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Isabelle Häner Bernhard Waldmann (Hrsg.) Brennpunkte im Verwaltungsprozess RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT UNIVERSITÄT FREIBURG FACULTE DE DROIT UNIVERSITE DE FRIBOURG

bereiche aufgezeigt und vertieft. Brennpunkte im ... · Das Wirtschaftsrecht wird zunehmend vom Verwaltungsrecht beeinflusst. Daher will mit dem Forum für Verwaltungsrecht auf diese

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Isabelle HänerBernhard Waldmann

(Hrsg.)

Brennpunkte im Verwaltungsprozess

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RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT UNIVERSITÄT FREIBURGFACULTE DE DROIT UNIVERSITE DE FRIBOURG

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Forum für VerwaltungsrechtDas 5. Forum rückt einige Brennpunkte des Verwaltungsprozesses in den Fokus. Diskutiert wurden insbesondere die Maximen und Grundsätze der Verwaltungsrechtspflege, die An-forderungen an eine Beschwerde, Fragen des Suspensiveffekts von Rechtsmitteln sowie die Thematik der Beschwerdegründe und der Kognition. Diese allgemeinen Ausführungen wur-den mit Bezug auf die Besonderheiten des Rechtsschutzes im öffentlichen Personalrecht, in der Sozialversicherung und im öffentlichen Beschaffungswesen vertieft. Der vorliegende Band fasst die Referate und Diskussionen zusammen.

Forum für Verwaltungsrecht bei Das Wirtschaftsrecht wird zunehmend vom Verwaltungsrecht beeinflusst. Daher will mit dem Forum für Verwaltungsrecht auf diese Schnittstelle aufmerksam machen. In regelmäs-siger Folge werden aktuelle Fragen durch ausgewiesene Spezialisten der jeweiligen Fach-bereiche aufgezeigt und vertieft.

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Isabelle HänerBernhard Waldmann

(Hrsg.)

Brennpunkte im Verwaltungsprozess

RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT UNIVERSITÄT FREIBURGFACULTE DE DROIT UNIVERSITE DE FRIBOURG

Isabelle HänerBernhard Waldmann

(Hrsg.)

Brennpunkte im Verwaltungsprozess

RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTÄT UNIVERSITÄT FREIBURGFACULTE DE DROIT UNIVERSITE DE FRIBOURG

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d­nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

© Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2013 ISBN 978­3­7255­6766­9

www.schulthess.com

VII

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber V

Inhaltsverzeichnis VII

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren IX

Abkürzungs- und Erlassverzeichnis XI

Literaturverzeichnis XXI

Referate

Grundsätze und Maximen in der Verwaltungsrechtspflege 1

Bernhard Waldmann

Die Anforderungen an eine Beschwerde 27

Isabelle Häner

Beschwerdegründe, Kognition und Prüfungsdichte 47

Benjamin Schindler

Der Suspensiveffekt und andere vorsorgliche Massnahmen 61

Philippe Weissenberger/Astrid Hirzel

Die verwaltungsrechtliche Klage 87

Michael Merker

Koordination der Rechtsprechung und Ermessenskontrolle am

Bundesverwaltungsgericht 125

Markus Metz

Inhaltsverzeichnis

VIII

Ateliers

Verfahrensrecht in der Sozialversicherung: Ausgewählte Besonderheiten 133

Hans-Jakob Mosimann

Der Rechtsschutz im öffentlichen Personalrecht 153

Peter Hänni/Thomas Meier

Der Rechtsschutz im öffentlichen Beschaffungswesen 159

Robert Wolf

Anhang

Die Ausgestaltung des Rechtsschutzes im öffentlichen Personalrecht 189

Bernhard Waldmann/Raphael Kraemer

IX

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Isabelle Häner, Prof. Dr. iur., Rechtsanwältin, Bratschi Wiederkehr & Buob Rechts-anwälte, Zürich

Peter Hänni, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Universität Freiburg

Astrid Hirzel, lic. iur., Gerichtsschreiberin am Bundesverwaltungsgericht

Raphael Kraemer, MLaw, Rechtsanwalt, Universität Freiburg

Thomas Meier, MLaw, Universität Freiburg

Michael Merker, Dr. iur., Rechtsanwalt, Baur Hürlimann AG, Zürich und Baden

Markus Metz, Dr. iur., Rechtsanwalt, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts

Hans-Jakob Mosimann, Dr. iur., Richter am Sozialversicherungsgericht Zürich

Benjamin Schindler, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Universität St. Gallen

Bernhard Waldmann, Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Universität Freiburg i.Ue.

Philippe Weissenberger, Dr. iur., Rechtsanwalt, Richter am Bundesverwaltungsge-richt

Robert Wolf, lic. iur., Richter am Verwaltungsgericht Zürich

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Die Anforderungen an eine Beschwerde Isabelle Häner

Inhaltsübersicht

I. EinleitungII. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht

A. Anforderungen an die Beschwerde 1. Begehren2. Begründung3. Noven4. Weitere Anforderungen an die Beschwerde

B. Rechtsfolgen einer ungenügenden BeschwerdeC. Die Anforderungen an die Vernehmlassung

III. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht A. Allgemein B. Anforderungen an die Beschwerde

1. Begehren2. Begründung3. Noven 4. Weitere Anforderungen an die Beschwerde

C. Rechtsfolge einer ungenügenden Beschwerde D. Anforderungen an die Vernehmlassung

IV. Schluss

I. Einleitung

«Nicht weiter einzugehen ist sodann auf das Argument des Beschwerdeführers, wonach das in Frage stehende Formular eine neue Praxis formuliere. Was der Be-schwerdeführer aus dem unsubstantiiert gebliebenen Vorbringen ableiten will, bleibt unklar und kann vom Gericht nicht nachvollzogen werden.»1

«Damit erweist sich das Vorbringen als rein appellatorische Kritik, die unsubstantiiert bleibt und den angefochtenen Entscheid nicht umzustossen ver-mag.»2

«Vollends unsubstantiiert bleibt der Vorwurf der Verletzung des Rechtsgleich-heitsgebots; dasselbe gilt für den Hinweis auf das Fairnessgebot.»3

1 BVGer, Urteil A-2470/2011 vom 6.2.2012 E. 3.2.1. 2 BVGer, Urteil B-5121/2011 vom 31.4.2012 E. 9.1. 3 BGer, Urteil 2C_81/2012 vom 27.1.2012 E. 2.2.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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Solches und Ähnliches halten die Gerichte entgegen, wenn sie die Anforde-rungen an die Rechtsschriften nicht als erfüllt erachten. In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, welches die Anforderungen an eine ausrei-chende Beschwerdeschrift sind und welche Mitwirkungspflichten den Be-schwerdeführenden zukommen.

Die Anforderungen an die Rechtsschriften hängen eng mit den Prozessmaxi-men zusammen, die einer konkreten Prozessordnung zwar als Leitgedanken zugrunde gelegt werden4, jedoch regelmässig durch die gesetzlichen Verfah-rensregelungen wieder eingeschränkt werden. Zum einen gilt in Bezug auf die Rechtsbegehren die Dispositionsmaxime. Mit den Rechtsbegehren wird der Streitgegenstand bestimmt. Die Eventualmaxime besagt, bis zu welchem Zeit-punkt Begehren, Tatsachen sowie Beweismittel und die rechtlichen Rügen vorzubringen sind. Sodann gilt die Untersuchungsmaxime, die insoweit einge-schränkt wird, als den Verfahrensbeteiligten Begründungslasten auferlegt werden. Im öffentlichen Prozessrecht bestehen auch in Bezug auf den Sach-verhalt Begründungspflichten, die bis zur Geltung des Rügeprinzips gehen können. Besteht eine Bindung an die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, wie dies für die Beschwerde an das Bundesgericht der Fall ist (Art. 105 Abs. 1 BGG), kann der Untersuchungsgrundsatz zudem nur zur Anwendung gelan-gen, wenn die entsprechenden qualifizierten Rügen erhoben werden (Art. 97 Abs. 1 BGG). Schliesslich wird der Grundsatz der Rechtsanwendung von Am-tes wegen einerseits durch die Begründungspflicht eingeschränkt. Andererseits kommt es zu einer Verdrängung dieses Grundsatzes, soweit das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Geltungsbereich der Untersuchungsmaxime wie auch des Grundsatzes der Rechtsanwendung von Amtes wegen korrelieren mit den gesetzlichen Anforderungen, die an die Beschwerdeschrift gestellt werden. Es genügt somit nicht, wenn lediglich die zulässigen Beschwerde-gründe, wie sie in Art. 49 und 46a VwVG sowie in Art. 95 f. BGG beschrie-ben werden, geltend gemacht werden. Vielmehr kommt es ebenso darauf an, mit welcher Substanz und Tiefe diese ausgeführt werden müssen. Die Voraus-setzungen sind als Erstes zu erfüllen, damit das Gericht auf das Rechtsmittel überhaupt eintritt und die rechtliche sowie gegebenenfalls tatsächliche Be-gründetheit der Beschwerde prüft5.

Vorauszuschicken ist, dass die Anforderungen an die Rechtsschriften stets auch sinngemäss für die Vernehmlassungen gelten. Auf die Besonderheiten der Vernehmlassungen wird jeweils gesondert hinzuweisen sein.

4 Vgl. dazu den Beitrag von BERNHARD WALDMANN (S. 3) in diesem Band. 5 Vgl. MEYER/BÜHLER, Anwaltsrevue 2008, S. 492.

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II. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesverwal-tungsgericht

A. Anforderungen an die Beschwerde

1. Begehren

Art. 52 Abs. 1 VwVG besagt zunächst, dass in der Beschwerde die Begehren zu stellen sind. Aus dieser Bestimmung wird abgeleitet, dass sämtliche Begeh-ren wie auch die Eventualbegehren in der Beschwerde anzuführen sind und somit die Eventualmaxime gilt6. Als Minimalanforderung gilt sodann, dass sich die gestellten Begehren zumindest aus der Begründung der Beschwerde ergeben müssen. Dabei muss das Gericht klar ermitteln können, inwiefern die angefochtene Verfügung geändert werden soll. Es muss aus der Beschwerde-schrift ersichtlich sein, dass eine individualisierte Person gewillt ist, als Be-schwerdeführerin aufzutreten und die mittels einer Verfügung geschaffene Rechtslage abzuändern7.

Das gestellte Begehren muss sich auf das Dispositiv der angefochtenen Verfü-gung beziehen. Die Verfügung, d.h. das Anfechtungsobjekt, bildet somit den Ausgangspunkt für die Begehren im Beschwerdeverfahren. Die Anträge kön-nen nicht über das hinausgehen, was Gegenstand des vorinstanzlichen Verfah-rens war oder bei richtiger Gesetzesauslegung hätte sein müssen8. Es kann somit grundsätzlich nicht mehr und nichts anderes beantragt werden.

Als ein Beschwerdeführer beim Bundesamt für Polizei Einsichtnahme in seine per-sonenbezogenen Daten verlangte und dieses Gesuch teilweise abgewiesen wurde, konnte er vor Bundesverwaltungsgericht nicht zusätzlich die Richtigstellung der Daten bzw. das Anbringen eines Bestreitungsvermerks und die Feststellung einer Persönlichkeitsverletzung beantragen9.

Im Regelfall geht der Antrag auf Aufhebung des Entscheids allenfalls verbun-den mit einem Eventualantrag:

«Es sei die Verfügung des Bundesamtes aufzuheben und es sei der Beschwerdefüh-rerin die Konzession zu erteilen.

6 MOSER, in: Auer/Müller/Schindler, VwVG Kommentar, Art. 52 Rz. 4. 7 Vgl. BVGer, Urteil B-1658/2008 vom 17.7.2008: Die Zustellung der anzufechtenden Ver-

fügung per Fax genügt offensichtlich nicht. 8 BGE 136 II 457 E. 4.2; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, Rz. 1512.9 BVGer, Urteil A-3763/2011 vom 3.7.2012 E. 1.4.2.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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Eventualiter sei die Konzession unter der Auflage zu erteilen, dass die Beschwer-deführerin jährlich Bericht erstattet.»

Weil es sich bei der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht um ein re-formatorisches Rechtsmittel handelt, sollten die Anträge auch entsprechend abgefasst werden10. Dies ist jedoch nicht zwingend. Wird anstelle eines refor-matorischen Antrags nur ein kassatorischer Antrag auf Aufhebung der Verfü-gung gestellt, schadet dies nicht. Vielmehr wird ein solcher Antrag dahinge-hend gedeutet, dass es in das Ermessen des Gerichts gestellt bleibt, wie es entscheiden will (Art. 61 Abs. 1 VwVG)11. Kassatorische Anträge drängen sich hingegen dann auf, wenn die beschwerdeführende Partei z.B. mit einer Einschränkung in ihrer Rechtsausübung oder sogar mit einem Verbot konfron-tiert wird oder eine Sanktion aufgehoben werden soll12.

Mit den Begehren wird gleichzeitig der Streitgegenstand festgelegt. Dieser bestimmt sich einerseits durch die angefochtene Verfügung oder den ange-fochtenen Entscheid, somit durch das Anfechtungsobjekt, und andererseits durch die Parteibegehren13. Die Festlegung des Streitgegenstandes erfolgt – zumindest nach deutschschweizerischer Usanz – am Beginn der Rechts-schrift14, indem die Anträge vorangestellt werden15. Damit wird das Prozess-thema definiert. Der Streitgegenstand beschränkt einerseits die Untersu-chungsmaxime, andererseits die Rechtsanwendung von Amtes wegen und gibt dem gerichtlichen Entscheid den Rahmen. Das Gericht selbst kann nicht über etwas anderes entscheiden, das nicht Streitgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war16. Der Streitgegenstand ist sodann relevant für die sachliche Zuständigkeit, für die Frage der Rechtshängigkeit, für die Frage der Zulässig-keit von Noven und für den Umfang der materiellen Rechtskraft. Und selbst in Bezug auf die reformatio in peius vel melius (Art. 62 Abs. 1 und 2 VwVG) ist der Streitgegenstand massgebend, indem das Gericht die Verfügung nur re-

10 Art. 61 Abs. 1 VwVG. 11 Vgl. dazu SEETHALER/BOCHSLER, in: Waldmann/Weissenberger, VwVG Praxiskommentar,

Art. 52 Rz. 49; BVGer, Urteil B-1211/2007 vom 21.11.2007 E. 3. 12 Beispiel: Unerlaubte Sponsorennennung und Einzug der aus dem Sponsoring erzielten Ein-

nahmen der SRG: BVGE 2009/36. 13 GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, S. 45; KIENER/RÜTSCHE KUHN, Rz. 1196; BVGer,

Urteil A-3763/2011 vom 3.7.2012 E. 1.4.1. 14 Vgl. den treffenden Hinweis bei SIEGENTHALER/BOCHSLER, in: Waldmann/Weisenberger,

VwVG Praxiskommentar, Art. 52 Rz. 35; in der französischen Schweiz bilden die Anträge die Schlussfolgerung der Begründung.

15 MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Rz. 2.7 f.; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, Rz. 1213. 16 BGE 136 II 457 E. 4.6.

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formieren darf, soweit der Sachzusammenhang mit dem Streitgegenstand ge-wahrt bleibt17.

Eine Beschwerde wird sodann auch Nebenbegehren enthalten. Diese sind zum Teil notwendig, zum Teil auch Usanz. Notwendige Nebenbegehren bilden der Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 Abs. 1 VwVG) sowie Anträge zur aufschiebenden Wirkung (Art. 55 VwVG) oder zu anderen vorsorglichen Massnahmen (Art. 56 VwVG). Sodann kann ein Antrag auf Sistierung oder auf Beschwerdeergänzung nach Art. 53 VwVG gestellt werden. Sämtliche dieser Begehren sind auch nach Ablauf der Beschwerdefrist zulässig. Hier gilt die Eventualmaxime somit nicht18.

Eine Besonderheit besteht in dringenden Fällen in Bezug auf die Anordnung vorsorglicher Massnahmen. Hat die verfügende Instanz beispielsweise die auf-schiebende Wirkung entzogen und ist damit Gefahr im Verzug, so dass ein nicht wieder gut zumachender Nachteil droht, kann die Beschwerde auch vor Ablauf der 30tägigen Beschwerdefrist anhängig gemacht werden, damit das Bundesverwaltungsgericht allenfalls superprovisorisch über die vorsorglichen Massnahmen entscheiden kann. Weil infolge der Devolutivwirkung der Be-schwerde die Zuständigkeit zum Entscheid über vorsorgliche Massnahmen erst mit Anhängigmachung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht übergeht, muss die Beschwerde insgesamt, somit auch mit den Hauptanträgen, erhoben werden. Es ist zu beachten, dass es zulässig ist, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist die detaillierte Begründung nachzuliefern19. Damit sich das Gericht jedoch ein Bild über den Fall machen kann, sollte trotz der Dringlich-keit der Sachverhalt kurz geschildert und es sollten die wichtigsten Akten bei-gelegt werden. Ein solches Vorgehen drängte sich z.B. auf, als verhindert werden sollte, dass Steuerdaten an die USA geliefert werden20.

Usanz – aber nicht zwingend notwendig – ist sodann der Antrag auf Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Vorinstanz oder privaten Gegenpar-tei (Art. 64 Abs. 1 VwVG)21.

17 BVGer, Urteil A-7522/2006 vom 15.12.2009 E. 3.2.2. 18 SEETHALER/BOCHSLER, in: Waldmann/Weissenberger, VwVG Praxiskommentar, Art. 52

Rz. 55 ff.; BVGE 2012/7 E. 2.4.2. 19 MERKLI, ZBl 2008, S. 420.20 Vgl. etwa BVGer, Urteil B-1092/2009 vom 30.4.2009, auszugsweise in BVGE 2009/31. 21 Vgl. MAILLARD, in: Waldmann/Weissenberger, VwVG Praxiskommentar, Art. 64 Rz. 8.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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2. Begründung

Die Begründung der Beschwerde ist das eigentliche Kernstück und ist eben-falls in Art. 52 Abs. 1 VwVG als Anforderung an die Beschwerde enthalten. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bildet ein vollkommenes Rechtsmittel, mit welchem sowohl Rechts-, wie auch Ermessensfehler und die Sachverhaltsfeststellung gerügt werden können (Art. 49 VwVG)22. Es öffnet sich folglich ein weites Feld, um die Anfechtung der Verfügung zu begründen. Zwar gelten sowohl die Untersuchungsmaxime wie auch der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Das Bundesverwaltungsgericht verlangt aber gestützt auf Art. 52 Abs. 1 VwVG eine «gewisse Substantiierung» so-wohl der Sachverhaltsrügen wie auch der behaupteten Rechtsverletzungen. Das Bundesverwaltungsgericht geht den Rechtsfragen nur insoweit nach, als sich Anhaltspunkte in den Parteivorbringen finden oder sich solche aus den Akten ergeben. Es prüft die angefochtene Verfügung somit nicht unter schlechthin allen in Frage kommenden Aspekten. Vielmehr bilden die Partei-vorbringen und die Akten den Ausgangspunkt23. Gefordert ist, dass sich die Beschwerde mit der Begründung in der angefochtenen Verfügung auseinan-dersetzt. Handelt es sich um einen Nichteintretensentscheid, hat sich die be-schwerdeführende Person damit zu befassen. Ist dem Nichteintretensentscheid eine Eventualbegründung angefügt, muss sich die beschwerdeführende Person auch damit auseinandersetzen24.

Das Gesagte gilt zunächst in Bezug auf die Feststellung des Sachverhalts. Das Bundesverwaltungsgericht prüft zwar den Sachverhalt von Amtes wegen. Wird die Sachverhaltsfeststellung jedoch nicht bestritten oder der Sachverhalt sogar ausdrücklich anerkannt, müssen sich aus den Akten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung ergeben, dass das Gericht weitere Untersuchungen aufnimmt. Soll die Sachverhalts-feststellung der Vorinstanz bestritten werden, sind zudem die Beweismittel soweit als möglich beizulegen (Art. 52 Abs. 1 VwVG). Dabei ist zu berück-sichtigen, dass sich die Beweiserhebung vor Bundesverwaltungsgericht nach Art. 12 ff. VwVG richtet25. Dies bedeutet insbesondere, dass auch vor Bun-desverwaltungsgericht die Zeugeneinvernahme ein subsidiäres Beweismittel

22 RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Rz. 1501. 23 BVGer, Urteil C-376/2008 vom 27.11.2009 E. 2.2.3 sowie Urteil A-5101/2011 vom

5.3.2012 E. 6. 24 MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Rz. 2.219; vgl. auch MOSER, in: Auer/Müller/Schindler,

VwVG Kommentar, Art. 52 Rz. 7. 25 MOSER, in: Auer/Müller/Schindler, VwVG Kommentar, Art. 52 Rz. 10.

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darstellt und der Aktenbeweis im Vordergrund steht26. Allerdings ist ebenso zu beachten, dass das Bundesverwaltungsgericht gegebenenfalls die erste In-stanz ist, die überhaupt Zeugen einvernehmen kann, weil diese Kompetenz im erstinstanzlichen Verfahren nur bestimmten Instanzen zusteht27.

In rechtlicher Hinsicht verlangt das Bundesverwaltungsgericht zudem nicht zwingend eine Begründung, die sich auf Rechtsnormen bezieht. Die be-schwerdeführende Person ist somit nicht gehalten, die rechtlichen Bestim-mungen zu bezeichnen oder eine konkrete Rechtsnorm zu nennen. Es reicht aus, wenn die Beschwerdeführenden konkret auf die angefochtene Verfügung Bezug nehmen und erkennbar ist, aus welchen Gründen sie die Verfügung als nicht stichhaltig erachten28. Das Bundesverwaltungsgericht ist aufgrund des Grundsatzes der Rechtsanwendung aber nicht an die Begründung in der Ver-fügung oder den Rechtsschriften gebunden29.

Diese an sich sehr geringen Anforderungen an eine Beschwerde, die im Übri-gen auch für die Legitimationsvoraussetzungen gelten30, hängen ebenso damit zusammen, dass das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht das verwal-tungsinterne Beschwerdeverfahren ersetzt, ohne dass für das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht eigene prozessrechtliche Bestimmungen erlassen worden sind31. Sie sind jedoch nach der hier vertretenen Auffassung gerecht-fertigt, soweit dem Bundesverwaltungsgericht kein verwaltungsinternes Be-schwerdeverfahren vorgelagert ist und dieses die erste Rechtsmittelinstanz bildet.

Sich an diesen Minimalanforderungen auszurichten, reicht allerdings nicht aus. Diese sind denn auch eher darauf ausgerichtet, die Hürden zur Beschwer-de für juristische Laien niedrig zu halten. Bei der Beantwortung der Frage, ob sich eine Rechtsfrage aus den Parteivorbringen oder den Akten ergibt, besteht ein weiter Ermessensspielraum des Gerichts32, was auch das Risiko erhöht, dass ein für die Parteien wesentlicher Punkt unberücksichtigt bleibt. Gleiches gilt in Bezug auf die Feststellung des Sachverhalts, wo das Bundesverwal-

26 HÄNER, in: Häner/Waldmann, S. 48 f.; AUER, in: Auer/Müller/Schindler, VwVG Kommen-tar, Art. 12 Rz. 25 ff.

27 Art. 14 Abs. 1 VwVG. 28 GRISEL, L’obligation, S. 244; MOSER, in: Auer/Müller/Schinder, VwVG Kommentar,

Art. 52 Rz. 7. 29 SEETHALER/BOCHSLER, in: Waldmann/Weissenberger, VwVG Praxiskommentar, Art. 52

Rz. 68. 30 BVGer, Urteil A-6146/2007 vom 17.12.2007 E. 2.2; demgegenüber für das Bundesgericht

BGE 133 II 249 E. 1.3.2. 31 Vgl. Art. 37 VGG, der auf das VwVG verweist. 32 Vgl. auch AUER, in: Auer/Müller/Schindler, VwVG Kommentar, Art. 12 Rz. 13.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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tungsgericht in den Akten sogar erhebliche Zweifel vorfinden muss, wenn der Sachverhalt unbestritten bleibt. Es empfiehlt sich demnach, die Begründung einer Beschwerde nicht nur eng an der Kognition des Bundesverwaltungsge-richts auszurichten, sondern sich mit den Rechtsfragen substantiiert auseinan-derzusetzen und, soweit die Sachverhaltsfeststellung bestritten werden soll, auch diese Bestreitungen zu substantiieren und allenfalls mit weiteren Be-weismitteln zu belegen. Anschaulich ist der Fall betreffend Anfechtung von Prüfungsergebnissen33.

Das Bundesverwaltungsgericht prüft die Bewertungen von Examensleistungen nur mit Zurückhaltung und weicht nicht ohne Not von der Beurteilung der erstinstanz-lichen Prüfungsorgane ab. Daraus schliesst das Bundesverwaltungsgericht, dass Rügen eines Beschwerdeführers, wonach die Bewertungsleistung offensichtlich unangemessen gewesen sei, von objektiven Argumenten und Beweismitteln getra-gen sein müssen. Wenn sich keine Anhaltspunkte aus den Akten ergeben, hat der Beschwerdeführer selber substantiierte und überzeugende Anhaltspunkte dafür zu liefern, dass eindeutig zu hohe Anforderungen gestellt oder die Prüfungsleistung offensichtlich unangemessen gewesen sei. Gelingt diese Substantiierung, ist es Sa-che der Examinatoren, im Einzelnen und in nachvollziehbarer Weise darzulegen, warum die Lösung des Beschwerdeführers falsch oder unvollständig ist.

Wenig empfehlenswert sind sodann wörtliche Übernahmen von Rechtsschrif-ten, die bereits vor der Vorinstanz eingereicht wurden. Es ist zwar nicht gene-rell unzulässig, auf diese zu verweisen. Aus den Verweisen muss sich aber klar erkennen lassen, inwiefern sich diese gegen die angefochtene Verfügung richten. Die Teile, worauf verwiesen wird, sind demzufolge eindeutig zu be-zeichnen und es muss auf die angefochtene Verfügung Bezug genommen werden34.

Die Eventualmaxime gilt in Bezug auf die Beschwerdebegründung nicht. Art. 32 Abs. 2 VwVG bestimmt, dass verspätete Parteivorbringen, die aus-schlaggebend erscheinen, trotz Verspätung berücksichtigt werden können. Die Bestimmung wird so ausgelegt, dass eine Pflicht des Gerichts besteht, diese zu berücksichtigen, wenn sie rechtserheblich sind. Grenze bildet allein die nach-lässige Prozessführung35.

3. Noven

Unter Noven sind Rechtsbegehren, Tatsachen und Beweismittel sowie rechtli-che Begründungen zu verstehen, welche vor der Vorinstanz nicht vorgebracht

33 BVGE 2010/21 E. 5.1. 34 BVGer, Urteil B-5840/2010 vom 22.5.2012 E. 2. 35 BGE 136 II 165 E. 4.

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wurden und deshalb neu sind. Das Novenrecht wird auch aus Art. 32 Abs. 2 VwVG abgeleitet36.

Wie unter Ziffer 1 erwähnt, kann die beschwerdeführende Person vor Bundes-verwaltungsgericht keine Begehren stellen, die von der Vorinstanz nicht beur-teilt wurden oder hätten beurteilt werden müssen. Soweit die Vorinstanz je-doch von den Begehren abgewichen ist, kann die beschwerdeführende Person ihre Begehren wiederum anpassen.

Lässt das Bundesverwaltungsgericht ausnahmsweise eine Änderung der Begehren zu, muss dies aus prozessökonomischen Gründen gerechtfertigt sein. Es muss der Sachzusammenhang zum Streitgegenstand gewahrt werden und die Vorinstanz muss sich dazu äussern können37.

Neue Tatsachen und Beweismittel, welche vor der Vorinstanz noch nicht be-rücksichtigt worden sind, dürfen vorgebracht werden. Dabei ist es unerheb-lich, ob es sich um echte oder unechte Noven handelt. Echte Noven sind Sachumstände, die sich zeitlich nach Einleitung des Rechtsmittelverfahrens ereignet haben. Unechte Noven sind solche, die sich vorher ereignet haben, jedoch bislang nicht in das Verfahren einbezogen wurden38. Das Recht, echte Noven vorzubringen, ergibt sich daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht seinem Entscheid den Sachverhalt zu Grunde legt, wie er sich im Zeitpunkt des Entscheids verwirklicht hat und wie er bewiesen ist.

Desgleichen kann eine neue rechtliche Begründung vorgebracht werden.

Immerhin, was infolge nachlässiger Prozessführung oder gar zur Verschlep-pung des Verfahrens nicht vorgebracht worden ist, muss nicht mehr berück-sichtigt werden39. Will somit eine Prozesspartei aus taktischen Gründen ein Tatsachen- oder Rechtsvorbringen vorerst zurückhalten, könnte damit auch das Risiko verbunden sein, dass dieses aus dem Recht gewiesen werden könn-te, wenn man ihr dies als Nachlässigkeit anlasten würde.

36 BVGer, Urteil A-3713/2008 vom 15.6.2011 E. 2.1; zudem vorne bei Fn. 35. 37 Vgl. dazu BVGE 2009/37 E. 1.3.1; es ging in diesem Fall um die Kostentragung einer Stu-

die zu Varianten der Verlegung einer Rohrleitung sowie um zusätzliche Massnahmen, die nicht im Dispositiv der angefochtenen Verfügung erschienen.

38 BVGer, Urteil B-1583/2011 vom 8.6.2011 E. 3.1; MOSER/BESUCH/KNEUBÜHLER,Rz. 2.204; SEETHALER/BOCHSLER, in: Waldmann/Weissenberger, VwVG Praxiskommentar, Art. 52 Rz. 77 ff.

39 BGE 136 II 165 E. 4.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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4. Weitere Anforderungen an die Beschwerde

Die Beschwerde ist grundsätzlich in der Sprache des angefochtenen Ent-scheids abzufassen. Das Gericht kann aber das Verfahren in einer anderen Amtssprache führen, wenn die Parteien diese verwenden (Art. 33a Abs. 2 VwVG). Häufig ist es auch so, dass jede Partei die eigene Amtssprache ver-wendet, wenn die Parteien aus verschiedenen Landesteilen der Schweiz stam-men. Rechtsschriften in einer anderen als der Amtssprache können ebenfalls entgegengenommen werden, was bei einer in Englisch verfassten Rechts-schrift jedenfalls denkbar ist, namentlich wenn auch die Akten nur in engli-scher Sprache vorhanden sind40.

Die Beschwerde ist sodann zu unterschreiben (Art. 52 Abs. 1 VwVG). Fax-eingaben nimmt das Gericht entgegen, setzt jedoch gestützt auf Art. 52 Abs. 2 VwVG eine kurze Nachfrist, um das unterzeichnete Exemplar nachzureichen. Allerdings ist dies nur der Fall, soweit es allein um ein Rechtsverhältnis zwi-schen der beschwerdeführenden Person und dem Staat geht und sich nicht weitere Verfahrensbeteiligte gegenüberstehen, die auf die Rechtskraft des an-gefochtenen Entscheids vertrauen durften41. Vorbehalten bleibt der Rechts-missbrauch. Nicht ganz einleuchtend ist in dieser Hinsicht die Praxis des Bun-desgerichts, welche Faxeingaben generell als rechtsmissbräuchlich qualifiziert, zumal der Inhalt der Beschwerde nachträglich gar nicht mehr geändert werden kann42.

Soweit ersichtlich hat das Bundesverwaltungsgericht die elektronische Über-mittlung noch nicht eingeführt. Diese ist in Art. 21a VwVG vorgesehen, wo-bei gemäss Übergangsbestimmung VwVG, die analog anzuwenden ist, eine Übergangsfrist von zehn Jahren seit der Inkraftsetzung der Änderung vom 17. Juni 2005 besteht. Die Inkraftsetzung erfolgte am 1. Januar 200743. Weil die Zulassungsvoraussetzungen für die elektronische Zustellung doch einige An-forderungen stellen und zudem der Zustellungsnachweis von der beschwerde-führenden Person zu erbringen ist, ist der praktische Vorteil dieser Zustel-

40 MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Rz. 2.224 verweisen auf Art. 42 Abs. 6 BGG, wonach nicht in der Amtssprache verfasste Beschwerden zurückgewiesen werden können, aber nicht müssen.

41 BVGer, Urteil B-7123/2009 vom 26.5.2010. 42 Vgl. dazu BGer, Urteil 9C_739/2007 vom 28.11.2007 E. 1.2; MERZ, in: Niggli et al., BSK

BGG, Art. 42 Rz. 35. 43 RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Rz. 913.

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lungsform nicht recht klar44. Eine Zustellung per E-Mail genügt allerdings ge-nauso wenig wie die Faxeingabe.

B. Rechtsfolgen einer ungenügenden Beschwerde

Art. 52 Abs. 2 VwVG sieht die Möglichkeit vor, dass eine kurze Nachfrist angesetzt werden kann, wenn die genannten Anforderungen an die Beschwer-deschrift nicht erfüllt sind. Das Bundesverwaltungsgericht prüft zuerst, ob die Beschwerde nicht offensichtlich unzulässig ist. Die Nachfristansetzung erfolgt zudem nur dann, wenn sich aus der Beschwerde zumindest der Wille der be-treffenden Person ergibt, als Partei aufzutreten und die Verfügung anzufech-ten. Wenn beispielsweise unzweideutig nur eine Dispositivziffer angefochten wird und die beschwerdeführende Partei nachträglich das Versehen entdeckt, erfolgt keine Nachfristansetzung45. In der Lehre wird zu Recht darauf hinge-wiesen, dass ein Mindestmass an Sorgfalt bei der Abfassung der Beschwerde vorhanden sein muss, zumal der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu-kommt46.

C. Die Anforderungen an die Vernehmlassung

Nach Eingang der Beschwerde wird der Schriftenwechsel eröffnet (Art. 57 Abs. 1 VwVG). Die Vorinstanz und allfällige private Gegenparteien werden zur Vernehmlassung eingeladen. Die Vorinstanz wird gleichzeitig aufgefor-dert, die Akten zu überweisen. Der Schriftenwechsel dient einerseits der rich-tigen Sachverhaltsabklärung und andererseits ebenso der Wahrung des rechtli-chen Gehörs. Vorne wurde festgehalten, dass an die Vernehmlassungen grundsätzlich dieselben Anforderungen zu stellen sind wie an die Beschwer-den selbst47. In Bezug auf die Begründungsanforderungen kann folglich auf das soeben im Abschnitt A/2–4. Ausgeführte verwiesen werden. Ebenso gilt das in Bezug auf das Novenrecht Gesagte. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vorgebracht werden, wenn sie ausschlaggebend sind. Zulässig dürfte es im Gegensatz zur Beschwerde aber sein, generell oder punktuell auf die Be-gründung des angefochtenen Entscheids zu verweisen.

44 Dazu die Verordnung des Bundesrates über die elektronische Übermittlung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vom 18. Juni 2010 (SR 172.021.2); VeÜ-W; es sind die anerkannten Kommunikationskanäle, Zustellungsplattformen und Dateiformate zu berücksichtigen. Zu-dem muss die elektronische Unterschrift zertifiziert sein.

45 Vgl. BVGer, Urteil B-3113/2008 vom 23.7.2008 E. 2.2. 46 RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Rz. 1619. 47 Vorne I.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

38

In Bezug auf die zulässigen Begehren ergeben sich demgegenüber Besonder-heiten. Die Vorinstanz und die Gegenparteien sind an den Streitgegenstand gebunden. Sie können jedoch, soweit eine Verschlechterung zulässig ist (Art. 62 Abs. 2 VwVG), auch Anträge zuungunsten der beschwerdeführendenPartei stellen. Dabei ist jedenfalls der Sachzusammenhang zum Streitgegen-stand zu wahren.

Nicht ganz eindeutig ist, ob im Vergleich zum Streitgegenstand nur ein weniger oder mehr verlangt werden kann, oder ob der Streitgegenstand qualitativ verändert werden darf48, indem z.B. eine neue Auflage beantragt wird. Wenn allein ein Sach-zusammenhang zum Streitgegenstand verlangt wird, ist es in einem engen Rahmen wohl auch zulässig, Anträge zu stellen, die den Streitgegenstand qualitativ verän-dern können49.

Solche Anträge sind allerdings eher als prozessuale Anregungen zu verstehen, zumal diese bei einem Rückzug der Beschwerde wegfallen. Sie werden auch dann nicht behandelt, wenn auf das Rechtsmittel nicht eingetreten werden kann. Die Vernehmlassungen können somit auch nicht die Funktion der An-schlussbeschwerde übernehmen, die im öffentlichen Prozessrecht wenig ver-breitet ist50. Über den Streitgegenstand hinausgehende Anträge findet man insbesondere in der folgenden Konstellation:

Ein Gesuch wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen. Soweit es ab-gewiesen wurde, ist es angefochten. Die Gegenpartei kann nunmehr beantragen, dass das gesamte Gesuch abzuweisen sei.

Das Bundesverwaltungsgericht ist allerdings in Bezug auf die reformatio in peius eher zurückhaltend und sieht darin eine Art Notbremse, wenn der ange-fochtene Entscheid offensichtlich unrichtig ist und die Korrektur von erhebli-cher Bedeutung ist51.

III. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht

A. Allgemein

Die Anforderungen, die an eine Beschwerde an das Bundesgericht gestellt werden, sind ungleich höher. Dies hängt auch mit der Funktion des Bundesge-

48 CAMPRUBI, in: Auer/Müller/Schindler, VwVG Kommentar, Art. 62 Rz. 5. 49 Vgl. den in Fn. 37 zitierten Entscheid. 50 Immerhin Art. 78 Abs. 2 EntG. 51 BVGer, Urteil A-1518/2006 vom 6.11.2008 E. 6.2.

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richts als oberste Justizbehörde der Schweiz zusammen52. Dementsprechend prüft das Bundesgericht grundsätzlich nur Rechtsverletzungen und ist an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt gebunden. Vor Bundesgericht gilt zudem die Eventualmaxime nicht nur in Bezug auf die Begehren, die be-reits in der Beschwerde zu erheben sind, sondern auch in Bezug auf die recht-lichen53 und allenfalls tatsächlichen Rügen und somit auch in Bezug auf allfäl-lige Beweismittel. Die strenge Eventualmaxime wird allerdings durch das Replikrecht gelockert, wenn die Vernehmlassungen Anlass zu weiteren recht-lichen Begründungen geben54.

Für die Beschwerdebegründung sind verschiedene Rechtsnormen von Bedeu-tung, die einerseits den Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen einschränken und andererseits die ausnahmsweise Untersuchung des Sachver-halts regeln:

– Art. 42 BGG enthält die allgemeinen Voraussetzungen an die Rechts-schriften. Diese Voraussetzungen gelten wiederum ebenso für die Ver-nehmlassungen55.

– Art. 106 Abs. 2 BGG schränkt das Prinzip der Rechtsanwendung von Am-tes wegen nach Abs. 1 dahingehend ein, dass die Verletzung von Grund-rechten und kantonalen Rechten nur insofern vom Bundesgericht geprüft wird, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Rügeprinzip). Das Rügeprinzip gilt weiter bei der Anfechtung von vorsorglichen Massnahmen nach Art. 98 BGG wie auch für die Be-schwerdegründe bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 117 BGG).

– Art. 97 Abs. 1 BGG bestimmt sodann, dass die Feststellung des Sachver-halts nur gerügt werden kann, wenn sie offensichtlich unrichtig oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Mit dem so formulierten Beschwerdegrund, der ebenfalls das Rüge-prinzip enthält, korrespondiert auch die beschränkte Untersuchungspflicht des Bundesgerichts in Bezug auf den Sachverhalt (Art. 105 BGG).

52 Vgl. zum Ganzen MEYER/BÜHLER, Anwaltsrevue 2008, S. 492 ff. 53 Vgl. BGE 138 II 217 E. 2.5: Ein Rechtsgutachten kann nach Ablauf der Rechtsmittelfrist

selbst wenn es angekündigt wird, nicht nachgereicht werden; verzichten Vorinstanz und Gegenparteien auf Vernehmlassung, kann es auch nicht im Rahmen des Schriftenwechsels eingereicht werden.

54 BGE 135 I 19 E. 2.2. 55 MERZ, in: Niggli et al., BSK BGG, Art. 42 Rz. 8, 37.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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– Schliesslich verlangt Art. 42 Abs. 2 BGG, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG besonders gerügt werden muss.

Die grundsätzliche Bindung des Bundesgerichts an die Sachverhaltsfeststel-lung und die besondere Rügepflicht der Beschwerdeführenden hat einerseits zur Folge, dass dem Bundesgericht der Sachverhalt nur dann darzulegen ist, wenn die Sachverhaltsfeststellung mit diesen qualifizierten Vorbringen gerügt werden soll. Andererseits bedeutet dies, dass Sachverhalts- und Rechtsfragen genau auseinander zu halten sind.

B. Anforderungen an die Beschwerde

1. Begehren

Nach Art. 42 Abs. 1 BGG haben die Rechtschriften ein Begehren zu enthalten, womit wiederum der Streitgegenstand bestimmt wird. Das Rechtsbegehren hat sich nach der reformatorischen Natur der Beschwerde auszurichten (Art. 107 Abs. 2 BGG). Fehlt es an einem reformatorischen Antrag, obwohl das Bun-desgericht nicht nur kassatorisch entscheidet, stellt das Bundesgericht auf die Begründung ab, soweit sich aus der Begründung zweifelsfrei ergibt, was die Beschwerdeführenden anstreben56. Gemäss der Lehre soll dieser Grundsatz auch gelten, wenn das Begehren überhaupt fehlt57. Insoweit sind die Anforde-rungen vergleichbar mit denjenigen, wie sie für das Bundesverwaltungsgericht gelten. Allerdings ist zu beachten, dass das Bundesgericht in Bezug auf Stimmrechtsbeschwerden bereits eine Ausnahme entschieden hat und einen kassatorischen Antrag nicht genügen lässt58. Kassatorische Anträge verbunden mit einem Rückweisungsantrag sind jedoch stets zu stellen, wenn ein Nichteintretensentscheid angefochten wird, der sich nicht gleichzeitig zu den materiellen Fragen äussert.

2. Begründung

Dass die Anforderungen an die Begründung der Beschwerde sehr hoch ange-setzt sind59, zeigt sich bereits an der hohen Anzahl von in der amtlichen

56 BGE 133 II 409 E. 1.4.1. 57 MERZ, in: Niggli et al., BSK BGG, Art. 42 Rz. 18. 58 Vgl. BGer, Urteil 1C_253/2009 vom 1.10.2009 E. 3.2. 59 Vgl. auch MEYER/BÜHLER, Anwaltsrevue 2008, S. 493.

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Sammlung publizierten Entscheiden, die sich mit den Begründungsanforde-rungen befassen.

Art. 42 Abs. 2 BGG besagt im Einzelnen, dass in der Begründung in gedräng-ter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die Beschwerdeführenden haben sich somit mit den Erwägungen des angefochte-nen Entscheids und den anwendbaren Rechtsnormen auseinanderzusetzen.Pauschale Verweise auf andere Rechtsschriften oder Akten akzeptiert das Bundesgericht nicht. Sie sind nur zulässig, wenn daraus hervorgeht, weshalb und in welchen Punkten die beschwerdeführende Partei den vorinstanzlichen Entscheid anficht60. Das Bundesgericht geht allfälligen Rechtsmängeln im vorinstanzlichen Entscheid, die nicht ausdrücklich gerügt worden sind, nur nach, wenn diese offensichtlich sind, wobei das Bundesgericht weder an die Begründung durch die Beschwerdeführenden noch an diejenige im angefoch-tenen Entscheid gebunden ist61. Darin liegt auch ein wesentlicher Unterschied zur Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welches das Recht bereits dann von Amtes wegen anwendet, wenn sich Anhaltpunkte aus den Akten oder den Parteivorbringen ergeben, dass der vorinstanzliche Entscheid rechts-fehlerhaft sein könnte.

Aus Art. 42 Abs. 2 BGG ergibt sich zwar – wie beim Bundesverwaltungsge-richt – nicht, dass die als verletzt gerügte Rechtsnorm ausdrücklich genannt werden muss. Es muss aber aus der Beschwerdeschrift gleichwohl hervorge-hen, welche Rechtsvorschriften die Vorinstanz verletzt haben soll62. Diese wiederum eher grosszügig erscheinende Auslegung von Art. 42 Abs. 2 BGG erfährt in Bezug auf die Darlegung der Prozessvoraussetzungen Einschrän-kungen.

So sind etwa die Legitimationsvoraussetzungen insbesondere bei Nachbarbe-schwerden im Einzelnen darzulegen63; bei der Anfechtung von Vor- oder Zwi-schenentscheiden ist der nicht wieder gut zumachende Nachteil darzulegen oder es ist darzutun, dass sofort ein Endentscheid herbeigeführt werden könnte64; ferner muss gestützt auf Art. 42 Abs. 2 BGG in Verbindung mit Art. 85 BGG dargelegt werden, wenn das Bundesgericht seine Zuständigkeit nur bejahen kann, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt oder vom Streitwert abhängig ist, was für das Staatshaftungsrecht und das Personalrecht von Bedeutung ist. Bei Angelegenheiten über die öffentliche Beschaffung muss sodann einerseits der Schwellenwert dargetan sein und andererseits ebenso die Rechtsfrage von grund-

60 BGE 134 I 303 E. 1.3. 61 BGE 133 II 254 E. 1.4.1; MEYER/BÜHLER, Anwaltsrevue 2008, S. 493. 62 BGE 134 V 53 E. 3.3. 63 BGE 133 II 249 E. 1.1. 64 Art. 93 Abs. 1 BGG; BGE 134 II 137 E. 1.3.3.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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sätzlicher Bedeutung (Art. 83 lit. f BGG)65. Bei Rechtshilfeverfahren schliesslich ist der besonders bedeutende Fall darzulegen (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 84 BGG).

Die weniger strengen Voraussetzungen gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG gelten zudem nur, wenn Rechtsverletzungen gerügt werden, die nicht die Grundrech-te (Art. 106 Abs. 2 BGG) oder die verfassungsmässigen Rechte betreffen (Art. 98 BGG). Für diese gilt wie erwähnt das strenge Rügeprinzip. Diese be-deutet, dass die als verletzt gerügte Norm nur insoweit geprüft wird, als deren Verletzung präzis geltend gemacht wird. Das heisst, es ist genau auszuführen, worin die Rechtsverletzung besteht und inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sind66. Dies bedeutet, dass das verfassungsmässige Recht in seine einzelnen Tatbestandselemente aufzuschlüsseln ist und alsdann dargelegt werden muss, inwiefern der angefochtene Entscheid die verfassungsmässigen Rechte verletzt. Bei der Willkürrüge bereitet dies immer wieder Mühe. Die Anwendung von kantonalem Recht oder von interkantonalem Recht kann nur insoweit gerügt werden, als eine Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht wird67. Im Regelfall steht dabei die Rüge der Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) im Vordergrund. Es ist somit darzulegen, – dass die beanstandete Rechtsanwendung unhaltbar ist oder – mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder – eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder – in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanke zuwiderläuft68.

Das Rügeprinzip gilt ferner auch, wenn die unrichtige Feststellung des Sach-verhalts gerügt werden soll. Grundsätzlich ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Gestützt auf Art. 97 Abs. 1 BGG (i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG) kann jedoch geltend gemacht werden, dass – die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig ist oder – auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht69

– und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entschei-dend ist.

Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist70. Dies wiederum ist der Fall, wenn die Sachverhaltsfeststellung71

65 Vgl. BGE 137 II 313 E. 1.1.1. 66 BGE 133 II 249 E. 1.4.2; MEYER/BÜHLER, Anwaltsrevue 2008, S. 494 ff. 67 Art. 106 Abs. 2 BGG ist insoweit missverständlich formuliert. 68 MERZ, in: Niggli et al., BSK BGG, Art. 42 Rz. 53; WIEDERKEHR/RICHLI, Rz. 1924 ff.;

BGE 133 II 396 E. 3.2. 69 Bei der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die zulässige Rüge auf die verfassungswid-

rige Sachverhaltsfeststellung, Art. 118 BGG.

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– offensichtlich unhaltbar ist oder – in offensichtlichem Widerspruch zu den Akten steht oder – dem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht oder – die Vorinstanzen ohne vernünftigen Grund eine wesentliche Tatsache un-

berücksichtigt gelassen haben oder – sich über den Sinn und die Tragweite der Tatsache getäuscht haben oder – aufgrund des Tatsachenfundamentes unhaltbare Feststellung getroffen ha-

ben.

Auf einer Rechtsverletzung beruht die Sachverhaltsfeststellung, wenn eines der in Art. 95 BGG genannten Rechte verletzt ist. Geht es um die Sachverhalts-feststellung durch eine kantonale Instanz, wird es häufig um die Rüge der Ver-letzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) gehen oder aber, was ebenso häufig ist, um die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Als Rechtsverletzung gilt auch die unvollständige Sachverhaltsfeststellung72.

Die unterschiedliche Begründungspflicht für Rechts- und Sachverhaltsfragen bedeutet, dass zwischen Rechts- und Sachverhaltsfragen in der Rechtsschrift klar unterschieden werden muss. Dies bereitet einige Schwierigkeiten, zumal in den vorinstanzlichen Verfahren diese Unterscheidung nicht getroffen wer-den muss und unter dem Regime des aOG solange unnötig war, als die Vor-instanzen des Bundesgerichts noch keine Gerichte waren73. Tatfrage ist, ob sich die rechtserhebliche Tatsache verwirklicht hat. Die rechtliche Würdigung der Tatsachen hingegen sind Rechtsfragen. Zur Sachverhaltsfeststellung gehö-ren z.B. – die Beweiswürdigung wie auch die antizipierte Beweiswürdigung; – die Abschätzung von Wahrscheinlichkeiten74;– die Würdigung von Expertisen75.

Als Rechtsfrage gilt z.B. – ob ein bestimmter Umstand in die Interessenabwägung einzubeziehen

ist76;– ob die Verhältnismässigkeit noch gewahrt wird77;– die Frage des Beweismasses sowie der Beweislast.

70 Vgl. zur Diskussion, ob die Gleichsetzung mit dem Willkürverbot gerechtfertigt ist, MEY-ER/DORMANN, in: Niggli et al., BSK BGG, Art. 105 Rz. 52.

71 BGE 137 I 58 E. 4.1.2. 72 BGE 137 I 58 E. 4.1.2; MEYER/BÜHLER, Anwaltsrevue 2008, S. 496. 73 Art. 105 Abs. 2 aOG; KÖLZ/HÄNER, Rz. 957. 74 SCHOTT, in: Niggli et al., BSK BGG, Art. 95 Rz. 29. 75 BGE 137 II 222 E. 7.4; vgl. auch BGE 136 II 405 E. 4.3, 4.5. 76 BGE 136 II 447 E. 2.2. 77 BGE 136 II 539 E. 3.2.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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Namentlich bei der Verhältnismässigkeitsprüfung und der Interessenabwä-gung zeigt sich, dass im Verwaltungsrecht eine enge Verflochtenheit von Tat- und Rechtsfragen besteht78. Gerade bei der Gewichtung der Interessen ist je-weils auch die Gefährdung des betroffenen Interesses abzuschätzen. Eine neue Praxis dazu besteht allerdings noch nicht79.

3. Noven

Art. 99 BGG regelt das Novenrecht. Neue Rechtsbegehren sind gestützt auf Art. 99 Abs. 1 BGG ausgeschlossen. Hier gibt es jedoch eine wesentliche Ausnahme. Nach Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG sind die Bundesbehörden berech-tigt, erst vor Bundesgericht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angele-genheiten zu erheben. Die Bundesbehörden müssen sich somit an den vorins-tanzlichen Verfahren noch nicht beteiligen. Demgemäss gesteht es das Bundesgericht den legitimierten Bundesbehörden auch ein, dass diese Anträge zu Lasten der Verfügungsadressaten stellen und neue Tatsachen und Beweis-mittel vorbringen dürfen80.

Weil das Bundesgericht grundsätzlich an die Sachverhaltsfeststellung der Vor-instanz gebunden ist, ist das Novenrecht auch in Bezug auf neue Tatsachen oder Beweismittel eingeschränkt. Art. 99 Abs. 1 BGG lässt neue Tatsache oder Beweismittel zu, wenn erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. Zudem ist diese Frage nur dann zu entscheiden, wenn die Sachverhalts-feststellung gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG gerügt werden soll. Echte Noven sind zudem jedenfalls unzulässig, weil das Bundesgericht seinem Entscheid den Sachverhalt zu Grunde legt, wie er sich im Zeitpunkt des Entscheides der Vor-instanz darstellte81.

Weil Art. 99 Abs. 1 BGG die rechtliche Begründung nicht erwähnt, lässt es das Bundesgericht zu, dass diese – sofern sie rechtzeitig vorgebracht wird – im Rahmen des Streitgegenstandes geändert werden darf82.

78 Vgl. in Bezug auf die materielle Enteignung, ZEITER, Distinction, S. 130, wo die Unter-scheidung als eher einfach dargestellt wird, im Gegensatz wiederum zur Feststellung einer diskriminierenden Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts, ders., Distinction,S. 173.

79 Vgl. zu den weiteren Beispielen SCHOTT, in: Niggli et al., BSK BGG, Art. 95 Rz. 29 f. 80 BGE 136 II 359 E. 1.2. 81 BGE 135 I 221 E. 5.2.4. 82 BGE 138 II 217 E. 2.2; 136 V 362 E. 4; 134 V 208 E. 3.6.2.

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4. Weitere Anforderungen an die Beschwerde

Die Beschwerde ist in einer Amtssprache abzufassen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Dabei sind die Privaten in der Wahl der Amtssprache grundsätzlich frei, wäh-rend die Behörden die von den Betroffenen verwendete Amtssprache gebrau-chen sollen83. Die Regelungen zur Verfahrenssprache gemäss Art. 54 BGG entsprechen denjenigen von Art. 33a Abs. 2–4 VwVG, die auch für das Bun-desverwaltungsgericht gelten.

Die Beschwerde ist zu unterschreiben, wobei das Bundesgericht Faxeingaben nicht akzeptiert84. Die elektronische Eingabe vor Bundesgericht ist möglich und im entsprechenden Reglement, welches das Bundesgericht gestützt auf Art. 42 Abs. 4 und Art. 60 Abs. 3 BGG erlassen hat, geregelt85.

C. Rechtsfolge einer ungenügenden Beschwerde

Fehlt es an der Unterschrift der Partei oder der Rechtsvertretung, an der Voll-macht oder an den vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, wird gestützt auf Art. 42 Abs. 5 BGG Nachfrist zur Verbesserung angesetzt. Ist die Rechtsschrift unleserlich, ungebührlich, unverständlich, übermässig weitschweifig oder nicht in einer Amtssprache verfasst, wird sie ebenfalls zur Nachbesserung zurückgewiesen (Art. 42 Abs. 6 BGG). E contrario folgt daraus, dass eine ungenügende Begründung keinen Grund für die Nachbesserung darstellt. Weil es in diesem Fall an einer Prozessvorausset-zung fehlt, wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.

D. Anforderungen an die Vernehmlassung

In Bezug auf die Anforderungen an die Vernehmlassungen gilt das zur Be-schwerde vor Bundesverwaltungsgericht Gesagte sinngemäss86. Die zur Ver-nehmlassung Eingeladenen können eigene Anträge stellen, wobei das Bundes-gericht im Gegensatz zum Bundesverwaltungsgericht an die Anträge in der Beschwerde gebunden ist. Über den Streitgegenstand hinausgehende Begeh-ren können somit nicht gestellt werden. Auch hier gilt es zu berücksichtigen, dass die Anschlussbeschwerde unzulässig ist. Wer durch den vorinstanzlichen

83 BGE 130 I 234 E 3.5. 84 Dazu vorne bei Fn. 42. 85 Reglement des Bundesgerichts über den elektronischen Rechtsverkehr mit Parteien und

Vorinstanzen (ReRBGer) vom 5. Dezember 2006 (SR 173.110.29). 86 Vorne II.C.

Die Anforderungen an eine Beschwerde

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Entscheid in seinen schutzwürdigen Interessen betroffen ist, hat somit bei ge-gebenen Voraussetzungen (insbesondere Art. 89 BGG) selbständig Beschwer-de zu erheben87.

IV. Schluss

Die Anforderungen an die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und an das Bundesgericht unterscheiden sich aufgrund der unterschiedlichen Funk-tion dieser Gerichtsinstanzen erheblich. Von den Anforderungen an die Be-schwerde hängt einerseits die Rechtsanwendung von Amtes wegen ab. Wäh-rend dem Bundesverwaltungsgericht Anhaltspunkte in den Parteivorbringenund den Akten bereits genügen, schreitet das Bundesgericht nur ein, wenn es offensichtlich falsche Entscheide zu verhindern gilt. Das Bundesgericht kann sich dabei auf Art. 42 Abs. 2 BGG abstützen, der spezifische Begründungsan-forderungen enthält. In Bezug auf die Rüge der Verletzung von Grundrechten gilt sodann das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). In Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung ergibt sich der wesentliche Unterschied dadurch, dass das Bundesgericht grundsätzlich an die Sachverhaltsfeststellung der Vorins-tanz gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde an das Bundesver-waltungsgericht ist damit zweifellos «rechtsschutzfreundlicher». Die hohen Anforderungen an die Beschwerde an das Bundesgericht sind im Gesetz ange-legt. Sie dürften nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass die allgemeinen Verfahrensbestimmungen immer auch für die zivilrechtlichen Verfahren gel-ten. Man kann sich allerdings durchaus die Frage stellen, ob die gesetzlichen Anforderungen vom Gericht nicht vermehrt zugunsten der Rechtssuchenden ausgelegt werden sollten, namentlich wenn es um die Anwendung von Grund-rechten geht. So stellt sich die Frage, ob dort, wo das Rügeprinzip gilt, die Rechtsnorm tatsächlich in ihre Tatbestandselemente aufgegliedert werden muss, damit die Rügen ausreichen. Bei der Bindung an die Sachverhalts-feststellung wird sich die Praxis gerade im Bereich der Verhältnismässigkeits-prüfung noch herauszubilden haben. Hier sollte die Praxis jedoch zugunsten der Anwendung der verfassungsmässigen Rechte und Prinzipien dahin gehen, dass dort, wo Rechts- und Sachverhaltsfragen nicht auseinanderzuhalten sind, im Zweifelsfall von einer Rechtsfrage auszugehen ist. Die Hürden an die Be-schwerdeschriften, die bereits aufgrund der gesetzlichen Grundlagen sehr streng sind, sollten durch das Gericht nicht noch höher gesetzt werden. Die gilt insbesondere bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenhei-ten, bei welcher immer auch öffentliche Interessen in Frage stehen.

87 BGE 136 II 508 E. 1.3.