17
Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen Author(s): Heinz Haller Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 46, H. 2 (1988), pp. 236-251 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40912171 . Accessed: 16/06/2014 19:09 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-AnalysenAuthor(s): Heinz HallerSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 46, H. 2 (1988), pp. 236-251Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40912171 .

Accessed: 16/06/2014 19:09

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toFinanzArchiv / Public Finance Analysis.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 2: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxation- und Excess Burden-Analysen

von

Heinz Haller

1. Zur Freizeitabhängigkeitsregel

Die vermutlich wichtigste steuerpolitische Maxime, zu der die mit ma- thematischen Mitteln operierende Theorie der optimalen Besteuerung („optimal taxation", im weiteren mit O. T. bezeichnet) im Rahmen des Untersuchungsfeldes „optimal commodity taxation" gelangt ist, ist die sog. Freizeitabhängigkeitsregel. Sie lautet in der Formulierung von Krause- Junk/von Oehsen1 : „Einheitliche Steuersätze sind für je zwei beliebige freizeit neutrale Güter optimal. Von je zwei beliebigen freizeitabhängigen Gütern ist das freizeitkomplementäre relativ stärker zu besteuern." Frei- zeitneutral sind dabei solche Güter, deren Konsum (Nachfrage) unabhän- gig von der Länge der Freizeit (Arbeitszeit) ist, freizeitkomplementär sol- che, die mit zunehmender Freizeit relativ vermehrt nachgefragt werden. Die Freizeitabhängigkeit kann andererseits so beschaffen sein, daß die Nachfrage mit zunehmender Freizeit (absolut und relativ) abnimmt. Die Güter werden dann freizeitsubstitutional genannt und sind entsprechend geringer zu besteuern.

Auf die mathematische Ableitung der genannten Regel, die mit Hilfe der mathematischen Instrumente zur Bestimmung von Maxima unter Neben- bedingungen (Verwendung der Multiplikatorregel von Lagrange) erfolgt, soll hier verzichtet werden. Es ist möglich, für den in den mathematischen Ableitungen verwendeten einfachen Demonstrationsfall die Regel mit Hilfe einer Graphik einsehbar zu machen. Es wird ein „repräsentativer" Haus- halt betrachtet, der mit seinem Einkommen die beiden Konsumgüter x' und x2 kauft (Sparquote Null). In der „Produktionsabteilung" werden diese Güter ausschließlich mit Arbeit des Haushalts hergestellt, und zwar mit vorgegebenen Arbeitsmengen je Gutseinheit und damit durch den Lohnsatz

1 G. Krause-Junk und J. H. von Oehsen: Besteuerung, optimale, in: W. Albers u. a. (Hrsg.): Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Bd. 9, Stuttgart - Tübingen - Göttingen 1982, S.713.

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 3: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu Optimal Taxation- und Excess Bur den- Analysen 237

bestimmten Preisen. Der Staat belastet die beiden Güter mit einem Steuer- zuschlag und will damit einen unabhängig von der Produktionshöhe festge- legten Steuerbetrag (realen Güter korb) abzweigen. Die Länge der Arbeits- zeit und entsprechend die Höhe der Produktion kann der Haushalt selbst bestimmen. Je nachdem, ob der Staat für die beiden Konsumgüter von vornherein einen gleichen Steuersatz festlegt und beibehält (1) oder zwar beide Güter gleich belastet, aber unterschiedlich hohe Steuersätze „anbie- tet", den Haushalt also einen davon wählen läßt (2), oder schließlich eine derartige Differenzierung vornimmt, daß das „freizeitkomplementäre" Gut (etwa jci) höher belastet und das „freizeitsubstitutionale" Gut (x2) entspre- chend niedriger besteuert wird (3), werden die Reaktion des Haushalts und die sich ergebende „Bedürfnisbefriedigungsposition" unterschiedlich sein.

Abbildung 1

xi[

T

C V' P G Ä JT In der Abb. 1, die ähnlich auch von Oehsen verwendet2, sind die drei

Fälle dargestellt. Auf der horizontalen Achse des Koordinatensystems ist die Freizeit abgetragen, auf der vertikalen das Gesamtprodukt x, also die

2 Siehe J. H. von Oehsen: Optimale Besteuerung, Optimal Taxation, Frankfurt/M - Bern 1982, S.25.

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 4: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

238 Heinz Haller

Mengen x' und x2 zusammengefaßt, wobei kein festes Mengenverhältnis, wohl aber eine lineare Transformationsfunktion unterstellt ist. Die Gerade TR ist die Transformationsgerade zwischen Freizeit und Produkt. Parallel zu ihr ist die Gerade BG eingetragen. Sie grenzt den privat verfügbaren Teil des Produkts ab. Der dem Staat zufallende Teil (Steuerbetrag real) ist bei jeder Produktionshöhe durch die Strecke BT gegeben.

Fall 1 : Vorgegebener gleicher Steuersatz für x' und x2. Dem Haushalt ist hier die Arbeits-(Frei-)zeit praktisch vorgeschrieben. Nur beim Punkt TV mit der Arbeitszeit RN" ergibt sich der vom Staat beanspruchte Steuerbe- trag. Bei weniger Arbeit (und Produktion) wäre er zu gering, bei mehr Arbeit zu hoch. Der vorgegebene (normierte) Steuersatz TBN/BN0 bringt nur bei der Arbeitsmenge RIST den gewünschten Steuerertrag TB. Würde der Haushalt weniger arbeiten und produzieren, so müßte der Steuersatz erhöht werden (flacherer Verlauf der Geraden BNR) ; würde er mehr arbei- ten und produzieren, so müßte der Steuersatz gesenkt werden (steilerer Verlauf der Geraden BNR), wenn der Steuerertrag TB erzielt werden soll. Da die Entscheidung des Haushalts über die Arbeitszeit (Produktion) und Freizeit frei ist, weiß der Staat nicht, wie der Haushalt auf ein bestimmtes Belastungsniveau reagiert. Es bleibt ihm also nichts anderes übrig, als sich an den Steuersatz, der die gewünschten Einnahmen bringt, heranzutasten. Der Punkt N, durch den eine Indifferenzlinie /8 gezogen ist, die ein Bedürf- nisbefriedigungsniveau des Haushalts mit dem Index 8 anzeigt, ist also unrealistisch und damit der ganze Fall 1 . Dem Haushalt kann ein bestimm- tes Arbeits-(Produktions-)volumen nicht über eine vorgegebene Steuerbela- stung zudiktiert werden. Nur wenn der Staat verschiedene Steuersätze aus- probiert, kann er den gewünschten Steuerertrag erzielen. Bei welchem Arbeits-(Produktions-)volumen das Ergebnis zustandekommt, bestimmt der Haushalt. Damit ist überzugehen zu Fall 2.

Fall 2: Gleicher Steuersatz für x' und x2, dessen Höhe jedoch nicht vorgegeben, sondern so variiert wird, daß der gewünschte Steuerertrag (TB) resultiert. Wie reagiert hier der Haushalt? Er strebt den Punkt an, bei dem die durch die Krümmung der Indifferenzlinie, die das Bedürfnisbefriedi- gungsniveau anzeigt, ausgedrückte Substitutionsrate zwischen Freizeit und Produktion (Konsum) der Transformationsrate zwischen Freizeit und Pro- duktion gleich ist. Diese Transformationsrate wird wiedergegeben durch die Steigung der Geraden BVR. Der Punkt V ist der Berührungspunkt zwischen Indifferenzlinie und Transformationsgeraden bei Besteuerung BVR. Wird dieser Punkt realisiert, so ergeben sich die Arbeits-(Pro- duktions-)zeit RV und der dem Haushalt verbleibende Konsum in Höhe von VV' Gleichzeitig ist der Steuerertrag für den Staat in der gewünschten Höhe gegeben. Die durch F gezogene, BVR berührende Indifferenzlinie hat den Index 9, liegt also auf höherem Niveau als die durch N gezeichnete

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 5: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu Optimal Taxation- und Excess Bur den- Analysen 239

Linie. Der Haushalt hat sich bei variablem Steuersatz optimal an die gege- benen Bedingungen (vorgegebener Steuerertrag, gleichmäßige Belastung der beiden Güter jq und x2) angepaßt.

Fall 3 : Unterstellen wir, der Staat habe bisher eine einheitliche Belastung von x' und x2 so vorgenommen, daß Punkt V realisiert worden ist. Wenn er nun dazu übergeht, die Belastung des Gutes x', das freizeitkomplementär sein soll, so zu erhöhen und diejenige des Gutes x2, das freizeitsubstitutio- nal sein soll, so zu senken, daß der Gesamtsteuerertrag in V unverändert bleibt, so veranlaßt er den Haushalt zu einer neuerlichen Anpassung, von der mit Sicherheit gesagt werden kann, daß sie zu einem „Gleichgewichts- punkt" führt, der links von V, also im Bereich vermehrter Arbeit (und Produktion) liegt. Durch verminderte Nachfrage nach dem höher belaste- ten freizeitkomplementären Gut und vermehrte Nachfrage nach dem gerin- ger belasteten freizeitsubstitutionalen (man könnte wohl auch sagen: ar- beitskomplementären) Gut reduziert der Haushalt die Steuerbelastung des Konsums, und zwar im günstigsten Fall so stark, daß trotz höherem Kon- sum der Gesamtbetrag der zu entrichtenden Steuer unverändert bleibt. Das bedeutet aber, daß der Haushalt sich bei seiner Reaktion auf der Geraden BG nach links oben bewegt. Gelingt es ihm, auf Grund der Differenzie- rung die Steuerbelastung so zu senken, daß im ganzen kein höherer Steuer- betrag zu entrichten ist, so erreicht der Haushalt den Punkt C, in dem eine Indifferenzlinie seiner Bedürfnisbefriedigung die Gerade BG berührt (Indif- ferenzlinie mit Index 10). Dies ist für ihn unter den neuen Bedingungen die Position mit höchstem Bedürfnisbefriedigungsniveau. Auf dem Weg dahin bestimmt der Haushalt die Steuerbelastung selbst durch Änderung seines Güterkorbs. Trotz gleichem Gesamtsteuerbetrag nimmt die relative Bela- stung ab. Was mehr an Steuern zu zahlen ist infolge Erhöhung von Produk- tion und Konsum, wird wieder eingespart durch Verschiebung innerhalb des Güterkorbs (weniger x', mehr x2). Wenn eine Reaktion entlang der Geraden BG gelingt, so bedeutet dies, daß Gleichheit von Substitutionsrate und steuerlich nicht beeinträchtigter, also produktionsbedingter Transfor- mationsrate besteht. Man kann auch sagen, die differenzierte Besteuerung wirkt so, wie wenn die Freizeit gleich stark belastet würde wie das Produkt. Die Abstimmung zwischen Arbeit (Produktion) und Freizeit wird dann durch die Steuer nicht verzerrt : Der Grenznutzen der letzten Freizeiteinheit ist gleich dem Grenznutzen der letzten „Güterpaket- Einheit". Der Haus- halt befindet sich in der günstigsten erreichbaren Position.

Was mit einer Besteuerung des Lohneinkommens nicht gelingen kann, sofern nicht für die (überdurchschnittliche) Freizeit ein fiktives Lohnein- kommen angesetzt wird, kann mit Hilfe der Steuersatzdifferenzierung für freizeitkomplementäre und freizeitsubstitutionale Güter erreicht werden. Dies ist ein durchaus interessantes Ergebnis der O. T.-Analyse. Selbst wenn

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 6: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

240 Heinz Haller

der Punkt C nicht ganz erreicht wird, sondern nur ein Punkt weiter rechts (zwischen V und C) auf der Geraden BG, weil die Differenzierung nicht ausreicht, ist eine Verbesserung der Haushaltsposition gegeben. Tendenziell ist jedenfalls die Differenzierung das geeignete Instrument.

Soweit, so gut. Nun tauchen aber sofort zwei Fragen auf. Die erste Frage lautet : Gibt es in der Realität typisch freizeitkomplementäre Güter, die mit zunehmender Arbeitszeit uninteressant und daher zurückgedrängt werden, und wenn ja : Sind diese Güter für alle Haushalte (einigermaßen) gleich beschaffen? Sobald verallgemeinert wird, muß ja eine Vielzahl von Haus- halten in Betracht gezogen werden. Die zweite Frage ist zu stellen bezüglich der freien Wahl der Arbeitszeit.

Geht man der ersten Frage nach, so tauchen unweigerlich erhebliche Zweifel auf. Obwohl es manche Freizeit- Artikel wie etwa „Freizeithemden" gibt, ist damit noch keineswegs gesagt, daß eine sinnvolle Klassifizierung in freizeitkomplementäre und freizeitsubstitutionale Güter, die auch noch eine gewisse allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann, gelingt. Man benö- tigt zum Konsum mancher Güter unzweifelhaft Freizeit, so etwa zum Lesen eines schöngeistigen Buches oder zum Erlernen eines Musikinstruments. Andererseits kann man aber die Freizeit völlig „bedürfnislos" verbringen, z. B. indem man durch die Natur wandert oder den Chorgesang pflegt. Für verschiedene Individuen sind die Präferenzen hier äußerst unterschiedlich. Sieht man dauerhafte Konsumgüter wie Fernsehgeräte, Stereo-Anlagen u. ä. als typische Freizeitgüter an, so kommt man auch nicht viel weiter. Genutzt und daher gewünscht werden sie ja auch bei beschränkter Freizeit. Man mag vielleicht sogar sagen : Je weniger Freizeit, umso mehr möchte man diese Güter zur Verfügung haben, um sie intensiv zu nutzen und möglichst viel von der knappen Freizeit zu profitieren.

Zur zweiten Frage ist zu sagen, daß die freie Wahl der Arbeitszeit eher den Ausnahmefall darstellt. Die Arbeitnehmer sind im allgemeinen an be- triebliche Arbeitszeiten gebunden und haben eine Entscheidungsmöglich- keit im wesentlichen nur für eventuelle Überstunden. Nur kleine Selbstän- dige, die zahlenmäßig von viel geringerer Bedeutung sind, haben einen „Anpassungsspielraum". Der Hauptfall, in dem eine geringe Arbeitszeit, ja u. U. eine solche von Null gegeben ist, tritt in dem in der Analyse zugrunde- gelegten Modell gar nicht in Erscheinung, der Fall nämlich, in dem ein so großes Vermögenseinkommen gegeben ist, daß man auf Arbeit und Lohn- einkommen verzichten kann.

Natürlich ist es unbefriedigend, wenn in den Fällen verminderter Ar- beitszeit oder zusätzlicher Freizeit (unterstellt man eine Normalarbeitszeit, so kann man die sich dabei ergebende Freizeit als steuerlich irrelevant, da jedem zustehend, betrachten) trotz Überwiegens des „Freizeitnutzens" über den „Arbeitsnutzen" der steuerliche Zugriff fehlt, weil man nicht mit fikti-

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 7: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu Optimal Taxation- und Excess Burden- Analysen 241

ven Einkommen operieren möchte3. Eine Ersatzbesteuerung durch Höher- belastung der freizeitkomplementären Güter ist zwar eine interessante Idee, doch dürfte jeder Steuerpolitiker davor zurückschrecken, eine Differenzie- rung unter dem Gesichtspunkt der Freizeitabhängigkeit vorzunehmen. Das Ergebnis der O. T. -Analyse kann kaum in der Realität ausgewertet werden.

2. Zur Inverse-Elastizitäten-Regel

Eine andere wichtige O. T.-Besteuerungsregel ist die sog. Inverse- Elastizitäten-Regel. Sie lautet in der Version von Krause-Junk/von Oeh- sen4: „Der relative Steueraufschlag auf ein Gut muß der (direkten) Preis- elastizität der Nachfrage nach diesem Gut invers sein. Je weniger elastisch die Nachfrage nach einem Gut auf direkte Preisänderungen reagiert, desto stärker ist dieses Gut zu besteuern." Die Regel ist nur gültig, wenn die Kreuzpreiselastizitäten vernachlässigbar gering, also praktisch Null sind. Von Oehsen hat nun gezeigt, daß diese Bedingung nicht vereinbar ist mit einer fixen Arbeitszeit (und Produktmenge)5. Läge eine solche vor, so müß- ten bei einer Kreuzpreiselastizität von Null die (direkten) Preiselastizitäten für alle Güter dem absoluten Betrag nach gleich 1 sein, d. h. die Nachfrage- mengen müßten in gleichem Maße zurückgehen (steigen) wie der Preis steigt (fällt), m. a. W. die „Ausgabensummen" für die einzelnen Güter müß- ten stets gleich bleiben. Unterschiedliche (direkte) Preiselastizitäten können nur auftreten, wenn die Arbeitszeit (und damit die Produktion) variabel ist, so daß bei einer über 1 liegenden Preiselastizität, die eine Verringerung der „Ausgabensumme" bei Preiserhöhung impliziert, die Arbeitszeit und das Produkt (Einkommen) sich so verändern, daß die Nachfrage nach den übrigen Gütern nicht tangiert wird, d. h. in diesem Fall muß die Arbeitszeit und entsprechend die Produktion geringer sein. Und bei einer Preiselastizi- tät von weniger als 1 , also bei steigender Ausgabensumme für das betreffen- de Gut, muß die Produktion (Arbeitszeit) so ausgeweitet werden, daß bei den übrigen Gütern keine verringerte Nachfrage auftritt.

Wird nun ein Gut mit einer (direkten) Preiselastizität von absolut kleiner als 1 mit der Steuer belastet, so bedeutet dies angesichts der entsprechend höheren dafür aufgewendeten Ausgabensumme, daß die Arbeitszeit und die Produktion ausgedehnt werden müssen, damit die Nachfrage nach den

3 Siehe zu diesem Problem H. Haller: Die Steuern. Grundlinien eines rationalen Systems öffentlicher Abgaben, 3. Aufl., Tübingen 1981, S.47ff., gleiche Ausführungen schon in der 1. Aufl. von 1964.

4 G. Krause-Junk und J.H. von Oehsen: Besteuerung, optimale, a.a.O., S.712. 5 J.H. von Oehsen: Optimale Besteuerung, Optimal Taxation, a.a.O., S.98.

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 8: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

242 Heinz Haller

übrigen Gütern auf dem bisherigen Stand gehalten werden kann, die Kreuz- preiselastizität also Null ist. Steigen die Arbeitszeit und die Produktion, so wird das verteuerte Gut allmählich zurückgedrängt. Es handelt sich bei einem solchen Gut offenbar um ein freizeitkomplementäres Gut, dessen „Gewicht" bei der expansiven Einkommensanpassung abnimmt, bei einer Einkommensreduktion, die annahmegemäß jedoch gar nicht eintreten kann, zunehmen würde. Ein Gut, dessen Preiselastizität über eins liegt, stellt dann ein freizeitsubstitutionales Gut dar: Sein Gewicht nimmt bei verringertem Einkommen ab. Gäbe es ein Gut mit einer Preiselastizität von Null, so würde jede steuerliche Belastung dieses Gutes zur Nachfragever- minderung bei den übrigen Gütern führen, die durch vermehrte Arbeit und Produktion auszugleichen wäre, wenn die Kreuzpreiselastizität Null sein soll.

In Abb. 2 ist zunächst der (rein theoretische) Extremfall dargestellt, in dem von zwei betrachteten Gütern jq und x2 das Gut jq eine Preiselastizität von Null aufweist. In der Graphik, in der vom Nullpunkt aus in waagrech- ter Richtung die jeweils erzeugten Mengen von xh in der senkrechten Rich- tung diejenigen von x2 abgetragen sind, soll die Gerade T'Ri die Transfor- mationsgerade bei einer bestimmten Arbeits-(Produktions-)menge mit den alternativen Produktkombinationen von xi und x2 darstellen. Im Aus- gangspunkt A (vor der Besteuerung) ist die realisierte Kombination gege- ben.

Abbildung 2

*2M

G' G R1 R2 Xl

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 9: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu Optimal Taxation- und Excess Bur den- Analysen 243

Es werde nun ein Steuerbetrag von TXB = AM = R'G mit Hilfe einer indirekten Steuer erhoben. Wird nur x2 belastet, so ergibt sich die Transfor- mationsgerade nach Steuer B'Rh und es kommt zu einer ausschließlichen Verminderung von x2. Für x2 beträgt die Preiselastizität (absolut) eins, da die Ausgabensumme konstant ist angesichts der unveränderten Menge und Ausgabensumme bei x'. Das neue Gleichgewicht liegt bei M mit um AM verminderter Menge von x2.

Wird ausschließlich jq besteuert, so ist TXG" die Transformationsgerade nach Steuer. Wiederum bleibt xx auf Grund unserer Annahme unverändert, obwohl nunmehr dieses Gut allein besteuert wird. Würde sich die Menge x2 auch jetzt um AM vermindern, so wäre die Kreuzpreiselastizitätsbedingung (Wert Null) nicht eingehalten. Nur wenn das Arbeitsvolumen so erhöht wird, daß sich dadurch die Budgetgerade von RXTX nach R2T2 verlagert, bleibt die nachgefragte Menge von x2 trotz der Verteuerung von x' unver- ändert.

Nicht ganz das gleiche Ergebnis würde sich einstellen, wenn beide Güter gleichmäßig belastet würden (Transformationsgerade nach Steuer BG) . Die Menge x' bliebe zwar gleich, doch würde der Rückgang AM von x2 nicht voll über eine Produktionsausweitung auszugleichen sein, um eine Kreuz- preiselastizität von Null zu erzielen, weil ja die Steuer auf Gut x2 auch schon eine negative Wirkung auf dessen Menge hat.

Abbildung 3

jc2ii

B' ̂' ' I ' V^v

ol 1 ^ ^ ^^v N^ G' R3 Rx R2 Xl

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 10: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

244 Heinz Haller

In Abb. 3 ist der realistische Fall dargestellt, in dem das freizeitkomple- mentäre Gut x' eine direkte Preiselastizität von weniger als eins, das frei- zeitsubstitutionale Gut x2 eine solche von mehr als eins (das negative Vor- zeichen immer beiseite gelassen) aufweisen. T'Ri stelle wieder die Transfor- mationsgerade zwischen x' und x2 dar, und ohne Steuer sei der Ausgangs- punkt A gegeben. Eine ausschließliche Besteuerung von xi (Gerade T'G') würde zu Punkt M führen, falls die Preiselastizität von x' gleich eins wäre. Da diese aber weniger als eins beträgt, erhöht sich die Ausgabensumme für jci, und es kommt zu einer entsprechenden Verdrängung des Gutes x2 (Punkt M'). Vermieden und damit die Kreuzpreiselastizitätsbedingung (Wert von Null) gewährleistet werden kann dies nur, wenn das Arbeitsvolu- men entsprechend angehoben wird. Statt Punkt M' muß Punkt M" reali- siert werden, die Transformationsgerade vor Steuer verschiebt sich also in die Position T2R2 (von A ausgehender senkrechter Pfeil), wobei ATM" = T{T2. Der Steuerbetrag bleibt dabei unverändert.

Wird lediglich x2 besteuert (Gerade B'R{), so wird nicht Punkt P reali- siert, wie dies bei einer Preiselastizität von eins der Fall wäre, vielmehr kommt es angesichts der sinkenden Ausgabensumme für x2 zu einer ver- mehrten Nachfrage nach x' (Punkt P'), die nur vermieden werden kann durch eine Veränderung des Arbeitsvolumens, und zwar diesmal in negati- ver Richtung (von A nach links gezeichneter Pfeil, Verschiebung der Trans- formationsgeraden vor Steuer in die Position T3R3). Es wird P" realisiert, wobei der Steuerbetrag demjenigen gleich ist, der sich in P' ergeben würde.

Mit Hilfe der vorstehenden Graphiken sollte demonstriert werden, wie über Veränderungen der Arbeitszeit von eins abweichende direkte Preisela- stizitäten mit einer Kreuzpreiselastizität von Null vereinbar sind. Es zeigte sich, daß bei Gütern mit geringer Preiselastizität die Kreuzpreiselastizitäts- bedingung nur erfüllt ist, wenn die Arbeitszeit ausgedehnt wird. Es handelt sich also um Güter, die freizeitkomplementär sind. Bei einer „Verteuerung der Freizeit" wird ausgewichen durch Mehrarbeit, wobei gleichzeitig ein relativ geringerer Verzicht auf diese Güter gegeben ist. Fallen diese freizeit- komplementären Güter mit den weniger preiselastischen zusammen, so er- gibt sich aus der Inverse-Elastizitäten-Regel nichts Neues.

Wäre die Arbeitszeit beliebig variabel, so brauchte man nur die Güter mit der geringen Preiselastizität verstärkt zu besteuern, und man hätte damit die freizeitkomplementären Güter getroffen, was ja zu der vorteilhaf- testen Anpassung führen würde. Daß von einer solchen Variabilität der Arbeitszeit in der Realität nicht die Rede sein kann, wurde oben bereits dargelegt.

Geht man von der weitgehend realistischen Annahme einer vorgegebe- nen Arbeitszeit aus, so kommt den Gütern mit einer geringen Preiselastizi- tät eine völlig andere Bedeutung zu. Die Kreuzpreiselastizität kann nicht

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 11: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu Optimal Taxation- und Excess Burden- Analysen 245

Null sein, und es wird für die übrigen Güter infolge der Ausweitung der Ausgabensumme für die durch den Steuerzuschlag im Preis überdurch- schnittlich erhöhten Güter weniger Geld ausgegeben werden können. Die Güter mit geringerer Preiselastizität sind bei gegebenem Einkommen selbst- verständlich diejenigen Güter, die die dringlichsten Bedürfnisse befriedigen, in der Regel also die „lebensnotwendigsten" Güter. Werden sie stärker mit Steuern belastet, so führt dies zu einer Verschlechterung der Lage. Es kommt zu einer unter sozialen Gesichtspunkten inakzeptablen Besteue- rung. Je niedriger vorgegebene Arbeitszeit und Einkommen sind, desto bedrückender ist eine solche Besteuerung für den Haushalt.

Sind die Preiselastizitäten der Güter bei gegebener Arbeitszeit unter- schiedlich, sind also die Kreuzpreiselastizitäten nicht Null, so ist eine Be- steuerung vorzunehmen, bei der die Güter mit höherer Preiselastizität ver- stärkt zu belasten sind und diejenigen mit geringerer Elastizität (die die dringendsten Bedürfnisse befriedigen) weniger stark. Es gilt also das Ge- genteil von der Inverse-Elastizitäten-Regel.

Bisher wurde bei der Konsumbesteuerung auch immer so verfahren : Die lebensnotwendigsten Güter werden geringer (evtl. gar nicht) belastet und die „Luxusgüter" einer verstärkten Belastung unterworfen, sofern differen- ziert wird (aus sozialen Erwägungen heraus). Auch eine solche Differenzie- rung hat einen schematischen Charakter wegen der Unterschiede in den Präferenzen der einzelnen Individuen.

Man kann den Standpunkt vertreten, daß verteilungspolitische Gesichts- punkte ausschließlich bei der direkten Einkommensbesteuerung zu berück- sichtigen sind. Für die indirekte Besteuerung verbliebe dann kein triftiger Grund für eine Differenzierung. Ist die Inverse-Elastizitäten-Regel iden- tisch mit der Freizeitabhängigkeitsregel, erscheint diese aber als nicht an- wendbar wegen mangelnder Variabilität der Arbeitszeit und zu großer Prä- ferenzunterschiede bei der Freizeitabhängigkeit der verschiedenen Güter, so ist aus der O.T.-Analyse keine Empfehlung für eine Differenzierung abzuleiten.

Das wichtigste Argument für eine soziale Differenzierung ist die Steuer- freiheit der Ersparnis, die sich bei der indirekten Besteuerung ergibt, sofern Investitionsgüter von dieser ausgenommen werden. Es wird darauf hinge- wiesen, daß die Belastung durch die indirekte Steuer mit zunehmendem Einkommen geringer wird, weil sich (in der Regel) mit dem Einkommen die Sparquote erhöht. Geht man davon aus, daß die gesparten Einkommenstei- le genauso wie die konsumierten der Steuerbelastung zu unterwerfen sind, daß also die Art der Einkommensverwendung nicht relevant sein darf für die Höhe der Steuerbelastung, so stellt die soziale Differenzierung nur einen Korrekturposten dar zum Ausgleich für die Privilegierung höherer Ein- kommen. Im Rahmen der „excess burden"- Analysen, von denen die O. T.-

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 12: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

246 Heinz Haller

Analyse nur die Fortsetzung ist, wird aber anscheinend gerade nachgewie- sen, daß nicht konsumierte Einkommensteile von der Steuerbelastung aus- genommen werden sollten. Sollte der Nachweis unanfechtbar sein, so ergä- be sich eine ungleich bedeutsamere Maxime für die Steuerpolitik als sie die bisher betrachteten O. T.-Regeln darstellen. Im folgenden wollen wir uns noch hiermit befassen.

3. Zur Konsumbesteuerung6

Sieht man die Entscheidung eines Haushalts zwischen konsumtiver Ver- wendung des Einkommens und Ersparnisbildung nur unter dem Aspekt, es handle sich dabei um eine Entscheidung zwischen Gegenwartskonsum und Konsum in einer künftigen Periode, und geht man davon aus, daß nur dann auf gegenwärtigen Konsum verzichtet wird, wenn man dafür einen erhöh- ten Konsum je Einkommenseinheit in künftigen Perioden eintauschen kann (wenn also das gesparte Einkommen in Form eines Zinses einen Zuwachs erfahrt, nicht nur nominell, sondern auch real), so ergibt sich scheinbar die Konsequenz, die Entscheidung werde nur dann nicht durch eine Besteue- rung zuungunsten des Haushalts abgelenkt, wenn der Konsum in jeder Periode einheitlich belastet wird. In Abb. 4 sei diese Konsequenz demon- striert.

Die Gerade TR sei die Transformationsgerade zwischen Konsum in Pe- riode 1 und Konsum in Periode 2. c' und c2 stellen die möglichen Konsum- größen dar. Da c2 einen höheren Wert hat, ist auf der senkrechten Achse (bei ausschließlichem Konsum in Periode 2) ein größerer Achsenabschnitt gegeben. Wird keine Steuer erhoben, so stellt der Berührungspunkt zwi- schen der eingetragenen Indifferenzlinie (/10) und TR (Punkt Ä) den Punkt der günstigsten Entscheidung dar. Zwischen der Substitutionsrate bezüglich Gegenwarts- und Zukunftskonsum und der Transformationsrate (Um- wandlungsverhältnis zwischen Gegenwarts- und Zukunftskonsum) gibt es keinen Unterschied. Ist z. B. der Zukunftskonsum das l,2fache des Gegen- wartskonsums, so geht der Haushalt bis zu dem Punkt mit der Ersparnis, bei dem ihm Zukunftskonsum im Wert von DM 1,20 gerade soviel wert ist wie Gegenwartskonsum im Wert von DM 1,0. Die Substitution von Gegen- wartskonsum durch Zukunftskonsum (die Substitutionsrate) steigt von

6 Siehe hierzu auch H. Haller: Die steuerliche Behandlung von Ersparnissen - ein Dauerthema?, in: Walter A. S. Koch und Hans-Georg Petersen (Hrsg.): Staat, Steuern und Finanzausgleich, Festschrift für Heinz Kolms zum 70. Geburstag, Berlin 1984, S.215ÍT.

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 13: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu Optimal Taxation- und Excess Burden- Analysen 247

Abbildung 4

7 '

° Rl R cx

Punkt A ab immer weiter an, d.h. man müßte mehr als das l,2fache an Zukunftskonsum eintauschen können, wenn man noch mehr Gegenwarts- konsum aufgeben sollte.

Werden nun Gegenwarts- und Zukunftskonsum einheitlich besteuert (et- wa mit 20%), so verändert sich die Transformationsrelation (1,2 zu 1) nicht, es kommt nur zu einer Parallelverschiebung der Transformationsge- raden nach links (TiR{). Der Punkt AÌ9 in dem eine (naturgemäß ein niedri- geres Bedürfnisbefriedigungsniveau - i9 - anzeigende) Indifferenzlinie TxRi berührt, ist nunmehr der günstigste Punkt für den Haushalt. Da q und c2 gleichmäßig besteuert werden, ist wieder völlige Übereinstimmung von Substitutions- und Transformationsrate gegeben.

Besteuert man dagegen das gesamte Einkommen, also auch den gespar- ten Einkommensteil, so wird der in die Periode 2 verlagerte Konsum vorbe- lastet. Da der Konsumzuwachs in Periode 2 als Einkommensbestandteil der Einkommensbesteuerung in dieser Periode mit zu unterwerfen ist, kommt es zu einer „Doppelbelastung". Eine 20 %ige Steuer reduziert also in unse- rem Beispiel den Konsumzuwachs von DM 0,20 je DM auf DM 0,16. Nur wenn der Konsumzuwachs unbesteuert bliebe, was bei einer Einkommens- besteuerung ausgeschlossen ist, käme die gleiche Belastung zustande wie bei einer ausschließlichen Besteuerung des Konsums. Werden z. B. von einem

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 14: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

248 Heinz Haller

Einkommen von 100 20 Einheiten gespart, so beträgt in Periode 1 bei einer Konsumbesteuerung die Steuer 16, in Periode 2 20 % des verschobenen und vergrößerten Konsumbetrags von 24, also 4,8. Der Konsum in beiden Pe- rioden zusammen beläuft sich auf 64 + 19,2 = 83,2. Bei einer Einkom- mensbesteuerung, bei der auf eine Belastung des Konsumzuwachses ver- zichtet würde, ergäbe sich der gleiche Gesamtkonsum von 64 + 19,2, da die verschobenen 16 (Ersparnis) nicht nochmals besteuert werden und der Zuwachs von 3,2 steuerfrei wäre. Der Steuerbetrag für beide Perioden zusammen wäre bei der Konsumbesteuerung zwar höher (16 in Periode 1 + 4,8 in Periode 2), doch dieser Unterschied resultiert nur daraus, daß die Steuer auf den Konsum in der zweiten Periode erst nach der Vergrößerung des Konsumbetrags erhoben wird und nicht schon vorweg auf die „Basis" (Ersparnis) des künftigen vergrößerten Konsums.

Kommt es über eine Einkommensbesteuerung zur Belastung des Zusatz- konsums in Periode 2, so verläuft die Transformationsgerade nach Steuer nicht mehr parallel zu derjenigen ohne Steuer, vielmehr verläuft sie von Punkt Ri aus flacher (nach T2). Die Steuer diskriminiert c2, und die Folge ist eine verringerte Ersparnis bei einem Berührungspunkt (A2) mit der ein niedrigeres Bedürfnisbefriedigungsniveau repräsentierenden Indifferenzli- nie (/8). Die Transformationsrate wird durch die Steuer künstlich verändert zuungunsten des Haushalts (zwischen die Transformationsrate und die Substitutionsrate wird ein „Keil" getrieben).

Die ganze soeben vorgetragene Argumentation steht und fällt mit der Annahme, die Ersparnisbildung erfolge nur im Hinblick auf höheren Zu- kunftskonsum. Diese Annahme steht nicht in Einklang mit der Realität. Hinter der Sparentscheidung stehen mehrere Motive, von denen die Aus- sicht auf einen höheren Zukunftskonsum nur eines ist. Nur ein homo oeco- nomicus, der nichts anderes kennt als Konsumkalküle, wird gemäß den Modellannahmen entscheiden. Es dürfte kaum bestreitbar sein, daß Ver- mögensbildung ein Ziel an sich darstellt.

Vermögen vermittelt Sicherheit, erweiterten Spielraum in den ökonomi- schen Entscheidungen und damit mehr Unabhängigkeit, Befriedigung des Besitzbedürfnisses, erhöhtes gesellschaftliches Ansehen. Dies sind Vorteile, die ganz unabhängig sind davon, ob später eine Rückverwandlung in Kon- sum stattfindet oder nicht. Die Rückverwandlung stellt in der Realität den Ausnahmefall dar, nicht den kalkulierten Normalfall. Die gesamte Ent- wicklung der Zivilisation, vielleicht kann man sogar sagen: der Kultur, beruht letztlich auf Vermögensbildung, auf dem Streben der Menschen nach Dauerhaftem, der Sterblichkeit zum Trotz. Die Vermögen werden in der Regel vererbt und nicht aufgezehrt. Das Gesamtvermögen in einer Volkswirtschaft wächst - abgesehen von Kriegszeiten - beständig an. Auch in Zeiten, in denen keine Nettoverzinsung winkt, wird Vermögen gebildet,

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 15: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu Optimal Taxation- und Excess Burden- Analysen 249

allein schon zur Absicherung gegen eventuell auftretende Notlagen. Auch im Zeitalter der staatlich veranstalteten sozialen Sicherung gilt dies.

Mit dem Modell der reinen Konsumverschiebung und der Entscheidung auf Grund des reinen Konsumkalküls wird also die Realität nicht richtig abgebildet. Nur beim reinen Vergleich zwischen gegenwärtigem und künfti- gem Periodenkonsum im engsten Sinne des Wortes (Bedürfnisbefriedigung durch Aufzehren von Gütern) gilt das mit diesem Modell Abgeleitete, er- gibt sich also eine suboptimale Entscheidung bei Abweichung von der Kon- sumbesteuerung.

Von den Befürwortern der Konsumbesteuerung wird nun in der Regel gesagt, die Befriedigung des „Besitzbedürfnisses" über Sparen könne bei der Besteuerung dadurch berücksichtigt werden, daß die Vermögensbestän- de belastet und damit auch die Vermögenszugänge erfaßt würden. Und bei einer Vererbung des Vermögens könnte bei den ohne Sparen zu Vermögen gelangenden Erben eine entsprechende Besteuerung vorgenommen werden. Hierbei wird jedoch übersehen - abgesehen von dem dornigen Problem der Vermögenserfassung und möglichst realistischen Bewertung aller Vermö- genselemente -, daß mit der Vermögen- und Erbschaftsteuer nicht soviel an Steuern hereingebracht werden kann wie durch Nicht-Besteuerung der Er- sparnis ausfällt. Würde eine volle Kompensation angestrebt, so käme es zu einer Belastung von Vermögen und Erbschaften, die von den Betroffenen als „konfiskatorisch" empfunden würde. Nicht nur bei der Erbschaftsteuer, die immer eine „Substanzbesteuerung" darstellt und in vielen Fällen Ver- mögenseinheiten (Betriebe) gefährdet, auch bei der Vermögensteuer würde es häufig zu einer „Substanzbesteuerung" kommen.

Praktisch kann also die Lücke nur geschlossen werden, wenn bei einer Konsumbesteuerung wesentlich höhere Steuersätze verwendet werden als bei einer Einkommensbesteuerung. Das bedeutet aber, daß die Steuerbe- freiung der Ersparnis noch schärfer akzentuiert wird. Geht man davon aus, und nach dem Ausgeführten erscheint dies angemessen, daß auch das Spa- ren in der Sparperiode selbst zu einer Bedürfnisbefriedigung führt (wer würde anders schon freiwillig sparen?), zu einer Befriedigung des „Vermö- gensbildungsbedürfnisses", so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Be- dürfnisbefriedigung in Form des Konsums diskriminiert wird und daß die einseitige Besteuerung dieser Art der Bedürfnisbefriedigung die vor dem Entscheidungsproblem stehenden Haushalte von ihrem Bedürfnisbefriedi- gungsmaximum wegführt. M. a. W. die einseitige Belastung des Konsums führt zu einer „excess burden", und zwar zu einer solchen, die weit bedeut- samer ist als die im Konsumverschiebungsmodell abgeleitete. Der Haus- halt, der zwischen „Konsum"- und „Spar"-Mark durch Vergleich der mit den beiden Verwendungen verbundenen Bedürfnisbefriedigung zu entschei- den hat, wird in seiner Entscheidung in ungünstiger Weise abgelenkt.

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 16: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

250 Heinz Haller

Abbildung 5

i i S

Q' A _S ' ^^ ^3 ^2 *1 C

Er spart mehr als im Fall gleicher Belastung von Konsum und Ersparnis, weil er steuerfrei spart. Sollen die Steuereinnahmen bei einer Konsumbe- steuerung gleich sein wie bei einer Einkommensbesteuerung, so kann man mit der üblichen „excess burden"-Darstellung zeigen (Abb. 5, in der in horizontaler Richtung der Konsum, in vertikaler Richtung die Ersparnis einer Periode dargestellt sind), daß im Berührungspunkt C einer Indiffe- renzkurve mit der steiler verlaufenden Transformationsgeraden TiR^ bei einseitiger C-Besteuerung, der gleichzeitig Schnittpunkt mit der flacher ver- laufenden Transformationsgeraden bei einer Einkommensbesteuerung T2R2 sein muß bei Gleichheit des Steueraufkommens, für die Gesamtheit der Steuerzahler ein niedrigeres Bedürfnisbefriedigungsniveau gegeben ist als bei gleichmäßiger Belastung von Konsum und Ersparnis (Punkt E). Im Einzelfall gilt die Verschlechterung natürlich nicht: Die besonders Spar- freudigen werden entlastet, Sparunwillige oder Sparunfahige werden weit stärker belastet als bei einer Einkommensteuer.

Wenn man die Ersparnis entlastet, so kann man dies nur damit begrün- den, daß die volkswirtschaftliche Kapitalbildung gefördert werden soll, nicht aber damit, man erreiche so eine angemessene „verzerrungsfreie" Besteuerung in jeder Periode. Die indirekte Besteuerung mit Entlastung der Investitionsgüter stellt eine Förderungsmaßnahme für die Kapitalbildung dar, und damit kommen wir zurück zum Ausgangspunkt. Wenn dies so ist, so ist die Minderbelastung lebensnotwendiger Güter bei der indirekten Besteuerung als Kompensation der Privilegierung höherer Einkommen durch die Entlastung der Ersparnis zu betrachten.

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 17: Bemerkungen zu einigen Ergebnissen der Optimal Taxationund Excess Burden-Analysen

Bemerkungen zu Optimal Taxation- und Excess Bur den- Analysen 251

4. Abschließendes

Einige abschließende Bemerkungen sollen diese Ausführungen noch ver- vollständigen. Es wurde hier nicht versucht, Theoreme der O. T. oder der „excess burden"-Analyse ad absurdum zu führen. Im Rahmen ihrer Vor- aussetzungen sind die erörterten Theoreme richtig. Uns beschäftigte nur die Frage, ob die Voraussetzungen in der Realität zutreffen und ob damit Zusammenhänge aufgedeckt werden, die unbedingt zu berücksichtigen sind, wenn man bei der Gestaltung des Steuersystems keine Fehler machen und insbesondere unnötige Zusatzbelastungen der Zensiten durch Ablen- kung vom Anpassungsoptimum vermeiden will. Das Ergebnis unserer Erörterungen war, daß eine Relevanz der untersuchten Theoreme für die praktische Gestaltung des Steuersystems wegen wenig realistischer Annah- men kaum gegeben ist.

This content downloaded from 91.229.229.203 on Mon, 16 Jun 2014 19:09:04 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions