneut voneinander ab:

72

Haushalts-Soll Inanspruchnahme Haushalts- jahr der Fälligkeit

lt. Buchführung

lt. Angabe der Res- sorts in der Haus-

haltsrechnung €

2003 288.633.800 147.452.059 146.915.334 2004 183.545.000 77.219.167 77.219.167

2005 106.870.000 37.104.623 37.104.623

2006 ff. 154.127.200 113.000.839 113.000.839

Summe 733.176.000 374.776.688 374.239.963 Der LRH fordert die Ressorts abermals auf, die Buchführung über die In-anspruchnahme der VE sorgfältig durchzuführen.

7.7.3 Die aus dem SAP-Verfahren erstellten Listen über die Inanspruchnah-me und über den Bestand der VE weisen unterschiedliche Beträge über die Inanspruchnahme der VE des laufenden Haushaltsjahres aus. Der LRH fordert das Finanzministerium auf, eine Programmänderung da-hingehend zu veranlassen, dass in beiden Listen dieselben korrekten Zah-len dargestellt werden.

7.7.4 Nach den Ergebnissen der Buchführung wurden die Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen in kommenden Jahren mit rd. 51,1 % pro-zentual stärker als im Vorjahr in Anspruch genommen (Vorjahr: 44,4 % von 642.874.381 €). Nachfolgend sind die veranschlagten VE und deren Inanspruchnahme nach der Buchführung dargestellt (in €): Epl. VE Inanspruchnahme Anteil in %

03 225.000 - -

04 31.311.000 24.246.583 77,4

05 19.119.000 4.994.320 26,1

06 133.636.000 59.776.452 44,7

07 14.171.000 7.398.374 52,2

08 75.530.000 35.697.423 47,2

09 1.525.000 738.176 48,4

10 236.922.000 143.701.081 60,7

11 22.211.000 19.212.797 86,5

12 152.417.000 68.067.969 44,7

13 46.109.000 10.943.513 23,7

Summe 733.176.000 374.776.688 51,1

7.7.5 Nach den Angaben der Ressorts bestand Ende 2002 eine Vorbelastung der Haushalte 2003 bis 2006 ff. durch die Inanspruchnahme von VE in Höhe von insgesamt rd. 624 Mio. €. Die hieraus bestehenden Zahlungs-verpflichtungen künftiger Jahre sind gegenüber dem Vorjahr um rd.

73

106 Mio. € angestiegen. Die einzulösenden Verpflichtungen verteilen sich wie folgt auf die jeweiligen Haushaltsjahre: 2003 249.323.743 € 2004 146.616.727 € 2005 63.415.133 € 2006 ff. 164.622.641 € Gesamt 623.978.244 €

7.8 Abschlags- und Vorauszahlungen

Vorleistungen (Vorauszahlungen) sind Leistungen des Landes vor Emp-fang entsprechender Gegenleistungen. Abschlagszahlungen sind solche Leistungen, die nach Empfang entsprechender Gegenleistungen gewährt werden (VV Nr. 1 zu § 56 LHO). Die am Jahresende nicht abgerechneten Abschlags- und Vorauszahlungen sind gem. § 80 LHO nachzuweisen.

7.8.1 Von den Landeskassen nachgewiesene Bestände nicht abgerechneter Abschlags- und Vorauszahlungen betrugen am Schluss der jeweiligen Haushaltsjahre (gerundet auf volle €): Jahr insgesamt darunter mit Entstehung in 1977 bis 1983 1984 bis einschl.

jeweiliges Vorjahr

1996 66.698.506 2.180.363 51.837.011 1997 48.915.107 1.975.376 42.931.232

1998 20.758.207 14.316 18.302.754

1999 17.065.115 - 16.128.784

2000 3.339.644 - 1.535.195

2001 20.786.618 - 649.511

2002 19.378.343 - 6.004.276 Vor 2001 entstandene nicht abgewickelte Abschlags- und Vorauszahlun-gen bestehen noch in Höhe von insgesamt rd. 150.000 €. Die nachgewie-senen Beträge haben sich seit 2001 erhöht, da seitdem wieder der voll-ständige Nachweis aller nicht abgerechneten Abschlags- und Vorauszah-lungen erfolgt.1

7.8.2 Die nicht abgerechneten Abschlags- und Vorauszahlungen sind in der Gesamtrechnungsnachweisung des Landes insgesamt um rd. 8.321 € ge-ringer ausgewiesen als in den Nachweisungen der Dienststellen. Die Differenzen verteilen sich wie folgt (in €) auf die Einzelpläne:

1 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 8.7.

74

Epl. Lt. Gesamtrechnungs- nachweisung

Nachweisung der Dienststellen

Differenz

04 2.701 5.002 - 2.301 06 124.801 132.470 - 7.669 07 441.673 423.906 + 17.767 09 68.206 71.544 - 3.338 10 10.000 10.100 - 100 12 18.662.594 18.675.274 - 12.680 Gesamt 19.309.975 19.318.296 - 8.321

Der Grund für die Abweichungen soll nach Auskunft des Finanzministe-riums auf Probleme im Datenbestand des SAP-Systems sowie auf eine fachlich nicht korrekte Darstellung in den Unterlagen für die Ressorts zu-rückzuführen sein. Die Datenzentrale1 wurde vom Finanzministerium be-auftragt, die Selektion der Listen für die Dienststellen zu prüfen. Ein Prü-fungsergebnis liegt dem LRH nicht vor. Das Finanzministerium wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass künftig al-le Nachweisungen korrekt aus dem SAP-Verfahren erstellt werden und Abweichungen zwischen der Gesamtrechnungsnachweisung und den Lis-ten für die Dienststellen vermieden werden.

7.9 Verwahrungen und Vorschüsse

7.9.1 In Verwahrung darf eine Einzahlung nur genommen werden, solange sie nicht nach der im Haushaltsplan oder sonst vorgesehenen Ordnung ge-bucht werden kann (§ 60 Abs. 2 LHO). Zu den Verwahrungen zählen auch Geldbeträge, die dem Land nicht gehören und die für andere verwahrt werden. Verwahrbücher werden fortlaufend geführt, ihre Bestände sind z. T. im Laufe mehrerer Jahre entstanden. Außerhalb der Haushaltsrechnung wurden in den Büchern der Landes-hauptkasse, der Finanzkassen und der LBK die zum Jahresende nicht ab-gewickelten Bestände an Verwahrungen mit 272.663.168,08 € (Vorjahr: 103.962.506,56 €) ausgewiesen. Der Gesamtbestand der Verwahrungen Ende 2002 setzte sich wie folgt zusammen:

1 Datenzentrale Schleswig-Holstein, mit Wirkung vom 01.01.2004 Dataport Anstalt des öf-

fentlichen Rechts, Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 15.01.2004, GVOBl. Schl.-H. S. 45.

75

Art der Verwahrung Gesamtbetrag Davon in der Steuerverwaltung

€ € Verwahrungen mit ungeklär-ter oder aufgeteilter Gläubi-gerschaft

36.189.581,28

5.639.200,66 Sicherheiten und Kautionen von Dritten

9.336,38

Eigene Gelder von Schülern, Heiminsassen u. Ä.

6.937,91

Beträge, die für andere Gläu-biger angesammelt werden

-2.880.569,10

Stiftungen, Treuhandgelder, Körperschaftsvermögen

0,02

Durchlaufende Gelder 1.075.883,29 Kassenverstärkungskredite 238.000.000,00 Gelder des Landes 261.998,30 Gesamt 272.663.168,08 5.639.200,66

Der Bestand der Verwahrungen mit ungeklärter oder aufgeteilter Gläubi-gerschaft hat sich gegenüber dem Vorjahr um ca. 17,4 Mio. € auf 36,2 Mio. € verringert. Die Gelder des Landes (Einnahmen mit Kassenzei-chen, für die noch keine Annahmeanordnungen vorliegen) sanken um 44,1 Mio. € (in dieser Summe ist der durch eine Fehlbuchung entstandene Bestand des am Ende des Jahres 2001 verbliebenen Kassenverstär-kungskredits von 38 Mio. € enthalten1). Die durch die Umstellung des HKR-Buchführungsverfahrens auf das SAP-Verfahren angestiegenen Verwahrbestände zum Ende des Jahres 2001 konnten durch organisatorische Maßnahmen in den LBK sowie Änderun-gen im SAP-Verfahren zum Ende des Jahres 2002 deutlich abgebaut wer-den. Wenn der Kassenverstärkungskredit in Höhe von 238,0 Mio. € he-rausgerechnet würde, verbliebe ein Betrag in Höhe von ca. 34,7 Mio. €. Dies entspräche ungefähr dem Bestand der Verwahrungen vor Einführung des SAP-Verfahrens. Gleichwohl ist diese Summe nach Meinung des LRH immer noch zu hoch. Im SAP-Verfahren können Einzahlungen einem Haushaltstitel nur automa-tisch zugeordnet werden, wenn eine Annahmeanordnung vorliegt. Bei feh-lender Anordnung werden die eingehenden Beträge auf Verwahrtitel ge-bucht und können der Buchungsstelle erst nach Erteilung einer entspre-chenden Anordnung durch die Dienststelle zugeordnet werden. Hier kommt es immer wieder – trotz verbesserter programmtechnischer Unter-stützung - zu vermeidbaren Informationsdefiziten aufseiten der Dienststel-len hinsichtlich des Eingangs von Zahlungen sowie unnötiger Aufklärungs-arbeit bei der Landeskasse.

1 Vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 7.7.2.

76

Um den Bestand der Verwahrungen weiter abzubauen und die Landes-kasse noch stärker von der Aufklärungsarbeit für nicht zuzuordnende Zah-lungseingänge zu entlasten, sind die Dienststellen vom Finanzministerium aufzufordern, für erwartete Einnahmen bei Kenntnis aller Zahlungsdaten unverzüglich Annahmeanordnungen zu erstellen, sodass die Einzahlungen direkt der entsprechenden Buchungsstelle zugeordnet und die Einnahmen im Haushalt damit erhöht werden können. Die dem LRH zur Rechnungsprüfung des Haushaltsjahres 2002 vorgeleg-ten Bestandslisten Verwahrungen der Landeshauptkasse und der LBK weisen einen um 14.235,49 € höheren Bestand als die Gesamtrechnungs-nachweisung über die Einnahmen und Ausgaben des Landes aus. Die Dif-ferenzen der insgesamt 26 Fälle sind bei 9 verschiedenen Verwahrtiteln vorhanden. Ein Abgleich der Bestandslisten Verwahrungen hat bei den LBK Lübeck und Itzehoe stattgefunden. Allerdings ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar, dass eine endgültige Aufklärung der Differen-zen vonseiten der LBK durchgeführt wurde. Der LRH fordert das Finanzministerium und die Landeskasse auf, die Dif-ferenzen aufzuklären, die erforderlichen Korrekturen durchzuführen und dem LRH zu berichten. Die Landeskasse wird aufgefordert, die Bestands-listen künftig sorgfältig zu prüfen und vorhandene Differenzen in Zusam-menarbeit mit dem Finanzministerium schnellstmöglich vor dem Jahresab-schluss aufzuklären.

7.9.2 Als Vorschuss darf eine Ausgabe gem. § 60 Abs. 1 LHO nur gebucht werden, wenn die Verpflichtung zur Leistung besteht, die Ausgabe aber noch nicht nach der im Haushaltsplan des Landes oder sonst vorgesehe-nen Ordnung gebucht werden kann. Über Vorschüsse wird im Vorschussbuch außerhalb des Haushalts Buch geführt. Am Jahresende nicht aufgelöste Vorschüsse (Bestände der Vor-schussbuchungsstellen) werden deshalb nicht in der Haushaltsrechnung dargestellt. Sie belasten lediglich die Liquidität des Landes, beeinflussen aber nicht den kassenmäßigen Abschluss des Haushalts. Am Ende des Haushaltsjahres 2002 wurden in den Büchern der Landes-kassen Bestände an Vorschüssen mit insgesamt 118.530,24 € (Vorjahr: 8.865.776,24 €) ausgewiesen.1 In der Gesamtrechnungsnachweisung sind 0,07 € weniger, nämlich 118.530,17 €, nachgewiesen. Wegen eines mög-lichen Programmfehlers wird das Finanzministerium gebeten, die Differenz aufzuklären.

1 Die Verminderung gegenüber dem Vorjahr beruht auf der erstmals mit dem Haushalt

2002 vorgenommenen Veranschlagung der bislang in den Vorschüssen ausgewiesenen Zwischenfinanzierungen; vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 7.7.1.

77

7.10 Veränderung von Ansprüchen des Landes Eine Veränderung bestehender Ansprüche des Landes ist nach den Vor-schriften von § 59 LHO zulässig. Die Zuständigkeiten und Vorausset-zungen für Stundung, Niederschlagung und Erlass von Forderungen des Landes oder die Behandlung von Kleinbeträgen sind geregelt. Insgesamt wurden 2002 ohne den Steuerbereich nach der Buchführung 1.318 T€ unbefristet niedergeschlagen und rd. 53 T€ erlassen. Wie im Vorjahr sind Beträge irrtümlich als erlassen oder unbefristet nie-dergeschlagen dargestellt worden, bei denen es sich nach Auskunft der Ressorts um Änderungen von Annahmeanordnungen handelt. Der LRH fordert die Dienststellen des Landes erneut auf, anhand eines Abgleichs ihrer Aufzeichnungen mit den Buchführungsergebnissen die Richtigkeit der veränderten Ansprüche zu prüfen und sie in einer Übersicht für die Erstellung der Haushaltsrechnung darzustellen. Für die Steuerverwaltung wurden in der Rückstandsübersicht als An-lage zur Haushaltsrechnung von den Ansprüchen des Landes ausge-wiesen als im Haushaltsjahr 2002 • erlassen 691 T€, • niedergeschlagen 96.462 T€, • = nicht durch Zahlung erledigt 97.153 T€.

Von den Gesamtrückständen von 299.748 T€ sind • gestundet 34.387 T€, • ausgesetzt 95.780 T€, • echte Rückstände 169.581 T€.

7.11 Globale Minderausgaben, Einsparungen durch Haushaltssperre Im Haushaltsjahr 2002 waren insgesamt 99,0 Mio. € globale Minderaus-gaben veranschlagt. Hierin sind auch die aufgrund der Haushaltssperre gem. § 41 LHO vom 17.05.2002 zu erbringenden globalen Einsparungen in Höhe von 35 Mio. € enthalten, die später über den Nachtragshaushalt veranschlagt wurden. Nach den Angaben in der Haushaltsrechnung sind die globalen Minder-ausgaben in Höhe von 99,0 Mio. € bis auf 1,3 Mio. € im Epl. 07 erbracht und darüber hinaus durch die Haushaltssperre gem. § 41 LHO weitere 28,5 Mio. € eingespart worden.1

1 Haushaltsrechnung 2002, Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003, S. 205.

78

Eine stichpunktartige Prüfung des LRH lässt den Schluss zu, dass die glo-balen Minderausgaben nicht in der angegebenen Höhe erwirtschaftet wur-den, wie folgende Beispiele belegen: • Im Epl. 07 sind für die Anrechnung auf globale Minderausgaben bei

Kap. 0710 MG 08 - Beteiligung der Kommunen nach § 77 a SchulG - Mehreinnahmen von 908,3 T€ angeboten worden. Das Jahresergebnis bei dieser MG lag tatsächlich um 908,3 T€ über dem Haushaltssoll. Es stellt jedoch keine Haushaltsentlastung dar und hätte vom Finanzministerium nicht als Beitrag zur Erbringung der glo-balen Minderausgabe anerkannt werden dürfen. Bei diesen Einnah-men handelt es sich um die Erstattungen der Kommunen gem. § 77 a SchulG an dem vom Land zu tragenden Schullastenausgleich. Ein-nahmen über das veranschlagte Soll hinaus (Mehreinnahmen) resul-tieren aus der Mitfinanzierung der entstandenen Schullasten durch die Kommunen. Diesen Mehreinnahmen stehen Mehrausgaben im Kap. 0710 gegenüber. Sie hätten daher nicht als Entlastung auf die globa-len Minderausgaben angerechnet werden dürfen. Das Finanzministerium teilt diese Auffassung unter Hinweis auf das Gesamtdeckungsprinzip nicht. Nach Ansicht des LRH handelt es sich hier um zweckgebundene Erstattungen, so dass die Argumentation des Finanzministeriums nicht trägt.

• Für den gleichen Epl. sind zur Anrechnung auf die Haushaltssperre bei

Kap. 0740 MG 04 - Landeskulturzentrum Salzau - 241,7 T€ ausgewie-sen worden. Es handelt sich um nicht verbrauchte Einnahmen aus dem Verkauf der Liegenschaft Schloss Plön, die nach § 20 Abs. 2 HG 2002 für Investitionen auch beim Landeskulturzentrum Salzau veraus-gabt werden sollten. In 2002 wurden von dem auf Salzau entfallenden Verkaufserlös von 720,3 T€ bei dem extra für diesen Verwendungs-zweck eingerichteten Titel (0740-893 41, MG 04) keine Mittel veraus-gabt. Es hätte für diese Buchungsstelle ein Rest in Höhe von rd. 720,3 T€ gebildet werden müssen. Stattdessen wurde ein Rest von 491,4 T€ gebildet. Zusammen mit den auf die Haushaltssperre ange-rechneten 241,7 T€ globale Minderausgaben wurde der Titel um 12,8 T€ überschritten. Das Finanzministerium hätte diese Einsparung nicht anerkennen dür-fen, da − sie gegen die in § 20 Abs. 2 HG 2002 vorgeschriebene Verwendung

des Verkaufserlöses verstieß und − damit die MG überschritten wurde. Das Finanzministerium teilt diese Auffassung nicht und weist darauf hin, dass § 20 Abs. 2 HG nur eine Ausgabeermächtigung darstelle. Zu

79

einer Überschreitung des Titels um 12,8 T€ sei es nicht gekommen, da noch keine Mittel geflossen seien und die „rechnerische Überschrei-tung“ bei der Restefreigabe korrigiert werde. Der LRH bleibt dennoch bei seiner Bewertung, da das Finanzministerium nicht berücksichtigt, dass die gem. § 20 Abs. 2 HG 2002 zweckgebundenen Einnahmen nicht für andere Zwecke zur Verfügung stehen, auch nicht zur Erwirt-schaftung globaler Minderausgaben. Im Übrigen wird der LRH die Res-tefreigaben 2003 prüfen.

7.12 Vermögen des Landes

Gem. Art. 55 Abs. 1 Satz 2 LV hat die Landesregierung durch das Fi-nanzministerium die Haushaltsrechnung mit einer Übersicht über das Vermögen und die Schulden des Landes vorzulegen.

7.12.1 Das Finanzministerium weist die Bestände der Rücklagen des Landes im Teil A, Abschnitt II Nr. 2 der Vermögensübersicht aus. • Bei der Rücklage zur Verminderung des Kreditbedarfs stimmen weder

der Stand Ende 2001 noch der dargestellte Zuführungsbetrag an die Rücklage mit der Buchführung überein. Diese beiden Abweichungen hat das Finanzministerium in der Haushaltsrechnung erklärt. Unerklärt bleibt der von der Buchführung abweichende Betrag der Abgänge in 2002. Der Stand Ende 2002 ist somit aus der Rechnung nicht nachvoll-ziehbar.

• Bei der Rücklage für Diskontierungsdarlehen stimmen die im Ver-mögensnachweis dargestellten Zugänge in 2002 und damit auch der Stand Ende 2002 nicht mit der Buchführung überein.

• Bei der forstwirtschaftlichen Rücklage stimmen die dargestellten Zu-gänge 2002 und damit auch der Stand Ende 2002 nicht mit der Buch-führung überein.

Der LRH bittet, wie auch schon in seinen Bemerkungen der letzten Jahre1, zum zahlenmäßigen Abgleich der Rücklagen die vorhandenen Möglich-keiten zu nutzen und in der Haushaltsrechnung 2003 die fehlerhaften Vor-träge zu korrigieren. Das Finanzministerium führt aus, dass die Endbestände 2002 in der Haushaltsrechnung richtig ausgewiesen seien. Abweichungen zwischen Buchführung und den in der Haushaltsrechnung dargestellten Zu- und Ab-gängen beruhten auf Korrekturbuchungen und technischen Problemen. Der LRH weist darauf hin, dass die Buchführung Grundlage der Rech-nungslegung und der Haushaltsrechnung ist (§ 80 LHO).

1 Vgl. Bemerkungen 2001 des LRH, Nr. 8.17, Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 8.10.1 und

Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 7.9.1.

80

7.12.2 Durch das HG wird die Möglichkeit eröffnet, nicht verbrauchte Personal-ausgaben einer Rücklage zuzuführen. Wie bereits § 7 Abs. 14 HG 2001 ermächtigt auch § 8 Abs. 14 HG 2002 das Finanzministerium, für nicht verbrauchte Ausgaben der Obergruppe 42 (Personalausgaben) die ent-sprechenden Titel einschl. der notwendigen Haushaltsvermerke für die „Rücklage für personalwirtschaftliche Maßnahmen“ einzurichten. Nach Satz 2 der haushaltsgesetzlichen Ermächtigung sind die Mittel aus der Rücklage im Folgejahr für Personalausgaben und für Maßnahmen zu verausgaben, die dem Personal zugute kommen, wie Fortbildung, Daten-verarbeitungsausstattung, Raumausstattung oder solche, die frauenpoliti-schen Belangen dienen. Die Mittel verstärken somit die entsprechenden Ausgabetitel. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz (Sozial-ministerium) hat zum Ende des Jahres 2002 nicht ausgegebene Mittel der Rücklage aus 2001 in Höhe von 425.642,50 € und nicht verbrauchte Per-sonalausgaben aus 2002, insgesamt 1.065.000 €, der Rücklage des Haushaltsjahres 2002 zugeführt. Damit konnten Mittel der Rücklage aus 2001 über das Folgejahr (2002) hinaus im nächsten Haushaltsjahr (2003) weiter verwendet werden. § 7 Abs. 14 HG 2001 schließt eine Verwendung der in 2001 gebildeten Rücklage über das Folgejahr hinaus mit der Formulierung „sind im Folge-jahr zu verwenden“ aus. Im Folgejahr nicht verbrauchte Mittel der Rückla-ge dürfen dieser nicht erneut zugeführt werden. Die am Ende eines Haus-haltsjahres noch vorhandenen Mittel der Rücklage des Vorjahres verfallen. Der LRH fordert das Sozialministerium auf, die zu Unrecht gebildete Rück-lage für personalwirtschaftliche Maßnahmen in Höhe von 425.642,50 € im Haushaltsjahr 2004 bei den Rücklagen in Abgang zu stellen oder anderen-falls bei den Personalausgaben einzusparen. Sollten von den Ressorts auch Teile der Rücklage 2002 entgegen § 8 Abs. 13 Satz 2 HG 2003 in das Haushaltsjahr 2004 gebucht worden sein, so sind diese Mittel im laufenden Haushaltsvollzug 2004 in Abgang zu stellen. Das Finanzministerium wird aufgefordert dieses zu prüfen, evtl. Inabgang-stellungen zu veranlassen und dem LRH zu berichten. Das Finanzministerium wendet ein, dass im Rahmen der Verfahrenswei-sen zur Personalkostenbudgetierung das Personalkostenbudget des je-weiligen Haushaltsjahres aus dem Ansatz und der Rücklage gebildet wer-de. Wenn im Rahmen dieses Gesamtbetrages am Jahresende nicht ver-brauchte Mittel zur Verfügung stehen, könne eine Rücklage gebildet wer-den. Wegen der Bewirtschaftung als Gesamtbudget verbiete sich eine

81

Diskussion darüber, welche Mittel am Jahresanfang verausgabt wurden bzw. welche am Jahresende übrig geblieben sind, Mittel aus der Rücklage bzw. Mittel aus dem Ansatz. Der LRH kann die Argumentation des Finanzministeriums nachvollziehen. Nach seiner Auffassung widersprechen sich die im HG vorgegebene Ver-wendung der Rücklage im Folgejahr und die gleichzeitige Möglichkeit, die Rücklagen für Personalausgaben zu verwenden, die wiederum zur Rück-lagenbildung führen kann. Der LRH schlägt eine Klarstellung im HG vor.

7.12.3 In der Haushaltsrechnung 2002 weist das Finanzministerium - ungeachtet der in Tz. 7.12.1 dargestellten notwendigen Korrekturen - am Ende des Haushaltsjahres 2002 Rücklagen in Höhe von insgesamt 140,2 Mio. € (Ende 2001: 133,3 Mio. €) aus. Neben Zuführungen zu den Rücklagen in Höhe von 87,1 Mio. € wurden in der Haushaltsrechnung Entnahmen aus den Rücklagen in Höhe von 80,1 Mio. € dargestellt. Von dem Bestand der Rücklagen am Ende des Haushaltsjahres 2002 - nach Angaben in der Haushaltsrechnung - entfallen • 50,1 Mio. € auf die Rücklage zur Verminderung des Kreditbedarfs, • 12,4 Mio. € auf die Rücklage für Diskontierungsdarlehen, • 49,9 Mio. € auf die Ausgleichsrücklage für Zinsausgaben, • 4,6 Mio. € auf die Rücklage Sabbatjahr, • 10,8 Mio. € auf die Rücklage für personalwirtschaftliche Maßnahmen

gem. HG. Die restlichen Beträge verteilen sich auf unterschiedliche Rücklagenarten (Forstwirtschaft, Tierseuchenuntersuchungen, Leasingfinanzierungen, für Reformvorhaben gem. § 10 a LHO, Hochschulen, etc.). Bei Aufstellung des Haushalts 2002 war die Entnahme von insgesamt 45,1 Mio. € (davon 37,3 Mio. € aus der Rücklage zur Verminderung des Kreditbedarfs) sowie die Zuführung von 0,2 Mio. € zu Rücklagen veran-schlagt worden. Bei allen Rücklagen handelt es sich um buchmäßige Rücklagen, denen keine realen Vermögenswerte gegenüberstehen. Mit ihnen werden Aus-gabeermächtigungen aus Vorjahren auf der Grundlage haushaltsrechtli-cher Ermächtigungen in das Folgejahr 2003 vorgetragen. Eine Rücklagenzuführung ist nur zulässig, wenn der Haushalt hierzu er-mächtigt und die Zuführung haushaltsmäßig gedeckt ist. Mit Ausnahme der Rücklagen für spezielle Zwecke (für Diskontierungsdarlehen, für Zins-ausgaben, für Leasingfinanzierungen) wird die Rücklagenzuführung grund-sätzlich erst am Ende eines Haushaltsjahres vorgenommen, da erst dann feststeht, ob es tatsächlich „etwas zurückzulegen gibt“. Bei einem kreditfi-

82

nanzierten Haushalt sind diese Rücklagenzuführungen - egal ob sie aus zusätzlichen Einnahmen oder geringeren Ausgaben resultieren - in der Grenzbetrachtung immer kreditfinanziert, da sie zulasten der Krediter-mächtigung gedeckt werden und ohne sie die Inanspruchnahme dieser Ermächtigung niedriger ausfallen würde. Diese Feststellungen gelten nicht nur für den Haushalt 2002, sondern generell für alle kreditfinanzierten Haushalte des Landes. Im Falle der Inanspruchnahme der Rücklagen müssen Finanzierungsmittel durch die Aufnahme von Krediten bereitge-stellt werden. Zur Finanzierung des Haushalts 2002 war die Entnahme von 37,3 Mio. € aus der Rücklage zur Verminderung der Kreditaufnahme, die insbesonde-re aus dem Jahr 2001 stammte, eingeplant. Diese Rücklage war bei ihrer Bildung im Haushaltsvollzug 2001 durch die Inanspruchnahme der Kredit-ermächtigung des Haushaltsjahres 2001 bereits kreditfinanziert. Der LRH hat schon in seinen Bemerkungen 2001 auf die mit dieser Rücklagenbil-dung verbundene Praxis der Umgehung von Art. 53 LV hingewiesen.1 Die Verwendung der Rücklage zur Deckung des Haushalts 2002 gilt nach den Maßstäben des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-West-falen (VerfGH NRW)2, die nach Auffassung des LRH auf die Verhältnisse in Schleswig-Holstein übertragbar sind, als nicht verfassungskonform. Gleiches gilt auch für die Finanzierung des Nachtragshaushalts 2003 mit der in 2002 vorgenommenen kreditfinanzierten Zuführung zur Rücklage zur Verminderung des Kreditbedarfs in Höhe von 50 Mio. €.3 Das Finanz-ministerium hätte bei Aufstellung des Haushalts nicht nur die Nettokredit-aufnahme und die wie Einnahmen aus Kredit zu behandelnden Einnah-men aus dem Immobilienmodell sondern auch die (kreditfinanzierten) Rücklagen der durch die Investitionen bestimmten Kreditobergrenze ge-genüberstellen müssen - mit der Folge, dass die Kreditobergrenze in bei-den Haushaltsjahren überschritten gewesen wäre. Die Auffassung des LRH wird vom Finanzministerium nicht geteilt. Einer-seits ergebe sich aus dem Urteil des VerfGH NRW keine Bindungswirkung für Schleswig-Holstein, andererseits liege dem Urteil ein andersartiger Sachverhalt zugrunde. Im Gegensatz zu NRW seien in Schleswig-Holstein die Rücklagen nicht im Rahmen der Haushaltsaufstellung sondern im Haushaltsvollzug gebildet worden. Der Kreditermächtigungsrahmen sei nicht überschritten worden. Zinsmehrausgaben seien nicht entstanden, da die mit der Rücklagenbildung verbundene zusätzliche Kreditaufnahme einem internen Verwahrkonto zugeführt worden sei. Sie sei somit im Liqui-ditätsbestand des Landes verblieben und zunächst zur Deckung anderer

1 Vgl. Bemerkungen 2001 des LRH, Nr. 9.2.5. 2 Urteil des VerfGH NRW vom 02.09.2003, VerfGH 6/02. 3 Vgl. Nr. 8.7.2 dieser Bemerkungen.

83

Ausgaben eingesetzt worden, für die damit entsprechend geringerer Kre-ditbedarf anfiel. Ein Zinsschaden sei dem Land damit nicht entstanden. Der LRH bleibt bei seiner Auffassung. In einem kreditfinanzierten Haushalt ist jede Rücklagenbildung kreditfinanziert, weil ohne sie die Kreditaufnah-me niedriger ausfallen würde. Wenn aus einer nicht verwendeten Kredit-ermächtigung am Jahresende eine Rücklage zur Verminderung des Kre-ditbedarfs gebildet und diese in einem Folgejahr zur Deckung des Haus-halts veranschlagt wird, erhöht sich damit die Kreditfinanzierung dieses Haushalts. Die Rücklagenfinanzierung muss demzufolge in die Betrach-tung der Einhaltung der Kreditobergrenze des neuen Haushalts einbezo-gen werden. Dabei ist es unerheblich, wie die Rücklage entstanden ist.

7.13 Kreditaufnahme und Schulden des Landes Die Kreditaufnahme und die Schulden des Landes haben sich im Haus-haltsjahr 2002 wie folgt entwickelt:

7.13.1 Grundlage für die Kreditaufnahme waren die in der folgenden Übersicht dargestellten Kreditermächtigungen (gerundet auf volle €):

Kreditermächtigungen Höhe der

Ermächtigung Inanspruch-

nahme Verbleibende Ermächtigung

Restliche Ermächtigung aufgrund von § 2 Abs. 1 HG 2001 gem. § 18 Abs. 3 LHO

176.178.911

176.178.911

-

Ermächtigung gem. § 2 Abs. 1 HG 2002 i. d. F. von § 2 NT-HG 2002 zur allgemeinen Deckung

2.750.753.800

2.552.436.667

198.756.885

Erhöhung dieser Ermächtigung gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 HG 2002

439.752

Zusätzliche Tilgungen gem. § 18 Abs. 5 LHO

508.443.6201

508.443.620

-

Ankauf eigener Wertpapiere gem. § 18 Abs. 5 LHO

154.693.7002

154.693.700

-

Gesamtermächtigung Vorgriffsermächtigung gem. § 2 Abs. 2 HG 2002

3.590.509.783

478.168.4503

3.391.752.898 -

198.756.885 -

Umschuldungen gem. § 18 Abs. 5 LHO werden nicht mehr in gesonder- ten Titeln veranschlagt, sondern in Buchungsabschnitten beim Titel 1116-325 02 MG 01 - Anschlussfinanzierungen - ausgewiesen.

1 Ansatz gem. Erläuterung Nr. 2 zu Titel 1116-325 02 MG 01: 75 Mio. €; gem. § 18 Abs. 5

LHO erhöht auf den Ist-Betrag. 2 Ansatz gem. Erläuterung Nr. 3 zu Titel 1116-325 02 MG 01: 100 Mio. €; gem. § 18 Abs. 5

LHO vermindert auf den Ist-Betrag. 3 Die Ermächtigung wurde in der Haushaltsrechnung (S. 13) irrtümlich auf den Haushalt

2002 ohne den Nachtragshaushalt 2002 berechnet.

84

Abweichend von der Haushaltsrechnung1 hat der LRH die Ermächtigun-gen nach § 2 Abs. 1 HG 2002 zur allgemeinen Deckung und die Vorgriffs-ermächtigung korrekterweise auf die sich aus dem Nachtragshaushalt er-gebenden Beträge verändert. Das Finanzministerium hat die erteilten Kreditermächtigungen nicht überschritten. Es wurde eine Restkreditermächtigung gem. § 18 Abs. 3 LHO von rd. 198,8 Mio. € (Vorjahr: 176,2 Mio. €) ausgewiesen. Unter Be-rücksichtigung der gem. Haushaltsvermerk zu Kap. 1116 MG 01 am An-fang des Jahres 2003 eingegangenen Einnahmen aus Krediten in Höhe von 181,6 € (Vorjahr: 160,5 Mio. €), die noch zugunsten des abzuschlie-ßenden Haushaltsjahres 2003 gebucht wurden, verbleibt ein Einnahmerest von 17,2 Mio. €2 (Vorjahr: 15,6 Mio. €), der in das Haushaltsjahr 2003 übertragen wird. Mit der Restkreditermächtigung soll grundsätzlich die Finanzierung der im abgelaufenen Haushaltsjahr noch nicht getätigten Ausgaben, für die Aus-gabereste gebildet wurden, sichergestellt werden. Diesem Grundsatz wi-derspricht auch nicht das Gesamtdeckungsprinzip gem. § 8 LHO, auf das sich das Finanzministerium in dieser Frage immer bezieht.3 Die weitergel-tende Ermächtigung darf gem. § 18 Abs. 4 LHO auch zum Ausgleich von Mindereinnahmen aus Steuern und bundesstaatlichem Finanzausgleich sowie zur Deckung von auf Rechtsverpflichtungen beruhenden Mehraus-gaben bis zur Höhe von 3 % der veranschlagten Einnahmen aus Steuern und bundesstaatlichem Finanzausgleich eingesetzt werden. Mit ihrer gem. § 18 Abs. 4 LHO zulässigen und nicht gegen geltendes Recht verstoßen-den Verwendung zur Deckung von Einnahmeausfällen besteht die Gefahr, dass auch konsumtive Ausgaben kreditfinanziert werden und die von der Verfassung vorgegebene Kreditobergrenze im Haushaltsvollzug über-schritten wird. Dies widerspricht der Intention des Art. 53 LV, die Kredit-aufnahme auf die Höhe der Investitionen zu begrenzen. Der LRH hat in den vergangenen Jahren mehrfach auf die bedenklichen Auswirkungen von § 18 Abs. 4 LHO hingewiesen, die in der Kreditfinanzie-rung konsumtiver Ausgaben und der Überschreitung der Kreditobergrenze im Haushaltsvollzug liegen.4 Er hat auch vorgeschlagen, dass das Fi-nanzministerium künftig zuerst die neue Kreditermächtigung eines Haus-haltsjahres verwendet und erst wenn diese aufgebraucht ist, die Restkre-ditermächtigung des Vorjahres in Anspruch nimmt. Auf diese Weise erst könnte die Begrenzungsabsicht des § 18 Abs. 3 LHO, nach der die weiter-

1 Haushaltsrechnung 2002, Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003, S. 13. 2 Vgl. auch Tz. 7.5. 3 Zuletzt in Umdruck 15/3826 vom 27.10.2003. 4 Zuletzt in den Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 7.2.3 sowie Nr. 7.10.8.

85

geltende Kreditermächtigung bis zum Ende des nächsten Haushaltsjahres bzw. bis zur Verkündung des HG für das übernächste Jahr gilt, Wirkung entfalten. Der LRH hat weiterhin vorgeschlagen, die Auseinandersetzung über die Frage, ob die Kreditobergrenze gem. Art. 53 LV nur bei Aufstellung oder auch im Vollzug des Haushalts gilt, durch eine klarstellende Änderung der LV durch Streichung der Worte „im Haushaltsplan veranschlagten“ in Art. 53 Satz 2 LV und § 18 Abs. 1 Satz 1 LHO zu beenden. Diesen Vorschlägen sind weder das Finanzministerium noch das Parla-ment gefolgt. Auch die Anregungen des LRH in seiner Stellungnahme für den Finanzausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages1 wurden nicht aufgegriffen.

7.13.2 Das Finanzministerium darf gem. Haushaltsvermerk in Kap. 1116 MG 01 (Bruttokreditaufnahme) in Anwendung von § 72 Abs. 6 LHO und abwei-chend von § 72 Abs. 2 LHO Einnahmen in das folgende Haushaltsjahr umbuchen oder Einnahmen aus der Aufnahme von Krediten, die am Anfang des folgenden Haushaltsjahres eingehen, noch zugunsten des ab-zuschließenden Haushaltsjahres buchen oder umbuchen. Nach Angaben in der Haushaltsrechnung 20022 wurden auf dieser Grundlage rd. 181,6 Mio. €, die Anfang des Haushaltsjahres 2003 eingingen, zugunsten des Haushaltsjahres 2002 gebucht.

7.13.3 Das Finanzministerium durfte gem. § 2 Abs. 5 HG 2002 Kassenver-

stärkungskredite in Höhe von bis zu 8 % des in § 1 HG 2002 für Ein-nahmen und Ausgaben festgestellten Betrags, d. h. max. 765,1 Mio. €, aufnehmen. Nach Rückzahlung dieser Kredite darf diese Ermächtigung gem. § 18 Abs. 2 Nr. 2 LHO wiederholt in Anspruch genommen werden. Im Haushaltsjahr 2002 wurden an 62 Tagen (2001: 39 Tage) Kassen-verstärkungskredite zur vorübergehenden Liquiditätssicherung aufgenom-men. Der Ermächtigungsrahmen wurde nicht überschritten. Der Höchstbetrag der an einem Tag in Anspruch genommenen Kassen-verstärkungskredite belief sich auf 555 Mio. € vom 02. bis 03.04.2002 (Vorjahr: 87,9 Mio. €). Für Kassenverstärkungskredite wurden Zinsen aus Titel 1116-575 04 MG 01 in Höhe von rd. 0,97 Mio. € gezahlt (2001: 0,17 Mio. €). Die Zinssätze 1 Stellungnahme des LRH für den Finanzausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landta-

ges „Investitionsbegriff und verfassungsmäßige Grenze für die Kreditaufnahme“ vom 13.01.2004, Umdruck 15/4129; vgl. auch Nr. 3.1.2 dieser Bemerkungen.

2 Haushaltsrechnung 2002, Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003, S. 14; vgl. auch Tz. 7.13.1.

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für die Kredite lagen zwischen 2,91 % und 4,05 % (2001: 3,1 % und 5,75 %). Am Ende des Haushaltsjahres 2002 bestanden Schulden aus der Auf-nahme von Kassenverstärkungskrediten zur Liquiditätssicherung des Lan-des in Höhe von 238 Mio. € (Vorjahr: 38 Mio. €1).

7.13.4 Die Ermächtigungen gem. § 28 Abs. 7 und 8 HG 2002, nach denen das Innenministerium die Investitionsbank ermächtigen darf, • Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen der Zweckrück-

lage Wohnraumförderung bis zur Höhe von 25 Mio. € zuzüglich Zins-verpflichtungen und Geldbeschaffungskosten zu marktgerechten Be-dingungen aufzunehmen und

• Darlehen zur Mitfinanzierung des Wohnraumförderungsprogramms 2002 zulasten der Zweckrücklage Wohnraumförderung zu marktge-rechten Bedingungen aufzunehmen,

wurden nach Angaben in der Haushaltsrechnung2 nicht in Anspruch ge-nommen.

7.13.5 Im Haushaltsjahr 2002 hat das Land insgesamt Kredite (Bruttokreditauf-nahme) in Höhe von 3.434.472.552,04 € (2001: 2.278.943.813,61 €) aufgenommen. Davon entfielen auf • Kredite am Kreditmarkt 3.412.766.708,68 €, • Kredite im öffentlichen Bereich 6.145.595,36 €, • die wie Einnahmen aus Kredit zu

behandelnden Einnahmen aus der Veräußerung von unentbehrlichen Liegenschaften3 15.560.248,00 €.

Die gesamte Bruttokreditaufnahme des Landes 2002 lag damit um rd.

1.156 Mio. € oder 50,7 % über der des Vorjahres. Diese erhebliche Zu-nahme der Bruttokreditaufnahme im Jahr 2002 ist insbesondere auf die • Erhöhung der Einnahmen aus Krediten am Kreditmarkt und bei öf-

fentlichen Haushalten um 1.257.597.914,45 € zurückzuführen, der eine

• Verminderung der wie Einnahmen aus Kredit zu behandelnden Ein-nahmen aus der Veräußerung von unentbehrlichen Liegenschaf-ten um 102.069.176,03 € gegenüberstand.

1 2001 dargestellt als Verwahrung - Gelder des Landes. 2 Haushaltsrechnung 2002, Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003, S. 14. 3 In der Haushaltsrechnung wurden die Einnahmen aus der Vermögensveräußerung nicht

als Kredite, sondern als Erlöse aus Veräußerungen ausgewiesen.

87

7.13.6 Die Bruttokreditaufnahme des Landes setzt sich aus Schuldentilgung und Nettokreditaufnahme zusammen. Die Schuldentilgung am Kreditmarkt und bei öffentlichen Haushalten stieg von 1.559.435.833,15 € im Haushaltsjahr 2001 um 752.687.196,60 € auf 2.312.123.029,75 € in 2002. Da es sich hierbei lediglich um Anschluss-finanzierungen abgelaufener Darlehen und um Umschuldungen bereits bestehender Darlehen handelt, wurde mit diesen zusätzlichen Tilgungen der Schuldenstand des Landes nicht vermindert.

Die Nettokreditaufnahme des Landes am Kreditmarkt, bei öffentlichen Haushalten und aus dem Immobilienmodell lag insgesamt bei 1.122.349.522,29 € (2001: 719.507.980,46 €). Davon entfielen 1.116.427.737,25 € (2001: 712.728.774,83 €) auf die Nettokreditaufnahme am Kreditmarkt einschl. der Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Nettokreditaufnahme damit um rd. 403,7 Mio. € oder 56,6 % gestiegen. Die Nettokreditaufnahme am Kreditmarkt lag mit 1.100.867.489,25 € (2001: 595.099.350,80 €) um rd. 1,1 Mio. € unter der Veranschlagung im Haushalt 2002.

Die Nettokreditaufnahme im öffentlichen Bereich ist um 0,86 Mio. € oder 12,6 % gesunken. Sie belief sich auf 5.921.785,04 € (2001: 6.779.205,64 €). In den vergangenen Jahren entwickelte sich die gesamte Nettokredit-aufnahme im Vergleich zum Haushalts-Soll wie folgt (gerundet auf vol-le €)1: Jahr Soll

Ist

weniger (-) mehr (+)

1995 511.993.885 669.621.615 + 157.627.730

1996 560.519.319 649.631.641 + 89.112.322

1997 633.639.171 631.263.478 - 2.375.693

1998 632.291.917 577.364.627 - 54.927.290

1999 668.412.132 616.307.583 - 52.104.548

2000 633.264.138 596.651.886 - 36.612.253

2001 596.942.730 719.507.980 + 122.565.250

2002 1.124.055.000 1.122.349.522 - 1.705.478

1 1999 bis 2002 einschl. der Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft.

88

7.13.7 Die Schulden aus Kreditmarktmitteln, aus kreditähnlichen Rechtsgeschäf-ten, Ausgleichsforderungen und Schulden bei Verwaltungen, die fundier-ten Schulden1 des Landes, erhöhten sich um rd. 1.088 Mio. € oder 6,5 % gegenüber dem Vorjahr auf insgesamt 17.897,6 Mio. € (2001: 16.809,6 Mio. €). Einschl. der wie Einnahmen aus Kredit zu behandelnden Einnahmen aus der Immobilienveräußerung2 belaufen sich die fundierten Schulden des Landes Ende 2002 auf insgesamt 18.332,7 Mio. € (2001: 17.229,2 Mio. €). Sie stiegen damit um 1.103,5 Mio. € oder 6,4 % gegenüber dem Vorjahr. Das Finanzministerium weist darauf hin, dass die Landesregierung bei dem Vergleich der Nettokreditaufnahme mit der Kreditobergrenze die Ein-nahmen aus dem Liegenschaftsmodell aufgrund einer freiwilligen Selbst-verpflichtung wie Einnahmen aus Kredit behandele. Damit würden die Ein-nahmen aber noch keineswegs Schulden des Landes, die vom Land zu-rückgezahlt werden müssten. Der LRH erinnert daran, dass der Ausweis der Einnahmen aus dem Lie-genschaftsmodell wie Einnahmen aus Kredit auf die einstweilige Anord-nung des BVerfG3 zum Liegenschaftsmodell zurückzuführen ist.

7.13.8 Die Schulden des Landes je Einwohner (Pro-Kopf-Verschuldung) stie-gen 2002 um 360 € oder 5,8 % auf 6.525 €4 (Vorjahr: 6.165 €). Die gegenüber der Steigerung der fundierten Schulden geringere prozen-tuale Erhöhung der Schulden je Einwohner beruht auf einem Anstieg der Einwohnerzahlen vom 30.06.2001 zum 30.06.2002 um 0,5 % auf 2.809.535. Die Angaben in der Haushaltsrechnung 20025 stimmen hiermit nicht über-ein, da sie nicht von den Schulden insgesamt nach Abschluss des Haus-haltsjahres sondern von den Schulden nach dem Stand vom 31.12.2002 in der Abgrenzung der Schuldenstatistik ausgehen. Darüber hinaus berück-sichtigen sie nicht die wie Kredite zu behandelnden Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft.

7.13.9 Die Einnahmen aus Krediten abzüglich der Tilgungsausgaben (Netto-kreditaufnahme) dürfen gem. Art. 53 Satz 2 LV und § 18 Abs. 1 LHO die

1 In der Übersicht über die Vermögen und Schulden des Landes wird diese Position nicht

mehr als fundierte Schulden sondern als „Schulden insgesamt“ ausgewiesen. 2 1999 bis 2002: 435,1 Mio. €. 3 Einstweilige Anordnung des BVerfG vom 17.09.1998 - Beschluss des Zweiten Senats -

2 BvK 1/98, NordÖR Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland 1998, S. 339 ff. 4 Davon entfallen 155 € je Einwohner auf die Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft. 5 Haushaltsrechnung 2002, Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003, S. 10.

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Summe der im Haushalt veranschlagten Investitionen nicht übersteigen (Kreditobergrenze). Ausnahmen sind nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zur Überwindung einer schwerwiegenden Störung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwick-lung des Landes zulässig.

Die Kreditobergrenze wurde mit dem Nachtragshaushalt 2002 um 542,9 Mio. € überschritten. Da im Vollzug des Haushalts die Investitionen weiter reduziert wurden, ist die Kreditobergrenze um 573,7 Mio. € über-schritten worden wie die folgende Berechnung zeigt:

Einnahme-/Ausgabeart Ansatz 2002

T€ Ist 2002

T€ Investitionen HGr. 7 141.606,0 148.725,4 Investitionen HGr. 8 617.912,1 541.117,5

Investitionen insgesamt 759.518,1 689.842,9 abzüglich

Schuldenaufnahme für Investitionen bei Bund und Ländern, Gr. 311 und 312 - 6.328,5

- 6.146,0 Zuweisungen für Investitionen aus dem Öffentlichen Bereich, OGr. 33 - 103.246,2

- 89.197,9 Beiträge und sonstige Zuschüsse für Investitionen, OGr. 34 - 74.889,1

- 51.784,1 Nettoinvestitionen 575.054,3 542.714,9

Nettokreditaufnahme1 1.117.991,9 1.116.427,7 Unterschreitung (+) / Überschreitung (-) der Kreditobergrenze - 542.937,6

- 573.712,8

Die Landesregierung hat die Überschreitung der Kreditaufnahmegrenze in ihrem Entwurf des Gesetzes über den Nachtragshaushalt für das Haus-haltsjahr 20022 mit den Feststellungen begründet, dass • die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung des Landes – ausge-

hend von den Entwicklungen der Arbeitslosenzahlen und des realen Wirtschaftswachstums in der Bundesrepublik - gestört sei und

• die Bundesregierung für die Bundesrepublik insgesamt, also auch für Schleswig-Holstein, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleich-gewichts konstatiert habe.

Die Landesregierung erklärte weiterhin, dass die erhöhte Kreditaufnahme zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts be-stimmt und geeignet sei, da ohne diese Kreditaufnahme in den Haushalten 2003 und 2004 ein anderenfalls in 2002 entstehender Fehlbetrag aus-zugleichen gewesen wäre. Dieser Ausgleich hätte nur durch Einsparungen bei konsumtiven und freiwilligen Leistungen des Landes herbeigeführt

1 Einschl. der wie Einnahmen aus Kredit zu behandelnden Einnahmen aus dem Immo-

biliengeschäft von 16.000 T€ bzw. 15.560,2 T€. 2 Landtagsdrucksache 15/2267 vom 21.11.2002.

90

werden können, womit wiederum insbesondere der Arbeitsmarkt belastet worden wäre. Bund und Länder haben gem. Art. 109 Abs. 2 GG den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Gem. § 1 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz haben sie ihre Maßnahmen so zu tref-fen, dass diese im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig • zur Stabilität des Preisniveaus, • zu einem hohen Beschäftigungsstand und • außenwirtschaftlichem Gleichgewicht • bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum führen. Eine Definition, wann das wirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist, gibt es nicht. Für das BVerfG ist der Begriff „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“ ein unbestimmter Verfassungsbegriff.1 Wie der LRH bereits in seinen Bemerkungen 20032 festgestellt hat, kommt die Landesregierung mit ihrer Feststellung der Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts lediglich formal den Anforderungen von Art. 53 LV und § 18 Abs. 1 LHO nach. Danach ist im Gesetzgebungsverfahren zur Feststellung des Haushaltsplans insbesondere darzulegen, dass 1. das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht oder die Wirtschafts- und Be-

schäftigungsentwicklung des Landes ernsthaft und nachhaltig gestört ist oder eine solche Störung unmittelbar bevorsteht,

2. die erhöhte Kreditaufnahme dazu bestimmt und geeignet ist, diese Stö-rungen abzuwehren.

Bei der Beurteilung, ob eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleich-gewichts vorliegt, hat neben der Landesregierung auch der Haushaltsge-setzgeber einen Ermessens- und Entscheidungsspielraum und damit eine Darlegungslast im Gesetzgebungsverfahren.3 Die Darlegungen müssen erkennbar machen, dass die parlamentarische Mehrheit mit der Verab-schiedung des HG die Verantwortung auch für die Begründung der Erhö-hung der Kreditaufnahme übernimmt.4 Zwar hat der Schleswig-Holsteinische Landtag mit dem Entwurf des Nachtragshaushaltsgesetzes 20025 Kenntnis von den Darlegungen der Landesregierung erhalten. Al-lerdings fehlt ein formeller, nach Auffassung des Berliner VerfGH auch not-weniger Beschluss des Haushaltsgesetzgebers, mit dem sich dieser den Darlegungen der Landesregierung anschließt.

1 Entscheidung des BVerfG vom 18.04.1989, S. 338, BVerfGE 79, 311 - Leitsätze in Anla-

ge 1). 2 Vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 8.2.3. 3 BVerfG 79, 311 und Berliner VerfGH, Tz. D. II. 4. 4 Ebenda. 5 Landtagsdrucksache 15/2267 vom 21.11.2002.

91

Angesichts • einer Steigerungsrate der Verbraucherpreise von 1,1 % in der Bundes-

republik1, • einer Arbeitslosenquote von 8,4 % (Vorjahr: 8,1 %) in Schleswig-

Holstein (Bundesgebiet: 9,4 %, Vorjahr: 9,0 %)2 und • eines Wirtschaftswachstums von 1,3 % in Schleswig-Holstein3 (Bun-

desrepublik: 0,2 %, Vorjahr: 0,6 %)4 konnte nach Auffassung des LRH zum Zeitpunkt der Entscheidung von einer ernsthaften und nachhaltigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht gesprochen werden - wie es die Entscheidung des BVerfG vom 18.04.19895 zur Bedingung macht. Erst recht konnte eine schwerwiegende Störung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung in Schleswig-Holstein nicht festgestellt werden. Schleswig-Holsteins Wirt-schaft war im ersten Halbjahr 2002 im Ländervergleich noch am stärksten gewachsen.6 Die erhöhte Kreditaufnahme muss gem. § 18 Abs. 1 LHO nach Umfang und Verwendung bestimmt und geeignet sein, die Störung des gesamt-wirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren. Sie muss final auf die Ab-wehr dieser Störung gerichtet sein.7 Hierbei müssen auch die Ursachen der Störung mit in Betracht gezogen werden.8 Diesen Anforderungen wird das Finanzministerium bei seiner Begründung der Notwendigkeit der er-höhten Kreditaufnahme für den Nachtragshaushalt 2002 nicht gerecht. Danach ist die erhöhte Kreditaufnahme erforderlich, um Einnahmeausfälle aufgrund von Steuermindereinnahmen, aber auch aufgrund von zu hoch geschätzten bzw. nicht etatreifen, veranschlagten Einnahmen auszuglei-chen. Die Landesregierung sieht ihren konjunkturfördernden Anteil darin, dass sie das ohne die Kreditaufnahme entstehende Defizit gem. § 25 Abs. 3 LHO in den beiden kommenden Haushaltsjahren 2003 und 2004 hätte ausgleichen müssen - mit der Folge erheblicher Einsparungen in diesen Haushalten, die insbesondere bei den Personalausgaben und nichtinvesti-ven Zuschüssen zu drastischen Reduzierungen geführt hätten. Nach der Begründung der Landesregierung für die erhöhte Kreditaufnah-me konnten die kreditfinanzierten Maßnahmen erst 2004 Einfluss auf die Konjunktur haben. Denn erst dann hätte der Fehlbetrag aus 2002 einge- 1 Stand: November 2002 im Vergleich zu November 2001 - Quelle: Statistisches Bundes-

amt. 2 Stand Oktober 2002. 3 Erstes Halbjahr 2002. 4 Schätzung des Sachverständigenrats für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen

Entwicklung, Jahresgutachten 2002/03 vom 13.11.2002. 5 BVerfGE 79, 311. 6 Pressemitteilung des Statistischen Landesamts Schleswig-Holstein vom 24.09.2002. 7 Vgl. auch: Urteil des Berliner VerfGH vom 31.10.2003, - VerfGH 125/02. 8 BVerfGE 79, 311.

92

spart werden müssen. Auch der Höhe nach konnte der konjunkturelle Ein-fluss nur sehr begrenzt sein, da angesichts eines Anteils der jährlichen Nettoneuverschuldung am Bruttoinlandsprodukt des Landes von weniger als 1 % nicht davon auszugehen war, dass die - eh notwendigen - Einspa-rungen im Landeshaushalt ernsthaft eine konjunkturelle Belebung beein-trächtigen bzw. eine weitere konjunkturelle Verschlechterung verursachen würden. Auch die Deutsche Bundesbank hat festgestellt, dass die konjunk-turelle Wirkung öffentlicher Investitionen nur sehr begrenzt ist.1 In diesen Fällen ist auch nach Maßgabe der Entscheidungen des BVerfG und des Berliner VerfGH keine erhöhte Kreditaufnahme gerechtfertigt. Es reicht nicht aus, die höhere Kreditaufnahme nur mit der Vermeidung weite-rer Einsparungen und einer daraus folgenden Förderung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts zu begründen.2 Eine Überschreitung der Kre-ditobergrenze ist danach nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn Vorsorge für die alsbaldige Beseitigung nicht nur des konjunkturellen sondern auch des strukturellen Defizits getroffen wird und dies dargelegt wird. Hierfür bedarf es anderer haushalts- und finanzpolitischer Maßnah-men, da sich ansonsten die Situation in den folgenden Jahren wiederholen könnte.3 Die Finanzierung • der Deckungslücken wegen nicht erzielter Einnahmen aus der Ver-

äußerung von Landesbankanteilen und nicht realisierter Erlöse aus Liegenschafts- und sonstigen Vermögensveräußerungen,

• zu niedrig veranschlagter Personalausgaben im Schulbereich, • von Gebühren, Entschädigungen und Auslagen in Rechtssachen, • der Inanspruchnahme des Landes aus Sicherheits- und Gewährleis-

tungen im Schiffbau für bereits eingetretene Schäden sowie • von zusätzlichen Ausgaben für Beihilfen (Mitarbeiter und Versorgungs-

empfänger) über zusätzliche Kreditaufnahmen ist nicht geeignet, die konjunkturelle Entwicklung zu fördern. Vielmehr handelt es sich hier lediglich um eine Schließung von im laufenden Haushalt aufgetretenen Deckungslücken, denen nicht rechtzeitig durch aktive Haushaltssteuerung (z. B. Wiederbe-setzungssperre, Kürzung freiwilliger Leistungen, etc.) entgegengetreten wurde.

1 Deutsche Bundesbank: Entwicklung und Finanzierungsaspekte der öffentlichen Investi-

tionen, Monatsbericht April 1999, S. 29 ff. 2 Urteil des Berliner VerfGH vom 31.10.2003, VerfGH 125/02, Tz. E III. 3 BVerfGE 79, 311.

93

Die von der Landesregierung festgestellte Störung des gesamtwirtschaftli-chen Gleichgewichts und die Verdopplung der Kreditaufnahme des Lan-des mit dem Nachtragshaushalt standen • in ihrer Diagnose und • in den eingesetzten Mitteln, die die Störung beseitigen sollten, nicht im Einklang mit den Maßstäben von Art. 53 LV und der darauf an-wendbaren Rechtsprechung. Mit dem Haushalt 2002 wurden die notwendigen Einsparungen und damit eine ernsthafte Haushaltskonsolidierung im Landeshaushalt erneut in die Zukunft verschoben. Das Finanzministerium ist verwundert darüber, dass der LRH für das Jahr 2002 keine ernsthafte und nachhaltige Störung des gesamtwirtschaft-lichen Gleichgewichts annehme. Er stehe damit im Widerspruch zu allen Sachverständigen, die einhellig dargelegt hätten, dass sich die Wirtschaft der Bundesrepublik mindestens seit dem Jahr 2001 in einer Stagnations-phase befunden habe. Der LRH begründet seine Wertung nicht mit einer Ex-Post-Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung. Seine Argumentation basiert auf der Si-tuation zum Entscheidungszeitpunkt unter Anwendung der Maßstäbe der Rechtsprechung zur Darlegung und Begründung der erhöhten Kreditauf-nahme. Diese lässt eine andere Wertung nicht zu.

7.13.10 Wenn veranschlagte Investitionen bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit im Haushaltsvollzug durch alternative Finanzierungen (wie z. B. Leasing oder ähnliche Verträge) getätigt werden, so sind die hierfür erforderlichen Mittel auf einen Titel der HGr. 5 umzusetzen (§ 7 Abs. 21 HG 2002). Ent-sprechend dem im Finanzausschuss erzielten Einvernehmen1 ist die Kre-ditobergrenze und die Kreditermächtigung entsprechend zu vermindern. In der Haushaltsrechnung wurden keine Umsetzungen nachgewiesen.

7.14 Eventualverbindlichkeiten

Das HG 2002 einschl. des Nachtragshaushaltsgesetzes ermächtigte das Land auf der Grundlage von Art. 53 LV zur Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen (Eventualverbindlichkeiten) in Höhe von 1.954.529.076,40 € (2001: 1.425.264.465,73 €). Damit wur-den die Ermächtigungen um 37,1 % bzw. 529,3 Mio. € erhöht. Diese Ermächtigungen wurden nach Angaben der Landesregierung in Hö-he von 1.318.159.127,69 €, das entspricht 67,4 % in Anspruch genommen (Vorjahr: 914.392.678,02 €).

1 Niederschrift der 107. Sitzung des Finanzausschusses am 11.12.1998, S. 17.

94

Wesentliche Ursache für die Erhöhung der übernommenen Eventualver-bindlichkeiten war die Ermächtigung für eine neue Bürgschaft zur Siche-rung der Finanzierung der Gesellschaft zur Verwaltung und Finanzie-rung von Beteiligungen des Landes (GVB) gem. § 16 Abs. 3 HG 2002 in Höhe von 513 Mio. €, von der 512,5 Mio. € zugesagt wurden. Wirtschaftlich stellt die Übernahme von Bürgschaften des Landes zuguns-ten der GVB, einer Tochter des Landes, - auch wenn das Land dies nicht nachvollziehen kann - eine Kreditaufnahme des Landes dar. Angesichts der hohen Verschuldung des Landes ist es nicht vertretbar, über den Um-weg der Eventualverbindlichkeiten, für die es keine verfassungsmäßige Obergrenze gibt, die Kreditaufnahme des Landes mittelbar auszuweiten, ohne dies transparent zu machen. Dennoch hat das Land bis Ende 2002 der GVB Bürgschaften in Höhe von insgesamt rd. 763 Mio. € gegeben, in dieser Höhe hat sich die GVB im Auftrag des Landes verschuldet. Neben den oben dargestellten Eventualverbindlichkeiten weist die Haus-haltsrechnung weitere bürgschaftsähnliche Verpflichtungen in Höhe von 1.490.418.899,27 € (Vorjahr: 881.915.837,78 €) aus.1 Hierin sind irr-tümlich die bürgschaftsähnlichen Zusagen gem. § 15 Abs. 7 HG 19992 um 601.698.511,62 € zu hoch ausgewiesen worden. Nach Abzug dieses Be-trags verbleiben bürgschaftsähnliche Zusagen des Landes Ende 2002 in Höhe von 888.720.387,65 €.

7.15 Einsatz derivativer Finanzinstrumente § 2 Abs. 3 HG 2002 i. V. m. § 18 Abs. 7 LHO ermächtigt das Finanzminis-terium, im Rahmen der Kreditfinanzierung ergänzende Verträge zur Opti-mierung der Kreditkonditionen und zur Begrenzung von Zinsänderungs-risiken (derivative Finanzinstrumente) abzuschließen.

7.15.1 Mit dem Haushaltsjahr 2002 führte das Finanzministerium auf der Grund-lage von § 3 HG 2002 das Portfolioverfahren für das Kredit- und Zinsma-nagement ein. Bei der Planung und Steuerung der Zinsausgaben orientiert sich das Finanzministerium an der Ergebnis-Risiko-Struktur eines vorge-gebenen Referenzportfolios. Der LRH hat der Einführung des Portfoliover-fahrens grundsätzlich unter folgenden Vorbehalten zugestimmt: • Die 1999 mit dem LRH vereinbarten „Empfehlungen für den Einsatz de-

rivativer Finanzinstrumente“3 müssen dringend umgesetzt und konkre-tisiert werden, einschl. der Dienstanweisungen, Verfahrensdokumenta-tion, pp.

1 Haushaltsrechnung 2002, Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003, S. 242. 2 Haushaltsrechnung 2002, Landtagsdrucksache 15/3054 vom 20.11.2003, S. 242,

Ziff. 3.4. 3 Umdruck 14/3312 vom 27.04.1999.

95

• Die Nutzung der „Ausgleichsrücklage für Zinsausgaben“ als De-ckungsmittel für erhöhte Zinsausgaben führt zu einer Zweckentfrem-dung der bisherigen Rücklagemittel.

• Die entwickelten IT-Verfahren sind nicht geprüft und abgenommen worden.

Der LRH hat den Einsatz des Verfahrens noch nicht geprüft. Die in § 2 Abs. 4 HG 2002 festgelegte Höchstgrenze für Zinsänderungs-risiken von 15,03 Mio. € war einzuhalten. Das Finanzministerium legt in der Haushaltsrechnung nicht dar, in wel-chem Umfang diese Höchstgrenze innerhalb des gesamten Haushaltsjah-res eingehalten oder ob sie überschritten wurde. Das Finanzministerium erklärt, dass die Höchstgrenze im gesamten Ver-lauf des Haushaltsjahres 2002 eingehalten worden sei1 und sagt zu, künf-tig die entsprechende Berichterstattung in die Haushaltsrechnung aufzu-nehmen. Der nominale Vertragsbestand an Zinsderivaten durfte gem. § 18 Abs. 7 LHO höchstens 50 % des Gesamtschuldenstands am Ende des voran-gegangenen Haushaltsjahres betragen. Diese Ermächtigungsgrenze 2002 lag bei 8.404,8 Mio. €. Ihr standen Vertragsbestände am Ende 2002 in Höhe von 8.671 Mio. € gegenüber, von denen Sicherungsgeschäfte in Höhe von 3.825 Mio. € gem. § 18 Abs. 7 Satz 4 LHO nicht auf die Ermäch-tigung angerechnet werden. Das Finanzministerium erklärte, dass die Er-mächtigung auch im gesamten Jahr 2002 eingehalten wurde. Seit 1992 hat sich der Vertragsbestand der Zinsderivate wie in der folgen-den Grafik dargestellt entwickelt. Seit der Änderung der LHO gem. Art. 5 des Haushaltsbegleitgesetzes 20022 werden Sicherungsgeschäfte nicht mehr auf den Vertragsbestand angerechnet. Damit erklärt sich die Absen-kung des anrechenbaren Vertragsbestands in 2002. Ohne diese Änderung hätte sich der steigende Trend fortgesetzt und wäre die Höchstgrenze des halben Schuldenstands überschritten worden.

1 Vgl. auch Umdruck 15/3166 vom 25.03.2003. 2 Haushaltsbegleitgesetz zum Haushaltsplan 2002 (Haushaltsbegleitgesetz 2002) vom

12.12.2001, GVOBl. Schl.-H. S. 365, geändert durch Landesverordnung vom 16.09.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 503.

96

Vertragsbestand an Zinsderivaten

02468

1012141618

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

Haushaltsjahr

Mrd

. €

anrechenbarer Vertragsbestand Schuldenstand Ermächtigungsrahmen Vertragsbestand

7.15.2 Nach dem haushaltsmäßigen Ergebnis hat sich der Einsatz der derivati-

ven Finanzinstrumente auf den Landeshaushalt - kumulativ betrachtet - bislang positiv ausgewirkt. Die Ausgaben für Zinsen am Kapitalmarkt konnten durch Einzahlungen aus Zinsderivaten seit 1992 bis einschl. 2002 um rd. 26,2 Mio. € reduziert werden. Jedoch haben die Mehrbelastungen aus Finanzderivaten seit 2000 die haushaltsmäßige Entlastung um fast 20 Mio. € reduziert. Das Finanzministerium führt in der Haushaltsrechnung hierzu aus, dass diesen Mehrbelastungen aus Derivaten höhere Entlas-tungen bei den Zinsausgaben gegenüberstehen.

Wirkungen auf den Haushaltsvollzug durch den Einsatz der Zinsderivate

-50

-40

-30

-20

-10

0

10

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

Haushaltsjahr

Mio

. €

Nettoein- (-) und -auszahlungen (+) aus Derivaten

kumulierte Haushaltsbe- (+)- oder -entlastung(-)

97

Das Finanzministerium weist darauf hin, dass die isolierte Betrachtung der haushaltsmäßigen Ergebnisse der derivativen Finanzinstrumente nicht aussagekräftig sei und bittet, in die Darstellung sowohl Kredite als auch Derivate aufzunehmen. Der LRH sieht in der Darstellung der haushalts-mäßigen Zahlungsströme, wie sie in der Haushaltsrechnung transparent nachgewiesen werden, ein geeignetes Instrument, die Wirkung der Zins-derivate auf den Haushalt darzustellen.

7.15.3 Das Finanzministerium stellte in der Vergangenheit neben den haushalts-mäßigen Auswirkungen des Einsatzes derivativer Finanzinstrumente im Rahmen der Haushaltsrechnung sowie im Haushaltsplan (Anlage zum bisherigen Kap. 1114) auch die wirtschaftlichen Ergebnisse seit Beginn des Einsatzes der Geschäfte dar. Bewertungsstichtag zur Ermittlung der wirtschaftlichen Ergebnisse war jeweils der 01.06. des laufenden Haus-haltsjahres. Mit der Haushaltsrechnung 2002 und dem Systemwechsel auf das Portfo-lioverfahren in 2002 hat das Finanzministerium diese Darstellung nicht mehr vorgenommen. Stattdessen wird eine Darstellung des wirtschaftli-chen Ergebnisses als Differenz zwischen dem Referenzportfolio und dem Ist- und Plan-Portfolio vorgenommen. Danach gelten niedrigere haus-haltsmäßige Zinsausgaben im Vergleich zu den Zinsausgaben des Refe-renz-Portfolios als wirtschaftlich. Für das Jahr 2002 wird ein solches Er-gebnis in Höhe von 29,22 Mio. € ausgewiesen. Aufgrund der bis 2003 praktizierten Veranschlagung von Zuführungen und Entnahmen aus Rück-lagen als Zinseinnahmen bzw. Zinsausgaben1 relativiert sich allerdings die Aussagekraft, da die in der Haushaltsrechnung ausgewiesenen Zinsaus-gaben Bestandteile enthalten, die keine Zinsausgaben sondern Rückla-genzuführungen darstellen. Der LRH bedauert, dass die von ihm zuletzt in den Bemerkungen 2002 auch für den Portfolio-Einsatz favorisierte Darstellung des wirtschaftlichen Gesamtergebnisses des Derivateeinsatzes seitens des Finanzministeri-ums nicht fortgeführt wird. Der LRH hält die langfristige Betrachtung in einem Zeitreihenvergleich seit Beginn des Derivateinsatzes 1992 weiterhin für angebracht, um dem parlamentarischen Informationsrecht i. S. der Empfehlungen für den Einsatz derivativer Finanzinstrumente2 zu entspre-chen. Das Finanzministerium führt dazu aus, dass die neue umfangreichere Ergebniskontrolle - wie bisher - einen langfristigen Zeitreihenvergleich vor-sehe, der in den Zusätzlichen Erläuterungen zum Kap. 1116 dargestellt werde. Dies bestätigt die Befürchtung des LRH, dass damit ein auch die

1 Vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 7.12.3. 2 Umdruck 14/3312 vom 27.04.1999.

98

Vergangenheit einbeziehender Zeitreihenvergleich nicht mehr durchge-führt wird. Dies hält der LRH nicht für sinnvoll. Dank sinkender Zinssätze und des Einsatzes der derivativen Kreditinstru-mente ist es dem Land gelungen, die Zinsausgaben trotz der steigenden Schulden über die vergangenen Jahre hinweg relativ konstant zu halten.

Entwicklung der Zinsausgaben, der Schulden aus Kreditmarktmitteln sowie des Zinssatzes für Kredite des

Landes

0123456789

101112

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

Haushaltsjahr

Zins

satz

02468101214161820

Mrd. €

Zinsausgaben am Kreditmarkt Zinssatz für Kredite des LandesSchulden aus Kreditmarktmitteln

Eine derartige Entwicklung der Zinsausgaben kann nur anhalten, wenn bei steigender Verschuldung das Zinsniveau weiter sinkt und die Risiken, die das Land um den Preis der Verstetigung der Zinsausgaben zusätzlich auf-genommen hat, in Zukunft beherrschbar bleiben. In ihrer Finanzplanung geht die Landesregierung bereits von steigenden Zinsausgaben ab 2006 aus. Das Finanzministerium widerspricht ausdrücklich der Darstellung, nach der das Land zur weiteren Verstetigung der Zinsausgaben zusätzliche Ri-siken eingegangen sei. Die weitere Entwicklung der Zinsausgaben hänge in erster Linie vom Verschuldungsniveau ab. Der in der Finanzplanung ausgewiesene Anstieg der Zinsausgaben sei vor allem auf die Erhöhung der Neuverschuldung in den letzten Jahren und einen Zinsanstieg in den kommenden Jahren zurückzuführen. In der bisherigen Niedrigzinsphase seien durch Verlängerung der Kreditlaufzeiten Zinsänderungsrisiken be-grenzt und durch Zinssicherungsgeschäfte verstärkt Vorsorge gegen einen künftigen Anstieg der Kapitalmarktzinsen getroffen worden. Damit sei das Finanzministerium keine zusätzlichen Risiken eingegangen.

99

7.15.4 Neben den Ausgaben für Zinsderivate wurde auch im Haushaltsjahr 2002 eine Nettoübertragung von Zinsbestandteilen an die Zinsausgleichs- rücklage in Höhe von rd. 0,9 Mio. € (Vorjahr: 15,7 Mio. €) durchgeführt. Der LRH hat in seinen Bemerkungen 20031 die Buchungen der Rückla-genbewegungen über Zinsausgabetitel moniert. Der Finanzausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat in seinem Votum2 seine Erwar-tung zum Ausdruck gebracht, dass bei der Buchung von Rücklagen im Be-reich des Kredit- und Zinsmanagements (Zinsrücklagen) im Interesse der Haushaltsklarheit und -wahrheit wie folgt verfahren wird: 1. Zinsrücklagen, für die noch keine vertraglichen Verpflichtungen aus

konkreten Abschlüssen im Kredit- und Derivatbereich bestehen, sind künftig unter einem Rücklagetitel der OGr. 91 und 35 zu buchen.

2. Die übrigen Zinsrücklagen werden wie bisher in Zinstiteln der Gruppe 575 gebucht.

Mit dem in 2002 vollzogenen Systemwechsel hin zur Gesamtportfoliosteu-erung wurde in § 3 Abs. 5 HG 2002 die Funktion der zweckgebundenen Zinsausgleichsrücklage bestimmt. Danach sind Einnahmen aus dem Ver-kauf von Zinsoptionen zur Risikovorsorge der Zinsausgleichsrücklage zu-zuführen und zweckgebunden zum Ausgleich von Zinsmehrausgaben zu verwenden. Soweit Rücklagenmittel nicht mehr zur Abdeckung optionaler Zinsänderungsrisiken benötigt werden, sind sie zum Ausgleich von Zinsmehrausgaben während des Haushaltsvollzugs und zur Verstetigung der Zinsausgabenentwicklung im Finanzplanungszeitraum einzusetzen. Die Zinsausgleichsrücklage hatte zum 31.12.2002 einen Gesamtbestand in Höhe von 49,9 Mio. €, der sich auf die Bereiche • bedingte Zinsänderungsrisiken Kredite 19,1 Mio. €, • bedingte Zinsänderungsrisiken Derivate 14,7 Mio. €, • unbedingte Zinsänderungsrisiken Derivate 7,6 Mio. € sowie • zur Verstetigung Kredite und Finanzderivate 8,6 Mio. € aufteilte. Das Zinsänderungsrisiko für den Doppelhaushalt 2004/20053 wurde durch die Änderungsvorschläge der Landesregierung4 zum Entwurf des Doppel-haushalts 2004/2005 von ursprünglich 69 Mio. € für 2004 auf 36 Mio. € sowie von ursprünglich 100 Mio. € für 2005 auf 90 Mio. € reduziert. Im

1 Vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 7.12.3, S. 52 ff. 2 Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zur Haushaltsrechnung und

Vermögensübersicht 2001 und zu den Bemerkungen 2003 des LRH mit Bericht zur Lan-deshaushaltsrechnung 2001, Landtagsdrucksache 15/2985 vom 06.11.2003, angenom-men durch Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 12.11.2003.

3 § 2 Abs. 4 HG 2004/2005. 4 Vgl. Umdruck 15/3985 vom 21.11.2003, Anlage 2.

100

Vergleich zu den für die Haushaltsjahre 2002 und 2003 erteilten Ermächti-gungen zur Übernahme von Zinsänderungsrisiken in Höhe von jeweils 15,03 Mio. € wurde das Zinsänderungsrisiko für den Doppelhaushalt um 140 % bzw. rd. 500 % erhöht. Das Finanzministerium weist darauf hin, dass der Anstieg der zulässigen Zinsänderungsrisiken im Haushalt 2004 vor allem darauf beruhe, dass die Bruttokreditaufnahme im Jahr 2003, die sich erst im Haushalt 2004 auf die Zinsen auswirke, deutlich höher gewesen sei. Der weitere Anstieg des zu-lässigen Zinsänderungsrisikos in 2005 beruhe darauf, dass mit dem Dop-pelhaushalt 2004/2005 erstmals Zinsänderungsrisiken aus der Bruttokre-ditaufnahme von 3 vollen Haushaltsjahren berücksichtigt worden seien. Der dargestellte Anstieg des Ermächtigungsrahmens für die zulässigen Zinsänderungsrisiken bedeute nicht, dass zusätzliche Zinsänderungsrisi-ken in erheblichem Umfang eingegangen werden sollen. Der LRH warnt in diesem Zusammenhang vor dem Abschluss risikoreicher Zinsoptionsgeschäfte, um durch die vereinnahmten Optionsprämien den Rücklagenbestand dem Zinsänderungsrisiko anzunähern und erinnert an die Aussage des vom LRH seinerzeit zur Begutachtung des geplanten Portfolio-Verfahrens beauftragten externen Sachverständigen1. Danach führt die Nutzung der Ausgleichsrücklage für Zinsausgaben als Deckungs-mittel für erhöhte Zinsausgaben zu einer Zweckentfremdung der bisher eindeutig definierten Rücklagenmittel. „Zum anderen ergibt sich im Falle der tatsächlichen Inanspruchnahme der Rücklage in Folgejahren die Not-wendigkeit der Erwirtschaftung von Zinsvorteilen bzw. erhöhter Haushalts-ansätze.“ Im Finanzplan des Landes von 2003 bis 20072 gibt die Landesregierung ihre Einschätzung zur künftigen Zinsentwicklung wieder und rechnet für die Jahre 2006/2007 mit durchschnittlichen Zinssteigerungen von je 30 Mio. €. Das Finanzministerium erklärt, dass es nicht beabsichtige, abweichend von der bisherigen Praxis, risikoreiche Optionsgeschäfte zu tätigen. Ein großer Teil der Optionsgeschäfte sei zur Begrenzung von Zinsänderungs-risiken abgeschlossen worden. Die weiteren Optionsgeschäfte dienten in Übereinstimmung mit § 3 Abs. 2 HG der Optimierung der Zinsausgaben über einen längerfristigen Zeitraum. Eine Zweckentfremdung der Rückla-genmittel finde nicht statt. Der LRH nimmt die Ausführungen des Finanzministeriums zur Kenntnis, hält aber an seiner Bewertung und seiner Warnung fest.

1 Vgl. Umdruck 15/1632 vom 14.11.2001. 2 Vgl. Umdruck 15/2819 vom 06.08.2003.

101

7.15.5 Ende des Jahres 2003 hat das Finanzministerium die mit dem LRH 1999 einvernehmlich vereinbarten Empfehlungen für den Einsatz der deriva-tiven Finanzinstrumente in groben Zügen umgesetzt. Es steht allerdings noch die Umsetzung der dort vereinbarten Regelungen und Dienstanwei-sungen aus, die die Sicherheit des Einsatzes gewährleisten sollen. Der LRH geht davon aus, dass diese alsbald in die VV zu § 18 Abs. 7 LHO übernommen werden.

102

8. Aktuelle Haushaltslage des Landes Die Verschuldung des Landes beschleunigt sich weiter. Ende 2005 wird sie rd. 20,8 Mrd. € betragen. Ohne konsequentes Um-steuern droht dem Land die finanzielle und gestalterische Hand-lungsunfähigkeit. Der LRH fordert Parlament und Regierung auf, die Haushalts-konsolidierung zügig, konsequent und ohne Tabubereiche vo-ranzutreiben. Einsparpotenziale müssen konsequent genutzt und ebenso wie eventuelle Mehreinnahmen ausschließlich zur Reduzierung der Neuverschuldung verwendet werden. Die Zeit für einen Doppelhaushalt ist denkbar ungünstig.

8.1 Desolate Finanzsituation

Schon in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Doppelhaushalts 2004/ 20051 hat der LRH darauf hingewiesen, dass das Land Schleswig-Holstein sich in der bislang schwersten Finanzkrise seiner Geschichte befindet. Nicht nur die stagnierende wirtschaftliche Entwicklung sondern vor allem die bisher unzureichende Haushaltskonsolidierung und überzogene, nicht erfüllte Einnahmeerwartungen haben hierzu beigetragen. Seit Jahren weist der LRH auf die Folgen der steigenden Verschuldung des Landes mit dro-hender Handlungs- und Gestaltungsunfähigkeit der Regierung hin. Bemer-kenswert ist die Feststellung des Finanzministers: „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt und notwendige Strukturreformen verschla-fen.“2

8.2 Verdopplung der Nettokreditaufnahme im Haushaltsvollzug seit 2002 Bereits die kontinuierliche jährliche Neuverschuldung von fast 600 Mio. € bis 2001 hat die Verschuldung des Landes auf eine unvertretbare Höhe getrieben. Sowohl im Haushaltsvollzug 2002 als auch 2003 wurde die Net-tokreditaufnahme unter Berufung auf eine Störung des gesamtwirtschaftli-chen Gleichgewichts gem. Art. 53 LV nochmals verdoppelt.3 Auch 2004 wird sich das Land mit rd. 730 Mio. € abermals höher verschulden, als die Verfassung des Landes im Regelfall erlaubt.

1 Schreiben des LRH an die Vorsitzende des Finanzausschusses des Schleswig-Holsteini-

schen Landtages vom 28.10.2003. 2 Rede des Finanzministers zum Haushaltsentwurf 2004/2005 vom 27.08.2003. 3 Vgl. auch Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 8.2.3.

103

Nettokreditaufnahme

0,0

200,0

400,0

600,0

800,0

1.000,0

1.200,0

1.400,0

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Pla

n 20

04

Pla

n 20

05

Haushaltsjahr

Mio

. €

Mit dem Doppelhaushalt 2004/2005 werden nach den bisherigen Planun-gen die Schulden des Landes1 Ende 2005 bei mindestens 20,8 Mrd. € lie-gen.

Verschuldung des Landes

0

5

10

15

20

25

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Pla

n 20

04

Pla

n 20

05

Haushaltsjahr

Mrd

. €

0

1

2

3

4

5

6

7

%

Verschuldung Steigerungsrate

Die aus dieser hohen und immer schneller steigenden Verschuldung resul-tierenden Zinsausgaben belasten den Landeshaushalt mit jährlich mehr als 900 Mio. € - mit steigender Tendenz. Damit liegen die Zinsausgaben um rd. 100 Mio. € über den Ausgaben des Landes für Investitionen:

1 Einschl. der wie Einnahmen aus Kredit zu behandelnden Einnahmen aus der Veräuße-

rung der unentbehrlichen Liegenschaften in Höhe von 443,2 Mio. €.

104

Investitionen und Zinsausgaben

0100200300400500600700800900

1000

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Pla

n 20

04

Pla

n 20

05

Haushaltsjahr

Mio

. €

Investitionen Zinsausgaben

Besorgnis erregend ist nach jahrelangen geringfügigen Steigerungen der Zinsausgaben auch der angekündigte Anstieg der Zinsausgaben im Finanzplan für 2006 auf 934,8 Mio. € und 2007 um weitere 26,0 Mio. € (+ 2,8 %) auf 960,8 Mio. €. Eine Ursache ist der erwartete Anstieg des Zinsniveaus. Andererseits reichen dann die Entlastungseffekte durch das Kredit- und Zinsmanagement nicht mehr aus, um die Mehrbelastung aus der steigenden Neuverschuldung aufzufangen. Seit Jahren wird in der Finanzplanung für die letzten Planungsjahre eine Senkung der Neuverschuldung angekündigt, ohne dass das Land diese Absicht jemals verwirklicht hat.

Nettokreditaufnahme - Planung und Realität

0

200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Haushaltsjahr

Mio

. €

1993-1997 1994-1998 1995-1999 1996-20001997-2001 1998-2002 1999-2003 2000-20042001-2005 2002-2006 2003-2007 Ist

Finanzplan

105

Eine Tilgung der Altschulden findet de facto nicht statt. Es wird nur umge-schuldet. Auf jedem Einwohner Schleswig-Holsteins lasten 6.525 €1 Lan-desschulden. Das ist mehr als in jedem anderen Flächenland der Bundes-republik.

8.3 Ursachen und notwendige Maßnahmen Der LRH stimmt der Einschätzung der finanziellen Lage des Landes durch die Landesregierung im Finanzplan 2003 bis 20072 zu. Übereinstimmung besteht auch in der Auffassung, dass Deckungslücken in der Größenord-nung, wie sie sich 2002 und 2003 ergeben haben, nicht einfach durch Ein-sparungen aus dem laufenden Haushalt ausgeglichen werden können. Der LRH widerspricht der Landesregierung jedoch bei der Analyse der Ur-sachen der heutigen desolaten Finanzsituation und hinsichtlich der einzu-setzenden Instrumente und hält die bisher ergriffenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzsituation für unzureichend. Die gegenwärtige dramatische Finanzsituation ist keinesfalls überraschend eingetreten. Sie zeichnete sich seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten ab. Der zwingenden Notwendigkeit, den Haushalt zu konsolidieren, wurde in der Vergangenheit nie ausreichend Rechnung getragen. Stattdessen hat das Land steigende Steuereinnahmen, die Veräußerung von Landes-vermögen und die Ausschöpfung der Kreditlinie des Landes unter großzü-giger Auslegung der verfassungsmäßigen Grenzen genutzt, den Haushalt immer mehr auszuweiten. Im Ergebnis dieser Haushaltspolitik ist das Land heute hoch verschuldet und besitzt kaum noch Vermögen. Einmalige Einnahmen aus Vermögens-veräußerungen, mit denen der Landeshaushalt in der Vergangenheit im-mer erst - trotz bereits hoher Neuverschuldung - ausgeglichen wurde, sind nach dem Ausverkauf des Landesvermögens kaum noch zu erwarten. Mit den Erlösen aus Vermögensveräußerungen wurden weder Schulden ge-tilgt noch neues Vermögen gebildet - mit ihnen wurden insbesondere kon-sumtive Ausgaben finanziert und damit der dringenden Notwendigkeit von Einsparungen aus dem Weg gegangen. Die Konsolidierung wurde auch in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen auf die lange Bank geschoben. Bei stagnierenden oder geringeren Ein-nahmen war die heutige Finanzsituation vorhersehbar. Sie war auch ver-meidbar.

1 Vgl. Nr. 7.13.8 dieser Bemerkungen. 2 Finanzplan des Landes Schleswig-Holstein 2003 bis 2007, Landtagsdrucksache 15/2819

vom 06.08.2003, S. 12.

106

In der derzeitigen konjunkturellen Lage und bei der Einnahmesituation des Landes ist die Haushaltskonsolidierung kurzfristig nicht zu erreichen. Das Land darf dennoch einen ausgeglichenen Haushalt ohne Schuldenauf-nahme nicht aus den Augen verlieren. Ziel muss es also sein, die Ausga-ben des Landes endlich seinen Einnahmen anzupassen. Gerade in der jetzigen Situation gilt es, die Kräfte zu bündeln und sich auf die wesentli-chen Aufgaben zu konzentrieren. Nach den bisherigen Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute soll sich die Konjunktur leicht erholen und die Binnennachfrage wieder steigen. Damit kann noch nicht unterstellt werden, dass sich dies so positiv, wie die Landesregierung annimmt, auf die Steuereinnahmen des Landes auswirkt. Sollten sich dennoch in den kommenden Jahren Mehreinnahmen im Haushaltsvollzug ergeben, so erwartet der LRH, dass diese Mehreinnah-men zur Reduzierung der Neuverschuldung eingesetzt werden. Der LRH begrüßt es ausdrücklich, dass Parlament und Regierung endlich die Kernaufgaben des Landes definieren wollen.1 Im Gegensatz zur Auf-fassung des Finanzministeriums sind für den LRH Kernaufgaben nicht sol-che Aufgaben, zu denen das Land gesetzlich verpflichtet ist.2 Vielmehr ist es Aufgabe der Politik, darüber zu entscheiden, welche Aufgaben das Land noch wahrnehmen will und welche es sich noch leisten kann. Auch gesetzliche Aufgaben sind infrage zu stellen. Aus allen nicht zu den Kern-aufgaben gehörenden Bereichen muss sich das Land, so die Erwartung des LRH, schnellstmöglich zurückziehen mit der Folge, dass sich daraus ein Aufgaben- und Ausgabenabbau und damit ein Schritt zur Haushalts-konsolidierung ergibt. Gleichzeitig gilt es, die in dem Kernaufgabenbereich verbleibenden Aufgaben im Hinblick auf ihre Standards und ihre Wirt-schaftlichkeit kritisch zu beleuchten. Die in der Vergangenheit von der Landesregierung durchgeführte Aktion „Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik“ hat keine nennenswerten Beiträge zum Aufgabenabbau und zu Einsparungen ergeben und insofern nicht zur Konsolidierung beigetragen. Das im vergangenen Jahr vorgelegte 49-Punkte-Programm der Landesregierung enthält richtige Ansätze, schlägt sich aber im Doppelhaushalt 2004/2005 kaum nieder. Der LRH fordert Parlament und Regierung auf, sich Änderungsnotwendigkeiten zü-gig, konsequent und ohne Tabubereiche zu stellen. Bisher hat die Landes-regierung Effizienzgewinne in weiten Verwaltungsbereichen nicht zur Kon-solidierung des Landeshaushalts eingesetzt.

1 Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Landtagsdrucksache 15/2985 vom

12.11.2003. 2 Umdruck 15/3689 vom 12.09.2003.

107

8.4 Unrealistische Einnahmeerwartungen

8.4.1 Die in den vergangenen Jahren z. T. stagnierende wirtschaftliche Entwick-lung in der Bundesrepublik Deutschland führte zu geringer steigenden, teilweise auch gleich bleibenden und seit 2001 zu rückläufigen Steuerein-nahmen des Landes (einschl. Länderfinanzausgleich - LFA - und Bundes-ergänzungszuweisungen - BEZ -). Ab 2004 wird wieder mit einem Anstieg gerechnet.

Steuereinnahmen einschl. LFA und BEZ

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Pla

n 20

04

Pla

n 20

05

FinP

lan

2006

FinP

lan

2007

Haushaltsjahr

Mio

. €

Gemeinschaftsteuern Landessteuern LFA BEZ

2006 und 2007 Gemeinschaftsteuern einschl. Landessteuern.

Die Landesregierung hat nicht nur versäumt, sich hierauf rechtzeitig einzu-stellen, sondern hat Einnahmen geplant, die in Teilbereichen auch über den Schätzungen des Arbeitskreises Steuerschätzung lagen. Die folgende Grafik zeigt die Differenzen zwischen den Finanzplanungen und den Ist-Ergebnissen:

108

Steuereinnahmen, LFA und BEZ - Planung und Realität

4.000

4.500

5.000

5.500

6.000

6.500

7.000

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Haushaltsjahr

Mio

. €

1993-1997 1994-1998 1995-1999 1996-20001997-2001 1998-2002 1999-2003 2000-20042001-2005 2002-2006 2003-2007 Ist

Finanzplan

Aufgrund der zu optimistischen Planungen insbesondere in den Jahren 1995 bis 1997 sowie in 2002 und 2003 wurden für die ursprünglichen Lan-deshaushalte immer noch steigende Steuereinnahmen angenommen. Auch dies führte dazu, dass die Ausgaben nicht ausreichend zurückge-führt wurden. Insbesondere im Haushaltsvollzug 2002 und 2003 wurden riesige Fehlbeträge im Haushalt aufgebaut, die mit zusätzlichen Schulden - unter Berufung auf Ausnahmeregelungen nach Art. 53 Satz 2, Halb- satz 2 LV über die Verfassungsgrenze hinaus - in Nachtragshaushalten ausgeglichen werden mussten.

Steuereinnahmen einschl. LFA und BEZ - Planung und Realität -

4.400

4.600

4.800

5.000

5.200

5.400

5.600

5.800

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

Haushaltsjahr

Mio

. €

Planung (HH-Plan ohne Nachtrag) Realität (Ist)

109

Auch für den Doppelhaushalt 2004/2005 erschwerten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine gesicherte Prognose über die Entwicklung der Steuereinnahmen für 2004 und erst recht für 2005. Darüber hinaus war die Prognose der Einnahmeentwicklung durch die späte, erst nach Verab-schiedung des Landeshaushalts 2004/2005 getroffene Entscheidung über zahlreiche Steueränderungsgesetze für den Doppelhaushalt mit erhebli-chen Unsicherheiten behaftet. Gerade in einer solchen Situation wäre es anzuraten gewesen, entsprechend dem „Grundsatz des vorsichtigen Kauf-manns“ sich für die Planung auf der sicheren Seite zu bewegen, um einer-seits dazu beizutragen, die wirtschaftliche Krise zu überwinden und ande-rerseits einen solide finanzierten Haushalt mit Perspektiven für die weitere Entwicklung und Konsolidierung vorzulegen. Dieser Handlungsmaxime folgte die Landesregierung jedoch mit dem Doppelhaushalt 2004/2005 jedenfalls für den Haushalt 2005 nicht. Das Land veranschlagt abweichend von der Steuerschätzung folgende Beträge (in Mio. €):

Steuer-schätzung für 20041

Haushalt 2004

Steuer-schätzung für 20052

Haushalt 2005

Steuereinnahmen 5.124,0 5.025,5 5.290,6 5.490,1 LFA 84,5 84,5 137,0 137,0 BEZ 222,3 222,3 127,7 127,7 Summe 5.430,8 5.332,3 5.555,3 5.754,8

Womit die um 199,5 Mio. € höhere Veranschlagung der Steuereinnahmen in 2005 begründet wird, ist für den LRH nicht ersichtlich. Das Finanzministerium erläutert dies auch in seiner Stellungnahme nicht.

8.4.2 Die Verwaltungseinnahmen steigen im Haushalt 2004 beträchtlich um

330,3 Mio. € oder 71,0 % auf 795,3 Mio. € an. Dieser Anstieg beruht zu einem großen Teil darauf, dass Einnahmen in Höhe von 200 Mio. € als Vergütung für die Inanspruchnahme der Zweckrücklage der Investitions-bank erwartet werden. Dieser Ansatz ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und es stellt sich - wie bereits im vergangenen Jahr3 - die Frage, ob seine Veranschlagung etatreif ist. Die bereits im ursprünglichen Haus-halt 2003 veranschlagte Einnahme von 100 Mio. € blieb aus und trug da-mit zur Erhöhung der Deckungslücke im Haushalt 2003 bei, die mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2003 geschlossen werden musste. Bereits in seinen Bemerkungen 2003 hat der LRH darauf hingewiesen, dass schon

1 Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom 04. bis 06.11.2003, Umdruck

15/3907 vom 14.11.2003. 2 Ergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom 13. bis 15.05.2003, Umdruck

15/3364 vom 20.05.2003. 3 Vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 8.4.

110

damals die auf vagen Hoffnungen beruhende Veranschlagung nicht im Einklang mit den Anforderungen der LV und der LHO stand.1

8.4.3 Da bei Aufstellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 bei nahezu unverändertem Ausgabenspektrum eine erhebliche Deckungslü-cke verblieb, hat die Regierung eine globale Mehreinnahme in Höhe von 200 Mio. € veranschlagt, ohne dass auch nur annähernd erläutert wird, wie diese Mehreinnahme erzielt werden soll. Allein die Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung der Wirtschaft und die Wirkung des Zukunfts-Investitions-Programms für Wachstum und Beschäftigung (ZIP 2004)2 rei-chen als Begründung für diese globale Veranschlagung nicht aus. Damit ist auch diese Veranschlagung nicht mit dem Haushaltsrecht vereinbar.

8.5 Ausgabenstruktur Die Ausgabenseite des Doppelhaushalts 2004/2005 trägt der Finanzkrise des Landes nicht hinreichend Rechnung. Hierbei übersieht der LRH nicht, dass eine Schließung der Gesamtdeckungslücken kurzfristig nicht möglich ist. Er sieht aber auch keine mittel- oder langfristigen Perspektiven der Landesregierung. Ihr 49-Punkte-Programm reicht nach Einschätzung des LRH jedenfalls nicht, die Finanzlage des Landes nachhaltig zu verbessern.

8.5.1 Die Personalausgaben, der größte Ausgabenblock, sollen gegenüber dem Haushalt 20033 in 2004 um 65,8 Mio. € oder 2,2 % und 2005 um 136,0 Mio. € oder 4,5 % auf insgesamt 3.130,3 Mio. € steigen. • Aufgrund der zunehmenden Zahl der Versorgungsempfänger werden

nahezu zwangsläufig die Versorgungs- und auch die Beihilfeausgaben steigen. Die Zahl der Stellen und Planstellen im Haushalt 2004 soll per Saldo um 153 Stellen4 sinken. Im Jahr 2005 wird sie aber wieder um 1655 auf 55.966 Stellen ansteigen. Darin enthalten sind pro Jahr jeweils 200 neue Lehrerstellen.

• Der in der Vergangenheit im Landeshaushalt ausgewiesene hohe

Rückgang um 1.708 Stellen von 1998 bis 2003 hatte im Wesentlichen seine Ursache in Stellenverlagerungen in Nebenhaushalte - und

1 Vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 8.4. 2 Umdruck 15/3689 vom 12.09.2003, S. 82. 3 Einschl. des zweiten Nachtragshaushalts. 4 458 neue Stellen, denen 611 Einsparungen gegenüberstehen. Zusätzlich wurden 42 Stel-

len im Kapitel 0710 gestrichen; die Ausgabemittel wurden für Vertretungs- und Aushilfs-kräfte umgeschichtet.

5 293 neuen Stellen stehen 128 Einsparungen gegenüber.

111

stellte insoweit keinen „echten“ Stellenabbau des Landes dar.1 Die Stellen werden nur nicht mehr im Landeshaushalt ausgewiesen.

• Die Personalausgaben der Hochschulen werden - abweichend von al-

len Haushaltsgrundsätzen - als Zuschüsse veranschlagt. Mit diesen Maßnahmen ist jedoch kein Personalabbau erfolgt, sondern es hat le-diglich eine Personalausgabenverlagerung stattgefunden.

• Ohne die Stellen für Nachwuchskräfte und in Wirtschaftsbetrieben so-

wie die in Nebenhaushalte übertragenen Stellen sind im Landesbereich von 1998 bis 2003 lediglich 198,5 Stellen eingespart worden.

• Die Arbeitszeit der Beamten des Landes wurde seit 01.01.1994 um

eine Stunde und seit 01.01.2002 um eine weitere halbe Stunde erhöht. Sie arbeiten damit in einer 40-Stunden-Woche. So hat das Land allein aus der letzten Erhöhung der Wochenarbeitszeit der Beamten um eine halbe Stunde zusätzliche Personalkapazitäten in Höhe von überschlä-gig mehr als 200 Stellen (ohne Lehrer) erhalten, die aber nicht in eine Verminderung der Stellen des Landes mündeten. Wenn die Wochenar-beitszeit der Angestellten und Arbeiter des Landes ebenfalls auf 40 Wochenstunden angehoben würde, ergäben sich ohne Lehrerstellen rechnerisch über 400 Stellen zusätzlich für das Land. Der LRH fordert die Landesregierung auf, bei Erhöhungen von Wo-chenarbeitszeiten der Beschäftigten die Planstellen und Stellen bei der Landesverwaltung angemessen abzubauen. Er verkennt dabei nicht, dass die Arbeitszeitverlängerung nur in bestimmten Bereichen zu kon-kret messbaren Einsparmöglichkeiten führt.

8.5.2 Die Zinsausgaben werden 2005 ansteigen. Während sie noch 2003 und

auch 2004 auf dem bisherigen Niveau von rd. 900 Mio. € verharren, wer-den nach dem Haushalt 2005 die Zinsausgaben auf 939,6 Mio. € um 3,9 % ansteigen. Schleswig-Holstein zahlt je Einwohner 1½-mal soviel Zinsen wie der Durchschnitt der alten Flächenländer2:

1 Vgl. Nr. 10 dieser Bemerkungen. 2 Quelle: Finanzplan des Landes 2003 bis 2007 vom 02.07.2003, S. 13.

112

Zinsausgaben je Einwohner

0

50

100

150

200

250

300

350

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

Haushaltsjahr

Durchschnitt der alten Flächenländer Schleswig-Holstein

8.5.3 Mit dem 100 Mio. €-Programm ZIP 2004 will die Landesregierung Investi-

tionen forcieren, um die heimische Wirtschaft zu stärken, Arbeitsplätze zu sichern und die Infrastruktur für Bildung und Forschung zu fördern - alles Ziele, die der LRH unterstützt. Im Wesentlichen soll das ZIP 2004 in den Haushaltsjahren 2004 bis 2006 aus den Haushalten des Wirtschaftsminis-teriums und des Bildungsministeriums bestritten werden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um neue Maßnahmen und Mittel, sondern überwiegend um eine Zusammenstellung und teilweise Aufstockung bereits in Vorjahren aufgelegter Programme. Die Investitionen des Landes im Haushalt 2004 liegen mit 793,4 Mio. € un-ter dem Niveau des Haushalt 2003 von 804,5 Mio. €1. Tatsächlich fielen die Investitionen im Haushaltsvollzug 2003 noch um rd. 80 Mio. € niedriger aus. 2005 verringern sie sich gegenüber 2004 weiter um 16,5 Mio. € auf insgesamt 776,8 Mio. €. Das entspricht einer Investitionsquote von 9,8 %.

8.5.4 Im Haushalt 2004 werden 65,9 Mio. € und im Haushalt 2005 190,9 Mio. € globale Minderausgaben veranschlagt. Ihr Anteil an den bereinigten Net-toausgaben steigt damit von 0,8 % in 2004 auf 2,4 % in 2005. Damit errei-chen sie eine kaum noch zu erwirtschaftende Größenordnung und stellen insbesondere 2005 ein erhebliches Haushaltsrisiko dar. Der LRH sieht in der Veranschlagung hoher globaler Minderausgaben eine Verletzung des Grundsatzes der Haushaltsklarheit und Haushalts-wahrheit und des Budgetrechts des Parlaments.

1 Die Investitionen 2003 waren durch den Fonds für Aufbauhilfe (Gr. 884) einmalig um

59 Mio. € erhöht.

113

8.6 Doppelhaushalt - in einer so unsicheren Situation ungeeignet Aufgrund der nicht vorhersehbaren Konjunkturentwicklung und nicht abge-schlossener umfangreicher haushaltswirksamer Gesetzesvorhaben war die Ausgangslage für eine Haushaltsaufstellung so unsicher wie noch nie. Dennoch stellte die Landesregierung für die Haushaltsjahre 2004 und 2005 erstmals einen Doppelhaushalt auf. Der LRH bezweifelt, ob diese nach § 12 LHO ausnahmsweise zulässige Maßnahme sinnvoll ist. Zwar entfällt für das Jahr 2005 die zeit- und ar-beitsaufwändige Aufstellung des Einzelhaushalts und damit auch umfang-reiche Haushaltsberatungen, dem stehen aber erhebliche Nachteile ge-genüber: • Gerade die Haushaltsprobleme im Jahre 2003 zeigten, dass die Vo-

raussage der künftigen Entwicklungen schon für einen kurzen Zeitraum außerordentlich schwierig ist. Eine verlässliche Prognose war bereits für die Steuereinnahmen im Jahr 2004 kaum möglich. Erst recht ist eine Vorausschätzung für 2 Haushaltsjahre mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Gravierende Veränderungen der Steuerschätzungen wie im letzten Jahr sind nicht auszuschließen, mit der Folge, dass der zweite Haushalt eines Doppelhaushalts so erheblich nachzubessern wäre, dass dies fast einer Neuaufstellung gleich käme, zumal der Haushalt 2005 bereits mit globalen Minderausgaben (190,9 Mio. €) und globalen Mehreinnahmen (200 Mio. €) in einem noch nie da gewesenen Ausmaß belastet ist. Allein damit bestehen de facto zum Zeitpunkt der Auf-stellung des Haushalts 2005 Deckungslücken von fast 400 Mio. €.

• Ein Doppelhaushalt schränkt die Budgethoheit des Parlaments für das

zweite Haushaltsjahr ein, denn während der jährliche Haushalt vom Landtag aktuell beraten werden muss, hat bei einem Doppelhaushalt nur die Regierung innerhalb der 2 Haushaltsjahre das Initiativrecht für einen Nachtragshaushalt (§ 37 LHO).

• Wie bei Einjahreshaushalten müssen auch bei Doppelhaushalten 2 ge-

trennte Haushalte aufgestellt werden. Damit relativiert sich der arbeits-ökonomische Vorteil eines Doppelhaushalts.

• Gerade in derart unsicheren Ausgangssituationen geht ein Doppel-

haushalt zulasten der Planungsgenauigkeit und damit der Haushalts-wahrheit und Haushaltsklarheit. Zahlreiche Veranschlagungen entzie-hen sich einer hinreichend sicheren Prognose, um einen soliden und den Normen des Haushaltsrechts entsprechenden Doppelhaushalt zu erstellen. Dies zeigt sich z. B. bei den hohen Risiken des Derivateinsat-zes.

114

Noch am 22.05.2001 - anlässlich der Vorstellung der Mai-Steuerschätzung 2001 - sah es der Finanzminister als vorteilhaft an, keinen Doppelhaushalt zu haben: „Daher treffen uns die Ergebnisse 2001 nicht so hart, wie jene Bundesländer, die aufgrund eines zweijährigen Haushaltsplans die Steu-eränderungen aus dem Jahr 2000 noch nicht berücksichtigen konnten.“ 1 Vor diesem Hintergrund hält es der LRH für einen Fehler, gerade jetzt von der Ausnahmeregelung in § 12 LHO Gebrauch zu machen und einen Doppelhaushalt aufzustellen. Das Finanzministerium sollte seine Erfahrungen mit dem Doppelhaushalt einschl. seiner Vor- und Nachteile im Vergleich zu Einzelhaushalten in einem Bericht darstellen.

8.7 Verfassungsgemäße Kreditaufnahme? Wie im Haushaltsjahr 20022 wurde ebenfalls 2003 ein Nachtragshaushalt notwendig, mit dem die originäre Kreditobergrenze gem. Art. 53 Satz 2, Halbsatz 1 LV überschritten wurde. Auch bei Aufstellung des Doppelhaus-halts 2004/2005 wurde diese Kreditobergrenze von 571,9 Mio. €3 in 2004 durch geplante Kreditaufnahmen von 735,5 Mio. € um 163,6 Mio. €4 über-schritten. In 2005 wird die Kreditobergrenze von 548,7 Mio. €5 mit 550,0 Mio. € Kreditaufnahmen um 1,3 Mio. €6 überschritten.

8.7.1 Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Unter Berufung auf die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts wird im Haushalt 2004 - wie für den zweiten Nachtrag 2003 und den Nach-trag 2002 - die Kreditobergrenze gem. Art. 53 Satz 2 Halbsatz 1 LV über-schritten. Die Landesregierung gibt in der Begründung zum Nachtragshaushalt 2003 ebenso wie in der Nachschiebeliste zum Haushaltsentwurf 2004/20057 an, sie habe nach „sorgfältiger Abwägung der Alternativen“ (Krediterhöhung und/oder Einsparungen) darauf verzichtet, dem Landtag vorzuschlagen, den Haushalt durch weitere Einsparungen auszugleichen. Sie begründet dies damit, dass • bereits die Nachtragshaushalte 2003 umfangreiche Ausgabenkürzun-

gen enthalten (z. B. Förderprogramme, Straßenbau, Landwirtschafts-

1 Pressemitteilung des Finanzministeriums vom 22.05.2001. 2 Vgl. Nr. 7.13.9 dieser Bemerkungen. 3 Nach der Berechnungsmethode des Finanzministeriums 574,8 Mio. €. 4 Nach der Berechnungsmethode des Finanzministeriums 160,7 Mio. €. 5 Nach der Berechnungsmethode des Finanzministeriums 550,6 Mio. €. 6 Nach der Berechnungsmethode des Finanzministeriums um 0,6 Mio. € unterschritten. 7 Umdruck Nr. 15/3985 vom 21.11.2003.

115

kammer, Wohnungsbauförderung, Beamte, Personalkostenbudgets ohne Tarif- und Besoldungssteigerungen),

• der erste Nachtrag 2003 - anstelle einer Haushaltssperre - die Einspa-rungen durch hohe globale Minderausgaben erhöht habe,

• 2003 bereits strukturelle Maßnahmen zur Haushaltsentlastung eingelei-tet worden seien und

• mit dem Haushalt 2004 die Konsolidierungsanstrengungen der vergan-genen Jahre fortgeführt würden.

Weitere Einsparungen würden nach Auffassung der Landesregierung das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zusätzlich negativ beeinflussen. Die Landesregierung begründet die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts mit Hinweis auf die folgenden Eckdaten: • Die deutsche Wirtschaft befinde sich seit mehr als 2 Jahren in einer

Stagnationsphase, die sich auch 2003 fortgesetzt habe; für 2004 werde mit einer leichten Besserung gerechnet, doch werde diese nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze ausreichen.

• Das Ziel des hohen Beschäftigungsstands sei gravierend verfehlt wor-den.

Auch die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung des Landes sei schwerwiegend gestört: • Das Wirtschaftswachstum Schleswig-Holsteins habe in den vergange-

nen 5 Jahren überwiegend unter dem Bundesdurchschnitt gelegen. • Der Arbeitsmarkt entwickle sich ähnlich Besorgnis erregend wie im

Bundesgebiet. Die Landesregierung bat den Landtag anzuerkennen, dass im Jahr 2003 wie schon 2002 eine ernsthafte und nachhaltige Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts vorliege, die eine erhöhte Kreditaufnahme rechtfertige. Die erhöhte Kreditaufnahme sei geeignet, • die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren, • eine prozyklische Finanzpolitik zu vermeiden und • das sachlich ausgewogene Ausgabengerüst des Landeshaushalts zu

wahren. Damit sei § 18 Abs. 1 Ziffer 2 LHO erfüllt, nach der die erhöhte Kreditauf-nahme bestimmt und geeignet sein muss, die Störung zu beseitigen.

Die erhöhte Kreditaufnahme sei ein Baustein eines abgerundeten Ge-samtkonzepts der Landesregierung, das aus • einer Unterstützung der Reformvorhaben auf Bundesebene, • eigenen Maßnahmen des Landes zur Belebung der Binnenstruktur und • der Konsolidierung der Landesfinanzen bestehe.

116

Der LRH stellt hierzu fest, dass in den vergangenen beiden Haushaltsjah-ren mit den über die Kreditobergrenze hinaus aufgenommenen Krediten nur Deckungslücken im Haushaltsvollzug geschlossen wurden. Diese wa-ren nicht nur durch die konjunkturelle Entwicklung, sondern zu einem gro-ßen Teil durch unrealistische Veranschlagungen im Haushalt 2003 (auf die der LRH bereits in seiner Haushalts-Stellungnahme und in seinen Bemer-kungen 2003 hingewiesen hat) und mangelnde Steuerung im Haushalts-vollzug entstanden. Natürlich kann eine derartige Lücke im Haushalt nicht insgesamt in 2005, geschweige denn konnte sie im Haushalt 2003 durch Einsparungen geschlossen werden. Unverständlich ist jedoch, dies gar nicht zu versuchen. Bereits die Mai-Steuerschätzung 2003 ließ erhebliche Mindereinnahmen erwarten. Hierauf wurde nicht ausreichend reagiert. An-stelle unzureichender zusätzlicher globaler Minderausgaben im ersten und zweiten Nachtrag 2003 wären Haushaltssperren, Wiederbesetzungssper-ren und Einstellungsstopps in einer derart dramatischen Situation die rich-tigen Mittel gewesen. Stattdessen setzte die Landesregierung erneut und vergeblich auf steigende Steuereinnahmen. Mit dem Haushalt 2004 wird die originäre Kreditobergrenze erstmals bei der ersten Aufstellung eines Haushalts nicht eingehalten. Dabei ist es be-merkenswert, dass die Landesregierung diese Kreditobergrenze um 163,6 Mio. € überschreitet, obwohl zum Ausgleich des Haushalts 2004 nur 98,5 Mio. € erforderlich waren. Die Argumentation der Landesregierung zur Rechtfertigung der Über-schreitung der Kreditobergrenze gem. Art. 53 LV ist ähnlich wie in den Vorjahren: • Einsparungen seien nicht möglich. • Würde die Kreditaufnahme nicht getätigt, wäre durch die dann notwen-

digen Einsparungen im Haushalt 2005 die Konjunktur erheblich gefähr-det.

Damit stellt die Kreditaufnahme keine bewusste Konjunktursteuerung und -stimulierung dar, sondern lediglich eine Reaktion auf die Deckungslücken im Haushalt 2003. Mit den aus den Krediten finanzierten Ausgaben wird die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht beseitigt, sie sind Folge einer mangelnden Haushaltssteuerung und nicht das Ergebnis einer gezielten konsolidierungs- und konjunktursteuernden Politik. Auch im Haushalt 2004 gibt es nur wenige konkrete konjunkturfördernde Maßnah-men, mit denen die höhere Kreditaufnahme gerechtfertigt werden könnte.

117

Der LRH bezweifelt, ob die Argumentation der Landesregierung im Lichte der jüngsten Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs1 einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. Zwar hat sich die Landesregierung bei der Abfassung der Begründung der Überschreitung der Verfassungsgrenze von Art. 53 LV formal an die Maß-stäbe des Berliner VerfGH angelehnt, z. B. bei der ausführlichen Darle-gung und dem Vorschlag zur Einbindung des Parlaments in die Feststel-lung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Angreifbar ist aber, dass mit der Kreditaufnahme - auch 2004 - nur Haushaltslücken ge-schlossen und nicht gezielt Maßnahmen zur Beseitigung des Ungleichge-wichts finanziert werden. Hierzu führt der Berliner VerfGH unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 1979 aus: „Je nach den gegebenen Ursachen vermag auch der Umstand, dass bei Ausgleich eines vorhandenen Haushaltsdefizits im Wege der Ausgaben-kürzung oder Steuererhöhung ein weiterer Abschwung droht, eine erhöhte Kreditaufnahme allein nicht zu rechtfertigen. Ohne dass andere haushalts- und finanzpolitische Maßnahmen hinzutreten, könnte sich die Situation in den folgenden Jahren wiederholen und gegebenenfalls - etwa durch An-wachsen des Schuldensockels - noch verschärfen. … Gibt es Versäum-nisse früherer Haushaltsgesetzgeber, muss er (Anm.: der Haushaltsge-setzgeber) mit deren Folgen leben. … Sie (Anm.: die Versäumnisse) sind kein Freibrief für eine beliebige Berufung auf den Ausnahmetatbestand, weil eine durch frühere Haushaltsgesetzgeber geschaffene Zwangslage … zu keiner die Ausnahme noch ausweitenden Handlungsposition für den heutigen Haushaltsgesetzgeber führen darf.“

8.7.2 Rücklagen und Kreditaufnahme2 In der Vergangenheit wurden insbesondere der Nachtragshaushalt 2001 mit 121,8 Mio. € (238,3 Mio. DM) 3 und der Haushalt 2003 mit dem ersten Nachtragshaushalt mit 50 Mio. €4 in großem Umfang mit Mitteln aus der „Rücklage zur Verminderung des Kreditbedarfs“ finanziert. Mit der Bildung dieser Rücklagen und deren Veranschlagung in Folgejahren als De-ckungsmittel bei der Aufstellung der Nachtragshaushalte sieht der LRH eine Umgehung des die Kreditaufnahme einschränkenden Art. 53 LV.5

1 Verfassungsgerichtshof (VerfGH) des Landes Berlin, Urteil im Normenkontrollverfahren,

VerfGH 125/02 vom 31.10.2003. 2 Vgl. auch Nr. 7.12.3 dieser Bemerkungen. 3 Kap. 1113 MG 03 Titel 353 01, Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haus-

haltsplan für das Haushaltsjahr 2001 vom 02.10.2001, GVOBl. Schl.-H. S. 158. 4 Kap. 1111 MG 10 Titel 353 01, Art. 12 des Gesetzes zu Neustrukturierung der Landes-

bank Schleswig-Holstein Girozentrale, zur Verselbständigung der Investitionsbank und zur Verwaltung der Liegenschaften vom 07.05.2003 (Nachtragshaushaltsgesetz 2003), GVOBl. Schl.-H. S. 206.

5 Vgl. auch Bemerkungen 2001 des LRH, Nr. 9.2.5.

118

Die Rücklagen werden nicht verzinslich angelegt, sondern lediglich buch-mäßig geführt. Das Land muss bei Zuführungen zur Rücklage aus dem Haushalt die Kreditermächtigung für den laufenden Haushalt in Anspruch nehmen. Es benötigt die Liquidität aus der Kreditaufnahme erst bei Inan-spruchnahme der Rücklage. Mit dieser Rücklagenpraxis kann das Land de facto eine Ermächtigung zur Kreditaufnahme aus Vorjahren in Folgejahre vortragen mit der Folge, dass in dem Jahr der Inanspruchnahme der Rücklage der die Kreditaufnahme begrenzende Art. 53 LV umgangen werden kann. Das Land verhindert damit im Jahr der Rücklagenbildung eine Verminderung seiner hohen Ver-schuldung durch die Mehreinnahmen und die notwendige Anpassung der Ausgaben an die Einnahmen im Folgejahr. Gemessen an der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen (VerfGH NRW)1 wurden mit der Einstellung der Entnahmen aus den Rücklagen in die Nachtragshaushalte des Landes Schleswig-Holstein 2001 und 2003 kreditfinanzierte Einnahmen veran-schlagt und damit die Verfassungsgrenze bei der Aufstellung der Nach-tragshaushalte überschritten. Der VerfGH NRW hat für das Land NRW entschieden, dass das Wirt-schaftlichkeitsgebot eine Kreditaufnahme ausschließe, wenn ihr - trotz vor-handener haushaltsgesetzlicher Ermächtigung - kein entsprechender Aus-gabenbedarf gegenübersteht. Dies gelte auch für die haushaltsplanerische Bildung von Rücklagen aus Haushaltsüberschüssen bei gleichzeitiger Er-mächtigung zur Kreditaufnahme. Nach Auffassung des LRH gilt dieser Grundsatz nicht nur für Haushalts-überschüsse, sondern gleichermaßen für einen kreditfinanzierten Haus-halt, da die Rücklagen letztlich nur durch Inanspruchnahme von Krediter-mächtigungen gebildet werden können. Kreditfinanzierte Rücklagen sind nach Auffassung des VerfGH NRW mit der Verpflichtung des Haushaltsgesetzgebers, Spielräume zur Verschul-dungsbegrenzung oder gar deren Rückführung zu nutzen, nicht vereinbar. Das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Kreditbegrenzungsregeln der Verfas-sung seien als gleichrangige Zielsetzungen stets zu beachten. Diese Nor-men schließen für den VerfGH NRW aus, Finanzmittel, die der Sache nach kreditfinanziert waren, über die Rücklage in ein neues Haushaltsjahr zu verlagern. Ohne die Kreditaufnahme hätten Mittel für eine Dotierung der Rücklage nicht zur Verfügung gestanden; die Kredite haben im Umfang der Rücklagendotierung zur Haushaltsfinanzierung beigetragen.

1 Urteil des VerfGH NRW 6/02 vom 02.09.2003.

119

Der VerfGH NRW erklärt auch, dass die Zielsetzung der Rücklagenbil-dung, nämlich mit ihrer Hilfe die drohenden Einnahmeausfälle unter Ein-haltung der Kreditobergrenze in den Folgejahren auszugleichen, keine Rechtfertigung für diese Praxis darstelle. Vielmehr verstoße der Mittel-transfer ins Folgejahr über die Rücklage gegen die verfassungsmäßige Vorgabe, die Verschuldung im Haushaltsjahr entsprechend den Erforder-nissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu begrenzen. Mit dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Jährlichkeit der Haushalte sei die Verschiebung des Kreditbedarfs nicht zu vereinbaren. Die Kreditobergren-ze, die auf das einzelne Haushaltsjahr abstelle, könne bei der rein rechne-rischen Betrachtung ihre Wirkkraft nicht entfalten, sondern lasse die ver-fassungsrechtliche Kreditbegrenzungsregel leer laufen und stünde im Wi-derspruch zur Verfassung des Landes NRW. Auch die Verpflichtung, Spielräume zur Schuldenbegrenzung und -rückführung zu nutzen, habe der Gesetzgeber in NRW nicht beachtet. Er hätte die Neuverschuldung senken müssen, anstatt auf Kreditbasis Mittel für die Zukunft vorzuhalten. Auch wenn der VerfGH NRW sich explizit nur mit der Allgemeinen Rückla-ge, die der „Rücklage zur Verminderung des Kreditbedarfs“ in Schleswig-Holstein entspricht, befasst, so gelten seine Feststellungen nach Auffas-sung des LRH grundsätzlich für alle Rücklagen, da sie in der Grenzbe-trachtung in einem kreditfinanzierten Haushalt alle kreditfinanziert sind. Dabei verkennt der LRH nicht, dass es Rücklagen gibt, die zu Recht die zeitliche Verteilung von Belastungen auf mehrere Haushaltsjahre zum Ziel haben, insbesondere die Rücklagen für Diskontierungsdarlehen, für Zins-derivate - sofern sie der angemessenen zeitlichen Verteilung der Zah-lungsverpflichtungen dienen - und für Leasingfinanzierungen. Diese sollten - wie auch das Finanzministerium ausführt1 - als Vorsorge für die Zukunft angesehen werden. Das gilt allerdings nicht gleichermaßen für die übrigen Rücklagen des Landes, die aus Mehreinnahmen oder Minderausgaben entstehen. Üblicherweise werden Entnahmen aus den Rücklagen mit Ausnahme der Entnahmen aus der „Rücklage zur Verminderung des Kreditbedarfs“ nicht zum Ausgleich des Haushalts veranschlagt. Sie berühren damit nicht die Aufstellung des Haushalts und die bei der Aufstellung des Haushalts geltenden Verfassungsnormen für die Kreditaufnahme. Dennoch gilt es noch zu klären, inwieweit die Grundsätze des Urteils für alle Rücklagen des Landes gelten.

Das Finanzministerium und der Arbeitsausschuss Haushaltsrecht und Haushaltssystematik sind aufgefordert, diese Frage zu beleuchten.

1 So auch das Finanzministerium mit Schreiben vom 16.10.2003, Umdruck 15/3822, S. 3.

120

Nach Auffassung des LRH sollte die „Rücklage zur Verminderung der Kre-ditbedarfs“ in Schleswig-Holstein nicht mehr gebildet werden. Diese Auffassung wird vom Finanzministerium nicht geteilt. Es verweist auf seinen Umdruck 15/3822 vom 16.10.2003, mit dem er nachgewiesen habe, dass das Urteil des VerfGH NRW formal und inhaltlich nicht auf Schleswig-Holstein übertragbar sei. Der LRH bleibt bei seiner Auffassung und verweist auf seine Ausführungen in Nr. 7.12.3 dieser Bemerkungen.

8.8 Handlungsmaximen

Parlament und Landesregierung müssen dringend die Kernaufgaben des Landes definieren,1 seine Aufgaben reduzieren und die Ausgaben dras-tisch zurückführen. Die notwendige Optimierung der Verwaltung muss schneller als bisher vorangetrieben werden. Ohne eine deutliche Ver-schlankung der Verwaltung werden die anstehenden Veränderungen und die dramatische Finanzlage nicht zu bewältigen sein. Die Zahl der Be-schäftigten muss auf das für die unumgänglichen Aufgaben notwendige Maß zurückgeführt werden. Der Ernst der Lage erfordert es, auf vieles Liebgewonnene und vermeint-lich Erforderliche künftig zu verzichten. Leistungen des Landes sind suk-zessive weitaus stärker zurückzuführen als die Landesregierung bislang plant. Dieses gilt für • den dringend notwendigen Subventionsabbau und • die Reduzierung aller freiwilligen Leistungen des Landes. Der LRH sieht in dem im Vergleich zu den Vorjahren deutlich restriktiveren Haushaltsführungserlass des Finanzministeriums für das Haushaltsjahr 20042 einen ersten Ansatz, um auch den Haushaltsvollzug des Landes zu straffen und einen sparsameren Mitteleinsatz zu erreichen. Die Finanzkrise der Bundesrepublik ist nur von allen gemeinsam und nicht auf Kosten der jeweils anderen Gebietskörperschaft zu bewältigen. Daher gilt es, gemeinsame Lösungen zu finden und überregional Leistungen ab-zubauen, z. B. bei Leistungsgesetzen auch des Bundes. Die Möglichkeiten des Landes, zur Belebung der stagnierenden Wirtschaft beizutragen, dürfen nicht überschätzt werden. Dies belegen wissenschaft-liche Untersuchungen. Es gilt daher, die noch finanzierbaren Fördermittel zu bündeln und gezielt einzusetzen.

1 Votum des Finanzausschusses zu den Bemerkungen 2003 des LRH, Landtagsdrucksa-

che 15/2985 vom 06.11.2003 sowie Schreiben des Finanzministeriums an den Finanz-ausschuss vom 30.01.2004, Umdruck 15/4138.

2 Umdruck 15/4074 vom 15.12.2003.

121

Ziel der Landesregierung muss es sein, die Neuverschuldung zurückzu-führen, um eines Tages wieder einen - ohne Schulden - ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Das Finanzministerium teilt die Feststellungen des LRH und ausdrücklich auch die Sorgen des LRH um die Finanzlage des Landes. Es bedauert aber, dass der LRH die Ursachen für die kritische Finanzsituation falsch analysiere, die Maßnahmen der Landesregierung zur Beseitigung der Ur-sachen in keiner Weise würdige und selbst keine konkreten Vorschläge zur Entspannung der Situation mache. Es weist die Behauptung des LRH deutlich zurück, Landesregierung und Landtag hätten der zwingenden Notwendigkeit, die Haushalte des Landes zu konsolidieren, nie ausrei-chend Rechnung getragen. Nicht ungenügende Sparanstrengungen der Landesregierung seien Ursache der Krise, sondern stagnierende Steuer-einnahmen und überhöhte Sozialausgaben aufgrund der gegenwärtigen Massenarbeitslosigkeit mit der Folge unzureichender Binnennachfrage mit stagnierenden Steuereinnahmen und Überbelastung der sozialen Siche-rungssysteme. Hierfür sei nicht die Landesregierung allein verantwortlich. Insgesamt hätten im Jahr 2003 neben dem Bund auch 10 Bundesländer ihre Kreditaufnahmen über die verfassungsmäßige Kreditobergrenze hinaus erhöhen müssen. Die staatliche Finanzkrise könne nach Auffassung des Finanzministeriums nicht durch weitere Sparanstrengungen überwunden werden, sondern vielmehr durch Beseitigung der gegenwärtigen Massenarbeitslosigkeit mit Reformen des Arbeitsmarkts, der sozialen Sicherungssysteme, des Ge-sundheitswesens und Steuerreformen zur Senkung der hohen Lohnne-benkosten und Anregung der Binnennachfrage. Zusätzlich habe das Land mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm 2004 konjunkturstimulierende Im-pulse gesetzt, die keineswegs bagatellisiert werden dürften. Ausgabekür-zungen, wie vom LRH verlangt, würden die wirtschaftliche Lage eher ver-schärfen und die Finanzkrise der öffentlichen Hände weder beseitigen noch abmildern. Auch seien alle Landeshaushalte durch bundesgesetzli-che Regelungen (z.B. Wohngeld, Sozialhilfe, Bundesausbildungsförde-rungsgesetz) oder faktische Bindungen (z. B. Personalkosten für Lehrer, Kinderbetreuung) in großem Umfang versteinert und könnten über Einspa-rungen nicht in ausreichendem Ausmaß beeinflusst werden. Dennoch ha-be die Landesregierung ihre jahrelangen Sparanstrengungen seit 2003 noch weiter verstärkt, z. B. durch Kürzung der Ausgaben für Förderpro-gramme, Begrenzung der Personalkostenbudgets und Kürzung der Son-derzuwendungen und des Urlaubsgelds. Die Verwaltung des Landes sei effektiver und effizienter strukturiert und die Kooperation vor allem mit Hamburg sei wesentlich verbessert worden. Weitere Konsolidierungsmaß-nahmen wie eine Funktionalreform oder eine effizientere Abwicklung von

122

Zuwendungen würden zurzeit umgesetzt. Die vom LRH geforderten Haus-haltssperren, Einstellungsstopps pp. hätten wesentlich geringere Haus-haltseffekte erzielt. Auch seien die Ausgaben des Landes real kaum noch ausgeweitet worden. Mit seinen Ausführungen bestätigt das Finanzministerium die vom LRH festgestellte desolate Haushaltssituation des Landes. Das Finanzministe-rium lässt gleichzeitig den Willen vermissen, über die bisher ergriffenen, noch nicht ausreichenden Maßnahmen hinaus zur Entschärfung seiner Fi-nanzkrise beizutragen. Das Land sollte die derzeitige Finanzkrise vor al-lem dazu nutzen, seine Organisation und Aufgabenerfüllung weiter zu rati-onalisieren und zu optimieren. Die hierbei erzielbaren Effizienzgewinne sollten angesichts der Haushaltslage nicht zur Verbesserung von Stan-dards und zur Erfüllung von nachvollziehbaren Ressortbegehrlichkeiten, sondern zu einer Verringerung des Personalbestands und damit zu einer nachhaltigen Haushaltsentlastung genutzt werden. Der LRH teilt die Auf-fassung des Finanzministeriums, dass die Überwindung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt und die konjunkturelle Erholung für die Bewältigung der staatlichen Finanzkrise von herausragender Bedeutung ist. Deshalb darf aber nicht versäumt werden, das Einsparpotenzial im Landeshaushalt ebenso wie die Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Beide sind immer noch in großem Umfang vorhanden, wie die Bemerkungen des LRH jedes Jahr zeigen. Auch sollte das Land seine Bemühungen fortsetzen, um auf Bundesebene eine Entlastung der Landeshaushalte bei bundesgesetzli-chen Leistungsgesetzen zu erreichen.

123

9. Neben- und Schattenhaushalte des Landes

Ausgliederungen von öffentlichen Einrichtungen und Vermögen aus dem originären Haushalt des Landes können in Einzelfällen durchaus sinnvoll und wirtschaftlich sein. Sie beinhalten jedoch stets die Gefahr, dass • finanzielle Aktivitäten des Landes nicht mehr ausreichend

transparent dargestellt werden, • Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit vernachlässigt wer-

den, • der Landtag sich im Hinblick auf seine Entscheidungsbefug-

nis über die Gestaltung des Landeshaushalts seine Rechte selbst beschneidet,

• sich der unmittelbare Einfluss des Landtags auf das Finanz-gebaren einer ausgegliederten Einrichtung oder sein Vermö-gen reduziert,

• zusätzliche Kreditaufnahmemöglichkeiten geschaffen werden und

• bei der teilweisen oder vollständigen Veräußerung der Neben-haushalte Möglichkeiten der Umgehung der Kreditobergrenze des Landes geschaffen werden.

9.1 Entwicklung

In zunehmendem Maß gliedert das Land - ebenso wie in anderen Bundes-ländern und beim Bund zu beobachten - Aufgaben auf andere Organi-sationen aus. Mit diesen Ausgliederungen werden Ausgaben und Einnah-men auf bestehende oder neu gegründete Unternehmen bzw. Einrichtun-gen verlagert, die außerhalb des Haushalts geführt werden. Das Land finanziert diese Einrichtungen auch weiterhin ganz oder teilweise durch Zuschüsse, Zuwendungen, Entgelte und sonstige Geldleistungen (kurz: durch Zuführungen aus dem Kernhaushalt) oder übernimmt Bürgschafts- bzw. Garantieverpflichtungen. Die Aufgabenerledigung verbleibt dabei im staatlichen Einflussbereich, das Land bedient sich jedoch anderer, entwe-der öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsformen. Je nach Gestaltung verbleibt dem Land ein stärkerer oder schwächerer Ein-fluss auf den ausgegliederten Bereich. Eine vollständige, echte Privatisie-rung mit ganzer oder teilweiser Veräußerung des staatlichen Eigentums an natürliche oder juristische Personen tritt dabei i. d. R. nicht ein. Rechtliche und organisatorische Ausgliederungen von Aufgaben und Aus-gaben können zwar im Einzelfall sinnvoll und wirtschaftlich sein. Der Land-tag verliert aber den unmittelbaren Einfluss auf das Finanzgebaren einer ausgegliederten Einrichtung oder auf ihr Vermögen.

124

Bereits seit einigen Jahren findet eine breite Diskussion über die Proble-matik der Neben- und Schattenhaushalte statt. Wenn auch eine einheit-liche Definition beispielsweise der Begriffe Neben- und Schattenhaushalte noch nicht gefunden ist, so werden doch die vom LRH nachfolgend darge-stellten Probleme erkannt und Lösungsansätze bundesweit und ergebnis-offen gesucht. Die folgende Übersicht stellt schematisch die vom LRH ermittelten Neben- und Schattenhaushalte des Landes dar:

125

Land Schleswig-Holstein

Nebenhaushalte Schattenhaushalte

Einrichtungen, bei denen das Land Eigentümer ist bzw.

eigentümerähnliche Stellung hat

Feststehende künftige Zahlungsverpflichtungen, die nicht im

Haushalt veranschlagt sind bzw. deren Ausmaß

der Haushalt nicht widerspiegelt Landes- Einlösung von betriebe Verpflichtungen Juristische Personen Ausgabereste des öffentlichen Rechts Körperschaften Festlegungen Anstalten Kreditähnliche Rechts- geschäfte Stiftungen Pensions- verpflichtungen Beteiligungen an privatrecht- Unterlassene Ausgaben bzw. lichen Unternehmen Aufwendungen für

Instandhaltung

Mögliche Zahlungsverpflichtungen, Vermögen außerhalb des deren Risiko nicht ausgewiesen wird

Landeshaushalts Eventualverbindlichkeiten Sonder- vermögen Zahlungen nach dem Grund- Rücklagen satz der Selbstdeckung Prozess- Zweck- risiken rücklagen Verwahrungen Fonds, Stöcke Sonstige Bereiche, die nicht transparent dargestellt werden (können) Mittel, deren Verwendung der Geheimhaltung unterliegen Fonds „Deutsche Einheit“

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Neben dem Landeshaushalt bestanden 2001 über 50 weitere Haushalte des Landes1. Darüber hinaus existieren Zahlungsverpflichtungen und Risi-ken für den Landeshaushalt, die der LRH als Schattenhaushalte qua-lifiziert, da sie nicht in ihrem gesamten Ausmaß transparent dargelegt werden. Allein rd. 2,6 Mrd. € Vermögen wurden 2001 in Sonder- und Zweckvermö-gen sowie Rücklagen außerhalb des Landeshaushalts geführt. Zusätzlich zu den im Jahr 2001 rd. 17,2 Mrd. € unmittelbaren Schulden des Landes2 waren die Nebenhaushalte des Landes ohne die Banken noch einmal mit mehr als 900 Mio. € gegenüber Kreditinstituten verschuldet. Der LRH stellt durch die Ausgliederung von öffentlichen Einrichtungen und Vermögen aus dem originären Haushalt des Landes einen Verlust an Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit fest. Die finanziellen Aktivitäten des Landes sind nicht mehr ausreichend transparent. Deshalb sollten Lösungen entwickelt werden, über die das Parlament bei Aufstellung des Haushalts, im Jahresabschluss und mit der Finanzplanung in einer Ge-samtschau über den Landeshaushalt einschl. seiner Neben- und Schat-tenhaushalte umfassend über das außerbudgetäre Engagement des Lan-des und seine Risiken unterrichtet werden kann.

9.2 Gefahren der Kreditaufnahme der Nebenhaushalte Sowohl bei Gründung der Nebenhaushalte des Landes als auch im laufen-den Finanzgebaren gilt es zu betrachten, inwieweit elementare Verfas-sungsgrundsätze bzw. Grundsätze einer soliden Finanzwirtschaft bei der Kreditaufnahme und Kreditfinanzierung noch eingehalten, weit ausgelegt oder gebrochen werden: • Bei Gründung eines Nebenhaushalts wird seine Kapitalausstattung als

Investition i. d. R. aus dem Landeshaushalt durch Kreditaufnahme im Rahmen der Grenzen von Art. 53 Landesverfassung (LV) finanziert.

• In keinem Fall hat das Land bei Errichtung neuer Nebenhaushalte diesen die von ihnen mit verursachten Schulden des Landes übertra-gen.3

• Durch Entlassung der neuen Einrichtungen in die Selbstständigkeit wird häufig der Weg zur eigenen - zusätzlichen - Kreditaufnahme der Ne-benhaushalte eröffnet.

1 Der LRH hat die Auswertung auf dem Stand vom 31.12.2001 durchgeführt, da bei

Abschluss der Erhebungen weder für den Landeshaushalt noch für die Neben- und Schattenhaushalte die endgültigen Jahresergebnisse 2002 feststanden.

2 Stand: Ende 2001; einschl. der wie Einnahmen aus Kredit zu behandelnden Einnahmen aus dem Immobilien-Modell.

3 Hierbei wird konzediert, dass eine konkrete Zurechnung der Schulden des Landes auf einzelne Einrichtungen nur schwer praktizierbar ist.

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• In etlichen Fällen wurden in Nebenhaushalten angesammelte stille Reserven oder nicht benötigtes Kapital zur Deckung von Haushalts-lücken und damit zur Finanzierung konsumtiver Ausgaben als Einnah-me in den Landeshaushalt zurückgeführt - ohne die ursprünglich bei Zuführung aufgenommenen Kredite damit zu tilgen.

• Auch gibt es nach Überzeugung des LRH Beispiele, in denen das Land Kreditaufnahmen gezielt auf Nebenhaushalte verlagert hat, um so die Kreditaufnahme im Landeshaushalt niedrig zu halten und die Kredit-obergrenze für den Landeshaushalt zu umgehen.

• Der Abbau von Landesvermögen und Aufbau von Kreditverpflichtun-gen, die dem Land zuzurechnen sind, wird nicht transparent gemacht.

In den letzten Jahren hat das Land erhebliche Mittel von seinen Unterneh-men abgezogen, ohne diese Mittel neu zu investieren oder Schulden ab-zutragen. Z. T. mussten sich die Unternehmen hierfür verschulden. Da-rüber hinaus hat es durch Landesbürgschaften erst erhebliche Kreditfinan-zierungen von Nebenhaushalten für das Land ermöglicht. Folgendes Bei-spiel belegt dies: Ende 2000 errichtete das Land die Gesellschaft zur Verwaltung und Finanzierung von Beteiligungen des Landes Schleswig-Holstein mbH (GVB), deren Aufgabe der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von stillen Beteiligungen an juristischen Personen des privaten und öffent-lichen Rechts im Interesse der Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur des Landes ist. Die GVB beteiligte sich 2001 und 2002 mit typischen stillen Vermögenseinlagen von insgesamt 750 Mio. € an den damaligen Landes-banken Schleswig-Holstein und Hamburg. Die hierfür erforderlichen Mittel nahm sie am Kapitalmarkt auf, das Land bürgt dafür. Sowohl die Kredit-aufnahme als auch die jeweiligen Zinsen sind durch 100 %ige Bürg-schaften des Landes in Höhe von insgesamt 763 Mio. € abgesichert.1 Im Haushalt 2003 bestanden und im Doppelhaushalt 2004/2005 bestehen weitere Ermächtigungen zur Bürgschaftsübernahme des Landes.2 Somit werden Kredite in erheblicher Höhe, die wirtschaftlich in vollem Umfang dem Land zuzurechnen sind, von der Tochtergesellschaft des Landes zusätzlich zu den im Haushalt aufgenommenen und der Kredit-obergrenze von Art. 53 LV unterliegenden Krediten des Landes durch die

1 Vgl. auch Nr. 7.14 dieser Bemerkungen. 2 2003: 100 Mio. € (§ 18 Abs. 14 HG 2003 i. d. F. von § 2 Nachtragshaushaltsgesetz

2003 enthält allerdings keine explizite Bürgschaftsermächtigung), 2003: 125 Mio. € (für den Erwerb von Landesbankanteilen Baden-Württembergs inkl.

Zwischenfinanzierung gem. § 18 Abs. 15 HG 2003 i. d. F. von § 2 Nachtragshaushaltsgesetz 2003),

2004: 45 Mio. € (für Zwischenfinanzierungen gem. § 16 Abs. 8 HG 2004/2005), 2005: 145 Mio. € (für weitere Zukäufe inkl. Zwischenfinanzierung gem. § 16 Abs. 8 HG

2004/2005). Die Ermächtigungen 2003 wurden nur z. T. in Anspruch genommen.

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Bürgschaft des Landes geschöpft. Der LRH sieht in dieser Konstruktion ein nicht unerhebliches Risikopotenzial für das Land.1

9.3 Fazit Um das Parlament künftig über den Landeshaushalt einschl. der Neben- und Schattenhaushalte umfassend zu unterrichten, sollten sowohl bei der Aufstellung als auch nach Vollzug des Haushalts in der Haushaltsrech-nung und in einem aussagefähigen Abschluss- und Lagebericht die für das Land bestehenden Vorbelastungen künftiger Haushalte und Risiken in ihrem gesamten Umfang deutlich gemacht werden. Ziel sollte es sein, künftig die Haushaltsrechnung, die Vermögensübersicht und den Ab-schlussbericht dahingehend zu ergänzen, dass sie • ein umfassendes Bild der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Er-

tragslage des Landes einschl. seiner Neben- und Schattenhaushalte vermitteln,

• die Abschlüsse der Nebenhaushalte des Landes mit ausweisen und • die Vermögen und die Verbindlichkeiten (also auch Verwaltungsschul-

den, Zahlungsverpflichtungen aus kreditähnlichen Rechtsgeschäften und sonstige eingegangene Verpflichtungen) sowohl für das Land als auch für seine Neben- und Schattenhaushalte umfassend darstellen.

Entsprechendes gilt auch für den Finanzplan. Da die Einhaltung der Haus-haltsdisziplin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungs-union i. S. von § 51 a HGrG2 eine vom Land zu leistende Daueraufgabe ist, sollte ein langfristiger Finanzplan den Umfang und die Zusammen-setzung der voraussichtlichen Ausgaben und die Deckungsmöglichkeiten in ihren Wechselbeziehungen zu der mutmaßlichen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens darstellen. Darüber hinaus sollten die Betrachtungen der Personalentwicklung nicht nur die im Landeshaushalt veranschlagten Stellen und Planstellen berück-sichtigen, sondern diese mit den ausgegliederten Nebenhaushalten, die früher staatliche Aufgaben wahrnahmen, gemeinsam darstellen. Im Hinblick auf die Risiken, die für das Land aus den Verbindlichkeiten der Neben- und Schattenhaushalte entstehen können, ist für die Darstellung der finanzwirtschaftlichen Gesamtsituation des Landes eine Gesamtzu-sammenstellung aller dem Land wirtschaftlich zuzurechnenden Kredit-aufnahmen und der damit zusammenhängenden Investitionen unverzicht-

1 Vgl. auch Bemerkungen 2000 des LRH, Nr. 10.4 und Bemerkungen 2002 des LRH,

Nr. 9.7. 2 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haus-

haltsgrundsätzegesetz - HGrG) vom 19.08.1969, BGBl. I S. 1273, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2001, BGBl. I S. 3955.

129

bar. Hierbei ist es unerheblich, ob die Kreditaufnahme und die Investitio-nen der dritten Rechtsträger und der Sondervermögen im Landeshaushalt veranschlagt sind oder nicht. Die Finanzausstattungen der Nebenhaushalte sind häufig Investitionen des Landes, die i. d. R. über Kreditaufnahmen finanziert wurden. Zur Erhaltung des Landesvermögens sind bei der Veräußerung der Neben-haushalte oder von Anteilen entsprechend die Schulden des Landes zu reduzieren, statt die Veräußerungserlöse für konsumtive Zwecke einzu-setzen. Schließlich fordert der LRH ein wirksames Controlling, das - ausgerichtet an den jeweils geltenden rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedin-gungen - die strategische Planung, die Steuerung sowie die Kontrolle der mit der Aufgabenwahrnehmung außerhalb des Kernhaushalts betrauten Nebenhaushalte umfasst. Der LRH schlägt vor, dass sich der Unterausschuss für Unternehmens-beteiligungen künftig nicht nur ad hoc mit einzelnen Problemfällen befasst, sondern auch turnusmäßig, z. B. vor den jährlichen Haushaltsberatungen, das gesamte Beteiligungspaket des Landes überprüft und sich gleicher-maßen über die Gesamtsituation der Nebenhaushalte informiert. Erforderliche haushaltsrechtliche und haushaltswirtschaftliche Restriktio-nen müssen für den Landeshaushalt und seine nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Nebenhaushalte gleichermaßen gelten. Dies betrifft insbe-sondere solche Haushalte, die ausgelagerte staatliche Aufgaben wahrneh-men, beispielsweise bei der Bemessung der jährlichen Landeszuschüsse und bei der Beachtung des Besserstellungsverbots. Das Finanzministerium erklärt zu dem Gesamtkomplex der Neben- und Schattenhaushalte: „Das Finanzministerium lehnt die Definition des LRH über angebliche Neben- und Schattenhaushalte des Landes als viel zu weitgehend ab. Rechtlich und wirtschaftlich völlig selbstständige Unternehmen, an denen das Land teilweise auch nur mit Bagatellbeträgen beteiligt ist, können nicht als außerbudgetäres Engagement des Landes bezeichnet werden, das einen Verlust an Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit verursachen würde. Dies gilt z. B. für die Beteiligung des Landes an der HSH Nordbank oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Dass solche angeblichen Neben-haushalte auch eigene Kredite für ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen kön-nen, ist selbstverständlich, überhaupt nicht zu beanstanden oder unter Genehmigungsvorbehalt des Landtages zu stellen. Die Forderung des LRH, Schulden des Landes aus Kapitalzuführungen an solche Gesell-schaften auf diese Gesellschaften zu übertragen, ist abwegig.

130

Bei Landesbetrieben und Sondervermögen ist die Bezeichnung als Neben-haushalte ebenfalls nicht nachvollziehbar. Hier handelt es sich um recht-lich unselbstständige Teile der Landesverwaltung, deren Wirtschaftspläne dem Landtag zur Verfügung stehen, die im vollen Umfang dem Budget-recht des Parlaments unterliegen, die keine zusätzlichen Kredite aufneh-men dürfen, die wirtschaftlicher arbeiten als unmittelbare Landesbehörden und die uneingeschränkt vom LRH überprüft werden können. Das Finanzministerium weist auch die Überzeugung des LRH zurück, das Land habe Kreditaufnahmen des Landes auf Nebenhaushalte verlagert, um die Kreditobergrenze für den Landeshaushalt zu umgehen. Beispiele hierfür bleibt der LRH schuldig. Bei der Definition von Schattenhaushalten verkennt der LRH die Grund-sätze einer kameralistischen Buchführung. Die Bildung von Ausgaberes-ten, die Einlösung von Verpflichtungen, Festlegungen nach Auftragsverga-ben, Verwahrungen, pp. sind Grundelemente der Kameralistik und in kei-ner Weise dem Einfluss des Parlaments entzogen. Künftige Belastungen durch Pensionsverpflichtungen oder Prozessrisiken müssen zwar bei einer doppelten Buchführung mit einer Bilanzierung ausgewiesen werden, ent-ziehen sich aber der Kameralistik. Dennoch weist das Finanzministerium in den Landeshaushalten die Höhe der brisanten Pensionslasten an her-vorgehobener Stelle gesondert aus. Insgesamt weist das Finanzministerium die Forderung des LRH zurück, künftig die Haushaltsrechnung, die Vermögensübersicht und den Ab-schlussbericht zum Landeshaushalt zu ergänzen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage aller Neben- und Schattenhaushalte. Dies wäre - sofern nicht bereits datenschutzrechtliche Probleme entstehen - allenfalls bei einer sinnvollen Definition des Begriffs Neben- und Schattenhaushalte möglich.“ Der LRH hält seine Vorschläge aufrecht und bedauert, dass sich das Finanzministerium nicht intensiver mit der in der gesamten Bundesrepublik diskutierten Problematik auseinander setzt. Die zunehmenden Ausgliede-rungen erfordern neue Gesamtbetrachtungen, da sich im Kernhaushalt einschl. des Stellenplans nicht mehr die gesamten finanziellen Aktivitäten eines Landes widerspiegeln. Dabei verkennt der LRH durchaus nicht die Besonderheiten der jeweiligen Buchführungssysteme Kameralistik und kaufmännische Buchführung. Tatsächlich bleiben Risiken und künftige Verpflichtungen auch dann erhalten, wenn z. B. die Kameralistik sie nicht darstellt. Gerade deshalb müssen sie mit vertretbaren Mitteln transparent gemacht werden.

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Allgemeines

10. Stellenentwicklung in der Landesverwaltung

Die Landesregierung hat ihre Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt, die Stellenzahl zu verringern. Der Stellenbestand in der Landesverwaltung ist in den Jahren von 1998 bis 2003 von 57.458 auf 55.750 Stellen zurückgegan-gen, mithin um 1.708 Stellen oder um 2,97 %. Davon wurden in demselben Zeitraum 1.365,5 Stellen in ausgegliederte Bereiche übertragen. Daraus ergeben sich 342,5 oder 0,6 % anrechenbare Stelleneinsparungen. Ohne die Stellen für Beamtinnen und Be-amte im Vorbereitungsdienst, für Nachwuchskräfte und für die Wirtschaftsbetriebe1 sind nur 198,5 Stellen eingespart worden. Die Personalausgaben nahmen von 1998 bis 2002 um 3,0 % auf 2,35 Mrd. € zu. Die Steigerungsrate lag damit unter dem Satz von 8,7 % aufgrund von Besoldungs- bzw. Tariferhöhungen. Ursäch-lich dafür waren in erster Linie die massive Ausgliederung von Aufgaben in Nebenhaushalte und die Verbeamtung der Lehrkräf-te. Die Ausgaben je Lehrerstelle stiegen nur um 2,5 % an, wäh-rend sie sich je Stelle in der übrigen Landesverwaltung infolge struktureller Verbesserungen, z. B. durch die Einführung der zweigeteilten Laufbahn bei der Polizei, um 9,7 % erhöhten.

10.1 Vorbemerkungen Der LRH hatte sich 1992 und im Rahmen einer Nachschau 1998 mit der Stellenentwicklung in der Ministerialverwaltung auseinander gesetzt2. Im Zuge der Prüfungen wurde auch die Entwicklung des Stellenbestands im nachgeordneten Bereich der Ressorts dargestellt. Seit der letzten Prüfung sind 6 Jahre verstrichen. In dieser Zeit fanden er-neut Regierungsumbildungen mit vielfältigen organisatorischen Änderun-gen statt. Es wurde außerdem bis 2001 das „1.600 Stellen“-Personalein-sparkonzept abgewickelt, dem sich das „600 Stellen“-Einsparprogramm aus dem Jahr 2000 anschloss. Die Behörden- und die Verwaltungsstruk-turreform, die Funktionalreform, die Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik,

1 Die Anzahl der Stellen für Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst sowie für

Nachwuchskräfte und die Übernahme von Nachwuchskräften nach erfolgreich abge-schlossener Ausbildung als auch der Stellen in Wirtschaftsbetrieben ist abhängig vom ak-tuellen Bedarf, aber auch von politischen Entscheidungen, sodass deren Entwicklung über die Jahre nicht vergleichbar ist.

2 Vgl. Bemerkungen 1992 des LRH, Nr. 6, und Bemerkungen 1998 des LRH, Nr. 10.

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die Maßnahmen zur Verbesserung der IT-Infrastruktur und die Verlänge-rung der Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten boten Gelegenheit zum weiteren Stellenabbau. Der LRH hat deshalb die Stellenentwicklung erneut geprüft und dabei die gesamte unmittelbare Landesverwaltung (ohne Landtagsverwaltung) ein-bezogen. Da seit der im Haushaltsjahr 1998 eingeführten Personalkostenbudgetie-rung die Stellenpläne und -übersichten noch als Obergrenze verbindlich sind, wurden auch die Entwicklung der Personalausgaben und die Stellen-auslastung berücksichtigt.

10.2 Stellenentwicklung

10.2.1 In der Landesverwaltung ist der Stellenbestand in den Jahren von 1998 bis 2003 von 57.458 auf 55.750, mithin um 1.708 Stellen oder um 2,97 % zu-rückgegangen. Davon wurden in demselben Zeitraum 1.365,5 Stellen aus-gegliedert. Die bisherigen Aufgaben werden jetzt in anderen Organisa-tionsformen außerhalb der unmittelbaren Landesverwaltung erledigt. Bis-herige Personalausgaben erscheinen im Landeshaushalt nicht mehr. An ihre Stelle sind Sachausgaben oder Zuschüsse an die ausgegliederten Be-reiche getreten. Beispielsweise erledigt das an die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH) abgegebene Personal Aufgaben für die Lan-desverwaltung, u. a. Planung, Überwachung und Abrechnung von Hoch-baumaßnahmen sowie Bewirtschaftung von Büroräumen und sonstige Serviceleistungen gegen Entgelt. Insofern führte die Personalüberleitung an die GMSH zwar zu einer Verringerung des Stellenbestands und der Personalausgaben, jedoch gleichzeitig zur Erhöhung der Ausgaben im Sachmittelbereich. Insoweit kann nicht von einem „echten“ Stellenabbau gesprochen werden. Unter Berücksichtigung der ausgegliederten Stellen ergeben sich daher nicht 1.708, sondern nur 342,5 oder 0,6 % anrechen-bare Stelleneinsparungen im Prüfungszeitraum. Lässt man auch die be-sonderen Zwängen unterliegenden Stellen für Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst, für Nachwuchskräfte und für die Wirtschaftsbetriebe unberücksichtigt, sind nur 198,5 (0,3 %) Stellen eingespart worden.

10.2.2 Der Rückgang um 1.708 Stellen ergibt sich aus 4.087 verlagerten oder eingesparten Stellen1 und 2.379 neuen Stellen. Ohne kostenneutrale Stel-

1 Durch den Abbau von 25 Stellen für ständig Teilbeschäftigte und von umgerechnet rd. 30

Stellen durch Einsparungen bei den Ausgaben für Vertretungs- und Aushilfskräfte erge-ben sich weitere 55 anrechenbare Stelleneinsparungen, die aber nicht Gegenstand die-ser Prüfung waren.

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len1 und Stellen für Nachwuchskräfte und für die Übernahme von Nach-wuchskräften verbleiben 2.952 weggefallene und 1.143 neue Stellen. In den 2.952 weggefallenen Stellen sind die 1.365,5 ausgegliederten Stel-len enthalten. Weitere 1.110,5 Stellen sind das Ergebnis der Stellenein-sparprogramme unter Einbeziehung der Abgänge im Rahmen der 58er-Regelung2. Von den 1.143 neuen Stellen wurden 796 für Lehrkräfte, 43 aufgrund zu-sätzlicher Aufgaben im Zusammenhang mit BSE3 sowie im Rahmen des Sicherheitspakets4 55 im Bereich des Innenministeriums5 und 62 im Be-reich des Ministeriums für Justiz, Frauen, Jugend und Familie (Justizminis-terium) ausgewiesen. Das Finanzministerium merkt hierzu an, dass die Landesregierung u. a. die Wiedereinführung der Altersteilzeit im Beamtenbereich beschlossen habe, um den Personalabbau in der Landesverwaltung zu beschleunigen. Da diese Stellen in der Freistellungsphase nicht wiederbesetzt werden dürften und nach Ablauf der Freistellungsphase wegfielen, sei bereits früh-zeitig mit Einsparungen bei den Personalausgaben und mittelfristig mit weiteren Einsparungen im Personalbereich zu rechnen. Des Weiteren ha-be die Landesregierung ihre Verwaltungsstrukturreform u. a. durch die Fu-sion der Statistischen Landesämter Schleswig-Holstein und Hamburg so-wie der Eichverwaltungen Schleswig-Holstein und Hamburg zum 01.01.2004 vorangetrieben. Der LRH weist darauf hin, dass abzuwarten bleibt, ob durch die Wieder-einführung der Altersteilzeit im Beamtenbereich der vom Finanzministe-rium erwartete Personalabbau tatsächlich eintreten wird. Hinsichtlich der Fusion der Statistischen Landesämter sowie der Eichverwaltungen Schleswig-Holstein und Hamburg erneuert der LRH seinen Hinweis, dass es mit deren Ausgliederung zunächst einmal zu entsprechenden Erhöhun-gen der Ausgaben im Sachmittelbereich kommt, sodass bisher nicht von einem „echten“ Personalabbau gesprochen werden kann.

10.2.3 Die Zahl der Planstellen für Beamtinnen und Beamte im höheren Dienst ist um 504 oder 4,7 % angestiegen. Zugleich verminderte sich die Stellenzahl für vergleichbare Angestellte um 860 (45,9 %). Ursächlich war in erster 1 Kostenneutrale Stellen werden in den Erläuterungen zu den Stellenplänen und -über-

sichten ausdrücklich als solche ausgewiesen. Der LRH geht davon aus, dass damit für das Land keine finanziellen Belastungen verbunden sind.

2 Im Jahr 1997 bestand für die Beschäftigten, sofern ein Personalüberhang vorhanden war, bei vollendetem 58. Lebensjahr die Möglichkeit, in den „Vorruhestand“ zu treten.

3 BSE = bovine spongiforme Enzephalopathie (Rinderwahnsinn). 4 Nach den Terroranschlägen am 11.09.2001 wurden im Rahmen des Sicherheitspakets

verstärkt Maßnahmen zur Bekämpfung von Terroranschlägen durch Erhöhung der Ein-satz- und Reaktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden getroffen.

5 Zusätzlich wurden im Rahmen des Sicherheitspakets 110 Anwärterstellen bei der Polizei geschaffen.

134

Linie die Abkehr von der einstigen Praxis, Lehrkräfte im Angestelltenver-hältnis einzustellen. Insgesamt hat der höhere Dienst um 356 (2,8 %) auf 12.211 Stellen abgenommen. Im gehobenen Dienst stieg die Zahl der Planstellen um 1.885 (10,2 %) an, wobei diese Entwicklung ebenfalls vor allem auf die geänderte Einstel-lungspraxis bei den Lehrkräften, aber auch auf Stellenhebungen als Folge der zweigeteilten Laufbahn bei der Polizei zurückzuführen ist. Die Stellen-zahl für vergleichbare Angestellte nahm wegen der geänderten Einstel-lungspraxis überdurchschnittlich um 980 (27,1 %) ab. Im Ergebnis wuchs der gehobene Dienst um 905 (4,1 %) auf 23.061 Stellen an. Die Zahl der Stellen des mittleren und des einfachen Dienstes hat sich da-gegen um 1.896 (11,3 %) auf 14.866 Stellen vermindert. Dies ist u. a. auf die Hebungen in den gehobenen Dienst nach der Einführung der zweige-teilten Laufbahn bei der Polizei und überdurchschnittlich viele Stellenüber-tragungen in ausgegliederte Bereiche zurückzuführen. Von „echten“ Ein-sparungen sind überwiegend der mittlere und der einfache Dienst betrof-fen.

10.2.4 Bezogen auf die gesamte Landesverwaltung ist der Stellenanteil der Be-amtinnen und Beamten - in erster Linie wegen der geänderten Einstel-lungspraxis bei den Lehrkräften - von 42.707 (74,3 %) auf 43.962 (78,9 %) gestiegen. Der Anteil der Angestellten sowie Arbeiterinnen und Arbeiter ist von 14.751 (25,7 %) auf 11.788 (21,1 %) zurückgegangen.

10.2.5 Die Einsparquote1 lag in der Ministerialverwaltung bei 3,4 % (78 Stellen) und in deren nachgeordneten Bereichen bei 3,0 % (1.486 Stellen). Die Ministerien, die Polizei, die Steuerverwaltung und die Hochschulen la-gen beim Stellenabbau mit 1,5 bis 4,8 % etwa im Trend. Dagegen beweg-ten sich die übrigen nachgeordneten Behörden (ohne Schulen) mit einer Reduzierung von 13,2 % weit über dem Landesdurchschnitt von 3,02 %. Da sie allein 1.199,5 (87,8 %) der ausgegliederten Stellen erbracht haben, betrug ihre bereinigte Einsparquote nur 3,5 % und lag damit etwa im Lan-desdurchschnitt. Ebenfalls gegen den Landestrend ist im Bereich der Schulen ein Be-standszuwachs von 3,0 % (636 Stellen) zu verzeichnen.

10.3 Entwicklung der Personalausgaben Die Personalausgaben der Landesverwaltung stiegen in den Jahren von 1998 bis 2002 um 68,22 Mio. € (3,0 %) auf 2,35 Mrd. €. Für 2003 waren

1 Ohne Stellen für Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst, für Nachwuchskräfte

und für die Wirtschaftsbetriebe.

135

2,41 Mrd. € veranschlagt1. Aufgrund einer globalen Minderausgabe für Strukturmaßnahmen im Personalbereich standen davon lediglich 2,38 Mrd. € und damit 28,44 Mio. € zusätzlich gegenüber den Ist-Ausga-ben des Jahres 2002 zur Verfügung. Damit ergab sich für die Jahre 1998 bis 2003 eine Steigerungsrate von 4,2 %. Die Steigerung der Personalausgaben von 1998 bis 2002 blieb mit 3,0 % deutlich hinter den für diesen Zeitraum gesetzlich beschlossenen Besol-dungserhöhungen und tariflich vereinbarten Vergütungs- bzw. Lohnsteige-rungen von 8,7 %2 zurück. Dies ist u. a. auf die Reduzierung um 1.708 Stellen und die geänderte Einstellungspraxis bei den Lehrkräften zurück-zuführen. Die Ausgaben je Stelle von 1998 bis 2002 haben sich im Schulbereich wegen der geänderten Einstellungspraxis lediglich um 1.124 € (2,5 %) auf 46.072 € und im Durchschnitt der gesamten übrigen Landesverwaltung um 3.597 € (9,7 %3) auf 40.516 € erhöht. Die Quote von 9,7 % übertraf die Steigerungsrate von 8,7 % für Besoldungs-, Vergütungs- und Lohnerhö-hungen. Ursache hierfür sind in erster Linie massive strukturelle Verbesse-rungen und die damit verbundene Ausweisung höherwertiger und damit teurerer Stellen. Dies machte sich besonders bei der Polizei und den Ministerien mit Stei-gerungsraten von 12,3 % bzw. 11,1 % bemerkbar. In den Ministerien hat sich der Stellenanteil des höheren Dienstes zulasten der anderen Lauf-bahnen vergrößert, und es sind vermehrt - gegenüber Beamtenstellen - teurere Angestelltenstellen ausgewiesen worden.

10.4 Stellenauslastung Von den 54.657 in die Prüfung der Stellenauslastung einbezogenen Stel-len waren 1.999,20 (3,7 %) am 01.01.2003 nicht besetzt. Die freien Anteile teilbesetzter Stellen wurden zu ganzen Stellen zusammengeführt. Der Hochschulbereich wies mit 12,8 % die mit Abstand höchste Quote nicht

1 Einschl. der Nachtragshaushalte 2003. 2 Die Besoldungs-, Vergütungs- bzw. Lohnerhöhungen wurden unabhängig von ihrem tat-

sächlichen In-Kraft-Treten jeweils zum 01.01. der betreffenden Jahre zugrunde gelegt. Vorhergegangene Erhöhungen wurden aufgezinst. Dieses Verfahren erschien vertretbar, zumal Einmalzahlungen unberücksichtigt blieben. Ab 01.01.1999 bis 31.12.2002 sind jährlich 0,2 % der Besoldungsanpassung einer Versorgungsrücklage zugeführt worden. Weitere Erhöhungen ergaben sich durch den seit 2001 erhöhten Ortszuschlag für das dritte Kind und weitere Kinder im Beamtenbereich sowie die Entwicklung der Beiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.

3 Der Zuschuss des Landes an die Landwirtschaftskammer konnte aufgrund der Übernah-me von 52 Stellen gesenkt werden. Weiter werden aus Zuweisungen der Kreise im Rah-men der Straßenunterhaltung 121 Stellen für Straßenwärter finanziert. Insgesamt führte das zu einer Entlastung der Personalausgaben des Landes um ca. 8 Mio. € und zu einer Verringerung der Quote von 9,8 % auf 9,7 %.

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besetzter Stellen auf. Im Schulbereich wurde mit 99,5 % die höchste Be-setzungsquote festgestellt. Von diesen 1.999,20 Stellen waren am Stichtag 1.063,38 nicht für eine Wiederbesetzung vorgesehen und wurden vom LRH als dauerhaft unbe-setzt angesehen. Im Haushalt 2004/2005 ist die Streichung von 124 dieser Stellen vorgesehen. Der LRH empfiehlt, auch die restlichen 939,38 dauer-haft unbesetzten Stellen in Abgang zu bringen, auch wenn damit eine finanzielle Einsparung nicht verbunden ist.

10.5 Folgerungen

10.5.1 Der LRH hat in seinen Bemerkungen1 mehrfach mit Nachdruck auf die

Notwendigkeit hingewiesen, Stellen abzubauen und die Personalausgaben zurückzuführen. Gleichwohl hat die Landesregierung die Stelleneinspar-programme, die Regierungsumbildung im Jahr 2000, die Behörden- und die Verwaltungsstrukturreform, die Funktionalreform, die Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik, die Maßnahmen zur Verbesserung der IT-Infrastruktur und die Verlängerung der Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten nicht ausreichend genutzt, die Stellenzahl zu verringern. Zwar wurden 4.087 Stellen eingespart. Diesen standen jedoch 2.379 neue Stellen gegenüber. Der Stellenbestand wurde danach insgesamt nur um 1.708 Stellen zurückgeführt. Davon entfielen 1.365,5 auf Übertragungen in ausgegliederte Bereiche, sodass letztlich nur von einem Abbau von 342,5 Stellen gesprochen werden kann. Lässt man die Stellen für die Beamtin-nen und Beamten im Vorbereitungsdienst, für Nachwuchskräfte und in Wirtschaftsbetrieben unberücksichtigt, reduziert sich der Abbau sogar auf 198,5 Stellen. Dabei hätten Möglichkeiten zu sehr viel mehr Einsparungen bestanden: • Im Rahmen des „1.600 Stellen“-Personaleinsparkonzepts, das von

1996 bis 2001 abgewickelt wurde, und des sich anschließenden „600 Stellen“-Einsparprogramms aus dem Jahr 2000 sind neben den bereits 1996 und 1997 durchgeführten Einsparungen weitere 1.110,5 Stellen in den Jahren 1998 bis 2003 entfallen.

• Durch die Zusammenlegung von Ressorts wurde die Zahl der Ministe-

rien um 2 auf 8 verringert2.

1 Vgl. Bemerkungen 1998 des LRH, Nr. 7.3; Bemerkungen 2000 des LRH, Nr. 10.1.2; Be-

merkungen 2001 des LRH, Nr. 9.1.7; Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 9.3. 2 Die Auswirkungen auf den Stellenhaushalt durch die Auflösung des Ministeriums für länd-

liche Räume, Landwirtschaft und Tourismus (Landwirtschaftsministerium) im Jahr 2003 zeigen sich erst im Haushaltsplan 2004/2005.

137

• Im Zuge der Funktionalreform hat die Landesregierung eine Reihe von Aufgaben an die Kommunen übertragen.1

• Die Aktion „Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik“ erbrachte zahlreiche

Einspar- und Verbesserungsvorschläge durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung. Allein für die bis zum 01.05.1999 umgesetzten Vorschläge betrug der geschätzte Einspareffekt 41.037 Jahresarbeitstage2, die zu 51 % (100 Stellen) zum Ausgleich von Per-sonalfluktuationen genutzt wurden.

• Von der Landesregierung sind seit 1993 für Maßnahmen zur Verbesse-

rung der IT-Infrastruktur rd. 74 Mio. € (ohne Personalkosten) ausgege-ben worden.3 Mit der Einführung von IKOTECH I - III wurden die Ar-beitsplätze der Landesverwaltung sukzessive mit Personalcomputern und entsprechender Software ausgestattet. Das ermöglicht den Be-schäftigten, ihre Schriftstücke am Arbeitsplatz weitgehend selbst zu fer-tigen. Damit entfällt das typische Aufgabenspektrum der Schreibkräfte. Folgerichtig hat sich die Zahl der Stellen für Schreibkräfte in den Jahren von 1998 bis 2003 von 1.442 auf 731 Stellen verringert. Statt die nicht mehr benötigten 711 Stellen für Schreibkräfte einzusparen, wurden in beträchtlicher Anzahl höher bewertete Stellen für Assistenzarbeitsplät-ze geschaffen.

• Durch die zum 01.01.1998 durchgeführte Behördenstrukturreform in

den nachgeordneten Bereichen des ehemaligen Landwirtschaftsminis-teriums, des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Verbraucher-schutz und des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Landwirt-schaft ist der Stellenbestand von 2.243,5 am 31.12.1997 um 258,5 auf 1.985,0 Stellen im Jahr 2002 zurückgeführt worden.4 In den Jahren von 1998 bis 2003 bestand im Zuge der Verwaltungsstrukturreform außer-dem die Gelegenheit, − die Reform der Katasterverwaltung durch Reduzierung der Ämter, − die Einrichtung der Zweistufigkeit der Steuerverwaltung durch Auflö-

sung der Oberfinanzdirektion (OFD), − die Errichtung der Landeskasse Schleswig-Holstein durch Zusam-

menlegung der 4 Landesbezirkskassen und − die Auslagerung von Förderaufgaben, z. B. auf die Investitionsbank,

1 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN, Landtagsdrucksache 15/2560 vom 25.03.2003, Innenministerium, Nr. 14. 2 Vgl. Bemerkungen 2000 des LRH, Nr. 13. 3 Vgl. Sonderbericht des LRH vom 26.11.2002, Nr. 6.1. 4 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN, Landtagsdrucksache 15/2560 vom 25.03.2003, Staatskanzlei, Behördenstruk-turreform 1998.

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für einen Stellenabbau zu nutzen. Im Bereich der Katasterverwaltung wurden 461 und bei den Landesbezirkskassen lediglich 112 Stellen ein-gespart, während die Auflösung der OFD bisher keine Stellenreduzie-rung gebracht hat, sondern im Jahr 2004 durch den Wegfall von kw-Vermerken (fällig 2004) sogar 10 Stellen der Vergütungsgruppe VII BAT zusätzlich bringen wird.

• Mit Wirkung ab dem 01.01.2002 wurde die wöchentliche Arbeitszeit der

Beamtinnen und Beamten um 30 Minuten auf 40 Stunden erhöht, nach-dem sie bereits zum 01.01.1994 um eine Stunde auf 39,5 Stunden pro Woche angehoben worden war. Allein die letzte Arbeitszeiterhöhung ergab rechnerisch 162 zusätzliche Stellen für Lehrkräfte.3 Für die übrige Landesverwaltung ergaben sich rechnerisch 215 zusätzliche Stellen.

In Anbetracht der geschilderten Möglichkeiten für einen Personalabbau wurden zu wenige Stelleneinsparungen vorgenommen, unabhängig da-von, dass die Landesregierung im Schulbereich entsprechend der Emp-fehlung des LRH und im Bereich des Innenministeriums zusätzliche Stel-len ausgewiesen hat. Der LRH unterstützt ausdrücklich die Absicht der Landesregierung, die Verwaltung zu verschlanken. Er erwartet aber, dass damit ein deutlicher Stellenabbau verbunden ist, und fordert die Landesregierung auf, den Stel-lenabbau konsequenter fortzusetzen. Sie sollte insbesondere die am 11.11.2003 beschlossene Reorganisation der Landesverwaltung, die bei-spielsweise 3 statt 10 Standorte für den Vollzug von Umwelt und Landwirt-schaft vorsieht, nachdrücklich zum Stellenabbau nutzen. Gleiches gilt für die Polizeireform und die Neustrukturierung der Amtsgerichte. Die Reduzierung von 21 auf 17 Finanzämter sollte allerdings dazu genutzt werden, die Bereiche Steuerfestsetzung und Steueraußenprüfung zu stär-ken.

10.5.2 Bei den Personalausgaben lag die Steigerungsrate zwar mit 3,0 % unter

den gesetzlich beschlossenen Besoldungserhöhungen bzw. tariflich ver-einbarten Vergütungserhöhungen von 8,7 %. Ursächlich dafür waren je-doch in erster Linie die massive Ausgliederung von Aufgaben (mit Stellen) in Nebenhaushalte und die geänderte Einstellungspraxis bei den Lehrkräf-ten. Die Steigerungsrate wäre noch geringer ausgefallen, wenn nicht er-

1 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN, Landtagsdrucksache 15/2560 vom 25.03.2003, Innenministerium, Nr. 1. 2 Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN, Landtagsdrucksache 15/2560 vom 25.03.2003, Finanzministerium, Nr. 2. 3 Stellungnahme des LRH zum Entwurf des Landeshaushalts 2002 vom 19.10.2001, Um-

druck 15/1541.

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neut neue Stellen ausgewiesen und strukturelle Verbesserungen für die Beschäftigten durch Ausweisung höherwertiger Stellen erfolgt wären, ohne die damit verbundenen Mehrausgaben durch entsprechende Einsparun-gen an anderer Stelle auszugleichen. Auch weil sich strukturelle Verbesserungen für die Beschäftigten nachhal-tig und langfristig auf der Ausgabenseite auswirken, dringt der LRH vor dem Hintergrund der desolaten Haushaltslage des Landes darauf, dass neue Stellen und strukturelle Verbesserungen ausnahmslos durch ent-sprechende Einsparungen an anderer Stelle finanziert werden müssen.

10.5.3 Dauerhaft unbesetzte Stellen beeinträchtigen die Aussagekraft der Stel-

lenpläne und Stellenübersichten, ebenfalls im Vergleich zu den Personal-ausgaben. Auch um Stellenreserven zu vermeiden, sollten deshalb die 939,38 dauerhaft unbesetzten Stellen bei der nächsten allgemeinen Über-prüfung der Stellenpläne und -übersichten wegfallen, auch wenn damit keine finanziellen Einsparungen verbunden sind. Sollte die Umsetzung wegen der Teilbesetzung von Stellen scheitern, sollte erwogen werden, Stellen für Teilzeitbeschäftigte in den Stellenplänen und in den Stellen-übersichten mit der jeweils festgelegten Zahl der wöchentlichen Arbeits-stunden auszuweisen. Künftig sollten die Stellenpläne und Stellenübersichten wie im Rahmen der Personalkostenbudgetierung vorgesehen regelmäßig, spätestens alle 3 Jahre, um die Stellen, für die keine Ausgabemittel mehr veranschlagt werden, bereinigt werden. Das Finanzministerium weist darauf hin, dass die Stellenbesetzung in den jährlichen Haushaltsverhandlungen anhand der von den Ressorts ein-zureichenden Unterlagen1 überprüft werde und dass entsprechende Ein-sparkonsequenzen gezogen würden. Der LRH übersehe, dass ein großer Teil nicht besetzter Stellen auf Ausbildungsstellen (per 31.07.2003 insge-samt 301 Stellen) entfalle, um einem schwankenden Bedarf an Nach-wuchskräften entsprechen zu können, und dass die Ressorts in Anbe-tracht von insgesamt rd. 2.750 Leerstellen Stellen für die Wiederbesetzung durch beurlaubte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere wegen Erziehungsurlaubs, freihalten müssten. Stelleneinsparungen in dem vom LRH geforderten Umfang seien deshalb ausgeschlossen. Der LRH macht darauf aufmerksam, dass dem Finanzausschuss von den Ressorts per 31.07.2003 insgesamt 435 freie Ausbildungsstellen gemeldet worden sind. Davon sollten 72 Stellen im Doppelhaushalt 2004/2005 weg-

1 Vgl. z. B. Haushaltsrunderlass 2004/2005 Tz. 3.8 - Stand 31.03.2003.

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fallen. Weitere 275 Stellen waren ausdrücklich für eine Wiederbesetzung vorgesehen. Der LRH hat lediglich die restlichen 88 Ausbildungsstellen, die keinen entsprechenden Hinweis enthielten, für die Einsparung vorge-schlagen. Im Übrigen kann der LRH den Hinweis des Finanzministeriums auf die 2.750 Leerstellen für beurlaubte Beschäftigte nicht nachvollziehen. Die Ausweisung von Leerstellen für Beurlaubte ist nur dann erforderlich, wenn deren ursprüngliche Stellen für Vertretungskräfte benötigt werden. Die Stellen sind dann besetzt. Ihre Einsparung hat der LRH nie gefordert. Der LRH bleibt dabei, dass die Stellenpläne und Stellenübersichten künftig spätestens alle 3 Jahre bereinigt werden sollten.

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11. Querschnittsprüfung Öffentlichkeitsarbeit des Landtages und der Landesregierung - Veranstaltungen und Verfü-gungsmittel

Der Landtag und die Landesregierung führen als Teil ihrer Öf-fentlichkeitsarbeit Veranstaltungen zur Information der allgemei-nen oder der Fachöffentlichkeit durch. Die geprüften Veranstal-tungen sind im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Gleichwohl hat der LRH bei den Einzelfeststellungen zu einigen Veranstal-tungen kritische Anmerkungen zur Angemessenheit des Auf-wands getroffen. Für die Repräsentation werden dem Landtagspräsidenten, der Ministerpräsidentin sowie den Ministerinnen und Ministern Ver-fügungsmittel bereitgestellt, deren Inanspruchnahme vom Fi-nanzministerium durch Richtlinien geregelt ist. Der Landtags-präsident wendet diese Richtlinien analog an. Die formalen und materiellen Voraussetzungen für die Verwen-dung von Verfügungsmitteln sind in den Richtlinien für die Inan-spruchnahme von Verfügungsmitteln grundsätzlich ausreichend beschrieben. Der LRH mahnt an, sie konsequent anzuwenden. Zusätzlich sieht er in einigen Punkten der Richtlinien Klarstel-lungs- und Änderungsbedarf. Für die von der Landesregierung in Teilbereichen darüber hinaus gewollte erweiterte Inanspruch-nahme von Verfügungsmitteln bedürfte es einer Ergänzung der Richtlinien. Uneingeschränkt muss aber weiterhin gelten, dass Verfügungsmittel für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstli-cher Veranlassung in besonderen Fällen vorgesehen sind, der Aufwand der finanziellen Lage des Landes entsprechend auf das notwendige Maß beschränkt bleiben muss und die Zulässigkeit der Ausgaben sich danach richtet, ob sie zur Erfüllung der Auf-gaben des Landes notwendig sind (§ 6 LHO).

11.1 Vorbemerkung Der LRH hat im Rahmen einer 3-teiligen Prüfungsreihe „Öffentlichkeitsar-beit des Landtages und der Landesregierung“ in einer Querschnittsprüfung die Veranschlagung, Bewirtschaftung und Verwendung von Mitteln für Veranstaltungen des Landtages und der Landesregierung der Jahre 1998 bis 2002 (ohne Landesvertretung in Berlin, Hanse-Office, Fraktionen, Un-abhängiges Landeszentrum für Datenschutz sowie Beauftragte) geprüft. Die Inanspruchnahme der Verfügungsmittel ab 2001 durch den Land-tagspräsidenten, die Ministerpräsidentin sowie die Ministerinnen und Mi-nister war Gegenstand der zweiten Prüfung dieser Prüfungsreihe. In einer

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weiteren Querschnittsprüfung soll die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landtages und der Landesregierung untersucht werden. Der Landtagspräsident und die Landesregierung haben zur Prüfung der Veranstaltungen schriftlich Stellung genommen. Der Landtagspräsident macht in seiner Stellungnahme zu den einzelnen Beanstandungen deutlich, dass die Auffassungen des LRH nicht geteilt werden. Die Durchführung der Veranstaltungen liege im politischen Er-messen des Landtages. Dessen Präsident brauche sich nicht - auch nicht in öffentlicher Diskussion - mit der Ansicht des LRH auseinander zu set-zen, bestimmte Veranstaltungen seien nicht erforderlich oder zweckmäßig gewesen. Er habe „als Personifizierung des Parlaments“ das „letzte Wort“ darüber, ob eine Maßnahme sinnvoll, geeignet und Erfolg versprechend sei. Demnach beschränke sich die Prüfungskompetenz des LRH, soweit der Landtagspräsident im Rahmen seiner Parlamentsautonomie tätig wer-de, auf das „Wie“ der Durchführung der Maßnahme. Der LRH erkennt die Besonderheit der Funktion des Landtagspräsidenten in Bezug auf die Parlamentsautonomie und damit die eigenverantwortliche und weisungsfreie Entschließungs- und Handlungsfreiheit des Parlaments an, weist aber darauf hin, dass weder Landesverfassung noch Haushalts-recht dem Landtagspräsidenten im Rahmen der Repräsentation und der Öffentlichkeitsarbeit einen prüfungsfreien Raum zugestehen. Der LRH kann daher das Finanzgebaren daraufhin untersuchen, ob die Geld- und Sachleistungen im Rahmen der gesetzlich definierten Aufgaben und zu zu-lässigen Zwecken eingesetzt sowie wirtschaftlich verwendet worden sind. Dies schließt bei bestimmten Veranstaltungen auch ein, das „Ob“ einer Maßnahme infrage zu stellen, wenn und soweit sie aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde. Dabei ist die politische Erforderlichkeit einer Maßnahme nicht Gegenstand der Prüfung, vgl. § 9 Abs. 2 S. 2 FraktionsG1. Der LRH bleibt bei seiner Kritik, die sich auf die Angemessenheit des Aufwands so-wie auf die unzulässige Finanzierung aus Landesmitteln beschränkt. Die Landesregierung folgt in vielen Fällen den Empfehlungen des LRH, daher wird auf die Stellungnahme der Landesregierung nur dort eingegan-gen, wo es noch relevant ist.

1 Gesetz über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Schleswig-Holstei-

nischen Landtag (FraktionsG) vom 18.12.1994, GVOBl. Schl.-H. 1995 S. 4, zuletzt geän-dert durch Gesetz vom 26.05.1999, GVOBl. Schl.-H. S. 134.

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11.2 Zulässigkeit staatlicher Öffentlichkeitsarbeit Bereits im Zusammenhang mit der Finanzierung der Fraktionen hat sich der LRH in der Vergangenheit mehrfach mit dem Thema „Öffentlichkeits-arbeit“ befasst1 und hierzu grundlegende Aussagen getroffen, die auch für die Öffentlichkeitsarbeit von Landtag und Landesregierung von Bedeutung sind: • Der Einsatz staatlicher Mittel für Öffentlichkeitsarbeit innerhalb klarer

Grenzen ist zulässig. • Die Öffentlichkeitsarbeit muss einen klaren Bezug zur Parlaments- bzw.

Regierungsarbeit haben. • Die Bewirtung von Gästen kann in einem angemessenen Rahmen aus

staatlichen Mitteln finanziert werden. • Der Einsatz öffentlicher Mittel für Innenrepräsentation (reine Eigenbe-

wirtung) ist unzulässig. • Geburtstags-, Jubiläums-, Abschieds- und Weihnachtsfeiern pp. gehö-

ren überwiegend zur Innenrepräsentation; bei der Annahme einer zu-lässigen Außenrepräsentation ist ein besonders strenger Maßstab an-zulegen.

Für die Landesregierung ist die Inanspruchnahme von Verfügungsmit-teln in Richtlinien geregelt2. Der Landtagspräsident wendet sie analog an. Die wichtigsten Kernbestimmungen dieser Richtlinien lauten wie folgt: • Ziff. 1.1: Die Verfügungsmittel sind für außergewöhnlichen Aufwand in

besonderen Fällen vorgesehen. Der Aufwand muss der finanziellen La-ge des Landes entsprechend auf das unbedingt notwendige Maß be-schränkt bleiben. Die Zulässigkeit der Ausgaben richtet sich danach, ob sie zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind (§ 6 LHO). Die Verfügungsmittel sind in erster Linie für die Repräsentation be-stimmt. Die Repräsentation setzt ein Hervortreten nach außen voraus; dazu gehören auch Begegnungen mit Vertretern des Parlaments. Ver-anstaltungen innerhalb der Landesverwaltung können nicht als Reprä-sentation anerkannt werden. Für eine Repräsentation gegenüber Ver-tretern der Bundesregierung oder anderer Landesregierungen besteht nur dann Anlass, wenn es das Landesinteresse gebietet oder allgemein anerkannte Gepflogenheiten, insbesondere der Gesichtspunkt der Ge-genseitigkeit, dies rechtfertigen (z. B. besondere Arbeitstagungen der Länder bzw. von Bund-Länder-Ausschüssen).

1 Vgl. Bemerkungen 1992 des LRH, Nr. 9; Nachtrag zu den Bemerkungen 1994 des LRH,

Nr. 1; Bemerkungen 1995 des LRH, Nr. 15; Bemerkungen 1999 des LRH, Nr. 11; Bemer-kungen 2003 des LRH, Nr. 9.

2 Richtlinien für die Inanspruchnahme der Verfügungsmittel vom 10.12.2001 - VI 205 - H 7101 - 145 (nicht veröffentlicht).

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• Ziff. 1.2: Die Verfügungsmittel dürfen nur im Interesse des Landes ver-wendet werden.

• Ziff. 1.3: Bei Empfängen, Arbeitsessen bzw. sonstigen Bewirtungen soll ein Richtsatz von 40 € je Teilnehmer nicht überschritten werden.

• Ziff. 1.4: Die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Verfü-gungsmittel bleibt der besonderen Anordnung der Ministerpräsiden-tin/des Ministerpräsidenten, der Ministerin/des Ministers, der Amtsche-fin/des Amtschefs oder der Behördenleiterin/des Behördenleiters vor-behalten.

• Ziff. 1.5: Zahlungen aus den Verfügungsmitteln sind auf solche Zwecke zu beschränken, die zum Geschäftsbereich des Verfügungsberechtig-ten gehören. Sie müssen in einem Zusammenhang mit den dienstli-chen Aufgaben und Verpflichtungen des Verfügungsberechtigten und seiner Verwaltung stehen.

• Ziff. 1.7: Aus den Verfügungsmitteln dürfen keine Vergütungen oder personalbezogenen Sachausgaben an Bedienstete des Landes geleis-tet werden.

• Ziff. 1.8: Verfügungsmittel dürfen nicht für solchen laufenden Aufwand in Anspruch genommen werden, der regelmäßig mit dem Hauptamt verbunden ist. Derartige Aufwendungen sind aus den für diesen Zweck gewährten Dienstaufwandsentschädigungen zu bestreiten.

• Ziff. 2.5: Die Inanspruchnahme der Verfügungsmittel muss in der Wei-se belegt werden, dass jederzeit ihre ordnungsgemäße und dem Haus-haltsrecht entsprechende Verwendung nachgeprüft werden kann (§§ 75, 89, 95 LHO). Alle Buchungen sind einzeln und ausreichend zu belegen. Eine pauschale Auszahlung ist nicht zulässig. Die Ausgaben müssen so präzise wie möglich begründet werden. Dazu gehören An-gaben über Zweck, Anlass und Gegenstand der Auszahlung sowie über die Berechnung des Gesamtbetrages. Bei Einladungen anlässlich von Sitzungen, Tagungen und Empfängen ist der Zweck der Zusam-menkunft, der Teilnehmerkreis und die Teilnehmerzahl - getrennt nach Gästen und Angehörigen der Landesverwaltung - anzugeben (VV Nr. 10 zu § 70 LHO).

• Ziff. 2.6: Die Rechnungsbelege sind mit dem Vermerk „Zu zahlen aus Titel …....... (z. B. 0301 - 529 01)“ zu versehen und von der Minister-präsidentin/dem Ministerpräsidenten, von der Ministerin/dem Minister oder von der Staatssekretärin/dem Staatssekretär abzuzeichnen. Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident kann das Zeichnungs-recht für seinen Bereich unabhängig von der Höhe des Betrages dele-gieren. Im Übrigen kann bei Beträgen bis zu 250 € das Zeichnungs-recht delegiert werden.

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11.3 Veranstaltungen Der Landtag und die Landesregierung führen im Rahmen ihrer Öffentlich-keitsarbeit Veranstaltungen zur Information der allgemeinen oder der Fachöffentlichkeit durch, die zur Willensbildung und Entscheidungsfindung führen sollen oder der Kontaktpflege dienen. Für den Prüfungszeitraum von 1998 bis 2002 haben Landtagsverwaltung, Staatskanzlei und die einzelnen Ressorts insgesamt 731 Veranstaltungen gemeldet. Dafür sind rd. 3.049.000 € aufgewandt worden. Insgesamt wur-den 103 Veranstaltungen (14 %) näher untersucht.

11.3.1 Feststellungen und Empfehlungen Die geprüften Veranstaltungen sind im Wesentlichen nicht zu bean-standen. Die im Haushalt für Veranstaltungen eingeplanten Haushaltsmit-tel wurden nicht überschritten. Der LRH weist in seinen Prüfungsfeststellungen auf die vielfach gute Do-kumentation und auf die Erhebung von Teilnehmerbeiträgen im Einzelfall bei Veranstaltungen hin. Gleichwohl hat der LRH zu einigen Veranstaltun-gen kritische Anmerkungen zur Angemessenheit des Aufwands bzw. zur unzulässigen Finanzierung aus Landesmitteln getroffen. Auch wurden Veranstaltungen durchgeführt, die nicht nach außen gerichtet waren und keinen Öffentlichkeitsbezug hatten, sondern ausschließlich der reinen Innenrepräsentation zuzurechnen sind. Beispielhaft wurde in den folgen-den Fällen gegen Kernbestimmungen der Richtlinien (vgl. Tz. 11.2) ver-stoßen: • Empfänge

Neben den Empfängen, die auch nach den Richtlinien über die Ver-wendung der Verfügungsmittel der Öffentlichkeitsarbeit zuzurechnen sind, gab es im Prüfungszeitraum Empfänge, die jedenfalls hinsichtlich ihres Umfangs diese Kriterien nicht erfüllten. Hierzu gehören jährliche Empfänge für Journalisten mit Partner/innen, für Medienmitarbeiter und -mitarbeiterinnen (z. B. Kameraleute, Fotografen, Techniker und Cutte-rinnen) sowie Empfänge anlässlich von Geburtstagen, Jubiläen und Verabschiedungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

• Arbeitsessen Im Prüfungszeitraum wurde mehrfach zu Arbeitsessen eingeladen, an denen aktive bzw. ausscheidende Abgeordnete bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes und der Fraktionen teilnahmen. Hierbei handelt es sich i. d. R. nicht um zulässige Arbeitsessen i. S. der Richt-linien. Sie sind außerdem weder öffentlichkeitswirksam und nach außen gerichtet noch repräsentativ (weitere Ausführungen siehe unter Tz. 11.4.3).

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• Regattabegleitfahrten Gleiches gilt für die jährlich zur Kieler Woche durchgeführte Regattabe-gleitfahrt, zu denen zusätzlich die Partnerinnen und Partner der Abge-ordneten eingeladen sind. Im Jahr 2002 deckten die erhobenen Teil-nehmerbeiträge weniger als 25 % der Gesamtkosten von rd. 6.500 €.

• Konferenzen und Kongresse Anlässlich einer Konferenz von leitenden Verwaltungsbeamten aus Bund und Ländern (Gesamtkosten 11.500 €) hat der LRH kritisiert, dass Zeit und Aufwand für das Rahmenprogramm in keinem Ver-hältnis zur Dauer der Konferenz standen. Im Rahmen der 3-tägigen Veranstaltung betrug die reine Beratungszeit nur insgesamt rd. 6 Stun-den. Beanstandet hat der LRH auch die hohen Kosten für die Installa-tion der Konferenztechnik (550 € pro Beratungsstunde) und das auf-wändige Fahrerprogramm. Dagegen ist dem LRH der im Jahr 2001 von der Landesregierung durchgeführte Kongress „Zukunft der Gesundheit - Gesundheit mit Zu-kunft“ besonders positiv aufgefallen. Der Kongress erfüllte alle Kriterien zulässiger Öffentlichkeitsarbeit. Von den Kongressteilnehmern wurden zudem Eintrittsgelder für den Imbiss, die Tagungsunterlagen und die später versandte Dokumentationsbroschüre in Höhe von ca. 25 € erho-ben. Damit wollte die Staatskanzlei einerseits zur Entlastung des Etats Einnahmen erzielen und andererseits erreichen, dass nur die wirklich Interessierten am Kongress teilnehmen.

Unter Berücksichtigung der für die Fraktionen, aber auch für den Landtag und die Landesregierung geltenden grundlegenden Aussagen des LRH zur Öffentlichkeitsarbeit sowie der Richtlinien für die Inanspruchnah-me der Verfügungsmittel (vgl. Tz. 11.2) dürfen z. B. Arbeitsessen, Ge-burtstage, Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern sowie Jubiläums-, Ab-schieds- und Trauerfeiern grundsätzlich nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Veranstaltungen, an denen vorwiegend Personen aus dem internen Bereich (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kabinettsmitglie-der, Landtagsabgeordnete) ohne besonderen dienstlichen Anlass teilneh-men, sind generell keine Öffentlichkeitsarbeit. Ausgaben hierfür sind dem privaten Lebensbereich zuzuordnen und privat zu bezahlen. Ausnah-men hiervon sind allenfalls für besondere Geburtstage, Jubiläums-, Ab-schieds- und Trauerfeiern der Führung oberster Staats- und Verfas-sungsorgane (Ministerpräsidentin und Landtagspräsident) denkbar. Vo-raussetzung dafür ist, dass die Veranstaltungen funktions- und amtsbezo-gen und nicht personenbezogen begangen werden. Das bedeutet, dass überwiegend Externe eingeladen werden. Die Staatskanzlei sieht zumindest bei 2 ihrer vom LRH kritisierten Veran-staltungen (Verabschiedungen von Mitarbeitern) eine eminente Außenwir-kung, bei denen aus ihrer Sicht Ausnahmen zulässig seien. Das Finanz-

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ministerium ist der Auffassung, dass es bei Empfängen anlässlich von Geburtstagen, Jubiläen und Verabschiedungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei „außergewöhnlichem Aufwand in besonderen Fällen“ der Entscheidung der Ministerpräsidentin, der Ministerinnen oder der Minister vorbehalten bleiben müsse, darüber zu entscheiden, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit „außergewöhnlichen Leistungen“ geehrt oder verdiente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach 40 Dienstjahren mit einem Präsent verabschiedet würden. Der LRH bleibt bei seiner Auffassung, dass diese Praxis nicht den Richt-linien entspricht. Die Zulässigkeit der Ausgaben richtet sich danach, ob sie zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig sind (§ 6 LHO). Dies ist hier nicht erkennbar. Der LRH hat zwar Verständnis dafür, die persönliche Arbeits- und Dienstleistung verdienter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diese Weise zu würdigen. Allerdings gibt es viele vergleichbare Fälle, bei denen eine ähnliche Würdigung unterbleibt bzw. unterbleiben muss. Sollte die Landesregierung künftig „außergewöhnliche Leistungen“ von Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern auf diese Weise honorieren wollen, müssten die Richtlinien für die Verwendung der Verfügungsmittel entsprechend geän-dert und um einen transparenten Kriterienkatalog ergänzt werden. Bis auf wenige Ausnahmen werden zu den Veranstaltungen keine Ergeb-nis- oder Erfolgsberichte gefertigt. Künftig sollten die Sachakten mit einem Veranstaltungsbogen abgeschlossen werden, in dem Anlass, Ab-lauf, Kosten und Bewertung/Nutzen der Veranstaltung zu dokumentieren sind. Die Staatskanzlei ist der Empfehlung bereits gefolgt.

11.3.2 Sonstige Veranstaltungen Eine jährliche „Sommerreise“ der beamteten Staatssekretäre der Bundesregierung führte den Staatssekretärskreis für ein Wochenende (3 Tage) zur Kieler Woche 1999 nach Schleswig-Holstein. Geplant und vorbereitet wurde die Reise vom Staatssekretär des Bundesarbeitsministe-riums. Eingeladen waren auch aktive, ganz überwiegend aber ehemalige Staatssekretärinnen und Staatssekretäre der Bundesregierung - jeweils mit Partner/in. Teilgenommen haben insgesamt 73 Personen (5 aktive und 35 ehemalige Staatssekretäre, 30 Partner, 2 Fahrer der Gäste, ein Busfah-rer). Das Programm bestand u. a. aus Empfängen beim Kieler Oberbürger-meister und der Ministerpräsidentin, der Bundesmarine sowie des Lübecker Stadtpräsidenten, einer Regattabegleitfahrt mit Marineschiffen

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auf der Kieler Förde, einer Besichtigung des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ und einer Stadtführung mit einem Orgelkonzert. Die Einladung zu dem Empfang der Ministerpräsidentin erfolgte - wie die übrigen Einladungen auch - auf Initiative des Staatssekretärs des Bundes-arbeitsministeriums. Die Rechnung für diesen Empfang in Höhe von rd. 2.680 € ist aus dem Landeshaushalt bezahlt worden. Die Veranstaltung war weder nach außen gerichtet und öffentlichkeitswirk-sam, noch war sie repräsentativ. Es handelte sich um ein aus öffentli-chen Mitteln finanziertes Essen überwiegend ehemaliger Staatssekre-täre mit Partnern im Rahmen einer touristischen Sommerreise nach Schleswig-Holstein. Der LRH kann nicht erkennen, dass diese Ausgaben zur Erfüllung der Aufgaben des Landes notwendig waren. Die Teilnehmer hätten ihr Essen selbst bezahlen müssen. Die Staatskanzlei teilt in ihrer Stellungnahme mit, die Ministerpräsidentin werde - falls der Wunsch nach einer ähnlichen Veranstaltung noch einmal an sie herangetragen werden sollte - entsprechend den Empfehlungen des LRH verfahren.

11.3.3

11.3.4

Veranschlagung der Haushaltsmittel Im Prüfungszeitraum von 1998 bis 2002 wurden die Veranstaltungen bei 24 verschiedenen Titeln veranschlagt und bewirtschaftet. Um mehr Über-sichtlichkeit und Transparenz bei der Veranschlagung zu erreichen und schwierige Zuordnungen zu den unterschiedlichen Ansätzen zu vermei-den, schlägt der LRH vor, je Einzelplan (Epl.) eine Titelgruppe „Öffent-lichkeitsarbeit“ einzurichten und darin neben den bereits bestehenden Festtiteln für Verfügungsmittel (F 529 01/529 10) und für Öffentlichkeitsar-beit (F 531 02) einen verbindlichen Festtitel für Veranstaltungen einzu-richten. Der Gruppierungsplan (Verwaltungsvorschriften zur Haushalts-systematik des Landes Schleswig-Holstein) weist für Veranstaltungen, so-fern es sich nicht um Öffentlichkeitsarbeit handelt, keine besondere Titel-bezeichnung aus. Lediglich für Verfügungsmittel und Veröffentlichun-gen/Öffentlichkeitsarbeit sind Festtitel in den Allgemeinen Hinweisen zum Gruppierungsplan und zum Funktionenplan (AH-GF) ausgewiesen. Sponsoring Eine Anzahl von Veranstaltungen konnte nur mit Unterstützung von Spon-soren durchgeführt werden. Die Prüfung hat gezeigt, dass der Umgang mit Sponsorenmitteln sehr unterschiedlich gehandhabt wird: Bei der Veranstaltung zweier Jugendkongresse, deren Gesamtkosten (ca. 100.900 € bzw. 61.000 €) mit 35 % bzw. 25 % aus Sponsorenmitteln

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finanziert wurden, wird deutlich, wie unterschiedlich deren Abwicklung vor-genommen wurde. Bei dem ersten Kongress hat die Staatskanzlei die Kosten für die gesamte Veranstaltung verauslagt, d. h. für die eingewor-benen Sponsorengelder ist sie jeweils in Vorleistung getreten. Nach Ein-gang und Zusammenstellung aller Rechnungen sind die Sponsoren schrift-lich gebeten worden, die zuvor vereinbarten Beträge zu erstatten. Die Sponsoren erhielten mit den Anschreiben die jeweiligen Rechnungsko-pien. Die Sponsorengelder sind in voller Höhe eingegangen und wurden von den geleisteten Ausgaben abgesetzt. Bei der Folgeveranstaltung im nächsten Jahr hat die Staatskanzlei die ein-geworbenen Sponsorengelder nicht verauslagt. Die Sponsoren haben vielmehr die Originalrechnungen bekommen mit der Bitte, die zugesagten Gelder direkt an die Rechnungssteller zu überweisen. Hier hat die Staats-kanzlei in einem Fall einen Sponsor an die Zahlung des zugesagten Be-trags erinnern müssen (der Betrag ist dann auch gezahlt worden). Diese Verfahrensweise macht deutlich, dass • in Schleswig-Holstein allgemein verbindliche Regelungen für die Be-

handlung und Abwicklung von eingeworbenen Sponsorengeldern feh-len,

• in beiden Fällen die Abwicklung nicht über den Haushalt erfolgte und damit für den Landtag als Haushaltsgesetzgeber nicht transparent war,

• das Bruttoprinzip (§§ 15 und 35 LHO) nicht beachtet worden ist und • das Land bei der Sponsorenfinanzierung nicht unerhebliche Risiken auf

sich nimmt, da es mit der Auftragserteilung Bindungen eingeht und in jedem Fall - bei Nichtzahlung oder dem Ausfall eines oder mehrerer Sponsoren - Auftraggeber/Vertragspartner und damit letztendlich auch Zahlungspflichtiger ist und bleibt.

Der LRH empfiehlt, allgemein verbindliche Leitlinien für den Umgang mit Sponsoring zu erlassen. Die Staatskanzlei hat in ihrer Stellungnahme an-gekündigt, eine entsprechende Regelung zu erarbeiten und mit den Res-sorts abzustimmen.

11.4 Verfügungsmittel Im Prüfungszeitraum von Januar 2001 bis einschl. Juni 2003 wurden Ver-fügungsmittel in Höhe von insgesamt rd. 855.000 € in Anspruch genom-men. Der LRH hat in der Landtagsverwaltung, der Staatskanzlei und in den Ressorts die Belege (insgesamt 2.932) der Titel 529 10 im Epl. 01, 529 02 im Epl. 0301 sowie 529 01 der übrigen Epl. geprüft. Die Verfügungsmittel wurden vorrangig für Bewirtungskosten ausgege-ben.

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Der Landtagspräsident weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass dem LRH hinsichtlich der Veranlassung der einzelnen Ausgaben aus sei-nen Verfügungsmitteln weder das Recht zur Prüfung noch das Recht zu den getroffenen Bewertungen zustünde. Der LRH weist darauf hin, dass dem Landtagspräsidenten kein prüfungs-freier Raum zusteht (vgl. Tz. 11.1).

11.4.1 Spenden und Präsente Spenden werden fast ausschließlich anstelle von Präsenten zu besonde-ren Anlässen (Geburtstage und Trauerfeiern bei besonderen Persönlich-keiten) gegeben. Damit wird meist den Wünschen der Einladenden bzw. der Angehörigen in Trauerfällen entsprochen. Beanstandungen hierzu gibt es nicht. Im Prüfungszeitraum wurden ca. 11 % der Verfügungsmittel (rd. 95.300 €)

11.4.2

für Präsente aufgewendet, hiervon ein großer Teil insbesondere für vorrä-tig beschaffte Gastgeschenke. In der Landtagsverwaltung und in der Staatskanzlei sind alle Präsente in einer Kartei bzw. Präsentdatenbank erfasst, in der Kaufdatum und -preis sowie Ausgabedatum und Empfänger dokumentiert werden. In den Ressorts ist dies bisher nicht üblich. Auch hier sollten künftig der jeweilige Bestand und der Nachweis über den Verbleib der Präsente er-fasst werden. Bewirtung zu Sitzungen Von den Bewirtungskosten (rd. 580.000 €) wurden im Prüfungszeitraum knapp 9 % (rd. 51.500 €) für Sitzungen ausgegeben. Die Richtlinien für die Inanspruchnahme der Verfügungsmittel (Ziff. 1.1, 1.7 und 1.8 - vgl. Tz. 11.2) lassen zu Sitzungen eine Bewirtung (Früh-stück, Mittag- bzw. Abendessen, Buffets, Schnittchen, Gebäck, Getränke) aus Verfügungsmitteln grundsätzlich nicht zu, denn • Verfügungsmittel sind in erster Linie für die Repräsentation bestimmt.

Sitzungen sind grundsätzlich nicht repräsentativ. • Repräsentation setzt ein Hervortreten nach außen voraus. Sitzungen

sind nur ausnahmsweise nach außen gerichtet, auch wenn die ge-fassten Beschlüsse eine Außenwirkung haben können.

• Veranstaltungen innerhalb der Landesverwaltung können nicht als Re-präsentation anerkannt werden. Nur in wenigen Ausnahmefällen haben Auswärtige an den Sitzungen teilgenommen (z. B. Strukturkommission, Runder Tisch). Im Übrigen haben an den Sitzungen ausschließlich der

151

Kabinettskreis und ggf. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der eigenen oder anderer Verwaltungen teilgenommen (Kabinett, Runde der Staats-sekretärinnen und Staatssekretäre (St-Runde), Landesbeamtenaus-schuss, Landesrichterrat, Sonntagsrunde, diverse Arbeitsgruppen und Arbeitskreise).

• Verfügungsmittel dürfen nicht für solchen laufenden Aufwand in An-spruch genommen werden, der regelmäßig mit dem Hauptamt verbun-den ist. Insbesondere gehört z. B. die Teilnahme an den wöchentlichen Sitzungen des Kabinetts und der St-Runde zu den originären Aufgaben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Die Aufwendungen für die Bewirtung zu internen Sitzungen - auch des Kabinetts und der St-Runde - sind fast ausschließlich der privaten Le-bensführung zuzuordnen und daher von den Teilnehmern selbst zu tra-gen. Dies haben auch alle Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Land-tages akzeptiert und verfahren entsprechend.1 Zur Bewirtung anlässlich von Sitzungen des Kabinetts und der St-Runde verweist das Finanzministerium in seiner Stellungnahme auf eine Ab-sprache mit dem LRH aus dem Jahr 1988. Der LRH hält angesichts der Haushaltslage, der alle Bereiche betreffenden Sparansätze sowie der nach 1988 erlassenen Richtlinien für die Inanspruchnahme der Verfü-gungsmittel insoweit nicht mehr an seiner früher in einem Gespräch zwi-schen seinem damaligen Präsidenten und dem damaligen Staatssekretär des Finanzministeriums eingenommenen Haltung fest, wonach er keine Bedenken zur Finanzierung eines sog. „einfachen Imbisses“ anlässlich der über die Mittagszeit andauernden Kabinettssitzungen habe. Im Übrigen teilt der LRH die Auffassung, die die damalige Finanzministerin in einem Schreiben vom 29.01.1992 mitteilte, wonach „es die Richtlinien zulassen, Aufwendungen für Gespräche, an denen nicht überwiegend Mit-arbeiter des Landes teilnehmen, als Repräsentationsaufwand anzusehen (z. B. Gespräche mit Bundes-, Landes-, Kommunalvertretern, Repräsen-tanten der Wirtschaft und sonstiger gesellschaftsrelevanter Gruppen).“

11.4.3

Gespräche/Arbeitsessen Im Prüfungszeitraum wurden aus den Verfügungsmitteln des Landtags-präsidenten, der Ministerpräsidentin sowie der Ministerinnen und Minister insgesamt rd. 72.700 € bei 630 Gesprächen bzw. Arbeitsessen für die Bewirtung von Gästen aufgewendet. Dieser Hinweis reicht als Anlass der Aufwendungen nicht aus. Dies gilt auch für vertrauliche Gespräche. Ar-

1 Vgl. Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 9.4.

152

beitsessen sind grundsätzlich weder repräsentativ noch nach außen gerichtet und öffentlichkeitswirksam. Nach den Richtlinien für die Inanspruchnahme der Verfügungsmittel (Ziff. 2.5 - vgl. Tz. 11.2) müssen die Ausgaben so präzise wie möglich be-gründet werden (Anlass, Funktion und Anzahl der Teilnehmer). Der notwendige Vertrauensschutz lässt sich durch entsprechende organisato-rische Maßnahmen gewährleisten. Soweit dies bei sensiblen politisch-strategischen Gesprächen der Ministerpräsidentin nur mit großen Schwie-rigkeiten möglich ist, müssten die Richtlinien um eine entsprechende Aus-nahmeregelung ergänzt werden. Der ausschließlich dienstliche Charak-ter und die Angemessenheit des Aufwands müssen in jedem Fall nach-vollziehbar sein. Eine Bewirtung von Gästen durch den Landtagsdirektor, die Chefin der Staatskanzlei sowie die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre aus Verfügungsmitteln ist nur dann zulässig, wenn Gäste in Vertretung des Landtagspräsidenten (durch den Landtagsdirektor), der Ministerpräsidentin (durch die Chefin der Staatskanzlei) bzw. die Ministerinnen und Minister (durch die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre) betreut werden. So-weit Gespräche, Sitzungen oder andere Treffen im Rahmen ihrer originä-ren Aufgabenerledigung durchgeführt wurden, ist die Bewirtung aus Verfü-gungsmitteln derzeit nicht vorgesehen. Sollte das künftig gewollt sein, müssten die Richtlinien entsprechend geändert werden.

11.4.4

Justizministerkonferenz Für die Durchführung der Justizministerkonferenz im Juni 2003 in Glücksburg unter Beteiligung der entsprechenden Ministerinnen und Minis-ter, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sowie Referentinnen und Re-ferenten des Bundes und aus 16 Bundesländern (163 Teilnehmerinnen und Teilnehmer) wurden im Haushaltsplan 2003 in einem eigens hierfür eingerichteten Titel Ausgabemittel in Höhe von 50.000 € bereitgestellt. Mit der Veranschlagung unter der Gruppe 529 wurde dokumentiert, dass es sich bei diesen Ausgaben um Verfügungsmittel handelt, die entsprechend den Richtlinien für die Inanspruchnahme der Verfügungsmittel zu bewirt-schaften sind. Die tatsächlichen Aufwendungen des Ministeriums betrugen rd. 40.970 €1. Für die Bewirtung anlässlich eines Empfangs der Ministerpräsidentin ka-men aus Verfügungsmitteln der Staatskanzlei weitere 3.080 € hinzu. Somit beliefen sich die Gesamtausgaben auf rd. 44.050 €.

1 Vgl. hierzu: Antwort der Justizministerin auf die Kleine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion

vom 02.09.2003 - Umdruck 15/3646.

153

Etwa 26.850 € (61 % der Gesamtausgaben) entfielen auf das Rahmen-programm (Bewirtung, Fahrerprogramm, Präsente, musikalische Beglei-tung). Nach Abschluss der Konferenz fand für einige Teilnehmer (Staatssekretärin und 5 Gäste) ein aus Verfügungsmitteln finanzierter Segeltörn mit anschließendem Abendessen in einem Restaurant in Strande statt. Der Sachaufwand der Konferenz für Mieten, Technik, Fahrkosten, Konfe-renzmaterial u. a. in Höhe von 17.200 € entspricht einem Anteil von 39 % am Gesamtaufwand. Bei dem Verhältnis der Kosten des Rahmenprogramms von 61 % zum Sachaufwand von 39 % ist eine sparsame Bewirtschaftung der Verfü-gungsmittel nicht erkennbar. Dies wird auch deutlich bei den Bewir-tungskosten in Höhe von rd. 9.150 € anlässlich eines Empfangs am Abend vor der Konferenz mit ca. 125 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Kosten betrugen je Teilnehmer 73 €. Nach den Richtlinien soll bei Be-wirtungen ein Richtsatz von 40 € je Teilnehmer nicht überschritten werden. Zudem sind die Mitglieder der Landesregierungen fast ausnahmslos erst am darauf folgenden Tag zum Beginn der Konferenz eingetroffen. Aus der Stellungnahme des Finanzministeriums geht hervor, dass ver-gleichbare Veranstaltungen der anderen Vorsitzländer noch teurer waren. Im Übrigen hätte die Veranstaltung auch der Repräsentation unseres Lan-des gedient und wirtschaftsfördernden Charakter gehabt. Dies habe der Bürgermeister der Stadt Glücksburg später anhand konkreter Buchungen versichert. Der LRH weist darauf hin, dass nach den Richtlinien für eine Repräsenta-tion gegenüber Vertretern anderer Landesregierungen nur dann An-lass besteht, wenn es das Landesinteresse gebietet oder allgemein aner-kannte Gepflogenheiten oder der Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit dies rechtfertigen. Beispielhaft sind besondere Arbeitstagungen der Länder bzw. von Bund-Länder-Ausschüssen ausdrücklich genannt (vgl. hierzu den Änderungsvorschlag zu Ziff. 1.1, Abs. 4 der Richtlinien in Tz. 11.4.5). Gleichwohl sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten (§§ 6 und 7 LHO). Rahmenprogramme für Teilnehmer sowie besondere Programme für Ehepartner und (Chef-)Fahrer anlässlich von Konferenzen, Arbeitskreis-sitzungen o. ä. sind nicht Bestandteil zulässiger Öffentlichkeitsarbeit. Die Finanzierung aus staatlichen Mitteln ist daher unzulässig. Der LRH er-wartet künftig einen maßvolleren Umgang mit öffentlichen Mitteln. Selbst wenn es den bisherigen Gepflogenheiten auch in anderen Bundes-ländern entspricht, zu bestimmten Anlässen ein Rahmen- sowie Fahrer-programm einzuplanen, hält der LRH dies heute nicht mehr für zeitgemäß.

154

Bei Treffen mit internationalen Gästen (Diplomaten und Parlamentariern) mögen in einem angemessenen Rahmen andere Gepflogenheiten gelten. Die Staatskanzlei weist in ihrer Stellungnahme zur Prüfungsmitteilung über die Prüfung der Veranstaltungen darauf hin, dass dies auch im natio-nalen Rahmen der Fall sein kann, wenn z. B. die Führungen der obersten Staats- und Verfassungsorgane aus Repräsentationsgründen mit Ehepart-nern anreisen. Der LRH hat insoweit keine Bedenken.

11.4.5

Vorschlag zur Anpassung der Richtlinien Formal gelten die Richtlinien für die Inanspruchnahme der Verfügungsmit-tel für die Ministerpräsidentin sowie die Ministerinnen und Minister. Die damalige Landtagspräsidentin hat 1989 durch eine interne Anweisung festgelegt, dass die Richtlinien auch in ihrem Geschäftsbereich Anwen-dung finden. Der LRH hat im Rahmen einer Prüfung im Jahr 1990 zusätz-lich vorgeschlagen, einen entsprechenden Passus in die Erläuterungen bei dem Titel 529 10 im Epl. 0101 aufzunehmen. Dies hielt die damalige Land-tagspräsidentin für entbehrlich. Die Landtagsverwaltung hat im Rahmen der jetzigen Prüfung erklärt, die Richtlinien noch immer analog anzuwen-den. Um dies auch nach außen deutlich zu machen, wiederholt der LRH seinen Vorschlag, einen entsprechenden Hinweis in die Erläuterungen zum Haushaltsplan aufzunehmen. Die Prüfung hat gezeigt, dass in vielen Fällen die Ausgaben nicht hinrei-chend begründet werden. Auf die haushaltsrechtlichen Bestimmungen hierzu wird in den Richtlinien nachhaltig hingewiesen. Insoweit müssen die Richtlinien nicht nachgebessert oder ergänzt werden. Vielmehr mahnt der LRH deren strikte Einhaltung an. Die materiellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Verfü-gungsmitteln bzw. zur Begrenzung des Aufwands sind grundsätzlich auch ausreichend beschrieben. Gleichwohl sieht der LRH in einigen Punkten der Richtlinien Klarstellungs- bzw. Änderungsbedarf: Ziff. 1.1, 3. Absatz sollte folgende Fassung erhalten: „Die Repräsentation setzt ein Hervortreten nach außen voraus; dazu können auch Begegnun-gen mit Vertretern des Parlaments gehören.“ Die bisherige Regelung1 ist gegenüber den anderen Bestimmungen der Richtlinien systemwidrig und suggeriert, dass jedes Treffen mit einem Parlamentarier automatisch nach außen gerichtet ist. Auch für Begegnungen mit Vertretern des Parla-ments gelten die Richtlinien ohne Einschränkungen. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Vertreter des Parlaments nach § 9

1 Vgl. Tz. 11.2.

155

SH AbgG1 Kostenpauschalen erhalten, die nicht nur die Auslagen für die Betreuung des Wahlkreises, sondern auch alle sonstigen Auslagen ab-decken sollen, die sich aus der Stellung der Abgeordneten ergeben. Im Prüfungszeitraum gab es diverse Arbeitsessen und Gespräche des Landtagspräsidenten, der Ministerpräsidentin sowie der Ministerinnen und Minister mit Fraktionsvorsitzenden, Parlamentarischen Geschäftsführern oder anderen Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages, bei denen ein repräsentativer Charakter weder dokumentiert noch sonst er-kennbar ist. In diesen Fällen (Innenrepräsentation) ist eine Inanspruch-nahme der Verfügungsmittel daher nicht zulässig. Soweit allerdings Be-gegnungen mit Vertretern des Parlaments als Repräsentation i. S. der Richtlinien nach außen gerichtet sind, ist die Inanspruchnahme der Ver-fügungsmittel auch ohne den zu streichenden Halbsatz möglich. In Ziff. 1.1, 4. Absatz sollte nach „Für eine Repräsentation gegenüber Vertretern der Bundesregierung oder anderer Landesregierungen besteht nur dann Anlass, wenn es das Landesinteresse gebietet“ der Halbsatz „oder allgemein anerkannte Gepflogenheiten, insbesondere der Gesichts-punkt der Gegenseitigkeit, dies rechtfertigen (z. B. besondere Arbeitsta-gungen der Länder bzw. von Bund-Länder-Ausschüssen)“ gestrichen wer-den. Dieser Halbsatz steht unter dem Postulat „Begrenzung des Aufwands“, in Wirklichkeit aber führt er durch einen gewissen Wettbewerb der Bundes-länder untereinander (schöner, besser, repräsentativer als im Vorjahr bzw. im Bundesland X) zu hohem organisatorischen und finanziellen Aufwand. Es ist traditionell zur Gepflogenheit geworden, dass anlässlich von län-derübergreifenden meist im Wechsel in den verschiedenen Ländern statt-findenden Arbeitstagungen oder Konferenzen von den Ausrichtenden die Gäste umfangreich bewirtet und betreut werden (gemeint sind insbesonde-re Mittag- und Abendessen mit Getränken sowie Rahmenprogramme für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, teilweise auch für deren Begleitun-gen und die Fahrer; Tagungsgetränke und ein angemessener Imbiss wer-den hingegen nicht infrage gestellt). Diese Praxis ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der immer schwie-riger werdenden finanziellen Situation der öffentlichen Haushalte nicht mehr zeitgemäß und verstößt gegen Ziff. 1.1 und 1.7 der Richtlinien (vgl. Tz. 11.2). Das Land könnte durch die Streichung des o. a. Halbsatzes eine Vorbildfunktion übernehmen.

1 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landta-

ges (Schleswig-Holsteinisches Abgeordnetengesetz - SH AbgG) vom 13.02.1991, GVOBl. Schl.-H. S. 100, ber. GVOBl. Schl.-H. 1992, S. 225, zuletzt geändert durch Ge-setz vom 16.12.2002, GVOBl. Schl.-H. S. 269.

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In Ziff. 1.3 (vgl. Tz. 11.2) sollte das Wort „Arbeitsessen“ gestrichen wer-den, da eine Eigenbewirtung aus Landesmitteln unzulässig ist. Verfügungsmittel dürfen nicht für solchen laufenden Aufwand in An-spruch genommen werden, der regelmäßig mit dem Hauptamt verbun-den ist. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen erhalten die Betroffenen be-reits eine pauschale monatliche Dienstaufwands- bzw. Aufwandsentschä-digung. § 17 BBesG1 und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschrif-ten gehen im Übrigen davon aus, dass in gewissem Umfang die Bestrei-tung solcher Ausgaben aus den Dienstbezügen zumutbar ist. Die Ministerpräsidentin, die Ministerinnen und die Minister erhalten nach § 7 Abs. 3 des Landesministergesetzes2 eine seit 1997 in der Höhe unver-änderte monatliche pauschale Dienstaufwandsentschädigung von rd. 266 € bzw. 143 €. Der Landtagspräsident erhält nach dem SH AbgG ne-ben seiner Abgeordnetenentschädigung eine zusätzliche Entschädigung für die Ausübung einer besonderen parlamentarischen Funktion (Funk-tionszulage). Dienstaufwandsentschädigungen sind eine Sonderart der pauschalierten Aufwandsentschädigungen i. S. von § 17 BBesG3. Nach wie vor gilt, dass diese Mittel nicht Bestandteil der Dienst- oder Amtsbezüge sind, sondern zur Abgeltung des überwiegend im persönlichen Bereich anfallenden dienstlich veranlassten Repräsentationsaufwands gewährt werden. Arbeitsessen sind nicht allein deshalb nach außen gerichtet und repräsen-tativ, weil hierfür öffentliche Restaurants ausgewählt werden. Aus Sicht der Finanzkontrolle sollten Arbeit und Essen getrennt gesehen werden, da Essen grundsätzlich der privaten Lebensführung zuzurechnen sind. Sollten Essen dennoch dienstlich veranlasst sein, wären zur Abgeltung dieser überwiegend im persönlichen Bereich anfallenden dienstlich veran-lassten Aufwendungen nicht die Verfügungsmittel, sondern die Dienst-aufwandsentschädigungen einzusetzen. In ihrem Schreiben vom 29.01.1992 hat die damalige Finanzministerin klargestellt, dass aus Verfü-gungsmitteln keine Ausgaben bestritten werden dürfen, die im Wesentli-chen Amtsträgern oder Mitarbeitern des Landes zugute kommen; solche Aufwendungen seien regelmäßig aus den zu diesem Zweck gewährten

1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 06.08.2002, BGBl. I

S. 3020, zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 23.12.2003, BGBl. I S. 2848. 2 Gesetz über die Rechtsverhältnisse des Ministerpräsidenten und der Landesminister

(Landesministergesetz) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 01.10.1990, GVOBl. Schl.-H. S. 515, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 661.

3 Vgl. hierzu auch „Grundsätze für die Gewährung und Bemessung von Dienstaufwands-entschädigungen im Inland“ des Arbeitskreises der Länder für Besoldungsfragen, abge-druckt in: Clemens/Millack/Engelking/Lantermann/Henkel „Besoldungsrecht des Bundes und der Länder“, Kommentierung zu § 17 BBesG, Anhang zu Anmerkung 5, Bonn 2003.

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Dienstaufwandsentschädigungen, Dienstbezügen, Zulagen etc. zu bestrei-ten. Der LRH unterstützt nachhaltig diese seinerzeit geäußerte Auffassung und erwartet, dass künftig entsprechend verfahren wird. In Schleswig-Holstein sind die Dienstaufwandsentschädigungen nach dem Landesministergesetz seit Jahren nicht nur nicht erhöht, sondern in den Jahren 1994 und 1997 sogar um insgesamt 245 € bzw. 215 € gekürzt worden, weil eine von der Landesregierung beschlossene „Nullrunde“ für die Amtsbezüge der Kabi-nettsmitglieder aus rechtlichen Gründen nur auf diese Weise erreicht wer-den konnte. Der LRH empfiehlt, die Höhe der im Landesministergesetz festgelegten Dienstaufwandsentschädigungen zu überprüfen. Von dem für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwal-tung geltenden Grundsatz, dass Essen der privaten Lebensführung zuzu-ordnen sind, sollte nicht abgewichen werden. Vor dem Hintergrund der bundesweiten Reform- und Einspardiskussionen ist es der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, wenn weiterhin vor allem Amtsträgern, leitenden Mitar-beitern des Landes und Abgeordneten aus Steuermitteln Kosten der überwiegend privaten Lebensführung von der Hand gehalten werden. Das Finanzministerium teilt mit, dass eine Anpassung der Verfügungs-mittelrichtlinien an die aktuelle Praxis beabsichtigt sei. Dabei würde auch auf die von den Ressorts nicht beachteten Vorgaben verstärkt eingegan-gen und die Richtlinien in diesen Punkten präzisiert werden. Ferner müsse in den neuen Richtlinien definiert werden, in welchem Rahmen eine Re-präsentation nach innen zulässig sei. Weiter vertritt das Finanzministerium die Auffassung, dass es je nach Anlass, Umfang und Bedeutung erforder-lich sein könne, dass Mitglieder der Landesregierung im Interesse des Landes als Gastgeber auftreten oder z. B. Präsente machen. Das gleiche gelte im Prinzip auch für Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und im Ausnahmefall auch für die handelnden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien. Die Landesregierung würde deshalb auch in Zukunft im bisherigen Rahmen Arbeitsessen mit Personengruppen, Unternehmen, Gewerkschaften, Verbänden und Repräsentanten des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie Gästen aus anderen Ländern u. Ä. aus Verfü-gungsmitteln finanzieren, wenn dies den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und Höflichkeit entspricht. Der LRH stimmt dem Finanzministerium inso-weit zu, als es hier um repräsentative und nach außen gerichtete Begeg-nungen geht. Das Finanzministerium geht davon aus, dass eine Nutzung, die vor allem bzw. zugleich der Bewirtung von Landesmitarbeitern und -mitarbeiterinnen diene, in Ausnahmefällen zulässig sei. Es gibt überdies zu bedenken, dass

158

11.4.6

Dienstaufwandsentschädigungen in Schleswig-Holstein nur in ganz erheb-lich reduziertem Umfang gezahlt würden und deshalb die mit dem Reprä-sentationsaufwand verbundenen Ausgaben keinesfalls decken könnten. Diese Auffassung wird nicht durch die geltenden Richtlinien für die Inanspruchnahme der Verfügungsmittel gedeckt. In Ziff. 1.7 der Richt-linien heißt es: „Aus den Verfügungsmitteln dürfen keine Vergütungen oder personalbezogenen Sachausgaben an Bedienstete des Landes geleistet werden.“ In diesem Zusammenhang wird auch auf §§ 51 und 52 der LHO hingewiesen. Danach können aus Verfügungsmitteln keine Ausgaben für eine Repräsentation nach innen gezahlt werden. Der LRH wiederholt sei-nen Hinweis auf das Schreiben der damaligen Finanzministerin vom 29.01.1992, in dem sie klargestellt hat, dass aus Verfügungsmitteln keine Ausgaben bestritten werden dürfen, die im Wesentlichen Amtsträgern oder Mitarbeitern des Landes zugute kommen; solche Aufwendungen seien re-gelmäßig aus den zu diesem Zweck gewährten Dienstaufwandsentschädi-gungen, Dienstbezügen, Zulagen etc. zu bestreiten. Der LRH hält insoweit eine Änderung der Richtlinien nicht für erforderlich. Falls die Landesregierung heute davon abweichen will, sollte sie das von ihr Gewollte klar und zweifelsfrei in den Richtlinien zum Ausdruck bringen. Reduzierung der Verfügungsmittel Im Prüfungszeitraum (Januar 2001 bis einschl. Juni 2003) wurden aus den geprüften Titeln (529 10 im Epl. 0101, 529 02 im Epl. 0301 bzw. 529 01 der übrigen Epl.) Verfügungsmittel in Höhe von insgesamt rd. 855.000 € in Anspruch genommen. Der Gesamtbetrag der Verfügungsmittel wird sich deutlich verringern, wenn dem Vorschlag des LRH entsprechend insbesondere die bei der Mi-nisterpräsidentin im Haushaltsansatz bei den Verfügungsmitteln noch ein-gerechneten Aufwendungen für Veranstaltungen künftig in einem geson-derten Titel veranschlagt werden. Bei den verbleibenden Verfügungsmitteln der geprüften Hauhaltstitel sieht der LRH nach Umsetzung der Änderungsvorschläge zu den Verfügungs-mittelrichtlinien, vor allem aber bei einer konsequenten Anwendung der Richtlinien eine Reduzierung von insgesamt bis zu 50 %. Als Beispiel verweist der LRH auf das Sozialministerium. Dieses hat in den Haus-haltsjahren 2001 und 2002 von den veranschlagten Verfügungsmitteln in Höhe von zusammen 14.000 € nur rd. 6.800 € oder 48,6 % in Anspruch genommen.

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Innenministerium

12. Aus- und Fortbildung in der Feuerwehr

Zur Stärkung einer wirtschaftlichen, von Angebot und Nachfrage gesteuerten Entwicklung der Landesfeuerwehrschule schlägt der LRH eine Neuordnung zum 01.01.2005 vor. Sie sollte als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errich-tet werden und sich grundsätzlich aus Lehrgangsentgelten finanzieren. Den Kreisen und kreisfreien Städten sollten die dafür benötigten Finanzmittel durch das Innenministerium aus dem Aufkommen der Feuerschutzsteuer zweckgebunden zur Verfügung gestellt werden. Die vorgeschlagene Neuordnung • stärkt die kommunale Selbstverwaltung, • entlastet das Innenministerium, • steuert die Landesfeuerwehrschule durch Angebot und Nach-

frage und • stärkt die Wirtschaftlichkeit, die Selbstständigkeit und die

Flexibilität der Landesfeuerwehrschule. Durch die Herausgabe landeseinheitlicher Ausbildungsrichtli-nien kann die Landesfeuerwehrschule die Kommunen unterstüt-zen und dort den Verwaltungsaufwand beträchtlich senken. Eine deutlich zu intensivierende kreisübergreifende Nutzung von Einrichtungen der Kreise und kreisfreien Städte kann Kosten re-duzieren.

12.1 Prüfungsgegenstand Mit der Prüfung „Aus- und Fortbildung in der Feuerwehr und im Katastro-phenschutz“ hat der LRH die mit den Prüfungen „Verwendung des Auf-kommens aus der Feuerschutzsteuer“1 und „Beschaffungen im Bereich Brandschutz“2 begonnene Untersuchung des Feuerwehrwesens fortge-setzt.

1 Vgl. Bemerkungen 2001 des LRH, Nr. 14. 2 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 17.

160

12.2 Allgemeines Die Unterhaltung leistungsfähiger öffentlicher Feuerwehren ist eine Selbst-verwaltungsaufgabe der Gemeinden (§ 2 BrSchG)1. Dies beinhaltet auch die Verpflichtung, die Ausbildung der aktiven Mitglieder sicherzustellen. Eine gute Ausbildung und ständige Fortbildung sind notwendig, damit die Feuerwehren ihre Aufgaben nach § 6 BrSchG wahrnehmen können. Sie sind auch eine Voraussetzung für die Anerkennung der Feuerwehr durch die Aufsichtsbehörde nach § 6 Abs. 3 BrSchG. Die Kreise und kreisfreien Städte haben als Selbstverwaltungsaufgabe überörtliche Ausbildungslehrgänge durchzuführen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BrSchG). Alle Kreise haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Aufgabe den Kreisfeuerwehrverbänden zu übertragen. In 3 Kreisen fehlt es aber an der nach § 13 Abs. 4 Satz 2 BrSchG vorgeschriebenen Über-tragung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag. Diesen Rechtsverstoß hatte der LRH bereits im Jahr 2000 im Rahmen seiner ersten Prüfung bei 6 Kreisen bemängelt. In der Zwischenzeit haben 3 weitere Kreise eine rechtlich einwandfreie Kompetenzverteilung vorgenommen. Der LRH hat daher dem Innenministerium nochmals empfohlen, darauf hinzuwirken, dass auch die letzten 3 Kreise die Delegation von Aufgaben auf den Kreisfeuerwehrverband durch öffentlich-rechtlichen Vertrag re-geln. Das Innenministerium hat dies zugesagt. Ein Kreis strebt einen Vertrags-abschluss an, die beiden anderen Kreise haben sich nicht geäußert. Das Land hat u. a. die Aufgabe, die Landesfeuerwehrschule zu unterhal-ten. Dort werden für die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren Führungs- und Speziallehrgänge, des Weiteren Führungslehrgänge im Katastrophen-schutz durchgeführt.

12.3 Aus- und Fortbildung der freiwilligen Feuerwehren in den Kreisen und kreisfreien Städten Die Feuerwehr-Grundausbildung und die Truppmann-Ausbildung für neu eingetretene Mitglieder erfolgt generell in den örtlichen Feuerwehren. Auf Kreisebene finden die überörtlichen Ausbildungslehrgänge statt, z. B. für Truppführer, Maschinisten, Sprechfunker, Atemschutzgeräteträger. Da-durch soll die Ausbildung innerhalb des Kreises vereinheitlicht, eine Zer-splitterung der Lehrkapazitäten vermieden und das Ausbildungsniveau ge-hoben werden.

1 Gesetz über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren (Brandschutzge-

setz - BrSchG) vom 10.02.1996, GVOBl. Schl.-H. S. 200, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.12.2002, GVOBl. Schl.-H. 2003 S. 2.

161

Die überörtliche Ausbildung wird i. d. R. in den Kreisfeuerwehrzentralen durchgeführt. Dort stehen überwiegend großzügig bemessene und modern ausgestattete Schulungs- und Übungseinrichtungen zur Verfügung. Die Lehrgänge finden - bedingt durch das ehrenamtliche Element - in erster Linie werktags in den Abendstunden und an den Wochenenden statt. Da-her werden die Einrichtungen tagsüber in der Woche nur geringfügig ge-nutzt. Einige Kreise sind bemüht, ihre Einrichtungen über den Feuerwehr-bereich hinaus für einen größeren Nutzerkreis zu öffnen. Die Prüfung des LRH hat deutlich gemacht, dass dem kommunalen Be-reich in den Kreisfeuerwehrzentralen für weitere Schulungsveranstaltun-gen und sonstige Tagungen ein beachtliches Potenzial zur Verfügung steht, das darüber hinaus auch Dritten - gegen Kostenerstattung - angebo-ten werden sollte. Auch die kommunale Seite sieht überwiegend die Not-wendigkeit, die Auslastung der Räumlichkeiten zu verbessern. Für die Koordinierung und Durchführung der Ausbildung auf Kreisebene werden von den Kreis- und Stadtfeuerwehrverbänden rd. 800 Kreisausbil-der eingesetzt, die an der Landesfeuerwehrschule geschult werden. Da ihnen keine landesweit gültigen Ausbildungsunterlagen zur Verfügung ste-hen, mussten sie eigenständig die Lehrinhalte, die Ausbildungsleitfäden und die Erfolgskontrollen festlegen. Der für die Erstellung und Aktualisie-rung der Unterlagen zu leistende Aufwand ist erheblich. Er kann deutlich reduziert werden, wenn von der Landesfeuerwehrschule landeseinheit-liche Ausbildungsrichtlinien für die Gemeinde- und Kreisausbildung er-stellt werden. Dies entspricht einer langjährigen Forderung der Kommunen und liegt wegen der Erleichterung des Einstiegs in die Führungsausbildung auch im Interesse der Landesfeuerwehrschule. Seit Ende 2001 wird an der Landesfeuerwehrschule an entsprechenden Unterlagen gearbeitet. Der LRH hat vorgeschlagen, die Arbeiten zu beschleunigen, um nach 2 Jahren endlich zu einem Ergebnis zu kommen. Vonseiten des Landesfeuerwehrverbands und der Kommunen wird der Vorschlag des LRH begrüßt. Das Innenministerium hat erklärt, es sei Ziel des Landes, arbeitsfähige Entwürfe der einheitlichen Ausbildungsunterlagen mit Leistungsnachwei-sen für die Schulung in den Gemeinden und auf Kreisebene bis April 2004 zu erstellen. Eine zügigere Fertigstellung ließe sich wegen des überwie-genden ehrenamtlichen Einsatzes nicht realisieren.

162

12.4 Zusammenarbeit durch die kreisübergreifende Nutzung von Einrich-tungen Durch gemeinsame Einrichtungen der Kreise (§ 3 Abs. 5 BrSchG) könn-ten Synergieeffekte erzielt, Investitionskosten gesenkt und so die steigen-den Personal- und Sachkosten für die auf immer höherem technischen Ni-veau vorzuhaltenden und mit höherem Personalaufwand zu betreibenden Einrichtungen reduziert werden. Bereits in seiner Prüfung „Verwendung des Aufkommens aus der Feuerschutzsteuer und sonstiger Fördermittel“ hat der LRH die Förderung der kommunalen Zusammenarbeit empfohlen1. In den 8 Jahren seit In-Kraft-Treten des BrSchG ist es allerdings nur in einem Fall zu einer gemeinsamen Einrichtung gekommen: Die Kreise Dithmarschen, Pinneberg und Steinburg betreiben die Regionalleitstelle für die Feuerwehr, den Rettungsdienst und den Katastrophenschutz in Elms-horn. Der LRH begrüßt diese Entscheidung der 3 Kreise. Er ist der Auffassung, dass sie beispielgebend auch für andere Regionen des Landes und für weitere Aufgabenfelder sein sollte. Beispiele für die kreisübergreifende Nutzung von Einrichtungen, die nicht gemeinsame Einrichtungen nach § 3 Abs. 5 BrSchG sind, stellen die Feuerwehrübungsplätze in Wankendorf und Brunsbüttel sowie das Übungsgelände der Landesfeuerwehrschule in Harrislee dar. Eine weitere Gelegenheit kann sich für den Südosten des Landes ergeben. Die Hanse-stadt Lübeck hat dem LRH mitgeteilt, dass sie die Aufstellung eines Flash-over-Containers beabsichtigt, der überörtlich betrieben werden kann. Der LRH hat den Kreisen und kreisfreien Städten empfohlen, zur Kosten-einsparung zu prüfen, wie teure Anlagen (z. B. Übungsplätze mit Flash-over-Containern, Atemschutzübungsanlagen, Schlauchwaschanlagen) künftig gemeinsam beschafft bzw. kreisübergreifend genutzt werden kön-nen. Das Innenministerium sollte seine Fördermöglichkeiten in diesem Sinne einsetzen. Das Innenministerium teilt die Auffassung des LRH zur gemeinsamen Nutzung von Feuerwehrübungsplätzen. Bei anderen Einrichtungen sei zu beachten, dass der Nachschub von Atemschutzausrüstungen, Schläuchen usw. zu den Einsätzen der Feuerwehren innerhalb einer Frist von etwa 40 Minuten sichergestellt sein müsse. Der LRH stimmt der Auffassung des Innenministeriums zu, macht sie doch deutlich, dass auch unter Berücksichtigung dieser Frist eine weitgehende kommunale Zusammenarbeit möglich ist.

1 Vgl. Bemerkungen 2001 des LRH, Nr. 14.4.

163

Der Landesfeuerwehrverband begrüßt es, wenn durch gemeinsame Nutzungen Kosten eingespart werden können. Er weist darauf hin, dass dabei die Anforderungen des ehrenamtlichen Elements (zumutbare An- und Abfahrtszeiten) im Auge behalten werden müssen. Er regt an, das gut angenommene Angebot der Landesfeuerwehrschule zur Nutzung ihres Übungsgeländes zu erweitern. Daran sind auch Gemeinden und Kreise interessiert. In ihren Stellung-nahmen weisen verschiedene Kreise und kreisfreie Städte darauf hin, dass eine kreisübergreifende Nutzung von Einrichtungen in ihrem Interes-se liege, sie aber aus unterschiedlichen Gründen sehr schwer zu verwirkli-chen sei. Der LRH fordert die Kommunen auf, die kreisübergreifende, ggf. arbeitstei-lige Nutzung ihrer Einrichtungen deutlich zu verstärken. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass sie hierzu der Unterstützung des Innenmi-nisteriums bedürfen.

12.5 Aus- und Fortbildung für die Schiffsbrandbekämpfung Die Bekämpfung von Bränden und die technische Hilfeleistung auf Schif-fen erfordern eine spezielle Ausbildung der Feuerwehren. Der Bund und die Küstenländer haben verschiedene Vereinbarungen geschlossen, um insbesondere bei komplexen Schadenslagen mit unterschiedlichen Zu-ständigkeiten des Bundes und der Küstenländer ein einheitliches und ko-ordiniertes Vorgehen aller Einsatzkräfte zu gewährleisten. Sie sehen u. a. vor, dass die Kosten für das feuerwehrtechnische Personal und die Spe-zialausbildung jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern getragen werden. In diesem Zusammenhang wurde als gemeinsame Einrichtung des Bun-des und der 5 Küstenländer das „Havariekommando“ in Cuxhaven errich-tet1. Es hat u. a. Einsatzkonzepte zu erarbeiten und Aus-, Fort- und Wei-terbildungsmaßnahmen einschl. entsprechender Übungen zu planen, durchzuführen und auszuwerten. Die vom Havariekommando unter Mitwirkung der Küstenländer entwickel-ten Ausbildungskonzepte sehen eine zentrale praktische Aus- und Fortbil-dung einschl. der Übungen auf See unter der Federführung der Sonder-stelle für Schiffssicherung in Neustadt/Holstein vor. Dagegen soll die theo-retische Ausbildung dezentral auf Standortebene bei den beteiligten Feu-erwehren durchgeführt werden. In Schleswig-Holstein besteht ein Ausbil-dungsbedarf von rd. 180 Feuerwehrleuten.

1 Gesetz zu der Vereinbarung über die Errichtung des Havariekommandos und der Ver-

einbarung über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen zwischen dem Bund und den Küstenländern vom 12.12.2002, GVOBl. Schl.-H. S. 246.

164

Da das Land Schleswig-Holstein eigene Feuerwehren nicht vorhält, hat es die Landesaufgaben auf die Landeshauptstadt Kiel, die Hansestadt Lübeck sowie die Städte Brunsbüttel und Flensburg übertragen. Angesichts der Tatsache, dass bei einem Einsatz evtl. 12 Feuerwehren aus den 5 Küstenländern reibungslos zusammenarbeiten müssen, kommt einem einheitlichen Ausbildungsstandard eine besondere Bedeutung zu. Der LRH hat daher empfohlen, auch die theoretische Ausbildung zentral durchzuführen. Das Innenministerium hat sich wegen der zusätzlichen Kosten (umgerechnet Personalkosten für 4 Stellen) gegen eine zentrale theoretische Ausbildung ausgesprochen. Der LRH regt im Sinne einer möglichst weitgehenden zentralen theoreti-schen Ausbildung an, zumindest die Ausbilder der 4 betroffenen Feuer-wehren in Schleswig-Holstein zentral zu schulen. Das Innenministerium hat sich bereit erklärt, diese Anregung des LRH bei der nächsten Tagung der in der Schiffsbrandbekämpfung mitwirkenden Feuerwehren der Küstenländer und des Havariekommandos einzubringen.

12.6 Landesfeuerwehrschule

12.6.1 Allgemeines Die Landesfeuerwehrschule in Harrislee ist die zentrale Ausbildungsstätte für die Feuerwehren Schleswig-Holsteins. Sie ist eine nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und hat die Aufgabe, den Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehren, insbesondere dem Führungskräftenachwuchs, eine gründliche Fachausbildung durch Führungs- und Speziallehrgänge zu vermitteln sowie die Führungsausbildung im Katastrophenschutz durchzu-führen (§ 18 BrSchG). In 2003 hat die Landesfeuerwehrschule als neue Aufgabe die fachtheoretische Ausbildung des mittleren feuerwehrtechni-schen Dienstes übernommen. Im Einzelnen hatte der LRH Aufgaben, Haushalt und Stand des Ausbaus der Landesfeuerwehrschule in den Be-merkungen 2001, Nr. 14 dargestellt. Mit Blick auf mögliche Einsparreserven durch Konzentration auf einen Standort und anstehende Strukturveränderungen hatte der LRH vorge-schlagen, dass das Innenministerium eine Organisationsuntersuchung mit dem Ziel durchführen sollte, die Wirtschaftlichkeit der Landesfeuerwehr-schule zu verbessern. Das Innenministerium hielt eine Organisationsun-tersuchung nicht für zweckmäßig. Die zwischenzeitlichen Bemühungen des Innenministeriums konnten aber die Wirtschaftlichkeit der Landesfeu-erwehrschule nicht nachhaltig verbessern.

165

12.6.2 Ausbau der Landesfeuerwehrschule Der Ausbau der Landesfeuerwehrschule ist Mitte 2003 für rd. 18 Mio. € abgeschlossen worden. Sie verfügt jetzt über eine umfangreiche, großzü-gige und moderne Ausstattung mit Lehrsälen, Unterkünften und Übungs-möglichkeiten. Durch den Ausbau sind Überkapazitäten geschaffen wor-den. Insbesondere die hohe Zahl von Unterrichtsräumen (14) und Ein-Bett-Zimmern (113) korrespondiert bei weitem nicht mit der gegenwärtigen konkreten Nutzung. Es könnten ohne weiteres 7 Parallellehrgänge durch-geführt werden, tatsächlich sind es nur 3 bis 4. Innenministerium und Landesfeuerwehrschule haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von Aktivitäten eingeleitet, um die Aufgabenerfüllung der Schule besser auf die Anforderungen ihrer Nutzer, i. d. R. die Gemein-den, abzustimmen, das Aus- und Fortbildungsangebot zu erweitern und die Binnenorganisation auf die neuen Anforderungen einzustellen. Der LRH ist der Auffassung, dass weitere beträchtliche Anstrengungen der Landesfeuerwehrschule, des Innenministeriums und des kommunalen Be-reichs erforderlich sind, um diese sehr großzügig bemessene Einrichtung wirtschaftlicher zu betreiben. Das Innenministerium erwartet ab 2004/2005 eine deutlich verbesserte Auslastung der Kapazitäten. Es verweist auf gemeinsame Vorschläge der Landesfeuerwehrschule, des Landesfeuerwehrverbands sowie der Kreis- und Stadtfeuerwehrverbände für eine neue Ausbildungsstruktur, die ver-mehrt Parallellehrgänge zulässt.

12.6.3 Personal Einer notwendigen Erhöhung der Wirtschaftlichkeit durch eine deutliche Ausweitung der Nutzung steht neben der Randlage u. a. das Personalkon-zept entgegen, das auf den Einsatz hauptamtlichen Personals ausgerich-tet ist. Die Entwicklung der Stellen ergibt sich aus der folgenden Übersicht:

Standort Harrislee Harrislee und Rendsburg

Harrislee

1995 1996 1999 2000 2001 2002 2003 Beamte 9 9 10 9 10 12 12 Angestellte 3 13 13 14 13 13 13 Arbeiter 10 17 17 14 14 14 13 Insgesamt 22 39 40 37 37 39 38

166

15 Stellen sind für Lehrkräfte vorgesehen. Nicht alle Stellen sind besetzt. Nebenamtliche Lehrkräfte werden nur in sehr geringem Umfang (4 bis 5 %) beschäftigt. Der LRH hat der Schule empfohlen, die bei den Feuerwehren vorhande-nen Fähigkeiten stärker als bisher für ihre Zwecke zu nutzen und aus dem dortigen Potenzial weitere nebenamtliche Lehrkräfte zu gewinnen. Dazu muss die Zusammenarbeit insbesondere mit den Berufsfeuerwehren ver-bessert werden. Eine Stärkung der Selbstständigkeit der Schule würde dies erleichtern (vgl. Tz. 12.6.6). Das Innenministerium strebt personelle Verstärkungen in 2004 an, und zwar durch Abordnung einer Lehrkraft von der Landesfeuerwehrschule Hamburg, Einsatz eines Gastreferenten aus dem ehrenamtlichen Bereich und einer weiteren Lehrkraft ab Juni 2004. Eine Unterstützung durch die Berufsfeuerwehren habe bisher nicht erreicht werden können.

12.6.4 Zusammenarbeit mit anderen Ländern Die Zusammenarbeit der norddeutschen Landesfeuerwehrschulen ist Ge-genstand mehrerer Besprechungen gewesen. Es gibt Absichtserklärun-gen. Konkrete kleinere Projekte sollen vereinbart werden. Der LRH hat empfohlen, über die kleinteiligen Ansätze hinaus möglichst schnell gewichtige Zusammenarbeitsprojekte zu entwickeln, die basierend auf den Stärken der jeweiligen Schule im Rahmen einer Arbeitsteilung (eine Leistung nur noch an einem Standort erbringen) einen deutlich den Aufwand der Schule reduzierenden Effekt haben oder zu nennenswerten Einnahmen führen. Die erwarteten finanziellen Vorteile sind darzustellen. Ziel muss es sein, durch bessere Nutzung vorhandener Kapazitäten im norddeutschen Raum Kosten zu sparen und den Kommunen ein leistungs-fähiges Angebot zu günstigen Lehrgangsentgelten (vgl. hierzu Tz. 12.6.6) zu machen. Das Innenministerium weist darauf hin, dass auf Initiative Schleswig-Holsteins ein gemeinsamer Lehrgangsplan der 5 Landesfeuerwehrschulen der norddeutschen Länder für das Jahr 2004 erstellt wurde. Koordinieren-de Stelle sei die Landesfeuerwehrschule Schleswig-Holstein.

12.6.5 Finanzierung der Landesfeuerwehrschule Die Landesfeuerwehrschule verfügt über keinen eigenen Haushalt; Ein-nahmen und Ausgaben werden im Landeshaushalt, und zwar im Einzel-plan 04 Innenministerium, Kapitel 0405 Landesfeuerwehrschule und För-derung des Feuerwehrwesens, ausgewiesen. Nennenswerte Einnahmen

167

werden von der Landesfeuerwehrschule - abgesehen von Zuweisungen vom Bund für die Zivilschutzausbildung - nicht erwirtschaftet. Die Ausgaben (ohne Bauausgaben) haben sich wie folgt entwickelt: Standort Harrislee Harrislee und

Rendsburg Harrislee

Ist 1995

Ist 1996

Ist 1999

Ist 2000

Ist 2001

Ist 2002

Soll 2003

T€ T€ T€ T€ T€ T€ T€ Personal-ausgaben 696 1.150 1.326 1.189 1.291 1.275 1.430

Sächliche Verwal-tungsausgaben 316 374 392 459 464 557 1.095

Investitionen 488 1.613 141 41 0 0 141 Gesamt 1.500 3.137 1.859 1.689 1.755 1.832 2.666 Die Istausgaben 1996 enthalten einen Betrag in Höhe von 1.237 T€ für den Kauf eines Grundstücks in Harrislee, der in den 1.613 T€ für Investitionen enthalten ist.

Die Landesfeuerwehrschule finanziert sich nicht aus Entgelten der Nutzer; für diese sind die Lehrgänge kostenlos. Die Finanzmittel werden vielmehr durch das Innenministerium bemessen und zentral aus Mitteln der Feuer-schutzsteuer zur Verfügung gestellt. Diese Form der Finanzierung hat negative Folgen. Es wird nicht deutlich, ob die Finanzausstattung, die Kapazität und das Lehrgangsangebot der Landesfeuerwehrschule tatsächlich dem echten Bedarf entsprechen. Die Landesfeuerwehrschule wird durch die enge Anbindung an das Innenmi-nisterium in ihren Gestaltungsmöglichkeiten eingeengt. Sie kann ihr Ange-bot im Vergleich zu anderen Bildungseinrichtungen nicht selbstständig und flexibel gestalten. Eine Ausweitung ihres Aus- und Fortbildungspro-gramms, finanziert durch entsprechende Einnahmen aus Lehrgangsent-gelten, ist nicht vorgesehen. Der kommunale Bereich als Nutzer der Landesfeuerwehrschule hat keinen echten Einfluss auf das Angebot der Schule. Die Steuerung der Landes-feuerwehrschule ist keine ministerielle Aufgabe, die vom Innenministerium wahrgenommen werden muss. Insgesamt gesehen kann festgestellt werden, dass sich das Auseinander-fallen von Finanzverantwortung (Land) und Ausbildungsverantwortung (Kommunen) nachteilig bemerkbar macht.

12.6.6 Neuordnung der Landesfeuerwehrschule Der LRH hat angesichts dieser Situation eine Neuordnung der Finanzie-rung und der Rechtsform der Landesfeuerwehrschule zum 01.01.2005 vor-geschlagen.

168

Wesentliches Ziel muss die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch Veränderung der Rahmenbedingungen der Aus- und Fortbildung an der Landesfeuerwehrschule sein. Dazu müssen Eigenverantwortung und Eigeninitiative aller Beteiligten gestärkt werden. Die Finanzierung des Be-triebs der Landesfeuerwehrschule sollte daher künftig durch Entgelte für die von ihr erbrachten Leistungen erfolgen. Den Kreisen und kreisfreien Städten sollten die dafür benötigten Finanzmittel durch das Innenministeri-um aus dem Aufkommen der Feuerschutzsteuer zweckgebunden für den Besuch von Lehrgängen an der Landesfeuerwehrschule zur Verfügung gestellt werden. Nach einer Erfahrungszeit von 5 Jahren sollte überdacht werden, ob diese enge Zweckbindung zugunsten einer allgemeinen Bin-dung für Zwecke der Aus- und Fortbildung im Feuerwehrbereich gelockert werden kann. Diese Form der Finanzierung stärkt den Einfluss der Nutzer auf die Lan-desfeuerwehrschule. Sie verbessert auch die Position der Schule. Diese wird in die Lage versetzt, aus den Reaktionen ihrer Kunden ihr Angebot zu entwickeln und ständig den sich ändernden Anforderungen anzupassen. Sie gewinnt den nötigen Handlungsspielraum, um einem zusätzlichen Be-darf aktuell zu entsprechen, weil ihr die dafür erforderlichen Finanzmittel in Form der gezahlten Entgelte zufließen. Sie kann zusätzliche Einnahmen erzielen, indem sie durch bedarfsgerechte Angebote - auch zur Nutzung ihrer Überkapazitäten - neue Kunden gewinnt und ihre Wirtschaftlichkeit verbessert. In diesem Sinne könnte sie z. B. eine Kooperation mit dem Ausbildungszentrum für Verwaltung und den norddeutschen Landesfeuer-wehrschulen, hier in erster Linie mit Hamburg, anstreben. Die neuen Beziehungen zwischen Schule und Nutzer werden das Kos-tenbewusstsein beider Seiten verbessern. Die Stärkung der Eigenverantwortung erfordert es, der Landesfeuerwehr-schule eine neue Rechtsform zu geben. Sie sollte als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet werden. Sie wird so in die Lage versetzt, ihre Aufgaben mit ihrem speziell ausgebildeten Fachpersonal und ihrer besonderen sachlichen Ausstattung benutzerorientiert als selbstständige Verwaltungseinheit zu erfüllen. Im Verwaltungsrat sollten neben dem In-nenministerium die Kommunen als Nutzer der Landesfeuerwehrschule vertreten sein. Die anzustrebende Neuordnung • stärkt die kommunale Selbstverwaltung, • entlastet das Innenministerium, • steuert die Landesfeuerwehrschule durch Angebot und Nachfrage und • stärkt die Wirtschaftlichkeit, die Selbstständigkeit und die Flexibilität der

Landesfeuerwehrschule.

169

Das Innenministerium hat die Anregungen des LRH aufgegriffen und eine Arbeitsgruppe (Land, Kommunen, Feuerwehren) zur vertieften Prü-fung der möglichen Rechtsform der Landesfeuerwehrschule - insbesonde-re der Überführung in eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts - eingesetzt. Der Landesfeuerwehrverband begrüßt nach Abstimmung mit den Kreis- und Stadtwehrführern, dass der LRH die Themen Finanzierung und Rechtsform der Landesfeuerwehrschule aufgegriffen hat. Die Feuerwehr-verbände seien offen für eine Diskussion. Ihre Vorschläge würden auf eine stärkere Einflussnahme der Feuerwehrverbände und eine bedarfsorientier-te Ausrichtung der Schule, einschl. einer Ausweitung des Lehrkräftepoten-zials, ausgerichtet sein.

12.6.7 Der LRH begrüßt die Bestrebungen von Land, Kommunen und Feuerweh-ren zur Neuordnung der Landesfeuerwehrschule.

170

13. Beschaffung, Instandhaltung und Betrieb von landes-eigenen Wasserfahrzeugen

Im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums, des Wissen-schaftsministeriums und des Umweltministeriums wurden stich-probenhaft 166 Vergaben von Aufträgen für Instandhaltungs- und Beschaffungsmaßnahmen bei Wasserfahrzeugen mit Kosten von insgesamt rd. 3,4 Mio. € geprüft. Bei allen Dienststellen wa-ren nennenswerte Defizite bei der Anwendung des Vergabe-rechts festzustellen. Der LRH schlägt vor, eine ressortübergreifende zentrale Landes-dienststelle für die Instandhaltung und Beschaffung von Wasser-fahrzeugen einzurichten.

13.1 Allgemeines

Der LRH hat in seinen Bemerkungen 2001 unter Nr. 15 über seine Prüfung „Beschaffung, Instandhaltung und Betrieb von landeseigenen Wasserfahr-zeugen (Wasserschutzpolizei)“ berichtet. Die im Rahmen der damaligen Prüfung gewonnenen Erfahrungen sind in diese ergänzende Prüfung ein-geflossen. Die aktuelle Prüfung von Instandhaltungs- und Beschaffungsmaßnahmen bei Wasserfahrzeugen erstreckte sich auf 3 Ministerien und deren nach-geordnete Dienststellen: • Im Bereich des Innenministeriums auf das Amt für ländliche Räume

(ALR) Husum mit dem zugehörigen Bauhof (Schlepper, Barkassen, Vermessungsschiffe, Saugbagger, Pontons, Arbeitsboote). Die dort gleichsam „im Regiebetrieb bereederten“ Schiffe werden im Wesentli-chen zu Küstenschutzaufgaben - wie z. B. Materialtransporte für Stei-ne, Lahnungsbaumaterialien, Faschinen usw. - sowie für gewässer-kundliche Mess- und Beobachtungsfahrten eingesetzt. Zudem sind ein-zelne Schiffe für den Katastrophenschutz und die Ölwehr (im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft - Um-weltministerium), die Außentiefräumung sowie zur Unterhaltung lan-deseigener Häfen vorgesehen,

• im Bereich des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (Wissenschaftsministerium) auf das Institut für Meereskunde in Kiel und die Reedereigemeinschaft Forschungsschiffe GmbH in Bre-men sowie das Forschungs- und Technologiezentrum in Büsum (For-schungsschiffe),

• im Bereich des Umweltministeriums auf das Staatliche Umweltamt Itzehoe sowie die Strommeisterei Hamberge (Gewässeraufsichtsschiff „Elbsande“ sowie Arbeitsboote und Prähme zur Unterhaltung von

171

schiffbaren Flüssen und Kanälen) und das Landesamt für Natur und Umwelt (Gewässeraufsichtsschiff „Haithabu“).

Geprüft wurden 166 Auftragsvergaben mit Kosten von rd. 3,4 Mio. €, da-runter 18 beschränkte Ausschreibungen mit Angebotssummen von rd. 1,0 Mio. € und abgerechneten Kosten von rd. 1,5 Mio. € sowie 148 frei-händige Vergaben mit Kosten von rd. 1,9 Mio. €. Die Ausschreibungen un-terlagen nicht dem europäischen Vergaberecht.

13.2 Verbesserungsfähige Vergabeverfahren

13.2.1 Unzulässig eingeschränkter Wettbewerb Die geprüften Dienststellen haben den erforderlichen, den Auftragsverga-ben vorzuschaltenden Wettbewerb nur in sehr stark eingeschränktem Ma-ße hergestellt. Keine der in Auftrag gegebenen Leistungen wurde dem Gebot von § 2 Nr. 1 VOL/A1 folgend öffentlich ausgeschrieben. In den meisten Fällen war die Zulässigkeit von Wettbewerbsbeschränkungen nicht nachgewiesen: • 18 Aufträge mit Angebotssummen von rd. 1,0 Mio. € von insgesamt

166 vergebenen Aufträgen (rd. 3,4 Mio. €) wurden beschränkt ausge-schrieben. Die dabei zur Angebotsabgabe aufgeforderte Anzahl von Bewerbern genügte nicht immer den zu stellenden Anforderungen bzw. den vorhandenen Möglichkeiten. Diese Aufträge zogen z. T. zahlreiche und umfangreiche Nachtragsauf-träge nach sich, die mit Gesamtkosten von rd. 0,5 Mio. € allesamt frei-händig vergeben wurden. In einem Fall überstiegen die Kosten solcher Nachträge den ursprünglichen Auftrag (rd. 36,4 T€) mit abgerechneten Kosten von rd. 273,1 T€ um etwa 650 %.

• 148 Aufträge mit Kosten von rd. 1,9 Mio. € wurden freihändig vergeben. Nur bei 5 dieser Aufträge mit Kosten von rd. 0,1 Mio. € ging der Auf-tragsvergabe eine Preisumfrage unter 2, 3 oder 4 potenziellen Bietern voraus.

Mithin wurden Arbeiten in einem Umfang von rd. 2,3 Mio. € freihändig ohne jeden Wettbewerb vergeben. Dass die Aufträge ohne den gebotenen Wettbewerb vergeben wurden, dürfte zu überhöhten Kosten geführt haben, die allerdings nicht bezifferbar sind. Das Innenministerium merkt an, es gäbe keinen konkreten Nachweis da-für, dass die freihändigen Vergaben zwangsläufig überhöhte Kosten zur

1 Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A (VOL/A) vom 17.09.2002, Bundesanzeiger

Nr. 216a vom 20.11.2002.

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Folge hatten. Dabei übersieht es, dass der Gesetzgeber die Ausschrei-bung von Leistungen gerade deswegen vorschreibt, weil erst Wettbewerb die Bieter regelmäßig zu günstigeren Preisen zwingt. Das Wissenschaftsministerium gibt zu bedenken, dass die Beseitigung von verdeckten, erst nach der Demontage von Komponenten oder Bautei-len zutage tretenden Schäden aufgrund der Fahrtplanung bei wissen-schaftlich eingesetzten Schiffen äußerst dringlich sei. Gleichwohl erkennt es das Erfordernis, eine Überschreitung der mit § 3 Nr. 4d) VOL/A bei 20 % gezogenen Obergrenze für die freihändige Vergabe von Nachtrags-aufträgen durch geeignete Maßnahmen zu vermeiden. Das Umweltministerium verweist auf die wechselnden Einsatzorte der beiden Gewässerfahrzeuge „Haithabu“ und „Elbsande“. Damit die Schiffe schnell wieder einsatzfähig sind, seien bei kurzfristig erforderlichen Repa-raturen eine hohe Flexibilität und Zeitnähe gefordert. Der LRH ist der Auffassung, dass dies nicht zu Verstößen gegen die Ver-gabevorschriften führen muss.

13.2.2 Wesentliche Formvorschriften nicht beachtet Deutliche Defizite bestehen bei der vorgeschriebenen Dokumentation. In den meisten der eingesehenen Vorgangsakten fehlten insbesondere fol-gende Inhalte bzw. waren unzureichend: • Abfassen einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung

(§ 8 VOL/A), • Gründe für das Abweichen vom Gebot der öffentlichen Ausschreibung

(§ 3 Nr. 5 VOL/A), • Ergebnis der Angebotsprüfung (§ 23 Nr. 3 VOL/A), • Gründe für die Erteilung des Zuschlags (§ 25 Nr. 5 VOL/A), • Vergabevermerk (§ 30 Nr. 1 VOL/A). Insbesondere das Fehlen des Vergabevermerks bzw. seine unzureichen-de Ausgestaltung offenbaren ein fehlendes Verständnis für die Wahrung eines wettbewerbsorientierten Vergabeverfahrens. Denn mit dem Verga-bevermerk steht den Dienststellen ein gut geeignetes Steuerungsinstru-ment zur Verfügung, mit dem die sparsame und wirtschaftliche Mittelver-wendung gewährleistet werden kann. Er muss das Vergabeverfahren als zentrales Instrument begleiten und entsprechend dem jeweiligen Stand des Verfahrens fortgeschrieben werden. Weitere Defizite bestanden darin, dass Aufträge nicht schriftlich vergeben, Nachtragsaufträge ohne Bezifferung der Kosten erteilt und eingereichte Angebote bereits vor dem Eröffnungstermin geöffnet wurden.

173

Das Wissenschaftsministerium kündigt an, es werde die ihm nachge-ordneten Einrichtungen darauf hinweisen, dass eine vollständige Doku-mentation der Vergabe durchzuführen ist, und jährliche Berichte über die Vergabe von Aufträgen anfordern. Das Umweltministerium sieht, nachdem der landeseinheitliche „Leitfaden zur Vergabe öffentlicher Aufträge“ im September 2002 erarbeitet und im Oktober 2003 fortgeschrieben1 sowie eine Vergabestelle beim Landesamt für Natur und Umwelt eingerichtet wurde, die festgestellten Defizite bei der Dokumentation von Vergabeverfahren weitgehend abgestellt. Der Einhal-tung haushalts- und vergaberechtlicher Bestimmungen werde nun eine größere Bedeutung beigemessen.

13.3 Notwendige Abhilfemaßnahmen Den festgestellten Defiziten muss gezielt und mit Nachdruck begegnet werden:

13.3.1 Schulung Die grundlegende und wiederkehrende Schulung des mit der Vergabe be-fassten Personals sollte zukünftig den gebotenen Wettbewerb realisieren helfen. Innen- und Umweltministerium halten dies ebenfalls für notwendig. Sie haben entsprechende Schulungen bereits begonnen bzw. verstärkt. Auch das Wissenschaftsministerium begrüßt eine verstärkte Schulung des mit der Vergabe befassten Personals. Es hat die ihm nachgeordneten Einrichtungen nochmals ausdrücklich auf den „Leitfaden zur Vergabe öf-fentlicher Aufträge“ hingewiesen.

13.3.2 Technisches Personal Die aus dem Bordbetrieb der Wasserfahrzeuge resultierenden Instandhal-tungs- und Beschaffungserfordernisse sollten von dafür qualifiziertem technischen Personal bewertet bzw. überprüft sowie den zu stellenden An-forderungen entsprechend in Ausschreibungen und Aufträge umgesetzt werden. Dies gilt gleichermaßen für die Maßnahmenabwicklung bis hin zur Schlussrechnung.

1 Bekanntmachung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 22.10.2003

- VII 637 -, Amtsbl. Schl.-H. S. 782.

174

Dazu sollte auch gehören, dass dieses technische Personal • die Instandhaltungsanforderungen in eindeutige und erschöpfende

Leistungsverzeichnisse umsetzt oder deren Umsetzung verantwortlich überwacht (§ 8 VOL/A), um damit auch das Erfordernis von - i. d. R. nicht mehr dem Wettbewerb ausgesetzten - Nachtragsaufträgen zu mi-nimieren,

• die Prüfung (§ 23 VOL/A) und Wertung (§ 25 VOL/A) von Angeboten bis hin zur Ausarbeitung eines Vergabevorschlags vornimmt sowie

• die Abwicklung der Instandhaltungsmaßnahmen bis hin zur fachtechni-schen Prüfung der Schlussrechnung betreut.

Das Innenministerium wird auch das für die Durchführung von Instand-haltung und Beschaffungen zuständige Personal in die vorgesehenen Schulungsmaßnahmen (vgl. Tz. 13.3.1) einbeziehen. Das Wissenschaftsministerium erklärt, es werde für die beiden mittleren Forschungsschiffe - welche aufgrund der zwischen den Ländern und dem Bund getroffenen sog. Schiffspoolvereinbarung fremd bereedert sind - da-rauf hinwirken, dass die Verbindlichkeit der Vergabevorschriften explizit in den Bereederungsvertrag aufgenommen wird. Das Umweltministerium begrüßt grundsätzlich die Bewertung von In-standhaltungs- und Beschaffungserfordernissen durch qualifiziertes tech-nisches Personal. Es hält die Zuziehung eines Externen oder eine zentrale fachtechnische Unterstützung (vgl. Tz. 13.3.4) für denkbar.

13.3.3 Geschäftsverteilung Die Geschäftsverteilungspläne der Dienststellen sollten für die Aufgaben von Instandhaltung und Beschaffung klare Regelungen treffen, auch um die jeweiligen Verantwortlichkeiten festzulegen. Damit sollte ein angemes-sener Abgleich zwischen dem Zeitdruck, der von (vom Institut für Meeres-kunde in Kiel, Forschungs- und Technologiezentrum in Büsum, Landesamt für Natur- und Umwelt in Flintbek gestellten), wissenschaftlichen, nauti-schen oder betriebstechnischen Anforderungen ausgeht, einerseits und dem zu berücksichtigenden Wettbewerb andererseits erreicht werden. Das Umweltministerium sagt zu, es werde eine klare Aufgaben- und Ver-antwortungszuweisung im Rahmen der Geschäftsverteilung festlegen, so-weit nicht bereits geschehen.

13.3.4 Zentrale Dienststelle Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob eine ressortübergreifend einzu-richtende oder auszubauende zentrale Landesdienststelle die Instandhal-

175

tungs- und Beschaffungsmaßnahmen für Wasserfahrzeuge durchführen und landesweit gewährleisten kann. Dabei käme es insbesondere darauf an, die notwendigen Maßnahmen i. S. einer Kostenminimierung technisch qualifiziert zu planen, sie vor einer Vergabe dem erforderlichen Wettbe-werb zu unterstellen und die Aufträge korrekt zu vergeben und abzuwi-ckeln. Für die Fahrtenplanung, den Einsatz der Schiffe sowie die Schiffsbetriebs-führung bliebe weiterhin die bisherige Dienststelle verantwortlich. Sie müsste dieser zentralen Landesdienststelle entsprechende „Zeitfenster“ für die Durchführung der jeweiligen Instandhaltungsmaßnahme vorgeben bzw. den Ausführungstermin mit ihr abstimmen. Eine solche zentrale Landesdienststelle besäße nicht nur die notwendige technische Qualifikation. Dort liefen auch alle vergaberechtlichen Erfah-rungen - unabhängig von den den Schiffsbetrieb ausführenden Dienststel-len - zusammen. Dies hätte u. a. zur Folge, dass dort auch umfassende Kenntnis über den jeweiligen Dienstleistungs- oder/und Beschaffungs-markt vorläge bzw. durch zentral angelegte Marktrecherche beschafft oder aktualisiert werden könnte. Damit könnten an einer Stelle für den landes-weiten Schiffspark die notwendigen Kenntnisse zur Durchführung eines umfassenden Wettbewerbs vorgehalten und genutzt werden. Bei der zurzeit bestehenden Organisationsstruktur könnte Keimzelle für eine derartige zentrale Landesdienststelle u. U. der dem Innenministerium nachgeordnete Sachbereich 27 „Bootswesen/Bootstechnik“ bei der Was-serschutzpolizeidirektion in Kiel unter Nutzung des beim Polizeiverwal-tungsamt vorhandenen vergaberechtlichen Sachverstands sein. Der ge-meinsame Schiffspark von Wasserschutzpolizei- und Fischereiaufsicht wird bislang in der oben beschriebenen Weise betreut. In einem ersten Schritt sollte untersucht werden, ob den Aufgaben des Sachbereichs 27 „Bootswesen/Bootstechnik“ bei der Wasserschutzpolizei-direktion in Kiel auch die fachtechnische Betreuung der übrigen im Ver-antwortungsbereich des Innenministeriums betriebenen Schiffseinheiten des ALR Husum zugeordnet werden könnte. Die personelle Ausstattung dieser Dienststelle müsste ggf. entsprechend ergänzt werden1, im Gegen-zug müssten bei der so entlasteten Dienststelle Planstellen fortfallen.

1 Mitarbeiter mit Fachkenntnissen insbesondere in den Bereichen Schiffs- und Schiffsma-

schinen-/-elektrotechnik sowie Schiffsbetriebstechnik einschl. der Gerätetechnik für nauti-sche Anforderungen.

176

In einem zweiten Schritt wäre mittelfristig auf der Grundlage der dann vor-liegenden Erfahrungen und Erkenntnisse zu prüfen, ob eine ressortüber-greifende Ausweitung einer solchen Dienststelle möglich ist. Es ist zu erwarten, dass eine solche funktionsfähige zentrale Dienststelle mittel- und langfristig Kosten einsparen hilft. Das Innenministerium erklärt, es werde diesen Vorschlag aufgreifen und zunächst grundsätzlich prüfen. Für die vom Institut für Meereskunde sowie vom Forschungs- und Techno-logiezentrum Büsum betriebenen und bewirtschafteten Forschungsschiffe verweist das Wissenschaftsministerium auf die bisherige fachtechnische Kooperation mit der Wasserschutzpolizei im Rahmen der Amtshilfe. Nach seiner Einschätzung wird sich in Abhängigkeit von den Ergebnissen der grundsätzlichen Überlegungen und Prüfungen des Innenministeriums zei-gen, ob für diese Schiffe eine vollständige Integration in eine zentrale Lan-desdienststelle sinnvoll sein kann. Der LRH folgt dem Wissenschaftsministerium darin, dass die beiden mittelgroßen, international eingesetzten und fremd bereederten For-schungsschiffe nicht von einer zentralen Landesdienststelle für Instandhal-tungs- und Beschaffungsmaßnahmen betreut werden sollten. Dies liefe den Synergieeffekten zuwider, die durch den Schiffspool bei der Bewirt-schaftung, Fahrtenplanung, Auslastung und der gemeinsamen Nutzung durch den Bund und die Länder erzielt werden sollen. Das Umweltministerium begrüßt zwar die Bewertung von Instandhal-tungs- und Beschaffungserfordernissen durch qualifiziertes technisches Personal (vgl. Tz. 13.3.2), steht aber einer zentralen Landesdienststelle eher kritisch gegenüber, weil das Einsatzspektrum der Gewässerauf-sichtsschiffe „Haithabu“ und „Elbsande“ hoch spezialisiert sei. Es befürch-tet - ähnlich wie das Wissenschaftsministerium - erhebliche Reibungs-verluste zulasten der Facharbeit und Verzögerungen durch die zentrale Dienststelle infolge längerer Verwaltungswege. Auch unter Berücksichtigung dieser Bedenken, die er für überwindbar an-sieht, hält der LRH seinen Vorschlag aufrecht.

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Finanzministerium

14. Organisation und Aufgabenstellung der Prüfgruppe Land beim Landesbesoldungsamt

Die Prüfgruppe Land beim Landesbesoldungsamt ist ihren Prüfungsverpflichtungen nur unzureichend nachgekommen. Es bedarf einer grundlegenden Neuorganisation des Prüfverfah-rens. Der LRH hat dazu einen detaillierten Anforderungskatalog erstellt.

Die von der Prüfgruppe Land durchzuführenden Prüfungen korrespondieren mit den Prüfungsverpflichtungen des Landes-besoldungsamts. Der LRH schlägt vor, eine gemeinsame Prüf-gruppe Bezüge unter dem „Dach“ des Landesbesoldungsamts einzurichten.

14.1 Vorbemerkung

Die dem Finanzministerium eingegliederte Prüfgruppe Land hat beim Landesbesoldungsamt (LBesA) in den Bereichen Vergütung und Löhne, Besoldung und Versorgung die richtige Übernahme der Daten aus den begründenden Unterlagen der Personal verwaltenden Dienststellen in die Abrechnungsblätter umfassend zeitnah zu prüfen. Die Prüfung erfolgt auf der Grundlage der „Arbeitsanweisung für die Prüfgruppe nach Nr. 14 VV zu § 78 LHO beim Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein - Maßnah-men zur Verfahrenssicherheit bei ADV-Verfahren -“ vom 29.09.1980. Den 3 Mitarbeitern der Prüfgruppe obliegt es, alle Zu- und Abgänge, Über-zahlungen, Vorauszahlungen und Abschlagszahlungen zu prüfen. Hinzu kommt die stichprobenweise Prüfung der Änderungsbuchungen. Über die Einzelbeanstandungen werden Prüfungsbemerkungen an das LBesA ge-fertigt. Der Rücklauf der Antworten über das Veranlasste wird kontrolliert.

14.2 Feststellungen Die Prüfer sind den ihnen obliegenden Prüfungsverpflichtungen nur unzureichend nachgekommen: • Es entfiel im Bereich Vergütung/Lohn die Prüfung von Zu- und Abgän-

gen, weil die dazu gehörenden Vorgänge nicht angefordert wurden, wenn deren routinemäßige Vorlage durch das LBesA unterblieb. Unge-prüft blieben auch das Ende befristeter Arbeitsverträge, wenn sich das Beendigungsdatum zwischenzeitlich änderte, sowie das Kindergeld.

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• In den Monaten September bis Dezember 2002 unterblieb die Prüfung von 78,2 % der Besoldungszu- und -abgänge (2.431 Fälle).

• Bei der Versorgung entstanden auch nach Reduzierung des Prüfungs-umfangs Prüfungsrückstände. Andererseits fanden bei den Festset-zungen der ruhegehaltfähigen Dienstzeiten Doppelprüfungen durch das LBesA und die Prüfgruppe statt.

• Die stichprobenweise Prüfung des Änderungsdienstes erfolgte regel-mäßig nicht.

Mit Blick auf mögliche finanzielle Schäden ist es nicht hinnehmbar, dass vorgeschriebene Prüfungen nicht durchgeführt werden.

14.3 Neuorganisation des Prüfverfahrens

14.3.1 Zur Erfüllung der Prüfungsverpflichtungen, Vermeidung von Rückständen und Sicherstellung einer zeitnahen Prüfung bedarf es einer grundlegenden Neuorganisation des Prüfverfahrens. Die Verfahrenssicherheit und die Präventivwirkung, aber auch die Zahlfallsicherheit und der Aspekt der Qualitätsprüfung sind dabei ebenso zu beachten wie Wirtschaftlichkeits-überlegungen. Das setzt eine ausgewogene Prüfungsdichte voraus. Der LRH hat hierzu einen detaillierten Anforderungskatalog erstellt.

14.3.2 Die Arbeitsanweisung vom 29.09.1980 ist als Arbeitsgrundlage für die Tätigkeit der Prüfgruppe Land nicht mehr ausreichend. Sie müsste unter Berücksichtigung der geänderten Organisationen, Verfahrensabläufe, technischen Veränderungen und der Vorschläge des LRH aktualisiert werden.

14.3.3 Die von der Prüfgruppe durchzuführenden Prüfungen korrespondieren mit

den Prüfungsverpflichtungen des LBesA nach Nr. 3.1 der Geschäfts-ordnung des LBesA und nach Nr. 7.2 der Bestimmungen über den Einsatz von automatisierten Verfahren im Haushalts-, Kassen- und Rechnungs-wesen (HKR-ADV-Best)1. Nach Nr. 7.2 HKR-ADV-Best ist die richtige und vollständige Erfassung der zu verarbeitenden Daten zu bescheinigen und durch geeignete Prüfungen zu sichern. Es wäre insbesondere in Anbe-tracht der gegenwärtigen schwierigen finanziellen Situation des Landes nicht vertretbar, für diese Prüfungen eine separate Prüfgruppe beim LBesA einzurichten. Es bietet sich deshalb an, eine einheitliche Lösung anzustreben. Da die Prüfungen nach Nr. 7.2 HKR-ADV-Best vor der Fest-setzung oder Zahlbarmachung durchzuführen sind, setzt dies voraus, dass die neue Prüfinstanz als prozessintegrierter Bestandteil des LBesA instal-liert wird und auch die bisher von der Prüfgruppe Land zeitlich nachrangig

1 Anlage 1 der VV Nr. 3.9 zu § 79 LHO.

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durchgeführten Prüfungen als prozessbegleitende Kontrollen künftig vor der Festsetzung oder Zahlbarmachung stattfinden müssen.

14.3.4 Der LRH schlägt vor, eine künftige Prüfgruppe Bezüge unter dem „Dach“ des LBesA einzurichten und dem Amtsleiter als Stabsstelle unmittelbar zu unterstellen. Zu erwägen wäre aus verwaltungsökonomischen Gründen weiter, diese Prüfgruppe Bezüge mit der bereits beim LBesA bestehenden Prüfgruppe Beihilfeverfahren zu einer gemeinsamen Prüfgruppe, die ebenfalls direkt dem Amtsleiter unterstellt werden sollte, zusammenzufassen.

14.4 Stellungnahme des Finanzministeriums Das Finanzministerium folgt der Anregung des LRH und hat die Aufgaben der Prüfgruppe Land mit Wirkung zum 01.01.2004 auf das LBesA übertragen. Bis zur endgültigen Entscheidung über die organisatorische Einbindung der Prüfgruppe Land im LBesA ist der Leiter des LBesA gebeten worden, unter Prüfung der Einbeziehung weiterer Prüfaufgaben des LBesA selbst die Prüfgruppe als Stabsstelle dem Leitungsbereich direkt zu unterstellen. Die Überarbeitung der Arbeitsanweisung, die das Finanzministerium eben-falls als erforderlich ansieht, wird unter Beachtung der organisatorischen Einbindung erfolgen.

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15. Anrechnung von Renten auf Versorgungsbezüge

Eine Anzahl von Versorgungsberechtigten ist ihrer Verpflich-tung, den Bezug von Renten anzuzeigen, nicht nachgekommen. Es unterblieb die gesetzlich vorgeschriebene Anrechnung von Renten. Das Landesbesoldungsamt zahlte rd. 544.200 € zuviel aus. Sie wurden zurückgefordert. Es sollte zukünftig ein regelmäßiger Abgleich zwischen den Ver-sorgungsdaten des Landesbesoldungsamts und den Renten-daten stattfinden.

15.1 Ein Teil der Versorgungsberechtigten (Ruhestandsbeamtinnen und Ruhe-standsbeamte des Landes und ihre Hinterbliebenen) erhält neben ihren Versorgungsbezügen Renten oder rentengleiche Leistungen aus früheren versicherungspflichtigen Tätigkeiten. Nach § 55 BeamtVG1 werden Ver-sorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen einer im Gesetz be-zeichneten Höchstgrenze gezahlt, um eine Überversorgung zu vermeiden. Deshalb sind alle Versorgungsberechtigten nach § 62 BeamtVG verpflich-tet, dem Landesbesoldungsamt (LBesA) den Bezug von Renten unverzüg-lich anzuzeigen. Das LBesA weist die Versorgungsberechtigten anlässlich des Schriftverkehrs im Zusammenhang mit der erstmaligen Festsetzung der Versorgungsbezüge zweimal und bei jeder Veränderung erneut auf diese Verpflichtung hin.

15.2 Im Jahr 1999 hat der LRH beim LBesA die Durchführung des § 55 BeamtVG geprüft. Dabei ergaben sich Anhaltspunkte, dass das LBesA nicht von allen anrechenbaren Renten Kenntnis erlangt hatte und Kürzun-gen der Versorgungsbezüge nach § 55 BeamtVG deshalb unterblieben waren. Der LRH schlug vor, einen Abgleich aller Versorgungsfälle mit den Rentendaten des Postrentendienstes durchzuführen. Der Datenabgleich wurde vom LBesA nach Abstimmung mit dem Unab-hängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein und vorheri-ger Information der Versorgungsberechtigten im Juni 2002 vorgenommen. Er ergab, dass in 109 bisher nicht bekannten Fällen eine Anrechnung von Renten nicht erfolgt war. In 72 Fällen ergaben sich monatliche Anrech-nungsbeträge von 14,03 € bis 634 €, die zu Einsparungen bei den Versor-gungsbezügen von monatlich rd. 9.300 € (jährlich rd. 111.600 €) führten.

1 Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beam-

tenversorgungsgesetz - BeamtVG) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 16.03.1999, BGBl. I S. 322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.04.2000, BGBl. I S. 570.

181

Für die Vergangenheit wurden in 74 Fällen Überzahlungen von bis zu 58.400 € im Einzelfall, insgesamt rd. 544.200 € festgestellt. Sie wurden zu-rückgefordert. In 12 Fällen war am 01.03.2004 der Rückforderungsan-spruch des Landes durch die Betroffenen noch nicht anerkannt (insge-samt rd. 145.200 €). Soweit die Überzahlungen anerkannt waren, erfolgte ihre Tilgung überwiegend ratenweise. Am 01.03.2004 waren rd. 217.900 € der anerkannten Rückforderungsbeträge (rd. 399.000 €) getilgt.

15.3 Das Finanzministerium teilt mit, dass das LBesA im November 2002

alle Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger mit dem all-gemeinen Informationsschreiben auf die Ruhensvorschriften des § 55 BeamtVG hingewiesen habe. Von ihnen werde vor der erstmaligen Zah-lungsaufnahme der Versorgungsbezüge zusätzlich eine Erklärung abge-fordert, ob jemals Beiträge für eine Rentenversicherung entrichtet worden seien und ob ein Rentenversicherungskonto bestehe. Außerdem würden die Erklärungsvordrucke um die Hinweise auf die Folgen der Verletzung der Anzeigepflicht nach § 62 Abs. 3 BeamtVG sowie eine mögliche straf-rechtliche Verfolgung ergänzt. Für die Zukunft sei ein regelmäßiger Datenabgleich mit dem Postrenten-dienst geplant.

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16. Arbeitsweise in den gewerblichen Veranlagungsstellen der Finanzämter, Umsetzung der GNOFÄ 1997

Mit den bundeseinheitlichen GNOFÄ1 soll dem Spannungsfeld zwischen den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Gleich-mäßigkeit der Besteuerung und der Verwaltungswirklichkeit Rechnung getragen werden. Diesem Anspruch werden die zur Umsetzung der GNOFÄ 1997 getroffenen Landesregelungen nicht gerecht. Die Bearbeiter in den gewerblichen Veranlagungsstellen der Finanzämter haben die GNOFÄ nur unzureichend akzeptiert und wenden die Regelungen nicht zuletzt wegen der fehlenden Nachsteuerung durch die vorgesetzten Behörden uneinheitlich an. Das Finanzministerium sollte den Beschäftigten in den Finanz-ämtern die Ziele der GNOFÄ nachdrücklicher vermitteln und die Landesregelungen praxisgerechter gestalten. Dazu gehört die Ergänzung der Auswahlkriterien für maschinell auszuwählende Intensivprüfungsfälle um steuerspezifische Merkmale und die Absenkung der Auswahlquoten. Dadurch würde mehr Raum für personell auszuwählende Intensivprüfungsfälle geschaffen. Diese Maßnahmen dürften zu einer höheren Akzeptanz der GNOFÄ bei den Beschäftigten führen und dazu beitragen, die mit den GNOFÄ verfolgten Ziele besser zu erreichen. Angesichts des zwingenden gesetzlichen Auftrags an die Steu-erverwaltung, die Steuern gleichmäßig festzusetzen und zu er-heben, stellen die GNOFÄ aus Sicht des LRH im Ergebnis nur eine „Notlösung“ dar. Deshalb sollte die Landesregierung bun-desweite und parteiübergreifende Bestrebungen aktiv unterstüt-zen, das Steuerrecht durchgreifend zu vereinfachen. Erst dies wird die Finanzämter mittelfristig in die Lage versetzen, ihre ge-setzlichen Aufgaben in dem gebotenen Maß zu erfüllen.

16.1 Bearbeitungsgrundsätze für die Veranlagungsstellen der Finanzämter Die Finanzbehörden sind verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Ge-setze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 AO2). Dabei haben sie den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und sich Gewissheit über ihn zu verschaffen (Unter-

1 Grundsätze zur Organisation der Finanzämter und Neuordnung des Besteuerungsver-

fahrens (GNOFÄ). 2 Abgabenordnung (AO) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 01.10.2002, BGBl. I S. 3866.

183

suchungsgrundsatz, § 88 AO). Art und Umfang der Sachverhalts-ermittlungen im Besteuerungsverfahren, so u. a. bei der Bearbeitung der Steuererklärungen, richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Gem. einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 19731 dürfen die Finanzbehörden hierfür auch auf das Verhältnis zwischen voraussichtlichem Arbeitsaufwand und steuerlichem Erfolg abstellen.

16.2 Grundsätze zur Organisation der Finanzämter und Neuordnung des Besteuerungsverfahrens Auf diesen rechtlichen Grundlagen hatten die Finanzbehörden des Bundes und der Länder beginnend Mitte der 70er-Jahre bundeseinheitliche orga-nisatorische Grundsätze für die Arbeit in den Veranlagungsstellen aufge-stellt.2 Die Steuerfälle waren bis Mitte der 90er-Jahre in Fallgruppen mit unterschiedlicher Bearbeitungsweise und Prüfungsintensität eingeteilt. Zudem war die Aufbauorganisation für die Veranlagungsstellen einheitlich festgelegt. Mit den GNOFÄ soll dem Spannungsfeld zwischen den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Ver-waltungswirklichkeit Rechnung getragen werden. Wegen des kontinuierlich steigenden Arbeitsdrucks in den Veranlagungsstellen der Finanzämter wurden die GNOFÄ in den folgenden Jahren mehrfach modifiziert und im Jahr 1996 auf eine neue Grundlage gestellt.3 Die neu gefassten GNOFÄ 1997, die ab dem 01.01.1997 für die Veranla-gungszeiträume 1996 ff. anzuwenden sind, geben zum einen die Aufbau-organisation nicht mehr vor. Zum anderen sollen die Finanzämter bei der Bearbeitung der Steuererklärungen auf das Wesentliche abstellen. Der Arbeitsaufwand soll sich nach der steuerlichen Bedeutung des Falls rich-ten. Hierfür unterscheiden die GNOFÄ zwischen intensiv und überschlägig zu prüfenden Steuerfällen. Steuerfälle sind intensiv zu prüfen, soweit • sie maschinell hierzu ausgewählt sind4, • dies generell oder im Einzelfall angeordnet wird5 oder • sich Zweifelsfragen von erheblicher steuerlicher Bedeutung ergeben.

1 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 20.06.1973, BVerfGE 35, S. 283. 2 Gleich lautende Ländererlasse vom 16.02.1976, BStBl I S. 88. 3 Gleich lautende Ländererlasse vom 19.11.1996, BStBl I S. 1391. 4 Vgl. Tz. 16.5. 5 Sog. Prüffeldfälle.

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Darüber hinaus haben die Bearbeiter Steuerfälle im Rahmen pflichtge-mäßen Ermessens intensiv zu bearbeiten, soweit sie hierzu Anlass sehen. Nach den GNOFÄ sollen die maschinell für eine Intensivprüfung aus-gewählten Fälle umfassend geprüft werden, während die personell ausge-wählten Fälle punktuell intensiv zu prüfen sind. Weitere Festlegungen z. B. zu Umfang und Inhalt der Intensivprüfungen treffen die bundeseinheit-lichen Regelungen nicht. Das Land hat den Bearbeitern in den Veranla-gungsstellen der Finanzämter deshalb Hinweise zur Prüfungsintensität u. a. in der Einführungsverfügung zu den GNOFÄ1 sowie im Handbuch „Veranlagungsgrundsätze“2 gegeben.

16.3 Prüfungsanlass, Prüfungsablauf, Prüfungsmaßstab Der LRH hat die Einführung und weitere Entwicklung der GNOFÄ kritisch begleitet. Obgleich er befürchtete, mit den GNOFÄ werde allenfalls rech-nerisch eine Entlastung eintreten, hatte er die Regelung, wenn auch mit Vorbehalten, im Ergebnis mitgetragen. Er hatte in den Erörterungen mit der Verwaltung gleichwohl herausgestellt, die steigende Arbeitsbelastung der Finanzämter dürfe nicht auf Dauer mit Maßnahmen aufgefangen wer-den, welche die Steuergerechtigkeit zunehmend beeinträchtigten. Inzwischen sind unter der Geltung der GNOFÄ 1997 mehrere Veranla-gungskampagnen abgewickelt worden. Der LRH hielt es deshalb für ge-boten zu prüfen, ob sich die im Lande zur Umsetzung der GNOFÄ 1997 getroffenen Maßnahmen eignen, die mit der Neuregelung verfolgten Ziele zu erreichen. Nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der rechtzeitigen und vollständigen Einnahmeerhebung3 hat er auch die Regelung selbst einer kritischen Würdigung unterzogen. Seine Prüfungserkenntnisse stützt der LRH vor allem auf • örtliche Erhebungen im Finanzministerium, in der ehemaligen OFD und

in den gewerblichen Veranlagungsbereichen4 von 7 Finanzämtern so-wie

• eine umfangreiche Befragung der Sachgebietsleiter und Bearbeiter der gewerblichen Veranlagungsbereiche von weiteren 11 Finanzämtern.

1 Verfügung der Oberfinanzdirektion Kiel (OFD) vom 13.02.1997, O 2000 A - St 343/346. 2 Fach 14.0 des Handbuchs „Veranlagungsgrundsätze“, Stand Juli 1997, mit 4 Anlagen. In

Anlage 1 findet sich ein Ablaufdiagramm zur Prüfung von Steuererklärungen. In Anlage 2 wird der Umfang der eingeschränkten formellen Prüfung beschrieben, in Anlage 3 der Umfang der sachlichen Prüfung. Anlage 4 enthält ausführliche Hinweise für die Bear-beitung von Intensivprüfungsfällen.

3 § 34 Abs. 1 LHO. 4 Es wurden Steuerfälle aus den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Gewerbetreibende

und freiberuflich bzw. selbstständig Tätige, jeweils einschl. der Personengesellschaften, geprüft.

185

Wie bei seinen zurückliegenden Prüfungen im materiell-rechtlichen Bereich1 hat er auch bei seiner aktuellen Prüfung den Maßstab einer ordnungsgemäßen Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zugrunde gelegt und bei der Feststellung evtl. Vollzugsdefizite den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung berücksichtigt.

16.4 Umsetzungsregelungen zu den GNOFÄ in Schleswig-Holstein

16.4.1 Aufbauorganisation Die GNOFÄ 1997 schreiben die Aufbauorganisation für die Finanzämter nicht mehr vor. Auf der Grundlage einer Untersuchung des Veranla-gungsbereichs der Finanzämter durch die OFD, die erhebliche organi-satorische Defizite zu Tage gebracht hatte, erarbeitete die Arbeitsgruppe „Neuorganisation des Veranlagungsbereichs“2 ein neues Organisations-modell für den gewerblichen Veranlagungsbereich. Zukünftig werden die Aufgaben durch ein Dreier-Team wahrgenommen, das aus einem Bear-beiter des gehobenen Dienstes (1. Bearbeiter) und 2 Bearbeitern des mitt-leren Dienstes (2. und 3. Bearbeiter) gebildet wird. Ziel war u. a., die bis-her lediglich mit reinen Verwaltungstätigkeiten beschäftigten, gut ausgebil-deten 3. Bearbeiter des mittleren Dienstes sukzessive in die Veranla-gungsarbeiten einzubinden und so deren Motivation zu erhöhen. Der LRH hat sich im Zuge dieser Prüfung nicht eingehend mit der neuen Aufbauorganisation befasst. Sie wird von den Finanzämtern jedoch durchaus positiv bewertet. Allerdings ist das Ziel, den 3. Bearbeiter in die Veranlagungsarbeiten einzubinden, noch nicht erreicht.

16.4.2 Ablauforganisation Die OFD hat mit Zustimmung des Finanzministeriums die Neuregelungen der GNOFÄ 1997 am 01.01.1997, beginnend mit dem Veranlagungs-zeitraum 1996, in Kraft gesetzt und den Finanzämtern gleichzeitig die be-reits erwähnten Hinweise zur zukünftigen Bearbeitungstiefe der Steuer-erklärungen gegeben.3 Dabei hat sie u. a. die im Abstimmungsverfahren geäußerte Auffassung des LRH erwähnt, bei einem Intensivprüfungsfall dürften vorhandene Ungewissheiten hinsichtlich Aufwand und Erfolg einer

1 Vgl. Bemerkungen 1997 des LRH, Nr. 16 (Realisierung von Ansprüchen aus dem Steuer-

schuldverhältnis nach steuer- und zivilrechtlichen Haftungsansprüchen), Bemerkungen 1997 des LRH, Nr. 17 (Steuerliche Behandlung von Sachverhalten nach § 52 Abs. 15 Einkommensteuergesetz), Bemerkungen 2000 des LRH, Nr. 16 (Organisation und Ar-beitsweise der Umsatzsteuer-Sonderprüfungsstellen und der Umsatzsteuer-Voranmel-dungsstellen), Bemerkungen 2001 des LRH, Nr. 18 (Anpassung von Vorauszahlungen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer und Bearbeitung von Fällen mit hohen Ab-schlusszahlungen), Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 16 (Bearbeitung von Anträgen auf Stundung, Erlass und abweichende Steuerfestsetzung (Billigkeitsmaßnahmen)).

2 Arbeitsgruppe NOVA. 3 Verfügung vom 13.02.1997, O 2000 A - St 343/346. Vgl. auch Tz. 16.2.

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Ermittlungsmaßnahme nicht dazu führen, unter Bezugnahme auf Tz. 1 des GNOFÄ-Erlasses1 einen klärungs-, ergänzungs- oder erläuterungsbedürf-tigen Punkt nicht zu verfolgen.

16.5 Maschinelle Auswahl der intensiv zu prüfenden Fälle Die maschinelle Fallauswahl folgt bundeseinheitlichen Vorgaben. In das zufallsorientierte Auswahlverfahren werden grundsätzlich alle Steuerfälle einbezogen2, wobei unterschiedliche, sich nach der Höhe der Einkünfte richtende prozentuale Auswahlsätze angewendet werden. Die bundes-einheitlichen Rahmenvorgaben, die für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2001 mehrfach angepasst wurden, lassen es zu, in der höchsten Einkunftskategorie3 bis zu 100 % der Steuerfälle für eine Intensivprüfung vorzusehen. In Schleswig-Holstein liegen die Auswahlsätze jeweils an der obersten Grenze der bundeseinheitlichen Rahmenvorgaben. Ziel war, insgesamt etwa 2,2 % aller Steuerfälle4 maschinell für eine Inten-sivprüfung auszuwählen, um den Bearbeitern noch genügend Freiraum zu lassen, personell Fälle für eine Intensivprüfung auszuwählen.5 Für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2000 wurden nach den Fest-stellungen des LRH durchschnittlich zwischen 6,3 % (1999) und 7,5 % (1997) der gewerblichen Steuerfälle6 maschinell für eine Intensivprüfung ausgewählt.7 Einzelne Finanzämter waren mit über 10 % maschinell ausgewählten Intensivprüfungsfällen sogar noch deutlich höher belastet. Nach den Feststellungen des LRH ist durch das derzeit praktizierte ma-schinelle Auswahlverfahren nicht ausreichend gewährleistet, dass die wirk-lich prüfungsbedürftigen Fälle/Sachverhalte erkannt und ausgewählt wer-den. Zum einen ist nicht jeder maschinell ausgewählte Fall gleichermaßen prüfungsbedürftig, selbst wenn er einer hohen Einkunftskategorie ange-

1 „Bei der Bearbeitung der Steuerfälle muss auf das Wesentliche abgestellt werden. Der

Aufwand bei der Bearbeitung eines Falles richtet sich nach dessen steuerlicher Bedeutung.“

2 Ausgenommen sind u. a. die Steuerpflichtigen, bei denen eine Außenprüfung vorgesehen ist.

3 Ab Veranlagungszeitraum 2001 fallen unter diese Kategorie Fälle mit positiven Ein-künften von mehr als 250.000 € (500.000 DM) bzw. mit negativen Einkünften von mehr als 150.000 € (300.000 DM).

4 Die Zahl von 2,2 % ermittelt sich aus dem Durchschnitt der Auswahlquoten für die gewerblichen etc. Fälle mit 5,7 % und für die Arbeitnehmerfälle mit 0,9 %.

5 Aufgriff aufgrund eines OFD-weit oder amtsintern festgelegten Prüffeldes oder nach pflichtgemäßem Ermessen.

6 Summe der im gewerblichen Veranlagungsbereich geführten Steuerpflichtigen. Grund-lage der Berechnungen ist eine Auswertung aus den Datenbeständen des Amts für Informationstechnik (AIT).

7 Absolut waren dies 13.958 (1999) bzw. 16.661 (1997) Fälle. Die meisten Intensivprü-fungsfälle (16.727) wurden für den Veranlagungszeitraum 1996 ausgewählt, die wenigs-ten für den Veranlagungszeitraum 1999.

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hört. Zum anderen erfüllen die ausgewählten Fälle häufig im Veranla-gungsjahr nicht mehr die Auswahlkriterien, denn der Auswahl wird die letz-te gespeicherte Veranlagung und nicht die aktuell zu veranlagende Steuer-erklärung zugrunde gelegt. Der LRH hat deshalb angeregt, die Auswahlsätze in Richtung auf die un-tere Grenze der bundeseinheitlich abgestimmten Spannbreiten zu senken und dies mit den eindringlichen Forderungen verbunden, die maschinelle Fallauswahl durch steuerspezifische Kriterien „anzureichern“, die gewon-nene Kapazität für personell auszuwählende Intensivprüfungsfälle zu nut-zen und die Prüfungsintensität an der Bedeutung des vom Bearbeiter auf-gegriffenen Falls auszurichten. Damit dürfte aus seiner Sicht dem Präven-tionsgedanken der maschinellen Fallauswahl trotz abgesenkter Auswahl-sätze hinreichend Rechnung getragen werden. Das Finanzministerium weist darauf hin, dass auf Bund/Länderebene gerade aus den vom LRH genannten Gründen für das maschinelle Aus-wahlverfahren Verbesserungen konzipiert werden. Es hat jedoch nicht mit-geteilt, welcher Art diese Verbesserungen sein sollen und wann mit dem Einsatz des verbesserten Auswahlverfahrens gerechnet werden kann. Da nicht absehbar ist, wann das maschinelle Auswahlverfahren für ge-werbliche Veranlagungsfälle bundesweit um steuerspezifische Auswahlkri-terien ergänzt werden wird, sollte aus Sicht des LRH die zurückgestellte Prüfung eines von der Innenrevision der Steuerverwaltung bereits im Jahr 1998 vorgelegten Vorschlags zur Verbesserung des maschinellen Aus-wahlverfahrens nunmehr zeitnah wieder aufgenommen werden.

16.6 Personelle Auswahl der intensiv zu prüfenden Fälle Nach den bundeseinheitlichen Regelungen können Steuerfälle auch personell für eine Intensivprüfung ausgewählt werden.1 Im Lande sollten etwa 5 % aller Fälle auf diese Weise personell für eine Intensivprüfung ausgesteuert werden. Um die Gesamtbelastung der Bearbeiter mit Intensivprüfungsfällen feststellen zu können, wurden die Finanzämter aufgefordert, die personell ausgewählten Intensivprüfungsfälle bei der Veranlagung zu kennzeichnen und so deren Zählung zu ermöglichen.2 Aufgrund einer Intervention der Personalvertretungen wurden die Zählungen mit Beginn der Veranla-gungsarbeiten für 2001 eingestellt.

1 Einzelheiten vgl. Tz. 16.7.3. 2 Weiteres Ziel der Zählungen war es, belegen zu können, ob und in welchem Umfang

durch die GNOFÄ 1997 Erleichterungen eingetreten sind. Darüber hinaus sollten u. a. Grundlagen für die Personalbedarfsberechnung gewonnen werden.

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Der LRH hat festgestellt, dass die Kennziffern von den Finanzämtern nur sehr unzureichend eingetragen wurden. Z. T. haben die Bearbeiter die Kennziffer aus der Befürchtung heraus, sie würde zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwendet, nicht ausgefüllt; z. T. haben sie die Eintra-gung aus Nachlässigkeit unterlassen. Demgegenüber wurde die Kennziffer unzulässigerweise auch in maschinell für eine Intensivprüfung ausgewähl-ten Fällen eingetragen. Daher sind die aus den Datenbeständen des AIT ausgewerteten Ergeb-nisse, die deutlich unter den angestrebten 5 % lagen, nicht repräsentativ1. Eine belastbare Aussage zum Umfang der personell ausgewählten Inten-sivprüfungsfälle ist dem LRH nicht möglich. Die Ziele der Zählungen wurden damit eindeutig verfehlt. Die Gründe der statistischen Aufzeichnungen sind den Bearbeitern offensichtlich nicht hin-reichend vermittelt worden. Ungeachtet dessen sollten aus Sicht des LRH die Zählungen wieder auf-genommen werden, um die Belastung der Bearbeiter mit Intensivprüfungs-fällen genauer steuern zu können.

16.7 Arbeitsweise der Finanzämter

16.7.1 Vorbemerkungen Bis zum Beginn der Prüfung des LRH im August 2002 hatte sich die OFD nicht zielgerichtet davon überzeugt, ob in den Finanzämtern GNOFÄ-gerecht gearbeitet wird. Eine Nachsteuerung der Verwaltung mit dem Ziel, Schwächen der Umsetzungsregelungen zu den GNOFÄ 1997 zu identifi-zieren und die getroffenen Maßnahmen ggf. zu optimieren, konnte der LRH nicht feststellen. Erwartungsgemäß wurden die Regelungen deshalb auch nicht einheitlich angewendet.

16.7.2 Maschinell ausgewählte Intensivprüfungsfälle Die maschinell für eine Intensivprüfung ausgewählten Fälle sind nach den bestehenden Weisungen hinsichtlich aller Steuerarten umfassend intensiv zu prüfen und nach steuererheblichen Sachverhalten durchzusehen. Gemessen an den im Handbuch „Veranlagungsgrundsätze“ niedergeleg-ten Bearbeitungshinweisen2 wurden 45 % der vom LRH untersuchten 1 Nach den Datenbeständen des AIT wurden für den Veranlagungszeitraum 1996 8.536

Fälle (3,8 %), für 1997 7.205 Fälle (3,2 %), für 1998 7.404 Fälle (3,3 %), für 1999 7.744 Fälle (3,5 %) und für 2000 6.472 Fälle (2,9 %) als personell für eine Intensivprüfung ausgewählt gekennzeichnet.

2 Vgl. Tz. 16.2, Fußnote 2, S. 184.

189

328 Fälle voll oder mindestens fast umfassend geprüft. 30 % dieser Fälle prüften die Bearbeiter nur unvollständig, sehr häufig war die Sachver-haltsaufklärung unzureichend. In weiteren 25 % der Fälle gab es keinen Anlass für eine umfassende Prüfung, weil bei dem Steuerpflichtigen eine Betriebsprüfung vorgesehen war1, weil es sich um einen Steuerpflichtigen handelte, der nur Einkünfte aus Beteiligungen erzielte, die von anderen Dienststellen mitgeteilt werden2 oder weil sich aus den Sachverhalten des Steuerfalls keine Prüfungsrelevanz ergab.

16.7.3 Personell ausgewählte Intensivprüfungsfälle Personelle Intensivprüfungsfälle sind Fälle, die von den Bearbeitern der Finanzämter im Rahmen der Prüfung der Steuererklärung aufgegriffen wurden, weil • sich Zweifelsfragen von erheblicher steuerlicher Bedeutung ergeben

haben, • die Bearbeiter dafür im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens Anlass

sahen oder • die Steuererklärung ein von der OFD bzw. dem Finanzamt festgelegtes

Prüffeld beinhaltete. Diese Fälle sind durch die Bearbeiter zumindest punktuell intensiv zu prü-fen. Gemessen an den Grundsätzen der GNOFÄ 1997 beurteilte der LRH die von ihm geprüften 271 Fälle nur zu etwas mehr als 50 % als für eine Intensivprüfung geeignet. In den übrigen Fällen war aus seiner Sicht die Intensivprüfung nicht gerechtfertigt. In immerhin fast 39 % der als personell geprüft gekennzeichneten Fälle war nicht einmal nachvollziehbar, was der Bearbeiter geprüft haben will.

16.7.4 Fälle unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Nach Tz. 4 des Einführungserlasses zu den GNOFÄ 1997 sind die Steuer-fälle nach Möglichkeit in einem Arbeitsgang abschließend zu bearbeiten. Aus Sicht des LRH schränkt dies die Möglichkeit, die Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchzuführen, auf Ausnahmefälle ein. Lediglich in 16 % der von ihm geprüften 114 Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erschien dem LRH der Vorbehalt sinnvoll, wo-bei immerhin 80 % dieser sinnvollen Vorbehaltsveranlagungen Fälle betra-fen, in denen eine Betriebsprüfung vorgesehen war.3

1 Diese Steuererklärungen sind nur unter formellen Gesichtspunkten zu prüfen. 2 Derartige Fälle werden mittlerweile nicht mehr in die maschinelle Fallauswahl einbe-

zogen. 3 In diesen Fällen hält das Finanzamt sich zu Recht die Möglichkeit offen, den Steuer-

bescheid entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung ändern zu können.

190

16.7.5 Sonstige Fälle In den vom LRH geprüften Einzelfällen hat er insgesamt weitere 663 ver-anlagte Steuererklärungen auf die Prüfungsintensität untersucht. Von die-sen Fällen wurden, gemessen an den Grundsätzen der GNOFÄ, mehr als 67 % nicht intensiv geprüft. In etwa einem Viertel dieser Fälle wäre jedoch eine intensivere Prüfung bzw. Sachverhaltsaufklärung geboten gewesen. Soweit die Bearbeiter die Steuererklärungen genauer überprüft hatten (33 %), erschien dies dem LRH in etwa der Hälfte dieser Fälle sinnvoll, da Sachverhalte zu ermitteln waren oder die Rechtsanwendung des Steuer-pflichtigen geprüft werden musste. In den übrigen Fällen war eine einge-hendere Überprüfung nach den Regelungen der GNOFÄ 1997 nicht sinn-voll, da die Fälle keine Zweifelsfragen aufwarfen.

16.7.6 Vorschläge des LRH zur zukünftigen Arbeitsweise Die Bearbeitungshinweise im Handbuch „Veranlagungsgrundsätze“ haben aus Sicht des LRH nicht ausreichend dazu beigetragen, den Bearbeitern das Gefühl für die an der steuerlichen Bedeutung eines Falls auszurich-tende Bearbeitungstiefe zu vermitteln. Er regt an, in den umfassend zu prüfenden maschinell ausgewählten In-tensivprüfungsfällen zukünftig generell die Sachverhalte und Erkenntnisse aus den Vorjahren bei der aktuellen Veranlagung einzubeziehen.1 Erst diese Gesamtbetrachtung des Steuerfalls ermöglicht es häufig, Probleme in der aktuell zu bearbeitenden Steuererklärung zu erkennen. Nach den Feststellungen des LRH kann bei der grundsätzlich zunächst durchzuführenden überschlägigen Prüfung der (übrigen) Steuererklärun-gen kaum erkannt werden, ob es sich um einen Fall handelt, der seiner steuerlichen Bedeutung nach einer intensiveren Prüfung bedarf. Das erfor-dert, zumindest bei dem heutigen Steuerrecht, eine tiefer gehende Bear-beitung. Diese sollte durch geeignete Arbeitshilfen des Finanzministeriums unterstützt werden. Hierfür hält es der LRH für sinnvoll, die festen Prüf- felder abzuschaffen und den Bearbeitern stattdessen eine Aufstellung besonders problembehafteter und steuerausfallträchtiger Sachverhalte, ergänzt um Hinweise zu den ersten Schritten der Sachverhaltsermittlung, an die Hand zu geben.

1 Hierzu werden die Vorjahre hinzuzuziehen sein. Hier bestehen nach dem Eindruck des

LRH aus seinen örtlichen Erhebungen Defizite. Der Blick allein auf die aktuelle Steuer-erklärung führt u. U. zu unzutreffenden Schlussfolgerungen und steuerlichen Würdigun-gen.

191

Das dürfte die Bearbeiter eher als die derzeitigen Regelungen in die Lage versetzen, die Prüfungsintensität an der steuerlichen Bedeutung des jeweiligen Einzelfalls auszurichten und damit den Anforderungen der GNOFÄ gerecht zu werden.

16.7.7 Finanzielle Bedeutung der Beanstandungstätigkeit der Bearbeiter Bisher wird statistisch nicht erfasst, wie sich die Beanstandungstätigkeit der Innendienstbearbeiter finanziell auswirkt. Diese Abweichungsquote ist jedoch nach Auffassung des LRH ein sinnvolles Qualitäts- und Steue-rungsmerkmal. Er hat deshalb in den von ihm geprüften Fällen die finan-ziellen Auswirkungen der Veranlagungstätigkeit ermittelt. In den geprüften 282 Steuerfällen1 (1.380 Veranlagungszeiträume) erga-ben die Beanstandungen der Steuererklärungen durch die Bearbeiter in den gewerblichen Veranlagungsdienststellen per Saldo immerhin fast 600.000 € an Mehrsteuern, was pro geprüftem Steuerfall und Veranla-gungszeitraum durchschnittlich 435 € ausmacht.2 Dieses aus seiner Sicht bemerkenswerte finanzielle Ergebnis belegt die erhebliche Bedeutung einer sachgerechten Prüfung der Steuererklärungen schon im Innendienst. Die Erhebungen des LRH haben zudem ein weiteres Berichtigungs-potenzial von noch einmal mehr als 151.000 € ergeben, was durchschnitt-lich weiteren 110 € pro Fall entspricht. Der LRH hält es für sinnvoll und erforderlich, die finanziellen Auswirkungen der Veranlagungsarbeiten im Innendienst zukünftig festzuhalten. Zum einen wird die Analyse, welche Steuererklärungsdaten von den Bearbei-tern geändert werden, wertvolle Hinweise auf risikoträchtige, steueraus-fallbehaftete Sachverhalte und damit für zukünftige Arbeits- und Prüfungs-schwerpunkte geben. Zum anderen wird sie dazu beitragen, den Bearbei-tern eine Beziehung zu den erreichten Ergebnissen zu vermitteln und die Motivation zu erhöhen. Das wiederum wird selbst bei gleich bleibender Personalkapazität zu besseren Arbeitsergebnissen und letztlich zu höhe-ren Steuereinnahmen führen, da sich die Bearbeiter bewusst auf die be-deutsamen Steuerfälle konzentrieren werden.

1 Dies sind 0,13 % der in den Jahren 1996 bis 2000 in den gewerblichen Veranlagungs-

bereichen durchschnittlich geführten 222.656 Steuerfälle. 2 Bezogen auf das den gewerblichen Veranlagungsdienststellen zum 01.07.2003 zuge-

wiesene Soll von 572,5 Stellen würde das hochgerechnet einem jährlichen Mehrergebnis pro Bearbeiter von durchschnittlich 170.000 € entsprechen.

192

16.8 Abschließende Würdigung durch den LRH Die derzeitigen Regelungen zur Umsetzung der GNOFÄ 1997 in der schleswig-holsteinischen Steuerverwaltung tragen nur unzureichend dazu bei, die mit den GNOFÄ verfolgten Ziele zu verwirklichen. In ihrer jetzigen Ausprägung werden die GNOFÄ von den Bearbeitern nicht akzeptiert, was sich in einer häufig geäußerten Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedin-gungen ausdrückt. Diese Unzufriedenheit wiederum ist nach dem Eindruck des LRH neben der allgemein angespannten Arbeits- und Personallage eine wichtige Ursache für die z. T. unzureichende Arbeitsqualität. Die vom LRH vorgeschlagene Änderung der Arbeitsweise dürfte das Ver-ständnis der Beschäftigten in den Finanzämtern dafür schärfen, die Ar-beitskapazität auf die steuerlich und fiskalisch bedeutsamen Fälle zu len-ken sowie die Prüfungsintensität an der steuerlichen Bedeutung des Ein-zelfalls auszurichten. Damit wäre ein wichtiges Ziel der GNOFÄ, Quantität und Qualität der Aufgabenerledigung in Einklang zu bringen, erreicht. Das Finanzministerium wird jedoch die geänderten Arbeitsregelungen in den Finanzämtern deutlich nachdrücklicher vermitteln müssen als es seinerzeit bei der Einführung der GNOFÄ 1997 geschehen ist. Anderenfalls dürfte sich der bestehende unbefriedigende Zustand nicht wirklich ändern. Angesichts des zwingenden gesetzlichen Auftrags an die Steuerverwal-tung, die Steuern gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, sind jedoch auch die GNOFÄ 1997, selbst wenn ihre Umsetzungsregelungen effizien-ter und praxisgerechter gestaltet werden, nur eine „Notlösung“. Letztlich kurieren sie lediglich die Symptome, bekämpfen jedoch die Ursachen nicht. Nach der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 27.06.19911 be-darf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip. Diesem Anspruch kommen die Finanzämter derzeit nur noch begrenzt nach. Die Umsetzung der GNOFÄ 1997 in der Praxis belegt, dass die Ar-beitsweise in der Steuerverwaltung bei dem geltenden Steuerrecht und mit dem vorhandenen Personal offensichtlich an die Grenzen der Gleichmä-ßigkeit der Besteuerung stößt. Deshalb sollte die Landesregierung bun-desweite und parteiübergreifende Bestrebungen, das Steuerrecht durch-greifend zu vereinfachen, aktiv unterstützen. Erst dies wird die Finanz-ämter mittelfristig in die Lage versetzen, ihre gesetzlichen Aufgaben in dem gebotenen Maß zu erfüllen.2

1 BVerfGE 84, S. 239. 2 Für eine durchgreifende Vereinfachung des Steuerrechts zur Verbesserung der Arbeits-

lage in der Steuerverwaltung auch die Rechnungshöfe von Berlin, Jahresbericht 2001, Tz. 460; Mecklenburg-Vorpommern, Jahresbericht 2001, Tz. 138; Hamburg, Sonderdruck „Gesetzesvollzug und Mengenbewältigung in den Finanzämtern“ mit Auszügen u. a. aus den Jahresberichten 2002 bis 2004, veröffentlicht im März 2004, sowie der Arbeitskreis „Steuer“ der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Jahrestagung 2002.

193

17. Beschaffung von Geräten der Informations- und Kommu-nikationstechnik in den Monaten November und Dezem-ber 2002

Beschaffungen zum Jahresende sind nicht grundsätzlich negativ zu bewerten. Sie können auch Ausdruck einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung sein, indem Mittel für unvor-hergesehene Ausgaben zurückgehalten werden oder zum Jah-resende Lagerbestände von Verbrauchsgegenständen in einem angemessenen, wirtschaftlichen Umfang aufgefüllt werden. Hier-von kann jedoch keine Rede sein, wenn Beschaffungen zum Jah-resende ohne konkreten Bedarf erfolgen, um noch vorhandene Haushaltsmittel auszuschöpfen, bzw. wenn die Abwicklung im laufenden Haushaltsjahr nur noch unter Verstoß gegen vergabe- oder haushaltsrechtliche Vorschriften möglich ist (sog. „Dezem-berfieber“). Trotz einer Prüfungsankündigung des LRH zur Thematik „De-zemberfieber“ und eines Hinweises des Finanzministeriums, die haushaltsrechtlichen Vorschriften zu beachten, haben einige Dienststellen gegen die Vorschriften der LHO verstoßen. Beschaffungsvorgänge wurden zu Zeitpunkten eingeleitet, zu denen eine ordnungsgemäße Abwicklung im Jahr 2002 nicht mehr möglich war. Einige Dienststellen haben Zahlungen veran-lasst, bevor die vereinbarten Gegenleistungen erbracht waren und damit durch unzulässige Vorleistungen gegen § 56 LHO ver-stoßen.

17.1 Prüfungsanlass und -umfang Der LRH hat im November 2002 aufgrund der in der Nachschiebeliste an-gekündigten Kürzungen der Haushaltsansätze 2003 für Informationstech-nik (IT) die Ressorts, den Landtag und die Staatskanzlei auf die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Vorschriften hingewiesen und sich vorbehalten, die Beschaffungen im IT-Bereich zum Gegenstand einer Querschnittsprü-fung zu machen. Das Finanzministerium hat seinerseits die Ressorts und die Staatskanzlei mit Schreiben vom 04.12.2002 um Beachtung der Vor-schriften der LHO gebeten. Die Querschnittsprüfung wurde auf ausgewählte Bereiche in wenigen Dienststellen beschränkt. Für deren Auswahl wurden die Ergebnisse 2002

194

des Mittelbewirtschaftungssystems auf Finanzpositionen in IT-Haushalten1 sowie Zahlungen an die Datenzentrale Schleswig-Holstein (Datenzentra-le)2 als zentrale IT-Beschaffungsstelle ausgewertet. In den so ausgewähl-ten Dienststellen wurden Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik ebenso berücksichtigt wie Beschaffungen, die komplett oder in Teilen in den Monaten November und Dezember 2002 abgewickelt wurden. Dabei wurden folgende Unterlagen geprüft: • Belege der Mittelbewirtschaftung und begründende Unterlagen, • Inventarverzeichnis für IT-Geräte, • Bestandsverzeichnisse und Einzelnachweisungen von IT-Geräten, • Vergabevermerke.

17.2 „Dezemberfieber“ Mittelverbräuche und Beschaffungen zum Jahresende sind nicht grund-sätzlich negativ zu bewerten. Höherer Mittelverbrauch in den Monaten No-vember und Dezember im Vergleich zu den anderen Monaten des Jahres kann auch Ausdruck einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Mittel sein, wenn • Mittel für unvorhersehbare Ausgaben, z. B. kurzfristig erforderliche

Ersatzbeschaffungen, zurückgehalten werden,

• Mittel für turnusmäßige Rechnungen von Dienstleistern, die geschäfts-üblich zum Jahresende eingehen, eingeplant werden,

• noch zur Verfügung stehende Mittel verwendet werden, um die Lager-bestände von Verbrauchsgütern angemessen aufzufüllen.

Dagegen sind Mittelverbräuche als sog. „Dezemberfieber“ zu bezeichnen, wenn • die Beschaffung ohne einen konkreten Bedarf bzw. ohne Bedarfspla-

nung erfolgt, um noch vorhandene Haushaltsmittel auszuschöpfen, oder

• Lagerbestände über ein vertretbares Maß hinaus angelegt werden oder • die Abwicklung der Beschaffung im laufenden Haushaltsjahr nicht mehr

unter Einhaltung der vergabe- und haushaltsrechtlichen Vorschriften möglich ist. Folgende Verstöße wurden festgestellt: − Die Rechnungsstellung und Begleichung erfolgt vor Lieferung bzw.

Leistung (Verstoß gegen § 56 LHO). − Die Auszahlung wird ohne vorherige Inventarisierung bewirkt bzw.

der Inventarisierungsvermerk erfolgt, obwohl das Gerät noch nicht vorhanden ist (Verstoß gegen VV Nr. 8.1 zu § 73 LHO).

1 Maßnahme- und Titelgruppen, in denen ihrer Zweckbestimmung nach die Veranschla-

gung für IT erfolgt. 2 Datenzentrale Schleswig-Holstein, mit Wirkung vom 01.01.2004 Dataport Anstalt des

öffentlichen Rechts, Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 14.01.2004, GVOBl. Schl.-H. S. 45.

195

Die Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts war im Rahmen dieser Prüfung bei Beschaffungsmaßnahmen, die kurz vor Jahresende eingeleitet wurden, ebenfalls genau zu betrachten, da der zur Verfügung stehende Zeithorizont für die Abwicklung des Beschaffungsvorgangs oft eine Einhal-tung der Regelungen nicht mehr zulässt. Das Finanzministerium befürwortet in seiner Stellungnahme die Kern-aussage, dass Beschaffungen zum Jahresende grundsätzlich nicht negativ zu bewerten sind. Ebenso bestätigt es, dass Beschaffungen, die zum Jah-resende mit dem Ziel getätigt werden, noch vorhandene Haushaltsmittel auszuschöpfen, ohne dass ein konkreter Bedarf vorliegt, nicht erfolgen dürfen.

17.3 Verstöße im Sinne von „Dezemberfieber“ Der LRH hat in der Vergangenheit bei Beschaffungen von IT-Geräten wie-derholt erhebliche Rechtsverstöße festgestellt.1 Der Finanzausschuss hat die wiederholte Nichtbeachtung des Haushaltsrechts gerügt und erwartet, dass die vergabe- und haushaltsrechtlichen Bestimmungen strikt eingehal-ten werden.2 Das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie (Justizministe-rium), der Generalstaatsanwalt, das ehemalige Ministerium für ländliche Räume, Landesplanung, Landwirtschaft und Tourismus (Landwirtschafts-ministerium), das ehemalige Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten (Umweltministerium) sowie das Landesamt für Natur und Umwelt Schles-wig-Holstein (LANU) haben gleichwohl die Bestimmungen der LHO nicht eingehalten. Es wurden wieder Zahlungen festgestellt, die veranlasst worden waren, bevor die vereinbarten Gegenleistungen erbracht waren, und damit gegen § 56 LHO verstießen. Solche Vorleistungen sind nach § 56 Abs. 1 LHO nur dann zulässig, wenn dies allgemein üblich oder durch besondere Um-stände begründet ist. Die Zahlung vor Fälligkeit, um den Verfall von Haus-haltsmitteln zum Jahresende zu verhindern, ist nach VV Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 zu § 56 LHO ausdrücklich kein solcher Umstand.

1 Vgl. Bemerkungen 1999 des LRH, Nr. 12 (Innenministerium), Bemerkungen 2001 des

LRH, Nr. 16 (Verfassungsschutz), Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 11 (Polizei) und Nr. 18 (Oberfinanzdirektion).

2 Landtagsdrucksache 15/2985 vom 06.11.2003, S. 8, 10.

196

Das Verhalten der Dienststellen wurde dabei durch die Vorgehensweise der Datenzentrale als zentraler IT-Beschaffungsstelle1 bei der Erstellung von Rechnungen begünstigt. Grundsätzlich werden die erbrachten Lieferungen und Leistungen den Dienststellen nach Eingang der Lieferantenrechnung in der Datenzentrale in Rechnung gestellt.2 Bei Beschaffungen am Jahresende wich die Daten-zentrale im Einzelfall auf Veranlassung der Dienststellen von der üblichen Vorgehensweise ab und erstellte die Rechnungen bereits vor Eingang der Lieferantenrechnung, d. h. teilweise auch bevor die Lieferung erfolgt war. Der LRH stimmt der Auffassung der zentralen IT-Beschaffungsstelle zu, dass die Verantwortung für die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Vor-schriften bei den Dienststellen liegt. Die Datenzentrale hätte jedoch aus der Diskrepanz zwischen Zahlungseingang und Lieferdatum unschwer er-kennen können, dass einige ihrer Rechnungen als begründende Unterlage für Zahlungen vor Leistungserbringung genutzt wurden. Der LRH begrüßt, dass noch während der örtlichen Erhebungen das zu diesem Zeitpunkt noch zuständige Innenministerium die Datenzentrale im Rahmen des Controllings darauf hingewiesen hat, dass Rechnungen nach § 8 Abs. 4 des Beschaffungsvertrags nur für bereits erbrachte Lieferungen und Leis-tungen gestellt werden dürfen. Die Datenzentrale schließt sich in ihrer Stellungnahme der Auffassung des LRH an und sagt zu, Rechnungen künftig strikt in Übereinstimmung mit den Regelungen des Beschaffungs-vertrags zu erstellen. Damit wird bereits der Anschein eines kollusiven Zu-sammenwirkens von zentraler IT-Beschaffungsstelle und Bedarfsstellen vermieden. Vorleistungen wurden nicht nur für Beschaffungen, sondern auch für Dienstleistungen der Datenzentrale getätigt. Im Dezember 2002 wurden Personalleistungen für das ehemalige Landwirtschaftsministerium, das Umweltministerium und den Generalstaatsanwalt abgerechnet und be-zahlt, obwohl die Projekte erst im Jahr 2003 abgeschlossen wurden. Mehrfach wurde dem LRH entgegengehalten, eine ordnungsgemäße Ab-wicklung im Jahr 2002 sei aufgrund der knappen verfügbaren Zeit nicht mehr möglich gewesen. Beschaffungen über die zentrale IT-Beschaffungs-stelle sind für die Dienststellen durch Regelungen im Beschaffungs-3 und

1 Die Datenzentrale wurde ab Anfang 2001 als zentrale Beschaffungsstelle der Landesver-

waltung für IT-Bedarf eingerichtet. Die Bedarfsstellen sind durch Erlass des Innenministe-riums vom 07.02.2001 gehalten, IT-Bedarf ausschließlich über die Datenzentrale zu be-schaffen.

2 § 8 Abs. 4 Beschaffungsvertrag, veröffentlicht im Intranet des Landes (Informationstech-nik/Zentrale Beschaffung von IT-Technik/Verträge).

3 § 5 Abs. 3 Beschaffungsvertrag, Ausführung von Bestellungen aus dem IT-Warenkorb innerhalb von 3 Arbeitstagen.

197

im IT-Rahmen-Partnervertrag1 hinsichtlich ihres Zeitbedarfs jedoch weit-gehend planbar. Daneben haben die Dienststellen ausreichende Erfah-rungswerte (Durchlaufzeit eines Beschaffungsvorgangs), um Beschaffun-gen, die noch vor Ende des laufenden Haushaltsjahres abgewickelt wer-den sollen, rechtzeitig einzuleiten.

17.4 Beispiele

17.4.1 Umweltministerium Im Umweltministerium wurden Anfang Dezember 2002 im Rahmen der Deckungsfähigkeit Mittel im Volumen von rd. 215 T€ für die IKOTECH III-Umstellung zur Verfügung gestellt. Das Umweltministerium hat für die IT-Ausstattung des Ministeriums am 29.11.2002 Hardware und Lizenzen bei der Datenzentrale bestellt. Die Rechnung der Datenzentrale vom 11.12.2002 über rd. 50 T€ wurde am 19.12.2002 zur Zahlung angewiesen. Auf der begründenden Unterlage wurde mit Datum 18.12.2002 vermerkt, dass die Lieferung zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt sei, aufgrund von Erfahrungen jedoch mit einer Lieferung bis zum 20.12.2002 gerechnet werde. Der vom Umweltministerium vorgelegte Lieferschein avisierte eine Lieferung für den 23.12.2002. Einen Nachweis über den tatsächlichen Lie-fertermin hat das Umweltministerium nicht erbracht. Das Umweltministerium hat in diesem Fall die Zahlung aufgrund der Rechnung der Datenzentrale veranlasst, obwohl die Lieferung noch nicht erfolgt war, und ist damit gegenüber der Datenzentrale in Vorleistung ge-treten. Das Umweltministerium hat durch die erbrachte Vorleistung gegen § 56 LHO verstoßen. Der im Umweltministerium vorhandene IT-Bedarf im Zusammenhang mit der IKOTECH III-Umstellung wird nicht infrage gestellt. Die Bereitstellung der Haushaltsmittel ist unter Berücksichtigung der Deckungsfähigkeit und der geltenden Haushaltssperre nicht zu beanstanden. Am Jahresende noch verfügbare Mittel sind aber den Bedarfsstellen so rechtzeitig zuzu-weisen, dass eine ordnungsgemäße Abwicklung der Beschaffungsvorgän-ge ermöglicht wird. Dabei kann die Prozesslaufzeit als Anhaltspunkt die-nen. Zusätzlich sind die Zeitbedarfe der Bedarfsstelle für Auftragserteilung und Zahlungsabwicklung, sowie der Beschaffungsstelle für die Weitergabe des Auftrags an den Lieferanten und die Rechnungserstellung gegenüber der Bedarfsstelle zu berücksichtigen.

1 § 13.3 IT-Partner-Rahmenvertrag besagt, dass die Lieferung aller IT-Produkte aus der

FSC-PC-/PC-Server-Preisliste innerhalb von 21 Kalendertagen nach Eingang des Abrufs bei FSC erfolgt.

198

Das Umweltministerium verweist in seiner Stellungnahme auf die beson-dere Rolle der Datenzentrale, aus der eine besonders vertrauensvolle Zu-sammenarbeit resultiere, die mit anderen externen Dienstleistern so nicht möglich sei. Das Umweltministerium werde bestrebt sein, Bestellvorgänge künftig in terminlicher Hinsicht so abzuwickeln, dass Zahlungen vor Liefe-rungen vermieden werden. Nach Auffassung des LRH rechtfertigt die vertrauensvolle Zusammenar-beit zwischen Umweltministerium und Datenzentrale keine Verstöße ge-gen geltendes Haushaltsrecht.

17.4.2 Landesamt für Natur und Umwelt Schleswig-Holstein Das LANU hat die Datenzentrale am 16.12.2002 mit der Beschaffung von einem Notebook, einem Beamer und einer externen Platteneinheit beauf-tragt. Die Lieferung wurde bis zum 23.12.2002 erbeten. Die Datenzentrale hat den Auftrag am 17.12.2002 bestätigt. Die vorläufige Rechnung über rd. 13 T€ vom 18.12.2002 wurde am gleichen Tag per Fax an das LANU geschickt und am 19.12.2002 zur Zahlung angewiesen. Die Lieferungen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt. Die vorgelegten Lieferscheine dokumentierten, dass • die Lieferung des Speichers am 30.12.2002 erfolgt ist, • die Lieferung des Notebooks am 02.01.2003 für den 06.01.2003 ange-

kündigt wurde und • der Beamer am 08.01.2003 geliefert wurde. Mit der Anweisung zur Zahlung am 19.12.2002 hat das LANU eine unzu-lässige Vorleistung getätigt und gegen § 56 LHO verstoßen. Das Umweltministerium führt in seiner Stellungnahme an, das LANU sei davon ausgegangen, mit der Einrichtung der Datenzentrale als zentraler IT-Beschaffungsstelle sei durch die besonderen Umstände (dringender Bedarf) eine Begründung für Vorleistungen im Sinne des § 56 Abs. 1 LHO gegeben. Erst durch die Beanstandungen des LRH sei deutlich geworden, dass dies nicht der Fall sei. Künftig würden Beschaffungen in dieser Form vermieden.

17.4.3 Landwirtschaftsministerium Bereits im September 2002 hat das Landwirtschaftsministerium Arbeits-platzrechner für das Ministerium, die Ämter für ländliche Räume (ÄLR) Kiel, Husum und Außenstelle Heide, Flensburg, Lübeck und Außenstelle Itzehoe beschafft. Ergänzend zu diesen Geräten wurden im Dezember

199

2002 nach einer Testphase der neuen ZIAF-Software1 205 19-Zoll-Moni-tore bei der Datenzentrale bestellt. Die Auftragsbestätigungen und die vorläufigen Rechnungen der Daten-zentrale wurden ausnahmslos am 12.12.2002 erstellt. Die vorgelegten Lie-ferscheine dokumentierten, dass die Monitore allerdings erst im Januar 2003 geliefert wurden.

Empfänger Anzahl Rechnung Anordnung Betrag Lieferdatum Landwirtschafts- ministerium 14 12.12.2002 19.12.2002 4.034,38 17.01.2003

ALR Husum 28 12.12.2002 19.12.2002 8.068,76 20.01.2003 ALR Husum, Außenstelle Heide 22 12.12.2002 19.12.2002 6.339,74 17.01.2003

ALR Lübeck 36 12.12.2002 19.12.2002 10.374,12 17.01.2003 ALR Lübeck, Außenstelle Itzehoe 29 12.12.2002 19.12.2002 8.356,93 17.01.2003

ALR Flensburg 28 12.12.2002 19.12.2002 8.068,76 unbekannt

ALR Kiel 48 12.12.2002 19.12.2002 13.832,16 17.01.2003

Summen 205 59.074,85

Die Anordnung zur Zahlung erfolgte in allen Fällen bereits am 19.12.2002. Die Zahlungen wurden somit vor Leistung bewirkt und verstoßen gegen § 56 LHO. Das Landwirtschaftsministerium wurde zum 01.03.2003 durch Änderung der Geschäftsverteilung der Landesregierung aufgelöst. Die Zuständigkeit für die geprüften Sachverhalte ist teilweise auf das Innen- und teilweise auf das Umweltministerium übergegangen.2 Das Innenministerium stimmt dem LRH zu. Es habe haushalts- und ver-gaberechtliche Schulungen durchgeführt, in die das vom Landwirtschafts-ministerium übernommene Personal einbezogen worden sei. Das Umweltministerium merkt an, die Beschaffung sei als essentiell für die Einführung des Verfahrens ZIAF 2000 ursprünglich bereits viel früher vorgesehen gewesen. Um der sparsamen Verwendung von Haushaltsmit-teln Rechnung zu tragen, sei zunächst geprüft worden, ob die vorhande-nen Monitore weiter verwendet werden konnten. Dazu sei ein Ergonomie-test durchgeführt worden. Verzögerungen bei der Auslieferung der Soft-ware, die nicht beeinflussbar gewesen seien, hätten dazu geführt, dass

1 Zahlstellenintegriertes Verwaltungs- und Kontroll-System Agrar-Förderung. 2 Änderung der Geschäftsverteilung der Landesregierung; Bekanntmachung vom

03.03.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 134. Daneben sind Teile der Aufgaben des Landwirt-schaftsministeriums auf das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie das Mi-nisterium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz übergegangen.

200

dieser Test später als geplant stattgefunden habe. Vergleichbare Situatio-nen sollten durch ein entsprechendes Projekt-Controlling künftig vermie-den werden. Der LRH vermag keine Gründe zu erkennen, die eine Vorleistung rechtfer-tigen würden. Auch wenn Umstände eintreten, die die Realisierung eines Projekts verzögern, darf die Zahlung erst nach Leistungserbringung erfol-gen. Liegt dieser Zeitpunkt im nächsten Haushaltsjahr, darf auch erst im nächsten Haushaltsjahr gezahlt werden. Stehen im nächsten Haushalts-jahr die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung, ist die Übertragung der Mittel aus dem laufenden Haushaltsjahr anzustreben.

17.4.4 Justizministerium Am 25.11.2002 wurde die Beschaffung eines Servers zur Sicherung der Referatsablage für das Referat II 43 über die Datenzentrale eingeleitet. Die Auftragsbestätigung und die Rechnung über rd. 7,5 T€ datieren vom 03.12.2002, die Zahlung wurde am 09.12.2002 angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt stand lediglich die MS-Windows 2000 Server-Lizenz zur Verfü-gung, die Hardware war noch nicht geliefert. Auch bei einer Beschaffung von 4 Notebooks datieren die Auftragsbestäti-gung und die Rechnung über rd. 10 T€ vom selben Tag, diesmal vom 04.12.2002. Die Zahlung wurde am 10.12.2002 angeordnet. Die Ware war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geliefert. Das Justizministerium ist in beiden Fällen in Vorleistung getreten und hat dadurch gegen § 56 LHO verstoßen. Das Justizministerium räumt die Sachverhalte ein. Es führt an, die Liefe-rungen seien bereits kurz nach Zahlung und noch im Jahr 2002 erfolgt. Es handele sich um Einzelfälle. Die Beachtung des § 56 LHO werde künftig sichergestellt.

17.4.5 Generalstaatsanwalt Am 16.12.2002 wurde die Zahlung einer Rechnung der Datenzentrale vom 11.12.2002 über rd. 100 T€ angewiesen. Die Lieferung der Ware (Server) war mit Auftragsbestätigung vom 11.12.2002 für die Woche ab 13.01.2003 angekündigt. Die Server wurden z. T. noch in 2002 geliefert, z. T. erst in 2003. Die In-stallation der Rechner ist erst in den Monaten März und April 2003 erfolgt.

201

Die Zahlung bereits am 16.12.2002 ist daher als Vorleistung anzusehen. Sie stellt einen Verstoß gegen § 56 LHO dar. Das Justizministerium räumt den Sachverhalt ein. Die späte Installation sei auf Schwierigkeiten mit Netzwerkkarten sowie darauf zurückzuführen, dass die Installationsarbeiten an Wochenenden hätten durchgeführt wer-den müssen und mit anderen Wochenendarbeiten zusammengelegt wor-den seien.

17.5 Sonstige Verstöße Neben den Verstößen im Sinne von „Dezemberfieber“ wurden in einzelnen Dienststellen auch eine mangelnde Akzeptanz der zentralen IT-Beschaf-fungsstelle und Verstöße gegen die Vorschriften des Vergaberechts fest-gestellt. Öffentliche Aufträge sind grundsätzlich auszuschreiben und dürfen nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen freihändig vergeben werden. Der LRH hat aufgrund seiner Prüfungserfahrungen angeregt, für die Be-schaffung von IT-Bedarf eine zentrale Beschaffungsstelle einzurichten1, um die IT-Beschaffung zu optimieren und Synergieeffekte auszuschöpfen. Die Landesregierung ist dieser Anregung nachgekommen. Am 20.12.2000 wurde für die Dauer von 3 Jahren2 ein Beschaffungsvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Datenzentrale geschlossen, mit dem diese zentrale IT-Beschaffungsstelle wurde. Die Landesbehörden wur-den durch Runderlass des Innenministeriums3 darüber informiert. Der IT-Bedarf ist danach ausschließlich über die Datenzentrale zu beschaffen. Mit der Einrichtung der zentralen IT-Beschaffungsstelle sollte u. a. eine Reduzierung des Aufwands für die Durchführung von Beschaffungsmaß-nahmen (Beschaffungsprozesskosten), sowie die Sicherstellung der Ein-haltung der vergaberechtlichen Vorschriften erreicht werden. Bei der Mehrzahl der geprüften Beschaffungen ist die Aufgabenteilung zwischen Bedarfsstellen und zentraler IT-Beschaffungsstelle eingehalten worden. In Einzelfällen sind allerdings Preisermittlungen und Beschaffun-gen von Bedarfsstellen durchgeführt worden. Das Finanzministerium teilt in seiner Stellungnahme die Auffassung des LRH, die Durchführung von Preisermittlungen durch Bedarfsstellen und die

1 Vgl. Bemerkungen 1999 des LRH, Nr. 12. 2 Von der vorgesehenen Verlängerungsoption wurde Gebrauch gemacht; Verlängerung bis

zum 31.12.2005. 3 Runderlass des Innenministeriums vom 07.02.2001 - IV 1220 - 0256.1431, Amtsbl.

Schl.-H., S. 42.

202

Nichtbeteiligung der zentralen IT-Beschaffungsstelle entspreche nicht der Intention der Landesbeschaffungsordnung und der darauf basierenden Er-lasse. Die Erreichung der Ziele der Zentralisierung werde durch die Nicht-beachtung der Nutzung der zentralen IT-Beschaffungsstelle erschwert, die Entlastung von Vergabetätigkeiten in den Dienststellen werde nicht reali-siert. Das Finanzministerium führt aus, es unterstütze nachhaltig die Fest-stellung des LRH, dass durch umfassende Nutzung der Datenzentrale als zentraler IT-Beschaffungsstelle des Landes ein wichtiger Beitrag zur Sen-kung der Beschaffungsprozesskosten im Landesbereich zu leisten sei. Es prüfe derzeit, inwieweit auch die Beschaffungsprozesse für IT in die vor-gesehene Optimierung der Beschaffungsprozesse für Standard- und Son-derbedarf eingebunden werden könne. Der LRH bittet, ihm das Ergebnis der Optimierung mitzuteilen. Er begrüßt, dass das Finanzministerium des Weiteren mitgeteilt hat, nach Abschluss der Vereinheitlichung seiner IT-Infrastruktur auf der Grundlage der vor-handenen Altausstattung seien alle weiteren neuen Arbeitsplatzausstat-tungen und zentrale Serverkomponenten auf der Grundlage der bestehen-den Verträge abgewickelt worden. Denn auch im Finanzministerium sind eigene Preisermittlungen durchgeführt worden. Das Finanzministerium führt in seiner Stellungnahme an, es habe sich nicht um Preisermittlungen für eine anschließende Vergabe gehandelt, sondern um die Ermittlung von Kostenfaktoren als Entscheidungsgrundlage über die Vorgehensweise bei der Auf- und Umrüstungsaktion im Ministerium. Dieser Argumentation vermag der LRH nicht zu folgen. Nur wenn auch die Ermittlung von Kos-tenfaktoren als Vorbereitung von Entscheidungen den zentralen Beschaf-fungsstellen überlassen wird, kann die mit deren Einrichtung beabsichtigte Entlastung der Bedarfsstellen realisiert werden. Für den Arbeitsaufwand ist es unerheblich, ob eine Preisanfrage als "Ermittlung von Kostenfaktoren“ oder als „Preisermittlung“ bezeichnet wird. Die Beschaffungen im Zusammenhang mit der Auf- und Umrüstungsaktion im Wert von insgesamt rd. 147 T€ hat das Finanzministerium zwar über die zentrale IT-Beschaffungsstelle abgewickelt. Diese hat den Auftrag je-doch in unüblicher Weise freihändig an einen Lieferanten1 vergeben, zu dem das Finanzministerium bereits zuvor Geschäftsbeziehungen unterhal-ten und bei dem es die Preise angefragt hatte. Im Vergabevermerk der Datenzentrale heißt es dazu, nach Absprache mit dem Finanzministerium sei nur das Angebot dieser einen Firma eingeholt worden.

1 Es handelt sich um die Firma, an die auch die OFD in den Jahren 1999 bis 2002 Aufträge

in unzulässiger Weise freihändig vergeben hatte (vgl. dazu Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 18).

203

Auch in ihrer Stellungnahme verweist die Datenzentrale darauf, die Be-schaffung bei der fraglichen Firma beruhe auf einer Anforderung des Finanzministeriums, weshalb andere Lösungen nicht weiterverfolgt worden seien. Das Finanzministerium gibt in seiner Stellungnahme an, die Datenzentra-le habe auf der Grundlage seiner Anforderungen eine Marktanalyse durch-geführt und daraufhin ein Angebot unterbreitet. Die Datenzentrale sei nicht beauftragt worden, den Auftrag bei einem bestimmten Unternehmen durchführen zu lassen. Die Diskrepanz zwischen Finanzministerium und Datenzentrale in der Sachverhaltsdarstellung ist aus Sicht des LRH bemerkenswert. Das Finanzministerium führt dies in seiner Stellungnahme darauf zurück, dass einige Absprachen nur mündlich getroffen worden seien und sich in der Erinnerung der Beteiligten unterschiedlich darstellten. Derartige Verab-redungen würden künftig nur noch schriftlich getroffen.

204

18. Vorbereitung auf die Einführung von FISCUS Die schleswig-holsteinische Steuerverwaltung entwickelt eigen-ständig Automationsverfahren für die Festsetzung und Erhebung der Steuern. Dies wird zunehmend unwirtschaftlich, da das Land nicht von den Synergien einer Arbeitsteilung profitieren kann. Der LRH unterstützt nachhaltig die Bestrebungen, eine bundes-einheitliche Automationsunterstützung für die Steuerverwaltun-gen zu schaffen. Er hat deshalb in der Vergangenheit die Beteili-gung des Landes am Projekt FISCUS stets befürwortet. Es ist je-doch fraglich, ob der Weg zur Einführung von FISCUS, den das Land bisher eingeschlagen hat, noch zum Erfolg führt. Der LRH hält es daher für erforderlich, auf der Grundlage einer aktuellen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung auch den vorherigen Umstieg auf ein bestehendes Verfahren zu erwägen.

18.1 Entwicklung im Projekt FISCUS Die Länder führen die Steuergesetze als Auftragsverwaltung im Rahmen ihrer eigenen Personal- und Organisationshoheit aus. Schon seit langer Zeit wird für die Steuerfestsetzungen Informationstechnik (IT) genutzt. Schleswig-Holstein hatte sich seit den Anfängen der automatisierten Da-tenverarbeitung in den 60er-Jahren entschieden, die für die Steuerfestset-zung erforderlichen Programme1 eigenständig zu entwickeln und zu pfle-gen. Das Land - wie auch Nordrhein-Westfalen - beteiligte sich deshalb nicht an einem der bestehenden länderübergreifenden Programmierver-bünde. Im Laufe der Jahre ist infolge der häufigen Steuerrechtsänderungen, An-passungen an technologische Weiterentwicklungen und nicht zuletzt durch Personalwechsel der Pflegeaufwand immer weiter gestiegen. Dadurch drohte nach Einschätzung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder der Datenverarbeitung in den Steuerverwaltungen aller Länder die schleichende Funktionsunfähigkeit. Deshalb beschloss die Finanzmi-nisterkonferenz (FMK) bereits im Jahr 1992, das Projekt FISCUS2 aufzu-legen, um damit die Automationsunterstützung für die Steuerverwaltungen der Länder zu vereinheitlichen und dies arbeitsteilig zu realisieren. Das Fi-nanzministerium entschied sich für eine Beteiligung an dem Projekt FISCUS.

1 In den Bereichen Grundinformationsdienst, Festsetzung und Erhebung. 2 Föderales Integriertes Standardisiertes ComputerUnterstütztes Steuersystem.

205

Infolge vor allem erheblicher Mängel im Projektmanagement, in der Pro-jektorganisation und wegen der unzureichenden Personalunterstützung durch die Länder wies das Projekt FISCUS Ende der 90er-Jahre einen er-heblichen Arbeitsrückstand auf.1 Mit Gründung der fiscus GmbH zum 01.01.2001 sollten diese strukturellen Probleme behoben werden.2 Nach Gründung der fiscus GmbH haben die beteiligten Länder als Auf-traggeber der GmbH als Auftragnehmerin spezifizierte Aufträge zu erteilen und den gesamten Entwicklungsprozess zu begleiten.3 Die Auftraggeber haben hierzu eine Reihe von Gremien gebildet, u. a. den Arbeitskreis (AK) „Auftrag“4 und die jeweiligen Arbeitsgruppen (AG) „Vertrag“.5, 6 Die Gründung der GmbH führte jedoch zunächst zu weiteren Verzögerun-gen im Projekt7 mit der Folge, dass bis Ende 2001 immer noch kein einsatzfähiges Produkt entwickelt war. Dies nahm das Land Bayern zum Anlass, aus dem Projekt FISCUS auszusteigen und gemeinsam mit den neuen Bundesländern und dem Saarland den Programmierverbund EOSS8 zu gründen. Die übrigen Finanzminister des Bundes und der Län-der haben auf der FMK am 06.12.2001 gleichwohl beschlossen, das Pro-jekt FISCUS fortzuführen. Wegen neuerlicher gravierender Probleme bei der termingerechten Fertig-stellung der geplanten FISCUS-Produkte9 beschlossen die obersten

1 Die Probleme wurden insbesondere durch die föderale Struktur des Projekts ausgelöst. 2 An der fiscus GmbH sind neben dem Bund alle Bundesländer mit Ausnahme Bayerns be-

teiligt. Schleswig-Holstein hält am Stammkapital von 32.000 € einen Anteil von 2.000 € (6,25 %).

3 Prüfung der Analyseergebnisse, Klärung fachlicher Zweifelsfragen, Abnahme der Produk-te.

4 Der föderal besetzte AK „Auftrag“ hat projektübergreifende Aufgaben (u. a. Koordinie-rung, Controlling, Vorbereitung von Entscheidungen der Referatsleiter Automation). Er steht unter der Leitung des Bundes.

5 Für jedes Projekt (Produkt) ist eine AG „Vertrag“ eingerichtet, die die Aufgaben der Auf-traggeberseite wahrnimmt und vom Bund oder einem Land geleitet wird. Über die Einrich-tung einer AG „Vertrag“ entscheiden abschließend die Referatsleiter Automation (Steuer) auf Vorschlag des AK „Auftrag“.

6 Die rechtlichen und finanziellen Bedingungen sind in dem neu zu FISCUS geschlossenen Verwaltungsabkommen, das am 03.12.2002 in Kraft getreten ist, bzw. in der mit der fiscus GmbH geschlossenen Rahmenvereinbarung niedergelegt. Über die Änderungen im Projekt FISCUS und die neuen vertraglichen Vereinbarungen unterrichtete das Finanzministerium den Finanzausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages mit Umdruck 15/2108 vom 25.04.2002. Das Verwaltungsabkommen wurde von Schleswig-Holstein am 31.05.2002 unterzeichnet.

7 Die erforderliche Aufgabenübernahme aus dem Altprojekt und die bis heute nicht abge-schlossene Personalgewinnung führten zu Stillstand und Terminverschiebungen. Diese dürften erst dann aufgeholt werden können, wenn die GmbH voll einsatzfähig ist. Wann dies sein wird, ist jedoch angesichts der Schwierigkeiten der GmbH, geeignetes Personal zu gewinnen, in keiner Weise absehbar.

8 Evolutionär Orientierte SteuerSoftware. 9 Bis heute ist kein FISCUS-Produkt im flächendeckenden Einsatz. Auch das mit schles-

wig-holsteinischer Hilfe entwickelte Produkt „BuStra/Steufa“ ist derzeit in einer Vorstufe nur im Pilotfinanzamt Lübeck im Einsatz und wirft nach wie vor Probleme auf.

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Finanzbehörden des Bundes und der sog. 9 Zahlerländer1 wiederholt, die Vorgehensweise im Projekt zu ändern. Zuletzt wurde festgelegt, die Priori-tät auf die Kernverfahren „Grundinformationsdienst“ und „Erhebung“ zu le-gen und die Produktentwicklung auf die Belange der Pilotländer Hessen (Grundinformationsdienst) und Niedersachsen (Erhebung) auszurichten.2 Um die Besonderheiten für einen Einsatz der FISCUS-Produkte in Schleswig-Holstein bereits bei der Architektur- und Integrationskonzeption einbeziehen zu können, stimmte Schleswig-Holstein dem nur mit der Maßgabe zu, dass in Zusammenarbeit mit der fiscus GmbH bis Herbst 2002 ein Konzept zur Migration, Koexistenz und Integration seines Verfah-rens in die neu zu entwickelnden FISCUS-Verfahren erstellt werde. Dieses Konzept lag bis März 2004 nicht vor.

18.2 Prüfungsanlass, Ziel der Prüfung Der LRH hatte sich Anfang 2003 vom Finanzministerium über den Fort-schritt im Projekt FISCUS unterrichten lassen. Die erhaltenen Informatio-nen haben bei ihm erhebliche Zweifel aufkommen lassen, ob der in Schleswig-Holstein eingeschlagene Weg zur Einführung von FISCUS noch auf wirtschaftliche Weise gangbar ist. Im Zusammenhang mit der Neuausrichtung auf die Kernverfahren „Grund-informationsdienst“ und „Erhebung“ wurden von der fiscus GmbH gemein-sam mit den Pilotländern erste Migrationskonzepte zur Integration der FISCUS-Anwendungen in die bestehenden Verfahren und zur Koexistenz beider Verfahren erstellt. Dabei wurde festgestellt, dass der ursprünglich geplante Weg einer Übernahme der Daten aus dem in den Programmier-verbünden vorherrschenden „Integrierten automatisierten Besteuerungs-verfahren“ (IABV)3 nach FISCUS nicht gangbar ist. Stattdessen sollen nunmehr die bestehenden Schnittstellen des IABV genutzt werden, um eine Kommunikation zwischen dem IABV und den FISCUS-Anwendungen zu ermöglichen. Die Erkenntnisse, die im Rahmen dieser auf die Pilotländer ausgerichteten Untersuchungen gewonnen wurden, sind für Schleswig-Holstein nicht ver-wertbar. Da die hiesige Datenhaltung auf einer anderen Technik (Speiche-

1 Finanziert wird das Projekt derzeit vom Bund und von den Ländern Baden-Württemberg,

Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Die Zahlungsverpflichtungen der neuen Bundesländer und des Saarlandes sind nach dem Beschluss der FMK vom 06.12.2001 bis zur Einsatzfähig-keit der FISCUS-Programme in den Kernverfahren Grundinformationsdienst, Festsetzung und Erhebung ausgesetzt.

2 Sondersitzung der für Automation (Steuer) zuständigen Referatsleiter der Zahlerländer am 04./05.07.2002.

3 Es handelt sich dabei um Basisverfahren für den Grundinformationsdienst und die Erhe-bung in allen Bundesländern mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins sowie für die Festsetzung in insgesamt 6 Bundesländern.

207

rung in einer Datenbank) beruht, ist eine landesspezifische Lösung erfor-derlich. Diese wird nach Einschätzung des Finanzministeriums zu neuerli-chen Verzögerungen und zu weiterem, noch nicht näher konkretisierbarem Aufwand führen. Damit besteht die Gefahr, dass Schleswig-Holstein u. U. jahrelang erhebliche finanzielle Leistungen erbringen muss, ohne dass diesen zeitnah ein adäquater Gegenwert in Form von einsatzfähigen FISCUS-Produkten gegenübersteht. Unter diesen Gesichtspunkten erschien es dem LRH dringend geboten zu prüfen, ob in Schleswig-Holstein Konsequenzen aus der geänderten Vor-gehensweise gezogen wurden und dabei insbesondere der Frage nachzu-gehen, ob vor einer Einführung von FISCUS auf das IABV migriert werden sollte, um so die Schnittstellenlösung des Verbunds nutzen zu können.

18.3 Kooperation der norddeutschen Länder im IT-Bereich (Steuer) Es gibt Bestrebungen der norddeutschen Bundesländer Bremen, Ham-burg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu einer engeren Zusammenarbeit. Für den Bereich der Steuerverwaltung haben die Finanzminister und Fi-nanzsenatoren dieser Länder im April 2003 eine Arbeitsgruppe auf der Ebene der Staatsräte und Staatssekretäre einberufen, die sich mit sämtli-chen für eine Kooperation in Betracht kommenden Themenbereichen be-schäftigen soll. Diese Arbeitsgruppe hat in ihrer konstituierenden Sitzung am 29.08.2003 in Hamburg die für Automation (Steuer) zuständigen Refe-ratsleiter gebeten, „bis zum 12.11.2003 einen Lösungsvorschlag für die Zusammenführung der unterschiedlichen IuK-Verfahren auf ein einheitli-ches System zu erarbeiten“.1 Die Ausgangslage in den beteiligten Ländern ist vielfältig: • Bremen und Hamburg setzen das IABV mit landesspezifischen Anpas-

sungen und Erweiterungen ein. Die Länder sind zahlende Mitglieder im FISCUS-Verbund.

• Niedersachsen setzt ebenfalls das IABV ein, allerdings mit einem eige-nen Festsetzungsverfahren. Auch Niedersachsen ist zahlendes Mitglied im FISCUS-Verbund. Es hat als Pilotland für FISCUS-Erhebung Anteil am und Mitverantwortung für den Projektfortschritt im FISCUS-Ver-bund.

1 Daneben werden die Bereiche Aus- und Fortbildung, Verkehrssteuern, Umsatzsteuer,

Betriebsprüfung und Steuerberatungsrecht in die Überlegungen einbezogen.

208

• Mecklenburg-Vorpommern ist Mitglied im EOSS-Verbund und setzt das IT-Verfahren aus Bayern mit der Benutzeroberfläche UNIFA1 ein, das ebenfalls auf dem IABV basiert.

• Schleswig-Holstein befindet sich mit seinen vollständig eigenständigen IT-Verfahren in einer Sondersituation. Schleswig-Holstein ist zahlendes Land im FISCUS-Verbund.

Vor diesem Hintergrund verständigten sich die Referatsleiter Automation (Steuer) darauf, dass die nachstehend aufgeführten Lösungsalternativen in 3 Arbeitsgruppen hinsichtlich ihrer Machbarkeit, ihrer Wirtschaftlichkeit und der sich in den einzelnen Ländern ergebenden Veränderungsprozes-se untersucht werden: • Übernahme der bayerischen Verfahren und Teilnahme am EOSS-Ver-

bund. • Niedersächsisches Verfahren: Übernahme des IABV-basierenden Ver-

fahrens aus Niedersachsen mit den Kernverfahren Grundinformation, Festsetzung, Erhebung und Eingabeverfahren, wobei das Erhebungs-verfahren so bald wie möglich durch FISCUS-Erhebung ersetzt wird.

• Übernahme eines komplett IABV-basierenden Verfahrens mit den Kernverfahren Grundinformation, Erhebung und Eingabeverfahren aus Niedersachsen sowie Festsetzung aus Hamburg oder Bremen, wobei ebenfalls das Erhebungsverfahren so bald wie möglich durch FISCUS-Erhebung ersetzt wird.

• EOSS-Verfahren mit FISCUS-Erhebung: Übernahme der bayerischen Verfahren unter Einbindung des FISCUS-Erhebungsverfahrens.

Die Arbeitsgruppe „Machbarkeit“ hat den Referatsleitern Automation (Steuer) vorgeschlagen, lediglich die Variante „EOSS-Verfahren mit FISCUS-Erhebung“ näher untersuchen zu lassen. Die ebenfalls für grund-sätzlich machbar gehaltene Übernahme des IABV-Verfahrens in der nie-dersächsischen Variante wurde verworfen, da die in Niedersachsen vor-handenen Ressourcen bereits durch die Pilotierung von FISCUS-Erhe-bung gebunden seien. Im Kreise der Referatsleiter Automation (Steuer) hat sich das Land Nie-dersachsen dann doch bereit erklärt, im Rahmen seiner Möglichkeiten2 die anderen Länder bei einer möglichen Migration auf das niedersächsische Verfahren zu unterstützen. Die Referatsleiter Automation (Steuer) haben die Arbeitsgruppen „Veränderungsprozesse“ und „Wirtschaftlichkeit“ da-raufhin am 10.11.2003 beauftragt, neben dem EOSS-Verfahren mit

1 Universeller Arbeitsplatz im Finanzamt (daneben gebräuchlich: Unix im Finanzamt). 2 Die Vertreter Niedersachsens erklären die Bereitschaft, auf einer vertretbaren Zeitschiene

Unterstützungsleistungen für die Migration auf das niedersächsische Verfahren zu leis-ten. Eine zeitgleiche Unterstützung aller Länder wird ausgeschlossen.

209

FISCUS-Erhebung auch einen Einsatz des niedersächsischen Verfahrens zu prüfen. War zunächst die Variante, FISCUS-Erhebung in das EOSS-Verfahren zu integrieren, eine rein theoretische Möglichkeit, erscheint dies inzwischen durchaus realisierbar. Eine gemeinsame Sitzung der Referatsleiter Auto-mation (Steuer) der EOSS-Länder und der norddeutschen Länder Anfang Dezember 2003 hat einen Weg aufgezeigt, der, sofern er sich als gangbar erweisen sollte, zur Zusammenführung der beiden Verbünde führen wür-de. Dabei würde FISCUS-Erhebung in einem Land des EOSS-Verbunds pilotiert werden. Dazu würde der EOSS-Verbund in die Abstimmungspro-zesse im Projekt FISCUS-Erhebung eingebunden werden. Eines oder mehrere der norddeutschen Länder - z. B. Schleswig-Holstein - würden das EOSS-Verfahren übernehmen. Diese Lösung kann nur mit Zustimmung der übrigen FISCUS-Länder reali-siert werden. Der LRH unterstützt diesen Weg nachdrücklich. Es dürfte sich um die letzte Gelegenheit handeln, in absehbarer Zeit zu einer drin-gend erforderlichen bundeseinheitlichen Lösung zu kommen.

18.4 Prüfungsablauf Der LRH hat sich zunächst im Amt für Informationstechnik (AIT)1 über die neuesten Entwicklungen im Projekt FISCUS und die sich daraus für Schleswig-Holstein ergebenden Folgerungen und über die vorgesehenen Handlungsalternativen unterrichtet. Um sich ein Bild von möglichen Alternativen zu den bisher eingesetzten Verfahren zu machen und die organisatorischen Auswirkungen eines mög-lichen Wechsels der Verfahren auf die Finanzämter einschätzen zu kön-nen, hat der LRH in der Prüfungskonzeption zudem Besuche in Nieder-sachsen und Mecklenburg-Vorpommern vorgesehen und dem Finanzmi-nisterium sowie dem AIT angeboten, daran teilzunehmen. Diese haben von dem Angebot Gebrauch gemacht. Im November 2003 fand unter Beteiligung des Niedersächsischen Rech-nungshofs eine Präsentation des niedersächsischen IABV-Verfahrens im Finanzamt Hildesheim statt. Zuvor hatten Vertreter der OFD Hannover und des niedersächsischen Finanzministeriums die Position des Landes Nie-dersachsen in den Kooperationsbestrebungen und die Rolle Niedersach-sens als Pilotland für FISCUS-Erhebung dargelegt.

1 Das AIT wurde nach Auflösung der Oberfinanzdirektion (OFD) Kiel zum 01.09.2003 als

zugeordnetes Amt des Finanzministeriums errichtet. Es nimmt insbesondere die Aufga-ben des Rechenzentrums der Steuerverwaltung wahr.

210

Das Verfahren des EOSS-Verbunds wurde im Dezember 2003 bei der OFD des Landes Mecklenburg-Vorpommern und im Finanzamt Rostock vorgestellt. Vertreter des Finanzministeriums und des Landesrechnungs-hofs Mecklenburg-Vorpommern haben die Präsentation begleitet und an den Gesprächen in der OFD Rostock teilgenommen. Aktuelle Entwicklungen während der örtlichen Erhebungen1 waren Anlass für einen Besuch in Nordrhein-Westfalen im Februar 2004. Dort wurde das Verfahren des Landes Nordrhein-Westfalen beim Rechenzentrum der Finanzämter und im Finanzamt Düsseldorf-Mettmann präsentiert. Außer-dem fanden Gespräche im Landesrechnungshof und im Finanzministerium Nordrhein-Westfalen statt.

18.5 Risiken für das Projekt FISCUS Die neuen Bundesländer und das Saarland als Mitglieder des EOSS-Ver-bunds sind zwar gleichzeitig Mitgesellschafter der fiscus GmbH, gleich-wohl aber bis zur Übernahme erster einsatzfähiger Kernverfahren von al-len Zahlungen befreit.2 Sie wollen FISCUS-Produkte erst dann einsetzen, wenn diese mindestens dem Funktionsumfang ihrer aktuell eingesetzten Steueranwendungsprogramme entsprechen. Angesichts der im EOSS-Verbund für die Weiterentwicklung der einheitlichen Verfahren3 bereitge-stellten erheblichen Programmierkapazität4 sieht der LRH die Gefahr, dass FISCUS in diesem Wettlauf zweiter Sieger bleiben wird. Zahlungen der neuen Bundesländer und des Saarlandes sind deshalb, wenn überhaupt, nur auf lange Sicht zu erwarten. Die übrigen Gesellschafter werden somit auch mittelfristig einen überproportionalen Finanzierungsanteil zu tragen haben. Dieses finanzielle Risiko wird noch dadurch verstärkt, dass der Bund sein derzeit hohes finanzielles Engagement voraussichtlich ab 2005 mindern wird.5 In der künftigen Finanzierung der GmbH liegt erhebliches Konfliktpotenzial. Nicht auszuschließen ist nach Auffassung des LRH, dass dadurch FISCUS insgesamt infrage gestellt wird.

1 Die Referatsleiter Automation (Steuer) der zahlenden Länder haben in der Sitzung am

02. und 03.12.2003 u. a. beschlossen zu untersuchen, ob vor der Entwicklung von FISCUS-Software für den Veranlagungsbereich eine Vereinheitlichung auf der Basis eines eingesetzten Altverfahrens möglich und zweckmäßig ist. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die Federführung für die Datenhaltungs- und Festsetzungsverfahren über-nommen.

2 Vgl. Fußnote 1, S. 206. 3 Vor allem darin liegt nach Einschätzung des LRH der wesentliche Vorteil für die am

EOSS-Verbund beteiligten Länder. 4 Nach den Informationen des LRH sind zurzeit etwa 250 Entwickler im EOSS-Verbund

tätig. 5 Der Finanzierungsanteil des Bundes beträgt derzeit rd. 45 % der Gesamtkosten. Er hat

u. a. zugesagt, bis einschl. 2004 6 Mio. € als Sonderzahlung bereitzustellen. Die zah-lungspflichtigen Länder haben erklärt, diesen Betrag ab 2005 nicht selbst finanzieren zu können.

211

Hinzu kommt, dass nach Einschätzung des LRH der erforderliche Perso-nalaufwand für die Realisierung von FISCUS noch immer zu niedrig ange-setzt wird. Es ist davon auszugehen, dass dies durch höhere Beistel-lungsleistungen der beteiligten Länder aufgefangen werden muss. Ne-ben den damit verbundenen nochmals höheren Kosten1 werden weitere Verzögerungen die zwangsläufige Folge sein. Bisher nicht gelöst sind technische Probleme der FISCUS-Produkte, die zu unvertretbar langen Laufzeiten und schlechtem Antwortzeitverhalten führen. Bisher ist es der GmbH nicht gelungen, diese Probleme zu lösen. Sollte sie hier nicht zeitnah Erfolg haben, müsste sie wohl eingestehen, dass die bisher erstellten Produkte in wesentlichen Teilen für einen Pro-duktionsbetrieb nicht geeignet sind. Der LRH vermag sich nicht vorzustel-len, dass dann mit der Produktentwicklung von neuem begonnen würde. Vielmehr dürfte ein solches Eingeständnis das Ende von FISCUS bedeu-ten. Für Schleswig-Holstein mit seinen eigenständigen IT-Verfahren ist zudem noch ungeklärt, ob eine Migration zu FISCUS und eine Koexistenz von FISCUS-Software und schleswig-holsteinischem Altverfahren überhaupt mit vertretbarem Aufwand umsetzbar sind. Die technische Machbarkeit soll erst im ersten Halbjahr 2004, die fachliche im zweiten Halbjahr geklärt werden. Es ist daher nicht absehbar, ob und - wenn ja - wann den bisher in FISCUS investierten Mitteln ein Gegenwert gegenüberstehen wird. Fest steht aber bereits, dass selbst im Falle der Machbarkeit sowohl für das Land als auch für die GmbH über einen längeren Zeitraum zusätzlich ein erheblicher Aufwand entstehen würde.

18.6 Empfehlungen des LRH Der LRH unterstützt schon im Hinblick auf die zu erwartenden Synergie- und Einspareffekte nachhaltig die Bestrebungen, eine einheitliche Automa-tionsunterstützung für die Steuerverwaltungen zu schaffen. Er hat deshalb in der Vergangenheit die Beteiligung des Landes am Projekt FISCUS be-fürwortet und gefordert, das Land solle den Fortschritt des Gesamtprojekts im Rahmen seiner Möglichkeiten fördern und die eigenständigen Verfah-ren so schnell wie möglich durch FISCUS-Verfahren ersetzen.

1 In 1996 bis 2002 hat das Land für die Einführung von FISCUS nach eigenen Angaben ca.

6,2 Mio. € aufgewendet (Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Verwaltungsstrukturreform 1996 bis 2002, Land-tagsdrucksache 15/2560 vom 25.03.2003, Anlage IT-Projektblatt FISCUS). Für die Haus-haltsjahre 2003 ff. sind für FISCUS zwischen 1,6 Mio. € und 1,7 Mio. € jährlich veran-schlagt. Dabei hat der LRH nur die Beträge berücksichtigt, die FISCUS eindeutig zuge-ordnet werden können.

212

Diese Empfehlung hält der LRH angesichts der immer größer werdenden Risiken bei FISCUS und den sich hieraus ergebenden unabsehbaren Fol-gen für dessen Einführung im Lande nicht mehr aufrecht. Die Realisierung der FISCUS-Kernverfahren hat sich bereits jetzt unvertretbar lange verzö-gert. Selbst, wenn das Projekt FISCUS trotz der oben dargestellten Risi-ken noch zum Erfolg geführt werden sollte, befürchtet der LRH, dass sich die angestrebten Synergie- und Einspareffekte wegen der besonderen Ausgangslage in Schleswig-Holstein, die zusätzlichen Aufwand und zu-sätzliche Verzögerungen verursacht, auf dem bisher vorgesehenen Weg nicht werden verwirklichen lassen. Der LRH hält es für den entscheidenden Fehler im Projekt FISCUS, dass sich die beteiligten Länder nicht als ersten Schritt auf die Vereinheitlichung ihrer IT-Landschaft geeinigt haben. Hierin - und nicht in der evolutionären oder revolutionären Vorgehensweise bei der Softwareentwicklung - sieht er den Schlüssel des Erfolgs des EOSS-Verbunds. Dort setzen die betei-ligten Länder einheitliche Verfahren ein und erledigen die Pflege- und Ent-wicklungsarbeiten arbeitsteilig. Außerhalb des EOSS-Verbunds gibt es trotz IABV keine 2 Länder, die insgesamt einheitliche IT-Verfahren haben. Jedes Land leistet Pflege- und Entwicklungsarbeiten, von denen es aus-schließlich selbst profitiert. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig- Holstein mit ihren eigenständigen IT-Verfahren gilt dies in besonderem Maße. Der dadurch entstehende Personal- und Sachaufwand ist nicht län-ger vertretbar. Den von den Referatsleitern Automation (Steuer) der zahlenden Länder angedachten Weg einer Vereinheitlichung auf der Basis eines eingesetz-ten Altverfahrens für den Veranlagungsbereich hält der LRH für nicht zielführend. Da die Bereiche Grundinformationsdienst und Erhebung nicht betrachtet werden sollen, bliebe das Kernproblem der landesspezifischen Datenhaltung ungelöst. Nur der im Zuge der Kooperation der norddeutschen Länder aufgezeigte Weg1 führt zu einem bundeseinheitlichen Verfahren. Deshalb sollte die-ser Weg zügig beschritten werden. Dabei sollte Schleswig-Holstein zu den Ländern gehören, die das EOSS-Verfahren übernehmen. Sollte sich die-ser Weg als nicht gangbar erweisen, wäre auf der Grundlage einer aktuel-len Wirtschaftlichkeitsuntersuchung2 zu prüfen, welches Verfahren - mit al-len Bestandteilen - übernommen werden soll. In Betracht kämen das Ver-fahren eines dem IABV-Verbund angehörenden Landes, das Verfahren aus Nordrhein-Westfalen und die Übernahme des EOSS-Verfahrens im Al-leingang. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass nur bei Anschluss an den

1 Vgl. Tz. 18.3, S. 207. 2 Belastbare Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bzw. Kostenpläne liegen bisher nicht vor.

213

EOSS-Verbund eine Arbeitsteilung mit 7 weiteren Ländern in bereits er-probten Strukturen sofort nach Übernahme realisiert wäre. Ob im Alleingang oder abgestimmt, eine solche Umstellung wird Kosten in Millionenhöhe verursachen. Neben dem erforderlichen Personal- und Schulungsaufwand wird auch in neue Systeme investiert werden müssen. Dieser Aufwand wird aber im Wesentlichen nur vorgezogen, denn bei der bisher vorgesehenen Vorgehensweise würde für die Umstellung auf FISCUS Aufwand in ähnlicher Größenordnung entstehen. Der Nachteil des früheren Aufwands wird nach Einschätzung des LRH durch früher ein-tretenden Nutzen in Form von künftig arbeitsteiliger Softwareentwicklung und -pflege mehr als aufgewogen1. Je schneller die landesspezifischen Verfahren abgelöst werden, umso früher kann das Land von den Syner-gien profitieren. Die Umstellung muss daher so schnell wie möglich in An-griff genommen werden. Das Finanzministerium teilt im Grundsatz die Auffassung des LRH und will möglichst noch im ersten Halbjahr diesen Jahres eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise treffen. Der LRH wird die Angelegenheit weiter begleiten.

1 Der LRH schätzt das Einsparpotenzial auf mindestens 50 Stellen. Das entspricht bereits

ohne Personalgemeinkosten einer Ersparnis von jährlich rd. 2,75 Mio. € (auf Basis der Besoldungsgruppe A 11).

214

19. Beseitigung des Bauunterhaltungsstaus durch die GMSH

Die bereits 1993 vom LRH kritisierte Reduzierung der für Bau-unterhaltung bereitgestellten Mittel hat zu dem seit Jahren be-kannten Bauunterhaltungsstau in allen Landesliegenschaften ge-führt. Eine kontinuierliche Bauunterhaltung wäre erheblich wirt-schaftlicher gewesen. Der Bauunterhaltungsstau war höher als der zur Beseitigung von Bauschäden und Baumängeln notwendige Aufwand. Der durch die Investitionsbank und die GMSH bzw. die Liegenschaftsver-waltung Schleswig-Holstein finanzierte Abbau des Bauunterhal-tungsstaus wird im Ergebnis überwiegend durch Kredite finan-ziert und muss über die vom Land zu zahlenden Mieten auch künftig abgegolten werden. Die Verkehrswertgutachten, die zur Ermittlung des Werts der im Rahmen des Liegenschaftsmodells zu veräußernden Liegen-schaften in Auftrag gegeben wurden, waren teilweise mit wesent-lichen Mängeln behaftet. Die Art der Vergabe dieser Gutachten entsprach nicht dem Vergaberecht. Bei der Abwicklung von Baumaßnahmen zum Abbau des Bauun-terhaltungsstaus durch die Zweigniederlassungen der GMSH wurde in vielen Fällen gegen die HOAI und gegen das Vergabe-recht verstoßen.

19.1 Entstehung des Bauunterhaltungsstaus

Die Bauunterhaltung umfasst alle regelmäßig und unregelmäßig wieder-kehrenden baulichen Maßnahmen, die der Instandhaltung und Instandset-zung baulicher Anlagen, technischer Anlagen (Betriebstechnik) und der Außenanlagen und damit der Werterhaltung dieser Anlagen dienen. Die hierfür erforderlichen Mittel wurden bis 1991 global mit einem Prozent-anteil des jeweiligen Neubauwerts ermittelt und bereitgestellt. Ab 1992 wurden diese Werte jedoch durch Haushaltsvermerke mit einem Verringe-rungsfaktor von 72 % bis 20 % gekürzt. Mit den prozentualen Kürzungen ab 1992 wurden das Entstehen eines Bauunterhaltungsstaus und deutli-che Verschlechterungen der Bausubstanz in Kauf genommen. Bereits 19931 hat der LRH die Reduzierung der für Bauunterhaltung be-reitgestellten Mittel kritisiert und eine Anpassung an den tatsächlichen Be-

1 Vgl. Bemerkungen 1993 des LRH, Nr. 37.

215

darf, d. h. eine Erhöhung der Haushaltsansätze, gefordert. Dessen unge-achtet hat das Land die zur Verfügung gestellten Mittel stetig zurückgefah-ren. Der LRH verkennt nicht, dass der jetzt durchgeführte Abbau des Bauun-terhaltungsstaus dazu führt, dass die betreffenden Liegenschaften - aller-dings überwiegend zulasten künftiger Landeshaushalte (vgl. Tz. 19.8) - weitgehend saniert werden. Eine kontinuierliche Bauunterhaltung wäre je-doch erheblich wirtschaftlicher gewesen. Dem Finanzministerium ist es ein vordringliches Anliegen darauf hinzu-weisen, dass der Bauunterhaltungsstau binnen kurzem erfolgreich abge-baut sein werde.

19.2 Abbau des Instandhaltungsstaus

19.2.1 Liegenschaftsmodell Das Land hat sich 1997 entschlossen, einen erheblichen Teil seiner Lie-genschaften zu veräußern und anschließend zurückzumieten. Zu diesem Zweck wurden Landesliegenschaften im Gesamtwert von rd. 627 Mio. € in mehrere Tranchen aufgeteilt und zu unterschiedlichen Zeitpunkten (vgl. folgende Tabelle) an die Investitionsbank (IB) verkauft. Zeitgleich wurden die Liegenschaften gem. Vertrag vom 20.12.1999 an die Gebäudemana-gement Schleswig-Holstein Anstalt des öffentlichen Rechts (GMSH) ver-pachtet. Damit gingen sämtliche Nutzungsrechte an den ehemaligen Lan-desliegenschaften auf die GMSH über.

Kaufpreis* Tranche Übertragung € I 231.826.897 IIa 01.01.2000 96.610.646 328.437.543 IIb 79.374.997 IIIa 01.01.2001 99.845.590 179.220.587 IIIb 68.196.444 IVa 01.01.2002 22.228.926 90.425.370 IVb

28.452.766**

Summe 626.536.266** Angaben des Finanzministeriums. * = Verkehrswert. ** = Ohne Wert der ehemaligen Oberfinanzdirektion Kiel.

216

19.2.2 Grundlagen Gem. § 3 GMSHG1 hat die GMSH die ehemalige Landesbauverwaltung abgelöst und die Bauplanungs-, Bauüberwachungs-, Bauherren-, Bau-unterhaltungs- und damit verbundene Vergabeaufgaben für die IB über-nommen, soweit diese Leistungen Liegenschaften betreffen, die vom Land auf die IB übertragen worden sind. Die GMSH hat mit Wirkung vom 01.07.1999 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen. Im Pachtvertrag vom 20.12.1999 zwischen IB und GMSH ist geregelt, dass als Instandhaltungsstau (IHS) die in den Wertgutachten der Lie-genschaften hierzu getroffenen Feststellungen sowie die bis zu seinem Abbau durch ihn bedingten neu hinzugekommenen Schäden gelten (vgl. Tz. 19.3.1). Das Finanzministerium bekräftigt, dass der Instandhaltungsstau eine Un-termenge des Bauunterhaltungsstaus bilde und inhaltlich durch den Pachtvertrag abschließend definiert sei. Gem. § 5 des Pachtvertrags wurden folgende Verfahren zum Abbau des IHS vereinbart: 1. Die IB wird im Einvernehmen mit der GMSH für Objekte mit baulichen

Mängeln gem. Verkehrswertgutachten eine Prioritätenliste zur Män-gelbeseitigung aufstellen. Die Liste ist für den Abbau des IHS verbind-lich; sie kann nur im Einvernehmen zwischen IB und GMSH geändert werden.

2. Der Abbau des IHS erfolgt im Einvernehmen mit der GMSH. Er ist grundsätzlich ein Jahr im Voraus für das Folgejahr zu vereinbaren. Dabei ist auch Einvernehmen darüber herbeizuführen, inwieweit der Abbau des IHS Maßnahmen in der Verantwortung der GMSH berührt und wer dafür die Kosten trägt.

3. Maßnahmen zum Abbau des IHS, wie Maßnahmen der laufenden In-standhaltung, werden grundsätzlich auf mögliche Kopplung mit bauli-chen Maßnahmen (insbesondere Energieeinsparung) hin abgeglichen. IB und GMSH sorgen - ggf. in Abstimmung mit dem Liegenschaftsaus-schuss - für größtmögliche Wahrnehmung von Synergieeffekten aus Maßnahmenkombinationen.

4. Sofern durch den Abbau des IHS Leerstand verursacht wird, führt das zu Pachtzinsnachlass bzw. Verzicht in dem Maße, in dem der Mieter die Mieten berechtigterweise mindert.

1 Gesetz zur Errichtung der Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSHG) vom

15.06.1999, zuletzt geändert durch Landesverordnung vom 16.09.2003, GVOBl. S. 503.

217

5. Vor jeder Durchführung des Abbaus von IHS ist gemeinsam mit der GMSH objektbezogen eine Kosten-Nutzen-Betrachtung der Maßnah-men anzustellen. Dabei sind Folgemaßnahmen, z. B. Instandhaltun-gen und Schönheitsreparaturen, die dadurch ausgelöst werden, zu be-rücksichtigen.

Gem. § 1 Abs. 2 der Vereinbarung zwischen IB und GMSH vom 20.12.1999 hatte die Durchführung der Maßnahmen im Rahmen einer 3-Jahres-Planung zu erfolgen, und zwar auf der Grundlage eines einver-nehmlich jährlich im Voraus für das Folgejahr aufzustellenden Maßnah-menkatalogs, der objektbezogene Kostenschätzungen enthält. § 3 Abs. 2 der Vereinbarung verpflichtete die GMSH, bei der Einschaltung Dritter zur Erbringung von Bau- und Lieferleistungen die Vorschriften des öffentlichen Vergaberechts anzuwenden. Mit der Übernahme der Liegenschaften und deren Vermietung zum 01.06.2003 durch die Liegenschaftsverwaltung Schleswig-Holstein Anstalt des öffentlichen Rechts (LVSH)1 entfällt der Pachtvertrag. Der Abbau des IHS wird jedoch weiterhin von der GMSH im Auftrag der LVSH durchge-führt (vgl. Tz. 19.5).

19.3 Verkehrswertgutachten Grundlage für den Abbau des IHS waren die in den Verkehrswertgutach-ten festgestellten Mängel an den Gebäuden. Der in den Kaufverträgen no-tariell beurkundete Kaufpreis sollte dem Verkehrswert der Immobilie ab-züglich der Kosten für den Abbau des IHS entsprechen. Die EU-rechtlich, haushaltsrechtlich und bilanzrechtlich erforderlichen Verkehrswertgutach-ten zur Ermittlung der Kaufpreise waren von der IB unter Einhaltung des für öffentliche Auftraggeber vorgeschriebenen Vergabeverfahrens in Auf-trag zu geben.

19.3.1 Auftragsinhalt Die Aufträge für die Verkehrswertgutachten hatten u. a. auch den Inhalt, dass die Gutachter „alle Baumängel, Bauschäden und Instandhaltungs-staus etc. in einem eigenen, in sich geschlossenen Kapitel darzustellen“ hatten und „Baumängel, Bauschäden und Instandhaltungsstaus, die bis zu ihrer Beseitigung zu einer Mietminderung führen, gesondert nachzuwei-sen“ waren.

1 Gesetz zur Neustrukturierung der Landesbank Schleswig-Holstein Girozentrale, zur Ver-

selbstständigung der Investitionsbank und zur Verwaltung der Landesliegenschaften vom 07.05.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 206.

218

Der Begriff „Instandhaltungsstau“ ist baufachlich nicht eindeutig definiert und wird mit unterschiedlichen Inhalten belegt. In der politischen und fach-lichen Diskussion, die dem Verkauf der Landesimmobilien vorausging, wurde er gleichgesetzt mit dem seit mehreren Jahren aufgelaufenen Bau-unterhaltungsstau (vgl. Tz. 19.1), der über Bauschäden und Baumängel hinaus noch weitere den Wert einer Immobilie mindernde bauliche Folgen umfasst. Nach Aussage des Finanzministeriums hätten die Gutachter nur den Auftrag gehabt, Baumängel und Bauschäden herauszustellen und zu be-werten (üblicher Inhalt eines Wertgutachtens)1. Diese seien vom Finanz-ministerium und der IB mit dem Ausdruck „Instandhaltungsstau“ belegt und im weiteren Verfahren beibehalten worden. IHS i. S. des Liegenschafts-modells seien nur die von den Gutachtern dargestellten Baumängel und Bauschäden; der Abbau obliege der IB/LVSH. Instandhaltung sei die von der GMSH (jetzt LVSH) vertragsgemäß aus der Miete zu finanzierende Bauunterhaltung; auch diese Beträge/Mietanteile ergäben sich aus den Gutachten bzw. seien bei Sachwertimmobilien mit entsprechenden Durch-schnittssätzen hochgerechnet. Eine differenzierte Darstellung und Bewer-tung des abzubauenden Bauunterhaltungsstaus hätte außerhalb des Be-wertungsverfahrens erfolgen müssen, da derartige Ermittlungen nicht übli-cher Bestandteil eines Verkehrswertgutachtens seien. Der LRH schließt daraus, dass die Aufträge für die Wertgutachten inhalt-lich nicht den tatsächlichen Willen von IB und Finanzministerium wieder-geben. Im Übrigen hat diese Auslegung von IB und Finanzministerium zur Folge, dass Maßnahmen zum Abbau des Bauunterhaltungsstaus, die in den Wertgutachten nicht als Bauschäden- und Baumängelbeseitigung aufgeführt sind, auch dann von der GMSH (jetzt LVSH) aus der Miete finanziert zu beseitigen sind, wenn sie die normalen Instandhaltungsauf-wendungen übersteigen.

19.3.2 Vergabeverfahren Vom Finanzministerium wurden die zu übertragenden Liegenschaften un-ter regionalen Gesichtspunkten in Lose aufgeteilt. Die ausgeschriebene Leistung (Gutachterauftrag) wurde einvernehmlich von IB und Land (ver-treten durch Finanzministerium, Oberfinanzdirektion und Landesbauver-waltung/GMSH) formuliert. Nach Angaben der IB wurden die in der folgen-den Tabelle im Überblick zusammengefassten Aufträge erteilt:

1 Verordnung über Grundsätze für die Wertermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken

(Wertermittlungsverordnung - WertV) vom 06.12.1988, BGBl. I S. 2209, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.08.1997, BGBl. I S. 2081.

219

Liegenschaften Auftragswert Auftrag Verfahren Los Anzahl €

1 44

3 43 243.119

5 33

2 42 91.930

öffentliche Aus-schreibung nach

VOL

4 32 105.572

1. Auftrag

1. Tranche 1-5 194 440.621

Nachtrag freihändige Ver- gabe nach VOL 6 41 145.718

7 40 159.523

Nachtrag 2 8.181

8 40 103.792

Nachtrag 1 75.454

Teilnahmewett- bewerb nach VOF

9 41 104.815

2. Auftrag

2. Tranche 7-9 124 451.765

10 27 55.271

Nachtrag 2 4.295

11 5 71.581

Nachtrag 5 9.024

freihändige Ver- gabe nach VOL

12 nicht in Auftrag gegeben

3. Auftrag

3. Tranche 10-12 39 140.171

Insge-samt 398 1.178.275

Bei der Vergabe der Verkehrswertgutachten durch die IB kam es zu er-heblichen Vergaberechtsverstößen. Die erste Tranche (Lose 1 bis 5) wur-de nach einer bundesweiten öffentlichen Ausschreibung nach der Verdin-gungsordnung für Leistungen (VOL)1, ein Nachtrag (Los 6) freihändig nach VOL, die zweite Tranche nach einem Teilnahmewettbewerb nach der Ver-dingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF)2 und die dritte Tran-che schließlich wiederum freihändig nach der VOL vergeben. Die Bewertung von Immobilien ist eine Leistung, die sich eindeutig und er-schöpfend beschreiben lässt. Solche Leistungen sind nach § 1 dritter Spie-gelstrich VOL/A i. V. m. § 2 Satz 2 VOF Dienstleistungen, die nach der VOL zu vergeben sind. Bei Dienstleistungen, deren geschätzter Auftrags-wert ohne Umsatzsteuer sich mindestens auf 200.000 € sowie 80.000 € für Lose (oder bei Losen unterhalb von 80.000 € deren addierter Wert ab

1 Verdingungsordnung für Leistungen (VOL), Bekanntmachung der Neufassung Ausgabe

2002, Bundesanzeiger Nr. 216a vom 20.11.2002. 2 Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF), Bekanntmachung der Neufas-

sung, Bundesanzeiger Nr. 203a vom 30.10.2002.

220

20 % des Gesamtwerts aller Lose der Dienstleistungsaufträge) beläuft, ist ein EU-weites Vergabeverfahren nach § 3a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A (Offenes Verfahren) durchzuführen. Bei der Vergabe wurden diese Schwellenwerte der Vergabeverordnung1 und die dort enthaltenen Werte für einzelne Lose nicht beachtet. Jedenfalls hätte der erste und zweite Auftrag (Lose 1 bis 5, 7 bis 9) in einem EU-weiten und Offenen Verfahren vergeben werden müssen. Offensichtlich war der IB nicht klar, welche Verdingungsordnung zugrunde zu legen war, vielmehr wurden VOL und VOF gleichermaßen angewendet. Im Offenen Verfahren hat der Auftraggeber alle Zuschlagskriterien mög-lichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung (vgl. § 9a VOL/A) bekannt zu machen sowie angemessene Eignungsnachweise (vgl. § 7a VOL/A) zu fordern. Weder lassen die dem LRH zur Verfügung gestell-ten Unterlagen erkennen, dass die VOL verbindlich vereinbart wurde, noch ist die Bekanntmachung der Zuschlagskriterien den vorliegenden Akten zu entnehmen. So folgte der Zuschlag auch nicht ausschließlich dem Wirt-schaftlichkeitskriterium (vgl. § 25 Nr. 3 VOL/A). Vielmehr wurde nach dem Grundsatz der VOF ein leistungsbezogener Wettbewerb dokumentiert. Das Finanzministerium hat seine Überprüfung dieser Bewertungen des LRH noch nicht abgeschlossen und wird hierzu im weiteren Verfahren Stellung nehmen.

19.3.3 Qualität der Verkehrswertgutachten Trotz der in der Leistungsbeschreibung aufgenommenen Anforderungen und des leistungsbezogenen Wettbewerbs wurden die Wertgutachten teil-weise umfangreich nachgebessert, auch teils nicht abgenommen, sodass Aufträge entzogen werden mussten.

19.3.4 Überprüfung der Gutachtenergebnisse Nach Vorliegen der Wertgutachten stimmten Land und IB zunächst ein Prüfungsschema ab und übertrugen anschließend die Gutachten-Über-prüfung den Wertermittlern der GMSH. Da dieses Verfahren nicht fehlerfrei ablief, schloss sich ein zweites Überprüfungsverfahren an, das die Über-prüfung der Wertgutachten auf richtige Darstellung der Baumängel und Bauschäden sowie Angemessenheit der Schadensbeseitigungskosten zum Inhalt hatte. Aufgrund dieser Überprüfung und der Feststellung, dass vereinbarungsgemäß die Verkehrswertgutachten keine Planungs-, Aus-schreibungs- und Bauunterlagen enthielten, erstellte die GMSH im Auftrag

1 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV) i. d. F. d.

Bekanntmachung vom 11.02.2003, BGBl. I S. 169.

221

der IB die zur Vorbereitung der Baumaßnahmen erforderlichen Unterlagen mit genauen Kostenberechnungen auf der Grundlage detaillierter Untersu-chungen und Planungen gem. HOAI1. Alsbald wurde erkennbar, dass die von der GMSH ermittelten Kosten für den Abbau des IHS teilweise erheb-lich von den Angaben in den Verkehrswertgutachten abwichen. Nachdem dies bei 59 Kostenberechnungen mit gleicher Tendenz festge-stellt worden war, wurde die GMSH vom Finanzministerium beauftragt, die IHS-Mehrkosten zu durchleuchten. Die von ihr dargestellten Gründe ma-chen deutlich, dass die Aussagen in den Wertgutachten teilweise wenig brauchbar waren, was sowohl auf nicht eindeutige und vollständige Vor-gaben im Leistungsverzeichnis als auch auf nicht fachgerechte Arbeit der Gutachter und mangelnde Überwachung der Gutachter zurückzuführen ist. Das Finanzministerium hält eine generelle Kritik an den Verkehrswert-gutachten für unberechtigt. Unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorga-ben seien die im Verfahren ermittelten Verkehrswerte, insbesondere unter Bezugnahme auf die geforderte Unabhängigkeit der Gutachter, hinrei-chend begründet und nachvollziehbar abgeleitet worden. Der LRH bleibt bei seiner Bewertung, die durch die Ergebnisse stichpro-benhafter Prüfungen einzelner Gutachten, fachliche Bewertungen der GMSH und die weiteren Veränderungen der Werte für den IHS im Einzel-fall gestützt wird.

19.4 Kosten des Instandhaltungsstaus Die beschriebenen verschiedenen Überprüfungen der Verkehrswertgut-achten führten zu folgenden Kostenschätzungen:

Instandhaltungsstau lt. Wertgutachten BK* +

BNK** (teilweise ergänzt)

1. Kostenberechnung GMSH (ungeprüft)

BK + vorläufige BNK

2. Kostenberechnung GMSH (geprüft)

BK + vorläufige BNK

41.054.030,76 € 53.625.956,25 € 45.183.908,72 € * BK = Baukosten = Gesamtbaukosten ohne Baunebenkosten ** BNK = Baunebenkosten

1 Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und Ingenieure (Honorar-

ordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI) vom 17.09.1976, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.11.2001, BGBl. I S. 2992.

222

Später ergaben sich weitere Abweichungen der tatsächlichen von den ge-schätzten Kosten. Über die Aufteilung der zusätzlichen Kosten wollen Finanzministerium und LVSH als Nachfolgerin der IB (vgl. Tz. 19.5) fol-gende Vereinbarung schließen:1 Forderungen aus IHS-Abbau Forderungen der IB/LVSH an das Land: 50 % der Nettokosten-überschreitung gem. Masterliste (bereits beauftragt)

gesamt: 6.056 T€, davon 50 %:

3.028 T€ 50 % der bereits bekann-ten Mehrkosten aus IHS, die in den Kostensteige-rungen der Prüfberichte nicht enthalten sind (bisher noch nicht erfasst)

gesamt: 6.511 T€, davon 50 %:

3.256 T€ Zwischensumme gesamt: 12.567 T€, davon 50 %: 6.284 T€ nicht von der IB zu tragen (Hochrechnung)

173 T€

50 % der Kosten aus bau-aufsichtlichen Auflagen

gesamt: 3.319 T€, davon 50 %:

1.660 T€

Summe 8.117 T€ Forderungen des Landes an die IB/LVSH: Abbau des IHS durch das Land 4.323 T€

Saldo: 3.794 T€ Ablesbar ist, dass die Kostenerhöhungen beim IHS zwischen Land und LVSH hälftig geteilt werden. Der LRH hält dies für gerechtfertigt, da beide Seiten auch an der Bearbeitung der Verkehrswertgutachten gleicherma-ßen beteiligt waren und sich damit die später ermittelten Abweichungen zu den darin ermittelten Kosten des IHS (allein aus Kostenüberschreitungen und in den Prüfungsberichten nicht enthaltenen Kostensteigerungen rd. 12,6 Mio. €) in gleicher Weise zurechnen lassen müssen. Die überschießenden Kosten würden anderenfalls vollständig beim Eigen-tümer der Liegenschaften, d. h. nunmehr der LVSH verbleiben, wo sie nicht aktiviert werden könnten, d. h. in voller Höhe aufwandswirksam wer-den würden. Der Landtag hat dieser Lösung am 12.12.2003 im Zusammenhang mit der Übertragung einer letzten Tranche von Liegenschaften zugestimmt. Das Finanzministerium macht geltend, dass die GMSH mit der ihr über-tragenen Aufgabe als „ordentlicher Verwalter“ der Liegenschaften aus technischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten heraus die Verpflichtung

1 Vgl. Landtagsdrucksache 15/3082 vom 27.11.2003.

223

hatte, eine übergreifende Planung, auch Instandhaltungsplanung zu entwi-ckeln, in der sämtliche erforderlichen Maßnahmen an den Liegenschaften erfasst und hinsichtlich der Kostenverantwortung allein auf der Grundlage sachlicher Kriterien zugeordnet1 wurden. Aus der unterschiedlichen Inte-ressenlage der Beteiligten sei der Prozess dieser Zuordnung von der GMSH umfänglich zu moderieren gewesen, da die beteiligten Institutionen die ihnen im Rahmen des Liegenschaftsmodells jeweils übertragene wirt-schaftliche Verantwortung energisch wahrgenommen hätten. Vor diesem Hintergrund sei auch die angestrebte Regelung zur Kostenteilung bei nachträglich erkannten, den vertraglich definierten IHS zuzurechnenden Baumängeln zu verstehen, nämlich als logische Konsequenz, um streitige Verfahren zu vermeiden. Mit der Beteiligung beider Seiten an der Bearbei-tung der Verkehrswertgutachten habe dies nichts zu tun. Diese Begründung ändert nach Auffassung des LRH nichts daran, dass die in den Gutachten angesetzten Kosten für den Abbau des festgestellten IHS nicht den tatsächlich hierfür erforderlichen Kosten entsprachen und die zusätzlichen Kosten nunmehr von den am Liegenschaftsmodell Betei-ligten erbracht werden mussten. Im Übrigen wird allerdings der Kosten-schlüssel damit nicht erklärt.

19.5 Neuorganisation der Liegenschaftsverwaltung Die Neuorganisation hat zu einer Zusammenführung von Eigentum und Vermietungsaufgabe bei der neu errichteten LVSH geführt. Durch die Ge-samtrechtsnachfolge und damit komplette Herauslösung des Liegen-schaftsvermögens aus dem Vermögen der IB, mit dem auch die Verpflich-tung zum Abbau des IHS übergegangen ist, erübrigt sich jegliche Abrech-nung zwischen Land und IB. Für die IB ist die Übertragung ergebnisneut-ral. Aufgabe der LVSH als Nachfolgerin der IB als Eigentümerin der Immobi-lien und als Vertragspartner der Kaufverträge wird es sein, den Abbau des IHS gemeinsam mit der GMSH zu Ende zu führen und die umgesetzten Maßnahmen gegenüber dem Land abzurechnen. Für die GMSH hat die Neuordnung zur Folge, dass sie ihren Aufwand im Rahmen des Abbaus des IHS gegenüber der LVSH, für die sie in Organ-leihe tätig ist, in Höhe der Ist-Kosten abrechnen muss, während sie ge-genüber der IB als „Betrieb gewerblicher Art“ auf der Grundlage von Markt-preisen (z. B. HOAI) abrechnen konnte.

1 Vgl. Tz. 19.6.

224

19.6 Zuordnung der Maßnahmen Da es nicht sinnvoll ist, die Bauschäden und Baumängel isoliert zu beseiti-gen, wurde bei der Festlegung der Maßnahmenpakete angestrebt, sie mit anderen anstehenden Verbesserungen zu kombinieren. Dies waren fol-gende Maßnahmenarten: • Vom Mieter (gesondert) finanzierte Maßnahmen (Schönheitsreparatu-

ren, Erneuerung textiler Bodenbeläge, Unterhaltung nutzerspezifischer Anlagen, Kleinreparaturen),

• von der GMSH zu finanzierende Energiesparmaßnahmen, • in der Miete enthaltene Instandhaltung (diese wird nach den Regelun-

gen des Rahmenmietvertrags von der GMSH finanziert). Zu beachten ist, dass das Land bis zur endgültigen Übergabe aller an die IB/LVSH veräußerten Liegenschaften noch Mittel aus Titel 1211-519 02 - Zur Unterhaltung der Grundstücke und baulichen Anlagen in Anmietung bei der IB und noch zu übertragenden Liegenschaften - bereitzustellen hatte. Diese betrugen für die Jahre 2000 bis 2003 rd. 9,8 Mio. €.

19.7 Höhe des Bauunterhaltungsstaus Der Bauunterhaltungsstau war Ende 1999 höher als der errechnete IHS, der als identisch mit den Kosten für die Beseitigung der Bauschäden und Baumängel definiert wurde. Denn neben den Mitteln für die Beseitigung des IHS mussten in den Jahren 2000 bis 2003 vom Land rd. 9,8 Mio. € (vgl. Tz. 19.6) und von der GMSH rd. 27,6 Mio. € für in der Miete enthalte-nen Instandhaltungen (vgl. Tz. 19.3.1) aufgewendet werden, wobei beson-ders hohe Beträge in 2001 (11,7 Mio. €) und 2002 (10,2 Mio. €) anfielen. Die Summe von rd. 37,4 Mio. € liegt oberhalb dessen, was für einen Lie-genschaftsbestand von rd. 627 Mio. €1 im Durchschnitt in 4 Jahren für die Bauunterhaltung anzusetzen ist. Das Finanzministerium macht geltend, es sei Aufgabe der GMSH gewe-sen, zur Gewährleistung wirtschaftlicher Bauabläufe sämtliche an den Lie-genschaften notwendige Baumaßnahmen zu bündeln und umzusetzen. Für die laufende mietefinanzierte Instandhaltung hätten sich aus den Wertgutachten der Höhe nach bestimmte Jahresbeträge ergeben, die von der GMSH/LVSH regelmäßig aufzuwenden gewesen seien. Wegen der vorlaufenden Planungstätigkeiten in 1999 und 2000 hätten in diesen Jah-ren noch keine maßgeblichen Instandhaltungsbeträge umgesetzt werden können, sodass sich in 2001 und 2002 entsprechend höhere Jahresbeträ-ge ergeben hätten. Dies sei im Übrigen auch Folge eines optimierten Bau-

1 Der Wirtschaftsplan der LVSH enthält für die Jahre ab 2004 jährlich Aufwendungen von

5,3 Mio. € für die mietefinanzierte Instandhaltung.

225

ablaufs und des Kopplungserfordernisses gewesen. Zwangsläufig korres-pondiere ein hoher Jahresumsatz im IHS mit ebenso erhöhten Ausgaben in der mietefinanzierten Instandhaltung. Der Mittelwert der in den Jahren 2000 bis 2003 eingesetzten Gelder liege mit 6.110 T€ im Rahmen des all-gemein üblichen Instandhaltungsumfangs. Bei dem Einsatz weiterer 9,8 Mio. € aus Haushaltsmitteln des Landes habe es sich um Ausgaben für die notwendige „Bauunterhaltung“ in den noch nicht übertragenen Lie-genschaften gehandelt. Der LRH stellt fest, dass der tatsächliche Bauunterhaltungsstau den in § 5 des Pachtvertrags vom 20.12.1999 definierten IHS bei weitem überschrei-tet.

19.8 Belastung des Landes Der LRH schätzt, dass das Land in den Jahren 1993 bis 1999 durch Re-duzierung der Bauunterhaltungsmittel max. 40 Mio. € weniger als notwen-dig ausgegeben hat. Dies führte dazu, dass nunmehr über die Regelun-gen zum IHS-Abbau im Zusammenhang mit dem Verkauf der Immobilien an die IB/LVSH und die insbesondere in den Jahren 2001 und 2002 außergewöhnlich hohen Aufwendungen der GMSH für in der Miete enthal-tene Instandhaltung ein erheblich höherer Betrag geleistet werden muss. Dieser wird im Ergebnis überwiegend durch Kredite finanziert und muss über die vom Land zu zahlenden Mieten auch künftig abgegolten werden.

19.9 Baumaßnahmen der Zweigniederlassungen Bei der Abwicklung von Baumaßnahmen zum Abbau des IHS durch die Zweigniederlassungen der GMSH wurde in vielen Fällen gegen die HOAI und gegen das Vergaberecht verstoßen. Die Zweigniederlassung Flensburg setzte für die Planung und Bauüberwa-chung weitgehend qualifiziertes eigenes Personal ein, während die Zweig-niederlassungen Kiel und Lübeck hierfür freiberuflich Tätige beschäftigten. In allen geprüften Verträgen mit Architekten und Ingenieuren wurden die geschuldeten Leistungen unzulänglich festgelegt. Regelmäßig wurde ge-gen § 16 Abs. 2 HOAI (Zeithonorar nur bei anrechenbaren Kosten unter 25.565 €) sowie gegen § 27 HOAI (Erhöhung des Vom-Hundert-Satzes für die Bauüberwachung - Leistungsphase 8 des § 15 HOAI - um bis zu 50 %) verstoßen. Bei allen geprüften Baumaßnahmen erhöhte sich der Umfang der verge-benen Einzelaufträge gegenüber den durch die Hauptniederlassung der GMSH ursprünglich in Auftrag gegebenen Leistungen stets erheblich. Die Aufträge wurden überwiegend freihändig vergeben oder lediglich unter

226

wenigen regionalen Bietern beschränkt ausgeschrieben. Damit wurde re-gelmäßig gegen den im Vergaberecht verankerten Grundsatz der öffentli-chen Ausschreibung verstoßen. Es wurde eine große Anzahl von Nachträ-gen in Auftrag gegeben, wobei nicht selten eine schriftliche vertragliche Vereinbarung fehlte. Teilweise wurden Aufträge bewusst gesplittet, um sie über Bestellscheine freihändig vergeben zu können. Solche Aufträge wur-den überwiegend an einige wenige ortsansässige/regionale Firmen erteilt. Die Vorschrift des § 5 Abs. 5 des Pachtvertrags, wonach bei der Kopplung mit Energiesparmaßnahmen zuvor eine Kosten-Nutzen-Betrachtung anzu-stellen ist (vgl. Tz. 19.2.2), wurde regelmäßig nicht beachtet. Das Finanzministerium hat angekündigt, dass es hierzu im weiteren Ver-fahren Stellung nehmen werde, nachdem die vom LRH beanstandeten Einzelvorgänge auch in der GMSH eingehend fachaufsichtlich geprüft wurden.

227

20. Bewirtschaftung öffentlicher Liegenschaften durch die GMSH

Die gezielte Bewirtschaftung von rd. 38 % der vom Land genutz-ten Liegenschaften erbrachte im Zeitraum Anfang 1998 bis Ende 2002 Einsparungen von rd. 9,9 Mio. €/Jahr. Diese sind jedoch mit rd. 6,8 Mio. €/Jahr zum weitaus größten Teil noch Ergebnis von Landesinitiativen, die eingeleitet wurden, bevor sich die Steue-rung durch die GMSH im Jahr 2001 erstmals auswirken konnte. Der Grad der Zielerreichung ist bei den verschiedenen Einspar-sektoren bislang sehr unterschiedlich. Eine Zielanpassung ist er-forderlich. Mit konkreten Zielvorgaben zur Reduzierung von Energie-verbrauch und CO2-Emissionen muss ein stärkerer Anreiz ge-schaffen werden, um ökologische Verbesserungen zu erreichen. Das Land sollte auch für seine nicht von der GMSH bewirtschaf-teten Liegenschaften (62 %) vergleichbare ökonomische und ökologische Ziele setzen und sie mit einer systematischen Ge-bäudebewirtschaftung umsetzen.

20.1 Ökonomische Ziele und deren Umsetzung

20.1.1 Zielsetzung

Die vom Land genutzten Liegenschaften (rd. 1,63 Mio. m² Hauptnutzfläche - HNF)1 werden zu rd. 38 % (rd. 0,62 Mio. m² HNF)2 von der mit Wirkung vom 01.07.1999 errichteten Gebäudemanagement Schleswig-Holstein An-stalt des öffentlichen Rechts (GMSH) bewirtschaftet. Dazu haben die 3 Vertragspartner Land, GMSH und Liegenschaftsverwaltung Schleswig-Holstein (LVSH)3 im Geschäftsbesorgungsvertrag (GBV) vom März 20004 gemeinsame, ehrgeizige Ziele zur Reduzierung der Bewirtschaftungskos-ten festgelegt: • Mietkostensenkung durch Flächenreduzierung um 10 % innerhalb von

5 Jahren ab 2001 (rd. 5,03 Mio. €/Jahr),

1 Nach Angaben des Finanzministeriums und der GMSH. 2 Im Wesentlichen Verwaltungsbauten wie Ministerien, Gerichte, Finanzämter, Katasteräm-

ter, Straßenbauverwaltung, Polizei, Schulen usw. - eine Bandbreite von kleinen Polizei-dienststellen auf dem Lande bis hin zu den Ministerien und großen Behördenkomplexen in Kiel, Lübeck und Itzehoe.

3 Liegenschaftsverwaltung Schleswig-Holstein Anstalt des öffentlichen Rechts, seit 01.06.2003 Vertragspartner anstelle der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB).

4 Geschäftsbesorgungsvertrag vom 10.03.2000 zwischen Land, GMSH und IB; ergänzt durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit der LVSH vom 03.06.2003.

228

• Reduzierung der Bewirtschaftungskosten1 (ohne Ver- und Entsor-gung) um 30 % innerhalb von 10 Jahren ab 2001 (rd. 9,15 Mio. €/Jahr; d. h. rd. 4,58 Mio. €/Jahr bis 20052) - davon 10 % durch Flächenredu-zierung (d. h. rd. 3,05 Mio. €/Jahr bzw. rd. 1,53 Mio. €/Jahr),

• Reduzierung der Ver- und Entsorgungskosten3 um 20 % innerhalb von 5 Jahren ab 2001 (rd. 1,8 Mio. €/Jahr) - davon 10 % durch Flä-chenreduzierung (d. h. rd. 0,9 Mio. €/Jahr).

Zum Maßstab wurden die grob geschätzten o. a. Kosten im Basisjahr 1997 bestimmt. Zudem wurde zugestanden, die vor dem Beginn der Bewirt-schaftung durch die GMSH (2001) erzielten Einsparungen der Zielerrei-chung zuzurechnen4. Für den mit rd. 62 % (rd. 1,01 Mio. m² HNF) überwiegenden Teil der Lie-genschaften - der mit einem Anteil von rd. 32 % (rd. 0,52 Mio. m² HNF) den Universitäten und Fachhochschulen des Landes sowie dem Universi-tätsklinikum Schleswig-Holstein zuzuordnen ist - gibt es bislang keine ver-gleichbaren Zielvorgaben5. Hierfür fehlt zurzeit auch deswegen die Basis, weil für diese Liegenschaften keine funktions- und fortschreibungsfähige Liegenschaftsdatei existiert.

20.1.2 Bisherige Ergebnisse Von 1998 bis 2002 wurden folgende Kosteneinsparungen erzielt6:

1998 - 2000 2001 - 2002 ∑ (1998 - 2002) Aufgabenstellung Mio. €/Jahr Mio. €/Jahr Mio. €/Jahr Senken der Mietkosten durch Flächenreduzierung 1,72 0,63 2,35

Senken der Bewirtschaf- tungskosten (ohne Ver- und Entsorgung)

2,80 (3,71*)

1,16 (1,45*)

3,96 (5,16*)

Senken der Ver- und Entsorgungskosten

1,10 (1,37*)

0,89 (0,98*)

1,99 (2,34*)

Summe 5,62 (6,80*)

2,68 (3,06*)

8,30 (9,85*)

* Zahlenangaben in Klammern: einschl. kalkulatorischer Kostensenkung durch Flächen-

reduzierung

1 Hausmeistertätigkeit, Reinigungsdienste, Sicherheitsdienste, Außenanlagenpflege, Be-

triebsführung von technischen Anlagen, Wartung, Inspektion und Kleinreparaturen. 2 Linearer Verlauf unterstellt. 3 Versorgung: Strom, Wärme, Gas, Heizöl, Wasser; Entsorgung: Abwasser, Niederschlagswasser, Abfall; Energiemanagement. 4 Bereits im Rahmen seiner Prüfung „Organisation und Wirtschaftlichkeit der Gebäuderei-

nigung im Landesbereich“ hatte der LRH auf erhebliche Kosteneinsparpotenziale auf-merksam gemacht. Dem folgend hatte das Land schon im Haushalt 1998 globale Einspa-rungen von rd. 1,8 Mio. € bei den Reinigungskosten veranschlagt.

5 Es ist allerdings vorauszusetzen, dass die Hochschulen und das Klinikum ihre Liegen-schaften nach engen finanziellen Vorgaben bewirtschaften.

6 Zahlenangaben auf der Grundlage der Berichte, welche die GMSH gem. § 4 Abs. 2 GBV dem Land jährlich zu erstatten hat.

229

Daraus ist ersichtlich, dass gut 2 Drittel der insgesamt erzielten Kostenein-sparungen noch durch Landesinitiativen bis zum Jahresende 2000 als Vor-leistungen des Landes veranlasst waren, bevor sich die Steuerung durch die GMSH ab 2001 auswirken konnte. In den beiden Bewirtschaftungsjahren 2001 und 2002 lagen die erzielten Einsparungen demgegenüber signifikant niedriger. Besonders stark sank die Einsparrate bei den Miet- und bei den Bewirtschaftungskosten ohne Ver- und Entsorgung (jeweils um fast 2 Drittel). Auch für das Jahr 2003 wird keine höhere Einsparrate erwartet. Finanzministerium, GMSH und LVSH erklären, bereits nach dem Be-schluss der Landesregierung über das Liegenschaftsmodell im August 1997 seien, durch Anreize bzw. Haushaltseinschränkungen forciert, ver-stärkt Einsparbemühungen unternommen worden. In keinem Bereich kön-ne der Erfolg nur einem Partner des GBV zugeordnet werden. Die Erfolge seien allein der grundsätzlich neuen Ausrichtung in der Bewirtschaftung zuzuschreiben. Die dargestellte Ausgangslage ist unstrittig. Gleichwohl erkennt der LRH eine klare Aufgabenverteilung zwischen den Vertragspartnern mit einem deutlichen Schwerpunkt bei der GMSH als ausgewiesenem Dienstleister gegenüber dem Land und der LVSH. Dies ergibt sich u. a. aus den Aufga-benzuweisungen im GMSH-Gesetz1 und in den geschlossenen Ver-trägen2. Dies muss sich zwangsläufig auch in der Erfolgszumessung niederschlagen. Dabei kann allerdings das Nutzerverhalten des Landes im Einzelfall den Erfolg der GMSH schmälern oder verzögern (Beispiele: Mietkosteneinsparung; Stromkosteneinsparung bei EDV-Geräten, vgl. Tz. 20.3.4).

20.1.3 Grad der Zielerreichung stark unterschiedlich - Zielanpassung erfor- derlich

Die bislang erzielte Mietkosteneinsparung durch Flächenreduzierung lag zum Jahresende 2002 mit rd. 2,4 Mio. €/Jahr bei rd. 46,7 % der Ziel-vorgabe (rd. 34,2 % in 1998 bis 2000 sowie rd. 12,5 % in 2001 bis 2002) mit weiterhin abnehmender Tendenz. Aufgrund der aktuellen Entwicklung in 2003 muss damit gerechnet werden, dass das für Ende 2005 gesetzte Ziel von rd. 5,03 Mio. €/Jahr Mietkosteneinsparung weit verfehlt wird.

1 Gesetz zur Errichtung der Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSHG) vom

15.06.1999, zuletzt geändert durch Landesverordnung vom 16.09.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 503.

2 Von Bedeutung sind insbesondere der Geschäftsbesorgungsvertrag und der Rahmen-bewirtschaftungsvertrag.

230

Dies wirkt sich auch auf die durch Flächenreduzierung erzielbare Vermin-derung aller Bewirtschaftungskosten aus. Hier sind starke Anstrengungen nötig, die erarbeiteten Konzepte auch tatsächlich umzusetzen. Bei der Verminderung der Bewirtschaftungskosten (ohne Ver- und Ent-sorgung) war bis Ende 2002 mit einer Einsparung von rd. 4,0 Mio. €/Jahr das für 2010 gesetzte Ziel (rd. 6,10 Mio. €/Jahr ohne Flächeneinsparung) bereits zu rd. 64,9 % erreicht (rd. 45,9 % in 1998 bis 2000 sowie rd. 19,0 % in 2001 bis 2002). Es ist zu erwarten, dass das für 2010 fixierte Ziel vorzeitig erreicht werden kann. Der zukünftige Arbeitsschwerpunkt sollte bei einer weitergehenden Identi-fizierung und Umsetzung der Einsparmöglichkeiten unter Einsatz des CAFM1-Systems liegen. Bei der Reduzierung von Ver- und Entsorgungskosten war am Jahres-ende 2002 mit einer Einsparung von rd. 2,0 Mio. €/Jahr das für 2005 gesetzte Ziel (rd. 0,9 Mio. €/Jahr) mit rd. 221,1 % bereits weit über-schritten (rd. 122,2 % in 1998 bis 2000 sowie rd. 98,9 % in 2001 bis 2002). Zukünftige Einsparquoten werden niedriger ausfallen und durch Preisanstiege von Fall zu Fall ganz oder teilweise kompensiert werden. Der zukünftige Schwerpunkt wird bei investiven und nichtinvestiven Ener-giesparmaßnahmen liegen müssen, weil die Möglichkeiten der Preis-minderung bei Energielieferungsverträgen bereits weitgehend ausge-schöpft sind. Die Zielsetzungen müssen für alle 3 Teilbereiche den Gegebenheiten an-gepasst und fortgeschrieben werden. Finanzministerium, GMSH und LVSH sehen sich grundsätzlich für eine neue Zielvereinbarung offen. Entscheidend seien realistische Ziele. Nach den bisher gemachten Erfahrungen erscheint den Vertragspartnern eine Zielvereinbarung, die auf der Zeitschiene nachweisbar das Erreichen von Zuständen oder die Durchführung bestimmter Aktionen beinhaltet, zielfüh-render. Der LRH hält es für erforderlich, auch weiterhin konkrete Zahlenwerte als Ziele vorzugeben. Denn wenn das Land diese durch eher qualitative Ziele ersetzen will, begibt es sich ohne Not der Möglichkeit einer objektiven und eindeutigen Erfolgsmessung.

1 Computer Aided Facility Management; vgl. auch Tz. 20.3.3.

231

20.1.4 Basisjahr 2000 für Zielvorgaben besser geeignet als 1997 Um den Erfolg zu messen, werden den von der GMSH exakt ermittelten Bewirtschaftungskosten ab 2001 derzeit noch die grob abgeschätzten und nicht verifizierten Kosten im Basisjahr 1997 gegenübergestellt. Zudem werden auch die in den Jahren 1998 bis 2000 erbrachten Vorleistungen des Landes (Tz. 20.1.2) dem Erfolg zugerechnet, wodurch die Bewertung verfälscht wird. Damit die Effektivität der GMSH - auch im Zusammenwirken mit den bei-den Vertragspartnern Land und LVSH - möglichst objektiv beurteilt werden kann, empfiehlt es sich, das der Bewirtschaftungsübernahme unmittelbar vorangehende Jahr 2000 als Basisjahr zugrunde zu legen und mit dem ersten GMSH-Bewirtschaftungsjahr (2001) nach Plausibilitätsgesichts-punkten abzugleichen. Nur anhand so ermittelter eher verlässlicher Kosten eines Basisjahres 2000 kann der Erfolg gemessen und bewertet werden. Finanzministerium, GMSH und LVSH führen aus, die Landesregierung hätte bereits 1997/98 für sich die Ziele definiert, die später in den GBV übernommen wurden. Deshalb wäre die Festlegung auf das Basisjahr 1997 und die Berücksichtigung der Einsparungen ab 1998 folgerichtig. Der LRH sieht die Messung des Erfolgs der GMSH im Vordergrund. Dem-entsprechend sollten Basisjahr und Zielsetzung (vgl. Tz. 20.1.3) angepasst werden.

20.2 Ökologische Ziele und deren Umsetzung Der GBV enthält die sehr allgemein gehaltene Vorgabe, „eine weitgehende Reduktion von CO2-Emissionen anzustreben“. Sie zielt wesentlich darauf ab, den Energieverbrauch in den vom Land genutzten Liegenschaften zu vermindern. Das Fehlen konkreter Einsparziele zum Energieverbrauch und zu den CO2-Emissionen ist insoweit erstaunlich, als die Landesregierung mit ihrem „Energiekonzept Schleswig-Holstein“ vom Januar 19921 sich das Ziel gesetzt hat, sie wolle im gesamten Bereich der öffentlichen Liegen-schaften über vorbildliche (energetische) Sanierungen ihrer eigenen Lie-genschaften eine Vorreiterfunktion einnehmen. Das Energiekonzept setzt für den Sektor „Kleinverbrauch“2, zu dem auch öffentliche Einrichtun-

1 Bericht der Landesregierung, Energiekonzept Schleswig-Holstein, Kapitel 5 b), Land-

tagsdrucksache 12/1802 vom 10.01.1992. 2 Öffentliche Einrichtungen, Handel und Gewerbe, Landwirtschaft, Fischerei usw.

232

gen gehören, das Ziel, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2010 um 19 % zu senken - bezogen auf das Referenzjahr 19891. Ausgehend von dem Ziel des Energiekonzepts zur Senkung der CO2-Emissionen öffentlicher Einrichtungen sowie der vom Land beanspruchten Vorreiterfunktion bedarf es konkreter, wirksamer Ansätze zur mittel- bis langfristigen Rückführung der CO2-Emissionen. Diese müssen in erster Linie beim Stromverbrauch liegen. Der durch erneuerbare Energien (Wind, Sonne, Wasser) erzeugte Strom verdrängt zwar in erster Linie die Strom-erzeugung in - CO2-emittierenden - Mittellastkraftwerken. Weil jedoch mit-tel- bis langfristig die Stromerzeugung in Grundlastkraftwerken ohne be-triebsbedingte CO2-Emissionen ausläuft2, ohne dass bis dahin ein gleich hohes „Ersatzstrom“-Angebot ohne CO2-Emissionen erkennbar ist, werden die auf den Stromverbrauch zurückzuführenden CO2-Emissionen anstei-gen. Das Land ist gefordert, mit einer Konkretisierung der „weitgehenden Re-duktion von CO2-Emissionen“ für ein Umsetzen seines Energiekonzepts zu sorgen und damit zu konkretem Handeln zu motivieren3. Nur so werden Ergebnisse bewertbar gemacht - woran es bislang mangelt. Sowohl für den Energieverbrauch als auch für die CO2-Emissionen sollten Reduk-tionsraten und zugehöriger Zeithorizont festgelegt werden. Dies gilt glei-chermaßen für alle vom Land genutzten Liegenschaften. Im Übrigen sind verringerte CO2-Emissionen i. d. R. Folge eines vermin-derten Energieverbrauchs mit reduzierten Bewirtschaftungskosten. Dage-gen reduzieren nicht alle energierelevanten Kosteneinsparungen den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen (Beispiel: Preisreduzierung als Folge von im Wettbewerb vergebenen Energielieferverträgen). Finanzministerium und GMSH merken hierzu an, das von der GMSH entwickelte und mit dem Konzept zur Reduzierung der Ver- und Entsor-gungskosten vorgestellte Energiemanagementmodell und die auf dieser Grundlage für die Umsetzung bei der GMSH eingeführten Instrumente be-rücksichtigten alle in der Zuständigkeit der GMSH erschließbaren Möglich-keiten für nachhaltige CO2-Reduzierungen, einschl. Energie sparender Baumaßnahmen.

1 Energiekonzept Schleswig-Holstein, Kapitel 3.2 Tabelle 1, Landtagsdrucksache 12/1802

vom 10.01.1992. 2 Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeu-

gung von Energie vom 22.04.2002, BGBl. I S. 1351. 3 Dies geht in die gleiche Richtung wie das aktuelle Bestreben der Landesregierung, die

Energiewirtschaft dazu anzuhalten, die Einsparung des Energie- und Stromverbrauchs voranzutreiben - wie der Landtag es mit seinem am 13.11.2003 zur Landtagsdrucksa-che 15/2912 „Zukunft der Energiewirtschaft“ gefassten Beschluss bestimmt, Plenarproto-koll 15/99 vom 13.11.2003, S. 7561 bis 7581.

233

Der LRH kann diesen Ausführungen in ihrer Allgemeinheit nur zustimmen. Er vermag allerdings nicht zu erkennen, wie das Land ohne quantitative Vorgaben seinem selbst gestellten Anspruch einer Vorreiterfunktion ge-recht werden will.

20.3 Besonderheiten und Defizite in einzelnen Leistungsbereichen

20.3.1 Umstellen von Pauschalkosten auf Einheitspreise Das - allerdings um 2 Jahre verspätete - Umstellen der Rechnungslegung für die Bewirtschaftungsleistungen der GMSH von Pauschalkosten auf flä-chenbezogene Einheitspreise ab Anfang 2004 ist zu begrüßen. Es schafft Kostentransparenz sowie Ansatzpunkte für notwendige Steuerungsmaß-nahmen.

20.3.2 Bestandsdaten auch im dritten Bewirtschaftungsjahr noch nicht voll- ständig aufgenommen

Insbesondere die Aufnahme von Bestandsdaten zu den technischen Anla-gen und Einrichtungen in den vom Land genutzten Liegenschaften und Gebäuden liegt deutlich hinter den von der GMSH selbst gesetzten Zielen zurück. Diese haben sich - nach heutiger Einschätzung der GMSH - als zu ehrgeizig erwiesen. In der Folge fehlt u. a. für diesen komplexen Aufgabenbereich die zur Auf-gabenentwicklung und -steuerung erforderliche Datenbasis.

20.3.3 Fehlen des Bestandsmanagementsystems lässt GMSH weit hinter Zeitplan zurückfallen

Das CAFM-System - bzw. das Bestandsmanagementsystem -, ein zentra-les Koordinierungs-, Steuerungs- und Controllinginstrument, das die kom-plexen Aufgabenstellungen der Gebäudebewirtschaftung grundlegend un-terstützen soll, wird u. a. wegen einer Insolvenz des Auftragnehmers (Jah-resmitte 2003) mit erheblicher Verspätung nicht vor dem dritten Quartal 2004 funktionsfähig zur Verfügung stehen.1 Von dem Einsatz dieser Soft-ware erwartet die GMSH u. a. wesentliche Rationalisierungseffekte, aber auch die notwendige Qualitätssicherung ihrer Aufgaben. Wesentliche Entwicklungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben können deshalb derzeit noch nicht in dem vorgesehenen und auch erforderlichen Umfang wahrgenommen werden. Dies betrifft insbesondere das Erkennen 1 Die vollständige Implementierung des Systems war ursprünglich bis Ende 2001 vorgese-

hen (Quelle: GMSH-Konzept zur Reduzierung der Bewirtschaftungskosten vom 03.05.2001, Abschn. III. 1, S. 4); die Datenerfassung einschl. Systemimplementierung bis Ende 2003.

234

und Ausschöpfen vorhandener Einsparpotenziale für Kosten sowie Ener-gieverbrauch und CO2-Emissionen und auch die Kontrolle der Zielerrei-chung. Die GMSH muss das CAFM-System möglichst schnell implemen-tieren. Finanzministerium, GMSH und LVSH erklären hierzu: Um aus der Ver-zögerung im Systemaufbau keine Nachteile für die zeitliche Erreichung der Einsparziele entstehen zu lassen, habe die GMSH die Einsparaktivitäten parallel zum Aufbau des CAFM-Systems mit Erfolg auf solche Bereiche konzentriert, die auch ohne die CAFM-Unterstützung nachhaltige Ein- sparungen garantieren konnten. Dieses seien im Wesentlichen Maßnah-men gewesen, die keine größeren Ausschreibungen von Leistungen zur Voraussetzung hatten, sondern den Einsatz des eigenen Hausmeister- und Reinigungspersonals optimierten. Auch der LRH hat im Rahmen seiner Erhebungen erhebliche Bemühun-gen festgestellt, die Defizite klein zu halten. Dadurch kann jedoch nicht ausgeräumt werden, dass der Verzug sowohl bei der Erhebung der Be-standsdaten (Tz. 20.3.2) als auch beim Aufbau des CAFM-Systems die Er-füllung der anstehenden Entwicklungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben stark behindert.

20.3.4 Stromkosteneinsparung bei EDV-Geräten Die Landesregierung hat zwar im Juli 2001 beschlossen, das GMSH-Konzept zur Stromeinsparung bei EDV-Geräten mit einer ausgewiesenen Stromsparquote von 30 % bzw. eine Kostensenkung von rd. 180 T€/Jahr zu realisieren. Die notwendige Umsetzung steckt aber bislang noch in den Anfängen und muss vom Land vorangetrieben werden. Finanzministerium und GMSH erklären, sie hätten im Januar 2004 der IT-Kommission des Landes berichtet. Dies hätte zu verschiedenen Klärun-gen und Festlegungen geführt. U. a. hätte die IT-Kommission die IT-Leitstellen der Ressorts aufgefordert, bei der Ausgestaltung des Betriebs der IT und des Nutzerverhaltens auf Strom sparende Maßnahmen mit Nachdruck hinzuwirken. Finanzministerium und GMSH haben allerdings keine Angaben zu den seit Juli 2001 ggf. erzielten Stromkosteneinsparungen und zum Zeithorizont für die Zielumsetzung gemacht.

20.3.5 Benennung von Energiebeauftragten Im Sommer 2003 hatte das Land erst 6 Energiebeauftragte zur Umsetzung der GMSH-Beratung für eine Kosten sparende Energieanwendung durch

235

den Nutzer benannt - bei einem Bestand von 479 Liegenschaften mit 778 Gebäuden. Das Land muss eine ausreichende Anzahl von Energie-beauftragten als qualifizierte Ansprechpartner benennen.

20.3.6 Standardisierung von Arbeitsinhalten und Verträgen für Instandhal- tungsmaßnahmen

Mit dem ursprünglich für 2002 vorgesehenen Pilotverfahren „Aufzugsanla-gen“ soll für die Instandhaltung aller Gewerke eine Standardisierung von Arbeitsinhalten und Verträgen sowie die gebündelte Ausschreibung der In-standhaltungsarbeiten maßgeblich erprobt werden. Das Pilotverfahren war auch im Herbst 2003 noch nicht wesentlich angelaufen. Belastbare Ergebnisse sind erst 2004 zu erwarten. Daher verzögert sich die Kosten sparende Umstrukturierung aller Gewerke weiter. Allein für die Aufzugswartung sind Kosteneinsparungen von deutlich mehr als 100 T€/ Jahr möglich1. Finanzministerium, GMSH und LVSH bestätigen, dass sich die Durch-führung des Pilotverfahrens „Aufzugsanlagen“ gegenüber dem ursprüngli-chen Zeitplan der GMSH verzögert hat. Die begrenzten Personalressour-cen im Regiebereich seien auf solche Aktivitäten konzentriert worden, die zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Bewirtschaftungsbetriebs unverzichtbar waren bzw. höhere Einsparungen erwarten ließen. Der LRH hält dies für keine hinreichende Erklärung u. a. dafür, dass selbst bei den 2002 abzuschließenden Vorarbeiten eines Ingenieurbüros bis zum Herbst 2003 nicht die notwendige Nachbesserung eingefordert worden war. Im Übrigen sind an dieser Stelle nicht allein die für die Aufzugswar-tung möglichen Kosteneinsparungen zu sehen. Die deutliche Verzögerung des Pilotverfahrens verhindert vielmehr bislang auch gleich gelagerte Kos-teneinsparungen bei allen anderen Gewerken.

20.4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen Land, GMSH und LVSH liegen z. T. noch deutlich hinter den gesetzten Zielen zurück. Daher sollten sie auf der Basis des bislang Erreichten mit einer geeigneten Fortentwicklung von Vorgaben und Zielsetzungen eine Konsolidierung einleiten. Die GMSH ist insbesondere gefordert, entsprechend ihrer bereits im Jahr 2003 beschlossenen Zielplanung für die Gebäudebewirtschaftung die Auf-nahme von Bestandsdaten zu Ende zu führen (Tz. 20.3.2) und das noch in der Entwicklung befindliche CAFM-System zeitnah fertig zu stellen und zu implementieren (Tz. 20.3.3).

1 Vgl. Nr. 22.2.4 dieser Bemerkungen.

236

Das Land ist insbesondere gefordert, • zur Erfolgsmessung anstelle des Jahres 1997 das Jahr 2000 als Basis-

jahr festzulegen (Tz. 20.1.4), • in Orientierung an dem Energiekonzept Schleswig-Holstein konkrete

Zielvorgaben zur Reduzierung von Energieverbrauch und CO2-Emis-sionen zu beziffern (Tz. 20.2),

• Vorgehen und Zielsetzung bei der Flächenreduzierung zur Mietkosten-senkung zu überdenken (Tz. 20.1.3),

• die von der GMSH 2001 vorgeschlagene Stromeinsparung bei EDV-Geräten umzusetzen, wie von der Landesregierung beschlossen (Tz. 20.3.4),

• für die Liegenschaften und Gebäude Energiebeauftragte zu benennen (Tz. 20.3.5).

Unabhängig davon sollte das Land für die von ihm genutzten - und nicht von der GMSH bewirtschafteten - Liegenschaften eine systematische Ge-bäudebewirtschaftung mit vergleichbaren ökonomischen und ökologischen Zielvorgaben einrichten, soweit noch nicht geschehen. Dies schließt den Aufbau einer funktions- und fortschreibungsfähigen Liegenschaftsdatei ein (Tz. 20.1.1). Zur Beseitigung dieses Defizits in der Bewirtschaftung aller übrigen Lie-genschaften will das Finanzministerium Lösungsalternativen im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Untersuchung prüfen.

237

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

21. Ausbau des Flugplatzes Kiel-Holtenau Mit der Verlängerung der Start- und Landebahn des Flugplatzes Kiel-Holtenau verfolgen das Land und die Landeshauptstadt Kiel das Ziel, die Leistungsfähigkeit des Regionalflugplatzes für den Linien- und Geschäftsverkehr aus der und in die K.E.R.N.-Region nachhaltig zu sichern. Die der Entscheidung zugrunde gelegten Kostenschätzungen und Prognosen sowie die hieraus abgeleite-ten Bewertungen überzeugen nicht. Aus den vorliegenden Unterlagen ist kein belastbarer Nachweis dafür abzuleiten, dass in der Region um Kiel eine Nachfrage nach Leistungen im Luftverkehr besteht oder zu erwarten ist, die nicht auch auf andere zumutbare Weise als durch den Ausbau des Flugplatzes Kiel-Holtenau abgedeckt werden kann. Die bisher erst geschätzten Investitionskosten bilden noch nicht alle möglichen Kostenrisiken ab. Nach den neuesten Berech-nungen dürfte die Kieler Flughafengesellschaft positive Jahres-ergebnisse bis zum Jahr 2021 nicht erreichen. Die Gesamtbelas-tungen der an der Finanzierung Beteiligten sowie die Auswir-kungen auf die wirtschaftliche Lage der Kieler Flughafengesell-schaft sind damit noch nicht hinreichend dargestellt. Auch wenn eine Entscheidung, diesen Flugplatz auszubauen, von der Landesregierung und der Landeshauptstadt Kiel aus-schließlich regional- und wirtschaftspolitisch begründet würde, muss sie auf zutreffenden und belastbaren Annahmen beruhen. Die Kieler Flughafengesellschaft hat ein Unternehmen mit der Projektleitung dieser Maßnahme beauftragt. Hierzu gehört es auch, das Planfeststellungsverfahren vorzubereiten und dafür die Prognosen zu aktualisieren und konkrete Kostenentwürfe zu erstellen. Der LRH erwartet, dass dabei die von ihm geäußerte Kritik berücksichtigt wird und vor einer erneuten Entscheidung über den Flugplatzausbau die Wirtschaftlichkeitsberechnungen mit dem Ziel überarbeitet werden, die finanziellen Risiken für die Gesellschafter der Kieler Flughafengesellschaft transparent zu machen.

238

Die Förderung regionaler Flugplätze bedarf keines gesellschafts-rechtlichen Engagements des Landes. Dies gilt auch für den Re-gionalflugplatz Kiel. Da das nach § 65 LHO erforderliche Landes-interesse nicht vorliegt, sollte das Land seine Beteiligung an der Kieler Flughafengesellschaft möglichst bald aufgeben.

21.1 Ausgangslage Betreiberin des Verkehrslandeplatzes Kiel-Holtenau ist die Kieler Flugha-fengesellschaft mbH (KFG), an deren Gesellschaftskapital das Land Schleswig-Holstein mit 55 % und die Landeshauptstadt Kiel mit 45 % be-teiligt sind. Die Genehmigung zum Betrieb dieses Landeplatzes wurde der KFG erst-mals am 06.11.1961 und zuletzt unbefristet am 29.03.1995 vom damaligen Minister für Wirtschaft und Verkehr bzw. Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein, jetzt Ministerium für Wirt-schaft, Arbeit und Verkehr (Verkehrsministerium), erteilt. Die Länge der Hauptstart- und -landebahn (Bitumenbahn) betrug zunächst 1.240 m. Im Jahr 1981 wurde sie nach Westen um 145 m und nach Osten um 15 m auf die heute vorhandene Gesamtlänge von 1.400 m ausgebaut. Flugbetrieblich ist die Start- und Landebahn (S/L-Bahn) mit einer Länge von 1.180 m in Richtung Westen bzw. 1.260 m in Richtung Osten nutzbar. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Luftfahrtbehörde Ausnah-megenehmigungen erteilen, sodass sich dann eine flugbetrieblich nutzba-re Startbahnlänge von max. 1.320 m ergibt. Die nutzbare Landebahnlän-ge kann dagegen nicht verlängert werden. Neben seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung fördert das Land die KFG durch Zuwendungen zur Deckung der Ausgaben für Investitionen. Die Investitionen wurden bislang mit bis zu 80 % vom Land aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA) in Form nicht rückzahlbarer Zuschüsse und zu 20 % von der Lan-deshauptstadt Kiel finanziert. Die aus dem laufenden Betrieb sich ergebenden Fehlbeträge werden durch die Gesellschafter zu gleichen Teilen ausgeglichen. Bei einem Ausbau des Flugplatzes Kiel-Holtenau sind das Verkehrsminis-terium bzw. seine nachgeordneten Behörden und z. T. das Finanzministe-rium in unterschiedlicher Funktion betroffen, und zwar als • Genehmigungs- und Planfeststellungsbehörde, • Zuwendungsgeber und • Anteilseigner der KFG.

239

21.2 Geplanter Ausbau

21.2.1 Geplante Lösung Die Landesregierung hat sich auf Vorschlag des Verkehrsministeriums im März 2002 für eine Verlängerung der S/L-Bahn des Flugplatzes Kiel-Holtenau auf zukünftig 1.799 m zzgl. 300 m Stopway ausgesprochen. Die Ratsversammlung der Landeshauptstadt Kiel hat sich im August 2002 die-ser Entscheidung angeschlossen. Damit wird das Ziel verfolgt, die künftige Leistungsfähigkeit des Regional-flugplatzes für den Linien- und Geschäftsflugverkehr aus der und in die K.E.R.N.-Region nachhaltig zu sichern. Starts und Landungen von übli-cherweise im Pauschalreiseverkehr eingesetzten größeren Flugzeugen sollen u. a. mittels bautechnischer Beschränkungen ausgeschlossen wer-den. Dementsprechend soll ein Planfeststellungsverfahren für einen Aus-bau auf 1.799 m zzgl. 300 m Stopway eingeleitet werden. Im Rahmen die-ses Verfahrens soll zudem geprüft werden, ob der verfolgte Ausbauzweck auch mit einem Ausbau auf 1.600 m mit/ohne Stopway erreicht werden könne. Die beschlossene S/L-Bahnverlängerung wirkt sich auf die bestehende Bundesstraße (B 503) aus. Die Landesregierung hat ihre Verlegung auf eine neue Trasse nach Westen vorgesehen, wodurch das verlängerte Flugfeld umfahren werden kann. Die Straßenverlegung soll an den Wider-lagern der Holtenauer Hochbrücken über den Nord-Ostsee-Kanal begin-nen, dann parallel zum Rand des neuen Flugfeldes verlaufen und an die bestehende alte Trasse der B 503 im Bereich des Knotenpunkts Stift an-schließen. Hierdurch wird es erforderlich, den Knotenpunkt Holtenau um-zubauen. Alternativ zur Trassenverlegung wurde eine Tunnelführung der B 503 un-ter der verlängerten S/L-Bahn auf vorhandener Trasse untersucht. Die Un-tertunnelung wurde letztlich aufgrund der gegenüber einer Verlegung der B 503 entstehenden höheren Kosten und mit Rücksicht auf die schwäche-ren Verkehrsteilnehmer (Fußgänger und Radfahrer) nicht weiterverfolgt.

21.2.2 Entscheidungsgrundlagen Den Ausbauentscheidungen der beiden Gesellschafter gingen seit 1998 intensiv geführte Diskussionen über die Entwicklungsperspektiven des Flugplatzes Kiel-Holtenau voraus. Sie waren wesentlich geprägt von Wün-schen der Wirtschaft nach weiteren Linienflugverbindungen (wie z. B. nach

240

München1 oder Kopenhagen) sowie Überlegungen, wie unter Berücksich-tigung der Entwicklungstendenzen hinsichtlich des Einsatzes von Turbo-propmaschinen bzw. Jets neben der ansässigen ggf. auch andere Flugge-sellschaften für einen Flugbetrieb ab Kiel-Holtenau zu gewinnen seien. Besondere Bedeutung wurde aber der anhaltend defizitären Entwicklung des Flugplatzes Kiel-Holtenau und damit der Frage eingeräumt, wie des-sen Wirtschaftlichkeit längerfristig gesichert werden könne. Angestoßen durch Beschlüsse der Ratsversammlung der Landeshaupt-stadt Kiel zur Vorbereitung einer ggf. zu treffenden Ausbauentscheidung gab die KFG die Erstellung einer Potenzialanalyse in Auftrag. Deren Er-gebnisse wurden im Februar 2001 vorgelegt2. Das Verkehrsministerium hat teilweise in Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt Kiel, der KFG und der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft Schleswig-Holstein mbH eine Reihe von ergänzenden und vertiefenden Untersuchungen in Auftrag gegeben, teilweise hat es weitere Materialien selbst erstellt (vgl. Anlage). Diese Gutachten, Untersuchungen und Materialien wurden sowohl öffent-lichkeitswirksam und allgemein zugänglich im Internet eingestellt als auch in öffentlichen Sitzungen mit Gutachtern und Vertretern der KFG bzw. ih-ren Gesellschaftern erörtert. Der Flugplatzausbau wurde sowohl innerhalb der zuständigen Gremien des Landes und der Stadt als auch in der Öffent-lichkeit ausgiebig und kontrovers diskutiert. Das Verkehrsministerium hält damit den Ausbaubeschluss der Landes-regierung - über das für eine Grundsatzentscheidung erforderliche Maß hinaus - für hinreichend vorbereitet. Die dazu durchgeführten Untersu-chungen beruhten auf zutreffenden und belastbaren Annahmen sowie wissenschaftlichen Methoden. Vertiefende umfassende Untersuchungen, insbesondere die Aktualisierung der Verkehrsprognose und genauere Kos-tenermittlungen seien im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens vor-gesehen. Dabei würden auch die Anregungen des LRH berücksichtigt. Vor Durchführung des Projekts würden damit die finanziellen Risiken für die Gesellschafter der KFG so weit wie möglich transparent gemacht.

1 Die Destination München wurde seit März 2001 bedient, im Mai 2003 wurde sie wieder ein-

gestellt. 2 Vgl. Anlage Tz. 2.1.

241

21.2.3 Vorgesehene Investitionskosten Für den Flugplatzausbau und die damit verbundene Verlegung der B 503 hat das Verkehrsministerium Investitionskosten von insgesamt rd. 48,3 Mio. € veranschlagt. Die Gesamtkosten des eigentlichen Flugplatzausbaus sind vom Ver-kehrsministerium auf der Grundlage eines externen Gutachtens1 auf 31,378 Mio. € geschätzt worden. Für die Verlegung der B 503 hat es In-vestitionen in Höhe von rd. 16,9 Mio. € veranschlagt.

21.2.4 Vorgesehene Finanzierung der Investitionen Zur Finanzierung der für die Gesamtmaßnahme bislang als erforderlich ermittelten insgesamt rd. 48,3 Mio. € will das Land aus ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der GA einen Betrag in Höhe von max. 20,2 Mio. € be-reitstellen. An den Ausgaben im Rahmen der GA innerhalb des Regional-programms 2000 ist der Bund nach den bestehenden gesetzlichen Rege-lungen jeweils zur Hälfte beteiligt. Dieser hatte darüber hinaus für die Ver-legung der B 503 bis zu 5,9 Mio. € aus Bundesfernstraßenmitteln in Aus-sicht gestellt. Für die Umgestaltung des Anschlusses der B 503 im Bereich Kiel-Holtenau sind daneben Landesförderungen aus dem Gemeindever-kehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) in Höhe von 1,1 Mio. € beabsichtigt. Des Weiteren ist vorgesehen, dass sich die Landeshauptstadt Kiel mit 17,8 Mio. € und die KFG mit 3,3 Mio. € an der Finanzierung der Gesamt-maßnahme beteiligen.

Mittelherkunft in Mio. € Anteil

GA 20,2 42 % GVFG 1,1 2 % Bundesfernstraßenmittel 5,9 12 % Landeshauptstadt Kiel 17,8 37 % KFG 3,3 7 % Gesamtfinanzierung 48,3 100 %

21.2.5 Wirtschaftlichkeit des Ausbaus

Auf der Grundlage der Potenzialanalyse2, weiterer Untersuchungen der KFG3 und darauf aufbauender verschiedener betriebswirtschaftlicher Be-rechnungen einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft4 hat das Verkehrsminis-terium die Aussage getroffen, dass lt. Gutachteraussage ein Ausbau des 1 Vgl. Anlage Tz. 4.2. 2 Vgl. Anlage Tz. 2.1. 3 Vgl. Anlage Tz. 2.4. 4 Vgl. Anlage Tz. 4.3.

242

Flugplatzes wie vorgesehen die wirtschaftliche Situation der KFG derart verbessern würde, dass im Jahr 2017 erstmals ein Jahresüberschuss er-zielt würde.

21.3 Bewertung der Entscheidungsgrundlagen durch den LRH

21.3.1 Prüfung des LRH Der LRH hat von Oktober 2002 bis Juni 2003 im Rahmen einer in die Zu-kunft gerichteten Finanzkontrolle die möglichen finanziellen Auswirkungen des geplanten Flugplatzausbaus für das Land abgeschätzt und die damit verbundenen Risiken aufgezeigt. Seine Prüfung zielte schwerpunktmäßig darauf ab, die Grundlagen, die zur Entscheidung für einen Ausbau aufsei-ten des Landes herangezogen worden sind, zu sichten und zu bewerten. Dabei war zu berücksichtigen, dass je nachdem in welcher Funktion die Landesregierung tätig wird (vgl. Tz. 21.1), ggf. unterschiedliche Anforde-rungen an die Entscheidungsgrundlagen zu stellen sind. Aus Sicht der Finanzkontrolle müssen z. B. Prognosen, die dem Land als Anteilseigner als Grundlage für die Vorhersage der wirtschaftlichen Entwicklung der KFG dienen sollen, in verstärktem Maße die möglichen finanziellen Risi-ken abbilden und Worst-Case-Untersuchungen mit einschließen, da Fehl-einschätzungen sich unmittelbar auf künftige Haushalte auswirken.

21.3.2 Ausbauzustand Der jetzige Ausbauzustand des Flugplatzes Kiel-Holtenau ist für die Flug-gesellschaften unattraktiv, die bereits heute mit Jets fliegen oder ihre Flot-te kurz- bis mittelfristig auf diese Flugzeugmuster umstellen wollen. Hiermit ist es schon jetzt schwierig, neue Fluggesellschaften für einen Flugbetrieb ab Kiel-Holtenau zu gewinnen. Dies gilt auch für solche Fluggesellschaf-ten, die wegen der bestehenden Beschränkungen Turbopropmaschinen nicht wirtschaftlich einsetzen können. Der geplante Ausbau der S/L-Bahn auf eine Länge von 1.799 m + 300 m Stopway stellt darauf ab, dass die Mehrzahl der aus heutiger Sicht gängi-gen Flugzeugmuster im Zieljahr 2008 und in der Folgezeit in Kiel-Holtenau ohne nennenswerte Restriktion starten und landen kann. Damit würde für Turbopropmaschinen und Jets ein Angebot einer verbes-serten Verkehrsinfrastruktur möglich. Zur Frage, ob und in welchem Um-fang ein solches Angebot tatsächlich von Fluggesellschaften genutzt wer-den wird, liegen jedenfalls für das bisher vorgesehene Zieljahr 2008 (Inbe-triebnahme nach Ausbau) und die Folgezeit keine gesicherten Erkenntnis-se vor.

243

Das Verkehrsministerium erwartet demgegenüber unter Hinweis auf Ge-spräche mit Fluggesellschaften und auf die steigende Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen, dass nach Ausbau des Flugplatzes die leistungs-fähigere Infrastruktur für eine Verbesserung des Luftverkehrsangebots ge-nutzt wird.

21.3.3 Ausbaubedarf Prognosen Der LRH hat die Potenzialanalyse1, die darauf aufbauenden Detailunter-suchungen der KFG2, die Überprüfung verschiedener Daten der Poten-zialanalyse durch die Landeshauptstadt Kiel3 und die Untersuchung der regionalökonomischen Effekte4 unter Berücksichtigung der bis Ende 2002 eingetretenen Veränderungen analysiert und bewertet. Er hat hierzu auch die Statistiken der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Flughäfen, die Progno-se des letzten Bundesverkehrswegeplans und in den Untersuchungen zur Entwicklung der Flugplätze Augsburg, Lübeck und Magdeburg angewand-te Methoden und verwendete Daten herangezogen. Außerdem wurden die Lage des Flugplatzes Kiel zu konkurrierenden Flughäfen und die Erschließung des Raums durch konkurrierende Ver-kehrsträger (Bahn, Straße) sowie in absehbarer Zeit bei diesen zu erwar-tende Veränderungen untersucht. Aus all diesen Unterlagen ist kein belastbarer Nachweis darüber abzulei-ten, dass in der Region um Kiel eine Nachfrage nach Leistungen im Luft-verkehr besteht oder zu erwarten ist, die nicht auch auf andere zumutbare Weise als durch den Ausbau des Flugplatzes Kiel-Holtenau abgedeckt werden kann.5 Das Verkehrsministerium und die KFG teilen diese Schlussfolgerung nicht. Der LRH verkenne, dass - unabhängig von der Bedeutung des Flug-hafens Hamburg-Fuhlsbüttel insbesondere für die internationale Luftver-kehrsanbindung Schleswig-Holsteins - sowohl für den Geschäftsreise-Fluglinienverkehr wie auch für die allgemeine Luftfahrt des Wirtschafts-standorts K.E.R.N.-Region ein Flugplatz mit zukunftsfähiger S/L-Bahn-länge von herausragender Bedeutung sei. Die Prognosen und andere Un-tersuchungen basierten u. a. auf wissenschaftlicher Basis und Erfahrun-

1 Vgl. Anlage Tz. 2.1. 2 Vgl. Anlage Tz. 2.4. 3 Vgl. Anlage Tz. 2.3. 4 Vgl. Anlage Tz. 2.2. 5 Zu Einzelheiten wird auf die Prüfungsmitteilung des LRH vom 03.07.2003 verwiesen,

Umdruck 15/3955.

244

gen aus der Praxis. Allerdings sei vorgesehen, bei Einleitung des Plan-feststellungsverfahrens zur Planbegründung die Prognosen zu aktualisie-ren (vgl. Tz. 21.4). Der LRH sieht seine Ausführungen nicht widerlegt und bleibt bei seiner Bewertung der bisher vorliegenden Untersuchungen. Ausnahmegenehmigungen Der Linienflugverkehr in Kiel-Holtenau wird zwar heute auch mit befristeten Ausnahmegenehmigungen betrieben, ein zwingendes Ausbauerfordernis kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden. Die zuständige Luftfahrtbe-hörde beabsichtigt derzeit nicht, diese Ausnahmegenehmigungen endgül-tig aufzuheben oder nach ihrem Ablauf nicht wieder zu erteilen. Das Verkehrsministerium weist darauf hin, dass bei Änderungen von Bundesrecht bzw. der EU-Bestimmungen zum Luftverkehr ein Widerruf von Ausnahmegenehmigungen notwendig werden bzw. eine Verlängerung nach Fristablauf nicht sichergestellt werden könne. Regional- und wirtschaftspolitischer Bedarf Die Begründungen des Verkehrsministeriums und der KFG für einen Aus-bau stellen nicht nur auf verkehrliche, sondern auch in erheblichem Maße auf allgemein regional- und wirtschaftspolitische Aspekte ab. In diesem Zusammenhang wurde in der Diskussion auch auf die Inhalte der Untersuchungen zu Alternativstandorten1 und die Bewertung von Aus-baualternativen nach Kriterien der Bundesverkehrswegeplanung2 verwie-sen. Die darin angestellten Betrachtungen sind auf den Vergleich der ver-schiedenen Standorte ausgerichtet und stellen keine gesamtwirtschaftliche Nutzen-Kosten-Analyse dar. Die KFG selbst sieht sich als Teil der komplexen regionalen Verkehrs-infrastruktur der K.E.R.N-Region. Sie hält es nicht für möglich, den Wert und Beitrag des Flugplatzes Kiel-Holtenau als Teil dieses Ganzen separat zu ermitteln. Ermittelt werden könne lediglich, wann und wo eine Teilinves-tition in diese Gesamtinfrastruktur den größeren Nutzen biete (Wirtschaft-lichkeitsbetrachtung), nicht aber, wie vorteilhaft oder nachteilig es für eine Region wäre, wenn gänzlich auf eine Einrichtung oder eine für nötig gehal-tene Investition verzichtet werden würde.

1 Vgl. Anlage Tz. 1.1. 2 Vgl. Anlage Tz. 1.2.

245

Der LRH sieht auch durch diese Aussage seine Auffassung bestätigt, dass es nicht möglich ist, auf wissenschaftlich fundierte und allgemein akzep-tierte Weise mit angemessenem Aufwand nachzuweisen, dass der Nutzen den erforderlichen Aufwand übersteigt. Demnach sind alle gesamtwirt-schaftlichen und regionalwirtschaftlichen Darlegungen in ihrer Aussage-kraft begrenzt. Allerdings müssen die derart eingeschränkten Aussagen zumindest auf zutreffenden und belastbaren Annahmen beruhen, wenn sie weiteren Entscheidungen zugrunde gelegt werden. Das Verkehrsministerium widerspricht dieser Beurteilung des LRH. Es weist darauf hin, dass die Grundlagen und Annahmen von fachlich ausge-wiesenen Gutachtern ermittelt und bewertet worden seien. Die Ausbau-entscheidung beruhe neben diesen Teilaspekten auf einer Abwägung um-fassender verkehrs- und wirtschaftspolitischer Aspekte.

21.3.4 Verlegung der B 503 Der geplante Ausbau des Flugplatzes hat eine Verlegung der bestehenden B 503 zur Folge. Realistische Alternativen bilden hierbei die von der Lan-desregierung und der Landeshauptstadt Kiel favorisierte Verschwenkung der B 503 oder eine Untertunnelung der verlängerten S/L-Bahn des Flug-platzes. Aus straßenverkehrlicher und zukunftsperspektivischer Sicht wäre eine Untertunnelung vorzuziehen. Diese stellt allerdings sowohl hinsichtlich der Investitionen als auch der Folgekosten die teurere Lösung dar. Die Verschwenkung der B 503 ist eine nach den straßenbautechnischen Regeln mögliche Lösung. Die örtlichen oder überörtlichen Verkehrsver-hältnisse werden dadurch nicht verbessert. Die Umgestaltung der An-schlussstelle Holtenau führt zu einer Verringerung der Leistungsfähigkeit. Wenn dies sich verkehrlich nicht negativ auswirkte, würde dies bedeuten, dass der Knoten zurzeit überdimensioniert ist. Jedenfalls ist die Leistungs-fähigkeit des neuen Knotens Holtenau bislang nicht nachgewiesen. Schon allein wegen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) könnten hier zusätzliche Maßnahmen erforderlich werden. Das Verkehrsministerium verweist darauf, dass die Streckencharakteris-tik nicht verschlechtert werde. In Teilbereichen komme es sogar zu Ver-besserungen der Verkehrsverhältnisse. Die Vorbehalte des LRH zum ÖPNV würden spätestens im Zuge der Planfeststellung abgearbeitet. Un-ter der Annahme, dass die Routen der Buslinien angepasst werden könn-ten, würden keine Mehraufwendungen erwartet.

246

21.3.5 Investitionen Eine vollständige, in allen Teilen belastbare Kostenermittlung für die Aus-baumaßnahme liegt bisher nicht vor. Ohne diese können die Gesamtbe-lastungen der an der Finanzierung Beteiligten sowie die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der KFG noch nicht ausreichend beurteilt werden. Zwar wurden mit der der Entscheidung der Landesregierung für die reinen Flugplatzmaßnahmen zugrunde liegenden Budgetschätzung aufbauend auf der getroffenen Abgrenzung der Ausbaumaßnahme und dem derzeiti-gen Kostenstand die Investitionskosten für den Ausbau des Flugplatzes realistisch geschätzt. Ebenso wurden die Investitionskosten für die Verle-gung der B 503 nach derzeitigem Kostenstand grundsätzlich realistisch geschätzt. Jedoch bilden entsprechend dem derzeitigen Bearbeitungs-stand weder die Budgetschätzung noch die Schätzungen der Kosten der Straßenbaumaßnahmen durch das Verkehrsministerium schon alle mögli-chen Kostenrisiken ab. Unsicherheiten bestehen über den Umfang der Maßnahme. Z. B. ist un-klar, ob die vorhandenen Navigationseinrichtungen für die gängigen Re-gionaljets auf Dauer ausreichen. Risiken bestehen ferner im Baugrund, in den vorhandenen und geplanten Schmutzwasserleitungen der Kieler Stadtentwässerung und in der allgemeinen Kostenentwicklung. Finanzielle Risiken bestehen zudem hinsichtlich der Kosten des straßen-baubedingten Grunderwerbs und der damit verbundenen Entschädigun-gen sowie evtl. zusätzlicher Maßnahmen am Knoten Holtenau. Das Verkehrsministerium ist demgegenüber der Ansicht, die Budgetab-schätzung enthalte in größerem Umfang Reserven. Auch halte es die hin-sichtlich des Navigationssystems vom LRH geäußerten Zweifel für unzu-treffend. Mit dem jetzigen Instrumenten-Lande-System (CAT I) sei der Flugplatz für die definierten Benutzer sachgerecht ausgestattet. Im Übri-gen liege ein finanzielles Risiko für das Land auch deshalb nicht vor, weil es seine Beteiligung, jedenfalls hinsichtlich der GA-Mittel, gegenüber der Landeshauptstadt Kiel gedeckelt habe. Mit diesen Aussagen wird die Feststellung des LRH nicht widerlegt, die Gesamtbelastungen der an der Finanzierung Beteiligten sowie die Auswir-kungen auf die wirtschaftliche Lage der KFG seien damit noch nicht hinrei-chend beurteilbar. Dagegen ist das Verkehrsministerium der Auffassung, im Rahmen der politischen Grundsatzentscheidung habe die Gesamtbelastung ausrei-chend beurteilt werden können. Eine konkrete Kostenermittlung werde im weiteren Planungsverfahren vorgenommen. Durch die vorgesehene späte-

247

re Berichterstattung an die Landesregierung und die Ratsversammlung der Landeshauptstadt Kiel über die Ergebnisse der Planung sei sichergestellt, dass vor Durchführung des Projekts die Kosten und finanziellen Auswir-kungen transparent würden und die Einhaltung des Kostenrahmens über-wacht werde.

21.3.6 Finanzierung der Investitionen 42 % der Investitionskosten sollen durch GA-Fördermittel gedeckt werden (vgl. Tz. 21.2.4). Diese Fördermöglichkeit der GA wird voraussichtlich En-de des Jahres 2004 auslaufen. Da über Ersatz- oder Nachfolgeförderun-gen bisher noch nicht entschieden ist, besteht insoweit ein Risiko. Bei einer Bindung der GA-Mittel für den Ausbau des Flugplatzes stehen diese dann nicht mehr zur bisher vorgesehenen Kofinanzierung von EFRE1-Projekten zur Verfügung, sodass zu diesem Zweck verstärkt auf Landesmittel zurückgegriffen werden müsste. Eine solche Förderentschei-dung könnte zudem Begehrlichkeiten und Präzedenzwirkungen für die Förderung ähnlicher Maßnahmen bei anderen Flugplätzen entfalten. Nach Auffassung des Verkehrsministeriums besteht ein solches Risiko nicht. Es habe am 05.12.2002 der Landeshauptstadt Kiel einen Förderbe-trag von max. 20,155 Mio. € zugesichert. Aus Haushaltsmitteln des Jahres 2002 seien hiervon 12.655.508,18 € (Verpflichtungsermächtigungen zulas-ten der Jahre 2003 bis 2005) gebunden worden. Eine Bindung des Rest-betrags von 7.499.491,82 € sei im Jahr 2003 erfolgt. Diese Vorgehenswei-se sei mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit abgestimmt. Damit könne die Finanzierung der Förderung als gesichert angesehen werden. Zudem bestehe mit der Landeshauptstadt Kiel eine Vereinbarung, die das Verfahren bei unerwarteten Kostensteigerungen regele. Die für Straßenbaumaßnahmen infolge der Änderung des Anschlusses des Ortsteils Holtenau eingerechneten GVFG-Mittel sind um rd. 0,9 Mio. € zu hoch angesetzt, da nur ein geringerer Teil dieser Maßnahme förderfä-hig ist. Das Verkehrsministerium hat darauf hingewiesen, es handele sich hin-sichtlich der Investitionskosten bisher nur um Planzahlen. In der Entwurfs-bearbeitung werde ein detaillierter Förderantrag aufgestellt werden. Kon-kret werde deshalb eine Finanzierungslücke nicht gesehen.

1 Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung.

248

21.3.7 Wirtschaftliche Lage der KFG Die bisher von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft1 angestellten Be-rechnungen basieren maßgeblich auf Einschätzungen und Angaben der KFG. Die rechnerische Genauigkeit im Detail kann die aus vielen Annahmen, Bedingungen, Einschränkungen, Voraussetzungen und offenen Fragen sich ergebenden Unsicherheiten nicht überdecken. Trotz optimistischer Annahmen wird die KFG bis zum Jahr 2021 nach den aktuellsten Berech-nungen keine positiven Jahresergebnisse erreichen können. Angesichts der Gesamtumstände lässt sich das Erfordernis des Ausbaus nicht wirtschaftlich begründen. Die für die KFG errechneten Jahresergeb-nisse lassen ganz erhebliche weitere Risiken erkennen. Diese können sich bis zum Jahr 2021 auf Verluste der KFG von mehr als 30 Mio. € kumulie-ren. Wenn das Land an der KFG beteiligt bliebe, hätte es solche Verluste der KFG weiterhin zur Hälfte zu tragen. Das Verkehrsministerium widerspricht dieser Einschätzung und weist darauf hin, die Plausibilität der Kostenansätze und der damals zugrunde gelegten Berechnungen seien von einem weiteren Wirtschaftsprüfer auf ih-re Plausibilität überprüft und bestätigt worden. Der LRH hat auch die Ergebnisse dieser Überprüfung in seine Beurteilung einbezogen.

21.3.8 Landesbeteiligung Bereits 1995 hat der LRH empfohlen, das historisch entstandene Enga-gement des Landes bei der KFG zu überprüfen. Angesichts der geplanten wesentlichen Änderungen des Infrastrukturangebots muss dies jetzt ge-schehen. Dabei ist zu bewerten, dass der Betrieb eines regionalen Flug-platzes in erster Linie eine kommunale bzw. regionale Aufgabe ist. Damit liegt das für das Engagement des Landes erforderliche Landesinteresse nach § 65 LHO nicht vor. Die der Landesbeteiligung inne liegende dauern-de finanzielle Bevorzugung einer Region ist zudem bedenklich. Das Verkehrsministerium hat mitgeteilt, die Landesregierung sei nach wie vor bestrebt, ihren Anteil an andere kommunale Träger zu übertragen oder weitere Kommunen in die KFG aufzunehmen. Derartige Chancen würden sich bei einem Ausbau des Flugplatzes erhöhen, der dazu diene,

1 Vgl. Anlage Tz. 4.3.

249

diesen zukunftsfähig zu machen, um damit auf längere Sicht ein ausgegli-chenes Betriebsergebnis zu erreichen.

21.4 Weiteres Verfahren Die Landesregierung hat Mitte Dezember 2003 mitgeteilt, dass die KFG einen Vertrag zur Projektleitung zur Vorbereitung und Durchführung des Planfeststellungsverfahrens mit einem Münchner Unternehmen unter-zeichnet hat. Aufgabe des Projektmanagers sei es nun, die ingenieurmä-ßige Planung durchzuführen und das Planfeststellungsverfahren vorzube-reiten. Dazu sollen Prognosen aktualisiert sowie konkrete Kostenentwürfe erstellt werden. Der LRH erwartet, dass dabei die von ihm an den bisher vorliegenden Un-tersuchungen geäußerte Kritik1 berücksichtigt wird. Dies bezieht sich ins-besondere auf die Anpassung der Bedarfsprognose an • die in den Jahren 2002 und 2003 tatsächlich eingetretenen Basiswerte, • die Entscheidung, dass durch eine Begrenzung des max. Abflugge-

wichts der S/L-Bahn auf 50 t (MTOW) die üblicherweise im Pauschal-verkehr eingesetzten größeren Flugzeugmuster ausgeschlossen wer-den sollen,

• die Veränderungen bei großen „flughafenaffinen“ Unternehmen im Kie-ler Raum,

• die Entwicklungen im gesamten regionalen Geschäftsreiseverkehr, die Ermittlung der Auswirkungen auf die Kosten u. a. durch • evtl. notwendige Anpassungen der Navigationseinrichtungen, • die kreuzenden Schmutzwasserleitungen, • den straßenbaubedingten Grunderwerb, • die Verringerung der Leistungsfähigkeit des Knotens Holtenau (z. B.

Folgen für den Busverkehr), die ingenieurmäßige Planung, die • die Auswirkungen aller Änderungen auf die Umwelt (UVP) und • auch die entwurfstechnische Prüfung der neuen Straßenführung der

B 503 auf evtl. negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit (opti-sche Führung im Kurvenbereich)

mit umfassen muss. Darüber hinaus erwartet der LRH, dass die Landesregierung vor einer er-neuten Entscheidung über den Flugplatzausbau die Wirtschaftlichkeitsbe-rechnungen mit dem Ziel überarbeitet, die finanziellen Risiken für die Ge-

1 Vgl. Tzn. 21.3.3 bis 21.3.6 und Prüfungsmitteilung des LRH vom 03.07.2003, Umdruck

15/3955.

250

sellschafter der KFG transparent zu machen. Hierzu gehört auch eine Sensitivitätsuntersuchung unter Einschluss einer Worst-Case-Berechnung. Der LRH setzt im Übrigen voraus, dass im Falle des Ausbaus die GA-Zuwendungen weiterhin auf einen Höchstbetrag von 20,2 Mio. € gedeckelt werden, der Beitrag der KFG nicht erhöht wird und keine weiteren Lan-desmittel für die Ausbauinvestitionen eingesetzt werden. Er ist sich dabei bewusst, dass damit alle sich aus den Investitionen ergebenden finanziel-len Risiken zulasten der Landeshauptstadt Kiel gehen. Aus Sicht des LRH sollten außerdem die Bemühungen der Landesregie-rung, ihre Beteiligung an der KFG aufzugeben, intensiviert werden.

251

Anlage1 Themengebiet Untersuchung

1.1) Alternativstandorte Flughafen Kiel-Holtenau, Wirt-schafts- und Verkehrsstudie (Weidleplan Consul-ting, 08.2001)

1.2) Bewertung der Ausbaualternativen für einen Re-gionalflughafen in Schleswig-Holstein nach Kriterien der Bundesverkehrswegeplanung (Weidleplan Consulting, Planco Consulting, 01.2002)

1.) Alternativ-standorte/

Andere Ver-kehrsträger

1.3) Verbesserung der Verkehrsanbindung der Lan-deshauptstadt Kiel an den Flughafen Hamburg (intraplan Consult GmbH, 29.08.2001)

2.1) Potenzialanalyse für den Flughafen Kiel-Holtenau vor dem Hintergrund des Konversionsprozesses in der K.E.R.N.-Region (Dornier SystemConsult GmbH, 01.2001)

2.2) Regionalökonomische Effekte des Flughafens Kiel-Holtenau (Prof. Dr. Götz v. Rohr, Geographi-sches Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 08.2001)

2.3) Überprüfung verschiedener Daten der Potenzial-analyse - Einwohner, Erwerbstätige und Übernach-tungszahlen im Einzugsbereich - (Landeshauptstadt Kiel - Amt für Wirtschaft, Verkehr, Stadt- und Re-gionalentwicklung)

2.4) Detailuntersuchung zur Potenzialanalyse zur Entwicklung der Luftfahrzeugbewegungen und Mo-dellflugplan (KFG, 03.08.2001)

2.) Bedarf

2.5) Start- und Landeplanberechnungen (Jürgen Mihlan, Aviation Consultant)

3.1) Vorstudie zur Untersuchung der lufthygienischen Auswirkungen des Ausbaus des Regionalflugha-fens Kiel (argumet Arbeitsgemeinschaft für Umwelt-technologie und Luftreinhaltung Bahmann & Schmonsees, 08.2001)

3.2) Ermittlung der flugbetriebsbedingten Geräuschim-missionen in der Nachbarschaft des Flughafens Kiel-Holtenau für das Jahr 2001 und Prognose der Geräuschemissionen für 2 Szenarien des Jahres 2011 (BeSB GmbH Berlin, Schalltechnisches Büro Dipl. Ing. S. Becker, 19.07.2001)

3.) Umwelteinwir-kungen/Ver-meidung von Pauschalreise-verkehr

3.3) Gutachterliche Stellungnahme zu der Frage, wie bei einem Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau der Pauschalreiseverkehr mit den dafür typischen Flugzeugmustern so weit wie möglich ausgeschlos-sen werden kann (Kanzlei Graf von Westphalen Bappert und Modest - Dr. Ronald Steiling, Fachan-walt für Verwaltungsrecht -, 21.02.2002)

4.1) Variantenuntersuchung zur Straßenführung der B 503 einschl. Abschätzung der Lärmsituation (Ver-kehrsministerium - Abteilung Straßenbau und Stra-ßenverkehr -, 21.08.2001)

4.2) Budgetschätzung und Empfehlungen für die Ent-wicklungsplanung am Flughafen Kiel-Holtenau (GAC German Airport Consulting GmbH, 02.2002)

4.) Kostenermitt-lungen/Ren-tabilitätsbe-rechnungen

4.3) Finanzierung und betriebswirtschaftliche Analyse (Revisions- und Treuhand-KG, 31.08.2001)

1 www.landesregierung.schleswig-holstein.de/coremedia/generator/Aktueller20Bestand/

MWAV/Information/Flughafen 20Holtenau.html.

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Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur

22. Instandhaltung technischer Anlagen und Einrichtungen beim Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Ziel der Instandhaltung beim Universitätsklinikum Schleswig-Holstein muss es sein, die technischen Anlagen und Einrichtun-gen an den beiden Standorten Kiel und Lübeck uneingeschränkt funktionsfähig zu halten und damit zugleich schadens- und aus-fallbedingte Kosten zu vermeiden bzw. zu minimieren. Unter strikter Beibehaltung dieser Vorgabe sollten die vorhandenen Möglichkeiten, die Instandhaltungskosten zu senken, identifiziert und umgesetzt werden. Dazu bedarf es einer ausgefeilten In-standhaltungsstrategie, die organisatorisch im Gebäudemana-gement zu verankern ist.

22.1 Allgemeines

Der LRH hat an den Standorten Kiel und Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UK S-H) geprüft, ob für die Instandhaltung technischer Anlagen und Einrichtungen in den Liegenschaften die Haushaltsmittel sparsam und wirtschaftlich eingesetzt werden. Diese Prüfung reichte bis in das Jahr 2002 hinein. Sie umfasste noch nicht das zum 01.01.2003 ge-gründete UK S-H, in dem mit der Neuordnung der Universitätsklinika (UK) in Schleswig-Holstein die ehemaligen UK in Kiel1 und Lübeck2 zusammen-geführt wurden3. Zur Instandhaltung gehören nach DIN 310514 die 4 Grundfunktionen bzw. Grundmaßnahmen: • Wartung, • Inspektion, • Instandsetzung, • Verbesserung. In der Praxis wurden diese Begriffe bislang uneinheitlich gebraucht. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten zukünftig sowohl den Ausschrei-

1 UKK = Universitätsklinikum Kiel (bis 31.12.2002). 2 UKL = Universitätsklinikum Lübeck (bis 31.12.2002). 3 Gesetz zur Errichtung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und zur Änderung

des Hochschulgesetzes (HSG) vom 12.12.2002, GVOBl. Schl.-H. S. 240. 4 DIN 31051 Grundlagen der Instandhaltung, Fassung Juni 2003.

253

bungen als auch den abzuschließenden Wartungsverträgen1 diese Be-griffsbestimmungen zugrunde gelegt werden. Das UK S-H hat diesen Hinweis bereits aufgegriffen und hält sich sowohl in Ausschreibungen als auch in Wartungsverträgen, die seither durchge-führt und abgeschlossen wurden, an diese Begriffsbestimmungen.

22.2 Ansätze zur Kostenreduzierung

22.2.1 Einführung Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Instandhaltungskosten an den Standorten Kiel und Lübeck bis zum Jahresende 2002. Diese Kos-ten schließen neben der Instandhaltung der hier relevanten technischen Anlagen und Einrichtungen auch die medizinischen Geräte und sonstigen Einrichtungen sowie die Hochbauten ein. Für das Jahr 2003 hat das UK S-H Instandhaltungskosten in Höhe von ins-gesamt rd. 21,1 Mio. € veranschlagt.

0

5

10

15

1997 1998 1999 2000 2001 2002

SOLL/UKL IST/UKLSOLL/UKK IST/UKK

Mio. €

Entwicklung der Instandhaltungskosten an den Standorten Kiel (UKK) und Lübeck (UKL) im Zeitraum 1997 bis 2002. Quellen: Anlagen zu den Einzelplänen 0721 und 0722 - MG 01 (Landeshaushalt) sowie An- gaben von UKK, UKL und UK S-H.

Der LRH hat an den Standorten Kiel und Lübeck in der Abwicklung und in den Kosten von Instandhaltungsmaßnahmen deutliche Unterschiede fest-gestellt. Neben generellen Ansätzen zur Kostenoptimierung waren daraus

1 Die in der Fachwelt fest verankerte, begrifflich unscharfe Bezeichnung Wartungsvertrag

umfasst sowohl die Maßnahmen von Inspektion und Wartung als auch kleinere Instand-setzungsarbeiten. Dies muss im jeweiligen Vertrag zweifelsfrei festgeschrieben werden, z. B. in Orientierung am Vertragsmuster der AMEV-Hinweise „Wartung 2002“ (AMEV = Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen, Bonn).

254

insgesamt Möglichkeiten zur Kostenminderung abzuleiten, die neben der notwendigen Angleichung bislang unterschiedlicher Vorgehensweisen ins-besondere in den nachfolgend behandelten Bereichen des Personalein-satzes und der Personalbemessung sowie beim gebotenen Wettbewerb und einer schlagkräftigen Organisation liegen. Das UK S-H erklärt, es habe die beiden ehemaligen technischen Dezerna-te von UKK und UKL zu einem Dezernat Facility Management beim UK S-H zusammengeführt mit einem Aufgabenschwerpunkt bei der In-standhaltung. Dabei habe es sich im Wesentlichen an den Empfehlungen des LRH zur Kostenoptimierung und -minderung sowie zur Angleichung bislang unterschiedlicher Vorgehensweisen orientiert. Dies werde auch bei den künftigen Maßnahmen zur weiteren Optimierung der Instandhaltung geschehen.

22.2.2 Fremdvergabe der Instandhaltung oder Durchführung in Eigenregie? Der LRH hat u. a. festgestellt: • Am Standort Lübeck wurde die Instandhaltung der raumlufttechnischen

Anlagen mit hohem Kostenaufwand (abgerechnete Kosten von rd. 393 T€ in 2001) von Externen durchgeführt. Dabei geht es um Arbeiten, die am Standort Kiel das eigene Personal erledigte.

• Für die medizinischen und technischen Gasversorgungsanlagen betru-gen im Jahr 2001 die Kosten für die Instandhaltung durch einen Exter-nen am Standort Kiel (rd. 5.500 Anlagen und Komponenten) rd. 164 T€. Hingegen verursachte die Instandhaltung derartiger Anlagen am Stand-ort Lübeck (rd. 3.000 Anlagen und Komponenten) durch einen Externen mit rd. 61 T€ deutlich geringere Kosten. Zudem war dort geplant, ab 2003 für Instandhaltungsarbeiten eigenes Personal einzusetzen und damit die Kosten noch weiter zu reduzieren.

Hiervon ausgehend hat der LRH empfohlen, insbesondere für die kosten-intensivsten Instandhaltungsbereiche zu untersuchen, ob der Einsatz des eigenen Personals oder der externer Dienstleister wirtschaftlicher ist und die Instandhaltungspraxis erforderlichenfalls umzustellen. Der notwendi-gen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung sollten die Bestandslisten1 und der Leistungskatalog2 für das jeweilige Gewerk zugrunde gelegt werden, um

1 Bestandsliste und Leistungskatalog nach den AMEV-Hinweisen „Wartung 2002“. 2 Dieser Leistungskatalog ist - auf der Basis der Bestandsliste - auch für die Durchführung

der Instandhaltung in Eigenregie gut geeignet. Er stellt eine konkrete Arbeitsanweisung dar, deren Ausführung durch entsprechende Aufzeichnungen dokumentiert werden kann. Damit wird zudem eine Leistungs- und Aufwandskontrolle möglich.

255

überhaupt vergleichbare Ergebnisse für die jeweiligen Alternativen1 zu er-zielen. Im Übrigen darf nicht nur deswegen zur Instandhaltung durch eigenes Personal übergegangen werden, weil dieses ausgelastet werden soll. Das UK S-H teilt die Auffassung des LRH und ergänzt, es führe vorrangig in den kostenintensiven Instandhaltungsbereichen und dort, wo unter-schiedliche Verfahrensweisen an den beiden Standorten bestehen, Wirt-schaftlichkeitsuntersuchungen auf der Grundlage von Bestandslisten und von Leistungskatalogen zu der Frage durch, ob der Einsatz des eigenen Personals oder externer Dienstleister wirtschaftlicher ist. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Bereich der Instandhaltung raumluft-technischer Anlagen auf dem Campus Lübeck hätten dazu geführt, dass die Instandhaltungsverträge zum Juni und Dezember 2003 gekündigt wur-den. Es werde eine Aufteilung der Instandhaltungstätigkeiten in Eigen- und Fremdleistungen durchgeführt, um eine Minimierung der Kosten zu errei-chen. Über das Ergebnis dieser Prüfung lässt sich das Ministerium für Bil-dung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (Wissenschaftsministerium) bis zum April 2004 ebenso berichten wie über das Vergabeverfahren für die verbleibenden Fremdleistungen.

22.2.3 Personalbedarfsbemessung Der Personalbestand für die Aufgabe „Instandhaltung technischer Anlagen und Einrichtungen“ ist in den zurückliegenden Jahrzehnten an den beiden Standorten Kiel und Lübeck offensichtlich unterschiedlich gewachsen. Im Zusammenhang mit Sparmaßnahmen der letzten Jahre wurde die Anzahl des Personals zwar im Rahmen der natürlichen Fluktuation reduziert, eine nachvollziehbare Bedarfsbemessung gab es jedoch nicht. Insbesondere die signifikant unterschiedlichen spezifischen Kosten an beiden Standorten haben den LRH veranlasst vorzuschlagen, für die vor-handenen Liegenschaften beider Standorte eine an einheitlichen Kriterien orientierte Personalbedarfsbemessung vorzunehmen. Dies kann nach Maßgabe der AMEV-Hinweise „Personalbedarf 2000“2 geschehen. Das UK S-H will diesen Hinweis des LRH weiterverfolgen und auch die Möglichkeiten der Fremdvergabe überprüfen. Bei den Wirtschaftlichkeits-vergleichen für beide Standorte werde es sich vorrangig für die kostenin-tensiven Instandhaltungsbereiche an den einheitlichen Kriterien zur Per-sonalbedarfsbemessung der AMEV-Hinweise „Personalbedarf 2000“ orientieren.

1 Dabei ist zu beachten, dass die Einholung von Angeboten nicht zu Preisanfragen ohne

konkrete Vergabeabsichten missbraucht werden darf. Nur im Ausnahmefall könnten der-artige unverbindliche Preisanfragen vorgenommen werden. Dann ist allerdings kenntlich zu machen, dass es sich nicht um eine Angebotseinholung handelt.

2 AMEV, Hinweise zur Ermittlung des Personalbedarfs für das Betreiben der technischen Anlagen in öffentlichen Gebäuden (Ausgabe 2000).

256

22.2.4 Wettbewerb Erhebliche Kostenunterschiede wurden z. B. bei der Instandhaltung von Aufzügen erkennbar. So lagen die Kosten für Inspektion und Wartung der Aufzüge am Standort Kiel (103 Aufzüge, davon 7 AWT1-Aufzüge) deutlich günstiger als am Standort Lübeck (57 Aufzüge, davon 14 AWT-Aufzüge), wie die folgende Tabelle zeigt. UKK/Firma A UKL/Firma B Aufzüge

(ohne AWT)

Aufzüge AWT

alle Aufzüge

(mit AWT)

Aufzüge (ohne AWT)

Aufzüge AWT

alle Aufzüge

(mit AWT) Haltestellen pro Aufzug - 5,06 2 4,85 3,40 3,21 3,35 Jahreskosten pro Aufzug € 690,28 537,50 679,04 790,12 1.344,06 926,18 Jahreskosten pro Haltestelle € 136,35 268,75 140,06 232,71 418,15 276,40

Spezifische Kosten der Inspektion und Wartung von Aufzügen beim UKK und UKL (netto) im Jahr 2001. Ursachen für diese Unterschiede sind u. a. darin zu sehen, dass die Ver-tragsinhalte unterschiedlich sind (Standort Lübeck: inkl. Störungsbeseiti-gung sowie Bereitstellung von Fachpersonal für die Sachverständigen-Prüfungen) sowie darin, dass die Inspektion und Wartung aller Aufzüge am Standort Kiel 1999 einem Wettbewerb unterzogen wurde. Wartungs- und Instandhaltungsverträge sollten im Wettbewerb vergeben werden. Dies gilt nicht nur für die Instandhaltung neu errichteter Anlagen und Einrichtungen. Auch die Instandhaltung bereits vorhandener techni-scher Anlagen und Einrichtungen sollte über die Nutzungsdauer regelmä-ßig spätestens alle 5 Jahre erneut einem Wettbewerb unterzogen werden. Es ist z. B. nicht notwendig, einem Hersteller von Aufzügen auch die In-standhaltung der von ihm gefertigten Anlagen zu übertragen. Diese Leis-tung kann dem Wettbewerb unterstellt, der Zuschlag kann auf das wirt-schaftlichste Angebot erteilt werden. Für den gebotenen Wettbewerb ist bedeutsam, dass im Gesetz zur Errich-tung des UK S-H festgelegt ist, dass weder § 55 LHO noch § 16 Abs. 2 MFG (a. F.)2 Anwendung finden. Damit entfällt für das UK S-H die Verpflichtung zur Ausschreibung von Lie-ferungen und Leistungen unterhalb des Schwellenwerts von 200 T€. Das UK S-H kann damit alle Lieferungen und Leistungen unterhalb von 200 T€

1 Automatische Warentransport-Anlage. 2 Mittelstandsförderungsgesetz (MFG) a. F. vom 27.07.1977, GVOBl. Schl.-H. S. 192, zu-

letzt geändert durch Verordnung vom 24.10.1996, GVOBl. Schl.-H. S. 652.

257

freihändig auch ohne Einholung von Vergleichsangeboten vergeben und ist nicht mehr verpflichtet, über die öffentliche Ausschreibung die Wirt-schaftlichkeit seiner Beschaffungen zu belegen. Es besteht die Gefahr unwirtschaftlicher Beschaffungen. Der LRH fordert Landesregierung und Parlament auf, die Ausnahmerege-lungen in § 126 HSG hinsichtlich § 55 LHO und § 16 Abs. 2 MFG (a. F.) zu streichen. Unabhängig davon, wann die Ausnahmeregelungen in § 126 HSG aufge-hoben werden, ist zu beachten, dass auch für das UK S-H die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gelten. Der LRH empfiehlt daher dringend, in jedem Fall auch bei Vergaben mit einem geschätzten Auf-tragswert von weniger als 200 T€ die Möglichkeiten des Wettbewerbs als Preis- und Kostenregulativ zu nutzen. Die Instandhaltungsverträge wurden i. d. R. unbefristet abgeschlossen. Entsprechend den vertraglichen Regelungen werden sie jeweils um ein Jahr verlängert, sofern nicht fristgerecht zum Jahresende gekündigt wird. Für diese Instandhaltungsverträge ist der am Schwellenwert (200 T€) zu messende Auftragswert abzuschätzen, indem der üblicherweise zu Jah-reskosten vereinbarte Vertragswert mit 4 multipliziert wird (§ 3 Abs. 3 Satz 3 VgV1). Der LRH hält es für zweckdienlich, diese Verträge so rechtzeitig zu kündi-gen und neue befristete Verträge abzuschließen, dass die von ihm vorge-schlagene Eröffnung eines Wettbewerbs nach spätestens 5 Jahren er-reicht wird. Das UK S-H will Wartungs- und Instandhaltungsverträge auch künftig grundsätzlich im Wettbewerb vergeben. So konnte die im Jahr 2003 durchgeführte campusübergreifende Ausschreibung der Instandhaltung al-ler Aufzüge mit einer deutlichen Absenkung der Instandhaltungskosten abgeschlossen werden. Auch die Vergabe von Fremdleistungen für die raumlufttechnischen Anlagen werde im Wettbewerb geschehen (vgl. Tz. 22.2.2). Das Wissenschaftsministerium unterstützt den Vorstand der UK S-H in seiner Absicht, die Vergaberegeln für öffentliche Aufträge generell ein-zuhalten.

1 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV) i. d. F. d.

Bekanntmachung vom 11.02.2003, BGBl. I S. 169.

258

22.2.5 Weitere Kostensenkungsmöglichkeiten Im Rahmen der vorgeschlagenen Maßnahmen sollte gezielt nach weiteren Kostensenkungsmöglichkeiten gesucht werden. Dazu gehören z. B.: • die Zusammenfassung gleicher Gewerke in Kiel und Lübeck für den

notwendigen Wettbewerb, • die z. T. bereits eingeleitete Ausrüstung von Aufzügen mit Lastfallzäh-

lern, damit die Instandhaltung besser den tatsächlichen Erfordernissen angepasst werden kann.

Das UK S-H weist darauf hin, dass erste Maßnahmen in diesem Sinne be-reits eingeleitet bzw. umgesetzt seien. Im Übrigen erwarte es aus dem Einsatz von Lastfallzählern eine Reduzierung der Instandhaltungsleistun-gen und -kosten für Aufzüge an beiden Standorten. Es werde weitere Möglichkeiten der Kostensenkung, wie z. B. auch durch Zusammenfassen gleicher Gewerke an beiden Standorten, vorantreiben.

22.2.6 Organisation Es muss übergeordnetes Ziel sein, die einzelnen Instandhaltungsmaß-nahmen so zu planen, zu bemessen und durchzuführen, dass die Funk-tionsfähigkeit aller technischen Anlagen und Einrichtungen gewahrt wird. Daher sollte die notwendige Instandhaltungsstrategie integraler Bestand-teil eines EDV-gestützten Gebäudemanagements sein bzw. bei dessen Aufbau frühzeitig hinreichend berücksichtigt werden. Entsprechend dieser Bedeutung sind organisatorische Regelungen für Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu treffen. Das UK S-H kündigt an, es werde die Hinweise des LRH im Rahmen der Fortentwicklung von Strategie und Organisation des Gebäudemanage-ments berücksichtigen und die erforderlichen Regelungen treffen.

22.3 Ausblick Im Rahmen der aktuellen und dringlich gewordenen Überlegungen zu drastischen Kostensenkungen beim UK S-H hat dessen Vorstand die Vor-schläge des LRH aufgegriffen und z. T. bereits umgesetzt. Er will sie bei der weiteren Ausgestaltung seines Fusionskonzepts für beide Standorte beachten bzw. berücksichtigen. Das Wissenschaftsministerium wird sich im Rahmen seiner Aufsicht über das UK S-H über den Fortgang der Kostensenkungsmaßnahmen ge-zielt und unter Terminsetzung im Jahr 2004 berichten lassen zu • den Aufgabenschwerpunkten des neuen Dezernats Facility Manage-

ment und zu der gewählten Instandhaltungsstrategie,

259

• der Aufteilung der Instandhaltungstätigkeiten bei den raumlufttechni-schen Anlagen auf dem Campus Lübeck in Eigen- und Fremdleistun-gen sowie zu der sich anschließenden Vergabe von Fremdleistungen,

• weiteren Maßnahmen zur Kostensenkung. Durch jährliche Analyse der Kostenentwicklung sollte sichergestellt wer-den, dass die möglichen, nachhaltigen Kostenminderungseffekte auch er-kannt werden. Dies verschafft dem UK S-H die Grundlage dafür, erforder-lichenfalls zeitnah und gezielt Kosten mindernd einzuwirken. Das UK S-H bekräftigt, es werde diese Gesichtspunkte beim Aufbau des einheitlichen DV-Verfahrens berücksichtigen und darauf hinwirken, dass die Analysemöglichkeiten und das Berichtswesen auch für den Bereich der Instandhaltung weiter zielgerichtet fortentwickelt werden.

260

23. Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik der Universität Flensburg

Das Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik wurde 1998 gegründet. Zu seinen Aufgaben gehört neben der Forschung vor allem die Durchführung eines grundständigen Studiengangs für das Berufsschullehramt in den Fachrichtungen Elektro- und Me-talltechnik (Sekundarstufe II). Das Ziel, den prognostizierten Lehrerbedarf mit landeseigenen Absolventen decken zu können, wurde nur zu einem geringen Teil erreicht. Den Anforderungen der Kultusministerkonferenz an ein Lehramtsstudium für die Sekundarstufe II wird das Lehran-gebot an der Universität Flensburg nur teilweise gerecht. Der LRH empfiehlt, den Studiengang durch ein konsekutives Studienmodell mit einem universitären Master-Studium „Berufs-bildung“ zu ersetzen. Zudem sollte die Verlagerung des Studien-gangs mit dem Ziel geprüft werden, alle Lehramtsstudiengänge für die Sekundarstufe II an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zu konzentrieren. Die Drittmitteleinnahmen des Instituts betrugen zwischen 1998 und 2002 knapp 4 Mio. €. Sie waren ein wesentlicher Grund für die erhebliche Steigerung des Drittmittelaufkommens der Uni-versität Flensburg. Die Verwaltung der Drittmittelprojekte wies gravierende Mängel auf. Tatsächliche Ausgaben und Abrechnungen gegenüber den Drittmittelgebern stimmten in mehreren Projekten nicht überein. In 7 von 35 Drittmittelprojekten ergaben sich dadurch Über-schüsse von insgesamt mehr als 270 T€, die in der Mehrzahl der Fälle über die Laufzeit der Projekte hinaus in der Verfügung der Projektleiter verblieben.

23.1 Gründung des Berufsbildungsinstituts Arbeit und Technik Die Landesregierung beschloss 19911 den Aufbau eines landeseigenen Studiengangs für das Lehramt an berufsbildenden Schulen in den Fach-richtungen Elektro- und Metalltechnik an der damaligen Pädagogischen Hochschule Flensburg2. Auf diese Weise sollte der prognostizierte Lehrer-

1 Landeshochschulplan 1991, Tz. 8.4.5 und 8.4.7. 2 Seit März 2000: Universität Flensburg.

261

bedarf in den beiden wichtigsten gewerblich-technischen Fachrichtungen unabhängig von Bewerbern aus anderen Bundesländern gedeckt werden. Zur Durchführung des Studiengangs wurde 1998 das Berufsbildungsinsti-tut Arbeit und Technik (BIAT) gegründet, der Studienbetrieb wurde bereits zum Wintersemester (WS) 1997/98 aufgenommen. In der Planungsphase war ursprünglich vorgesehen, den Studiengang als 5-semestriges Aufbaustudium für Ingenieure mit Fachhochschuldiplom1 anzubieten. Dieses konsekutive Modell wurde zugunsten eines grundstän-digen 9-semestrigen Lehramtsstudiengangs aufgegeben, um • Studierende vom Studienbeginn an zielorientiert auf den Lehrerberuf

vorzubereiten, • die Gesamtstudienzeit bis zur Ersten Staatsprüfung für die Laufbahn

der Studienrätinnen oder Studienräte an berufsbildenden Schulen zu verkürzen und

• Interessenten unabhängig vom Arbeitsmarkt für Ingenieure gewinnen zu können.

Ingenieure mit Fachhochschuldiplom haben die Möglichkeit, unter Abkür-zung der Regelstudienzeit das Studium zu absolvieren (sog. „Quereinstei-ger“). Zusätzlich können die Absolventen des Studiengangs das Diplom in Berufspädagogik erwerben. Die Entscheidung, das Studienangebot in Flensburg und nicht an der sei-nerzeit noch im Aufbau befindlichen Technischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) einzurichten, fiel vor allem aus regio-nalpolitischen Gründen.

23.2 Studiennachfrage und Studienerfolg Im WS 2002/03 waren 121 Studierende in dem Studiengang eingeschrie-ben, davon 89 Studierende in der Fachrichtung Metalltechnik und 32 in der Fachrichtung Elektrotechnik. Im Studienjahr 20022 nahmen 20 Anfänger das Studium auf. Die vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (Wissenschaftsministerium) angestrebte Zielzahl von 180 Studierenden und die zur Abdeckung des Lehrerbedarfs mindestens für nötig gehaltene Anfängerzahl von etwa 60 Studierenden pro Jahr wurden nicht erreicht. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Anfängerzahlen in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt zu niedrig sind3 und die Stu-

1 Regelstudienzeit 8 Semester. 2 Sommersemester (SS) 2002 und WS 2002/03. 3 Statistische Veröffentlichung der Kultusministerkonferenz (KMK) Nr. 169.

262

diennachfrage an der Universität Flensburg insbesondere in der Fachrich-tung Metalltechnik deutlich über dem Bundesdurchschnitt lag1. Zwischen Herbst 1999 und Sommer 2003 haben 26 Absolventen ihr Stu-dium mit der ersten Staatsprüfung abgeschlossen, darunter 20 „Querein-steiger“. Von 15 Studierenden, die im WS 1997/98 das grundständige Stu-dium aufgenommen haben, hatten bis zum Sommer 2003 nur 2 das Studi-um mit Erfolg beendet. Von 51 Lehrkräften, die als Studienräte zur Anstellung mit den Fächern Elektro- oder Metalltechnik zwischen Februar 2002 und August 2003 in den Schuldienst des Landes eingestellt worden sind, waren 9 Absolventen der Universität Flensburg (17,6 %). Die Studiennachfrage ist unbefriedigend, die Studienplätze sind nicht aus-gelastet. Die Hauptziele, hinsichtlich des Einstellungsbedarfs unabhängig von auswärtigen Absolventen zu werden und die Gesamtstudiendauer zu verringern, wurden nur im Ansatz erreicht. Das Wissenschaftsministerium stimmt den Feststellungen im Wesentli-chen zu, verweist aber auf die bundesweit vorhandene Lücke zwischen dem Bedarf an neu einzustellenden Berufsschullehrkräften und der gerin-gen Zahl an Absolventen. Mit dem Studienangebot in Flensburg werde ein Beitrag zur Schließung der Lücke geleistet. Gemeinsam mit der Universität Flensburg seien jedoch Maßnahmen zu prüfen, um die Auslastung zu er-höhen.

23.3 Personalausstattung Der grundständige Studiengang erfordert nach den Planungsunterlagen des Wissenschaftsministeriums deutlich mehr Personal als das ursprüng-lich vorgesehene konsekutive Modell (15,5 statt 7 Stellen). Von den ge-planten 15,5 Stellen entfallen 10,5 Planstellen auf wissenschaftliches und 5 Stellen auf nichtwissenschaftliches Personal. Diese Personalausstattung wurde insbesondere beim nichtwissenschaftli-chen Personal nicht erreicht. Statt der ursprünglich für notwendig gehalte-nen 5 wurden nur 2 Stellen bereitgestellt. Sie sind mit je 2 teilzeitbeschäf-tigten Laboringenieuren und Verwaltungskräften besetzt. Von den geplanten 10,5 Planstellen für wissenschaftliches Personal waren dem BIAT zu Beginn des WS 2002/03 9 Planstellen und eine Stelle für

1 Die berufsbildende Schule, H. 54, 2002, S. 206 ff.

263

einen wissenschaftlichen Mitarbeiter zugewiesen, über die das Institut aber nicht in vollem Umfang verfügen konnte. Zum wissenschaftlichen Personal gehören seit 1997 3 Professoren, weite-re 2 Professoren wurden zu Beginn des WS 2002/03 von der CAU an die Universität Flensburg versetzt und dem BIAT zugewiesen. Sie stehen dem BIAT nicht voll zur Verfügung, weil sie mit einem Drittel ihrer Lehrverpflich-tung an einem anderen Institut der Universität Flensburg tätig sind. Damit verfügt das BIAT über 4,3 Professuren. Ferner gehören zur Personalausstattung 2 Planstellen für abgeordnete Lehrkräfte, die bis 2002 im Schulkapitel 0716 (Berufsbildende Schulen) veranschlagt waren. Nach Feststellung des LRH1 bestand Bedarf für ab-geordnete Lehrkräfte nur im Umfang einer Planstelle. Das BIAT verfügt über 3 Stellen für wissenschaftliche Nachwuchskräfte (2 C 1-Planstellen, eine BAT II a-Stelle). Aus Budgetgründen war davon 2002 nur knapp die Hälfte besetzt. Das Verhältnis von Professuren zu wis-senschaftlichen Mitarbeitern war nicht universitätsadäquat2. Der Senat der Universität Flensburg hat deshalb im September 2003 die seit 2 Jahren gesperrte BAT II a-Stelle zur Wiederbesetzung freigegeben. Der LRH empfiehlt, darüber hinaus eine Planstelle für abgeordnete Lehrkräfte in eine Stelle für den wissenschaftlichen Nachwuchs umzuwandeln. Über den Stellenplan hinaus wurden zur Durchführung von Drittmittelvor-haben in den Jahren 2001 und 2002 weitere Mitarbeiter im Umfang von durchschnittlich 6 Stellen befristet eingestellt. Dabei handelte es sich über-wiegend um wissenschaftliche Mitarbeiter, nur in geringem Umfang um Verwaltungskräfte.

23.4 Studienorganisation und Lehrangebot Studierende haben innerhalb von 8 Semestern 160 Semesterwochenstun-den (SWS)3 zu belegen. Für die Organisation des Lehrangebots in den beruflichen Fachrichtungen und der Berufspädagogik ist das BIAT zuständig. Die Lehrveranstaltungen der beruflichen Fachrichtungen werden auf der Grundlage eines Koopera-tionsvertrags mit der Fachhochschule (FH) Flensburg gem. § 82 Abs. 1

1 Vgl. Tz. 23.4. 2 Zur Entwicklung der Hochschulen in Schleswig-Holstein, Empfehlungen der von der Lan-

desrektorenkonferenz und der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur eingesetzten Expertenkommission (sog. Erichsen-Kommission), 2003, S. 111.

3 82 SWS in der gewählten beruflichen Fachrichtung, 28 SWS in Berufspädagogik, 50 SWS in einem allgemein bildenden zweiten Fach.

264

Nr. 1 HSG1 geplant und durchgeführt. Die erste Vereinbarung beider Hochschulen wurde im Herbst 2000 abgeschlossen, ein neuer Vertrag folgte 2003. Das BIAT geht in seinen Planungen des Studienbetriebs von einem erfor-derlichen Lehrangebot im Umfang von 110 SWS aus, davon entfallen 54 SWS gem. Kooperationsvertrag auf die FH Flensburg. Zur Abdeckung des Bedarfs stand am BIAT im WS 2002/03 eine Lehrka-pazität von 71 Lehrveranstaltungsstunden (LVS) zur Verfügung. Erweitert wurde das Lehrangebot durch Lehrbeauftragte (4 LVS) und wissenschaft-liche Mitarbeiter, die jedoch laut Arbeitsvertrag keine Lehrverpflichtung hatten (6 LVS). 28 % der Lehrkapazität (20 LVS) wurden nicht den Vorschriften der Lehr-verpflichtungsverordnung2 entsprechend eingesetzt. Dabei handelte es sich um nicht auf die Lehrerfüllung anrechenbare Betreuungen im Rahmen von Praktika und Projekten, Planungs- und Koordinationsaufgaben und die Betreuung eines KFZ-Labors. Diese Aufgaben wurden vor allem von den abgeordneten Lehrkräften wahrgenommen. Die FH Flensburg hat den auf sie entfallenden Anteil des erforderlichen Lehrangebots im WS 2002/03 nicht in vollem Umfang erbracht, sondern nur 45 SWS. Einige Lehrveranstaltungen fielen aus Personalmangel oder mangels studentischer Nachfrage aus. Andere wurden wegen zu kleiner Gruppengrößen mit Lehrangeboten in ingenieurwissenschaftlichen Stu-diengängen zusammengefasst; dadurch wurden 12 LVS Lehrkapazität ein-gespart. Ein nicht unerheblicher Anteil des erforderlichen Lehrangebots ist dadurch bedingt, dass die Prüfungsordnung3 den Studierenden Wahlmöglichkei-ten4 innerhalb der beiden Fachrichtungen eröffnet. In Verbindung mit klei-nen Jahrgangsstärken ergeben sich dadurch unwirtschaftliche Gruppen-größen. Die durchschnittliche Gruppengröße betrug im WS 2002/03 in der Fachrichtung Elektrotechnik 4,4 Teilnehmer, in der Fachrichtung Metall-technik 12,2 Teilnehmer.

1 Gesetz über die Hochschulen und Klinika im Lande Schleswig-Holstein (Hochschulgesetz

- HSG) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 04.05.2000, GVOBl. Schl.-H. S. 416, zuletzt ge-ändert durch Gesetz vom 12.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 668.

2 Landesverordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen (Lehrverpflichtungsver-ordnung - LVVO) vom 06.10.1995, GVOBl. Schl.-H. S. 328, zuletzt geändert durch Lan-desverordnung vom 24.10.1996, GVOBl. Schl.-H. S. 652.

3 Landesverordnung über die Ersten Staatsprüfungen der Lehrkräfte (Prüfungsordnung Lehrkräfte I - POL I) vom 11.09.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 440.

4 3 Schwerpunkte je Fachrichtung, § 56 Abs. 2 POL I.

265

Der LRH begrüßt die Absicht der Universität Flensburg, wegen der gerin-gen Nachfrage das grundständige Studienangebot in der Fachrichtung Elektrotechnik einzustellen. Die Wirtschaftlichkeit des Personaleinsatzes könnte zusätzlich dadurch er-höht werden, dass die bisherige Ausdifferenzierung des Studienangebots mit 3 Schwerpunkten je Fachrichtung gestrafft wird. Darüber hinaus empfiehlt der LRH, dem Vorschlag der Erichsen-Kom-mission1 zu folgen und den Studiengang insgesamt als konsekutives Mo-dell umzustrukturieren und an der Universität aus wirtschaftlichen Gründen nur noch einen Master-Studiengang „Berufliche Bildung“ anzubieten. Für ein solches Master-Studium wären an der Universität nur noch etwa 80 SWS (120 ECTS-Punkte2) zu absolvieren statt bisher 160 SWS; die gesonderten Lehrangebote an der FH Flensburg für die Berufsschulleh-rerausbildung könnten entfallen. Als Voraussetzung für die bundesweite Anerkennung von Lehramtsstu-diengängen verlangt die KMK ein Universitätsstudium mit einer auf das jeweilige Lehramt bezogenen Differenzierung. Das gilt auch im Hinblick auf die Reforminitiativen zur Neugestaltung der Lehrerausbildung3. Es er-scheint fraglich, ob die Struktur des bisherigen Studiengangs wegen des hohen Anteils der von der FH Flensburg durchgeführten Lehrveranstaltun-gen in den beruflichen Fachrichtungen den Vorgaben der KMK entspricht. Das Wissenschaftsministerium hält den Studiengang für KMK-konform, weil gewährleistet sei, dass mehr als 50 % der Ausbildung durch ein uni-versitäres Lehrangebot abgedeckt werde. Der Studiengang entspricht allerdings in einem weiteren Bereich nicht den KMK-Vorgaben. In den allgemein bildenden Fächern, aus denen der Stu-dierende sein Zweitfach wählt4, wurden im WS 2002/03 abgesehen von 2 Ausnahmen keine lehramtsspezifischen Lehrveranstaltungen mit Bezug zur Sekundarstufe II angeboten. Entsprechende Kapazitäten müssten an der Universität Flensburg zusätzlich geschaffen werden. Das wäre ange-sichts kleiner Gruppengrößen unwirtschaftlich. Deutlich gestiegene Studie-rendenzahlen in anderen Studiengängen der Universität Flensburg erfor-dern eine Konzentration der Ressourcen.

1 Zur Entwicklung der Hochschulen in Schleswig-Holstein, Empfehlungen der von der Lan-

desrektorenkonferenz und der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur eingesetzte Expertenkommission unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen (Erichsen-Kommission), März 2003, S. 113.

2 European Credit Transfer System. 3 Nach dem Beschluss der KMK vom 28.02./01.03.2002 müssen Lehramtsstudiengänge

auch weiterhin ein nach Lehrämtern differenziertes Studium und entsprechende Ab-schlüsse aufweisen.

4 Die Studierenden können zwischen 9 Fächern wählen: Dänisch, Deutsch, Englisch, Mathematik, Sport, Physik, Wirtschaft/Politik, evangelische und katholische Religion.

266

Das Wissenschaftsministerium sollte deshalb eine Verlagerung der ge-werblichen Berufsschullehrerausbildung und damit des BIAT an die CAU prüfen. Für eine solche Verlagerung spricht, dass dort die übrigen Lehr-amtsstudiengänge für die Sekundarstufe II einschl. des Studiengangs für Diplom-Handelslehrer angesiedelt sind und ein breites Spektrum an Zweit-fächern mit einem entsprechenden Lehrangebot ohnehin vorgehalten wird. Das Wissenschaftsministerium stimmt den Feststellungen des LRH zur Studienorganisation und zum Lehrangebot im Wesentlichen zu, teilt aber die daraus abgeleiteten Bewertungen und Empfehlungen nur teilweise. Zugestimmt wird der Empfehlung, den bisherigen Studiengang durch ein konsekutives Studienmodell zu ersetzen, bei dessen Einführung auch zu prüfen sei, ob und in welcher Weise der Personaleinsatz optimiert, das Lehrangebot verdichtet und die bisherige Ausdifferenzierung des Studien-angebots beibehalten werden könne. Eine Konzentration aller Lehramtsstudiengänge für die Sekundarstufe II an der CAU wird dagegen abgelehnt, weil die Erichsen-Kommission die Ar-beitsteilung zwischen der FH Flensburg und der Universität Flensburg po-sitiv bewertet habe und eine Verlagerung der Berufsschullehrerausbildung zudem im Widerspruch zur Absicht des Landes stehe, die Universität Flensburg als Hochschule für Vermittlungswissenschaften zu profilieren und zu stärken. Der LRH bleibt aus Gründen der Wirtschaftlichkeit eines differenzierten lehramtsbezogenen Studienangebots bei seinen Empfehlungen.

23.5 Drittmittel Die Professoren des BIAT führten alle Drittmittelprojekte als Dienstaufgabe im Hauptamt durch und wickelten sie über den Universitätshaushalt ab1. Der Einwerbung von Drittmitteln kommt angesichts der Haushaltsprobleme der Hochschulen eine zunehmende Bedeutung für die Forschungsfinan-zierung zu. Gleichzeitig gilt das Drittmittelaufkommen einer Universität als wichtige Kennzahl für ihre Forschungsleistung.

23.5.1 Umfang der Drittmittel Das jährliche Drittmittelaufkommen der Universität Flensburg hat sich von 1996 bis 2002 verzehnfacht. Die Steigerung ist vor allem auf das 1998 er-richtete BIAT zurückzuführen. In den Jahren 2000 bis 2002 entfielen allein 2 Drittel der Einnahmen auf Projekte des BIAT2.

1 Kapitel 0723 Titelgruppe 63. 2 Titel 0723-282 01 (Beiträge Dritter für besondere Lehr- und Forschungsvorhaben).

267

Die Steigerung des Drittmittelaufkommens ist auch darauf zurückzuführen, dass das BIAT bei der Durchführung EU-geförderter Projekte zunehmend als Koordinator fungierte und EU-Mittel an die Projektpartner weiterleitete. In den Jahren 2001 und 2002 machten diese Auszahlungen über 50 % der erhaltenen Drittmittel aus.

Drittmittelausgaben des BIAT im Zeitraum 2001 bis 2002, nach Kostenarten

Personalkosten32%

Auszahlungenan

Projektpartner54%

Geschäfts-bedarf, Geräte,

Sonstiges9%

Reisekosten5%

Am BIAT wurden zwischen 1998 und 2002 rd. 35 Drittmittelprojekte bear-beitet. Aus diesen Projekten flossen der Universität 3,95 Mio. € zu, von denen 3,46 Mio. € verausgabt wurden.

23.5.2 Restmittel Am Ende eines Haushaltsjahres verfügten die Projektleiter insgesamt über z. T. erhebliche Restmittel aus laufenden und abgeschlossenen Projekten (Ende 2002 rd. 0,5 Mio. €).

Entwicklung der Restmittelbestände nach Professoren, jeweils zum 31.12.

0

100

200

300

1999 2000 2001 2002

in T€

Prof. X1 Prof. X2 Prof. X3

268

Der relativ hohe Restmittelbestand zum 31.12.2001 ergab sich aus bereits zugeflossenen Mitteln aus EU-Projekten, deren anteilige Auszahlung an die Projektpartner z. T. jedoch erst im darauf folgenden Jahr erfolgte. Restmittel entstanden aber auch dadurch, dass zwischen den vom BIAT erstellten Abrechnungen für die Geldgeber und den tatsächlich aus Pro-jektmitteln gezahlten Ausgaben erhebliche Abweichungen bestanden. Bei der Abrechnung von Projektmitteln wurden Ausgaben • des Grundhaushalts der Universität, • aus dem Schulkapitel 0716 (Berufsbildende Schulen), • aus anderen Projekten, • in anderer als der tatsächlich gezahlten Höhe (einschl. solcher Ausga-

ben, die nicht angefallen waren) geltend gemacht. So wurden im Jahr 2000 in 2 Projekten zusammen 150 % der Personal-ausgaben eines wissenschaftlichen Mitarbeiters oder für 2 Professoren-planstellen je 65 % der Personalausgaben in einem bzw. 2 Projekten ab-gerechnet. Die Professoren bearbeiteten zeitgleich weitere Drittmittelvor-haben und waren nicht von ihren Lehrverpflichtungen und sonstigen Dienstaufgaben freigestellt. Die Höhe der abgerechneten Personalaus-gaben erscheint deshalb wenig plausibel. Der LRH erinnert in diesem Zusammenhang außerdem daran, dass die übrigen Dienstaufgaben von der Durchführung der Drittmittelprojekte unberührt bleiben müssen (§ 71 b HSG). Der LRH hat die Abrechnung von 7 Projekten mit unterschiedlichen Ab-rechnungszeiträumen überprüft und folgende Abweichungen zwischen tat-sächlichen Auszahlungen aus Projektmitteln und Abrechnungen für die Geldgeber ermittelt: Projekt -Nr. Abrechnung gegen-

über Geldgeber Tatsächliche

Ausgaben Reste*

459 37,4 T€ 6,5 T€ 30,8 T€ 425 172,2 T€ 111,7 T€ 60,5 T€ 440 25,6 T€ 1,8 T€ 23,8 T€ 456 43,5 T€ 3,9 T€ 39,6 T€ 411 359,0 T€ 281,2 T€ 77,8 T€ 423 156,9 T€ 123,9 T€ 32,9 T€ 443 24,6 T€ 13,3 T€ 11,2 T€ Summe 819,2 T€ 542,3 T€ 276,6 T€

* Rechnerische Differenzen aufgrund unabhängiger Rundungen.

269

Sparsamer Mitteleinsatz - auch im Drittmittelbereich - ist zu begrüßen. Im Zusammenhang mit den Restmitteln erhebt sich jedoch die Frage, ob und in welchem Umfang das BIAT berechtigt ist, die Mittel zu behalten. Nur soweit die Bedingungen des zugrunde liegenden Vertrags einen Ver-bleib des Überschusses in der Hochschule zulassen, steht dieser der Hochschule zu. Denkbar - und nach dem Drittmittelerlass bei Auftragsfor-schung auch vorgesehen - ist eine Partizipation der Hochschule z. B. im Wege der Erhebung von Gemeinkostenanteilen. Die Abrechnungspraxis des Instituts führte dazu, dass die Professoren z. T. noch weit nach Ende der Projektlaufzeit über Restmittel aus den Pro-jekten verfügten. Der LRH hat erhebliche Zweifel, dass diese Vorgehens-weise bei der Mehrzahl der geprüften Fälle mit den Zuwendungs- oder Vertragsbedingungen der Geldgeber in Einklang steht, zumal die Über-schüsse nicht als solche ausgewiesen waren. Die Projektleiter hatten zu-dem den Geldgebern gegenüber teilweise ausdrücklich die Übereinstim-mung der abgerechneten Ausgaben mit den Büchern versichert. Das Wissenschaftsministerium macht geltend, dass einzelne Kritikpunk-te (Restmittel, Abrechnungen) auch auf die Usancen der Forschungsförde-rung Dritter zurückzuführen seien, etwa die Förderung definierter Werke mit Festbeträgen, die in der Forschung üblich seien. Der LRH sieht seine Zweifel nicht ausgeräumt, weil insgesamt nur sehr wenige Drittmittelprojekte des BIAT zu dieser Kategorie gehörten. Bei den oben genannten Vorhaben handelte es sich nicht um eine solche Förde-rung. In keinem Fall hinnehmbar ist die Diskrepanz zwischen den Abrech-nungen gegenüber den Geldgebern und der buchhalterischen Erfassung der tatsächlichen Ausgaben, das Geltendmachen nicht abrechnungsfähi-ger oder sogar fiktiver Kosten.

23.5.3 Verwaltungstechnische Projektabwicklung Über die Abrechnungspraxis hinaus wies die verwaltungstechnische Ab-wicklung der Drittmittelprojekte weitere gravierende Mängel auf: • Die Dokumentation der Drittmittelprojekte war unzureichend. Eine

rechtliche Prüfung der Drittmittelverträge durch das Rektorat vor Unter-zeichnung war aus den Verwaltungsunterlagen nicht erkennbar. Der notwendige Informationsaustausch zwischen Rektorat, zentraler Ver-waltung und BIAT war nicht durchgehend gewährleistet.

• Rd. 2 Drittel der Projektausgaben der Jahre 2001 und 2002 wurden bei

dem Titel 547 63 (nicht aufteilbare sächliche Verwaltungsausgaben) gebucht. Zur Herstellung von Haushaltsklarheit und -wahrheit ist die

270

Nutzung der bestehenden Titelsystematik erforderlich, zur Verbesse-rung der Kostentransparenz ist eine Erweiterung zweckmäßig.

• Arbeitsverträge aus Drittmittelprojekten werden nur befristet abge-

schlossen, als Befristungsgrund wird i. d. R. das Auslaufen des jeweili-gen Projekts genannt. Die Übereinstimmung zwischen dem im Arbeits-vertrag genannten Befristungsgrund, der tatsächlichen Beschäftigung und der Zuordnung der entsprechenden Vergütungszahlung zu dem Drittmittelprojekt muss sichergestellt sein. Eine fehlende Übereinstim-mung erschwert nicht nur eine verursachungsgemäße Zuordnung der Personalausgaben, sondern stellt auch die Rechtmäßigkeit der Befris-tung infrage. Dieser arbeitsrechtlich wesentliche Grundsatz wurde nicht immer beachtet. Die Ursachen lagen vor allem in Umbuchungswün-schen der Projektleiter für Personalausgaben von einem Projekt auf ein anderes, ohne dass die Arbeitsverträge entsprechend geändert wur-den.

• Aus Drittmitteln wurden u. a. auch Sprachreisen für 2 Universitätsmit-

arbeiter finanziert. Grundlage ihrer Freistellung vom Dienst war das Bil-dungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz1, in einem Fall nahm der Mitarbeiter zusätzlich eine Woche Erholungsurlaub in Anspruch. In einem Fall wurden die Kosten einer 3-wöchigen Sprachreise im Sommer 2001 nach Malta inklusive Flug, Sprachkurs und Unterbrin-gung mit Halbpension abgerechnet. Die Auszahlungen der entspre-chenden Rechnungen in Höhe von insgesamt 1.677 € wurden von dem Projektleiter aus Drittmitteln veranlasst. Bei dem in Anspruch genom-menen Projekt handelte es sich um die wissenschaftliche Begleitung einer vom Ministerium für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein2 geförderten Evaluation der Jugend-aufbauwerke Glücksburg, Niebüll und Norderstedt. Eine Begründung für die Übernahme der Kosten aus den Projektmitteln war nicht doku-mentiert. Im zweiten Fall beteiligte sich das BIAT im Jahr 2001 mit 2.209 € an den Kosten eines ebenfalls 3-wöchigen Sprachkurses in Großbritan-nien. Der Zuschuss zu den Gesamtkosten betrug rd. 70 %. Nach einem internen Vermerk handelte es sich dabei um die ersatzweise Abgeltung von Vergütungsansprüchen anstelle eines Werkvertrags. Der LRH hält die Vermengung von 2 unterschiedlichen Sachverhalten für nicht zuläs-sig.

1 Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz (BFQG) für das Land Schleswig-Holstein

vom 07.06.1990, GVOBl. Schl.-H. S. 364, zuletzt geändert durch Landesverordnung vom 16.09.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 503.

2 Damals Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein.

271

In beiden Fällen war kein inhaltlicher oder formaler Bezug zu dem in Anspruch genommenen Drittmittelprojekt erkennbar.

• In einem sehr umfangreichen vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geförderten Projekt1 wirkten verschiedene europäische Partner mit. Im Rahmen des Projekts „bestellte“ das BIAT Anfang 1999 Rechnungen bei einem Projektpartner, einem privaten Unter-nehmen, mit dem Hinweis, man sei in einigen Bereichen noch „liquide“ und habe sich überlegt, dem Unternehmen noch einige Gelder zur Ver-fügung zu stellen. Man benötige dafür getrennte Belege für bestimmte Positionen. Maßgeblich sei immer, dass es sich um Aufwendungen handele, die im Jahr 1998 entstanden seien; die Ausstellungsdaten der Belege sollten, wenn möglich, auf die Monate Oktober, November und Dezember verteilt werden. Die Rechnungen wurden entsprechend er-stellt und die Auszahlungen in Höhe von 10.640 € aus den Zuwen-dungsmitteln veranlasst.

Dieses Verwaltungshandeln entspricht nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung.

Das Wissenschaftsministerium hat Defizite und Mängel in der Drittmit-telverwaltung eingeräumt, sie seien in der Anfangsphase eines neuen In-stituts und in Anbetracht des raschen Wachstums der Universität Flens-burg in den vergangenen Jahren kaum zu vermeiden gewesen. Dem Land Schleswig-Holstein sei insgesamt kein Schaden erwachsen und die Dritt-mittel seien ausschließlich für dienstliche Belange verwendet worden.

23.5.4 Fazit

Die Drittmittelverwaltung muss nachhaltig verbessert werden; insbesonde-re ist künftig sicher zu stellen, dass Arbeitsverträge und tatsächliche Be-schäftigung der Mitarbeiter, Buchungsunterlagen und Verwendungsnach-weise übereinstimmen und die zuwendungsrechtlichen bzw. vertraglichen Bestimmungen eingehalten werden. Das Wissenschaftsministerium verweist darauf, dass die Universität Flensburg zwischenzeitlich eine Reihe von organisatorischen und techni-schen Maßnahmen zur Verbesserung der Drittmittelabwicklung ergriffen habe, auch eine personelle Verstärkung in der Drittmittelverwaltung werde erwogen.

1 Projekt Nr. 411; Projektvolumen insgesamt rd. 1,3 Mio. €, davon Förderung als Fehlbe-

darfsfinanzierung rd. 615 T€.

272

24. Freie Waldorfschulen Das Land gewährt den 10 Freien Waldorfschulen mit rd. 4.600 Schülerinnen und Schülern Zuschüsse zu den laufenden Kosten in Höhe von rd. 18 Mio. € im Jahr. Die Höhe der vom Land ge-währten Zuschüsse ist noch ausreichend. Bei der Berechnung der Höhe der Zuschüsse wurden die Vorga-ben des Schulgesetzes nicht hinreichend beachtet. Bei geset-zeskonformer Anwendung wären einige Waldorfschulen aus wirtschaftlicher Sicht mittelfristig in ihrem Bestand gefährdet. Eine zeitnahe Novellierung des Schulgesetzes ist erforderlich. Um den erheblichen Verwaltungsaufwand bei der Finanzierung der Waldorfschulen zu reduzieren, sollten den Schulen grund-sätzlich pauschalierte Zuschüsse nach Schülerkostensätzen ge-währt werden. Das durchschnittlich erhobene Schulgeld war gerade noch mit dem Sonderungsverbot (Art. 7 Abs. 4 GG) vereinbar. Für einen Teil der Schulen bestehen kaum noch Spielräume, die Einnah-men durch Anhebung der Elternbeiträge zu erhöhen. Aufgrund der stagnierenden bzw. leicht rückläufigen Schülerzah-len dürfte für weitere Waldorfschulen in Schleswig-Holstein kein Bedarf bestehen.

24.1 Prüfungsgegenstand

Das Land Schleswig-Holstein gewährt Trägern von Ersatzschulen in freier Trägerschaft Zuschüsse zu den laufenden Kosten, den Kosten der Lehr-kräfte und den Baukosten. Die dafür vorgesehenen Haushaltsmittel sind bei der Maßnahmegruppe 07 im Kapitel 0710 veranschlagt. Neben den 10 Freien Waldorfschulen1 werden 6 weitere private allgemein bildende Schulen2 vom Land gefördert (Titel 0710-684 02). Geprüft wurden die Zu-schüsse an die Waldorfschulen zu den laufenden Kosten und den Kosten der Lehrkräfte (rd. 18 Mio. € im Jahr). Zur Beurteilung der Finanzausstattung wurden die Organisation des Unter-richts und die pädagogische Ausrichtung der Schulen in die Prüfung mit

1 Freie Waldorfschulen (Waldorfschulen) in Kiel, Elmshorn, Itzehoe, Kaltenkirchen, Rends-

burg, Eckernförde, Lübeck, Neumünster, Flensburg und Lensahn. 2 Realschule Düsternbrook und Christliche Schule in Kiel, Katholische Grundschule Nord-

strand, Pädagogium Bad Schwartau, Schülerschule Schenefeld, Landerziehungsheim Louisenlund (1.159 Schülerinnen und Schüler insgesamt).

273

einbezogen. Dazu gehörten die Unterrichtsversorgung, die Entwicklung der Schülerzahlen, die Schulabschlüsse und die Verweildauer der Schüle-rinnen und Schüler an der Schule.

24.2 Grundlagen der Waldorfpädagogik Die pädagogische Zielsetzung der Waldorfschulen ist die von Rudolf Steiner entwickelte Menschenkunde (Anthroposophie). Die Schulzeit be-trägt an der Waldorfschule 12 Schuljahre, nach der jede Schülerin und je-der Schüler die Möglichkeit erhält, neben dem Haupt- bzw. Realschulab-schluss einen qualifizierten Waldorfschulabschluss zu erlangen. Abhängig von den Leistungen der Schülerinnen und Schüler kann im 13. Jahrgang das Abitur bzw. die Fachhochschulreife erreicht werden. Schwerpunkte der Waldorfpädagogik sind der Epochal- und Eurythmieun-terricht sowie die musischen Fächer in Ergänzung durch handwerklichen Unterricht und Garten- und Landbau. Die Waldorfschulen verfügen i. d. R. über eigene Gartenanlagen und entsprechendes Fachpersonal.

24.3 Entwicklung der Schülerzahlen und Schulstandorte In den letzten 20 Jahren stieg die Zahl der Waldorfschulen von 3 auf 10 Schulen in 9 kreisfreien Städten und Kreisen. Gleichzeitig stieg die Zahl der Schülerinnen und Schüler von rd. 1.370 im Schuljahr 1982/83 auf rd. 4.680 im Schuljahr 1999/2000 deutlich an. In den vergangenen 3 Schuljahren verzeichneten die Waldorfschulen, obwohl sich 2 Schulen noch im Aufbau befanden, einen Rückgang von insgesamt 114 Schülerin-nen und Schülern (2,4 %). Im Bundesvergleich1 war der Anteil der Schülerinnen und Schüler der schleswig-holsteinischen Waldorfschulen an den Schülerzahlen insgesamt mit 1,33 % deutlich höher als in den meisten anderen Bundesländern. Le-diglich Hamburg (1,67 %) und Baden-Württemberg (1,57 %) wiesen einen höheren Anteil auf.

24.4 Unterrichtsversorgung Die Unterrichtsversorgung in den überprüften 6 Schulen unterschied sich wesentlich voneinander. In den Klassenstufen 1 bis 4 wurden wöchentlich zwischen 23,0 und 32,1 Unterrichtsstunden und in den Klassenstufen 5 bis 10 zwischen 43,9 und 59,5 Unterrichtsstunden je Klasse erteilt. Dabei wie-sen die Schulen mit einer hohen Unterrichtsversorgung i. d. R. höhere

1 Schuljahr 2001/02.

274

Klassenfrequenzen auf als die Schulen mit einer niedrigeren Unterrichts-versorgung. Insgesamt gesehen konnte an den 6 überprüften Waldorfschulen aufgrund der höheren Klassenfrequenzen deutlich mehr Unterricht erteilt werden als an den vergleichbaren öffentlichen Grundschulen und Gesamtschulen: Klassenstufen 1 bis 4

Schulart Schüler je Klasse

Unterrichtsstunde je Klasse

Unterrichtsstunde je Schüler

Waldorfschulen 30,6 28,3 0,92

Grundschulen 21,6 23,2 1,07

Differenz + 9,0 + 5,1 - 0,15 Differenz in Prozent

+ 41,7 %

+ 22,0 %

- 14,0 %

In den Klassenstufen 1 bis 4 der überprüften Schulen wurde rd. ein Fünftel mehr Unterricht erteilt als an öffentlichen Grundschulen. Der Wert „Unter-richtsstunden je Schüler“ war jedoch aufgrund der hohen Klassenfrequen-zen niedriger als im öffentlichen Schulbereich.

Klassenstufen 5 bis 10

Schulart Schüler je Klasse

Unterrichtsstunde je Klasse

Unterrichtsstunde je Schüler

Waldorfschulen 30,1 47,6 1,58

Gesamtschulen 24,1 36,4 1,51

Differenz + 6,0 + 11,2 + 0,07 Differenz in Prozent

+ 24,9 %

+ 30,8 %

+ 4,6 %

Wird die Relation „Unterrichtsstunden je Klasse“ zugrunde gelegt, erteilten die Waldorfschulen in den Klassenstufen 5 bis 10 nahezu ein Drittel mehr Unterrichtsstunden als die öffentlichen Gesamtschulen. Auch die Relation „Unterrichtsstunden je Schüler“ fiel geringfügig höher aus als an den öf-fentlichen Gesamtschulen. An den überprüften Schulen wurden in den Jahrgangsstufen 11 bis 13 1,97 Unterrichtsstunden je Schüler erteilt. Das sind rd. 5 % mehr als an den gymnasialen Oberstufen der Gesamtschulen (1,88 Unterrichtsstunden je Schüler). Der Unterricht in den Klassenstufen 1 bis 12 beinhaltete eine starke Diffe-renzierung bzw. Gruppenbildung aufgrund der pädagogischen Ausrichtung

275

der Schulen. Daher waren die Klassenfrequenzen der Waldorfschulen statistisch gesehen deutlich höher als an den vergleichbaren öffentlichen Schulen. Im Bundesvergleich lag die Unterrichtsversorgung an den schleswig-holsteinischen Waldorfschulen in den Klassenstufen 1 bis 4 mit durch-schnittlich 30,3 Unterrichtsstunden je Klasse unter dem Durchschnittswert der Länder (34,5 Unterrichtsstunden), während in den Klassen- und Jahr-gangsstufen 5 bis 13 mit 51,0 Unterrichtsstunden je Klasse gegenüber dem Durchschnittswert der Länder (46,5 Unterrichtsstunden) überdurch-schnittliche Werte erreicht wurden. Hier zeigt sich, dass die pädagogi-schen Ziele der Waldorfschulen auch mit weniger Unterrichtsstunden und mit weniger Aufwand erreicht werden können.

24.5 Schulbesuchszeit und Abschlüsse Die Schulbesuchszeit an den Waldorfschulen soll i. d. R. 12 Jahre betra-gen, bis der Waldorfschulabschluss einschl. des Haupt- oder Realschulab-schlusses erreicht wird. Ein Teil der Schülerinnen und Schüler, die mit einem Hauptschulabschluss abgingen, verließ die Schule jedoch vorzeitig. Die durchschnittliche Schul-besuchszeit dieser Schülerinnen und Schüler betrug 10,85 Jahre und war damit rd. 1,5 Jahre länger als an den vergleichbaren öffentlichen Gesamt-schulen (9,36 Jahre). Wird die Schulbesuchszeit bis zum Realschulabschluss verglichen, betrug die zeitliche Differenz gegenüber den Schülerinnen und Schülern der Ge-samtschulen 1,74 Jahre. Die längeren Schulbesuchszeiten hatten zur Folge, dass sich die vom Land gezahlten Zuschüsse deutlich erhöhten. In den Schuljahren 1998/99 bis 2000/01 wurden an den Waldorfschulen folgende Schulabschlüsse erreicht: Schulabschlüsse an Waldorfschulen

1999 2000 2001

Ohne Abschluss 11 3 10

Hauptschulabschluss 55 49 80

Realschulabschluss 82 87 105

Fachhochschulabschluss 34 22 37

Abitur 99 103 121

Insgesamt 281 264 353

276

Damit wiesen die Waldorfschulen im Vergleich zu den öffentlichen Ge-samtschulen, an denen in den Schuljahren 1998/99 bis 2000/01 zwischen 24,6 % und 29,8 % der Schülerinnen und Schüler das Abitur erlangten, mit Anteilen von 34,3 % bis 39,0 % z. T. deutlich höhere Werte auf. Auch die Werte für die erreichten Fachhochschulreifen lagen an den Waldorfschu-len höher als an den Gesamtschulen.

24.6 Lehrergehälter An den Waldorfschulen wird der Unterricht i. d. R. durch Lehrkräfte erteilt, die nach einer staatlich anerkannten Lehrerausbildung eine waldorfpäda-gogische Ausbildung absolviert haben. Da für den privaten Schulbereich keine Tarifverträge bestehen, haben die Waldorfschulen die Gehälter ihrer Lehrkräfte durch eigene Gehaltsord-nungen festgelegt. Obwohl die Waldorfschulen in der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Freien Waldorfschulen in Schleswig-Holstein organisiert sind, bestehen keine Absprachen über die Höhe der Lehrergehälter. Dadurch traten Un-terschiede bei den Gehältern auf, die bis zu 25 % betrugen. Ein Vergleich mit den Lehrergehältern an öffentlichen Gesamtschulen er-gab, dass das Einkommen der Waldorflehrkräfte je nach Familienstand und Alter zwischen rd. 9 % und 21 % geringer war als die Vergütung einer Gesamtschullehrkraft im Angestelltenverhältnis (BAT II a). Auch gegen-über dem Einkommen einer Grund- und Hauptschullehrkraft (BAT III) ver-zeichneten die Waldorflehrkräfte ein niedrigeres Gehaltsniveau.

24.7 Zuschüsse an Waldorfschulen Das Land gewährt gem. § 60 SchulG1 bei Bedarf Trägern von Ersatzschu-len Zuschüsse zu den laufenden Kosten (Sachkosten) und den Kosten der Lehrkräfte (Personalkosten). Ein Zuschussbedarf ist gegeben, wenn die erzielbaren Einnahmen des Schulträgers die berücksichtigungsfähigen Kosten nicht abdecken. Die Höhe des jährlichen Zuschusses bemisst sich nach den als notwendig anerkannten Kosten unter Anrechnung des tatsächlich vom Schulträger erbrachten Eigenanteils. Dieser muss mindestens 15 % der Personal- und laufenden Sachkosten decken (§ 62 SchulG).

1 Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz (SchulG) vom 02.08.1990, GVOBl. Schl.-H.

S. 451, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 697.

277

Als Zuschuss werden gem. § 63 Abs. 2 SchulG für jede Schülerin und je-den Schüler der Waldorfschulen höchstens 80 % des Betrags gezahlt, der im Landesdurchschnitt an Sachkosten sowie an Personalkosten für den lehrplanmäßigen Unterricht einer vergleichbaren öffentlichen Schule auf-gewendet worden ist. Wurde 3 Jahre nacheinander der Höchstbetrag als Fehlbedarf bewilligt, wird in den Folgejahren der jeweilige Höchstbetrag als Festbetrag unabhängig vom Bedarf für 5 Jahre gewährt. Danach ist eine erneute Bedarfsprüfung vorgesehen. Während im Haushaltsjahr 1998 noch 6 Schulträgervereine Zuschüsse als Fehlbedarfsfinanzierung erhielten, wurden im Haushaltsjahr 2003 mit einer Ausnahme alle Schulträgervereine im Wege der Festbetragsfinanzierung nach Schülerkostensätzen bezuschusst. Bis zum In-Kraft-Treten des Haushaltsbegleitgesetzes 19951 wurde bei der Bemessung der Schülerkostensätze für die Schülerinnen und Schüler der Waldorfschulen (Klassenstufen 5 bis 13) ein Betrag zugrunde gelegt, der dem Durchschnitt der Kosten für Schülerinnen und Schüler der öf-fentlichen Gesamtschulen und Förderschulen entsprach, wobei der Anteil der Förderschüler lediglich 5 % betrug. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1995 wurden für eine Übergangszeit von 6 Jahren die Durchschnittskosten von Schülerinnen und Schülern an Gesamtschulen zugrunde gelegt zu-züglich eines Anteils der Förderschulen von zunächst 18 %. Damit sollte berücksichtigt werden, dass der den Schülerkostensätzen zugrunde liegende Gesamtschülerkostensatz im Vergleich zu anderen Schularten geringere Pensionskostenanteile beinhaltete und die Waldorf-schulen damit deutlich niedrigere schülerbezogene Zuweisungen erhalten hätten. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1998 wurde der Schülerkosten-satz der Gesamtschulen auf das Haushaltsjahr 1998 festgeschrieben und der Anteil der Förderschulen bis zum Haushaltsjahr 2001 auf 10,5 % fest-gelegt. Das Haushaltsbegleitgesetz 2002 brachte eine erneute Änderung der Grundlagen der Zuschussgewährung. Danach war bei der Bemessung der Schülerkostensätze für die Schülerinnen und Schüler der Waldorfschulen (Klassenstufen 5 bis 13) ein Betrag zugrunde zu legen, der dem Durch-schnitt der Kosten für Schülerinnen und Schüler der öffentlichen Gesamt-schulen und Förderschulen entsprach, wobei der Anteil der Förderschüler 10,5 % betragen sollte.

Während sich bei Anwendung der neuen Regelung zur Berechnung des Schülerkostensatzes für das Haushaltsjahr 2002 ein Höchstbetrag von

1 Haushaltsbegleitgesetz 1995, GVOBl. Schl.-H. 1994 S. 569.

278

rd. 3,9 T€ je Schülerin und Schüler ergeben hätte, wurde vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (Bildungsministerium) ein Schülerkostensatz in Höhe von 4,2 T€ festgelegt. Es ging bei der Festle-gung des Schülerkostensatzes davon aus, dass wie in den Vorjahren der volle Gesamtschülerkostensatz zuzüglich eines Anteils des Förderschul-kostensatzes in die Berechnung mit einfließen würde. Diese Berech-nungsmethode entspricht nicht der Regelung des SchulG. Die tatsächlich gewährten Zuschüsse lagen damit im Haushaltsjahr 2002 je Schule zwischen rd. 51,5 T€ und 145,0 T€ über den Zuschüssen, die sich aufgrund der Regelungen des SchulG über die Höhe der Schülerkos-tensätze ergeben hätten. Aufgrund der Ankündigung der Landesregierung, mit dem Auslaufen der Übergangsregelungen gem. Art. 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 1998 bzw. Art. 8 des Haushaltsbegleitgesetzes 1995 keine Verschlechterungen für die Schulen in freier Trägerschaft eintreten zu lassen1, gingen die Wal-dorfschulen davon aus, dass die Höhe die bewilligten Mittel den gesetzli-chen Bestimmungen entsprach. Zudem haben sie die Mittel zur Deckung der laufenden Personal- und Sachkosten bereits verbraucht. Aus Gründen des Vertrauensschutzes dürfte eine Rückforderung der überzahlten För-dermittel nicht möglich sein. Das Bildungsministerium vertritt die Auffassung, dass die bisherige För-derpraxis nicht im Widerspruch zum Wortlaut des § 63 Abs. 3 Satz 3 SchulG stehe. Diese Sichtweise werde ferner durch eine gesetzessyste-matische Auslegung gestützt und befände sich in Übereinstimmung mit dem durch die Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel dokumentier-ten Willen des Gesetzgebers. Die Ausführungen des LRH gäben jedoch Anlass, bei nächster sich bietender Gelegenheit im Rahmen künftiger No-vellierung des SchulG eine präzisierende Klarstellung im Wortlaut von § 63 Abs. 3 Satz 3 vorzunehmen, die jedes Missverständnis ausschließe. Der LRH hält an seiner rechtlichen Beurteilung fest und empfiehlt eine kurzfristige Gesetzesänderung.

24.8 Einhaltung des Sonderungsverbots Eine ausdrückliche Entscheidung darüber, bis zu welchem Betrag Schul-geld mit dem Sonderungsverbot des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG vereinbar ist, findet sich in der Rechtsprechung nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) selbst hat in einem Beschluss vom 09.03.19932 ein Schulgeld in

1 Landtagsdrucksache 15/663 vom 15.01.2001. 2 BVerfGE 75, 40, S. 63 ff.

279

der Größenordnung von monatlich 87 € (170 DM) bis 97 € (190 DM) für das Jahr 1986 als überhöht angesehen. Unter Berücksichtigung der Infla-tionsraten1 wären dies im Jahr 2001 rd. 119 € bis 133 €. Einschl. der an die Fördervereine gezahlten Beiträge lag die durchschnitt-liche Gesamtbelastung (Schulgeld, Spenden, Vereins- und Investitions-beiträge etc., jedoch ohne Schülerbeförderungskosten) je Kind und Monat in den Waldorfschulen im Haushaltsjahr 2001 zwischen rd. 95 € und rd. 125 €. Maßgeblich für die Unterschiede war neben der Wirtschaftlichkeit des Leh-rereinsatzes in den einzelnen Schulen besonders der jeweilige Aufwand für die Finanzierung der Schulgebäude. Hier deutete sich die Tendenz an, dass die Schulen bereit waren, an ihre finanziellen Grenzen zu gehen. Im Landesdurchschnitt ergab sich eine durchschnittliche monatliche Belas-tung für die Erziehungsberechtigten von rd. 107 € je Kind. Damit dürfte das durchschnittlich erhobene Schulgeld auch unter Berück-sichtigung der Rechtsprechung des BVerfG2 gerade noch mit dem Sonde-rungsverbot des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG vereinbar gewesen sein. Deutlich wird jedoch, dass für einen Teil der Schulen kaum noch Spielräume be-stehen, ihre Einnahmen durch Anhebung der Elternbeiträge zu erhöhen.

24.9 Bewilligungsverfahren Das Bildungsministerium gewährte nach einer auf der Grundlage der Wirt-schaftspläne vorgenommenen Prüfung des Bedarfs Zuschüsse zu den lau-fenden Kosten und den Kosten der Lehrkräfte. Wurde dabei 3 Jahre nach-einander der Höchstbetrag von 80 % der Schülerkostensätze als Fehlbe-darf bewilligt, wurde in den Folgejahren der jeweilige Höchstbetrag als Festbetrag unabhängig vom Bedarf gewährt. Nach jeweils 5 Jahren wurde eine erneute Bedarfsprüfung durchgeführt. Das Bildungsministerium sprach nach Prüfung der Unterlagen Bewilligun-gen in Form von Zuwendungsbescheiden aus. Da der Anspruch auf För-derung der Ersatzschulen in freier Trägerschaft jedoch gesetzlich geregelt ist und zur Höhe des Anspruchs das Gesetz ebenfalls Aussagen enthält, handelt es sich nach dem Haushaltsrecht nicht um Zuwendungen, sondern um Zuschüsse.

1 Statistisches Bundesamt, http://www.destatis.de/download/preis/archiv1.pdf. 2 BVerfGE 75, 40, S. 63 ff.

280

24.9.1 Abrechnungsverfahren Obwohl es in den Bewilligungsbescheiden ausdrücklich vorgegeben war, wurden Überleitungsrechnungen grundsätzlich nicht erstellt. Durch eine Überleitungsrechnung werden die Ergebnisse der kaufmännischen Buch-führung, in der Aufwendungen und Erträge erfasst sind, in eine Einnah-men- und Ausgabenrechnung (Kameralistik) überführt. Das Bildungsminis-terium bemängelte dies gegenüber den Schulträgern jedoch nicht. Der LRH weist darauf hin, dass es bei Beibehaltung des bisherigen Fördersys-tems unumgänglich sein wird, wesentliche Punkte eines Jahresabschlus-ses sachgerecht zu beurteilen und die grundsätzlichen Unterschiede zur Kameralistik herauszuarbeiten. Das Bildungsministerium weist darauf hin, dass aufgrund der erhebli-chen Abgrenzungsprobleme und der damit verbundenen laufenden Nach-fragen sowie dem erheblichen Aufwand auf allen Seiten die Abrechnungen häufiger nur mit z. T. großer Verzögerung bearbeitet werden konnten. Das Bildungsministerium habe die Schulen noch einmal darauf hingewiesen, ihre Bilanzen auf das Kalenderjahr abzustellen. Schlussabrechnungen wurden auf der Grundlage des Verwendungs-nachweises (VN) erstellt, obwohl der entsprechende Jahresabschluss dem Bildungsministerium noch gar nicht vorgelegt worden war. Die Prüfungser-gebnisse haben gezeigt, dass es unbedingt erforderlich gewesen wäre, die VN mit den Jahresabschlüssen abzugleichen. An allen überprüften Schulen wichen die vorgelegten VN von den Ergeb-nissen des Jahresabschlusses ab. Auf der Einnahmenseite wurden ins-besondere Vereinsbeiträge, Investitionsbeiträge und Spenden im VN nicht oder nur anteilig aufgeführt. Zwischen den betroffenen Schulen und dem Bildungsministerium wurden sowohl schriftliche als auch mündliche Ver-einbarungen getroffen, welche Einnahmen im VN aufzuführen sind. So wurde gegenüber einem Schulträger auf Wunsch schriftlich bestätigt, dass von der Schule „ein angemessener Betrag von den Eltern für ganz be-stimmte, zweckgebundene, nicht zuwendungsfähige Schulbetriebskosten erhoben werden kann, welcher … nicht als Einnahme i. S. des Verwen-dungsnachweises berücksichtigt wird“. Dies führte dazu, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen bei den einzel-nen Schulträgern um bis zu 438,1 T€ über den in den VN angegebenen Einnahmen lagen. Besonders große Unterschiede wurden an den Waldorfschulen festge-stellt, bei denen neben dem Trägerverein kein weiterer Verein gegründet worden war, dessen Einnahmen zur Abdeckung der nicht zuwendungsfä-higen Ausgaben (Zinsen u. a.) hätten verwendet werden können.

281

Der LRH weist darauf hin, dass das vom Bildungsministerium praktizierte Verfahren dem nach §§ 60 Abs. 2, 66 Abs. 3 SchulG anzuwendenden Gesamtdeckungsprinzip widerspricht, nach dem alle eigenen Mittel und alle erzielbaren Einnahmen des Zuschussempfängers als Deckungsmittel für alle berücksichtigungsfähigen Ausgaben einzusetzen sind. In der Sache stellt es auch die aufwändige Bedarfsberechnung des Bil-dungsministeriums infrage, soweit dort eine Prüfung der Ausgaben auf ihre „Zuwendungsfähigkeit“ erfolgt. Werden Ausgaben nicht anerkannt, besteht für den Schulträger die Möglichkeit, Einnahmen aus Schulgeld in nicht zu berücksichtigende Einnahmen aus Vereinsbeiträgen oder Spenden umzu-widmen, um so die Höhe der Einnahmen im VN zu reduzieren. Damit er-gibt sich für den Bedarf das gleiche Ergebnis, welches entstanden wäre, wenn es sich bei den Ausgaben um zuwendungsfähige Ausgaben gehan-delt hätte. Wenn das Bildungsministerium - aus der Sicht des LRH aus nachvollzieh-baren Gründen - der Auffassung ist, dass die Schulen ohne die Nichtbe-rücksichtigung von Einnahmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht existie-ren können, hätte ein Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des SchulG eingeleitet werden müssen. Das Bildungsministerium schließt sich dieser Auffassung an, weist aber darauf hin, dass eine Änderung des SchulG in dieser Legislaturperiode nicht mehr beabsichtigt sei. Deshalb sollen zunächst die historisch ge-wachsenen Absprachen, die auf die jeweilige besondere Situation der ein-zelnen Schule zugeschnitten sind, in eine möglichst einheitliche transpa-rente Verwaltungspraxis überführt werden. Auch auf der Ausgabenseite gab es große Unterschiede zwischen den Angaben in den vorgelegten VN und den Ergebnissen des Jahresab-schlusses. Sie waren überwiegend darauf zurückzuführen, dass die „nicht zuwendungsfähigen“ Ausgaben in den VN nicht enthalten waren. Dabei handelte es sich insbesondere um Zinsen, Abschreibungen (anteilig) und Beiträge an den Bund der Waldorfschulen (anteilig).

24.9.2 Bewertung Durch die Gründung von Fördervereinen hat die Mehrzahl der Waldorf-schulen sich Möglichkeiten geschaffen, in erheblichem Umfang den Fluss der Einnahmen und Ausgaben so zu steuern, dass die Bedarfsberechnun-gen des Bildungsministeriums zu dem von den Schulen gewünschten Er-gebnis gelangen und die Zuschüsse in Höhe der Höchstbeträge gezahlt werden. Daher regt der LRH an, den Waldorfschulen grundsätzlich pau-

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schalierte Zuschüsse nach Schülerkostensätzen zu gewähren. Die aufwändigen Bedarfsberechnungen könnten dann entfallen. Bei den Schulen, die sich bereits in der Festbetragsfinanzierung befanden, war die Tendenz festzustellen, sich in den Jahren, in denen eine Überprü-fung des Bedarfs durchgeführt wurde, „arm zu rechnen“. Dieses wurde sowohl auf der Einnahmenseite (u. a. durch Reduzierung des Spenden-aufkommens) als auch auf der Ausgabenseite (u. a. durch Erhöhung der Personalkosten durch Einmalzahlungen) festgestellt. Auch hier regt der LRH an, auf die Bedarfsberechnungen zu verzichten. Stattdessen könnten die Bilanzen als Grundlage für eine Überprüfung der finanziellen Lage der Waldorfschulen herangezogen werden. Das Bildungsministerium teilt grundsätzlich die Einschätzung des LRH, auf die aufwändige Bedarfsprüfung zugunsten einer pauschalierten Fest-betragsfinanzierung zu verzichten. Auch für die Waldorfschulen führten die Regelungen des SchulG zu erheb-lichem Verwaltungsaufwand. Aus der Sicht des LRH entsprachen die Regelungen nicht der im öffentlichen Schulbereich beabsichtigten Flexibili-sierung und Budgetierung der Mittel mit dem Ziel der Stärkung einer eigenverantwortlichen Ressourcenbewirtschaftung.

24.10 Wirtschaftliche Situation der Waldorfschulen Im Rahmen der örtlichen Erhebungen wiesen die Schulleitungen oft auf die schwierige wirtschaftliche Situation an ihrer Schule hin. In einigen Fällen wurde die finanzielle Unterstützung durch das Land als unzurei-chend bezeichnet. Der LRH hat daher die wirtschaftliche Situation der Schulen anhand der Jahresabschlüsse untersucht. Die Untersuchung der wirtschaftlichen Situation der Schulträger zeigte, dass deren Ergebnis besser ausfiel, wenn neben dem Schulträgerverein ein weiterer Verein existierte. In diesen Fällen hing der Bestand der Wal-dorfschule jedoch letztendlich von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beider Vereine ab. Um zudem eine Vergleichbarkeit zwischen den unter-schiedlichen Modellen herbeizuführen, hat der LRH den Förderverein in die Untersuchung der wirtschaftlichen Situation mit einbezogen und beide Vereine insoweit als wirtschaftliche Einheit angesehen.

283

24.10.1 Verschuldung Die Verschuldung der Schulen wurde anhand des sog. Dynamischen Verschuldungsgrads beurteilt. Der Dynamische Verschuldungsgrad gibt an, in wie vielen Jahren es einem Unternehmen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit unter sonst gleichen Bedingungen theoretisch möglich wäre, seine Schulden zu tilgen. Die durchschnittliche Schuldentilgungsdauer stieg in dem untersuchten Zeitraum von 21,1 Jahren im Haushaltsjahr 1999 auf 35,4 Jahre im Haus-haltsjahr 2001. Der Anstieg der durchschnittlichen Schuldentilgungsdauer war u. a. auf die Neuaufnahme von Krediten für Ersatz- oder Erweite-rungsbauten zurückzuführen. Bezogen auf die erwirtschafteten finanziellen Mittel waren 5 Schulen sehr hoch und weitere 3 Schulen hoch verschuldet. 2 Schulen wiesen eine mitt-lere Verschuldung auf. Eine Schule erwirtschaftete nicht genügend Mittel, um ihre Schulden zu tilgen.

24.10.2 Eigenkapitalquote Die durchschnittliche Eigenkapitalquote1 an den Waldorfschulen sank von 19,2 % im Haushaltsjahr 1999 auf 14,9 % im Haushaltsjahr 2001. Auch diese Entwicklung war u. a. auf die Neuaufnahme von Krediten für Ersatz- oder Erweiterungsbauten zurückzuführen. Dabei lagen die Werte der einzelnen Schulen im Haushaltsjahr 2001 zwi-schen 0,0 % und 43,3 %. Zwischen den Schulen bestanden also große Unterschiede bei der Höhe des Anteils des Eigenkapitals am Gesamtka-pital. Während eine Schule einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweisen musste und 2 weitere Schulen eine sehr geringe Eigenkapital-quote von weniger als 2,0 % verzeichneten, wies immerhin ein Drittel der Schulen eine gute bzw. sehr gute Ausstattung mit Eigenkapital auf.

24.10.3 Finanzielle Situation insgesamt Werden die im Haushaltsjahr 2001 erwirtschafteten finanziellen Mittel zugrunde gelegt, wies der überwiegende Teil der Waldorfschulen eine ho-he bis sehr hohe Verschuldung auf. An einem Teil dieser Schulen war gleichzeitig jedoch noch genügend Eigenkapital vorhanden, um unter den gegebenen Umständen zukünftig entstehende Verluste ausgleichen zu können.

1 Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital.

284

Insgesamt ergab sich für die Bewertung der Finanzstabilität der Waldorf-schulen folgendes Bild: Die Hälfte der Waldorfschulen konnte insgesamt gesehen eine gute bis mittlere Finanzstabilität verzeichnen. Die übrigen Schulen wiesen dagegen eine schlechte bzw. gefährdete Finanzstabilität auf. Die Ursachen für die finanziellen Schwierigkeiten der Schulen mit einer ge-fährdeten Finanzstabilität waren unterschiedlich. Eine der Schulen wies eine deutlich höhere schülerbezogene Unterrichtsversorgung auf als die anderen überprüften Schulen. Die Zahl der je Schüler erteilten Unterrichts-stunden lag in den Klassenstufen 1 bis 10 um mehr als 10 % und in den Jahrgangstufen 11 bis 13 um rd. 35 % über dem jeweiligen Durchschnitts-wert der Waldorfschulen. Gleichzeitig waren jedoch die durchschnittlichen Einnahmen aus Elternbeiträgen je Schülerin und Schüler niedriger als an anderen Schulen. Eine andere Schule musste in den vergangenen Jahren einen relativ ho-hen Rückgang der Schülerzahlen verzeichnen. Dies hatte zur Folge, dass die Einnahmen aus Elternbeiträgen und Zuschüssen des Landes deutlich zurückgingen. Die Schule sah sich jedoch nicht veranlasst, diesen Rück-gang durch eine Senkung der Ausgaben etwa bei den Lehrergehältern (Stellenabbau) zu kompensieren. Die schwierige finanzielle Situation einer anderen Schule war insbesonde-re dadurch entstanden, dass die Schule zahlreiche Schülerinnen und Schüler aus Mecklenburg-Vorpommern beschulte, obwohl das Bildungs-ministerium für diese Schülerinnen und Schüler nach dem Auslaufen einer Übergangsregelung keine schülerbezogenen Landeszuschüsse gewährte. An der Schule, die eine besonders gute finanzielle Situation aufweisen konnte, waren die durchschnittlichen Klassenfrequenzen deutlich höher als an den anderen Waldorfschulen.

24.11 Ausblick Es hat sich gezeigt, dass die finanzielle Situation der Waldorfschulen ins-gesamt gesehen derzeit nicht so schlecht ist, wie es beispielsweise von der LAG der Freien Waldorfschulen in der Vergangenheit vorgetragen wurde. Dabei ist davon auszugehen, dass die wirtschaftliche Situation der Waldorfschulen nicht allein von der Höhe der Zuschüsse des Landes, sondern auch maßgeblich von örtlichen Faktoren (Nachfrage nach Wal-dorfschulplätzen u. a.) sowie von unternehmerischen und pädagogi-schen Entscheidungen der Schulträger (Bauinvestitionen, Höhe der Un-terrichtsversorgung u. a.) mit beeinflusst wurde. Eine Verschlechterung der finanziellen Situation könnte sich in den nächs-ten Jahren durch die insgesamt zurückgehenden Schülerzahlen erge-

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ben. So werden sich beispielsweise die Schülerzahlen in der ersten Klas-senstufe der öffentlichen Grundschule nach der Prognose des Bildungs-ministeriums von 29.150 im Schuljahr 2002/03 auf 23.312 im Schuljahr 2012/13 verringern. Dieses entspricht einem Rückgang um rd. 20 %. In mehreren Fällen war zudem die steuerliche Behandlung von Spenden strittig. Während der Prüfung des LRH lief ein Klageverfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht in Kiel. Sofern das Finanzgericht die Rechtsauffassung des Finanzamts in dieser Sache bestätigt, muss für die vergangenen Jahre mit Haftungsbescheiden gerechnet werden. Die-sem erkennbaren Risiko ist bei den betroffenen Schulen nur unzureichend durch die Bildung von Rückstellungen Rechnung getragen worden. Dies bedeutet, dass sich die festgestellte finanzielle Situation in diesen Fällen deutlich verschlechtern könnte. Die Überprüfung der wirtschaftlichen Situation der Waldorfschulen hat ge-zeigt, dass die Höhe der finanziellen Unterstützung durch das Land insge-samt gesehen noch ausreichend war. Durch die in den nächsten Jahren insgesamt zurückgehenden Schülerzahlen könnte sich die finanzielle Situ-ation der Schulen jedoch merkbar verschlechtern, da Möglichkeiten zur Erhöhung der eigenen Einnahmen aufgrund des sich aus dem Grundge-setz ergebenden Sonderungsverbots kaum noch vorhanden sind. Aufgrund sehr unterschiedlicher Strukturen ist eine ausreichende finanziel-le Sicherung von Ersatzschulen in freier Trägerschaft aus Sicht des Bil-dungsministeriums nur dann möglich, wenn die Situation jeder einzelnen Schule so weit wie möglich Berücksichtigung finde. Ersatzschulen in freier Trägerschaft seien Wirtschaftsunternehmen und unterlägen daher auch wirtschaftlichen Anforderungen. Dieses stehe teilweise in einem Span-nungsverhältnis zum Zuschuss- und Haushaltsrecht. Der LRH beanstande mehrfach die Nichteinhaltung des Gesamtdeckungsprinzips bzw. die Ver-waltungspraxis des Bildungsministeriums hinsichtlich der Behandlung be-stimmter Einnahmen- und Ausgabenpositionen. Das Bildungsministerium sei bestrebt, sowohl dem Landeshaushalt als auch den berechtigten Be-langen der Schulen gerecht zu werden. Dieses geschehe insbesondere vor dem Hintergrund der Vermeidung möglicher finanzieller und politischer Konsequenzen für das Land, wie sie beispielsweise die Insolvenz einer Schule mit sich bringen würde. Der LRH weist darauf hin, dass wirtschaftliche Erfordernisse keinesfalls Verstöße gegen das Haushaltsrecht rechtfertigen.

286

25. Schleswig-Holsteinisches Institut für Friedenswissen-schaften

Das Schleswig-Holsteinische Institut für Friedenswissenschaften wurde 1995 als nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft des Wissenschaftsministeriums er-richtet und zugleich der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angegliedert (An-Institut). Das Institut verfügt nur über eine Personalkapazität von 2,5 Stellen. Sie wurde durch die Inanspruchnahme von bis zu 2 Planstellen anderer Haushaltskapitel und die Beschäftigung von Zeitangestellten erweitert, ohne dass dafür in jedem Fall die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen vorlagen. Mit der Gründung des Instituts war das Ziel verbunden, das Dritt-mittelaufkommen zu steigern. Dieses Ziel wurde zwar insgesamt erreicht, aber seit 1999 ist das Drittmittelaufkommen stark rück-läufig. Es ist weder gelungen, Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel nachhaltig für eine interdisziplinäre Zusam-menarbeit zu gewinnen noch die in der Satzung vorgesehene Verflechtung insbesondere mit dem Lehrbetrieb der Universität herzustellen. Die derzeitige Rechts- und Organisationsform als außeruniversitäres Forschungsinstitut ist nicht sachgerecht.

25.1 Vorbemerkung

Die Landesregierung beschloss 1991, neue und innovative Forschungs-gebiete zu fördern1. Für 2 Forschungsgebiete2 wurden Institute außerhalb von Hochschulen eingerichtet, obwohl wissenschaftliche Forschung und ihre Vermittlung zu den originären Aufgaben insbesondere der Universi-täten gehören. Der Wissenschaftsrat hatte deshalb schon 1988 empfoh-len, dass „außeruniversitäre Institute in regelmäßigen Abständen überprüft werden [sollten], … [ob] die Aufgaben ….auf Dauer nicht besser in einer Hochschule erfüllt werden können.“3 Der LRH hat diese Empfehlung zum Anlass genommen, sowohl das Institut für schleswig-holsteinische Zeit- und Regionalgeschichte (IZRG)4 als auch das Schleswig-Holsteinische Institut für Friedenswissenschaften (SCHIFF) zu prüfen.

1 Landeshochschulplan 1991, Tz. 9.1. 2 Friedensforschung und Zeit- und Regionalgeschichte Schleswig-Holsteins. 3 Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu den Perspektiven der Hochschulen in den 90er-

Jahren, Köln 1988, S. 71 f. 4 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 28.

287

25.2 Gründung des Instituts Das SCHIFF wurde 1995 als nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (Wissenschaftsministerium) gegründet.1 Es trat die Nachfolge des „Projektverbundes Friedenswissenschaften Kiel“ (PFK) an, der sich 1990 innerhalb der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gebildet hatte, und erhielt zugleich den Status einer Einrichtung an der CAU (An-Institut)2, ohne Teil der Universität zu werden.

25.3 Aufgaben und Organisation Seine Aufgaben und seine innere Organisation hat das SCHIFF 1995 in einer Satzung geregelt. Danach soll das Institut durch grundlegende und anwendungsbezogene wissenschaftliche Arbeit den Kenntnisstand zu verschiedenen Aspekten fortschreitender Integration, Gewaltfreiheit und Gerechtigkeit im internationalen System und in den einzelnen Gesellschaf-ten erweitern und verbreiten. Regionaler Schwerpunkt soll die Ostsee-region sein. Interdisziplinarität und Kooperation mit potenziellen Anwen-dern der wissenschaftlichen Ergebnisse sollen gesucht, Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit der Öffentlichkeit vermittelt und die Verbindung mit der Lehre an den Hochschulen, insbesondere der CAU hergestellt werden. Organe des SCHIFF sind • der Vorstand, • der Forschungsrat und • der Beirat. Der Vorstand besteht aus dem Geschäftsführenden Direktor und dem For-schungskoordinator. Zum Geschäftsführenden Direktor wurde ein Hoch-schuldozent aus der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät be-stellt und zum Forschungskoordinator ein wissenschaftlicher Mitarbeiter. Beide waren bereits beim PFK tätig. Mit der Abwicklung der Haushalts- und Personalangelegenheiten wurde als Mandatar das Rektorat der CAU beauftragt, Beauftragter für den Haus-halt ist der Geschäftsführende Direktor des Instituts.

1 Errichtungserlass vom 27.09.1995, Nbl. MWFK/MFBWS Schl.-H. S. 399. 2 § 117 Gesetz über die Hochschulen und Klinika im Lande Schleswig-Holstein (Hoch-

schulgesetz - HSG) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 04.05.2000, GVOBl. Schl.-H. S. 416, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 668.

288

25.4 Finanzausstattung Die Mittel des SCHIFF sind wie vorher bereits die Mittel des PFK in einer eigenen Titelgruppe (TG) 76 des Kapitels (Kap.) 0720 - Allgemeine Bewilli-gungen Hochschulen - veranschlagt. 1995 betrug der Haushaltsansatz 240 T€. Das Finanzministerium hatte seine Zustimmung zur Errichtung des Instituts u. a. an die Auflage gebunden, dass der Finanzaufwand des Landes auch künftig 240 T€ pro Jahr nicht überschreite. Diese Begren-zung wurde in den folgenden Jahren bei der Aufstellung des Haushalts nicht beachtet. Im Doppelhaushalt 2004/05 sind Ausgaben in Höhe von 267,5 bzw. 268,5 T€ veranschlagt. Das Wissenschaftsministerium macht geltend, dass die Begrenzung nicht als Nominal-, sondern nur als Realwert zu verstehen gewesen sei, und rechtfertigt den Anstieg der Soll-Ansätze damit, dass allein die Per-sonalkosten sich zwischenzeitlich um mehr als 10 % erhöht hätten. Das Finanzministerium habe die Höhe der in den jeweiligen Haushalten veran-schlagten Mittel mitgetragen. Im Prüfungszeitraum von 2000 bis 2002 verausgabte das SCHIFF aus der TG 76 insgesamt rd. 769 T€. Das zugewiesene Budget wurde eingehalten, aber darüber hinaus wurden Mittel aus dem Grundhaushalt der CAU in Höhe von 105 T€ in Anspruch genommen, ohne dass dafür eine haus-haltsrechtliche Ermächtigung vorlag. Es handelte sich insbesondere um Personalausgaben und bis einschl. 2000 um Bewirtschaftungskosten für die vom SCHIFF genutzten Räume der Technischen Fakultät der CAU. Damit betrugen die Landesausgaben für das SCHIFF im Durchschnitt 291 T€ pro Jahr. Die vom Finanzministerium angestrebte Deckelung der Ausgaben wurde um durchschnittlich rd. 20 % überschritten.

25.5 Personalausstattung Die Obergrenze für die Beschäftigung von Angestellten im Rahmen der verfügbaren Landesmittel wird durch die Stellenübersicht des SCHIFF (Titel 0720-425 76) vorgegeben. Sie enthält je 2 Stellen für das wissen-schaftliche Personal (BAT II a) und die Verwaltungskräfte (BAT VI b bzw. BAT VII) und ist seit Gründung des Instituts unverändert geblieben. Auf-grund eines Haushaltsvermerks dürfen die Stellen für die wissenschaft-lichen Mitarbeiter nur im Umfang von 1,5 Stellen und die Stellen für das Verwaltungspersonal nur je zur Hälfte besetzt werden. Eine einschlägig gewidmete Professur wurde dem Institut nicht zuge-wiesen, obwohl bereits in der Gründungsphase 1995 erhebliche Zweifel bestanden, ob ein außeruniversitäres Forschungsinstitut mit einer so ge-ringen Personalausstattung lebensfähig sei.

289

Die mit Landesmitteln finanzierte Personalkapazität war deutlich höher als es die Stellenübersicht auswies. Personalkapazität (Vollzeitbeschäftigte pro Jahr) Wissenschaftler Verwaltungskräfte 1995 5,1 1,1 1996 4,8 1,2 1997 4,8 1,2 1998 4,4 1,0 1999 2,7 1,0 2000 3,9 0,9 2001 2,8 0,8 2002 2,8 0,8

Bis Mitte 1998 wurden 2 Planstellen aus anderen Stellenplänen1 in An-spruch genommen, ohne dass dafür die haushaltsrechtlichen Vorausset-zungen vorhanden waren. Der Umfang reduzierte sich wegen der Teilzeit-beschäftigung des Geschäftsführenden Direktors und wegen des Wegfalls der C 1-Planstelle aus dem HSP II auf eine halbe Planstelle. Ferner hat das SCHIFF im Rahmen der Deckungsfähigkeit innerhalb der Titelgruppe und aufgrund eines bei dem Titel 533 76 (Werkverträge) ge-sondert ausgebrachten Haushaltsvermerks2 Arbeitsverträge für Zeitange-stellte abgeschlossen, ohne die Stellenobergrenzen der Stellenübersicht zu beachten. Im Ergebnis hat das SCHIFF seinen Stellenhaushalt für die aus Landes-mitteln finanzierten Beschäftigten regelmäßig überschritten. Das Wissenschaftsministerium räumt haushaltsrechtliche Versäumnisse ein. Die vom SCHIFF in Anspruch genommene Planstelle eines Hoch-schuldozenten hätte im Stellenplan der CAU nachrichtlich ausgewiesen werden müssen. Ein Nachholen dieses Versäumnisses werde aber ange-sichts der in Kürze geplanten Eingliederung des SCHIFF in das künftige Institut für Sozialwissenschaften der CAU für entbehrlich gehalten.

25.6 Drittmittel Mit der Errichtung des SCHIFF als öffentlich-rechtliche Anstalt des Landes und seine zeitgleiche Anbindung an die CAU war die Erwartung verbun-den, das Drittmittelaufkommen zu erhöhen. Dieses Ziel wurde im Durch-

1 Stellenplan der CAU (Titel 0721-422 01) und des Hochschulsonderprogramms II (HSP II)

(Kap. 0720 TG 67). 2 Es darf ein Zeitvertrag mit einer Laufzeit von bis zu 3 Jahren mit der Vergütungsgruppe

II a BAT abgeschlossen werden.

290

schnitt erreicht. Die Mittel stammten überwiegend von öffentlichen Auftrag-gebern.

Drittmitteleinnahmen des PFK bzw. des SCHIFF

0

100

200

30019

90

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

Drittmitteleinnahmen

Drittmittelaufkommen im Durchschnitt PFK bzw. SCHIFF

T€

Ø 136,2 T€ Ø 73,2 T€

Seit 1999 ist das Drittmittelaufkommen allerdings stark rückläufig und be-trug in den Haushaltsjahren 2000 bis 2002 nur noch durchschnittlich 66 T€ pro Jahr. Das SCHIFF begründete den Rückgang vor allem mit dem Aus-laufen der Konversionsforschung. Die Drittmittelabwicklung erfolgte im Wesentlichen über die entsprechen-den TG im Haushalt der CAU (Kap. 0721 TG 61 und 62), obwohl das SCHIFF keine Einrichtung der Universität ist und es sich daher nicht um Drittmittel der Universität handelt.

25.7 Kooperation mit dem Schleswig-Holsteinischen Landtag Das SCHIFF erfüllte seine Aufgaben auch durch Zusammenarbeit mit dem Schleswig-Holsteinischen Landtag. Dabei handelte es sich um Aufträge zur Politikberatung und Maßnahmen zum Ausbau von Partnerschaften des Parlaments in der Ostseeregion. Dafür erhielt das Institut vom Schleswig-Holsteinischen Landtag Projektkostenzuschüsse.

291

Jahr Projekt Einnahmen Ausgaben 1999 5.113 € 2000

Explorationsstudie Kaliningrad 2.556 € 2.799 €

2000 2.301 € 2001

Implementierung des Kaliningrad-Memorandums 1.150 € 669 €

2000

Implementierung der Internationa-len Sommerakademie (ISA) 2001

2.556 €

2002 Stipendien (ISA 2002) 3.900 € 2.500 € Insgesamt 17.576 € 5.968 €

Die finanzielle Abwicklung der Vorhaben erfolgte über das Kap. 0721 TG 661. Eine konkrete Abrechnung der vereinnahmten Mittel gegenüber dem Auftraggeber unter Darlegung des Personal- und Sachaufwands wur-de nicht vorgenommen. Da nicht verausgabte Einnahmen zugunsten die-ser TG uneingeschränkt übertragbar sind, verblieben Überhänge zur freien Disposition des SCHIFF. Bei den Einnahmen handelte es sich um Zahlungen innerhalb der unmit-telbaren Landesverwaltung. Es sind nur solche Aufwendungen zu erstat-ten, die der ersuchten Dienststelle in Ausführung der Leistung als zusätz-liche Ausgaben unmittelbar entstanden sind (VV Nr. 3 zu § 61 LHO). Der LRH hält es daher für erforderlich, dass das SCHIFF den zusätzlichen Per-sonal- und Sachaufwand dem Auftraggeber gegenüber darlegt. Etwaige Rückzahlungsverpflichtungen sind zu prüfen. Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages betont die überaus konstruktive und ergebnisorientierte Zusammenarbeit mit dem SCHIFF und würdigt dessen Beitrag für die Rolle Schleswig-Holsteins in der Ostseekooperation. Ferner teilt er mit, dem Institut seien die entstan-denen Personalkosten für die „Explorationsstudie Kaliningrad“ und die Stu-die zur „Civil Society around the BALTIC RIM“2 ebenso wie die Personal-kosten für die Anlaufphase der ISA anteilig erstattet worden. Der LRH bleibt bei seinen Feststellungen. Grundlage für anteilige Erstat-tungen zwischen Dienststellen der Landesverwaltung können nur solche Aufwendungen sein, die zusätzlich zur Grundfinanzierung aus dem Lan-deshaushalt entstanden sind. Hierüber hätte das SCHIFF der Landtags-verwaltung gegenüber einen zahlenmäßigen Nachweis erbringen müssen.

1 Für Universitätszwecke aus eigenen Einnahmen: Diese TG wird vorrangig für Einnahmen

aus Veröffentlichungen der Institute und Seminare der CAU in Anspruch genommen. 2 Broschüre, die im Rahmen des Auftrages zur Implementierung des Kaliningrad-Memo-

randums erstellt wurde.

292

25.8 Förderverein In mehreren Fällen bestand ein enger Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Aufgaben des SCHIFF und einem privatrechtlich orga-nisierten Förderverein (eingetragener Verein). Der Verein wurde von 7 Mit-gliedern des SCHIFF zeitgleich mit der Errichtung des Forschungsinstituts gegründet, um ein umfangreiches Drittmittelvorhaben im Rahmen der Kon-versionsforschung1 abzuwickeln, weil das SCHIFF nach eigenen Angaben als Landeseinrichtung nicht als Adressat einer solchen Projektförderung infrage gekommen wäre. Zwischen dem Beauftragten für den Haushalt des Instituts und dem Vorsitzenden des Fördervereins besteht von Beginn an Personenidentität. Der Verein selbst war nicht Gegenstand der Prüfung des LRH. In diesem Rahmen wurde aber deutlich, dass der Verein auch nach Ende der Kon-versionsforschung für Finanzangelegenheiten des SCHIFF genutzt wurde, obwohl die Instituts- oder Hochschulverwaltung zuständig gewesen wäre. Der LRH hält ein solches Verfahren für nicht zulässig. Ein privatrechtlicher Förderverein kann von einer Landeseinrichtung nicht nach Belieben bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben oder der Verwaltung öffentlicher Mittel herangezogen werden. Bestehende Finanzbeziehungen sind trans-parent zu gestalten. Ferner ist sicherzustellen, dass es nicht zu Interes-senkollisionen zwischen Dienstaufgaben und Vereinsangelegenheiten kommen kann. Das Wissenschaftsministerium hält eine lupenreine Trennung zwischen staatlichem und nichtstaatlichem Bereich gerade bei sog. Ausgründungen im Zusammenhang mit anwendungsorientierter Forschung und Technolo-gietransfer für nicht möglich. Es stimmt aber der Auffassung des LRH grundsätzlich zu und wird auf eine transparente Gestaltung der Beziehun-gen zwischen dem Institut und dem Förderverein hinwirken.

25.9 Verflechtung zwischen SCHIFF und CAU In der Satzung des SCHIFF wird die Verflechtung der wissenschaftlichen Arbeit mit dem Lehrbetrieb insbesondere der CAU als Ziel genannt. Die-ses Ziel wurde nicht erreicht: Eine Lehrverpflichtung hatten nur der Geschäftsführende Direktor als Hochschuldozent für Logik und Mathematik (ab Sommersemester 2000 durch das Wissenschaftsministerium von der Lehre freigestellt), eine bis 1998 am Institut tätige Wissenschaftliche Assistentin und 2 wissenschaft-liche Mitarbeiterinnen im Rahmen eines befristeten Promotionsvertrags. Die Erfüllung der Lehrverpflichtung war überwiegend nicht dokumentiert.

1 Fördermittel der vom Land kofinanzierten EU-Initiative KONVER II.

293

Das Wissenschaftsministerium wird die CAU bitten, künftig die Einhal-tung der Lehrverpflichtung von Lehrenden, die am SCHIFF tätig sind, zu dokumentieren. Die Forschungskapazität des SCHIFF hat sich seit der Gründung des Instituts sehr unterschiedlich entwickelt:

Wissenschaftliches Personal des SCHIFF (in Vollzeitbeschäftigten)

5,1 4,8 4,8 4,42,7

3,92,8 2,8

2,23,5

2,9

2,3

0,70,8

0

2

4

6

8

10

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

finanziert aus Landesmitteln finanziert aus Drittmitteln

Ursachen für den Rückgang der Forschungskapazität sind • die rückläufigen Drittmitteleinnahmen des Instituts, • die im Jahr 1998 ersatzlos ausgelaufene HSP II-Stelle, • die Teilzeitbeschäftigung des Geschäftsführenden Direktors seit Mitte

des Jahres 1998. Eine nachhaltige Mitarbeit anderer Wissenschaftler aus dem Hochschul-bereich insbesondere zur Stärkung des interdisziplinären Forschungs-ansatzes des Instituts wurde nicht erreicht.

25.10 Nebentätigkeit Ein Mitglied des Instituts nahm ohne das Vorliegen einer entsprechenden Genehmigung eine Nebentätigkeit für ein privates Unternehmen auf, das im Zuge des Wissens- und Technologietransfers im Jahr 2000 aus dem SCHIFF heraus gegründet worden war. Diese Tätigkeit wurde unter Miss-achtung des 2002 endgültig abgelehnten Antrags auf Erteilung einer Ne-bentätigkeitsgenehmigung fortgesetzt. Die Ablehnung stützte sich auf eine mögliche Interessenkollision mit dienstlichen Pflichten. Der LRH sieht in der Ausübung dieser Nebentätigkeit gravierende Anhalts-punkte für ein Dienstvergehen und hält die Einleitung disziplinarrechtlicher Schritte für geboten.

294

Das Wissenschaftsministerium hat den Betreffenden mehrfach darauf hingewiesen, dass die Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung durch die zuständige CAU rechtlich nicht zu beanstanden sei. Inzwischen wurde er erneut aufgefordert, kurzfristig dazu Stellung zu nehmen, ob der Neben-tätigkeit trotz fehlender Genehmigung nachgegangen werde. Nach Ein-gang der Stellungnahme werde das Wissenschaftsministerium prüfen, ob disziplinarrechtliche Maßnahmen einzuleiten seien.

25.11 Eingliederung des SCHIFF in die CAU Innerhalb des SCHIFF wurden seit 2000 verschiedene Möglichkeiten für eine Neustrukturierung der wissenschaftlichen Friedensforschung in Schleswig-Holstein erörtert. Nachdem die Absicht, das SCHIFF der Uni-versität Flensburg anzugliedern und dort in Zusammenarbeit mit dem European Center of Minority Issues (ECMI) einen neuen Studiengang auf-zubauen, im Sommer 2001 nicht realisiert werden konnte, wurden zusam-men mit Vertretern der CAU Modelle entwickelt, das SCHIFF in die Univer-sität einzugliedern. Der LRH unterstützt diese Bemühungen und hat deshalb empfohlen, das SCHIFF als außeruniversitäre Einrichtung aufzulösen und • die friedenswissenschaftliche Aufgabenstellung in eine größere Einrich-

tung der CAU zu integrieren oder • die künftige Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet der Frie-

denswissenschaften in die Verhandlungen mit Hamburg über Koopera-tionen im Hochschulbereich einzubeziehen.

In der Zwischenzeit haben die CAU und das Wissenschaftsministerium in ihrer Zielvereinbarung für die Jahre 2004 bis 2008 festgelegt, das SCHIFF bis spätestens zum 01.07.2005 in das neu entstehende Institut für Sozial-wissenschaften der CAU zu integrieren. Der LRH empfiehlt, dabei die in den Haushalt der CAU zu übertragende Finanzausstattung auf die durch langfristige Arbeitsverträge gebundenen Personalausgaben und deutlich verringerte Sachmittel zu begrenzen. Außerdem sollten die wissenschaft-lichen Mitarbeiter in die Lehre eingebunden werden.

295

26. Förderung der Museumsarbeit und Ausstellungstätigkeit nichtstaatlicher Museen

Das Land förderte die Arbeit der nichtstaatlichen Museen von 1999 bis 2002 mit rd. 8,36 Mio. €. Nur ein Viertel der Förder-summe war im Haushalt des Kultusministeriums veranschlagt. Ein mit den Museumsträgern und dem Museumsverband Schleswig-Holstein e. V. abgestimmtes Konzept zur Weiterent-wicklung der schleswig-holsteinischen Museumslandschaft liegt bisher nicht vor. Förderrichtlinien des Kultusministeriums für die Gewährung von Zuwendungen gab es nicht. Das Zuwendungsrecht wurde mehr-fach nicht beachtet.

26.1 Nichtstaatliche Museen in Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein gibt es mehr als 250 Museen und Sammlungen sehr unterschiedlicher Art und Größe1. Sie befinden sich überwiegend in pri-vater oder kommunaler Trägerschaft2. Kernaufgaben von Museen sind das Sammeln, Bewahren, Erforschen und Präsentieren von Teilen der histori-schen und kulturellen Überlieferung, von Kunst und Natur.

26.2 Landesförderungen für nichtstaatliche Museen Die Förderung von Kunst und Kultur ist eine in der Landesverfassung (LV) vorgesehene Aufgabe des Landes3. Dazu gehört auch die Förderung nichtstaatlicher Museen. Für diesen Zweck waren im Haushalt des Minis-teriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur (Kultusministe-rium) von 1999 bis 2002 mehr als 2 Mio. € veranschlagt4. Nur rd. ein Viertel der Landesförderungen für die nichtstaatlichen Museen wurde im Haushalt des Kultusministeriums veranschlagt. Der größere Teil der insge-samt bereitgestellten Mittel (8,36 Mio. €) fiel in die Zuständigkeit anderer Ministerien, die die Förderung vor allem unter touristischen, regional- oder auch sozialpolitischen Gesichtspunkten gewährten. Gefördert wurden In-vestitionen zur Errichtung neuer bzw. Erweiterung bestehender Einrich-tungen (z. B. Walhaus Multimar Wattforum; Museumswerft Flensburg, Buddenbrook- und Grasshaus Lübeck).

1 www.museen-sh.de. 2 In staatlicher Trägerschaft befinden sich noch die Museen und Sammlungen der

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und das Computermuseum der Fachhochschule (FH) Kiel; mittelbar dem staatlichen Bereich zuzurechnen sind die öffentlich-rechtlichen Stiftungen Schloss Eutin und Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf.

3 Art. 9 LV. 4 Ohne Zuwendungen an das Schleswig-Holsteinische Freilichtmuseum in Molfsee und zur

Förderung der Gedenkstättenarbeit.

296

Anteil der Zuwendungen für die Museums- und Ausstellungstätigkeit nichtstaatlicher Institutionen*

1999 - 2002

Ministerium für Umwelt,

Naturschutz und Landwirtschaft

2,6 %

Innenministerium35,4 %

Kultusministeriumeinschl.

Museumsamt24,3 %

Kulturstiftung des Landes Schleswig-

Holstein1,1 %

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit

und Verkehr36,7 %

* Ohne Schleswig-Holsteinisches Freilichtmuseum in Molfsee und Gedenkstätten.

Der LRH hält die Koordinierung aller Museumsförderungen des Landes durch das Kultusministerium für erforderlich und empfiehlt, unter Beteili-gung der wichtigsten kommunalen und freien Museumsträger, des Mu-seumsverbands Schleswig-Holstein e. V. (MVSH)1 und unter Berücksich-tigung der Regionalplanung ein Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung der Museumslandschaft („Museumsplan“) zu erarbeiten. Insbesondere sollten darin die Ziele der Kulturpolitik2 im Hinblick auf klar strukturierte Schwerpunktmuseen („Leuchttürme“), angestrebte Formen der Koopera-tion der Museen und Möglichkeiten weiterer Qualitätsverbesserungen kon-kretisiert und transparent gemacht werden. Künftige Förderentscheidun-gen wären auf ein solches Konzept auszurichten. Das Kultusministerium verweist auf einen zuletzt im Jahr 2000 aktua-lisierten internen Kriterienkatalog, der den Förderentscheidungen des Mu-seumsamts Schleswig-Holstein (Museumsamt)3 und des Kultusministe-riums zugrunde gelegen habe, ferner auf den von der Landesregierung erstellten Museumsbericht4 und den Bericht der Arbeitsgruppe Evaluation der Kulturförderung5. Fördermittel anderer Ministerien seien jeweils in Ab-stimmung mit dem Museumsamt bzw. dem Kultusministerium vergeben worden. Die Förderpolitik habe die museologische Qualifizierung und Professiona-lisierung der Museen zum Ziel gehabt und sei einerseits bedarfsorientiert

1 Vgl. dazu Tz. 26.6. 2 Bericht der Landesregierung, Entwicklung der Museen in Schleswig-Holstein (Museums-

bericht), Tz. 1.2.2, Landtagsdrucksache 15/1169 vom 07.09.2001. 3 Dem Kultusministerium zugeordnetes Amt nach § 5 Abs. 2 LVwG; hervorgegangen aus

dem Amt des Landesmuseumsdirektors. 4 Museumsbericht, Landtagsdrucksache 15/1169 vom 07.09.2001. 5 Bericht der Arbeitsgruppe Evaluation der Kulturförderung in Schleswig-Holstein des

Kultusministeriums, September 2003 (Evaluation Kulturförderung), Umdruck 15/3746.

297

auf Antrag der Museumsträger, andererseits in Form einer behutsam steu-ernden strukturellen und konzeptionellen Profilierung der Museumsland-schaft durch Hervorhebung von Schwerpunkten mit landesweiter Bedeu-tung („Leuchttürme“) erfolgt. Die Erarbeitung eines Museumsplans hält das Kultusministerium nicht für zweckmäßig und verweist bezüglich der Pro-filierung der Museumslandschaft auf die kulturtouristische Marketing- Initiative von Landeskulturverband und Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein1. Der LRH bleibt bei seiner Auffassung, dass ein kulturpolitisch ausge-richtetes, inhaltlich konkretisiertes Gesamtkonzept als Grundlage künftiger Förderentscheidungen der Landesregierung notwendig ist. Die vom Kultusministerium für notwendig erachtete Akkreditierung von Museen ist bisher nicht erfolgt. Es handelt sich dabei um eine förmliche Anerkennung der Museen nach verbindlichen Kriterien, um „größere und kleinere, anspruchsvolle Häuser von oberflächlichen und rein kommerziell ausgerichteten Einrichtungen zu distanzieren“2. Für die 2001 zunächst beabsichtigte Unterstützung privatrechtlicher Trä-gerschaften insbesondere in Form von Stiftungen fehlten und fehlen auch nach Einschätzung des Kultusministeriums die nötigen Landesmittel3. Als weiteres Ziel der Museumsförderung wird vom Kultusministerium die Heraushebung und Akzentuierung von „Leuchtturm“-Projekten nach the-menspezifischen Kriterien einerseits und regionalen Kriterien andererseits in Kooperation mit den jeweiligen Trägern angestrebt.4 Auf diese Weise werde langfristig ein Netz hervorragender Sammlungen und Museen ent-stehen, die sich gegenseitig unterstützen und ergänzen können. Eine themenspezifische und regionale Konkretisierung über die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf und das Schles-wig-Holsteinische Freilichtmuseum in Molfsee hinaus enthalten jedoch we-der der Museumsbericht noch der Bericht zur Evaluation der Kulturförde-rung. Stattdessen verweist das Kultusministerium auf die erfolgte Profilie-rung der Museumslandschaft i. S. sog. „Leuchttürme“ im Rahmen der kul-turtouristischen Marketing-Initiative von Landeskulturverband und Touris-mus-Agentur Schleswig-Holstein5, die die herausragenden Museen unter kulturtouristischen Gesichtspunkten präsentiere. Dabei stehen wirtschaft-politische Ziele, insbesondere die Vermarktungsabsicht im Vordergrund. Ein solches Förderkonzept kann nach Auffassung des LRH nicht die inhaltliche Ausfüllung des Verfassungsauftrags ersetzen, Kunst und Kultur um ihrer selbst willen, also zweckfrei zu fördern. Diesem Auftrag entspricht

1 Pressemitteilung der Landesregierung vom 19.08.2003. 2 Museumsbericht, Landtagsdrucksache 15/1169 vom 07.09.2001, S. 8. 3 Evaluation Kulturförderung, Umdruck 15/3746, S. 10. 4 Museumsbericht, Landtagsdrucksache 15/1169 vom 07.09.2001, S. 9. 5 www.sh-tourismus.de.

298

zwar der vom Kultusministerium vertretene Grundsatz „fördern, was es schwer hat“, d. h. eine Förderung von solchen Projekten, die „in der Nische zwischen verschiedensten kommerziellen Angeboten nicht über-leben können und gleichzeitig durch eine kulturpolitische Zielsetzung legiti-miert sind“1. Eine inhaltliche Konkretisierung dieser kulturpolitischen Ziel-setzung wird aber nicht vorgenommen.

26.3 Institutionelle Förderungen durch das Kultusministerium Eine institutionelle Förderung erhielten 5 Einrichtungen2. Es handelte sich dabei um historisch gewachsene Unterstützungen des Landes. Die jährli-che Förderung lag zwischen 9 T€ und 150 T€ je Einrichtung. Die Gesamt-förderung betrug von 1999 bis 2002 insgesamt mehr als 1 Mio. €. Auch nach Einschätzung des Kultusministeriums war die Förderung der einzel-nen Einrichtungen „hinsichtlich ihrer finanzwirtschaftlichen Wertigkeit nicht transparent“3. Das Land beabsichtigt, die institutionellen Förderungen mittelfristig zu be-enden und Museen außerhalb der Stiftung Schleswig-Holsteinische Lan-desmuseen Schloss Gottorf nur noch projektbezogen zu fördern.

26.3.1 Das Jüdische Museum in Rendsburg Das Jüdische Museum in Rendsburg wurde unter Übertragung der bishe-rigen Fördersumme von 137,7 T€ Mitte 2002 in die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf eingegliedert.

26.3.2 Museumsverbund Nordfriesland Die 3 seit 1996 im Museumsverbund Nordfriesland zusammengeschlosse-nen Museen4 erhielten von 1999 bis 2002 Zuwendungen zur institu-tionellen Förderung in Höhe von insgesamt 389 T€. Träger des Museums-verbunds Nordfriesland ist ein kommunaler Zweckverband, an dem außer dem Kreis Nordfriesland und der Stadt Husum auch die Ludwig-Nissen-Stiftung beteiligt ist. Die Landesförderung machte durchschnittlich 14,8 % des Gesamthaushalts aus. Weitere 62,4 % wurden durch eine Verbands-umlage gedeckt. Die Besucherzahlen sind seit 1996 von rd. 64.000 auf 37.500 im Jahr 2002 gesunken. Die Eigenfinanzierungsquote sank seit 1999 von 26,8 % auf 16,6 %. 1 Evaluation Kulturförderung, Umdruck 15/3746, S. 28. 2 Museumsverbund Nordfriesland, Schlossmuseum Ahrensburg, Ernst-Barlach-Museen in

Wedel und Ratzeburg, A.-Paul-Weber-Haus Ratzeburg und bis Mitte 2002 das Jüdische Museum in Rendsburg.

3 Evaluation Kulturförderung, Umdruck 15/3746, S. 9. 4 Nissenhaus, Schloss vor Husum, Ostenfelder Bauernhaus.

299

Seit mehreren Jahren angestellte Überlegungen zur notwendigen Neu-gestaltung des Museumsbetriebs haben erst 2003 zur Formulierung eines Konzepts geführt, dessen Umsetzung abzuwarten bleibt. Das Kultusministerium beabsichtigt, die institutionelle Förderung ab 2006 zu beenden.

26.3.3 Schlossmuseum Ahrensburg Bei der im Landeshaushalt als institutionelle Förderung veranschlagten Zuwendung an den Trägerverein des Schlossmuseums Ahrensburg han-delte es sich tatsächlich um den Mitgliedsbeitrag des Landes in Höhe von 18,4 T€. Er hätte nicht unter einem Zuwendungstitel veranschlagt werden dürfen, da das Land als Vereinsmitglied zur Zahlung verpflichtet war. Die Mitgliederversammlung hat nach Mitteilung des Kultusministeriums im August 2003 die Auflösung des Vereins und die Übertragung des Vereinsvermögens auf die 2002 errichtete privatrechtliche Stiftung Schloss Ahrensburg beschlossen. Die Eigentumsübertragung sei zum Jahresende 2003 erfolgt. Das Land beteiligt sich bis 2006 am Vermögensaufbau der Stiftung durch Zustiftungen von 25,6 T€ jährlich mit dem Ziel, ab 2007 die Förderung des Schlosses Ahrensburg aus dem Landeshaushalt einzustellen. Das Kultus-ministerium hält die Stiftungsgründung Schlossmuseum Ahrensburg als Trägerschaftsmodell für exemplarisch.1 Mit der Gründung der Stiftung ist das Ziel verbunden, die Wirtschaftlichkeit des Museumsbetriebs zu erhö-hen, den Bedarf an öffentlichen Zuwendungen zu reduzieren und die Ein-werbung von Zustiftungen, Sponsorengeldern und Spenden zu erleichtern. Der mittelfristige Finanzplan der Stiftung geht davon aus, dass bis 2007 2,4 Mio. € aus weiteren Zustiftungen erzielt werden und bis 2020 ein Kapitalstock von 4,36 Mio. € aufgebaut wird. Die erwarteten Zustiftungen Dritter sind bisher nicht zu verzeichnen.2 Die veranschlagte Erhöhung der Einnahmen setzt Investitionen für Umbauten voraus, deren Kosten bisher weder ermittelt noch veranschlagt sind. Die Annahmen bezüglich des aufzubauenden Kapitalstocks und der Erzie-lung zusätzlicher Einnahmen erscheinen ungesichert. Der LRH bezweifelt daher den exemplarischen Charakter dieser Stiftungsgründung und teilt nicht die Auffassung des Kultusministeriums, dass die Stiftungsgründung in Ahrensburg bereits jetzt erkennen lasse, „dass mit ihr bürgerschaftliches

1 Evaluation Kulturförderung, Umdruck 15/3746, S. 10 ff. 2 Für die Jahre 2002 und 2003 waren insgesamt 700 T€ veranschlagt.

300

Engagement in einem ganz anderen Maße zu generieren ist, als dies öffentliche Hände je allein bewerkstelligen können würden.“1 Ferner weist der LRH darauf hin, dass der Aufbau eines Kapitalstocks aus öffentlichen Mitteln, die kreditfinanziert sind, grundsätzlich unwirtschaftlich ist. Das Kultusministerium verweist auf eine Erhöhung der Besucherzahlen 2003 um mehr als 25 % gegenüber dem Vorjahr. Das Ziel, die institutio-nellen Zuschüsse der ehemaligen Vereinsmitglieder durch Erträge aus dem Stiftungskapital zu substituieren, werde ab 2007/08 erreicht. Der LRH sieht für diese optimistische Einschätzung weiterhin keine Anhaltspunkte.

26.3.4 Sonstige Ein weiterer Zuwendungsempfänger erhielt seit vielen Jahren eine institu-tionelle Förderung für seine beiden Museen, im Jahr 2003 in Höhe von 14,5 T€. Es bestehen erhebliche Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung. Die institutionelle Förderung sollte umgehend beendet werden. Auch Zuwendungen zur Projektförderung2 sollten erst gewährt werden, wenn die Mängel in der Geschäftsführung behoben sind. Das Kultusministerium teilt die Auffassung des LRH.

26.4 Projektförderung Das Kultusministerium hat wiederholt die besondere Bedeutung einer hauptamtlichen wissenschaftlichen Leitung und museumspädagogischer Arbeit für die Aufgabenwahrnehmung von Museen betont.3 Ein Schwer-punkt der Landesförderung sollte deshalb die Anschubfinanzierung zur Einrichtung von Stellen für die hauptamtliche wissenschaftliche Leitung von Museen sein. Weiterhin war es das Ziel der Museumspolitik, die nicht-staatlichen Museen zu beraten, museumspädagogisch zu begleiten, bei Restaurierungsarbeiten zu unterstützen und vielfältige Formen von Öffentlichkeitsarbeit zu fördern. Die beabsichtigten Förderschwerpunkte ließen sich in der tatsächlichen Mittelverteilung nur bedingt erkennen. Das Kultusministerium erklärt diesen Sachverhalt damit, dass eine För-dertätigkeit, welche nur die genannten Ziele verfolge und nicht auf begrün-dete Einzelanträge von Museumsträgern und deren Beratung eingehe,

1 Evaluation Kulturförderung, Umdruck 15/3746, S. 12. 2 Im Doppelhaushalt 2004/05 veranschlagt: 15,7 T€ (Titel 0740-684 57 Maßnahmegrup-

pe 15). 3 Stand und Perspektiven der kulturellen Entwicklung, Landtagsdrucksache 14/463 vom

14.01.1997 und Museumsbericht, Landtagsdrucksache 15/1169 vom 07.09.2001.

301

den unterschiedlichen Bedürfnissen und dem jeweiligen Entwicklungs-stand der einzelnen Museen nicht gerecht werde. Die Museumspädagogik wurde zum einen dadurch gefördert, dass mu-seumspädagogisch tätiges Personal aus dem schulischen Bereich an ein-zelne Einrichtungen abgeordnet war1, zum anderen durch Zuwendungen für Sachausgaben. Von 1999 bis 2001 entfielen darauf insgesamt 28,4 T€. Der für diese Förderung im Landeshaushalt vorgesehene Ansatz entfiel 2002. Von 15 geförderten Personalmaßnahmen waren zum Prüfungszeitpunkt 12 abgeschlossen. Nach Abschluss der Projektförderung wurden lediglich in 6 Fällen unbefristete Arbeitsverhältnisse für hauptamtliche wissenschaft-liche Museumsleiter begründet. In den übrigen Fällen handelte es sich ent-weder um nicht auf Dauer angelegte Volontariate oder um Projektträger, die ohne öffentliche Förderung aus finanziellen Gründen keine Dauer-arbeitsplätze einrichten konnten. Das Kultusministerium verweist darauf, dass die Anschubfinanzierung unter der Voraussetzung erfolgt sei, diese Stellen auf Dauer einzurichten und zu besetzen. Das sei unter Einbeziehung der Volontariate in 8 Fällen geschehen. In den anderen Fällen habe insbesondere die Finanzsituation der Kommunen die Erfüllung der Voraussetzung verhindert. Von 1998 bis 2000 wurde auch die Stelle eines Museumsleiters für ein Computermuseum mit insgesamt rd. 51 T€ gefördert. Das Museum befindet sich seit 1991 in der Trägerschaft der FH Kiel und gehört somit zu den staatlichen Museen. Die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die gewährte Zuwendung waren nicht gegeben, weil die Mittel für die Förde-rung nichtstaatlicher Museen veranschlagt waren. Das Kultusministerium hält die Beanstandungen rückblickend für berech-tigt, macht allerdings geltend, dass die antragstellende Gesellschaft als Träger des aufzubauenden Computer-Museums angesehen worden sei.

26.5 Zuwendungsverfahren Zuwendungen sollen grundsätzlich nur bewilligt werden, wenn das zu-ständige Ministerium aufgrund eines Gesetzes oder eines Programms Richtlinien erlassen hat, die die messbaren Ziele des Programms, die Vo-raussetzungen und den Umfang der Leistungen im Einzelnen festlegen.2

1 Die Empfehlungen des LRH in den Bemerkungen 1993, Nr. 21, sind nicht in allen Fällen

umgesetzt worden. 2 Lehrkräfte sind weiterhin abgeordnet, andere sind auf der Basis von Ausgleichsstunden an Museen tätig.

2 VV Nr. 1.4 zu § 44 LHO.

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Entsprechende Förderrichtlinien gab es nicht. Der LRH hält sie für unver-zichtbar. Zwischenzeitlich hat das Kultusministerium den Entwurf einer Förder-richtlinie vorgelegt. Auch andere wesentliche Bestimmungen des Zuwendungsverfahrens nach § 44 LHO einschl. der zugehörigen VV blieben mehrfach unbeachtet: • Antragsunterlagen waren unvollständig; so fehlten z. B. teilweise um-

fassende Kosten- und Finanzierungspläne. • Zuwendungsbescheide waren nicht präzise gefasst; bei der Förderung

von Personalmaßnahmen war z. T. unklar, ob nur das Brutto-Gehalt einschl. der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung oder auch Sach-kosten (z. B. Arbeitsplatzausstattung) und Verwaltungskosten zuwen-dungsfähig sein sollten. Die Bedingung, im Anschluss an die Förderung einer Personalmaßnahme einen Dauerarbeitsplatz einzurichten, war im Zuwendungsbescheid nicht ausdrücklich enthalten.

• Verwendungsnachweise wurden nicht immer hinreichend geprüft, bei unvollständigen Verwendungsnachweisen wurde der Zuwendungsemp-fänger nicht aufgefordert, die erforderlichen Ergänzungen vorzulegen.

• Mögliche Rückforderungen wurden nicht geltend gemacht. Das Kultusministerium räumt die beanstandeten Mängel ein und begrün-det sie vor allem mit fehlender Verwaltungspraxis im Museumsamt. In mehreren Fällen seien korrigierte Verwendungsnachweise angefordert und Rückforderungen übermittelt worden.

26.6 Zielvereinbarungen mit dem Museumsverband Schleswig- Holstein e. V. Für Aufgaben der Museumspflege, der Museumspädagogik und Restau-rierung sowie die Entwicklung von Museumskonzepten war von 1996 bis 2001 das Museumsamt zuständig. Dazu gehörte auch die Abwicklung des Zuwendungsverfahrens für Projektförderungen. 2002 wurde das Mu-seumsamt im Zusammenhang mit Überlegungen zu einer Straffung der Landesverwaltung aufgelöst. Die Aufgaben wurden zunächst überwiegend in das Kultusministerium verlagert. Die Aufgaben sollen nunmehr teilweise vom MVSH1 geleistet werden, mit dem erstmals 2003 eine Zielvereinbarung für das laufende Jahr abge-schlossen wurde. Nach Auffassung des Kultusministeriums sollen Ziel- und Leistungsvereinbarungen dazu dienen, die Förderung von kulturellen Verbänden transparent zu machen und zu begründen. Ziele sollten dabei

1 Der MVSH versteht sich als Dachverband der schleswig-holsteinischen Museen; er hat

sowohl institutionelle als auch persönliche Mitglieder.

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„spezifisch, messbar, akzeptiert und realisierbar sein, überdies sollten sie mit Terminen verbunden werden.“1 Zu den mit dem MVSH vereinbarten Leistungen gehörten u. a. die Durch-führung von 2 öffentlichen Jahrestagungen, Herausgabe und Versand von Rundbriefen, die Pflege des Museumsportals Schleswig-Holstein im Inter-net, Fortbildungsveranstaltungen, Unterstützung und Beratung einzelner Museen. Dafür erhielt der MVSH eine Zuwendung in Höhe von 15 T€. Der Verband verfügte selbst nur über ein geringes Finanzvolumen, hatte keine eigene Geschäftsstelle mit entsprechender Personalausstattung und wird ausschließlich ehrenamtlich geführt. Der LRH hat erhebliche Zweifel, ob angesichts dieser Struktur und perso-nellen Ausstattung derart umfangreiche Ziele erreichbar sind. Das Kultusministerium teilt mit, dass im Dezember 2003 eine neue Ziel-vereinbarung abgeschlossen worden sei. Der MVSH habe zwischen-zeitlich eine Geschäftsstelle eingerichtet und verwende dafür einen Teil der Fördermittel des Landes, der andere Teil sei ein Beitrag zu den inhalt-lichen und operativen Leistungen des Verbands. Die früher vereinbarten umfangreichen Ziele würden dadurch auf vertretbare Weise reduziert. Damit sei zugleich eine stärkere Privatisierung der Museumsarbeit bei ge-meinsamer Verantwortung eingeleitet. Die Unterzeichnung der Zielvereinbarung verzögerte sich, nachdem der zu vereinbarende Leistungskatalog und der ursprünglich vorgesehene För-derbetrag Gegenstand erneuter Verhandlungen geworden waren. Sie wur-den Mitte Februar 2004 abgeschlossen. Die Zielvereinbarung hat eine Laufzeit vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2005 und enthält eine umfang-reiche Leistungsvereinbarung, zu der die Organisation des Internationalen Museumstags, Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Internetprä-senz der Museen, Fortbildungsveranstaltungen, Beratungsleistungen, ver-bandspolitische Aktionen zur Stärkung des Museumsverbands und das Projektmanagement der vereinbarten Maßnahmen gehören. Zur Umset-zung der Zielvereinbarung soll der MVSH 18.500 € erhalten. Mit der Einrichtung einer nebenamtlich geführten Geschäftsstelle durch den MVSH und der vorgesehenen Erhöhung der Förderung durch das Kultusministerium wurde den Bedenken des LRH Rechnung getragen.

1 Evaluation der Kulturförderung, Umdruck 15/3746, S. 24.

304

Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie

27. Zuwendungen an Träger der Jugend- und Straffälligenhil-fe sowie Ausgaben für Therapiemaßnahmen und für die Schuldnerberatung in den Justizvollzugsanstalten

Bei der Gewährung von Zuwendungen an Träger der Jugend- und Straffälligenhilfe hat das Justizministerium gegen haus-haltsrechtliche Bestimmungen verstoßen. So wurden Zuwen-dungen aufgrund unzureichender Förderanträge bewilligt und die Verwendung ausgezahlter Zuwendungsbeträge unzureichend überwacht. Das Justizministerium hat in konstruktiver Zusam-menarbeit mit dem LRH Belegprüfungen bei 3 Trägern durchge-führt. Man ist zu übereinstimmenden Schlussfolgerungen ge-kommen. Die Durchführung von Therapiemaßnahmen bei Strafgefangenen erfolgte ohne ausreichende Kontrolle der Tätigkeit der Maßnah-meträger. Die zwischen dem Justizministerium und den Justizvollzugsan-stalten u. a. für die Schuldnerberatung geschlossene Rahmen-zielvereinbarung zur Verbesserung des Zusammenwirkens wur-de bisher nicht umgesetzt. Darüber hinaus fehlt eine Kontrolle der Auslastung der Schuldnerberater.

27.1 Prüfungsgegenstand

Der LRH hat die Zuwendungen des Ministeriums für Justiz, Frauen, Ju-gend und Familie (Justizministerium) an Träger der Jugend- und Straffälli-genhilfe, die Ausgaben für Therapiemaßnahmen zugunsten von Sexual- und Gewalttätern und die Schuldnerberatungen in den Justizvollzugsan-stalten für den Zeitraum von 1996 bis 2002 geprüft. Das Justizministerium förderte dabei mit seinen Zuwendungen überwiegend die Träger der Straf-fälligenhilfe in den Bereichen des Täter-Opfer-Ausgleichs sowie der Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit. Die Finanzierung von Therapiemaßnahmen umfasste die Durchführung intramuraler, d. h. innerhalb der Anstalt vorgenommener, sowie ambulanter Therapien bei Sexual- und Gewalttätern.

305

27.2 Zuwendungen an Träger der Jugend- und Straffälligenhilfe 27.2.1 Förderrichtlinie

Die Zuwendungen im Bereich der Straffälligenhilfe erfolgten u. a. auf der Grundlage der „Richtlinie zur Förderung von pädagogischen Maßnahmen und anderen Hilfsangeboten für Straffällige insbesondere in der Jugend-strafrechtspflege“ von 19891. Die Förderrichtlinie entspricht nicht mehr den haushaltsrechtlichen Anforderungen. Nach VV Nr. 1.4 zu § 44 LHO sollen Zuwendungen grundsätzlich nur bewilligt werden, wenn das zuständige Ministerium aufgrund eines Gesetzes oder eines Programms Richtlinien erlassen hat, die die messbaren Ziele des Programms, die Voraussetzun-gen und den Umfang der Leistungen im Einzelnen festlegen. Weiterhin wird in dieser Vorschrift ausgeführt, dass die Richtlinien den VV der LHO entsprechen müssen und grundsätzlich auf längstens 3 Jahre zu befristen sind. Eine Verlängerung ist nur möglich, wenn eine Effizienz- und Effektivi-tätsprüfung erfolgt ist und das Prüfungsergebnis vorliegt. Eine Effizienz- und Effektivitätsprüfung der Richtlinie von 1989 hat bislang nicht stattgefunden. Der LRH erwartet daher vom Justizministerium die Erarbeitung von Zielvorgaben und Kriterien zur Bewertung der von den Trägern durchgeführten Maßnahmen. Das Justizministerium hat erklärt, dass die Aus- und Bewertungen der Maßnahmen neu geregelt und ver-bessert werden sollen. Im Übrigen entsprachen die geförderten Maßnahmen überwiegend nicht der Förderrichtlinie, obwohl in den Zuwendungsbewilligungen auf die För-derrichtlinie verwiesen wurde. So wurden beispielsweise die Gesamtkos-ten der Projekte nicht zu 50 % vom örtlichen Jugendhilfeträger mitfinan-ziert. Mit den Projekten wurden außerdem überwiegend keine pädagogi-schen Maßnahmen gefördert. Das Justizministerium hat hierzu bekundet, diese Richtlinie kurzfristig zu überarbeiten. Bewilligungen ab 2004 sollen dann aufgrund einer den An-forderungen entsprechenden Richtlinie erfolgen.

27.2.2 Zuwendungsbewilligungen Das Justizministerium hat im Prüfungszeitraum Zuwendungen aufgrund unzureichender Förderanträge bewilligt. Häufig fehlten den Anträgen aus-sagekräftige Haushalts- und Finanzierungspläne der Zuwendungsempfän-ger.

1 Allgemeine Verfügungen des Justizministeriums vom 05.10.1989 - V 250/5122 E-697,

Schleswig-Holsteinische Anzeigen S. 171.

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Weiterhin wurde vom Justizministerium in den Zuwendungsbewilligungen durchgehend das vereinfachte Verfahren für Verwendungsnachweise ge-wählt. Der LRH hatte bereits 1996 in seiner Nachschau darauf hingewie-sen, dass nach VV Nr. 14.1 i. V. m. VV Nr. 13.1 zu § 44 LHO bei Zuwen-dungen über 51 T€ Erleichterungen im Zuwendungsverfahren nur mit der Genehmigung des Finanzministeriums möglich sind. Entgegen diesen Be-stimmungen bewilligte das Justizministerium indes weiterhin Zuwendun-gen über 51 T€ im Wege des vereinfachten Verfahrens. Auf den im Verlauf dieser Prüfung nochmals erfolgten Hinweis des LRH soll dieses Verfahren nunmehr geändert werden. Das Justizministerium bewilligte darüber hinaus sämtliche Zuwendungen im Rahmen einer Projektförderung. Die geförderten Maßnahmen waren jedoch überwiegend auf Dauer angelegt. Es handelte sich also bei den Förderungen nicht um Projekt-, sondern um institutionelle Förderungen. Der LRH schlägt vor, dass das Justizministerium seine Förderung daher von der Projektförderung auf die institutionelle Förderung umstellt oder aber die Förderung so gestaltet, dass sie den Bestimmungen für die Pro-jektförderung entspricht. Das Justizministerium will dieses im Rahmen der neuen Förderrichtlinie entscheiden. Entgegen der Förderrichtlinie und der LHO wurde in einigen Fällen die Vollfinanzierung als Finanzierungsart gewählt. Der LRH weist darauf hin, dass diese Finanzierungsart gem. VV Nr. 2.3 zu § 44 LHO nur ausnahms-weise bewilligt werden sollte. Das Justizministerium wird eine entspre-chende Regelung für den Einsatz von Eigenmitteln bei der künftigen Richt-linie berücksichtigen.

27.2.3 Verwendungsnachweise Das Justizministerium hat in der Vergangenheit die Verwendungsnachwei-se nicht einheitlich und sorgfältig genug geprüft. Fehlende Unterlagen, wie Jahresabschlüsse, Sachstandsberichte und Erläuterungen zu den von einigen Trägern eingesetzten Eigenmitteln, wurden nicht angefordert. Die Mehrzahl der Träger machte durchgehend pauschalierte Verwaltungsaus-gaben geltend. Eine Prüfung, inwieweit diese sog. Verwaltungskostenpau-schalen jeweils gerechtfertigt waren, erfolgte nicht. Der LRH bittet darauf zu achten, dass lediglich die Verwaltungskosten der Träger als Grundlage der Berechnung dienen. Sonstige Personalausgaben (Fortbildung, Reise-kosten) und Sachmittel, die im Verwaltungsbereich des Trägers anfallen, können nur berücksichtigt werden, soweit sie nicht bereits im Rahmen der Zuwendung für die Maßnahme gefördert worden sind. Das Justizministerium hat mitgeteilt, dass die Prüfung der Verwen-dungsnachweise nunmehr ausschließlich unter Beachtung der Zuwen-dungsbestimmungen erfolgen wird.

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27.2.4 Belegprüfung bei Trägern der Straffälligenhilfe Der LRH hat in guter Zusammenarbeit mit dem Justizministerium Beleg-prüfungen bei 3 freien Trägern durchgeführt. Dabei wurden bei einem Trä-ger grobe Verstöße gegen die Zuwendungsbestimmungen und Mängel in der Buchhaltung festgestellt. Das Justizministerium hat die Förderung des Trägers für 2003 vorerst eingestellt und wird diese, nach den Empfehlun-gen des LRH, erst nach organisatorischen und personellen Änderungen beim Träger wieder aufnehmen. Bei einem weiteren Träger hat der LRH eine vollkommen unzureichende Buchführung, eine unzulässige Rücklagenbildung und Fehler bei den Ab-rechnungen der Zuwendungen festgestellt. Das Justizministerium hat er-klärt, die Förderung des Trägers erst dann fortzusetzen, wenn dieser die vom LRH festgestellten Mängel im Bereich der Geschäfts- und Buchfüh-rung behoben hat.

27.3 Durchführung von Therapiemaßnahmen

Vom Justizministerium wurden mit 2 Trägern Vereinbarungen zur Durch-führung von Therapiemaßnahmen abgeschlossen. Diese Einrichtungen führten sexualtherapeutische Maßnahmen in den Justizvollzugsanstalten Kiel, Neumünster und Lübeck (intramurale Therapien) durch. Weiterhin wurden vom Justizministerium mit einer Reihe von Therapeuten Vereinba-rungen zur ambulanten Therapie von Straftätern abgeschlossen. 1999 er-folgte dann durch das Justizministerium die Bereitstellung von Landesmit-teln für die Gewalttätertherapie. Dabei konnten die Anstalten Vereinbarun-gen mit freien Trägern über den Einsatz der ihnen zugewiesenen Mittel für diese Maßnahmen abschließen.

27.3.1 Intramurale Sexualtätertherapie Die Vereinbarungen mit den Einrichtungen sahen vor, dass gegen Zahlung eines festen monatlichen Entgelts eine bestimmte Zahl von Stunden zur Durchführung von Therapiemaßnahmen durch Mitarbeiter der Einrichtung in den Anstalten zu erbringen war. Der LRH hat hierzu festgestellt, dass die Erstellung von Tätigkeitsberichten seitens der Einrichtungen in den Vereinbarungen nicht vorgesehen war. Die von den Therapeuten in den Vollzugsanstalten in Kiel und Neumünster erstellten Klientenübersichten gaben keinen Aufschluss über die tatsächlich erbrachte Therapiearbeit. Die Auslastung der Therapeuten war daraus ebenfalls nicht ablesbar. In der Anstalt Lübeck gab es in den Akten nicht einmal eine Übersicht über die in therapeutischer Behandlung befindlichen Gefangenen. Berichte der Justizvollzugsanstalten zu den Therapiemaßnahmen waren nur vereinzelt vorhanden.

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Obwohl ein nicht unbedeutender Einsatz von Landesmitteln für die Sexual-therapie in den 3 Vollzugsanstalten erfolgte (2003 rd. 174 T€), war eine Kontrolle der Tätigkeit der Maßnahmeträger nicht ausreichend vorhanden. Aufgrund des unzureichenden Berichtswesens war eine Steuerungsmög-lichkeit des Justizministeriums, z. B. bei einer möglichen unzureichenden Auslastung eines Therapeuten den Personaleinsatz zu verändern, nur eingeschränkt vorhanden. Eine solche Steuerung erscheint jedoch not-wendig, um den vorhandenen unterschiedlichen Bedürfnissen an Thera-pieangeboten Rechnung zu tragen. Auf Anregung des LRH beabsichtigt das Justizministerium, die externen Fachkräfte künftig an der Arbeitszeiterfassung teilnehmen zu lassen. Wei-terhin sollen die Vertragsvereinbarungen nunmehr die Erstellung von Tä-tigkeitsberichten vorsehen. Auch ein Stundenausgleich zwischen den Jus-tizvollzugsanstalten Neumünster und Kiel ist geplant.

27.3.2 Ambulante Therapiemaßnahmen Ambulante Therapiemaßnahmen wurden überwiegend aufgrund gerichtli-cher Weisungen oder Bewährungsauflagen durchgeführt. Soweit eine Kos-tenübernahme z. B. durch die Krankenkasse nicht gewährleistet war, stell-ten die Therapeuten, teilweise auch die Betroffenen selbst bzw. die einge-setzten Bewährungshelfer, einen Kostenübernahmeantrag an das Justiz-ministerium. Diesen Anträgen wurde, soweit Haushaltsmittel in entspre-chender Höhe zur Verfügung standen, auch entsprochen. Regelmäßig wurden zunächst 20 bis 25 Therapiestunden bewilligt. Auf Antrag des The-rapeuten erfolgte die Bewilligung weiterer Stunden. Eine einheitliche schriftliche Vereinbarung mit den Therapeuten über die Therapiemaßnah-men wurde in den Akten nicht vorgefunden. In der Vergangenheit waren die Anträge der Therapeuten häufig unzurei-chend. Die Therapien hatten teilweise bereits begonnen, die Namen der Klienten wurden nicht vollständig mitgeteilt und eine begründende Unter-lage, wie z. B. der Bewährungsbeschluss, war nicht immer beigefügt. Die Maßnahmen wurden dennoch bewilligt. Ebenfalls war die Abrechnung der Therapiestunden nicht immer nachvollziehbar. So wurden diese über einen Zeitraum von mehreren Monaten ohne differenzierte Stunden- oder Tagesangaben abgerechnet, oder aber es wurden Ausfallhonorare ohne weitere Begründung geltend gemacht.

Der LRH empfiehlt, dass künftig nur Anträge mit begründenden Unterlagen bewilligt werden und standardisierte schriftliche Vereinbarungen über die jeweilige Maßnahme mit den Therapeuten abgeschlossen werden. Zur Verringerung der Ausgabenlast ist zu prüfen, ob ein anderer Träger die Kosten übernehmen oder die zu behandelnde Person zu einem Eigenan-

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teil an den Therapiekosten herangezogen werden kann. Schließlich sollten die Abrechnungen der Therapeuten spezifizierte Angaben über die geleis-teten Therapiestunden und das Ergebnis der Therapie enthalten. Das Justizministerium hat auf die möglichen negativen Auswirkungen der Umsetzung der Anregungen für eine Verbesserung der Zusammenar-beit mit den Therapeuten hingewiesen, ist jedoch bereit, ein standardisier-tes Verfahren mit einem möglichst geringen Verwaltungsaufwand zu erar-beiten.

27.3.3 Gewalttätertherapie Für die Gewalttätertherapie wurden den Vollzugsanstalten ab 1999 Mittel zur Verfügung gestellt. In den Vollzugsanstalten in Lübeck und Neumüns-ter wurden dabei jährliche Entgeltvereinbarungen mit 2 Einrichtungen zur Durchführung der Gewalttätertherapien abgeschlossen. Wie bei der Sexu-altherapie erhielten die Träger ein festes monatliches Entgelt gegen Ab-leistung einer bestimmten monatlichen Therapiestundenzahl. In der Voll-zugsanstalt in Kiel wurde, je nach Bedarf, die Maßnahme überwiegend von einem Therapeuten auf Honorarbasis durchgeführt. Für 2003 waren für diese Maßnahme in Kiel 15 T€, in Neumünster 100 T€ und in Lübeck ca. 72 T€ vorgesehen. Eine Kontrolle der Therapeuten über ihre Anwesenheit und Tätigkeit er-folgte in den Vollzugsanstalten Kiel und Lübeck nicht. In den Akten wurde weder die Anwesenheit des Therapeuten dokumentiert noch waren Klien-tenlisten vorhanden. Tätigkeitsberichte wurden ebenfalls nicht vorgefun-den. In der Vollzugsanstalt Neumünster wurde die Anwesenheit des The-rapeuten dagegen monatlich exakt erfasst. Im Übrigen konnten monatliche Klienten- und Wartelisten vorgelegt werden. Eine detaillierte Darstellung, wie häufig und mit welcher Stundenzahl die Therapien durchgeführt wur-den, war jedoch auch hier nicht vorhanden. Einen Tätigkeitsbericht hatte der Therapeut in Neumünster nur für das Jahr 1999 abgegeben. Auch bei dieser Maßnahme, für die jährlich weit über 100 T€ an die Träger gezahlt wurden, ist wie bei der Sexualtätertherapie eine Tätigkeits- und Ergebniskontrolle seitens der Vollzugsanstalten bzw. des Justizministeri-ums erforderlich. Das Justizministerium hat erklärt, die Anregungen des LRH umzusetzen.

27.4 Schuldnerberatung Mit der Schuldnerberatung wurde in den Vollzugsanstalten bereits 1989 begonnen. Ursprünglich wurden in den Anstalten Schuldnerberater aus dem allgemeinen Titel für Honorarkräfte finanziert bzw. als ABM-Kräfte

310

beschäftigt. Im Jahr 2000 wurden erstmals rd. 51 T€ zweckgebunden für die Schuldnerberatung in den Justizhaushalt eingestellt. Ab 2001 standen dann jährlich 200 T€ zur Verfügung. Für das Jahr 2001 hatte das Justizministerium mit den Justizvollzugsan-stalten eine Rahmenzielvereinbarung abgeschlossen. Ziele dieser Verein-barung waren u. a., das Zusammenwirken zwischen dem Justizministeri-um und den Justizvollzugsanstalten zu verbessern, die Motivation zu stär-ken und Leistungen transparenter zu machen. Für den Bereich der Schuldnerberatung war neben einer Reihe von Ziel-, Erfolgs- und Maß-nahmenpunkten als Controllingmaßnahme ein Bericht der Anstalten zur Zielerreichung und Umsetzung genannt. Dieser Bericht ist jedoch nicht vorgelegt worden. Auch das in der Rahmenzielvereinbarung vorgesehene Konzept zur Einführung eines Berichtswesens steht noch aus. Der LRH hat darüber hinaus festgestellt, dass die Tätigkeitsberichte der Schuldnerberater erhebliche Unterschiede aufwiesen. Der von dem Schuldnerberater in Kiel vorgelegte Jahresbericht für 2002 bestand nur aus einer Auflistung von Fallzahlen. Eine inhaltliche Darstellung der Bera-tung fehlte vollständig. In Lübeck setzte sich der Jahresbericht für 2002 ganz allgemein mit der Situation der Schuldnerberatung in der Vollzugsan-stalt auseinander. Die weiteren statistischen Angaben gaben keine Aus-kunft darüber, ob und wie Schuldenregulierung überhaupt durchgeführt wurde. Der Jahresbericht zur Schuldnerberatung 2001 in Neumünster war dagegen sehr umfangreich und gab detailliert Auskunft zum Umfang der durchgeführten Maßnahmen zur Schuldenregulierung. Aus den Berichten wurden für die Anstalt in Lübeck 56, für Kiel 62 und für Neumünster 139 neue Fälle (Erstgespräche) der Schuldnerberatung in 2002 festgestellt. Bezogen auf Neumünster erscheint damit die Anzahl der neuen Bera-tungsfälle in Kiel und Lübeck vergleichsweise gering. Aufgrund seiner Feststellungen erwartet der LRH, dass aus Steuerungs-gründen die Umsetzung der Rahmenzielvereinbarung vom Justizministeri-um weiterverfolgt wird und die Justizvollzugsanstalten entsprechende Jah-resberichte abgeben. Dazu ist es erforderlich, die Arbeitszeiterfassung und deren Auswertung sicherzustellen und eine weitestgehend einheitliche Dokumentation der Beratungsaktivitäten und -ergebnisse als Jahresberich-te von den Schuldnerberatern abzufordern. Unter Berücksichtigung der festgestellten unterschiedlichen Anzahl von Erstgesprächen der Schuld-nerberater in den Vollzugsanstalten sollte das Justizministerium den Bera-tungsbedarf in den Vollzugsanstalten in Lübeck und Kiel überprüfen. Das Justizministerium stimmt diesen Anregungen zu.

311

Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz

28. Schuldnerberatungsstellen

Das Förderverfahren genügt nicht den zuwendungsrechtlichen Bestimmungen. Das Sozialministerium fördert die Schuldnerbera-tungsstellen ohne eine Richtlinie. Durch ein unzureichendes An-tragsverfahren kam das Sozialministerium für den Förderbereich seiner steuernden Funktion nicht nach. Zuwendungen wurden ausgezahlt, obwohl sie nicht innerhalb einer Frist von 2 Monaten benötigt wurden. Eine frist- und sachgerechte Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel erfolgte nicht. Er-folgskontrollen wurden nicht ausreichend durchgeführt. Der LRH empfiehlt, für die Beratungsstellen eine Einzelfallab-rechnung für die allgemeine Schuldner- und die Insolvenzbera-tung mit einem verbindlichen Fachberatungsstundensatz einzu-führen. Das Land sollte dabei seinen Finanzierungsanteil für die Insolvenzberatung an die Kreise und kreisfreien Städte leisten.

28.1 Vorbemerkung

Das Land fördert 371 nach § 305 InsO2 anerkannte Schuldnerberatungs-stellen. Sie sollen ver- und überschuldete Familien und Einzelpersonen bei der Lösung der Schuldenproblematik unterstützen und die sozialen Folge-probleme beseitigen oder mindern. Während mit der allgemeinen Schuldnerberatung persönliche Hilfen ins-besondere auf der Grundlage des § 17 BSHG3 im System der Hilfen zum Lebensunterhalt (HLU) gewährt werden, richtet sich die Insolvenzberatung nach den Bestimmungen der InsO und dient der Vorbereitung und Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens.

Der LRH hat 15 Schuldnerberatungsstellen verschiedener Träger insbe-sondere in einer kreisfreien Stadt und in einem Landkreis geprüft, die nach der InsO anerkannt sind.

1 Stand: November 2002. 2 Insolvenzordnung (InsO) vom 05.10.1994, BGBl. I. S. 2866, zuletzt geändert durch Ge-

setz vom 14.03.2003, BGBl. I S 345. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 23.03.1994, BGBl. I

S. 646, ber. S. 2975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2003, BGBl. I. S. 2848.

312

28.2 Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen Das Land fördert die Schuldnerberatungsstellen für die Aufgaben der In-solvenzberatung. Die Zuwendungen werden insbesondere für Personal-ausgaben als Projektförderung mit Festbetragsfinanzierung gewährt. Die Förderung betrug im Jahr 2002 rd. 2,04 Mio. € und soll bis 2005 auf 3,3 Mio. € ansteigen. Daneben erhalten die Beratungsstellen Mittel • der Kommunen als besondere Beratungs- und Unterstützungsform im

Rahmen der HLU für die allgemeine Schuldnerberatung, • des Sparkassen- und Giroverbands und • von Dritten. Die Träger setzen ergänzend Eigenmittel in unterschiedlicher Höhe ein.

28.2.1 Landesförderung Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz (Sozial-ministerium) hat für die seit 1993 vorgenommene Förderung der Schuld-nerberatungsstellen keine Richtlinien erlassen. Gleichwohl gewährt es den Beratungsstellen Zuwendungen. Mit dem In-Kraft-Treten der InsO im Jahr 1999 hat das Sozialministerium Richtlinien zur Förderung von Schuld-nerberatungsstellen erarbeitet, die bis Ende 2003 nicht über das Stadium eines Entwurfs hinausgekommen sind. Das Sozialministerium ist damit der Verpflichtung, nach der Zuwendungen grundsätzlich nur bewilligt werden sollen, wenn das zuständige Ministeri-um aufgrund eines Gesetzes oder eines Programms Richtlinien erlassen hat, nicht nachgekommen1. Die Leistungen des Landes an die Träger von geeigneten Stellen erfüllen nach Auffassung des Sozialministeriums nicht den Zuwendungsbegriff. Gleichwohl will es den bisherigen Richtlinienentwurf als „Fördergrundsät-ze“ erlassen. Der LRH hält den Erlass von Förderrichtlinien nach wie vor für erforderlich. Regelungen zur Höhe der Leistungen ergeben sich weder aus der InsO noch aus der Rechtsprechung. Es handelt sich daher bei der Förderung der Insolvenzberatung nicht um Zuschüsse oder um die Erstattung von Aufwendungen, sondern um Zuwendungen. Seit In-Kraft-Treten der InsO ist das Land verpflichtet, eine Insolvenzbera-tung sicherzustellen. Sofern eine Insolvenzberatungsstelle die Anforde-

1 Vgl. VV Nr. 1.4 zu § 44 LHO.

313

rungen des § 305 InsO erfüllt und als geeignete Stelle anerkannt ist, be-steht ein Anspruch auf Finanzierung. Es handelt sich um eine auf Dauer angelegte institutionelle Förderung. Dagegen sieht der Richtlinienentwurf aus dem Jahr 1999 eine Projektför-derung mit Festbetragsfinanzierung - wie bisher praktiziert - vor. Das Sozialministerium will die Empfehlungen des LRH prüfen, die Bera-tungsstellen im Wege der Fehlbedarfsfinanzierung mit Höchstbetragsbe-grenzung institutionell zu fördern. Es gibt aber zu bedenken, dass eine in-stitutionelle Förderung zur Deckung der gesamten Ausgaben der Landes-verbände diene und die Weiterleitung der Mittel nur als Projektförderung möglich sei. Der LRH empfiehlt eine unmittelbare institutionelle Förderung der Bera-tungsstellen als Fehlbedarfsfinanzierung mit Höchstbetragsbegrenzung.

28.2.2 Förderung durch die Kommunen Die Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen durch die Kreise und kreisfreien Städte ist unterschiedlich. Die Hansestadt Lübeck lehnt jegliche Finanzierung der von Dritten getra-genen Beratungsstellen ab. Die Städte Kiel und Flensburg sowie der Kreis Ostholstein finanzieren nur eine von mehreren Beratungsstellen in ihrem Gebiet. In den Kreisen Dithmarschen, Segeberg und Pinneberg erhalten die Beratungsstellen eine pauschale Förderung als Defizitabdeckung. Zu-sätzlich können sie Einzelberatungen abrechnen. In den Kreisen Rends-burg-Eckernförde und Schleswig-Flensburg werden mehreren Beratungs-stellen Aufwendungen für Einzelberatungen bis zu einem Höchstbetrag er-stattet. In der Stadt Neumünster kann die Beratungsstelle die Einzelbera-tungen ohne Begrenzung der Beratungsfälle abrechnen. Die Finanzierungen weichen ebenfalls voneinander ab. Sie erfolgen durch Leistungs- und Entgeltverträge in Anlehnung an § 93 BSHG, formlose Kostenübernahmevereinbarungen oder Vereinbarungen in Anlehnung an § 72 BSHG1. Ein Teil der bisher getroffenen Vereinbarungen trennt strikt zwischen der allgemeinen Schuldner- und der Insolvenzberatung. Dieses Vorgehen hat zu einer unterschiedlichen Finanzausstattung der Beratungsstellen geführt. Während z. B. eine Beratungsstelle im Kreis Schleswig-Flensburg ihre Liquidität nur durch Darlehen sicherstellen konn-te, weil sie mit dem Kreis lediglich eine geringe Zahl von Einzelberatungen abrechnen konnte, erzielten andere Beratungsstellen z. T. erhebliche Überschüsse.

1 Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

314

28.3 Förderverfahren

28.3.1 Antragsverfahren Die Schuldnerberatungsstellen beantragen die Fördermittel beim Sozial-ministerium. Die Antragstellung erfolgt größtenteils über die Landesver-bände der freien Wohlfahrtspflege. Den Anträgen zur Bewilligung einer Zuwendung bei Projektförderung ist ein detaillierter Finanzierungsplan bei-zufügen und eine Erklärung abzugeben, dass mit der Maßnahme noch nicht begonnen wurde1. Die eingereichten Anträge erfüllten vielfach diese Anforderung nicht. Das Sozialministerium begnügte sich i. d. R. mit den vorgelegten Unterlagen, auch wenn diese inhaltlich nicht aussagekräftig waren. Es versäumte zu-dem, den vorzeitigen Maßnahmebeginn als Ausnahmefall zuzulassen. Vermerke über die Antragsprüfung fehlten stets2. Abweichungen bei der Bewilligung von den Anträgen, z. B. veränderte Förderbeträge, konnte der LRH aufgrund der fehlenden Begründung und Dokumentation nicht nach-vollziehen. Mit dem unzureichenden Antragsverfahren stellt das Sozialministerium für den Förderbereich seine steuernde Funktion infrage. Die Förderanträge sind den haushaltsrechtlichen Anforderungen entsprechend zu prüfen. Für die jährlich wiederkehrenden Förderungen ist ein umfassender Erstantrag erforderlich, der eine verlässliche Basis für die Prüfung des Antrags, der Konzeption und der Aufgabenwahrnehmung der Schuldnerberatungsstelle darstellt. Der zu finanzierende Betrag muss sorgfältig ermittelt, restriktiv festgesetzt und regelmäßig überprüft werden. Das Sozialministerium vertritt die Auffassung, dass es seine steuernde Funktion durch die Wahl der Finanzierungsmodelle, des Verteilungs-schlüssels und deren Evaluation erfülle. Bei den auf Dauer angelegten ge-eigneten Stellen komme es generell nicht auf einen bestimmten Maßnah-mebeginn an. Mit der Festlegung des Zeitpunkts der Auszahlung und der Prüfung der fristgerechten Verwendung könne nur begrenzt gesteuert wer-den. Ungeachtet dessen sagt das Sozialministerium zu, die Hinweise des LRH zum Antragsverfahren künftig zu beachten.

1 VV Nr. 3.2.1 zu § 44 LHO. 2 VV Nr. 3.3 zu § 44 LHO.

315

28.3.2 Bewilligung und Auszahlung Das Sozialministerium bewilligte die Zuwendungen an die Landesverbän-de der freien Wohlfahrtspflege und zahlte diese in einem Betrag aus. In den Zuwendungsbescheiden sah das Sozialministerium die Weiterleitung an die Beratungsstellen vor und legte dazu die Fördermittel für die Insol-venzberatung pro Beratungsstelle fest. Den Kommunen und der Verbrau-cherzentrale bewilligte das Sozialministerium die Zuwendungen unmittel-bar. In den Zuwendungsbescheiden verlangte das Sozialministerium, die zweckentsprechende Verwendung aller Teilzuwendungen für jede Schuld-nerberatungsstelle einzeln nachzuweisen1. Es fehlte der ausdrückliche Hinweis auf einen vorzulegenden Gesamtverwendungsnachweis. Bis einschl. 1999 wies das Sozialministerium die Zuwendungen in der Mit-te des Jahres an. Seit dem Jahr 2000 zahlte es die Mittel überwiegend im ersten Quartal in einer Summe aus. Zuwendungen sind nur insoweit und nicht eher auszuzahlen, als sie voraussichtlich innerhalb von 2 Monaten benötigt werden2. Die Mehrzahl der Beratungsstellen benötigte die im Voraus gezahlte Förderung nicht. Einige Beratungsstellen legten die Landesmittel unmit-telbar nach Eingang auf Festgeld- oder Sparkonten an. So erhielt eine Be-ratungsstelle in Lübeck im August 2000 eine zweckgebundene Landeszu-wendung in Höhe von rd. 50 T€. Unmittelbar nach Zahlungseingang auf dem Girokonto legte sie 46 T€ längerfristig auf einem Festgeldkonto an. Zum Jahresende 2000 betrug das Geldvermögen dieser Beratungsstelle insgesamt rd. 105,5 T€. Auch im folgenden Jahr legte die Beratungsstelle wesentliche Teile der erhaltenen Zuwendungen auf einem Festgeldkonto an. Das Sozialministerium hätte die Auszahlung der Zuwendungen in Teilbe-trägen entsprechend dem finanziellen Bedarf der Schuldnerberatungsstel-len vornehmen müssen. Vor der vollständigen Auszahlung der Förderbe-träge hätte der Verwendungsnachweis des Vorjahres vorliegen und ab-schließend geprüft sein sollen. Nach einer Forderung in den Zuwendungsbescheiden sind die Mittel, die nicht im Haushaltsjahr zweckentsprechend verwendet werden können, unaufgefordert zurückzuzahlen. Dieser Forderung sind die Beratungsstel-len nicht nachgekommen.

1 Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung zu § 44 LHO. 2 VV Nr. 7.2 zu § 44 LHO.

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Das Sozialministerium bezweifelt in einem Fall die Feststellungen des LRH. Diese Beratungsstelle habe zwar die Fördermittel auf ein Festgeld-konto eingezahlt, sei aber zur Finanzierung der Personalkosten mit Eigenmitteln in Vorleistung getreten. Ein unzulässiges Vermögen sei nicht gebildet worden. Der LRH sieht nach wie vor in diesem Fall keinen Förderbedarf. Das im August 2000 angelegte Festgeld in Höhe von rd. 46 T€ benötigte der Trä-ger bis zum Jahresende nicht. Die subsidiäre Gewährung von Fördermit-teln gebietet den vorrangigen Einsatz von Eigenmitteln. In den Bewilligungsbescheiden sah das Sozialministerium die Weiterlei-tung der Fördermittel an die Beratungsstellen vor. Die vorgeschriebene Weitergabe in privatrechtlicher Form1 hielten 2 Lan-desverbände der freien Wohlfahrtspflege nicht ein. Ein Verband gab die Mittel zwar über einen privatrechtlichen Vertrag weiter, tat dies zeitweise jedoch in der Form der Fehlbedarfsfinanzierung, während der Bescheid des Sozialministeriums auf Festbetragsfinanzierung lautete. Damit erfüllte auch dieser Verband die Bedingungen des Zuwendungsbescheids nicht.

28.3.3 Nachweis der Verwendung Die Prüfung der Verwendungsnachweise nahm das Sozialministerium häufig nicht fristgerecht vor. In Einzelfällen wurden Nachweise eines Jahres erst im übernächsten Jahr geprüft. Damit war das Sozialministeri-um nicht in der Lage, auf Unstimmigkeiten entsprechend zu reagieren. Insbesondere im Hinblick auf die Jahresfrist nach §§ 116 Abs. 4 und 117 Abs. 3 Satz 2 LVwG2 ist im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs eine unverzügliche Prüfung der Verwen-dungsnachweise geboten. Ab 1999 erhöhte das Sozialministerium die Landesförderung mit der Auf-lage, dass die Schuldnerberatungsstellen ihr in der Beratung tätiges Per-sonal zur Umsetzung der InsO verstärken. Von den 15 geprüften Bera-tungsstellen erfüllten 2 diese Auflage nicht, sie reduzierten das Personal sogar. Die dadurch zu hohe Förderung hat das Sozialministerium nicht zurückge-fordert.

1 VV Nr. 12.2 zu § 44 LHO. 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsge-

setz - LVwG) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 02.06.1992, GVOBl. Schl.-H. S. 243, zu-letzt geändert durch Gesetz vom 16.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 667.

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Das Sozialministerium bestätigt die Feststellungen des LRH. Es will je-doch von einer Rückforderung absehen, da es die zweckentsprechende Verwendung der Mittel nicht bezweifelt. Der LRH stellt fest, dass die erhöhten Fördermittel nicht zweckentspre-chend zur Verbesserung der Personalsituation verwendet worden sind. Das Sozialministerium hat die Verwendungsnachweise nicht sachgerecht geprüft1. Damit konnte es nicht die notwendigen Konsequenzen für die Gewährung und Auszahlung der Mittel des kommenden Jahres ziehen. Insbesondere folgende Mängel und Hinweise auf Unzulänglichkeiten in den Verwendungsnachweisen haben das Sozialministerium nicht zu Nach-fragen veranlasst: • Bildung oder Auflösung von Rücklagen, • Anrechnung von Abschreibungen als Ausgaben, • fehlende Angaben zum Vermögensstand am Anfang und Ende des

Jahres, • Fehler in der Summenbildung, • erkennbar einbezogene Klientengelder, • unvollständiger Nachweis der Einnahmen und Ausgaben und • ungewöhnlich hohe Ausgaben z. B. für die zentrale Verwaltung. Der Inhalt der Sachberichte der Schuldnerberatungsstellen entsprach häu-fig nicht den Vorgaben der Zuwendungsbescheide. Die geforderten Infor-mationen wurden teilweise erst nach Mahnung geliefert. Der Aufbau und Inhalt der Sachberichte war sehr unterschiedlich. Um die Angebote und Leistungen vergleichen zu können, sind einheitliche Strukturen der Sach-berichte erforderlich. Der Umfang und das Ergebnis der Prüfung der Verwendungsnachweise und der Auswertung der Sachberichte sind in einem Prüfungsvermerk nie-derzulegen2. Das Sozialministerium hat diese Vorgabe nicht erfüllt. Das Sozialministerium will die Unzulänglichkeiten bei der Prüfung der Verwendungsnachweise abstellen.

28.3.4 Erfolgskontrollen Erfolgskontrollen werden in der Schuldnerberatung nicht ausreichend durchgeführt. Die bisherige statistische Dokumentation der Beratungs-dienste ist nicht nach vergleichbaren Grundsätzen aufgebaut. Zudem fehlt

1 VV Nr. 11.1 zu § 44 LHO. 2 VV Nr. 11.2 zu § 44 LHO.

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es an einheitlichen Definitionen der Basisdaten (Klassifikation von Fällen und Beratungen). Es ist erforderlich, dass die bundesweiten Bestrebungen nach einheitli-chen Beurteilungsmaßstäben und -größen vorangetrieben und diese für die Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein verbindlich vorgegeben wer-den. Das Sozialministerium will die Absicht des Bundes für eine bundesein-heitliche Statistik unterstützen und beim Scheitern dieser Bemühungen die Einführung einer Landesstatistik prüfen. Die Präventionsarbeit in den Schuldnerberatungsstellen ist verbesserungs-bedürftig. Das Sozialministerium hat zum Jahresanfang 2003 eine Koordinierungs-stelle für die Schuldnerberatung eingerichtet, die nunmehr Präventions-konzepte entwickelt und Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter aller Beratungsstellen durchführt. Das Sozialministerium teilt mit, dass unter Federführung der Koordinie-rungsstelle Qualitätsstandards und Qualitätsmanagementverfahren für die geeigneten Stellen erarbeitet werden. Ergebnisse dieser Tätigkeit sollen bereits im Jahre 2004 vorliegen.

28.4 Empfehlung zur Neuregelung der Finanzierung Die allgemeine Schuldnerberatung ist nicht von der Insolvenzberatung zu trennen. Eine einheitliche Finanzierungsgrundlage sollte daher geschaffen werden. Der LRH empfiehlt, für die Beratungsstellen eine Einzelfallabrechnung nach § 17 BSHG für die allgemeine Schuldner- und die Insolvenzberatung mit einem verbindlichen Fachberatungsstundensatz einzuführen. Aufgrund der Kostenübernahmezusage durch den örtlich zuständigen Sozialhilfeträ-ger sollte die Abrechnung zwischen den Kreis- bzw. den Stadtsozialämtern und den Schuldnerberatungsstellen erfolgen. Die dafür erforderlichen Rahmen- und Einzelvereinbarungen könnten sich an den gem. § 93 d Abs.2 BSHG aufgeführten Kriterien (Leistungs-, Ver-gütungs- und Prüfungsvereinbarung) orientieren, wobei dem örtlichen So-zialhilfeträger und dem LRH durch Vereinbarung ein Prüfungsrecht einge-räumt werden sollte. Den kommunalen Gebietskörperschaften, die die Schuldnerberatungsstel-len bisher nicht oder pauschal nach § 17 BSHG finanzieren, würde da-

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durch ein Mehraufwand entstehen. Nach § 17 BSHG können sich die Kommunen bei anerkanntem Hilfebedarf ihrer finanziellen Verpflichtung jedoch nicht entziehen. Durch das vom LRH vorgeschlagene Verfahren der Einzelfallabrechnung erstatten die Kommunen den Trägern der Beratungsstellen den gesamten abrechnungsfähigen Beratungsaufwand. Für die darin enthaltene Insol-venzberatung ist das Land jedoch verpflichtet, den Aufwand zu tragen. Die vom Land für die Insolvenzberatung bereitgestellten Fördermittel sollten unmittelbar den kommunalen Gebietskörperschaften gewährt werden. Dies sollte in der Form der Zuwendung und auf der Grundlage einer Ver-einbarung zwischen dem Land und den kommunalen Gebietskörperschaf-ten geschehen. Die Aufteilung der Mittel kann dabei im Verhältnis des den einzelnen Kommunen entstehenden Aufwands erfolgen. Der vom Land zu tragende Finanzierungsanteil ist bei der Abrechnung im sog. Quotalen System abzusetzen. Beraten die Schuldnerberatungsstellen Klienten, die keine Hilfen nach dem BSHG beanspruchen können, sollten diese Leistungen durch eine angemessene Eigenbeteiligung der Schuldner mitfinanziert werden. Das Sozialministerium stimmt dem LRH zu, dass die Finanzierung der Beratungsstellen neu strukturiert werden sollte. Aufgrund der unterschied-lichen Kostenstruktur und dem Ziel einer gleichmäßigen und flächende-ckenden Versorgung hält es den Vorschlag des LRH für eine fallorientierte Finanzierung auf der Basis verbindlicher Fachberatungsstundensätze für bedenklich. Die Auswirkungen der Neuregelungen auf die Schuldner- und Insolvenzberatung durch das zwischenzeitlich beschlossene Sozialgesetz-buch (SGB) II1 und SGB XII2 müssten noch geprüft werden. Der LRH ist der Überzeugung, dass eine Finanzierung der Schuldner- und Insolvenzberatung auf Basis verbindlicher Fachberatungsstundensätze die Träger veranlassen wird, die Kostenstrukturen günstiger zu gestalten. Das Ziel einer flächendeckenden Versorgung wird durch einen effizienten Mit-teleinsatz gefördert.

1 SGB Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - vom 29.12.2003, BGBl. I

S. 2955. 2 SGB Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - vom 30.12.2003, BGBl. I S.3023.

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Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft

29. Ausübung der Fachaufsicht durch das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft

Durch die Fachaufsicht soll die rechtmäßige und zweckmäßige Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben sichergestellt und eine möglichst einheitliche Verwaltungspraxis gefördert werden. Der Aufwand für die präventive Fachaufsicht ist sinnvoll und erfor-derlich, da sich damit später im Vollzug verursachte nicht not-wendige Aufwendungen verhindern lassen. Das Umweltministerium übt die Fachaufsicht über eine Reihe von Landes- und Kommunalbehörden sowie Einrichtungen bzw. Teile von diesen aus. Dies geschieht nicht einheitlich, so ist z. B. eine stärkere Intensität der Fachaufsicht gegenüber den Landes-behörden zu erkennen. Während die Ausübung der Fachaufsicht in einigen Bereichen durchaus als ausreichend und dem jeweiligen Aufgabenbereich angepasst bewertet werden kann, ist in anderen Bereichen eine weitere Intensivierung der Fachaufsicht erforderlich. Dies gilt besonders für im Umweltbereich übertragene Aufgaben, die von den Kommunalbehörden oftmals nicht mit der notwendigen Prio-rität eingestuft werden, sodass es infolge von Sparmaßnahmen zu Vollzugsdefiziten kommt.

29.1 Definition und Umfang der Fachaufsicht

Die Aufsicht über die Behörden des Landes, der Gemeinden, Kreise und Ämter sowie der Behörden der öffentlich rechtlichen Körperschaften ohne Gebietshoheit und Anstalten und Stiftungen sowie über natürliche und ju-ristische Personen des Privatrechts ist in den §§ 14 bis 21 LVwG1 gere-gelt. Im Bereich des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft (Umweltministerium) wurden Aufgaben auch Institutionen übertragen, die keine Behörden oder Beliehene i. S. des LVwG sind. Diese Institutionen hat der LRH in seine Prüfung einbezogen, denn auch wenn eine Verpflich-tung zur Ausübung der Fachaufsicht i. S. des LVwG formal nicht besteht,

1 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsge-

setz - LVwG -) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 02.06.1992, GVOBl. Schl.-H. S. 243, zu-letzt geändert durch Gesetz vom 16.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 667.

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ist in diesen Fällen doch das Umweltministerium vertraglich oder organisa-torisch berechtigt und verpflichtet, eine Aufsicht auszuüben, die einer Fachaufsicht entspricht. So wurden z. B. dem Umweltkontor Nord und der Schleswig-Holsteini-schen Landgesellschaft vertraglich bestimmte Aufgaben übertragen, auf deren Erfüllung das Umweltministerium bestehen muss. Für die Akademie für Natur und Umwelt als nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist in § 50a LNatSchG1 geregelt, dass das Umweltministerium die Aufsicht ausübt. Der Landesbetrieb ErlebnisWald Trappenkamp ist nach dem Er-richtungserlass vom 26.11.19982 ein rechtlich unselbstständiger Teil der Landesforstverwaltung und dem Umweltministerium als Dienststelle nach-geordnet. Nach den Bestimmungen des LVwG erstreckt sich die Fachaufsicht auf die rechtmäßige und zweckmäßige Wahrnehmung der Verwaltungsangele-genheiten. Der Fachaufsichtsbehörde steht danach ein Auskunfts-, Prü-fungs- und Weisungsrecht zu. Sie kann bei Gefahr im Verzuge anstelle der angewiesenen Behörde tätig werden, wenn ihre Weisung nicht befolgt wird. Aus diesen Bestimmungen wird deutlich, dass ein klares Über-/Unter-ordnungsverhältnis zwischen der Fachaufsichtsbehörde und den beauf-sichtigten Behörden besteht. Dies gilt für die Behörden der Gemeinden, Kreise und Ämter nur, soweit sie Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahrnehmen. Zu den verwaltungsrechtlichen Mitteln der Fachaufsicht können neue, der Privatwirtschaft entlehnte Steuerungsformen hinzutreten. Die Ministerien als Fachaufsichtsbehörden könnten z. B. Zielvereinbarungen mit den Be-hörden des nachgeordneten Bereichs abschließen, in denen die wahrzu-nehmenden Aufgaben konkretisiert, ihre Einhaltung terminiert und Verant-wortliche benannt werden. Das Umweltministerium betont, es sehe die Wahrnehmung der Fachauf-sicht als wichtiges Mittel an, die rechtmäßige und zweckmäßige Aufga-benerledigung im Land durchzusetzen.

29.2 Mittel der Fachaufsicht Die Fachaufsichtsbehörde wirkt präventiv lenkend durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und (Rund-)Erlassen. Ziel dieser

1 Gesetz zum Schutz der Natur (Landesnaturschutzgesetz - LNatSchG) i. d. F. d. Be-

kanntmachung vom 18.07.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 339. 2 Amtsbl. Schl.-H. 1999 S. 2.

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Lenkungsmaßnahmen muss es sein, den beaufsichtigten Behörden Hilfe-stellungen bei der Rechtsanwendung an die Hand zu geben, die dazu bei-tragen, ein rechtskonformes einheitliches Verwaltungshandeln sicherzu-stellen. Dienstbesprechungen sind ein geeignetes Mittel, Informationen und In-terpretationen über Rechtsentwicklung und -anwendung an die der Fach-aufsicht unterstehenden Behörden weiterzugeben und Themenbereiche mit den Mitarbeitern zu erörtern, Lösungen zu finden und diese landesweit einheitlich umzusetzen. Weitere Mittel der Fachaufsicht sind Geschäftsbesuche und Geschäfts-prüfungen durch die Fachaufsichtsbehörde. Sie ermöglichen Gespräche und Untersuchungen von Vorgängen durch Akteneinsicht und Ortsbesich-tigungen bei oder zusammen mit den der Fachaufsicht unterstehenden Behörden. Durch die Anforderung von Berichten ist es der Fachaufsichtsbehörde möglich, sich über Verwaltungsangelegenheiten der ihr unterstehenden Behörde regelmäßig oder im Einzelfall unterrichten zu lassen, um dann entscheiden zu können, ob weiteres fachaufsichtliches Handeln vonnöten ist. Zur zusätzlichen Information kann die Vorlage der Akten verlangt wer-den. Das zentrale Mittel der Fachaufsicht ist die Weisung. Hierbei kann es sich sowohl um allgemeine Anordnungen an nachgeordnete Behörden oder um eine Weisung im Einzelfall handeln. Die Fachaufsichtsbehörde kann im Rahmen des sog. Selbsteintritts aus-schließlich bei Gefahr im Verzuge und Nichtbefolgung einer Weisung durch die nachgeordnete Behörde anstelle der angewiesenen Behörde das Verfahren an sich ziehen und selbst tätig werden.

29.3 Wahrnehmung der Fachaufsicht

29.3.1 Verwaltungsanweisungen/Richtlinien In den verschiedenen Fachreferaten des Umweltministeriums sind zahlrei-che Verwaltungsanweisungen, Richtlinien und (Rund-)Erlasse zur Len-kung des Verwaltungshandelns erarbeitet und in Kraft gesetzt worden. Einige dieser älteren Verwaltungsanweisungen bedürfen der Überarbei-tung und Aktualisierung. Verschiedene Leitlinien, Leitfäden, Verwaltungs-vorschriften und Grundsatzerlasse befinden sich in einer Erarbeitungs- oder Überarbeitungsphase. Der LRH empfiehlt eine generelle Bereinigung aller Erlasse, die nicht unter die Reduzierung von Vorschriften nach dem Erlass des Innenministeriums vom 05.09.20031 fallen, da sie nicht im Amtsblatt veröffentlicht sind.

1 Amtsbl. Schl.-H. 2003 S. 677.

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29.3.2 Dienstbesprechungen Das Instrument der Dienstbesprechung nutzen die Fachreferate überwie-gend in angemessenem Umfang, um z. B. Informationen über Rechtsän-derungen oder über Auslegungsfragen an die Mitarbeiter der nachgeord-neten Behörden weiterzugeben. Z. T. erscheint allerdings eine maßvolle Intensivierung angezeigt. Mit den Kreisen und kreisfreien Städten werden nur in Ausnahmefällen, z. B. im Bereich Naturschutz, regelmäßige anlassbezogene Dienstbesprechungen durchgeführt. Im Übrigen erhalten sie ihre Informationen größtenteils über die Arbeitskreise des Landkreistages. Diese Form der Unterrichtung kann aber nicht in jedem Fall den Gedankenaustausch in einer Dienstbespre-chung ersetzen. Die unteren Wasserbehörden der Kreise und kreisfreien Städte sind der-zeit nicht in die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie1 eingebunden. Sie erhalten zwar die Einladungen und Sitzungsprotokolle des Umweltministe-riums, von weiteren wichtigen Informationen sind sie aber weitgehend ab-geschnitten. Das Umweltministerium und die Kommunen sollten dieses Defizit abstellen, da die Kreise und kreisfreien Städte in absehbarer Zeit die dann von anderen erarbeiteten Maßnahmenpläne mit dem herkömmli-chen Instrumentarium des Wasserrechts umzusetzen haben werden. Das Umweltministerium teilt diese Auffassung und bedauert, dass die Kreise und kreisfreien Städte sich von Anfang an der Mitarbeit in den Ar-beitsgruppen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie verschlossen haben. Der LRH sieht in Dienstbesprechungen nicht nur die Möglichkeit, Informa-tionen breit gefächert bekannt zu geben, sondern auch Unstimmigkeiten zu diskutieren, um ggf. zu einer landesweit einheitlichen Meinungsbildung beizutragen. Auf diese Weise dienen sie der notwendigen Rückkoppelung des nachgeordneten Bereichs mit der Fachaufsicht und verhindern, dass der Informationsfluss nur wie der Verkehrsfluss in einer Einbahnstraße vom Ministerium zur nachgeordneten Behörde einseitig ausgerichtet ist. Dienstbesprechungen geben den nachgeordneten Behörden ein Forum, in dem sie ihren Bedarf an Steuerung und Information gegenüber der Fach-aufsicht konkret zum Ausdruck bringen können. Aufgabe der Fachaufsicht ist es dabei, bei der Gestaltung der Dienstbesprechungen den dafür erfor-derlichen Raum zu schaffen.

1 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2000 zur

Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik - EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), Amtsbl. EG Nr. L 327 vom 22.12.2000.

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29.3.3 Geschäftsbesuche und Geschäftsprüfungen Die notwendige Häufigkeit von Geschäftsbesuchen und Geschäftsprüfun-gen hängt vom Aufgabenumfang und von der Anzahl der Bearbeiter sowie davon ab, in welcher Weise ansonsten die Fachaufsicht ausgeübt wird. Das fachaufsichtliche Mittel der Geschäftsbesuche und Geschäftsprüfun-gen wird in vielen Bereichen zu wenig bis gar nicht genutzt, selbst wenn der Einsatz der übrigen fachaufsichtlichen Mittel nicht immer zufrieden stellend ist. Viele Mitarbeiter der nachgeordneten Landesbehörden würden häufigere Geschäftsbesuche der zuständigen Mitarbeiter des Umweltministeriums begrüßen. Geschäftsprüfungen haben beim Umweltkontor Nord, bei der Schleswig-Holsteinischen Landgesellschaft, bei den Ämtern für ländliche Räume und beim Landesbetrieb ErlebnisWald Trappenkamp stattgefunden. Geschäftsbesuche und Geschäftsprüfungen bei den Behörden der Kreise und kreisfreien Städte durch Mitarbeiter des Umweltministeriums waren bisher eher die Ausnahme. Außer von der Abteilung „Wasserwirtschaft, mariner Naturschutz“ und 2 Fachbereichen der Abteilung „Naturschutz, Forstwirtschaft und Jagd“ wurden bisher keine Geschäftsprüfungen durch-geführt. Die überwiegende Zahl der Mitarbeiter auch der nachgeordneten Kommunalbehörden würde häufigere Geschäftsbesuche der zuständigen Mitarbeiter des Umweltministeriums begrüßen. Beim Landeslabor gab es seit dem Besuch des Leiters der Abteilung „Wasserwirtschaft, mariner Naturschutz“ des Umweltministeriums anläss-lich der Arbeitsaufnahme des Landesbetriebs keine weiteren fachaufsicht-lichen Aktivitäten. Das Landeslabor erhält vom Umweltministerium für sei-ne Arbeit keine Vorgaben, es steht ausschließlich im Kontakt mit dem Lan-desamt für Natur und Umwelt (LANU). Das Umweltministerium übt also nur formal aufgrund der Bestimmungen des LVwG die Fachaufsicht über das Landeslabor aus. Mit dem Zuständigkeitswechsel für die Dienstauf-sicht über diesen Landesbetrieb in den Geschäftsbereich des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz verbleibt nur noch die Fachaufsicht beim Umweltministerium. Das erfordert dringend die Befas-sung des Umweltministeriums mit dieser Aufgabe für den Bereich Umwelt-analytik des Landeslabors. Das Umweltministerium sieht gegenüber dem Landeslabor im Bereich Wasserwirtschaft keine Notwendigkeit weiterer Geschäftsbesuche. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem LANU und dem Landeslabor ergäbe

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sich unmittelbar aus dem Aufgabenbereich. Die Zusammenarbeit zwi-schen beiden Behörden überwache das Umweltministerium im Rahmen der Fachaufsicht gegenüber dem LANU. Ihm erscheine diese mittelbare Überwachung der Aufgabenwahrnehmung durch das Landeslabor ausrei-chend. Für die Zukunft werde eine förmliche Verlagerung der Fachaufsicht vom Umweltministerium auf das LANU erwogen. Der LRH hält es weiterhin für erforderlich und im Übrigen auch rechtlich zwingend (§ 14 Abs. 2 LVwG), dass das Umweltministerium als die fach-lich zuständige oberste Landesbehörde seine fachaufsichtlichen Aufgaben nicht nur gegenüber dem LANU, sondern auch gegenüber dem Landesla-bor wahrnimmt.

29.3.4 Berichte In allen Fachbereichen herrscht ein mehr oder weniger ausgeprägtes Be-richtswesen. Z. T. sind regelmäßige Sachstandsberichte von den nachge-ordneten Behörden abzuliefern, darüber hinaus werden von den Fachrefe-raten Berichte zu Einzelfällen angefordert, wenn Problemfälle bekannt werden. Insgesamt hat der LRH den Eindruck gewonnen, dass die Fachre-ferate durch die Berichte - soweit möglich - ausreichend über das Verwal-tungshandeln vor Ort informiert sind, um ggf. lenkend eingreifen zu kön-nen. Gravierende Mängel waren nicht erkennbar.

29.3.5 Aktenvorlage Die Vorlage von Akten ist von den Mitarbeitern der Fachreferate nur in sel-tenen Fällen gefordert worden; i. d. R. wurden die angeforderten Berichte als ausreichende Informationsquelle angesehen. Der LRH stimmt mit dem Umweltministerium überein, dass die Vorlage der Akten nur in kritischen Einzelfällen gefordert werden sollte.

29.3.6 Weisung Das zentrale Mittel der lenkenden Fachaufsicht in Einzelfällen wird - be-dingt durch die Aufgabenstellung und auch die Anzahl der nachgeordneten Behörden - in sehr unterschiedlichem Umfang eingesetzt. Der größte Teil der Fachbereiche kommt ohne bzw. fast ohne Weisungen im Einzelfall aus. Das kann ein Indiz für ein gutes allgemeines Rege-lungswerk bzw. ausreichende Abstimmung und Kooperation, aber auch lediglich kollegiale Rücksichtnahme sein, was nicht entscheidungserhebli-ches Motiv des Verwaltungshandelns sein darf. In bestimmten Fachberei-chen ist die Erteilung von Weisungen im Einzelfall „Tagesgeschäft“. Über-wiegend werden Weisungen in einem angemessenen Umfang erteilt.

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29.3.7 Selbsteintritt Nur in seltenen Ausnahmefällen haben die Fachreferate des Umweltminis-teriums von ihrem Recht des Selbsteintritts Gebrauch gemacht. Der Selbsteintritt als schärfstes Mittel der Fachaufsicht sollte auch auf absolute Ausnahmefälle beschränkt sein (nicht Befolgen von Weisungen und Ge-fahr im Verzug).

29.4 Zusammenfassende Wertung Der präventiven Fachaufsicht sollte ein besonderes Augenmerk gewidmet werden. Der hierfür erforderliche Aufwand ist sinnvoll, da nur dadurch er-reicht werden kann, dass nicht später im Vollzug unnötig hohe Aufwen-dungen entstehen. Das Umweltministerium übt die Fachaufsicht gegenüber den Landesbe-hörden wesentlich intensiver aus als gegenüber den unteren Vollzugsbe-hörden der Kreise und kreisfreien Städte. Die engere Verbindung der Re-ferate zu den Landesbehörden, für die das Umweltministerium auch orga-nisatorische und personelle Entscheidungen fällt, trägt automatisch zu einem intensiveren Austausch bei. Außerdem erleichtert die überschauba-re Anzahl der Organisationseinheiten und Mitarbeiter in den Landesbehör-den einen vertrauensvollen Umgang und regen Austausch zwischen Fachaufsicht und nachgeordneter Behörde. Die Fachaufsicht über die Behörden der Kreise und kreisfreien Städte ist dagegen in den meisten Bereichen unzureichend. Die zur Verfügung stehenden fachaufsichtlichen Mittel wurden kaum ausgeschöpft, obwohl eine zweckmäßige und einheitliche Verwaltungspraxis in vielen Fällen nicht erreicht wurde. Eine Beschränkung nur auf den Erlass von Verwal-tungsvorschriften kann auf längere Sicht nicht nur zu praxisfremden Rege-lungen führen, sondern darüber hinaus die vom LRH beobachteten Inte-ressenkollisionen zwischen Dienstaufsicht der Kreise und kreisfreien Städ-te und der Fachaufsicht des Umweltministeriums verschärfen. Das Umweltministerium weist darauf hin, dass gegenüber Landesbehör-den auch Maßnahmen der Dienstaufsicht getroffen werden, die eng mit fachlichen Aufsichtsmaßnahmen verbunden sein können. Der Umfang der Fachaufsicht gegenüber Kommunen und Landesbehörden sei daher nicht unmittelbar vergleichbar. Der LRH teilt diese Schlussfolgerung nicht. Umfang und Intensität der Fachaufsicht können nicht davon abhängig gemacht werden, ob auch dienstaufsichtliche Mittel zur Verfügung stehen.

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Die im Umweltbereich übertragenen Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung werden von den Landräten/Oberbürgermeistern oftmals nicht mit der not-wendigen Priorität eingestuft, sodass es infolge von Personaleinsparmaß-nahmen zu Vollzugsdefiziten kommt. Diese treten nur selten für die Fach-aufsicht offen erkennbar zutage. Sie ist deshalb gehalten, sich ein mög-lichst konkretes Bild von der Aufgabenwahrnehmung vor Ort zu machen. Geeignetes fachaufsichtliches Mittel ist hier fast ausschließlich die arbeits-intensive Geschäftsprüfung. Die Fachaufsicht muss sich dabei selbstver-ständlich auf die ihr zustehenden sachlichen Eingriffsrechte beschränken, auf die auch für sie an sich wertvollen Informationen aus Organisationsun-tersuchungen der Dienstherren kann sie nicht zurückgreifen. Eine weitere Verlagerung von Aufgaben auf die Kommunen wird erfordern, dass die In-tensität der Fachaufsicht auf das bei Landesbehörden vorhandene Maß angehoben wird. Hieraus kann sich unter bestimmten Umständen zu-nächst ein zusätzlicher Aufwand ergeben. Bisher hat das Umweltministerium Geschäftsprüfungen fast ausschließlich nur dann durchgeführt, wenn zuvor vom LRH auf Missstände hingewiesen wurde oder einzelne Entscheidungen in den Kommunen zu öffentlich aus-getragenen Kontroversen führten, so z. B. nach der Prüfung der Abwas-serabgabenerhebung1 und zur Lösung der Problematik der Bootsstege im Kreis Plön. Das Umweltministerium betont, dass in den Aufgabenbereichen, in de-nen - auch durch Prüfungen des LRH - deutlich werde, dass die Aufga-benwahrnehmung von den Kreisen und kreisfreien Städten nicht mit der notwendigen Priorität eingestuft werde, eine Verstärkung der Fachaufsicht beabsichtigt sei. Hinsichtlich der Intensität der Ausübung der Fachaufsicht habe es u. a. eigene personelle Ressourcen zu berücksichtigen. Sehr stark personal- und zeitintensive Mittel der Fachaufsicht, wie z. B. Ge-schäftsprüfungen, sollten daher - wie auch in der Vergangenheit - in ge-eigneten Fällen konzentriert eingesetzt werden. So habe z. B. die intensive Prüfung der Abwasserabgabenerhebung bei 15 Wasserbehörden in den Jahren 2000 bis 2003 ca. 180 Personenarbeitstage in Anspruch genom-men. Der LRH begrüßt die Absicht des Umweltministeriums. Denn eine regel-mäßige präventive Fachaufsicht beugt Defiziten vor, die später mit hohem Aufwand bereinigt werden müssen.

1 Vgl. Bemerkungen 2000 des LRH, Nr. 27.

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Im Übrigen verweist der LRH auf die vom Referat „Organisation, Revision, Innerer Dienst“ ergriffene Initiative, mit den kommunalen Landesverbän-den Grundsatzgespräche zu führen und die Fachabteilungen zu unterstüt-zen. Er empfiehlt den Fachabteilungen des Umweltministeriums eine enge Zusammenarbeit mit diesem bei der Durchführung fachaufsichtlicher Prü-fungen.

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30. Grundwasserentnahmeabgabe

Wasserentnahmen werden von den meisten unteren Wasserbe-hörden der jeweiligen Kreise und kreisfreien Städte nicht voll-ständig erfasst und nicht sorgfältig und systematisch überwacht. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Grundwasserent-nahmeabgabe fehlerhaft erhoben wird. Darüber hinaus ist die Abgabe überwiegend nicht termingerecht und nicht immer voll-ständig an das Land abgeführt worden. Aus der Abgabe finanzierte nicht zweckmäßige Förderprogram-me wurden inzwischen eingestellt. Die Mittel aus der Abgabe wurden zu einem großen Teil für Aufwendungen im Zusammen-hang mit der Ausweisung von Wasserschutzgebieten eingesetzt. Sie wurden überwiegend den im Grundwasserabgabengesetz genannten Zwecken entsprechend verwendet.

30.1 Einführung

Die Grundwasserentnahmeabgabe wird in Schleswig-Holstein seit In-Kraft-Treten des Grundwasserabgabengesetzes1 am 01.04.1994 erhoben. Sie wird bemessen nach der tatsächlich entnommenen Wassermenge und dem Verwendungszweck, bei dem Öffentliche Wasserversorgung, Was-serhaltung, Beregnung und Berieselung, Aufbereitung von Sand oder Kies, Fischhaltung und sonstige Zwecke unterschieden werden. Das Bundes-verfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18.12.20022 auch die schles-wig-holsteinische Abgabe als Vorteilsabschöpfung für Inhaber von Rech-ten oder Befugnissen zur Entnahme des Allgemeinguts Grundwasser be-stätigt. Die Einnahmen des Landes aus der Grundwasserentnahmeabgabe wer-den im Einzelplan 13 ausgewiesen. Das Abgabeaufkommen stellt sich seit Einführung der Abgabe wie folgt dar:

1 Gesetz über die Erhebung einer Grundwasserentnahmeabgabe (Grundwasserabgaben-

gesetz - GruWAG) vom 14.02.1994, GVOBl. Schl.-H. S. 141, zuletzt geändert durch Ge-setz vom 11.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 697.

2 2 BvR 591/95.

330

Haushaltsjahr Soll Ist in T€ in T€ 1994 5.112,9 3.389,1 1995 14.316,2 11.984,0 1996 14.316,2 15.108,0 1997 14.213,9 13.442,5 1998 13.804,9 13.478,3 1999 13.293,6 12.578,5 2000 13.293,6 12.566,8 2001 13.293,6 15.345,5 2002 13.300,0 12.283,0 2003 12.400,0 12.741,0 2004 18.100,0 2005 24.400,0

30.2 Zuständigkeiten

Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft (Umweltmi-nisterium) als oberste Wasserbehörde ist für die Durchführung und Kont-rolle der Umsetzung des GruWAG zuständig. Es legt Förderprogramme zum Schutz und zur Verbesserung der Grundwasserbewirtschaftung auf und teilt die Haushaltsmittel aus dem Abgabeaufkommen den mit der Um-setzung von Aufgaben des Grundwasserschutzes betrauten Landesdienst-stellen zu. Es entwirft die Verordnungen der Wasserschutzgebiete (WSG). Das Landesamt für Natur und Umwelt (LANU) begleitet die für eine scho-nende Grundwasserbewirtschaftung erforderlichen wissenschaftlichen Ar-beiten und führt selbst hydrogeologische Untersuchungen durch. Wird für eine Grundwasserbenutzung anstatt einer einfachen Befugnis ein Recht erteilt, ist das LANU für das Bewilligungsverfahren zuständig. Es unter-stützt die Staatlichen Umweltämter (StUÄ) bei der Ausweisung von WSG. Die StUÄ betreuen das Messnetz des Landesgrundwasserdienstes sowie die Fördermaßnahmen des Baus ländlicher Wasserversorgungsanlagen und die biotopgestaltenden Maßnahmen im Vertragsnaturschutz. Die unteren Wasserbehörden (UWB) der Kreise und kreisfreien Städte führen die wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren durch, überwachen alle Grundwasserbenutzungen sowie die Einhaltung der Wasserschutzge-bietsverordnungen. Sie sind Festsetzungsbehörden nach § 11 GruWAG und erheben somit die Abgabe.

331

30.3 Erhebung der Abgabe

30.3.1 Abgabefestsetzung Eine Abgabepflicht besteht für alle tatsächlichen genehmigungspflichtigen Grundwasserbenutzungen, unabhängig davon, ob sie der Wasserbehörde faktisch bekannt sind. Eine vollständige Erfassung der Wasserentnah-men in einem Kreis/einer kreisfreien Stadt ist nur durch eine sorgfältige und systematische Überwachungstätigkeit der jeweiligen Wasserbehörde sicherzustellen. Hier bestehen erhebliche Defizite. Die Mehrzahl der UWB verlässt sich bei der Erhebung der Abgabe auf den in der Behörde doku-mentierten Bestand, der aufgrund der äußerst geringen Präsenz der Was-serbehörden vor Ort oft nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen ent-spricht. Die überwiegende Zahl der UWB hat es versäumt, auf Änderungen in der Grundwasserbenutzung zu reagieren. In einem Kreis verfügen zurzeit nur die Wasserwerke der größeren Wasserversorgungsunternehmen und sonstige größere Grundwasserentnehmer über eine wasserrechtliche Be-willigung oder Erlaubnis. Bei den übrigen ca. 800 Entnehmern wird die Grundwasserbenutzung durch die UWB geduldet. Die gemeldeten Entnahmemengen wurden von den UWB bei der Festset-zung der Abgabe als richtig unterstellt und nur in wenigen Fällen durch eine Prüfung und Kontroll- oder Selbstablesung der Messeinrichtung vor Ort verifiziert. Eine regelmäßige Kontrolle der Abgabepflichtigen und der Messein-richtungen erfolgte nur bei einer UWB. Einige UWB wurden tätig, wenn die Angaben der Abgabepflichtigen über einen längeren Zeitraum starke, nicht erklärbare Schwankungen aufwiesen. Die übrigen UWB sind dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Auch achteten nicht alle UWB auf die Ausweisung der gemessenen Entnahmemengen als Rein- oder Rohwas-ser und versäumten es dementsprechend, ggf. einen Reinwasserzu-schlag zu berechnen. Die UWB bemühten sich überwiegend, die Erklärung über die im Veran-lagungsjahr entnommene Grundwassermenge fristgerecht bis zum 01.03. jeden Jahres von den Abgabepflichtigen einzufordern. Erhielten sie jedoch die erforderlichen Angaben nicht rechtzeitig, setzten sie häufig im-mer wieder neue Fristen, anstatt die Entnahmemenge analog der erlaub-ten maximalen Jahresentnahmemenge zu schätzen. Die Berechnung der Vorauszahlung erfolgte in der Mehrzahl der Kreise und kreisfreien Städte korrekt, dagegen wurde die vorgegebene Fälligkeit

332

01.07. jeden Jahres häufig überschritten. Die UWB haben in vielen Fällen, insbesondere bei Nutzung zum Zwecke der Beregnung und Berieselung sowie bei den Hauswasserwerken, von sich aus auf eine Vorauszahlung verzichtet, obwohl Anträge auf Befreiung von der Vorauszahlung bei keiner UWB vorlagen. Die UWB haben bei der Festsetzung der Grundwasserentnahmeabgabe überwiegend die richtigen Abgabesätze angewendet. Zweifel entstanden bei den Kreisen und kreisfreien Städten aber insbesondere bei der Zuord-nung zum Verwendungszweck „Beregnung und Berieselung“. Das Umweltministerium kündigt an, dass es einen einheitlichen Durch-führungserlass zum GruWAG herausgeben werde, in dem u. a. der Inhalt der Begriffe „Beregnung und Berieselung“ näher erläutert werden wird. Einige UWB setzten für Entnahmen, die zwar aufgrund unterschiedlicher Rechte oder Befugnisse, aber im Rahmen desselben wirtschaftlichen Vor-habens (Bildung einer wirtschaftlichen Einheit) erfolgten, die Abgabe anstatt in einem Bescheid in verschiedenen Bescheiden fest, sodass Ab-gabepflichtige ungerechtfertigter Weise für einen Teil der Entnahmen von der Abgabe befreit wurden, weil diese unter die Bagatellmengenregelung fielen. Das Umweltministerium will im Rahmen fachaufsichtlicher Prüfungen darauf hinwirken, dass der hierzu ergangene Erlass beachtet und die im Rahmen derselben wirtschaftlichen Vorhaben erfolgenden Entnahmen zu-sammen veranlagt werden. Der LRH konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass einige Erhe-bungsbehörden die Erteilung von Nullbescheiden als zusätzliche Ein-nahmequelle bei der Erstattung des Verwaltungsaufwands entdeckt ha-ben.1 So wurden z. B. auch Nullbescheide erlassen bei Nacherhebungen für vergangene Jahre oder in Fällen, in denen noch nicht einmal die origi-nären Pflichten als UWB erfüllt worden waren, wie die Erteilung der erfor-derlichen Erlaubnis, Aufforderung zur Meldung der Grundwasserentnah-memenge, Überwachung der Entnahmestelle.

30.3.2 Inkasso Die Überwachung der Zahlungseingänge war bis 2001 Aufgabe der Kreis- und Stadtkassen der Festsetzungsbehörden.

1 Vgl. Tz. 30.4.1.

333

Gravierende Mängel hat der LRH bei 5 der geprüften Kassen vorgefunden, wobei insbesondere eine Kreiskasse durch hohe Außenstände auffiel, die seit 1994 für alle Veranlagungsjahre noch offen sind. Bei lediglich 5 Kreisen bzw. kreisfreien Städten wurden Säumniszuschlä-ge auf ausstehende Forderungen erhoben, wobei ein Kreis dies nach 1999 wieder aufgegeben hat. Die Säumniszuschläge wurden dabei auf Kreis- bzw. Stadtkonten vereinnahmt, sie sind umgehend dem Land zu überweisen.

30.3.3 Abführung der Abgabe an das Land Die Voraus- und Schlusszahlungen sind überwiegend nicht termingerecht und nicht immer vollständig an das Land abgeführt worden. Nur bei weni-gen Festsetzungsbehörden waren keine nennenswerten Terminüber-schreitungen zu verzeichnen. Auch die 1998 dahingehend geänderte Ver-waltungsvorschrift, Beträge über 10.000 DM sofort an das Land abzufüh-ren, brachte keine wesentliche Verbesserung. Neben Mahnungen und Er-innerungen bei den Festsetzungsbehörden wurden keine weiteren fach-aufsichtlichen Maßnahmen durch das Umweltministerium eingeleitet. Bei etlichen Festsetzungsbehörden lagen zum Zeitpunkt der örtlichen Er-hebungen noch Abgabezahlungen auf den Verwahrkonten. So war von einem Kreis z. B. die Vorauszahlung für das Veranlagungsjahr 2001 in Höhe von 436.106,33 € komplett noch nicht an das Land abgeführt wor-den, obwohl alle Zahlungen bereits eingegangen waren. Das Umweltministerium ist gefordert, nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass die bei den Festsetzungsbehörden eingegangenen, aber noch nicht abgeführten Abgabebeträge umgehend an das Land abgeführt werden. Nach Einschätzung des Umweltministeriums dürfte sich das Problem der verspäteten Abführung aufgrund Verwahrung auf Kreiskonten nicht mehr stellen, da der Abgabeschuldner durch die mithilfe von WaFIS1 erzeugten Abgabebescheide darauf hingewiesen werde, die Grundwasserentnahme-abgabe direkt an das Land zu überweisen, und auch die Kreise/kreisfreien Städte, die sich nicht an WaFIS beteiligen, mittlerweile in ihre Abgabebe-scheide diesen Hinweis aufnehmen. Der LRH hält es weiterhin für erforderlich, dies für die Beträge, die bereits vor Einführung des WaFIS-Moduls „GW-Abgabe SH“ und der Umstellung des Zahlungsverfahrens in 2002 festgesetzt worden sind, zu verfolgen.

1 Wasserwirtschaftliches Fachinformationssystem.

334

30.3.4 Einsatz des Wasserwirtschaftlichen Fachinformationssystems Das Umweltministerium ist seit einigen Jahren damit befasst, ein einheitli-ches WaFIS im gesamten Bereich der Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes Schleswig-Holstein zu schaffen. Neben anderen Modulen wurde auch ein DV-Programm „GW-Abgabe SH“ entwickelt, das einschl. erfor-derlicher Hardware und Softwarelizenzen 1994/95 den Festsetzungsbe-hörden als Erstausstattung unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Die Kosten beliefen sich bis 1995 auf rd. 128.000 €. Tatsächlich konnte aber bisher keine funktionsfähige Version des WaFIS-Moduls „GW-Abgabe SH“ bei den UWB installiert werden. 3 Kreise und eine kreisfreie Stadt beteiligen sich nicht mehr an der Einführung des WaFIS. Dabei wurden allein im Zeitraum 1991 bis 1998 für die Beschaf-fung der Hard- und Software rd. 1.975 T€ aufgewandt1. Das Umweltministerium erläutert, dass ab Mitte April 2003 die WaFIS-Vollversion 2.5 bei den UWB für die Fertigung der Abgabebescheide ein-gesetzt und Anfang Februar 2004 die WaFIS-Vollversion 2.6 an die Fest-setzungsbehörden ausgeliefert worden sei. Für die Erstellung der Grund-wasserabgabebescheide sei nur noch diese Version zu verwenden. Dagegen hat der LRH festgestellt, dass im Frühjahr 2003 noch erhebliche Änderungen an dem WaFIS-Modul „GW-Abgabe SH“ erforderlich waren. Er bleibt deshalb bei seiner Einschätzung, dass bis Herbst 2003 bei den UWB das WaFIS-Modul “GW-Abgabe SH“ nicht voll funktionsfähig war. Das Umweltministerium zieht in Erwägung, zukünftig die Aufgaben der Festsetzungsbehörden zentral zu übernehmen. Es setzt dabei voraus, dass durch den Einsatz von WaFIS die Erstellung der Festsetzungsbe-scheide sehr vereinfacht wird und diese Aufgabe daher vom Umweltminis-terium mit erledigt werden könne. Nach Auffassung des LRH sprechen je-doch verschiedene Gründe dagegen. Zum einen handelt es sich bei der Abgabeerhebung um reine Vollzugstätigkeit, die grundsätzlich nicht auf ministerieller Ebene angesiedelt werden sollte. Außerdem darf - auch bei voller Funktionstüchtigkeit von WaFIS - nicht verkannt werden, dass die Herausgabe korrekter Grundwasserabgabebescheide zum geringsten Teil vom verwendeten Programmsystem abhängig ist. Anders als bei der Ab-wasserabgabe war die eigentliche Bescheiderstellung für keine der UWB bisher ein Problem. Fehlerhaft wurden die Bescheide aufgrund der oben beschriebenen Defizite im wasserrechtlichen Vollzug, infolge derer bei der Abgabefestsetzung mit einer falschen Datengrundlage gearbeitet wurde.

1 Für die Folgejahre bis heute konnte das Umweltministerium keine Zusammenstellung der

Kosten vorlegen.

335

Die Pflege dieser Daten ist aber gerade im Grundwasserbereich aufgrund wechselnder Eigentumsverhältnisse sowie Änderungen von Entnahme-zweck und -menge sehr aufwändig. Wird durch ordnungsgemäßen was-serrechtlichen Vollzug die Aktualisierung der Daten sichergestellt, kann auch der Bescheid ohne großen Aufwand von den UWB gefertigt werden. Auch kann die bisher unzureichende Fachaufsicht nicht durch WaFIS er-setzt werden. Nach Auffassung des Umweltministeriums war es zielgerichtet, den ge-samten Bereich der Erhebung und Festsetzung der Abgabe als Pilotan-wendung im Rahmen der E-Government-Vereinbarung anzumelden. Zu den Aufgaben der Festsetzungsbehörden gehöre zwar neben der Erhe-bung und Festsetzung der Abgabe auch die fachliche Beurteilung von An-trägen und die Plausibilisierung von übermittelten Angaben (Wassermen-gen usw.). Der Bereich der Erhebung und Festsetzung der Abgabe durch die Nutzung von WaFIS könne jetzt aber als umgebaute, mehr digital aus-gerichtete „innere“ Verwaltung (Behörde zu Behörde) bezeichnet werden. Es biete sich an, den Abgabepflichtigen vollständig digital einzubinden, z. B. dadurch, dass er die gesetzlich geforderten Mitwirkungspflichten auch digital (Bürger zu Behörde) erfüllen kann. Diese Anträge/Angaben könnten dann mit den Ergebnissen der wasserbehördlichen Tätigkeit, die ja von den UWB in die WaFIS-Fachmodule eingegeben werden, automa-tisch abgeglichen werden. Das Ergebnis (Nachforderungen von Abgaben bzw. der Abgabebescheid) werde dann postwendend an den Bürger ver-sandt. Der LRH sieht diese bislang noch nicht funktionierende datentechnische Bearbeitungsmöglichkeit nicht als ausreichende Begründung dafür an, die Erstellung der Bescheide auf das Umweltministerium zu verlagern.

30.4 Verwendung Aus dem Abgabeaufkommen ist zunächst der Verwaltungsaufwand der Festsetzungsbehörden mit einem Anteil von ca. 0,2 Mio. € pro Jahr zu de-cken. Das dann verbleibende Aufkommen war zweckgebunden zum Schutz sowie zur Sicherung und Verbesserung der Bewirtschaftung des Grundwassers - insbesondere für die in § 7 Abs. 2 GruWAG aufgeführten Maßnahmen - einzusetzen.

336

30.4.1 Verwaltungspauschale Der Verwaltungsaufwand wird den Festsetzungsbehörden als Verwal-tungskostenpauschale nach GruWAG-KDVO1 für den gesamten personel-len und sächlichen Verwaltungsaufwand erstattet, der bei der Festsetzung und Erhebung der Grundwasserentnahmeabgabe einschl. evtl. Wider-spruchs-, Klage-, Mahn- und Vollstreckungsverfahren entsteht. Maßgeb-lich ist dabei die Anzahl der jährlich erstellten Festsetzungs- einschl. der Nullbescheide. Aufgrund unterschiedlicher Organisationsstrukturen und unterschiedlicher Technisierung ergaben sich Unterschiede beim erforderlichen Zeitaufwand für die Abgabeerhebung. Allerdings bewegte sich der jeweils ermittelte Personalaufwand in einem angemessenen Rahmen, der bei keiner UWB erheblich über dem in der GruWAG-KDVO zugrunde gelegten Richtwert lag. Die Höhe des Erstattungsbetrags ist von den UWB selbst zu ermitteln und bei der jährlichen Abrechnung gegenüber dem Land nachzuweisen. Dabei haben diese i. d. R. fälschlicherweise den maßgeblichen Stundensatz für das Veranlagungsjahr und nicht den für das Kalenderjahr der Bescheider-stellung herangezogen. Dadurch wurden nicht die korrekten Verwaltungs-kosten einbehalten. Die zahlreichen Fehler zu Ungunsten des Landes hätten teilweise durch das Umweltministerium aufgrund der vorgelegten Abrechnungen aufge-deckt werden können und müssen. Die Kreise und kreisfreien Städte sind in den entsprechenden Fällen aufzufordern, die zu viel einbehaltenen Be-träge an das Land abzuführen.

30.4.2 Förderprogramme Ein Teil des zweckgebunden zu verausgabenden Abgabeaufkommens wurde mit unterschiedlichem Erfolg für Förderprogramme zur Verfügung gestellt. Inzwischen sind einige Programme - u. a. aufgrund der Ergebnis-se von Prüfungen des LRH - eingestellt worden, da sie unzweckmäßig wa-ren oder kein Bedarf bestand. Dazu gehören die seit 1995/96 nach ent-sprechenden Richtlinien des Umweltministeriums2 geförderten Maßnah-men zur sparsamen und rationellen Grundwasserverwendung in pri-vaten Haushalten sowie in Industrie und Gewerbe. Außerdem wird im

1 Landesverordnung zur Deckung des Verwaltungsaufwands beim Vollzug des Grundwas-

serabgabengesetzes (Kostendeckungsverordnung zum Grundwasserabgabengesetz - GruWAG-KDVO) vom 09.10.1994, GVOBl. Schl.-H. S. 501, geändert durch Landesver-ordnung vom 24.10.1996, GVOBl. Schl.-H. S. 652.

2 Vgl. Bemerkungen 2001 des LRH, Nr. 38.

337

Jahr 2004 das Programm zur Förderung des Baus von ländlichen Was-serversorgungsanlagen1 auslaufen. Eine nur geringe Nachfrage ist auch bei der Förderung eines Umwelt-audits2 zu verzeichnen. Die veranschlagten Mittel sind künftig dem Bedarf entsprechend zu reduzieren. Mit den am 01.09.1999 in Kraft getretenen Richtlinien für die Förderung der Beratung von Unternehmen in Wasserschutzgebieten sollte Un-ternehmen in geplanten oder bereits festgesetzten WSG, die in diesen Gebieten mit wassergefährdenden Stoffen umgehen, die Möglichkeit er-öffnet werden, zum Schutz des Grundwassers eine freiwillige Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Förderrichtlinie lief am 31.08.2002 aus und wurde auch nicht verlängert, da die Fördermöglichkeit bis dahin nur von 2 Unternehmen in Anspruch genommen wurde. Ursache war, dass die Un-ternehmen hierfür keine Notwendigkeit sahen, weil die UWB die für WSG geltenden Einschränkungen sowieso nur mangelhaft durchsetzten. Mit dem Programm des Vertragsgrundwasserschutzes wollte das Um-weltministerium ein Instrument schaffen, welches in gefährdeten Grund-wassergebieten über vertragliche Vereinbarungen mit Landwirten auf frei-williger Basis Einschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung ermögli-chen sollte, noch bevor diese Beschränkungen durch eine abschließende Festsetzung eines WSG als Auflage erteilt werden konnten. Aufgrund mangelnder Akzeptanz bei den Landwirten gab man die Bemühungen zum Vertragsgrundwasserschutz 1998 endgültig auf. Seit 01.02.2002 erbringen - neben dem bereits bisher zu Ausgleichszahlungen verpflichteten Was-serbeschaffungsverband Föhr - 14 Wasserversorgungsunternehmen Aus-gleichsleistungen aufgrund einer entsprechenden Landesverordnung zu § 104 Abs. 5 LWG3, die gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 d) GruWAG die von diesen Unternehmen zu zahlende Grundwasserentnahmeabgabe entsprechend mindern. Mit Voranschreiten der Ausweisung weiterer WSG übernehmen weitere Wasserversorgungsunternehmen diese Verpflichtung. In erheblichem Maße fördert das Land als Grunderwerb durch die Stif-tung Naturschutz den Erwerb von Überschneidungsflächen aus der Bio-topverbundplanung und Wasserschongebieten sowie ausgewiesenen Ge-fährdungsbereichen der Schleswiger Geest zur Vermeidung von Gefahren für das Grundwasser durch Nähr- und Schadstoffe im Rahmen des Pro-gramms „Flächenerwerb, Grundwasserschutz“. Seit dem Jahr 1999 wird

1 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 37. 2 Richtlinie zur Förderung von Umweltmanagementsystemen vom 03.09.1998, Amtsbl.

Schl.-H. S. 729. 3 Wassergesetz des Landes Schleswig-Holstein (Landeswassergesetz - LWG) i. d. F. d.

Bekanntmachung vom 13.06.2000, GVOBl. Schl.-H. S. 490, berichtigt S. 550, zuletzt ge-ändert durch Gesetz vom 13.05.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 246.

338

ein Teil der Extensivierungsverträge, die im Rahmen des Programms „Vertrags-Naturschutz“ geschlossen werden, aus der Grundwasserent-nahmeabgabe finanziert. Die „Fördergebietskulisse“ für die abgabefinan-zierten Verträge wurde durch das LANU festgelegt. Eine Förderrichtlinie gibt es jedoch nicht. Das Land hat für diese beiden Förderprogramme z. B. im Jahr 2002 insgesamt Mittel in Höhe von 2,9 Mio. € aus der Grundwas-serentnahmeabgabe aufgewendet.

30.4.3 Personalkosten im Landesbereich Im Prüfungszeitraum wurden hauptsächlich die für die Ausweisung von WSG erforderlichen Mittel einschl. eines Großteils der Werkvertragsmittel bereitgestellt. Der Forderung des LRH anlässlich der Einführung der Grundwasserentnahmeabgabe1, den Schwerpunkt der Finanzierung auf die Ausweisung von WSG zu legen, wurde somit gefolgt. Der abgabefinanzierte Anteil der Personalausgaben im Landesbereich stieg von rd. 17 % des Abgabeaufkommens in 1997 auf fast 23 % in 2003. Das GruWAG schreibt die Verwendung der Mittel überwiegend für konkre-te Maßnahmen vor. Vor diesem Hintergrund hält der LRH den Anteil der abgabefinanzierten Stellen für zu hoch, wenn man berücksichtigt, dass die gesetzlichen Aufgaben des Grundwasserschutzes zu den Pflichtaufgaben des Landes gehören, die es unabhängig von der Einführung einer Grund-wasserentnahmeabgabe erfüllen muss. In jedem Fall dürfen Mitarbeiter, die nicht ausschließlich für den Grundwasserschutz tätig sind, auch nur anteilig aus dem Aufkommen der Grundwasserentnahmeabgabe finanziert werden.

30.4.4 Vergaben im Grundwasserschutz Das Umweltministerium und das LANU haben anfangs bei der Vergabe von Werkverträgen die Vergabebestimmungen häufig nicht beachtet. Das LANU hat seit Herbst 2001 seine Vergabepraxis umgestellt, Entscheidun-gen über die Vergabeart werden jetzt nach sorgfältiger Prüfung durch ein eigens dafür zuständiges Dezernat gefällt. Das Umweltministerium hat ebenfalls erst in jüngster Zeit seine Vergaben von gutachterlichen Leistun-gen entsprechend den rechtlichen Vorgaben abgewickelt. Z. T. wurden Werkvertragsmittel vom LANU nicht zweckentsprechend eingesetzt. Künf-tig ist auf die Zweckbindung zu achten. Die bisherige Vergabepraxis bei Baumaßnahmen zur Messnetzerweite-rung und -pflege sowie hydrogeologischen Bohrungen im Vorwege der Ausweisung von WSG wurde in 2003 umgestellt. Anstatt der übli-

1 Vgl. Bemerkungen 1996 des LRH, Nr. 29.

339

chen beschränkten Ausschreibung mit Aufforderung von max. 8 Brunnen-baufirmen, die den StUÄ vom LANU vorgegeben wurden, wird nun zu Jah-resbeginn stets ein Teilnahmewettbewerb für alle im Haushaltsjahr zu ver-gebenden Leistungen unter Federführung des StUA Itzehoe durchgeführt. Die vom StUA Itzehoe beschaffte Brunnenkamera ist von allen StUÄ sowie dem LANU, insbesondere bevor Leistungen zur Messstellensanierung und -pflege ausgeschrieben werden, aber auch bei Abnahmen dieser Arbeiten und neu errichteter Messstellen einzusetzen. Das Umweltministerium hat künftig im Rahmen der Fachaufsicht bei Be-schaffungen dafür Sorge zu tragen, dass gleichartige Bestellungen der StUÄ und des LANU zusammengefasst und entsprechend der Vorgaben über die GMSH1 bzw. Dataport2 abgewickelt werden.

30.4.5 Entschädigungen Entschädigungsleistungen an Grundstückseigentümer für die Errichtung und den laufenden Betrieb von Grundwassermessstellen sollten künftig nach einheitlichen Regelungen pauschaliert gewährt werden.

30.4.6 Agrarstrukturelle Fachbeiträge für die Ausweisung von WSG Das Erfordernis dieser von der Landwirtschaftskammer erstellten Gutach-ten sollte vom Umweltministerium noch einmal geprüft werden, da die verwendeten Daten auch in den Ämtern für ländliche Räume vorliegen. Auch der Umfang der dargestellten Fakten ist zu prüfen, da die Landwirt-schaftskammer z. T. Tabellen und Grafiken liefert, die nicht benötigt wer-den.

30.5 Ausblick Bisherige Betrachtungen über den künftigen Einsatz des Abgabeaufkom-mens (Ausweisung von WSG noch bis 2015, Weiterführung des Landes-grundwasserdienstes, Umsetzung der WRRL3 bis 2015) haben ergeben, dass notwendige Ausgaben in Höhe von ca. 12,4 Mio. € aus den jährlichen Einnahmen aus der Grundwasserentnahmeabgabe (2003: 12,4 Mio. €) ge-deckt werden könnten.

1 Gebäudemanagement Schleswig-Holstein Anstalt des öffentlichen Rechts. 2 Dataport Anstalt des öffentlichen Rechts, bis 31.12.2003: Datenzentrale Schleswig-

Holstein, Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 15.01.2004, GVOBl. Schl.-H. S. 45.

3 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik - EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), ABl. EG Nr. L 327 vom 22.12.2000.

340

Mit dem Haushaltsgesetz 2004/051 hat der Landtag beschlossen, die

Grundwasserentnahmeabgabe für das Entnehmen, Zutage fördern, Zuta-ge leiten und Ableiten für die öffentliche Wasserversorgung von sonstigen Endverbrauchern wesentlich zu erhöhen. Von der Erhöhung nicht erfasst werden Gewerbebetriebe als Endverbraucher, sofern mehr als 1.500 m³ Wasser im Veranlagungszeitraum abgenommen werden. Damit soll das Aufkommen fast verdoppelt werden (vgl. Tz. 30.1). Das Mehraufkommen soll teilweise zweckgebunden zur Förderung von Maßnahmen zur Neuwaldbildung, des Waldneubaus und der ökologischen Stabilisierung der Wälder, die dem Schutz des Grundwassers und der Verbesserung des Wasserhaushalts dienen, verwendet werden. Der über-wiegende Teil des zusätzlichen Aufkommens soll dem Landeshaushalt ohne Zweckbindung zur Verfügung gestellt werden, was durch die Rege-lung erreicht wird, dass nur noch 75 % des Gesamtaufkommens zweckge-bunden zu verwenden ist. Entsprechend den vom Bundesverfassungsge-richt entwickelten Grundsätzen (vgl. Tz. 30.1) ist dies zulässig. Das Umweltministerium will das GruWAG zum 01.01.2006 überprüfen. Es hat die für eine Gesetzesänderung vorgesehene Verbandsanhörung ein-geleitet. Nach Auffassung des LRH sollte mit der notwendigen Anpassung des GruWAG an die Ergebnisse der Verbandsanhörung die Abgabeerhe-bung vereinfacht werden.

1 Gesetz über die Feststellung eines Haushaltsplans für die Haushaltsjahre 2004 und 2005

(Haushaltsgesetz 2004/05) vom 11.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 697.

341

Juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts

31. Auswahl des SAP-Verfahrens in vom Land getragenen

Einrichtungen und Gesellschaften

Alle geprüften Einrichtungen, die zur Anwendung der VOL ver-pflichtet waren, haben bei der Durchführung der Vergabeverfah-ren sowohl bei der Auswahl von Gutachtern als auch bei der Auswahl des SAP-Verfahrens gegen wesentliche Vorschriften der VOL/A verstoßen. Die Einrichtungen verfügten teilweise nicht über hinreichende Kenntnisse des Vergaberechts. Der LRH empfiehlt dringend eine Schulung des mit Vergabeverfahren befassten Personals. Soweit sie dem Vergaberecht unterliegen, sollten sich die Einrichtungen an dem Vergabeleitfaden des Landes orientieren. Der LRH regt an, eine Zentralisierung der Vergabe von Sonderbedarfen wie z. B. Sachverständigenleistungen für alle Einrichtungen zu prü-fen. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein sollte an das Ver-gaberecht gebunden werden.

31.1 Prüfungsansatz des LRH

Aufgrund seiner Erkenntnisse im Prüfungsverfahren über die Auswahl eines Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystems für die Lan-desverwaltung1 hat der LRH die Entscheidungen zugunsten des Einsatzes des SAP-Verfahrens im mittelbaren Landesbereich geprüft. Der LRH hat dies bei folgenden Einrichtungen und Gesellschaften, deren Träger das Land ist und die alle das SAP-Verfahren einsetzen, untersucht: • Fachklinik Heiligenhafen - heute: Psychatrium Gruppe Heiligenhafen,

Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), • Fachklinik Neustadt – heute: Ostseezentrum für seelische Gesundheit,

AöR, • Fachklinik Schleswig, AöR, • Klinikum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Klinikum der

Universität Lübeck, heute: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK S-H), Campus Kiel und Campus Lübeck, AöR,

1 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 10.

342

• Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH), AöR, deren Verga-ben in der Entstehungsphase vom Finanzministerium durchgeführt wur-den,

• LEG Schleswig-Holstein Landesentwicklungsgesellschaft mbH (LEG) und

• Landesbetrieb Landeslabor Schleswig-Holstein.

31.2 Verstöße bei der Vergabe von Sachverständigenleistungen Mit Ausnahme einer Fachklinik setzten alle geprüften Einrichtungen zur Erstellung eines DV-Konzepts und/oder zur Vorbereitung und Durchfüh-rung der Ausschreibungen für die Soft- und ggf. die Hardware Sachver-ständige ein. Die Vergabe erfolgte fast ausschließlich freihändig. Bei der Auswahl der Sachverständigen stellte der LRH im Wesentlichen folgende Mängel bei der Vergabe fest: • Z. T. wurden nicht einmal Vergleichsangebote anderer möglicher An-

bieter eingeholt. Es kann daher nicht belegt werden, dass die getroffe-nen Entscheidungen wirtschaftlich waren.

• Begründungen für die gewählten Vergabeverfahren wurden z. T. ent-gegen § 3 VOL/A1 und Anlage zu VV Nr. 3.2 zu § 55 LHO nicht doku-mentiert. Soweit sie dokumentiert wurden, rechtfertigten die Begrün-dungen keine freihändige Vergabe.

• Bei der Öffnung der Angebote wurde § 22 VOL/A, der u. a. vorschreibt, dass Angebote bis zum Zeitpunkt der Öffnung unter Verschluss zu hal-ten und die Angebote unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist zu öffnen sind, nicht immer eingehalten.

• Die Bestimmungen von § 26 VOL/A zur Aufhebung von Ausschreibun-gen wurden nicht hinreichend beachtet und zu weit ausgelegt. Dadurch kamen die Einrichtungen z. T. sehr schnell zur Auswahl im Verhand-lungsverfahren und zu einer freihändigen Vergabe, wobei häufig die Angebote aus der Ausschreibung einbezogen wurden. Einer Aufhe-bung der Ausschreibung hätte es mithin in diesen Fällen nicht bedurft.

31.3 Verstöße bei Ausschreibung und Auswahl des SAP-Verfahrens

Bei allen Einrichtungen stellte der LRH bei der Ausschreibung und der Auswahl der IT-Software, z. T. einschl. Hardware, insbesondere folgende Verstöße gegen das Vergaberecht fest: • In 3 Fällen wurden Ausschreibungen durchgeführt, obwohl nicht von

einer reibungslosen Ausführung der Leistung innerhalb der angegebe-nen Frist auszugehen war (§ 16 VOL/A).

1 Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A (VOL/A) vom 17.09.2002, Bundesanzeiger

Nr. 216a vom 20.11.2002.

343

• Teilweise wurden die Aufträge für die Software - unterhalb des Schwel-lenwerts für ein Offenes Verfahren - freihändig ohne vorherige Aus-schreibung und ohne Einholung von Vergleichsangeboten vergeben.

• Aufträge mit einem geschätzten Gesamtwert oberhalb dieses Schwel-lenwerts von 200 T€ sind gem. § 3a Nr. 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 Nr. 2 VOL/A im Offenen Verfahren zu vergeben. Hieran hat sich eine Fach-klinik in 2 Ausschreibungsverfahren nicht gehalten.

• Begründungen für die gewählten Vergabeverfahren wurden häufig nicht dokumentiert (§ 3 VOL/A).

• Bei der Öffnung der Angebote wurde z. T. § 22 VOL/A nicht eingehal-ten, der u. a. vorschreibt, dass Angebote bis zum Zeitpunkt der Öffnung unter Verschluss zu halten sind und die Öffnung der Angebote unver-züglich nach Ablauf der Angebotsfrist stattfinden soll.

• Die Behandlung der eingegangenen Angebote ist nicht immer gem. §§ 22 und 23 VOL/A erfolgt.

• Verspätet eingegangene Angebote wurden entgegen § 25 VOL/A in die Wertung einbezogen.

• Zuschlagskriterien nach § 9a VOL/A wurden im laufenden Vergabever-fahren geändert.

• Reduzierungen von Angeboten durch Nachverhandlungen auf den hal-ben Preis stellen einen eklatanten Verstoß gegen § 24 VOL/A dar. Ge-gen das Nachverhandlungsverbot verstößt es auch, wenn - wie in einem Fall - ein weiteres Angebot in das Vergabeverfahren einbezogen und mit diesem Anbieter verhandelt wird.

• Die Bestimmungen von § 26 VOL/A zur Aufhebung von Ausschreibun-gen wurden nicht hinreichend beachtet und zu weit ausgelegt. Teilwei-se gelangten die Einrichtungen über eine sofortige Aufhebung der Aus-schreibung schnell in Verhandlungsverfahren und damit zu einer frei-händigen Vergabe. In die Auswahl wurden dabei häufig genau die An-gebote aus der aufgehobenen Ausschreibung einbezogen. Dies zeigt, dass es einer Aufhebung der Ausschreibung nicht bedurft hätte.

• In 2 Fällen musste die Ausschreibung aufgehoben werden, weil die Finanzierung des Investitionsvolumens von vornherein nicht sicherge-stellt war. Die Projekte konnten in dieser Form nicht realisiert werden und hätten nicht ausgeschrieben werden dürfen (§ 16 VOL/A).

31.4 Dokumentation und Vergabevermerk

Die Dokumentation der Vergabeverfahren ist erheblich verbesserungsbe-dürftig. Eine chronologisch geführte Vergabeakte mit der Dokumentation z. B. über • die Auswahl der Vergabeart (§ 3 Nr. 5 VOL/A), • die Niederschrift über die Öffnung der Angebote (§ 22 Nr. 4 VOL/A) und • ggf. die Gründe der Aufhebung der Ausschreibung (§ 26 Nr. 3 VOL/A) existierte nur in Ansätzen.

344

Vergabevermerke nach § 30 VOL/A, die den Verlauf der Ausschrei-bungsverfahren und die Entscheidungen transparent machen und fortlau-fend geführt werden sollen, waren nicht immer vorhanden. In wenigen Fällen hatten die eingesetzten Sachverständigen Stufen der Vergabever-fahren für die Auswahl der IT-Software und ggf. Hardware dokumentiert. Sie entsprachen aber nicht den Anforderungen von § 30 VOL/A.

31.5 Kenntnisstand im Vergaberecht Die Prüfung hat gezeigt, dass die Einrichtungen nicht über hinreichende Kenntnisse des Vergaberechts verfügten. Der LRH empfiehlt dringend, dass die Einrichtungen, soweit sie dem Vergaberecht unterliegen, ihre Mitarbeiter schulen lassen und sich künftig an dem Vergabeleitfaden des Landes orientieren. Die Landesregierung sollte prüfen, ob eine Zentralisie-rung der Vergabe von Sachverständigenleistungen für alle Einrichtungen angezeigt ist. Das UK S-H weist in diesem Zusammenhang auf die vielfältigen Aktivitä-ten hin, die schon die ehemaligen Universitätsklinika Kiel und Lübeck in den vergangenen Jahren zur Einhaltung des Vergaberechts und zur Ver-besserung der Kenntnisse eingeleitet und umgesetzt haben. Das Finanzministerium hat mit der GMSH eine Vereinbarung mit dem Ziel getroffen, bei den eigenen künftigen Ausschreibungen ein reibungslo-ses Verfahren sicherzustellen. Ausschreibungen des Finanzministeriums sollen demnach grundsätzlich zentral durch die GMSH vorgenommen und durch diese im Verfahren begleitet werden. Auch andere Dienststellen und verselbstständigte Einrichtungen des Lan-des sollten nach Auffassung des LRH prüfen, inwieweit sie diesem Bei-spiel des Finanzministeriums folgen können. Mit einer derartigen Verein-barung können sowohl rechtlich einwandfreie als auch wirtschaftliche Ver-gaben sichergestellt werden.

31.6 Verantwortung der Einrichtungen beim Einsatz von Sachverständi-gen In einem Fall hat der Sachverständige die Kosten und die Gesamtwirt-schaftlichkeit eines Angebots fehlerhaft ermittelt mit der Folge, dass die Entscheidung nicht für den günstigsten Anbieter getroffen wurde. Bei sonst gleichen Bedingungen hätte die Entscheidung für ein anderes Angebot ausgesprochen werden müssen. Hinzu kam, dass gerade dieses Angebot durch den Sachverständigen nachträglich in die Angebotsauswertung hereingenommen wurde, nachdem es vorher schon im Rahmen der Be-

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wertung der Angebote ausgeschlossen war. Die Einrichtung hätte dies hin-terfragen und die Rechtmäßigkeit prüfen müssen. Der Einsatz von Sachverständigen entbindet die Einrichtungen nicht von der Pflicht, die Ergebnisse und Schlussfolgerungen des Beratungsunter-nehmens in Bezug auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

31.7 Anwendung der VOL in Unternehmen, an denen das Land mehrheit-lich beteiligt ist Obwohl § 16 Abs. 7 MFG (a. F.)1 die Träger der öffentlichen Verwaltung verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass juristische Personen des privaten Rechts, an denen sie beteiligt sind, die einschlägigen Vergaberechtsvor-schriften anwenden, hat das Finanzministerium dies bei der LEG unterlas-sen. Der LRH macht darauf aufmerksam, dass auch gem. § 3 Abs. 2 MFG (n. F.)2 alle öffentlichen Auftraggeber verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Gesellschafterrechte auf die Anwendung des Vergaberechts in Unterneh-men, an denen sie beteiligt sind, hinzuwirken. Er fordert die öffentlichen Auftraggeber auf, dieser Verpflichtung - soweit noch nicht geschehen - nachzukommen. Diese Aufforderung hat das Finanzministerium umgehend umgesetzt und alle Beteiligungsunternehmen des Landes gebeten, die Ausführungen des MFG zu beachten.

31.8 Anwendung des Vergaberechts im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Die Landesverwaltung ist gem. § 55 LHO verpflichtet, vor dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen eine öffentlichen Aus-schreibung durchzuführen. Anstalten des öffentlichen Rechts waren gem. § 16 Abs. 2 MFG (a. F.) und sind gem. § 3 Abs. 1 MFG (n. F.) zur Anwen-dung des Vergaberechts verpflichtet.

1 Mittelstandsförderungsgesetz vom 27.6.1977, GVOBl. Schl.-H. S. 192, zuletzt geändert

durch Landesverordnung vom 24.10.1996, GVOBl. Schl.-H. S. 652. 2 Gesetz zur Förderung des Mittelstandes (Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz -

MFG) vom 17.09.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 432

346

Für das UK S-H ist gem. § 126 Abs. 2 HSG1 festgelegt, dass weder § 55 LHO noch § 16 Abs. 2 MFG (a. F.) Anwendung finden. Damit entfallen für das UK S-H die Verpflichtung zur Ausschreibung von Lieferungen und Leistungen unterhalb des Schwellenwerts von 200 T€ und die Herstellung des Wettbewerbs unter den Lieferanten. Das UK S-H, einer der größten öffentlichen Auftraggeber in Schleswig-Holstein, kann damit alle Lieferungen und Leistungen unterhalb von 200 T€ freihändig auch ohne Einholung von Vergleichsangeboten vergeben und ist nicht mehr verpflichtet, über die öffentliche Ausschreibung die Wirtschaftlichkeit seiner Beschaffungen zu belegen. Es besteht die Gefahr unwirtschaftlicher Beschaffungen. Der LRH fordert Landesregierung und Parlament auf, die Ausnahmerege-lungen in § 126 HSG hinsichtlich § 55 LHO und § 16 Abs. 2 MFG a. F. zu streichen. Solange dies nicht geschehen ist, empfiehlt der LRH dringend, in jedem Fall bei Vergaben mit einem geschätzten Auftragswert von weni-ger als 200 T€ von den Möglichkeiten des Wettbewerbs als Preis- und Kostenregulativ Gebrauch zu machen.2 Das UK S-H weist darauf hin, dass es bei seinen Beschaffungen stets an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gebunden sei. Diesem Gebot folgend nehme das UK S-H Beschaffungen entsprechend der Vergabeordnung möglichst im Wege von förmlichen Vergabeverfahren vor. Im Einzelfall werde das UK S-H bei Aufträgen unterhalb des Schwellenwerts stets je-doch prüfen, ob Vergaben im Wege der freihändigen Vergabe wirtschaft-lich durchzuführen seien und die Gründe hierfür in einem Vergabevermerk dokumentieren. Das UK S-H werde auch in Zukunft Vergaben auf der Grundlage des Wettbewerbs durchführen und vor seinen Vergabeent-scheidungen stets die Angebote verschiedener Anbieter auswerten und vergleichen.

Der LRH sieht sich durch diese Ausführungen darin bestärkt, dass die in § 126 HSG enthaltene Sonderregelung für das UK S-H nicht notwendig ist. Die vom UK S-H angewandten wirtschaftlichen Verfahrensweisen sind im Rahmen des Vergaberechts - ohne zusätzlichen Aufwand - möglich.

1 Gesetz über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Hoch-

schulgesetz - HSG) i. d. F. d. Bekanntmachung vom 04.05.2000, GVOBl. Schl.-H. S. 416, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.12.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 668.

2 Vgl. Nr. 22 dieser Bemerkungen.

347

Rundfunkangelegenheiten

32. Förderung der technischen Infrastruktur für die terrestri-sche Versorgung des Landes durch die Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (ULR)

Die ULR hat seit 1997 rd. 1,9 Mio. € für die Förderung der techni-schen Infrastruktur für die terrestrische Versorgung des Landes - Schwerpunkt DAB1 - angespart und auch bis Ende 2003 noch nicht verausgabt. Ob DAB in Norddeutschland vollständig umgesetzt wird bzw. eine Marktakzeptanz erreicht, ist zumindest zweifelhaft. Deshalb ist eine zeitnahe Entscheidung über die zweckentsprechende Verwendung dieser Rundfunkgebührenmittel nunmehr erforder-lich. In Bezug auf die haushaltsmäßige Behandlung der Finanzmittel durch die ULR sieht der LRH die Voraussetzungen der LHO nicht immer als erfüllt an.

32.1 Allgemeines Der LRH hat im Rahmen der Haushalts- und Wirtschaftsführung der ULR die Förderung der technischen Infrastruktur für die terrestrische Versor-gung des Landes mit dem Schwerpunkt DAB in den Jahren 1997 bis 2002 geprüft. Im Hinblick auf die Entwicklung der rundfunkrechtlichen und politi-schen Rahmenbedingungen wurden die Unterlagen des Rundfunkreferats der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein in die Prüfung einbezo-gen. Nach dem Rundfunkstaatsvertrag2 i. V. m. dem Landesrundfunkgesetz3 ist die ULR berechtigt, bis zum 31.12.2010 einen Anteil an der ihr zufließen-den einheitlichen Rundfunkgebühr in Höhe von 2 % zur Finanzierung der Förderung von landesrechtlich gebotener technischer Infrastruktur zur Versorgung des Landes und zur Förderung von Projekten neuester Rund-funkübertragungstechniken zu verwenden.

1 DAB = Digital Audio Broadcasting. 2 § 40 Abs. 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) vom 12.12.1991, GVOBl. Schl.-H. S. 596, zu-

letzt geändert durch Gesetz vom 18.03.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 138. 3 § 73 Abs. 1 Nr. 3 Rundfunkgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesrundfunkge-

setz - LRG) vom 07.12.1995, GVOBl. Schl.-H. S. 422, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.03.2003, GVOBl. Schl.-H. S. 138.

348

Die ULR hat folgende Rücklagen für Infrastrukturfördermaßnahmen (§ 73 LRG) aufgebaut: Jahr Zuführungen Höhe der Rücklage T€ T€ Stand 31.12.1997 176 1998 102 278 1999 153 431 2000 183 614 2001 143 757 2002 170 927 2003 (Soll) 151 1.078 2004 (Soll) 50 1.128

Ende 2002 standen für Fördermaßnahmen eine Rücklage von 0,9 Mio. €, nicht verbrauchte Ausgabereste von 0,9 Mio. € sowie ein bereits an den NDR ausgezahlter zweckgebundener Betrag von 0,9 Mio. € (vgl. Tz. 32.3.1), insgesamt 2,7 Mio. €, zur Verfügung.

32.2 Entwicklung von DAB in Norddeutschland Mit der Einführung von UKW im Jahre 1949 wurde ein neues Rundfunk-übertragungssystem zur Beseitigung der mangelnden Ausstrahlungsmög-lichkeiten in der Bundesrepublik und zur Sicherstellung einer besseren Qualität für die Übertragung geschaffen. Durch die Verfügbarkeit eines Frequenzbereichs im Band II konnten die Anzahl der zu übertragenden Programme gesteigert, die Stereophonie eingeführt und eingeschränkt auch Zusatzinformationen (z. B. Radio Data System) angeboten werden. UKW gilt als technisch ausgereift. In den vergangenen Jahren ist das Fre-quenzspektrum jedoch immer intensiver genutzt und damit weitgehend ausgeschöpft worden. Auch die Übertragbarkeit einer größeren Menge von Zusatzdaten ist nicht möglich. Im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts (Eureka 147) wurde in den Jahren 1987 bis 1994 ein digitales terrestrisches Hörfunksystem (DAB) entwickelt. Die Verbreitung erfolgt über Gleichwellennetze mit der Folge, dass alle Sender innerhalb eines Netzes auf der gleichen Frequenz betrieben werden. DAB soll eine bessere Nutzung der knappen Sendefre-quenzen ermöglichen und mittelfristig den derzeitigen UKW-Hörfunk ablö-sen. Hierfür hat die Bundesregierung durch § 8 Abs. 3 der Frequenzzutei-lungsverordnung1 geregelt, dass Frequenzzuteilungen für den UKW-Hör-funk bis spätestens 2015 widerrufen werden sollen.

1 Frequenzzuteilungsverordnung vom 26.04.2001, BGBl. I S. 829.

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Der Ausbau der DAB-Versorgung in Deutschland hat sich sehr unter-schiedlich entwickelt1: Bundesland 2002 Fläche Einwohner km² in % in Tsd. Baden-Württemberg 20.959 59 5.832 Bayern 64.204 91 9.960 Berlin 884 100 3.418 Brandenburg 25.119 86 2.229 Bremen 0 Hamburg 0 Hessen 16.000 76 4.600 Mecklenburg-Vorpommern 0 Niedersachsen 12.048 25 3.018 Nordrhein-Westfalen 27.800 82 16.200 Rheinland-Pfalz 7.200 36 2.937 Saarland 2.361 92 1.035 Sachsen 14.428 79 3.831 Sachsen-Anhalt 18.345 90 2.501 Schleswig-Holstein 0 Thüringen 14.352 88 2.127 Deutschland 223.700 63 57.688

Auffällig ist, dass von den norddeutschen Bundesländern zu diesem Zeit-punkt nur Niedersachsen einen wenn auch geringen Ausbaustand auf-weist. Dies lag im Wesentlichen an dem nachfolgend dargestellten Stufen-plan, auf den sich die Regierungschefs der norddeutschen Bundesländer im September 1999 verständigt hatten: Stufe Ausbau Jahr Versorgung

(Bevölkerung) 1 Großraum Hannover zur

EXPO 2000 2000 22 %

2 Landeshauptstädte in den Ländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bremen

2001 46 %

3

Verkehrsachsen, Autobahnen 2002 68 %

4 Flächenversorgung 2003 bis

2006

82 % bis 100 %

1 Quelle: Sachstandsbericht der Initiative Digitaler Rundfunk vom 14.06.2002. Kontakt:

Bayerischer Rundfunk, Hauptabteilung Technische Planung und Beschaffung.

350

Vor Übergang von einer Stufe in die nächste sollte eine Evaluierung erfol-gen, in der insbesondere die Akzeptanz von DAB und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen waren. Im Jahr 2003 sind in Schwerin, Hamburg und Kiel DAB-Sendeanlagen aufgeschaltet worden, die jedoch bisher nur eingeschränkt von NDR und DLR1 genutzt werden. Die zweite Stufe ist bislang noch nicht voll umgesetzt worden. Im Sommer 2000 ist die DAB-Sendenetzbetreibergesellschaft DRN2 mit einer Beteiligung des NDR (43 %), der Telekom (45 %), des DLR (5 %) und Radio Bremen (2 %) gegründet worden. Die verbleibenden 5 % sind für eine Holding der privaten Hörfunkanbieter3 reserviert. Der DRN sind im März 2002 durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die Frequenzen für DAB in den Ländern Bremen, Hamburg, Meck-lenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zugeteilt worden. Im Februar 2003 haben NDR, DLR und ULR eine Vereinbarung über die Nutzung der Übertragungskapazitäten (3 NDR, 2 DLR, 2 ULR) bis zum 31.12.2007 ab-geschlossen. Im Mai 2003 hat dann die ULR eine Ausschreibung 2 priva-ter Rundfunkvollprogramme auf Basis einer landesweiten terrestrischen Verbreitung von DAB durchgeführt. Diese restriktive Entwicklung von DAB in Norddeutschland unterscheidet sich grundlegend von der bundesweiten. Sie basiert nach Einschätzung des LRH zum einen auf der Erkenntnis, dass die wesentlichen Vorteile von DAB, nämlich die gute Empfangsqualität, die effiziente Nutzung der Fre-quenzressourcen (Zusatzinformationsdienste) und mittelfristig preiswertere Nutzung der Rundfunknetze, die Nachteile, nämlich die hohen Kosten für die Verbraucher (neue Geräte) und für die Rundfunkbetreiber (Parallelbe-trieb von analoger und digitaler Technik) nicht überwiegen. Eine durchgän-gige Akzeptanz fehlt bisher, insbesondere ist ein Mehrwert für die Rund-funkhörer nicht erkennbar. So gehen optimistische Schätzungen davon aus, dass bundesweit bislang rd. 80.000 DAB-Radiogeräte verkauft wor-den sind gegenüber deutlich mehr als 250 Mio. vorhandener UKW-Emp-fänger. Die gleiche Entwicklung ist auch in vielen europäischen Ländern zu beobachten. Zum anderen ist die bundesweite unterschiedliche Entwicklung auch auf die Förderpraxis zurückzuführen. Der Bayerische Oberste Rechnungshof4 hat festgestellt, dass für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Ein-führung des DAB-Systems in Deutschland von der EU und vom Bund För-

1 DeutschlandRadio. 2 Digital Radio Nord GmbH. 3 Digital Nord Private Hörfunkanbieter GmbH (DINO). 4 Jahresbericht des ORH 2002, Tz. 45.

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dermittel von insgesamt 72 Mio. € eingesetzt worden sind. Darüber hinaus wurden seit 1995 in 9 Bundesländern Pilotprojekte von über 70 Mio. € mit-finanziert. Auch die Landesmedienanstalten der Bundesländer haben weitgehend private Rundfunkveranstalter bei der Umstellung auf DAB gefördert. Der ARD standen weitere 130 Mio. € zum Sendenetzaufbau zur Verfügung. In Schleswig-Holstein wurden bisher keine Fördermittel für DAB seitens des Landes und der ULR eingesetzt. Die örtlichen Erhebungen des LRH haben ergeben, dass die Beteiligten durchweg eine distanzierte Haltung gegenüber der erwarteten Entwicklung von DAB eingenommen haben. Das gilt für die ULR, die privaten Rund-funkbetreiber sowie den NDR. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ausweislich von Pressemit-teilungen einige private Rundfunkveranstalter in Deutschland ihre DAB-Lizenzen bereits zurückgegeben haben. Eine mittelfristige vollständige Umsetzung und Markteinführung von DAB ist in Norddeutschland wegen mangelnder Akzeptanz derzeit nicht er-kennbar und zumindest zweifelhaft. Der LRH hält deshalb eine zeitnahe Entscheidung über die Verwendung der Mittel für erforderlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass - wie nachfolgend dargestellt - die Mittelbindung haushaltsrechtlich problematisch ist. Nach seiner Auffas-sung sind die Rundfunkgebührenmittel - wie in § 73 LRG vorgesehen - an den NDR für die Filmförderung in Schleswig-Holstein auszukehren.

32.3 Würdigung der haushaltsrechtlichen Behandlung der Fördermittel

32.3.1 Rückzahlungsbetrag aus Telekom-Förderung Die ULR hat in den Jahren 1988 bis 1991 die technische Infrastruktur zur vollständigen und gleichwertigen terrestrischen Versorgung des Landes mit rd. 5,9 Mio. € gefördert. Grundlage war eine Verwaltungsvereinbarung mit der Telekom (vormals Deutsche Bundespost). Aufgrund eines 1997 vorgelegten Verwendungsnachweises zahlte die Telekom 1997 1,7 Mio. € Fördermittel zurück. Einschl. des von der ULR bereitgestellten, aber nicht an die Telekom ausgezahlten Betrags von 115 T€ standen der ULR 1,8 Mio. € zur Verfügung (Restmittel). Im Rahmen seiner Prüfung der ULR in 19971 und in dem daran anschlie-ßenden Schriftverkehr hatte der LRH bereits geltend gemacht, dass die Restmittel als Überschüsse der Vorjahre nach den jeweils gültigen Vor-

1 Vgl. Bemerkungen 1997 des LRH, Nr. 32.

352

schriften des LRG dem NDR in voller Höhe zustehen würden und von ihm nach den gesetzlichen Vorgaben für die Filmförderung und/oder zur För-derung regionaler Büros in Schleswig-Holstein hätten eingesetzt werden müssen. Der NDR hat sich der Auffassung des LRH angeschlossen. Die ULR hält daran fest, dass die Restmittel außerordentliche Einnahmen des Jahres 1997 und in diesem Jahr zu veranschlagen seien. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen ULR und NDR mündeten in einem am 12./17.02.1998 abgeschlossenen Vergleich. Danach erhält der NDR grundsätzlich die gesamten Restmittel zum Aufbau und Betrieb eines flächendeckenden DAB-Netzes in Schleswig-Holstein und verpflichtet sich, 30 % der Übertragungskapazitäten privaten Hörfunkveranstaltern zu einem Entgelt zur Verfügung zu stellen, das um die Hälfte der Restmittel reduziert wird. Dabei gingen die Vertragsparteien davon aus, dass die Voraussetzungen zur Einführung des DAB-Regelbetriebs in Schleswig-Holstein im Laufe des Jahres 1998 geschaffen werden können. Sofern dies nicht bis zum 30.09.1998 geschehen sein sollte, wollten die Parteien sich über eine an-derweitige Vereinbarung mit dem gleichen Ziel verständigen. Die ULR hat die Hälfte der Restmittel vertragsgemäß im März 1998 gezahlt. Da bis heute die vorgesehenen Voraussetzungen für den DAB-Betrieb nicht hergestellt worden sind, musste der Vergleich mehrfach verlängert bzw. unter veränderten Bedingungen erneuert werden. Der LRH hält die vorzeitige Zahlung eines Teilbetrags an den NDR, ohne dass konkrete Vorhaben erkennbar waren, nicht für zulässig. Nach VV Nr. 7.2 zu § 44 LHO dürfen Zuwendungen nur insoweit und nicht eher be-zahlt werden, als sie voraussichtlich innerhalb von 2 Monaten nach Aus-zahlung für fällige Zahlungen im Rahmen des Zuwendungszwecks benö-tigt werden. In Bezug auf die gebildeten Ausgabereste haben die Voraus-setzungen des § 19 Abs. 1 LHO i. V. m. § 45 Abs. 2 bis 4 LHO nach Auf-fassung des LRH nicht vorgelegen. So muss z. B. bis zum Ablauf des Jah-res eine bindende rechtliche Verpflichtung vorliegen, diese war wegen des fehlenden Vertrags (1997) bzw. wegen Ablaufs der vertraglichen Fristen nicht gegeben. Nach § 64 Abs. 3 LRG (a. F.)1 darf die ULR nur für besondere mittelfristige Projekte oder Investitionen Rücklagen bilden, so weit dies für die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist. Die jährliche Zuführung auf Rück-lagen darf insgesamt 5 % der jährlichen Einnahmen nach § 65 Abs. 1

1 Seit 1999: § 60 Abs. 3 LRG.

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LRG (a. F.)1 nicht übersteigen. Grund, Anwendungshöhe und -zeitraum jeder Rücklage sind im Haushaltsplan darzulegen. Die Begründung des Gesetzes fordert konkrete Projekte und Investitionsvorhaben, die jedoch bis heute nicht vorliegen. Auch der ursprünglich von der ULR festgelegte mittelfristige Zeitraum von 4 Jahren ist bereits verstrichen. Um „Juliustür-me“ zu vermeiden, empfiehlt der LRH, im LRG eine befristete Rücklagen-bildung vorzusehen. Die ULR wendet hierzu in ihrer Stellungnahme vom 09.01.2004 ein, dass es sich bei den zurückgezahlten Mitteln um außerordentliche Einnahmen 1997 handele. Dies sei gutachterlich gestützt. Weiterhin seien die Tatbe-standsmerkmale der §§ 23, 44 LHO nicht erfüllt, da die Zahlung an den NDR auf der Grundlage eines Vergleichs geleistet worden sei. Außerdem habe sie einem vom NDR paraphierten Vergleichstext bereits per FAX am 30.12.1997 bindend zugestimmt. Darauf, dass der NDR dieses Angebot erst Anfang 1998 angenommen habe, komme es ebenso wenig an, wie auf die Feststellung des LRH, dass der NDR keine finanziellen Dispositio-nen getroffen habe. Weiterhin macht die ULR geltend, dass die aus dem Vergleich eingegan-gene Verpflichtung nicht durch Zeitablauf im September 1998 erloschen sei. Die Parteien seien sich einig gewesen, dass die Mittel auf jeden Fall bis zur endgültigen Verwendung gebunden sein sollten. Die Staatskanzlei hat eingewandt, dass sich eine vom LRH gewünschte Befristung der Rücklagenbildung (31.12.2010) bereits aus § 73 Abs. 1 LRG ergäbe. Der LRH bleibt bei seiner Auffassung. 1997 hätte bereits kein Nachtrags-haushalt erstellt werden dürfen, da zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass Ausgaben nicht mehr geleistet und damit Ausgabereste nicht gebildet werden konnten. Auch bei anderer Auffassung waren Ausgabereste nicht zulässig, weil die Fristen des § 45 LHO nicht eingehalten werden konnten. Rücklagen können nicht gebildet werden, weil es an der Konkretisierung der Vorhaben mangelt. Auch ergibt sich aus der gesetzlichen Befristung der Technikförderung nach § 73 Abs. 1 LRG - entgegen der Behauptung der Staatskanzlei - keine Befristung für die Rücklagenbildung nach § 60 Abs. 3 LRG2.

1 Seit 1999: § 61 Abs. 1 LRG. 2 § 64 Abs. 3 LRG a. F.

354

33. Norddeutscher Rundfunk

33.1 Allgemeines Nach § 34 des Staatsvertrags über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) prüfen die Rechnungshöfe von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersach-sen, Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg die Wirtschaftsführung des NDR gemeinsam. Grundlage für die Durchführung der gemeinsamen Prüfung ist eine Rahmenvereinbarung über die Finanz-kontrolle zwischen den Rechnungshöfen vom 12.05.1981. Ab 01.01.2003 hat der LRH Schleswig-Holstein turnusgemäß für 2 Jahre die Federfüh-rung für die Prüfungen übernommen. Im Übrigen sind die Vorschriften der Landeshaushaltsordnungen der Län-der über Unternehmen in der Rechtsform einer landesunmittelbaren juristi-schen Person des öffentlichen Rechts in der jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden.

33.2 Laufende Prüfungen

33.2.1 Landesfunkhäuser Unter der Federführung des LRH Niedersachsen sind die Landesfunkhäu-ser des NDR geprüft worden. Das Ergebnis ist unter der Überschrift „Wei-tere Einsparpotenziale bei den Landesfunkhäusern des Norddeutschen Rundfunks“ im Jahresbericht des LRH Niedersachsen1 veröffentlicht wor-den.

33.2.2 Prüfung der Betätigung des NDR als Gesellschafter2 Ab 02.07.2003 wird unter der Federführung des LRH Schleswig-Holstein die Betätigung des NDR als Gesellschafter geprüft. Schwerpunkt der Prüfung ist festzustellen, ob der NDR die organisatori-schen Voraussetzungen für eine effektive Beteiligungsverwaltung geschaf-fen hat und wie sie inhaltlich wahrgenommen worden ist.

1 Jahresbericht 2003, Nr. 37, S. 133 (www.lrh.niedersachsen.de). 2 Vgl. Bemerkungen 2002 des LRH, Nr. 40, Bemerkungen 2003 des LRH, Nr. 36.

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Ziel ist es, das Prüfungsergebnis - nach Abstimmung mit allen Beteiligten - in den Bemerkungen 2005 des LRH Schleswig-Holstein zu veröffentlichen.

Kiel, 30. März 2004

Landesrechnungshof Schleswig-Holstein

Klaus Qualen Dr. Ulrich Eggeling Claus Asmussen Dieter Pätschke