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b b z Berliner Bildungszeitschrift APRIL 2019 BERLIN 72. (87.) JAHRGANG GEWERKSCHAFT Ein Abend, der in Erinnerung bleibt HOCHSCHULE Der Einfluss der Rechts- nationalist*innen wächst SCHULE Unser Plan für mehr Schulqualität VOLLE KASSEN OLLE KLASSEN

Berliner Bildungszeitschrift...im Bildungsbereich geschaffen. 200 soge-nannte Kitahelfer*innen sollen die Fach-kräfte in den Kitas bei der Essensversor-gung, beim Vorlesen oder beim

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Page 1: Berliner Bildungszeitschrift...im Bildungsbereich geschaffen. 200 soge-nannte Kitahelfer*innen sollen die Fach-kräfte in den Kitas bei der Essensversor-gung, beim Vorlesen oder beim

bbzBerliner Bildungszeitschrift

APRIL 2019

BERLIN72. (87.) JAHRGANG

GEWERKSCHAFTEin Abend, der in Erinnerung bleibt

HOCHSCHULEDer Einfluss der Rechts-nationalist*innen wächst

SCHULEUnser Plan für mehr Schulqualität

VOLLE KASSEN OLLE KLASSEN

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INHALT � bbz | APRIL�20192

SCHULE  24 Die Maßnahmen zur Verbesserung der Schulqualität von Schulsenatorin Scheeres gehen aus Sicht der

GEW BERLIN an den Problemen vorbei. Was wirklich nötig ist für eine gute Schule beschreibt Klaudia Kachelrieß.

HOCHSCHULE  30  Gegen Gender Studies, Transgender- Toiletten, Hörsaalbesetzungen und »die Tyrannei von Post-

modernisten« spricht sich die rechtsnationale »Campus Alter-native Berlin« aus, die sich jüngst an der FU gegründet hat.

Joshua Schultheis hat sich die Hochschulgruppe der AfD-Jugend-organisation »Junge Alternative« genauer angeschaut.

Leute | Standpunkt | kurz & bündig |

Impressum | Leser*innenforum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-5/35

TITEL

Volle Kassen olle Klassen M. Honisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Alle leiden unter den Zuständen an

Berliner Schulen J. Bähre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Eine Elternvertreterin berichtet von

ihren Erfahrungen M. Zander-Rade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10

Wieviel gibt Berlin für Bildung

aus? M. Schlichthörl / H. Schurig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Oft überhört: Die

Schulhausmeister*innen J. Bähre / R. Schiweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13

Die Sparmisere bei der Schulreinigung J. Bähre . . . . . . . . . . . . .16

GEWERKSCHAFT

Die erste »Lange Nacht der GEW« A. Özmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19

Udo Jeschal geht in den

Ruhestand D. Siebernik / T. Erdmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20

Von der Streikkonferenz T. Erdmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21

RECHT & TARIF

Der Tarifabschluss: Ein Erfolg für Berlin U. Mertens . . . . . . 22

SCHULE

Gute Schule jetzt! K. Kachelrieß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24

Investitionen in Digitalisierung

überfällig M. Retzlaff / S. Schädler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26

Geflüchtete Lehrkräfte hoffen auf Anerkennung

ihrer Qualifikation B. Al-Zoabi / J. Bähre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28

HOCHSCHULE

Über die Gründung der

»Campus Alternative Berlin« J. Schultheis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30

INTERNATIONALES

Pädagogische Alternativen in

Honduras I. Schimpf-Herken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32

ERWACHSENENBILDUNG

Wer sind die Honorarlehrkräfte? L. Guzzetti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34

SERVICE

Theater | Bücher | Materialien | Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

INHALT

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GEWERKSCHAFT  19 Fast 200 Mitglieder kamen zur »Langen Nacht der GEW«, um ihre GEW mal etwas besser kennenzulernen.

Erwartet wurden sie von einem bunten Programm aus politischen Diskussionen, Workshops, Musik und dem ersten

GEW-Speeddating. Mit dabei war auch Ajda Özmen.

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3APRIL 2019 | bbz  STANDPUNKT

Frank Rzeppa ist neuer Geschäftsführer der GEW BERLIN. Er tritt in die Fußstapfen von Udo Jeschal, der unsere Geschäftsstel-le über 32 Jahre sehr erfolgreich ge leitet hat und die GEW BERLIN wohl kennt, wie kein Zweiter (mehr auf Seite 20). Frank war die letzten Jahre beim DGB-Bundes-vorstand Referatsleiter für Organisations-politik und -entwicklung und früher auch schon einmal beim GEW-Hauptvorstand in Frankfurt beschäftigt. Seit Jahren ist er eh-renamtlich im GEW-Bezirk Mitte aktiv. Wir wünschen Frank alles Gute für seine Ar-beit und Udo einen verdienten Ruhestand!

Lydia Puschnerus und Karin Petzold wur-den vom Landesvorstand als neue Leiterin-nen des Vorstandsbereichs Schule in der GEW BERLIN gewählt. Karin ist Lehrerin an einer Spandauer Grundschule und Lydia an einem Gymnasium in Schöneberg. Wir sagen herzlichen Glückwunsch euch bei-den! Nach fast einem Jahr ohne ehrenamt-liche Leitung erhält der Vorstandsbereich Schule damit wieder Verstärkung.

Frank Wolf ist zum neuen ver.di-Landes-bezirksleiter für Berlin-Brandenburg gewählt worden. Bislang war der 56-jährige Wolf Fachbereichsleiter für Finanzdienstleistun-gen. Zu seiner Stellvertreterin wurde Andrea Kühnemann gewählt, die bislang Personal-ratsvorsitzende im Bezirks amt Tempelhof- Schöneberg war. Als zweite Vizin im Amt bestätigt wurde Gabi Lips. Die GEW BERLIN gratuliert allen Dreien zu ihrer Wahl und freut sich auf eine gute Zusammenarbeit!

Sigrid Baumgardt wechselt als Referentin für die Gemeinschaftsschulen in die Schul-aufsicht Steglitz-Zehlendorf. Seit ihrem Rücktritt als GEW-Landesvorsitzende Mitte 2015 kämpft sie in der Senatsbildungsver-waltung für die Gemeinschaftsschule. Oh-ne ihre Hartnäckigkeit wäre die Festveran-staltung zum zehnjährigen Jubiläum der Gemeinschaftsschule nie zustande ge-kommen. Danke, Sigrid!

Erhard Laube, früherer Vorsitzender der GEW BERLIN, ist gerne draußen unterwegs und fotografiert, was da alles so hoch und tief fliegt und liegt. Seine herrlichen Tier-fotos kann man sich unter www.erhard-laube.de anschauen.

 LEUTE

Ich habe meine Prioritäten gesetzt. Wie so viele andere. Und wenn ich die drei Fehl-stunden dann in meiner Freizeit nachho-len muss, dann ist das so. Es ist allerdings nicht fair, uns dann zu sagen, wir würden kein persönliches Opfer bringen. Wir im Organisationsteam stecken so viel Zeit, Arbeit und Leidenschaft in diese Streiks. Jeden Dienstag organisieren alle, die hel-fen wollen, ein zweistündiges Plenum. Niemand wird ausgeschlossen. Alle, die Lust haben, dürfen dazukommen und sich einem oder mehreren Arbeitsberei-chen anschließen. Dort entstehen dann immer wieder neue Gruppen, in denen geplant, organisiert und diskutiert wird. Man kann sich mit Gleichgesinnten aus-tauschen, fühlt sich sofort willkommen und merkt, wie sich die eigenen Ideen durch Teamwork umsetzen lassen.

Meine erste »Fridays for Future«- Gruppe war die der Schulverant-

wortlichen. Wir sind dafür zuständig, un-sere Schule über den Klimawandel und »Fridays for Future« zu informieren und unsere Mitschülerinnen und Mitschüler zu mobilisieren. Mittlerweile sehe ich kaum noch einen Chat auf meinem Han-dy, der nicht mit einem »Fridays for Futu-re«-Logo gekennzeichnet ist.

Natürlich ist das viel Arbeit und unzäh-lige Menschen fragen nach dem Warum. »Warum macht ihr das?« und »Warum ausgerechnet in der Schulzeit?« Ganz ein-fach: Weil es unsere Zukunft ist und wir noch nicht aufgegeben haben. Wir kön-nen nicht aufgeben! Die Schulpflicht ist das einzige Druckmittel, das wir haben, da wir nicht einmal wählen dürfen. Ge-nau deshalb nutzen wir dieses Mittel so gut wir können. Denn wir glauben, dass es noch nicht zu spät ist um etwas zu verändern!

Pauline Daemgen, 16 Jahre alt und Mit or­ganisatorin von »Fridays for Future« Berlin

Ich will, dass ihr in Panik geratet. Ich will, dass ihr die Angst spürt, die ich

jeden Tag spüre. Ich will, dass ihr han-delt, als würde euer Haus brennen. Denn es brennt.« Als ich dieses Zitat von Greta Thunberg zum ersten Mal hörte, dachte ich noch, es wäre übertrieben von Angst und Panik zu sprechen. Mittlerweile weiß ich, was Greta meint. Durch »Fridays for Future« habe ich gelernt, wie wichtig der Klimaschutz für mein Leben und das mei-ner zukünftigen Kinder ist. Dass momen-tan Menschen auf der anderen Seite der Welt sterben und um ihre Existenz kämp-fen müssen, weil wir so schlecht mit un-seren Ressourcen umgehen. Dass es so nicht weitergehen kann!

Durch »Fridays for Future« verstehen das immer mehr Jugendliche. Und mehr und mehr von ihnen gehen auf die Straße, um die Botschaft zu teilen und für ihre Zukunft zu kämpfen. Denn eine andere Möglichkeit haben wir nicht. Dies ist un-sere einzige Stimme. Und wir nutzen sie.

Es reicht nicht, uns im Geographieun-terricht vom Treibhauseffekt zu erzählen. Durch die Streiks habe ich in den letzten Monaten unfassbar viel gelernt. Über den Klimawandel, über die Politik und über menschliches Miteinander. Ich weiß jetzt, wie ich mich für meine Meinung, Interes-sen und Rechte einsetzen kann, was mir in der Schule so niemals hätte beigebracht werden können. Bei »Fridays for Future« lernt man aus den Erfahrungen der Ande-ren und macht selbst ständig neue.

Die Schulpflicht ist wichtig. Ich persön-lich stecke gerade mitten in meinen MSA- Prüfungen, doch auch mit drei Fehlstun-den pro Freitag schaffe ich das alles.FO

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RIVA

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Weil es unsere Zukunft istImmer mehr Schüler*innen schließen sichder Bewegung »Fridays for Future« an. Mit ihrem Kampf für den Klimaschutz wächst eine neue politische Generation heran

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4 KURZ & BÜNDIG  bbz | APRIL 2019

■ Solidarisches GrundeinkommenAb diesem Sommer startet Berlin das Pi-lotprojekt »Solidarisches Grundeinkom-men (SGE)« für zunächst 1.000 Langzeit-arbeitslose. Ein Viertel der Stellen werden im Bildungsbereich geschaffen. 200 soge-nannte Kitahelfer*innen sollen die Fach-kräfte in den Kitas bei der Essensversor-gung, beim Vorlesen oder beim Basteln unterstützen. In Schulen werden Schulor-ganisationsassistent*innen beim Inventa-risieren von Materialien, der Vorbereitung von Unterrichtsräumen oder in Schulbib-liotheken helfen. Grundlage des SGE ist ei-ne Veränderung des »Teilhabe und Chancen- Gesetzes« auf Bundesebene. Im Gegen-satz zu früheren Arbeitsmarktinstrumenten wie Mehraufwandsentschädigung (»1-Euro- Jobs«) oder Öffentlicher Beschäftigungs-sektor, erhalten die Personen einen unbe-fristeten Arbeitsvertrag. Zudem ist die Tätigkeit voll sozialversichert, inklusive Renten- und Arbeitslosenversicherung, und nach Tarif bezahlt. Falls kein Tarifver-trag vorliegt, wird der Landesmindestlohn von demnächst wahrscheinlich 11,30 Euro pro Stunde bezahlt. Ziel soll sein, dass die Beschäftigten eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt finden. Sollte das aber nicht gelingen, werden sie nach fünf Jahren in

einer Art Personalpool des Landes weiter-beschäftigt. Die SGE-Tätigkeit darf nur zu-sätzlich sein, das heißt, keine aktuellen Stellen ersetzen. Ein Beirat, in dem auch Gewerkschaften vertreten sein werden, wird das Projekt begleiten und Miss-brauch, zum Beispiel Verdrängung regu-lärer Arbeit, entgegenwirken.

■ Scheeres bei Mobbing-Bekämpfung unter Druck

Bildungssenatorin Sandra Scheeres will »mobbingfreie Schulen für ganz Berlin«. Hierfür will sie das Team der Antidiskri-minierungsbeauftragen der Bildungsver-waltung, Saraya Gomis, mit einer neuen Stel le für eine*n Anti-Mobbing-Beauftrag-te*n und einem*einer Schüler*in als An-sprechpartner*in verstärken. Scheeres kün- digte in einem Beitrag im Tagesspiegel wei-ter an, verpflichtende Fortbildungen für Schulleitungen, Anti-Mobbing- Kurse für El-tern und Pädagog*innen sowie eine Über-arbeitung des Meldeverfahrens für Mob-bing und Gewaltvorfälle umsetzen zu wol-len. Zusätzlich verwies Scheeres auf das Programm »Pro Respekt«, das sich an Schü-ler*innen, Eltern und Lehrkräfte richtet und in diesem Sommer starten soll. Schu-

len sollen im Rahmen dieses Programms bis zu zwei Sozialarbeiter*innen anfordern können, wenn sie das Gefühl haben, dass das innerschulische Klima von Respekt-losigkeit und Gewalt geprägt sei. Im Feb-ruar hatte auch der Landesschüleraus-schuss (LSA) angekündigt, gemeinsam mit der Crowdfunding-Plattform GoFund-Me unter dem Titel »Wir gegen Mobbing« Projekte gegen Mobbing fördern zu wol-len. Die Projekte sollen von Schüler*in-nen für Schüler*innen sein, denn sie seien die Expert*innen im Zusammenhang mit Mobbing, so die Landesschülersprecherin Eileen Hager. Der Tod einer Reinickendor-fer Schülerin Ende Januar hatte eine er-hitzte Debatte um Mobbing an Schulen ausgelöst. Scheeres wird von der CDU vor-geworfen, dass sie einen gemeinsamen Antrag von SPD und CDU mit dem Titel »Berliner Programm gegen Gewalt an Schulen« nicht umgesetzt habe. Ob der Suizid der Schüle rin überhaupt im Zu-sammenhang mit Mobbing steht, ist in-zwischen allerdings fraglich.

■ BAföG-Anhebung zu geringZum guten Leben reicht es zwar längst nicht, aber Studierende und Schüler*in-nen sollen laut einem Gesetzentwurf von Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ab Mitte dieses Jahres mehr BAföG bekom-men; ebenso soll wieder mehr Menschen ermöglicht werden, überhaupt BAföG zu beziehen. Der monatliche Höchst satz soll von derzeitigen 735 Euro in zwei Stufen bis 2020 auf rund 850 Euro steigen. Das beinhaltet eine Erhöhung der Mietkosten-pauschale von 250 auf 325 Euro – längst nicht genug für Berliner Mieten. Die Frei-beträge für das Einkommen der Eltern sollen bis 2021 um 16 Prozent angeho-ben werden, sowie der Freibetrag für das eigene Einkommen von derzeit 7.500 auf 8.200 Euro jährlich. Der Bundesrat fordert Nachbesserungen bei der Reform; insbe-sondere eine fortlaufende Anpassung der BAföG-Sätze an die Preis- und Einnahmens-entwicklung, wie es auch die GEW gefor-dert hat.

■ Digitalpakt kommt noch dieses JahrDer lange Streit um den Digitalpakt ist entschieden. Der Artikel 104 des Grund-gesetzes, in dem es um die Finanzhilfen des Bundes geht, wird geändert, sodass der Bund in den kommenden fünf Jahren jeweils eine Milliarde Euro pro Jahr zu den Ausgaben der Länder für die Digita-lisierung des Schulunterrichts zuschie-

Für Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen gehören die riesigen Gehaltsunterschiede zwischen Brandenburg und Berlin bald der Vergangenheit an. Die Gewerkschaften haben es geschafft, – dank der massiven Streiks in Berlin – eine Übertragung der Tabellen des kommunalen TVöD auf den TV-L zu vereinbaren. (Mehr dazu auf Seite 22) FOTO: CHRISTIAN VON POLENTZ/TRANSITFOTO.DE

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5APRIL 2019 | bbz  KURZ & BÜNDIG

ÜBRIGENS

Die bbz ist die Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Berlin, Ahornstr. 5, 10787 Berlin und erscheint monatlich (10 Ausgaben) als Beilage der E&W. Für Mit­glie der ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nicht ­mitglieder beträgt der Bezugspreis jährlich 18 Euro (inkl. Versand).Redaktion: Caroline Muñoz del Rio (verantwortlich), Markus Hanisch (geschäftsführend), Janina Bähre, Doreen Beer, Josef Hofman, Manuel Honisch, Antje Jessa, Arne Schaller, Ralf Schiweck, Folker Schmidt, Bertolt Prächt (Fotos), Gelareh Shahpar (studentische Hilfskraft), Doreen Stabenau (Sekretariat).Redaktionsanschrift: Ahornstraße 5, 10787 Berlin, Tel. 21 99 93­46, Fax –49, E­Mail bbz@gew­berlin.deAnzeigen und Verlag: GEWIVA GmbH, erreichbar wie Redaktion. Für Anzeigen gilt die Preisliste Nr. 15 vom 1.11.2018Satz, Layout und Konzept: bleifrei Texte + Grafik/Claudia Sikora/Jür­gen Brauweiler, Erkelenzdamm 9, 10999 Berlin, Tel. 61 39 36­0, Fax ­18, E­Mail info@bleifrei­berlin.deDruck: Bloch & Co, Grenzgrabenstr. 4, 13053 Berlin

ISSN 0944­3207 4/2019: 31.500

Unverlangt eingesandte Besprechungsexemplare und Beiträge werden nicht zurückgeschickt. Die Redaktion behält sich bei allen Beiträgen Änderungen vor. Beiträge nur per E­Mail einsenden. Die in der bbz veröffentlichten Artikel sind keine verbandsoffiziellen Mitteilungen, sofern sie nicht als solche gekennzeichnet sind.

IMPRESSUM

VON MITGLIEDERN FÜR MITGLIEDER

Die Redaktion freut sich über Beiträge zu viel fältigen Themen, von jedem

GEW­ Mitglied. Also schreibt für die bbz! Schickt eure Texte an bbz@gew­berlin.de

und bringt euch ein!

REDAKTIONSSCHLUSS –IMMER MITTWOCH

Juni 2019: 1. MaiJuli 2019: 28. Mai

werden, ohne dass ihr Förderstatus be-reits festgestellt worden ist. Die Verfas-ser*innen beklagen auch, dass Selbstver-ständlichkeiten wie funktionierende Toi-letten, Feueralarmanlagen und auf 20 Grad aufheizbare Klassenräume nicht an allen Schulen im Bezirk vorhanden seien.

■ Hochschulpakt muss Entfristungspakt werden

Die GEW hat sich dafür ausgesprochen, die Mittel aus dem Hochschulpakt künftig zu 100 Prozent für die Finanzierung von Dauerstellen an Hochschulen einzuset-zen. Darüber hinaus verlangt sie, dass der Hochschulpakt auf unbestimmte Zeit laufen soll. Ein gemeinsamer Aufruf von GEW, ver.di und dem Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft kann per On-line-Petition unterstützt werden. Voraus-sichtlich am 3. Mai wird die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern die Weichen für die Zukunft des Hochschulpakts stellen.

■ Depressiv in BerlinBerliner Kinder und Jugendliche sind de-pressiver und kränker als ihre Altersge-noss*innen in anderen Bundesländern. Das hat eine Auswertung der DAK-Ge-sundheit ergeben, die Mitte Februar vor-gestellt wurde. Demnach liegt beispiels-weise der Anteil der diagnostizierten Depressionen um 10 Prozent höher als in anderen deutschen Großstädten und 28 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Insgesamt sei nahezu jede*r zehnte Min-derjährige von psychischen Erkrankun-gen betroffen. Auch die Zahlen für psy-chische Erkrankungen bei Erwachsenen sind kaum irgendwo so hoch wie in Ber-lin. Umso schlimmer, dass die sozialpäd-agogischen Dienste der Jugendämter in Berlin so chronisch unterfinanziert sind – sind diese Stellen doch eigentlich ein Anlaufpunkt bei Krisen und Problemen. Schließlich gibt es darauf per Sozialge-setzbuch sogar einen Rechtsanspruch.

■ ReisekostenvergütungGut zu wissen: Das Bundesverwaltungs-gericht hat entschie den (Az. 5 C 9/17), dass einer Lehrkraft, die eine Klassen-fahrt beantragt, die volle Reisekostenver-gütung zusteht. Wer laut An tragsformular auf Teile der Vergütung ver zichtet, hat den-noch Anspruch auf die volle Vergütung. Der angemeldete Verzicht auf solchen Formularen ist unwirksam.

ßen kann. Nach dem finalen Kompromiss werden die Länder nun doch nicht mehr verpflichtet, bei Bundesprogrammen im-mer eine 50:50-Kofinanzierung zu leis-ten. Außerdem dürfen die Finanzhilfen des Bundes explizit auch »zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Infrastruktur« verwendet werden, das heißt auch für Fortbildungen von Lehrkräften und in die Bezahlung von Systemadmi-nistrator*innen. Die GEW begrüßt die Än-derungen. Es sei richtig, dass die Länder einen Eigenanteil beisteuern müssten und der Bund Kontrollmöglichkeiten über die Verwendung der Mittel aus dem Digi-talpakt erhalte, betonte die GEW-Vorsit-zende Marlis Tepe. Sie erneuerte ihre For-derung, dass das Kooperationsverbot in der Bildung nun endgültig fallen müsse, damit auch andere Projekte wie die Schul-haussanierung finanziert werden können.

■ Schüler-Klage gegen JobcenterDas Jobcenter muss Schüler*innen aus Fa-milien mit Hartz-IV-Bezügen keinen Com-puter zur Erledigung ihrer Hausaufgaben bezahlen. Für die Bereitstellung der Gerä-te sind die Schulen zuständig. Das geht aus einer mündlichen Verhandlung zwi-schen Jobcenter, Senatsverwaltung und der Mutter eines Schülers ohne eigenen PC am Berliner Sozialgericht Ende Februar hervor. Der Sechstklässler, vertreten durch seine Mutter, hatte im März 2018 beim Jobcenter die Kostenübernahme für einen Computer beantragt. Der als Zeuge gela-dene Schulleiter erklärte, Kinder bräuch-ten auch von zu Hause aus einen Zugang zu digitalen Endgeräten – vergeblich. Laut Landesgesetz sei es Pflicht der Schulbe-hörde, den Schüler*innen nötige Lehrmit-tel zur Verfügung zu stellen.

■ Brandbrief aus Tempelhof-Schöneberg

Lehrkräfte und Sozialpädagog*innen aus Tempelhof-Schöneberg machten Ende Fe-bruar in einem Brandbrief auf zahlreiche Missstände an ihren Schulen aufmerk-sam: »Das größte von Senatsseite in Kauf genommene strukturelle Problem an un-seren Schulen ist die Umsetzung von In-tegration und Inklusion«, heißt es in dem Brief. Die Lehrkräfte kritisieren, dass zu wenig Sonderpädagog*innen an den Schu-len verfügbar seien. Ein besonderes Pro-blem sei die Klassengröße. Sie bliebe trotz vieler Kinder mit Förderbedarf sehr hoch, weil die Schüler*innen eingeschult

Ganz besonders glücklich sind wir in dieser Ausgabe über den Beitrag der

Schülerin Pauline, die über ihr Engage-ment bei der Klimaschutzbewegung »Fridays for Future« scheibt. Wir finden: Die politischen Proteste der Schüler*innen verdienen unsere Solidarität und unsere Unterstützung!

Erfreut haben uns in der Redaktion auch unsere »Neuen«. Joshua, der erst

zum zweiten Mal bei unserer Redaktions-sitzung war, hat direkt einen eigenen, gut recherchierten Artikel über die rechte »Campus Alternative Berlin« vorgelegt. Wir waren beeindruckt!

Wegen gleich mehrerer Krankheiten mussten wir in dieser Ausgabe viel

improvisieren. Wenn im Laufe einer Heft-produktion immer wieder Ausfälle zu kompensieren sind, ist Teamarbeit und gute Kommunikation gefragt, damit der rote Faden nicht verloren geht. Wir hoffen, dass uns das gelungen ist. CMdR

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6 TITEL VOLLE KASSEN, OLLE KLASSEN bbz | APRIL 2019

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77APRIL 2019 | bbz VOLLE KASSEN, OLLE KLASSEN TITEL

Die Kassen sind gut gefüllt. Die der Deutschen Bank, der Deutschen Wohnen und des Invest-mentfonds Blackrock sowieso. Aber auch der

Finanzsenator hat seit einiger Zeit wieder finanziellen Spielraum. Dennoch sehen unsere Schulen so aus, wie sie aussehen. Die Kürzungsorgie unter Wowereit und Sarrazin zeigt langfristig Wirkung. Berlins Infra-struktur wurde kaputtgespart, das Tafelsilber ver-scherbelt, und die aktuelle Landesregierung hat es schwer, diesen Schaden zu reparieren. Aber auch manche gutgemeinte Initiative verläuft zwischen Per-sonalmangel in den Verwaltungen, Inkompetenz und Ineffizienz im märkischen Sand. So ist von der groß angekündigten Schulbauoffensive bisher wenig zu sehen. Zwar haben die Bezirke wie-der mehr Geld, um die Schulgebäude zu unterhalten. Hausmeister*innen sind aber weiter Mangelware. Die Schulreinigung verbleibt in der Hand profitorientier-ter Unternehmen, mit den bekannten Ergebnissen. Viele Probleme sind sicher hoch komplex und nur mit viel Zeit zu lösen. Dennoch wundert man sich über

manch vermeintliche Kleinigkeit, die mit etwas Geld doch zu regeln sein sollte. Wie kann es sein, dass selbst Kopien an vielen Schulen immer noch abge-zählt werden? Von Schreibtischen und Computerar-beitsplätzen im Personalraum ganz zu schweigen.Die bbz wirft einen Blick auf die Berliner Schulen in Zeiten voller Kassen. Unsere Redakteurin Janina Bähre berichtet aus Neukölln. Dort sind leider auch die Klassen übervoll, und es bleibt buchstäblich die Luft zum Atmen weg (Seite 8). Martina Zander-Rade be-richtet aus 20 Jahren Erfahrung als Elternvertreterin in Berlin, zwischen Langzeitprovisorien und engagier-ten Schulgemeinden (Seite 10). Die AG Bildungsfinan-zierung der GEW BERLIN untersucht die öffentlichen Ausgaben für Bildung und hat Erstaunliches zu Tage gefördert (Seite 12). Die Leidtragenden der aktuellen Misere sind nicht nur Pädagog*innen, Eltern und Kin-der. Für Hausmeister*innen und Reinigungspersonal haben sich die Arbeitsbedingungen massiv ver-schlechtert. Wir haben mit einigen von ihnen gespro-chen (Seite 13).

von Manuel Honisch

VOLLE KASSEN OLLE KLASSEN

Bild links: Neu versus alt auf dem Campus Efeuweg in Neukölln

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8 TITEL VOLLE KASSEN, OLLE KLASSEN bbz | APRIL 2019

Die Kassen sind voll. Die Klassen auch. Und trotz-dem fehlt es an allem. Die Öko-AG der Gemein-

schaftsschule Campus Efeuweg durfte dies erst neu-lich erfahren. Mit allerlei Messgeräten bewaffnet, suchen die AG-Mitglieder nach Ideen, Nachhaltigkeit besser an der Schule umzusetzen. Mit einer langen Liste stehen sie eine Stunde später vor mir. »In Raum 29 heizt die Heizung wie verrückt, wir brauchen Thermostate!«, »Der uralte stinkende Teppich, das Milbenparadies im Computerraum, muss raus! Wir können da ja kaum atmen!«, »Und in den Toiletten möchten wir Fußballtore in den Pissoiren, damit die Jungen besser zielen!« Meine Miene verrät, dass ich gerade mit mir kämpfe, nicht zu weinen oder zu la-chen. »Unten im Keller ist ein riesiges Materiallager, da findet ihr grüne, blaue, rote Fußballtore und ei-nen 1a Teppich, direkt neben den Thermostaten!« Omran, schon mit einem Satz auf der Kellertreppe, wird von meinem lauten Lachen aufgehalten. »Wir sind doch kein Laden, ihr Lieben, und die Mittel für Ausstattung sind nicht ausreichend. Aber wir schau-en, was sich machen lässt.«

Manchmal kostet Demokratie dann wohl Geld, möchte sie erfolgreich sein, denke ich und begleite-te die Gruppe zur Kollegin. Die wartet bereits mit 26 Kindern, die Hälfte mit besonderem Förderbedarf und Sprachanfänger*innen, in ihrem Klassenraum, damit wir die jüngst von uns angebrachten CO2 -Messgeräte des Lüftungswettbewerbes kontrollieren. Diese piepen ständig nach fünf Minuten Unterrichts-zeit. Die Kontrolle bringt Erschreckendes zu Tage. Nicht die Geräte sind das Problem, sondern der viel zu kleine Klassenraum. Durch die nach den Februar-ferien erreichte Gesamtzahl der Schüler*innen ist der CO2-Gehalt des Raumes so hoch, dass Lernen eigentlich kaum bis gar nicht möglich ist. Da schla-gen die Geräte Alarm. Super, denke ich, und bitte die Klasse freundlich in Zukunft weniger zu atmen. Beim Umschauen frage ich mich, wo die zwei Kinder

KINDER, ATMET NICHT SO VIEL

Pädagog*innen, Eltern und Kinder leiden unter den Zuständen an Berliner Schulen. Die schwierige Rolle der Schulleitungen wird oft übersehen. Bei ihnen ballen sich die Probleme. Unsere

Redakteurin hat sich an der eigenen und an den Nachbarschulen umgehört

von Janina Bähre

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99APRIL 2019 | bbz VOLLE KASSEN, OLLE KLASSEN TITEL

Platz finden sollen, die in der nächsten Woche nicht an der Klassenfahrt teilnehmen werden und auch hier beschult werden sollen.

Schlange stehen bei der Schulleitung

Mit den Messergebnissen und der »Wunschliste« gehen wir zu unserem Direktor, der uns bittet, die »Studie« auszuweiten. Vielleicht bekämen wir eine Lüftungs-anlage zur Nachrüstung des Klassenraumes, wenn wir die Überbelegung und die daraus resultierende Belastung beim Lernen nachweisen können. Beim 100 Jahre alten Teppich sieht er keine Chance, denn schließlich werde ja jetzt irgendwann mit den nöti-gen Baumaßnahmen begonnen, so hofft er. Wenn das so lange dauert wie im Seitenflügel, können wir ge-trost noch ein paar Jahre warten.

Nicht nur Reinigungspersonal, Hausmeister*innen, Erzieher*innen und Lehrer*innen sind den Folgen der Versäumnisse des Senats in Hinblick auf Sanie-rung, Instandhaltung und Neubau ausgesetzt, son-dern auch Schulleitungen. Sie sind die Exekutive der Inklusion, der Gemeinschaftsschulreform und der sogenannten Schulbauoffensive. Schulleitungen ha-ben dementsprechend derzeit viel zu tun. Neben der Schul-, manchmal auch Campusleitung, sind sie oft auch die Bauherr*innen vor Ort. Neben Lehrkräften mit Ausstattungswünschen stehen die Firmen Schlange vorm Büro und alle wollen bedient werden. Dazu kommen zusätzliche Sitzungen ohne Ende. Ei-gentlich wären im Rahmen der Schulbauoffensive Verwaltungsstellen nötig, aber auch hier wird ge-spart. Sind Schulleitungen auf Bausitzungen, fehlen sie oft den Kollegien vor Ort.

Neben den Belastungen durch die Bauarbeiten sitzen ihnen oft die Fachbereichsleiter*innen im Nacken, weil trotz voller Kassen überall die notwendige Aus-stattung fehlt. Eine Schulleiterin berichtet: »Heute morgen stand die Grundstufe auf der Matte, es fehle an Flurschränken, und obwohl ich das bereits beim Bezirksamt bemängelt und mich gekümmert habe, ist bislang nichts passiert. Danach kam die Eltern-sprecherin, um sich über die sanitären Anlagen zu beschweren. Die Sekretärinnen baten dann in der Mittagspause um mehr Sekretariatsausstattung. Dann kam der Sportfachbereichsleiter, um sich zu erkundi-gen, ob die alte Erstausstattung der Schule an Sport-geräten bereits die 100 Jahre Marke erreicht habe.«

Unser Gespräch wird durch einen Telefonanruf unterbrochen. Dann erzählt die Schulleiterin weiter: »Der Fachbereichsleiter Chemie wollte wissen, ob es beim Bezirksamt feste Ansprechpartner*innen für fachliche Reparaturen gäbe und wies darauf hin, dass die Gasanlagen seit 20 Jahren bestünden. Dann wollte er wissen, warum das Bezirksamt ihm den notwendigen Geschirrspüler verwehrt habe, ob er weiterhin seine Kolben mit der Hand auswaschen müsse. Und ob es eigentlich flexibles Geld für Ver-brauchsgegenstände wie Batterien gebe. Außerdem wollte er digitale Messgeräte haben. Zur Verstärkung hatte er eine Informatiklehrkraft dabei, die um zu-

verlässige mobile Endgeräte bat, um die Digitalisie-rung erfolgreich vorantreiben zu können. Spätestens nach der großen Pause fiel das WLAN wieder aus, der Techniker musste her. Schüler*innen kamen und ba-ten, das Problem dieses Mal schneller zu beheben als letzte Woche.«

Um Inklusion oder offene, vom Senat ja eigentlich gewünschte, Unterrichtsformen umzusetzen, fehlt es an Platz. Eigentlich fehlt es an allem. Nicht nur Bauen und Platz sind das Problem, denn es müsste endlich einen Beschluss geben, der Schulen eine re-gelmäßige Grundsanierung zusichert. Außerdem bleibt das riesige Personalproblem bestehen. Die Kollegien bekommen immer mehr Zusatz- und Ver-waltungsaufgaben aufgedrückt, die Verteilung der Kinder ist ungerecht, die Stunden für den sonderpä-dagogischen Förderbedarf müssen an einigen Schu-len in die Ausbildung der Quereinsteiger*innen in-vestiert werden, damit die Schulen auf lange Sicht genug Personal haben. Schulen im sogenannten Brennpunkt sind am Rande ihrer Kapazitäten, der Krankenstand steigt, die Arbeitsbelastung wird un-erträglich. Und was fällt dem Senat dazu ein? Eine ungerechte »Brennpunktzulage«, die an willkürliche und realitätsferne Kriterien geknüpft ist und für manche Erzieher*innen sogar finanzielle Verschlech-terungen statt Verbesserungen bringt.

Es fehlt an allem

Eine Grundschulleiterin berichtete mir jüngst, dass sie nur zwölf Stunden zusätzlich für zwölf Klassen bekäme, in denen sie im Schnitt vier Kinder mit För-derstatus »inkludiere«. Der Druck auf Schulleitungen lastet ungemein, denn gute Schulleitungen wollen den Kindern, Eltern und Angestellten der Schule ge-recht werden. Ohne ausreichende Mittel geht es aber nicht. Dass Sonderpädagog*innen, Schulmediator*in-nen, Schulpsycholog*innen fehlen, ist seit Jahren bekannt. Außer ein paar zusätzlicher Studienplätze, die vermutlich eh nichts bringen, da die Studieren-den sich in Bundesländer begeben werden, die bes-sere Arbeitsbedingungen anzubieten haben, ist nicht viel passiert. Helfen würde es doch schon, wenn die Schulen mehr Verwaltungsstellen bekämen. Wir alle wissen, dass die Papierflut immer weiter steigt. Und auch andere Aufgaben könnten ausgelagert werden, so macht man das in Frankreich. Da wirkt das Argu-ment, es gäbe nicht genug Lehrkräfte, lächerlich. Und auch in Hinblick auf die materielle Ausstattung ist es ein Witz, zu behaupten, es sei kein Geld da. Volle Kassen und olle Klassen eben.

Janina Bähre, Lehrerin an einer

Gemeinschafts schule in Neukölln und Mitglied der bbz­Redaktion

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mals jährlich Austauschkinder aus allen Kontinenten bei uns zu Haus. Aber es ist sauber, es stinkt nicht, die Technik, vom Förderverein beschafft, ist gut in Schuss. Natürlich zieht es, regnet es durch. Ein Mehrzweckraum, der jahrelang auf der bezirklichen Investitionsplanung in der Priorität nach vorne rutscht, wird von der Bezirksverordnetenversamm-lung schließlich gestrichen.

Fotografieren verboten

2015 wird die Tochter eingeschult. Man munkelt, dass auch in ihrer Schule Asbest verbaut wurde. Aber das sei nicht schlimm, denn die Fasern seien stark gebunden. Wenn nichts angefasst werde, pas-siere auch nichts. Nicht anfassen bedeutet, keine Planung, kein Personal, keine Kosten. Im Amt hält man sich bedeckt, die Schulleitung hält sich mit In-formationen zurück, und Eltern sind froh, dass sie an der Schule mit gutem Ruf einen Platz für ihre Kinder bekommen haben.

Dennoch stinkt es schlimmer als an allen mir bis dahin bekannten Schulen. Toilettenspülungen funk-tionieren selten, Verstopfungen werden zögernd

Mein ältester Sohn wird 1997 im Schöneberger Kiez in eine Altbauschule eingeschult. Sie sieht

ähnlich wie meine eigene Grundschule in den 1970er Jahren aus: Klassenzimmer renovierungs-, wenn nicht gar sanierungsbedürftig, durch die Fens-ter zieht es, die Toiletten sind dem Geruch nach zu orten, Toilettenpapier und Seife Mangelware. Die Technik in der Aula besteht aus Flickschusterwerk. Aber dafür hatte mein Sohn eine liebe Klassenlehre-rin, Spaß am Lernen und fand Freund*innen.

Ein Umzug an den Stadtrand folgt bald, der Große wird um-, der jüngere Bruder eingeschult. In einen Neubau, der auch schon 40 Jahre auf dem Buckel hat. Die Situation ist identisch. Engagierte Pädago-g*innen, Immobilie schrottreif. Dennoch: Wir stoßen auf Eltern, die regelmäßig ganze Flure und Trakte an Wochenenden mit dem Hausmeister renovieren. El-tern, die Arbeitsgemeinschaften anbieten, Schulfes-te arrangieren, ein Förderverein, der wirklich alles, was fehlt, finanziert.

Die Jungs kommen auf die Oberschule, diesmal ein Langzeitprovisorium. Das ursprüngliche Gebäu-de wurde 1988 wegen Asbestbelastung abgerissen. Auch hier ist Elternarbeit ausdrücklich erwünscht. Wir backen Kuchen, organisieren Feste, haben mehr-

DAS BLEIBT JETZT SOEine engagierte Mutter berichtet von ihren Erfahrungen in 20 Jahren Berliner Schule. Zwischen Langzeitprovisorien, einstürzenden Decken und herunterfallenden Fenstern traf sie auf engagierte Pädagog*innen und Eltern, die das Beste aus der Situation machen

von Martina Zander­Rade

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behoben, Toilettenpapier und Seife sucht man ver-gebens. Die für die Sommerferien geplanten Grund-reinigungen finden stets verspätet und unbefriedi-gend in den Herbstferien statt. Der Mensabereich ist dreckig, an den Wänden und Ecken in den Klassen-zimmern und Treppenhäusern hängen Spinnweben. Der Boden ist an vielen Stellen so schmutzig, dass sich nicht nur den Kindern der Magen umdreht. Ich fotografiere die Mängel und bitte bei Schulleitung und Amt um Abhilfe. Es folgt eine Begehung, danach verbietet der Schulleiter das Fotografieren.

In einer Schule in der Nachbarschaft erkranken wochenlang immer wieder die Schüler*innen an Brechdurchfällen. Es wird das Catering verdächtigt. Proben bringen ans Tageslicht, dass mit denselben Lappen Böden, Toiletten, Mensabereich »gereinigt« wurden. An einer Oberschule um die Ecke wächst der Knöterich durch die Wand und an einer Grund-schule fällt einer Lehrerin das Kippfenster auf den Kopf. Vor den Winterferien erreicht mich eine Bitte unserer Hortleitung, bei der Renovierung zu helfen. Macht zusammen doch so viel Spaß.

Den Wasserhahn repariert der handwerklich versierte Schulleiter

Ein Hausmeister erzählte mir neulich, er dürfe keine Glühbirne an der Decke austauschen, weil er nicht mal mehr auf einen Tritt, geschweige denn eine Lei-ter steigen dürfe. Auch kleinere Reparaturen auszu-führen, sei ihm neuerdings aufgrund bürokratischer Vorschriften verboten. Den tropfenden Wasserhahn in der Mädchentoilette repariert übrigens der hand-werklich affine Schulleiter (mit seinem privaten Hobbywerkzeugset).

Was wünsche ich mir von der Berliner Schulpolitik? Ich wünsche mir gut ausgebildete Hausmeister*in-nen, die bestenfalls in der Schule wohnen. Überflüs-sig sagten einst die einen, am besten »outsourcen« die anderen, beides sei auch viel billiger. Wirklich? Wenn die Gebäude verkommen und aus einem trop-fenden Wasserhahn ein verwanztes Waschbecken wird? Wenn aus einem verstopften Pissoir eine Überschwem-mung wird? Die Ämter schreiben inzwischen die Hausmeister*innenposten wieder aus. Aber bekom-men Sie mal einen ausgebildeten und zudem moti-vierten Menschen, der für den Hungerlohn arbeitet.

Ich erwarte im Jahr 2019 nicht nur angemessene hygienische Zustände, ich will auch, dass die Tele-fonanlagen funktionieren. Die Schulen klagen über wochen- und monatelange Ausfälle, an manchen Schulen ist die Anlage erst mittags hochgefahren. Telefonate und Krankmeldungen laufen über Privat-handys oder per E-Mail, wenn es denn funktioniert. Aufgrund von Personalmangel ist Abhilfe auf länge-re Zeit nicht in Sicht. Auch Fachfirmen können nicht helfen, da es keine ausreichende Anzahl von Fach-kräften gibt, beteuert das Amt.

Wünschenswert ist eine Digitalisierung, die den Namen verdient. Dazu muss nachhaltig auf eEduca-tion und eGovernment im gesamten Schulbereich

gesetzt werden, gehören Whiteboards und Laptops in jeder Klasse zur Grundausstattung, ebenso der regelmäßige Support von Software und die Wartung der technischen Geräte durch ausgebildete Fachkräf-te. Schließlich gehört zu diesen Voraussetzungen auch eine entsprechende Fortbildung des Lehrper-sonals. Weil es bisher an allem fehlt, wurde das mit viel Geld ausgestattete Projekt eGovernment@school gegen die Wand gefahren, der Rechnungshof spricht von schweren Versäumnissen.

Ideal wären Mensen, in denen vor Ort lecker und gesund gekocht wird und die Kinder miteinbezogen werden. Stattdessen streiten wir seit Jahren prak-tisch nur über den Preis. Zum nächsten Schuljahr wird der Essensbeitrag zwar voraussichtlich abge-schafft werden. Aber ob sich die Qualität der »unge-nießbaren Pampe« (Zitat einer Mensamitarbeiterin) bessert, bleibt fraglich.

Auch ein Haufen Geld wird nicht reichen

Nun hat die rot-rot-grüne Regierung bis 2026 5,5 Milliarden Euro für die Schulbauoffensive zur Verfü-gung gestellt. Ein Schritt nach vorne. Aber auch da-mit wird Berlin weder den Verfall der vorhandenen Gebäude aufhalten, noch die benötigten Neubauten fertigstellen können. Wir wissen doch: In den Bezir-ken fehlt das Personal. Die noch dort ausharrenden Beschäftigten werden entweder von der Hauptver-waltung abgeworben oder melden sich wegen Über-lastung krank.

Die Baufirmen brauchen Monate, um einen Kran zu liefern. Oder es wird gepfuscht, wie bei der Sanie-rung der Turnhalle an der Schule meiner Tochter. Nur wenige Monate nach der Fertigstellung kommt die Decke runter, Fliesen fallen ab, Türzargen ver-ziehen sich. Die Decke wird mit einem Tuch abge-hängt. Das bleibt jetzt so, eine Berliner Lösung.

Ich weiß, dass die Fehlentwicklungen weder am Willen der Schulleitungen noch am Engagement der Pädagog*innen liegen. Sie und alle in Obhut gegebe-nen Kinder haben jegliche Unterstützung verdient. Eine solide Infrastruktur schafft die Basis, aber we-der politische Schnellschüsse noch immer wieder neue Anforderungen und seitenweise Informations- und Dokumentationspflichten bringen unsere Ge-sellschaft in die Zukunft. Wir brauchen gut durch-dachte Konzepte auf der Basis von Erfahrungen und Forschung.

Meine Jungs sind inzwischen längst aus der Schule raus. Die schulische Zukunft meiner Tochter bereitet mir kaum mehr Sorgen. Sie wird nach der vierten Klasse, politisch absolut inkorrekt, auf eine Ober-schule meines Vertrauens wechseln.

Martina Zander­Rade, langjährige Elternvertreterin und Vor­

sitzende des Schulausschusses der BVV Tempelhof­Schöneberg

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halt an Berliner Schulen 4.800 Euro und liegt damit 400 Euro unter dem Bundesdurchschnitt. Laut DGB- Besoldungsreport 2018 erhalten Berliner Beamt*innen etwa fünf Prozent weniger als der Bundesdurchschnitt und zehn Prozent weniger als Bayerische oder Bun-desbeamt*innen der gleichen Besoldungsgruppe.

Die Arbeitsbedingungen sind an Berliner Schulen besonders schlecht

Wie erklären sich also die hohen Berliner Bildungs-ausgaben je Bildungsteilnehmer*in? Fakt ist: weder die Klassenfrequenzen, noch die Schüler*innen-Lehrer *innen-Relation (mit Ausnahme der Klassen 5 bis 10), die Unterrichtsstunden je Schüler*in oder die Pflicht stundenzahl der Lehrkräfte weicht in Ber-lin merklich vom Bundesdurchschnitt ab. Als Ursa-chen für höhere Berliner Bildungsausgaben haben wir lediglich gefunden: erstens einen wesentlich höheren Ganztagsanteil von 72 Prozent gegenüber knapp 50 Prozent im Bundesdurchschnitt im Grund-schulbereich. Und zweitens einen merklich höheren Anteil »teurerer« Vollzeitschüler*innen (das heißt ohne Ausbildungsvertrag) im Berufsschulsystem.

Das scheint als Erklärung insgesamt nicht auszu-reichen. Dass die Senatsverwaltung die vorhandenen Mittel nur wenig effizient einsetzt, ist eine nahelie-gende Vermutung, kann aber von uns nicht belegt werden. In Berlin sind die Bildungsausgaben je Schü-ler*in in den letzten Jahren insgesamt gestiegen. In den Jahren zwischen 1995 und 2004 sanken die Ausgaben zunächst um etwa 14 Prozent, auf der Preisbasis des Jahres 2000. In diesen Jahren sank zwar die Schüler*innenzahl. Noch schneller aber sanken die Ausgaben. Ab 2004 ist ein bemerkens-werter realer Anstieg von 60 Prozent zu beobachten. Im Jahr 2004 gab Berlin 4.047 Euro pro Schüler*in aus, im Jahr 2015 waren es 6.486 Euro (Zahlen unter Berücksichtigung der Schüler*innenzahl und der Preisentwicklung). Diese Steigerung der Ausgaben ist mit unserer Einschätzung der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Gehaltsentwicklung nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Die Kanzlerin forderte sieben Prozent für Bildung

Die AG Bildungsfinanzierung zieht zur Bewertung der Bildungsausgaben immer wieder das Bruttoin-landsprodukt (BIP) als Vergleichsgröße heran. Das ist auch international eine anerkannte Messlatte. Dieser Vergleich hilft, Berlins Ausgaben für Bildung richtig einzuordnen. Es ist jetzt gut zehn Jahre her, dass die Bundeskanzlerin eine Zielgröße vorgab. Auf dem Dresdener Bildungsgipfel forderte sie sieben Prozent des BIP für die Bildung (und noch einmal drei Pro-zent für die Forschung) ein. Dieser Zielgröße jagen wir seitdem hinterher. Berlin gab im Jahr 1995 noch 5,8 Prozent seines BIP für Bildung aus. Im Jahr 2017 ist dieser Anteil auf 4,9 Prozent gesunken. Trotz ei-

Einstürzende Schulbauten, schwache Ergebnisse, unzufriedene Beschäftigte – ohne Frage sind das

Resultate des jahrzehntelangen Sparkurses. Ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt allerdings Er-staunliches. Berlin gibt im Vergleich der Bundeslän-der in vielen Bereichen überdurchschnittlich viel Geld pro Schüler*in aus. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Ausgaben des Landes an der Entwick-lung des Bruttoinlandsproduktes misst und an den Ansprüchen, die Politiker*innen in ihren Sonntags-reden formulieren.

Wir konnten es selbst kaum glauben. Aber Berlin war im Jahr 2015 Spitze in Deutschland und gab pro Schüler*in 8.900 Euro aus (Anm. d. Red.: Im Jahr 2016 waren es laut Destatis 9.200 Euro). Kein ande-res Bundesland konnte da mithalten. In den Ausga-ben sind im Wesentlichen drei Anteile enthalten, nämlich Personalausgaben, Sachaufwand und Inves-titionen. Hier fällt auf, dass Berlin Spitzenreiter*in bei den Sachausgaben ist und mit 1.600 Euro weit über dem Bundesdurchschnitt von 900 Euro liegt. Bei den Personalausgaben belegt Berlin mit 7.100 Euro Platz zwei hinter Thüringen, ebenfalls deutlich über dem Bundesdurchschnitt (5.600 Euro). Ganz anders allerdings fällt die Bilanz der Investitionsaus-gaben aus. Im Jahr 2015 gab Berlin pro Schüler*in nur 200 Euro aus, während im Bundesdurchschnitt doppelt so viel investiert wurde. Diese Zahl erklärt möglicherweise den Zustand vieler Schulgebäude.

Die Angabe zu den Personalausgaben muss verwun-dern. Sie steht im Widerspruch zum bundesweit schlechtesten Einkommen der Berliner Lehrkräfte, und das trotz des deutlich höheren Durchschnittsal-ters. Durchschnittlich beträgt das Monatsbruttoge-

ZWISCHEN ANSPRUCH UND WIRKLICHKEITWieviel gibt Berlin eigentlich für Bildung aus? Und ist das genug? Was würden wesentliche Verbesserungen kosten? Die AG Bildungs- finanzierung der GEW BERLIN hat nachgerechnet

von Manfred Schlichthörl und Hartmut Schurig

Die AG Bildungsfinanzie­rung der GEW BERLIN trifft sich monatlich in der Ahornstraße und freut sich über Mitstrei­tende. Man muss nicht VWL studiert haben um mitzumachen. Interesse an Fragen der Bildungs­finanzierung genügt. Auf der Website der AG fin­den sich weitere, umfas­sende Informationen zum Thema: www.gew­berlin.de/4413.php. G

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Nun ist es bekanntlich kein Geheimnis, dass sich der Arbeitsumfang der einzelnen Hausmeis-

ter*innen durch Schulzusammenlegungen, Gebäude-zuwachs und Ganztagsbetrieb vervielfacht hat. Die Antwort einiger Bezirke sind Hausmeisterassis-tent*innen, aber das kann nicht die Lösung sein. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse als Antwort auf wachsende Arbeitsaufgaben lehnen nicht nur einige Schulräte, sondern auch wir Lehrkräfte ab.

Sollte man nicht besser eine*n zweite*n Hausmeis-ter*in einstellen oder zumindest wieder eine*n für jede Schule? Mitunter sind heute sieben oder acht Gebäude, inklusive Horte, Mensen und Turnhallen für über 800 Schüler*innen von einer*einem Haus-meister*in zu betreuen. Manche Schulen müssen ihren Einsatz aufstocken und im Winter, bei hohem Krankenstand, bekommen die »gesunden« Haus-meister*innen noch die Krankenvertretung für eine weitere Schule dazu. Und das, wo die Arbeit an der eigenen Schule kaum leistbar ist.

Außerdem fallen oft Aufgaben an, die eigentlich gar nicht ihre sind. So sind sie zwar nicht für das Grün-zeug zuständig, unterstützen aber das unterbesetz-te Grünflächenamt. Und wenn der Winterdienst aus-fällt, dann muss Schnee geschippt und gestreut werden, denn die Unfallvermeidung gehört auch zu den Aufgaben von Hausmeister*innen.

Der Beruf ist anspruchsvoll

Für das Streichen von Klassenräumen sind eigentlich Maler*innenfirmen zuständig. »Haha. Aha«, denken da sicherlich viele von uns. Manchmal machen es die Hausmeister*innen freiwillig, denn auch einige von ihnen finden, dass es eine Zumutung ist, wenn Kin-der und Lehrkräfte gemeinsam mit Eltern Malarbei-ten durchführen. Das würde an keinem anderen Ar-beitsplatz der Welt verlangt werden. Gott sei Dank hat sich unser Hausmeister wenigstens um Farben

ner Steigerung der Ausgaben seit 2004 in absoluten Zahlen sind die Ausgaben des Landes gemessen an der Wirtschaftskraft also gesunken. Bei dieser Be-trachtung ist der Anteil privater Bildungsausgaben nicht berücksichtigt.

Um das von der Kanzlerin formulierte Ziel zu er-reichen, müsste Berlin also rund zwei Prozent mehr für Bildung ausgeben. Wir sind bescheiden und fra-gen: Was wäre ein Prozent des BIP mehr für Bildung? Das wären 2017 für den Berliner Haushalt etwa 1,3 Milliarden Euro gewesen (Berliner BIP 2017: 136,6 Milliarden Euro) oder je Schüler*in fast 3.000 Euro. Klingt unrealistisch viel, aber damit lägen die Aus-gaben immer noch weit unter dem selbstgesetzten Ziel (sieben Prozent) als auch den Ausgaben anderer Länder wie Australien, Kanada, Neuseeland, Norwe-gen, Großbritannien oder den USA, die 2015 alle sechs Prozent oder mehr des BIP für Bildung ausgaben.

Mit 1,3 Milliarden Euro ließen sich einige der zentralen Forderungen der GEW BERLIN finanzieren. Eine Ver-ringerung der Klassenfrequenzen um zwei Schüler-*innen würde grob überschlagen etwa 360 Millionen Euro kosten. Mit einem ähnlichen Betrag ließen sich die Arbeitszeit der Erzieher*innen und der sozialpä-dagogischen Fachkräfte ebenso wie die Pflichtstun-denzahl der Lehrkräfte merklich reduzieren. Und dann bliebe immer noch viel Geld übrig, um Schulen bes-ser auszustatten und in einem ordentlichen Zustand zu erhalten. Die Kassen des Finanzsenators sind derzeit gut gefüllt. Wann, wenn nicht jetzt ist die Zeit für Investitionen in die Zukunft?

Unter www.gew­berlin.de/bbz steht eine Langfassung dieses Artikels mit umfangreichen Quellenangaben.

MULTITALENTE MIT SCHMALEM BUDGET Die bbz hat mit den Schulhausmeister*innen über den Zustand ihrer

Schulen gesprochen und sie nach Verbesserungsvorschlägen gefragt. Die Gespräche zeigen, dass die Politik schnell Abhilfe schaffen könnte

von Janina Bähre

Manfred Schlichthörl und Hartmut Schurig, für die AG Bildungsfinanzierung der GEW BERLIN

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Sie sind seit gut 20 Jahren als Schulhausmeister tätig. Wie hat sich Ihre Beschäftigungsposition in dieser Zeit verändert?

Weiß*: Mein persönlicher Arbeitsbereich ist mit der Vergrößerung des Schulgeländes erheblich grö-ßer geworden. Dadurch darf ich mehr arbeiten als früher. Auch die Zerstörungen durch Schüler*innen sind mehr geworden.

Welche Auswirkung hatte die Aufgabe Ihrer Dienstwohnung an der Schule?

Weiß: Für mich persönlich: mehr Erholung durch ru-higeren Schlaf. Der Nachteil für die Schule ist die höhere Gefahr durch Einbrüche beziehungsweise durch Graffiti.

Können bauliche Sanierungsmaßnahmen in der Weise durch-

geführt werden wie Sie und die Schulleitung dies für notwendig halten?

Weiß: Leider nein.

Woran liegt dies und war es früher einmal anders?Weiß: Zu wenig Bauleiter, dadurch mehr Arbeit für

die, die noch da sind. Es werden Arbeiten an Ingeni-eurbüros gegeben, wodurch sich die Kommunikati-on erheblich reduziert hat.

Im Berliner Doppelhaushalt steigen die Investitionen auf rund 4,5 Milliarden Euro und die Neueinstellun-gen auf rund 5.300 neue Stellen. Ist dies in Ihrem Bereich zu spüren?

Weiß: Nein, viele dringende kleine bis mittlere Sa-nierungsarbeiten bleiben liegen, obwohl sie drin-gend notwendig wären. Man wartet bis es ein großes Problem wird.

Ich weiß, man spricht nicht gern über Kolleg*innen, aber ich habe Sie immer als sehr kompetenten Hand-werker erlebt, vom Entkalken von Wasserhähnen, über Anbringen von Lampen, Zusammenbau von Mö-beln bis zu Reparatur von Toiletten und vieles mehr. Haben Ihre neuen Kolleg*innen die gleiche Fachkom-petenz?

Weiß: Heutzutage kann auch ein*e Friseur*in Schulhausmeister*in werden. Die Hauptsache ist, er*sie kann eine abgeschlossene Ausbildung in ei-nem Handwerksbetrieb nachweisen.

Sie würden Ihr Auto ja auch nicht von einem*einer Friseur*in reparieren lassen.

Wenn Sie fünf der dringendsten Maßnahmen nennen könnten, auf deren Umsetzung Sie schon lange hof-fen, welche wären dies?

Weiß: Zwei Springer einstellen, weil es immer mehr Ausfälle durch Krankheiten gibt. Diese resul-tieren aus der Mehrarbeit und der Doppelbelastung. Mehr Mitsprache bei Sanierungsarbeiten, schnellere Durchführung von Sanierungsarbeiten, mehr Auf-sichten für die Pausen, zurück zur gesunden Ernäh-rung. Schüler*innen kochen für Schüler*innen, auch an Grundschulen schon, damit die Kleinen schon lernen, dass Gemüse und Obst leckerer sind als Fast-food und dass kochen Spaß macht und kreativ ist.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Ralf Schiweck, Schulleiter i.R. und Mitglied der bbz­Redaktion

Dienstwagen gibt es nicht. Dass es ihnen für die Ausstattung der Klassen- und Fachräume an Möbeln fehlt, ist auch nichts Neues. In meinem Klassenraum haben sich die Kinder durch Pfandflaschensammeln ihre Schränke verdient. Und das in einem reichen Land wie Deutschland.

An Schulen im Brennpunkt geht viel kaputt. Als Verlierer*innen der Gesellschaft haben diese Kinder oft Wut im Bauch und wir Lehrkräfte können im Ganztag nicht jede Ecke der Schule bewachen. Unser Bedarf an Einrichtungsgegenständen oder Möbeln ist

gekümmert. Hierfür musste er mit Schriftsätzen zum Amt. Sowieso brauchen Hausmeister*innen für alles, was sie machen wollen, irgendwelche Schrei-ben oder Zustimmungen. So ein Job ist anspruchs-voller als die meisten Lehrkräfte wissen. Hausmeis-ter*innen müssen in vielen Schulen gleichzeitig Ma-ler*innen, Gärtner *innen, Handwerker*innen, Winter-dienst, Fahr- und Besorgungsdienst, Innenausstat-ter*innen, Sekretär *innen und vieles mehr sein. Auch der Postdienst ist Aufgabe von Hausmeis-ter*innen. Wer kein Auto hat, muss Bahn fahren.

Dadurch, dass um 2000 eine EU­Richtlinie die

Bereitschaftszeiten für Schulhausmeister*innen

neu geregelt hat, wur­den deren Bezüge erheb­

lich reduziert und sie konnten sich die teuren Dienstwohnungen auf

dem Schulgelände nicht mehr leisten.

*Herr Weiß heißt eigent­lich anders. Sein richtiger

Name ist der Redaktion bekannt.

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GESPRÄCH MIT EINEM SCHULHAUSMEISTER

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dann höher. Ungleiches kann nicht gleichbehandelt werden und Schulen in Brennpunkten brauchen eben mehr, weil der Verschleiß größer ist. Außerdem sind wir Träger*innen der Inklusion und in Klassen mit bis zu neun Kindern mit Förderstatus und sechs Sprachanfänger*innen kann es schon mal knallen. Da ist man noch froh, wenn nur Möbel kaputtgehen. Manche Hausmeister*innen wünschen sich deshalb in prekären Bereichen, wo viel zerstört wird, Kame-ras, denn dann würde weniger kaputt gemacht wer-den oder das Verursacher*innen- Prinzip gelten.

Um alles müssen sie betteln

Es mangelt an allem, und wenn es mal etwas gibt, dann ist es nur das Letzte vom Letzen, oder wie eine Hausmeisterkollegin sagt, nur das, »was keiner mehr will«. Sie verzichtet freiwillig auf die Arbeitsklei-dung, da die auch nichts tauge. Dort wo es Möbel gibt, merken einige Hausmeister*innen an, fehlt es ihnen an Stauraum. Aus Geiz wurden hier und dort Keller gespart. Oder Kellerräume sind total zuge-stellt und die Hausmeister*innen dürfen ohne Zu-stimmung der Schulleitung nichts entsorgen.

Neben Vergrößerung von Schulen stemmen viele von ihnen die notwendigen vielfältigen Baumaßnah-men und Instandhaltungsarbeiten der vielen maro-den Gebäude. Gerade die Instandhaltungsarbeiten können Hausmeister*innen in den Wahnsinn treiben, denn ihr Budget reicht häufig nur für Maßnahmen, die die Funktions- und Verkehrssicherheit der Ge-bäude gewährleisten. Ausgetauscht werden darf auch nur, was tatsächlich kaputt ist. »Abgeranzt oder völ-lig veraltet reicht da nicht als Begründung«, verrie-ten ein paar Hausmeister*innen der bbz.

Außerdem müsse man ständig warten. Es dauere teilweise ewig, bis eine Instandsetzung bewilligt wer-de oder fehlende Teile endlich ankommen. Für Grund-sanierung sei kein Geld da, aber geizig seien die Äm-ter auch bei den Instandsetzungskosten. »Braucht ein*e Hausmeister*in etwas, müssen erst 1.000 Wege gelaufen werden. Überall beißt man ständig auf Gra-nit, um alles muss man kämpfen. Wer nicht hartnä-ckig bleibt oder kreativ wird, bekommt die benötig-ten Dinge nicht«, klagt ein anderer Kollege. »Eigent-lich bräuchten wir eigene Sekretär*innen, denn alles muss schriftlich beantragt werden«, äußert ein an-derer. Wer eine Bausanierung zu betreuen hat, kann das Ganze auch mal nebenbei erledigen. Das heißt dann stundenlange zusätzliche Sitzungen sowie die Betreuung der Baustellen hinsichtlich des Unfall-schutzes. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit wechselnden Firmen. Stets nimmt das Amt die Bil-ligste. Konkret heißt das, dass Firmen, die seit 20 Jahren bestimmte Schulen betreuen und sich aus-kennen, die Verträge verlieren und die neuen Firmen durch die Hausmeister*innen zeitintensiv betreut werden müssen.

Prinzipiell nehmen sie es auch als belastend wahr, dass der Senat Jahrzehnte an der Schulsanierung ge-spart hat und nun versucht, alles auf einmal zu er-

ledigen. Das funktioniert aber nicht, da die Berliner Firmen aufgrund maroder Schulgebäude und des Wohnungsproblems bis oben hin ausgelastet sind. Manchmal wird dann ewig gewartet, bis bestimmte Arbeiten tatsächlich abgeschlossen sind. Andere Ar-beiten müssen erst aufwändig genehmigt werden, anstatt dass sie zusammen mit ohnehin anfallenden Arbeiten gleichzeitig erledigt werden.

Hausmeister*innen klagen, dass die Arbeit immer mehr wird, aber Überstunden verboten sind. Am meisten nervt es sie, nichts selbst entscheiden zu dürfen und dass das Budget von 500 Euro im Jahr für Kleinstreparaturen nicht ausreiche. Genau wie das Budget für Kleinkram, das bei etwa 300 Euro liegt. Legt man übrigens privat Geld aus, dauert es ewig, bis man es zurückbekommt.

Aufopferungsgeist allein reicht nicht

Glücklich können solche Schulen sein, wo Hausmeis-ter*innen trotz all dieser Zustände immer noch Kampfgeist und Opferbereitschaft besitzen. Haus-meister*innen haben wenige Wünsche, aber deren Erfüllung ist notwendig. So wären Notebooks gut, wenn die Hausmeister*innen Schriftsätze verfassen oder Angebote einholen müssen. Von einem Dienst-wagen träumen auch einige, schließlich sei es kein Spaß mit schwerem Material Bahn zu fahren. Eine neue Grundausstattung an Werkzeug in den Schulen wäre auch wichtig. Denn das, was die Vorgänger*in-nen hinterlassen »ist oft Schrott«, klagt ein gerade neu eingestellter Hausmeister.

Um schneller und besser arbeiten zu können, wür-de es Abhilfe schaffen, wenn Hausmeister*innen ein höheres Budget für Kleinstreparaturen bekämen und autarker handeln könnten. Also selbst Firmen enga-gieren zu können, statt immer erst zum Bezirksamt oder zur Schulleitung gehen zu müssen. Wie sonst will die Schulbauoffensive erfolgreich umgesetzt werden? Ohne Moos nichts los, ohne zusätzliche Einstellungen Schneckentempo.

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16 TITEL VOLLE KASSEN, OLLE KLASSEN bbz | APRIL 2019

Jedes Gebäude hat andere Anforderungen, weshalb die Reinigung jeder Schule einzeln ausgeschrieben wird. Was alle gemeinsam haben ist, dass die Zeit nie ausreicht, um die Schulen wirklich sauber zu hal-ten. »Man muss wie ein Hund rennen, möchte man wenigstens Toiletten und Böden schaffen«, sagt eine Putzkraft. Vor allem, seitdem es die Ganztagsschul-reform gibt, hat sich das leidige Thema Schultoilet-ten noch einmal verschärft. Meistens sind die Toilet-ten schon nach der ersten Pause in einem unzumut-baren Zustand, nach dem Schulschluss sind sie theoretisch nur noch in Schutzkleidung zu betreten. Da die Putzkräfte das Soll an Aufgaben gar nicht be-wältigen können, müssen an vielen Schulen die Schüler*innen mit putzen. Ist die Klassenlehrkraft krank oder wird der Dienst vergessen, steigt die Be-lastung für Putzkräfte ungemein.

Reinigungskräfte verdienen mehr

Nicht umsonst beklagen die Eltern, Schüler*innen und das Schulpersonal schmutzige Fenster, Zwi-schentüren, Ecken und mehr. Hinzu kommt, dass Putzkräfte auch auf das Putzmittel oder die Reini-gungsutensilien angewiesen sind, die die Putzfirmen zur Verfügung stellen. Kalkreiniger fehlt beim Toi-lettenputz, sowie auch die nötige Einwirkungszeit. Flure sollen teilweise mit Mini-Mobs geputzt werden. Manche Putzkräfte schaffen sich sogar eigene Putzu-tensilien an, um das Arbeitspensum überhaupt be-wältigen zu können, ohne Armkrämpfe oder Sehnen-entzündungen zu bekommen. Die momentan an vielen Schulen laufenden Baumaßnahmen verschär-fen das Problem. Der Schmutz und Dreck, der hier anfällt, ist eine zusätzliche Belastung für das Perso-nal, das schon unter »normalen« Bedingungen das Reinigungspensum kaum bewältigen kann.

Hilfreich wäre es, wenn auch Reinigungskräfte ei-genständig entscheiden könnten, welche Putzmittel oder Utensilien für die jeweilige Schule notwendig sind und hierfür angemessene Pauschalen zur Ver-fügung hätten. Schön wäre auch, wenn sie tatsäch-lich im Ganztag den ganzen Tag zur Verfügung hät-ten, um Zwischenreinigungen durchführen zu kön-nen und auch die Zeit besäßen Fenster, Türen oder Fachräume angemessen zu reinigen. Gerade bei Letzteren kann der Geiz der Bezirke beziehungsweise des Senats nicht durch putzende Schüler*innen auf-gefangen werden. Die Klassen wechseln je nach Be-legung und oft sind sie nur für ihre Räume zuständig.

Außer dem ist es aus gewerkschaftlicher Perspek-tive wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Dumping-verträge mit den Reinigungsfirmen auch dazu füh-ren, dass die, die sich bemühen, uns ein sauberes Arbeitsumfeld zu gewährleisten, nicht angemessen entlohnt werden. Sauberkeit lohnt sich, sie sollte uns auch etwas wert sein!

Nicht nur Lehrkräfte, Erzieher*innen und Schul-hausmeister*innen ächzen unter steigender Ar-

beitsbelastung, sondern auch die Reinigungskräfte. Grund dafür ist zum Teil die Vergabepolitik. Bei den Ausschreibungsverfahren sind die Bezirke, die als Träger zuständig für den Unterhalt der Gebäude sind, gezwungen, unter den Bewerber*innen immer das günstigste Angebot zu nehmen, da der Preis das einzige gerichtsfeste Kriterium ist. So entsteht ein Dumpingwettbewerb, bei dem die Angebote viel zu knapp kalkuliert sind und es oft unrentabel wäre, würden die Firmen die vereinbarte Leistung tatsäch-lich erbringen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Sechs Stunden für bis zu sechs Gebäude mit 14 Toiletten, die nicht ausrei-chend sind für 600 Benutzer*innen im Ganztag. Das ist nicht machbar für das Reinigungspersonal, möch-te es seine Arbeit gründlich erledigen. Wie bei den Hausmeister*innen ist auch bei der Reinigung zu beobachten, dass die Anzahl von Gebäuden und Flä-chen, die eine Reinigungskraft zu säubern hat, in den letzten Jahren gestiegen ist.

Oft machen Reinigungskräfte deshalb kostenlose Überstunden, da bei Beschwerden der Druck von oben nach unten weitergegeben wird. Manchmal helfen gar Familienangehörige mit, um das Pensum zu schaf-fen. Eigentlich müsste es klar sein, dass das verein-barte Pensum nicht zu schaffen ist. »Aber die, die entscheiden,« so eine Putzkraft, »hatten in den we-nigsten Fällen selbst einen Lappen in der Hand und können das gar nicht einschätzen, wie viel Aufwand für eine wirklich gründliche Reinigung nötig ist.«

SCHMUTZIG IST NICHT LUSTIGDie mangelhafte Reinigung der Schulen geht nicht auf das Konto der Reinigungskräfte. Sie ist ein Ergebnis jahrelanger Sparpolitik der Senatsverwaltung und der bezirklichen Ausschreibungspraxis

von Janina Bähre

Janina Bähre, Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule in Neukölln und Mitglied der bbz­Redaktion

In vielen Bezirken gibt es Bestrebungen, die Schul­

reinigung wieder in die öffentliche Hand zu le­gen. Die Bezirksverord­

netenversammlungen in Neukölln, Lichtenberg

und Mitte haben zuletzt Beschlüsse gefasst, die

von einem ergänzenden Reinigungsangebot in

bezirklicher Trägerschaft bis hin zur kompletten

Rückkehr der Schulreini­gung in die Hände des

Bezirks reichen. Der Weg bis zur Umsetzung ist lei­

der noch lang.

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17APRIL 2019 | bbz  ANZEIGE

AB 18. APRIL IM KINO

ALEXANDRA MARIA LARA

HEINERLAUTERBACH

JANNISNIEWÖHNER

F R A N C O N E R OFA B R I Z I O C O L L I N I

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NACH DEM BESTSELLER VON F E R D I N A N D V O N S C H I R A C H

Vorstellungen für Schulklassen sind möglich. Bitte wenden Sie sich an Ihr Wunschkino. Begleitmaterial zum Film stellenwir kostenlos auf Ihrer GEW-Website sowie unter https://www.constantin-fi lm.de/kino/der-fall-collini/ zur Verfügung.

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18 GEWERKSCHAFT  bbz | APRIL 2019

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19APRIL 2019 | bbz  GEWERKSCHAFT

Von der ersten Idee bis zur Umsetzung lagen viele intensive Monate hinter

den Beteiligten: Unzählige E-Mails, Telefo-nate, Sitzungen, Absprachen und schließ-lich die Vorbereitungen für eine etwas an dere Veranstaltung. Die Geschäftsstelle der GEW BERLIN, nun ausgestattet mit Zelt, Schein werfern und einem ausgerollten Tep-pich vor dem Eingang, war bereit dafür.

Beim Empfang im Foyer wurden Kino-gutscheine sowie Trostpreise verlost und dann begann auch schon der erste Pro-grammpunkt: Das »GEW-Speed Dating«. Dieses ermöglichte Teilnehmenden und Referent*innen mit über zehn interessan-ten Fragen ins Gespräch zu kommen: »Welchen Film hast du zuletzt geschaut, der dich berührt hat, der spannend war? Was ist aus deiner Sicht das wichtigste Prob-lem, das Berlin derzeit hat? Was denkst du, hält Leute davon ab sich zu engagie-ren? Was würdest du als erstes angehen, wenn du ab morgen Bildungssenator*in wärst?« Von amüsant zu ernsthaft, von locker zu tiefgründig war bei dem Aus-tausch alles dabei. Zeitgleich konnten

keiten, Kontakte zu knüpfen und freuten sich über die vielfältigen Angebote von Power-Point-Karaoke bis hin zu Debatten um das »bedingungslose Grund ein kom-men«. Die Programmgestaltung sah vor, dass individuell verschiedene Angebote frei besucht werden konnten, statt einem strikten Ablauf zu folgen. Auch Nicht-Mit-glieder nahmen an der Veranstaltung teil, um sich ebenfalls zu amüsieren und mit dem Gedanken zu spielen, zukünftig Mit-glied zu werden.

Es lässt sich sagen, dass diese Premiere ein erfolgreicher Abend war, weil zwischen-menschliche Beziehungen zu Beschäftig-ten des Hauses und zu anderen Mitglie-dern aufgebaut wurden. Zusätzlich ist es uns gelungen, die GEW BERLIN näher vor-zustellen, was im Arbeitsalltag sonst nur schwer möglich ist.

weitere Gäste gemütlich am Lagerfeuer sitzen und heiße Getränke genießen.

Ein Abend, der in Erinnerung bleibt

Wenig später wurden Hausführungen an-geboten, so konnten die Gäste die Orga-nisationen des Hauses kennenlernen und mehr über die GEW erfahren. Die Gäste waren durch Empfehlungen oder Anlie-gen im eigenen Berufsfeld auf die GEW aufmerksam und somit auch Mitglied ge-worden. Nun bekamen sie ein klareres Bild ihrer Gewerkschaft. Im Laufe des Abends wurden in der Fotobox mit Verkleidungen und politischen Forderungen Bilder ge-schossen, an zwei Bars Cocktails gezau-bert. Die erste »Lange Nacht der GEW« war für viele ein in Erinnerung bleibender Abend mit leckerem Buffet, vielseitigen Angeboten und amüsantem Karaoke.

Kurzinterviews ergaben, dass die Anwe-senden die Veranstaltungsatmosphäre als sehr harmonisch wahrnahmen. Sie waren überrascht von den vielfältigen Möglich-

Die »Lange Nacht der GEW«Bei der Premiere kamen beinahe 200 Menschen zusammen, um sich auszutauschen und ihre

Gewerkschaft besser kennenzulernen

von Ajda Özmen

Ajda Özmen, Auszubildende bei der

GEW BERLIN

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20 GEWERKSCHAFT � bbz | APRIL�2019

Nach 32 Jahren in der Tätigkeit des Geschäftsführers geht unser Kollege

Udo Jeschal in den wohlverdienten und auch ersehnten Ruhestand. Er wagt den Sprung in ein Leben ohne GEW. Wir kön-nen nur laut rufen: Spring! Vielen Dank für all die Zeit!

Was für eine lange Zeit. Welche politi-schen Ereignisse sind in all diesen Jahren passiert! Wie viele Vorsitzende hat er be-grüßt, begleitet und auch wieder verab-schiedet! Wie viele ehrenamtliche Vor-stände trafen sich jeden Montag mit ihm zur Sitzung! Welche Höhen und Tiefen, welche politischen Erfolge und Misserfol-ge hat er mit seiner GEW BERLIN erlebt!

Mit Udo geht ein Urgestein der GEW, ein Kollege, der anfänglich ehrenamtlich, dann als studentische Hilfskraft in der GEW arbeitete, bevor er die Chance er-griff, Geschäftsführer zu werden. Sein Engagement begann im Landesausschuss arbeitsloser Lehrkräfte, denn in den 1980er Jahren gab es keine Einstellungs-möglichkeiten in der Westberliner Schule. 32 Jahre lenkte er mit Augenmaß, Fach-wissen und der notwendigen Ruhe die Geschicke der GEW BERLIN. Er führte und gestaltete mit heute über 30 Beschäftig-ten die Geschäftsstelle. Er war Chef, aber niemals graue Eminenz oder autoritäres Oberhaupt.

Die erste Fahrt ist reserviert

Udo hat mit den verschiedenen Vorständen mehrfach unser Haus aus- und umgebaut, saniert sowie neugestaltet. Erinnern wir an

reformen die Geschäftsstelle auf Trab: Die Grundschulreform von 2005, die Ein-führung der Ganztagsschulen, das jahr-gangsübergreifende Lernen, Abschaffung der Vorklassen, alles ohne Ressourcen, die Gründung der Integrierten Sekundar-schulen durch Zusammenlegung von Haupt- und Realschule.

Mit Herz und Verstand

Seit vielen Jahren orchestriert Udo »sein GEW-Haus« darin, die Arbeits- und Ein-kommensbedingungen der GEW-Mitglieder und der Beschäftigten im Bildungsbereich zu verbessern. Gemeinsam konnten wir dabei auch große Erfolg feiern; nicht zu-letzt in jüngster Vergangenheit: Ab Som mer 2019 werden alle Grund schul lehr kräfte in die E13/A13 eingruppiert, ab Januar 2020 erfolgt die Aufwertung der Erzieher*in-nen und Sozialpädagog*innen. Wir ge-meinsam haben das erreicht und Udo hat mit den Kolleg*innen der Geschäftsstelle viele Aktionen sowie Streiktage mit orga-nisiert, begleitet und mit uns erfolgreich durchgeführt. Dafür gebührt ihm unser Dank, wie selbstverständlich auch den Kolleg*innen der Ahornstraße. Mit Herz und Verstand nah bei den Mitgliedern und trotzdem zurückhaltend im Hinter-grund. So kennen und schätzen wir Udo. Dafür können wir Dir, lieber Udo, gar nicht genug danken! Alles Gute!

dieser Stelle an den großen Anbau, den Zwischenbau mit dem neuen Eingangsbe-reich und den Umbau des Dachgeschosses.

Heute ist unsere Geschäftsstelle ein of-fenes Haus der Begegnung, ein Haus vol-ler Bildungsangebote und politischer De-batten. Nur eine offene Baustelle hinter-lässt er uns: den Fahrstuhl. Aber alle vor-bereitenden Arbeiten sind abgeschlossen, es fehlen nur die Entscheidungen des Bau- und Umweltamtes. Die erste Fahrt reservieren wir ihm.

Wir können hier nur einen Bruchteil all der Ereignisse der letzten drei Jahrzehnte aufführen, durch die Udo uns – seine GEW BERLIN – geleitet hat. In den 80er Jahren die Großdemonstrationen gegen die Aufrüstung, danach der berühmte Kitastreik von 1989. Dann kam der Mau-erfall mit allen Chancen, Hoffnungen und auch den Herausforderungen für unsere Geschäftsstelle: plötzlich tausende neue Mitglieder, die Anerkennung der Ab-schlüsse unserer Kolleg*innen mit DDR- Biografie und natürlich auch das sich Kennenlernen. In den 90er Jahren prägte der Kampf gegen betriebsbedingte Kün-digungen und die Kampagne zur Einstel-lung befristet beschäftigter Lehrkräfte die Arbeit der GEW. Anfang der 2000er ging es weiter mit den Abwehrkämpfen: die Bankenkrise in Berlin, sparen bis es quietscht mit dem einschneidenden Ta-rifabschluss von 2003. Darauf folgten die Entscheidung, Lehrkräfte nicht mehr zu verbeamten, die Erhöhung der Arbeitszeit und der Unterrichtsverpflichtung. Damit es nicht langweilig wird, hielten über all die Jahre immer wieder große Bildungs-

Doreen Siebernik und Tom Erdmann, Vorsitzende der GEW BERLIN

Danke, Udo!Es gibt Persönlichkeiten, die waren

gefühlt schon immer da. So ein Mensch verlässt gerade die GEW BERLIN

von Doreen Siebernik und Tom Erdmann

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21APRIL 2019 | bbz  GEWERKSCHAFT

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Wie schaffen die es, so viele Leute zusammenzubringen?«, fragte er-

staunt Laura Pooth, Vorsitzende der GEW Niedersachsen, am Rand der Streikkonfe-renz. Die Streikkonferenz in Braunschweig ist die größte linke gewerkschaftsübergrei-fende Diskussionsplattform in Deutsch-land. Auch dieses Jahr gab es wieder circa 700 Teilnehmende. Laura Pooth war gela-den, um die Arbeitszeitstudie zu Lehrkräf-ten ihres Landesverbandes vorzustellen. Auch Workshops zu Ausgliederungen von Unternehmensteilen, Leiharbeit und dem Kampf um den Berliner Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte fanden Platz.

Auf der Podiumsdiskussion zu Beginn der Konferenz schrieb Linken-Vorsitzen-der Bernd Riexinger den anwesenden Kolleg *innen der Industriegewerkschaf-ten ins Stammbuch, dass sie sich gefäl-ligst auch mal solidarisch mit den Kita-streiks zeigen sollten. Solch eine steile These löste empör tes Raunen bei Teilen der Anwesenden aus. Ein Hauch von Ar-beiter*innenromantik wehte also durch die Räume der Techni schen Univer sität. Neben politischen Forderungen der Pfle-gekräfte nahmen vor allem industriepoli-tische Arbeitskämpfe einen großen Raum ein. So gab es etwa Berichte der Kol-leg*innen von Nexans, die ge gen die ge-plante Schließung ihres Kabelwerks in Hannover kämpfen, und derer von Rie-sa-Teigwaren, die in einer erbitterten Ta-rifauseinandersetzung stecken.

Oliver Nachtwey, Soziologe an der Uni-versität Basel, formulierte in einem der Vorträge zwei Thesen über die Zukunft von Arbeitskämpfen. Erstens würden sich diese zunehmend auf die neuralgischen Punkte des Kapitalismus verlagern: Logis-tik (Beispiel Amazon), Reproduktion (Bei-spiel Erzieher*innenstreiks) und Dienst-leistung (Beispiel Flughäfen). Hier könne man auch zunehmend lauter werdende Forderungen beobachten, das Streikrecht einzuschränken. Gewerkschaften würden

in der US-Geschichte erfolgreich zu Ende. 65.000 Pädagog*innen legten über Wochen die Schulen lahm und forderten pädago-gische Verbesserungen, mehr Gehalt und ein Ende der Privatisierungswelle, die be-reits unter Barack Obama Fahrt aufge-nommen hatte. Die Schlagkraft dieses Lehrkräfte-Streiks beruhte vor allem auf seiner »super majority«, also auf einer Streikbeteiligung von über 90 Prozent. Unerwähnt ließ McAlevey jedoch, dass viele amerikanische Gewerkschaften die Pensionsfonds ihrer Mitglieder verwalten. Gewerkschaftsmitgliedschaft ist dort also auch eine Art Altersvorsorge.

In Braunschweig haben sich dieses Jahr viele Basiskämpfer*innen und Proletarier-*innen mit einem ausgeprägten linken Klassenbewusstsein getroffen. Sie alle sind Gewerkschaftsmitglieder, weil sie für ge-sellschaftliche Veränderungen kämpfen wol-len und nicht in erster Linie, weil es Streik-geld gibt. Ein Bewusstsein, dass ich mir in unserem DGB-Kreis auch wünsche.

sich daher verstärkt der Herausforderung stellen müssen, dieses Recht zu verteidi-gen. Zweitens glaubt Nachtwey, dass eine Re-Moralisierung von Streiks Not tue. As-pekte wie Würde, Berufsethik und Gutes Leben soll ten im Vordergrund stehen. Insbesondere die Forderung nach Arbeits-zeitverkürzung wünschten sich auch viele der Anwesenden von ihren Gewerkschaf-ten in künftigen Auseinandersetzungen. Jan Andrä, Vertrauensmann der IG Metall im VW-Werk Zwickau brachte es auf den Punkt: »Warum reden wir nicht stattdes-sen über Freizeitverlängerung!? Manche wollen mehr Zeit für die Familie und man-che mehr fürs Ehrenamt.«

Einer der Höhepunkte der Konferenz war das Referat von Jane McAlevey, die von ihrer Erfahrung als Organizerin bei US- amerikanischen Lehrkräftegewerkschaf-ten berichtete. In Los Angeles ging gerade einer der größten Streiks von Lehrkräften

Tom Erdmann, Vorsitzender der

GEW BERLIN

Aus unseren Kämpfen lernenIm Februar trafen sich aktive Gewerkschafter*innen zur Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Viele wünschten sich eine Re-Politisierung gewerkschaftlicher Kämpfe

von Tom Erdmann

»Ein Hauch von Arbeiter*innenromantik wehte durch die Räume

der Technischen Universität«

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22 RECHT & TARIF  bbz | APRIL 2019

In der dritten Verhandlungsrunde zwi-schen der Tarifgemeinschaft deutscher

Länder (TdL) und den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes wurde am 2. März 2019 ein Ergebnis erzielt. Dabei konnte die GEW BERLIN ihre Hauptforde-rung weitgehend durchsetzen. Für die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungs-dienstes (SuE) werden ab dem 1. Januar 2020 neue Entgelttabellen und Tätigkeits-merkmale eingeführt. Die Tabellenstruk-tur gleicht der SuE-Tabelle im TVöD-VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitge-berverbände), wie es die GEW gefordert hatte.

Erzieher*innen in Regeltätigkeit werden damit künftig in der S 8a eingruppiert, Erzieher*innen mit besonders schwieri-gen fachlichen Tätigkeiten in der S 8b. Kita-Leitungen finden sich (je nach Plät-zen) in den Entgeltgruppen S 9, S 13, S 15 bis S 18; Sozialarbeiter *innen in der S 11 b, Sozialarbeiter*innen mit schwierigen Tätigkeiten in der S 12 und Sozialarbei-ter*innen mit Garantenstellung in der S 14. Für die Entgeltgruppen S 8a und S 8b gelten gesonderte Stufenlaufzeiten.

Die SuE-Tabellen des TVöD-VKA vom 1. März 2018 werden genauso wie die regu-lären TV-L Tabellen erhöht, bevor sie ab dem 1. Januar 2020 für die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes ein-geführt werden. Für den Großteil der SuE-Beschäftigten bedeutet dieser Tarif-abschluss sofort oder mittelfristig eine deutliche Aufwertung und eine Gehalts-erhöhung um mehrere hundert Euro.

Entgelterhöhung hält mit anderen Branchen mit

Als zweites wichtiges Ergebnis werden die Entgelte aller Beschäftigten im öffentli-chen Dienst der Länder folgendermaßen erhöht:

pierung der Erfüller *innen in Entgeltgrup-pe 11, sondern an der Eingruppierung der Grund schullehrer *innen in Entgeltgruppe 13 orientieren. Das bewirkt eine deutliche Verbesserung der Eingruppierung für die Betroffenen.

Des weiteren wurde vereinbart, dass nach Abschluss der TV-L-Entgeltrunde 2019 Ta-rifverhandlungen über die Weiterentwick-lung der Entgeltordnung der Lehrkräfte geführt werden. Wir werden hier insbe-sondere die für Berlin wichtigen Forde-rungen einbringen.

Lange Laufzeit ist ein Wermutstropfen

Es gibt weiter diverse Änderungen im Ein-gruppierungsrecht des TV-L, die noch aus-formuliert werden müssen. Genauso ste-hen die Überleitungen im SuE und von der al ten EG 9 mit besonderer Stufen laufzeit in die neue EG 9a mit regulärer Stu fen-laufzeit im Detail noch nicht fest. Die Redak tions verhandlungen, denen diese Aufgabe obliegt, werden sich voraus-sichtlich mehrere Wochen hinziehen. Ins-besondere die lange Laufzeit und die re-lativ niedrige Erhöhung im letzten Schritt trüben das insgesamt ordentliche Ergeb-nis. Die vielen unterschiedlichen Verein-barungen, wie die Erhöhung der Anglei-chungszulage, die Erhöhung der Garan-tiebeträge, die Auflösung der EG 9 mit besonderer Stufenlaufzeit oder das Ein-frieren der Jahressonderzahlung er-schweren eine pauschale Bewertung.

Nähere Informationen finden sich auf der Homepage unter: https://www.gew­berlin.de/tarifrunde.php

k zum 1. Januar 2019 • Anhebung der Stufe 1 in den Ent-geltgruppen 2 bis 15 um 4,5 Prozent, • Erhöhung der übrigen Stufen in al-len Entgeltgruppen um 3,01 Prozent, mindestens aber um 100 Euro

k zum 1. Januar 2020• Anhebung der Stufe 1 in den Ent-geltgruppen 2 bis 15 um 4,3 Prozent, • Erhöhung der übrigen Stufen in al-len Entgeltgruppen um 3,12 Prozent, mindestens aber um 90 Euro

k zum 1. Januar 2021• Anhebung der Stufe 1 in den Ent-geltgruppen 2 bis 15 um 1,8 Prozent, • Erhöhung der übrigen Stufen in al-len Entgeltgruppen um 1,29 Prozent, mindestens aber um 50 Euro.

Die Zulagenbeträge in der Anlage F zum TV-L (Entgeltgruppenzulagen) erhöhen sich ebe nfalls: zum 1. Januar 2019 um 3,01 Pro-zent, zum 1. Januar 2020 um 3,12 Pro zent und zum 1. Januar 2021 um 1,29 Prozent. Für Lehrkräfte wurde die sogenannte An-gleichungszulage von bisher 30 Euro auf 105 Euro erhöht. Davon sind in Berlin aber nicht besonders viele Lehrkräfte betroffen.

Profitieren werden Lehrkräfte mit voller Laufbahnbefähigung in der Entgeltgruppe 11 (bis zur Höhergruppierung in die Entgelt-gruppe 13) oder Lehrkräfte mit einer Aus-bildung als Lehrer*in für untere Klassen in Entgeltgruppe 10 oder 11. Lehr kräfte in den Entgeltgruppen 12 und 13 betrifft die Erhöhung der Angleichungszulage nicht. Wichtig ist für uns in Berlin, dass es ge-lungen ist, die Zusage zu erhalten, die Protokollerklärung Nr. 12 zu Abschnitt 2 des TV EntgO-L im Rahmen der Redaktions-verhandlungen anzupassen. Zukünftig soll sich die Eingruppierung der Berliner Lehr-kräfte ohne volle Laufbahnbefähigung an Grundschulen nicht mehr an der Eingrup-

Udo Mertens, Leiter des Vorstandsbereichs

Beamten­, Angestellten­ und Tarifpolitik der

GEW BERLIN

Ein Erfolg für BerlinDie GEW BERLIN hat ihre Hauptforderung in der Länder-Tarifrunde 2019 weitgehend umgesetzt. Berliner Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen verdienen künftig so viel wie in Brandenburg

von Udo Mertens

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23APRIL 2019 | bbz  RECHT & TARIF

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SCHULE  bbz | APRIL 201924

Kurz vor Beginn des neuen Schulhalb-jahres verkündete Bildungssenatorin

Sandra Scheeres (SPD) am 23. Januar ein üppiges Maßnahmenpaket mit 39 Punkten zur Steigerung der Schulqualität. Das Pa-pier geht allerdings in vieler Hinsicht an den aktuellen Problemen der Berliner Schu- len vorbei. Das größte Manko: Die Rahmen-bedingungen, allen voran die Arbeitsbe-dingungen der Pädagog*innen, werden kaum in den Blick genommen. Es fehlt zu -dem eine gründliche Analyse der Schwie-rigkeiten und der Belastungen, die zurzeit bestehen. So ist ein Potpourri aus ober-flächlichen Maßnahmen entstanden: eine zusätzliche Deutschstunde in der Grund-stufe, mehr Mathe in der Kita, mehr Vor-bereitung für Quer- und Seiteneinsteiger-*innen, verbindliche Schulverträge und so weiter.

Wir brauchen echte Maßnahmen

Das wird aber nicht reichen. Denn: Die Berliner Schulen sind geprägt von struk-turellem Mangel. Es fehlen Fachkräfte und Räume. Es ist grundsätzlich wünschens-wert, nicht nur über Quantität zu spre-chen, sondern auch wieder über Qualität. Dabei darf aber die Grundsituation nicht außer Acht gelassen werden! Diese macht nämlich etwas mit allen Beteiligten. Die Schulen in Berlin zeichnen sich zuneh-mend als unattraktive Arbeitsplätze für Pädagog*innen aus. Die Anforderungen sind in den vergangenen Jahren perma-nent gestiegen, jedoch nahezu ohne Kom-pensation. Um die zahlreichen bildungs-politischen Reformen umsetzen zu kön-nen, muss an jeder Schule konzeptionell gearbeitet werden. Die Schulen sollen sich

Eine Ansage an die Beschäftigten

Der Titel von Scheeres’ Papier »Schule zu-sammen weiterentwickeln« legt nahe, dass geeignete Maßnahmen in einem gemein-samen Prozess entwickelt wurden oder werden sollen. Uns ist allerdings nicht bekannt, inwiefern Kolleg*innen aus der Praxis an der Erarbeitung beteiligt waren. Die Beschäftigtenvertretungen und die GEW BERLIN waren jedenfalls nicht einge-bunden. Insofern wirkt der Maßnahmen-katalog wie eine Ansage an die Kolleg*in-nen, noch mehr zu tun bei fast unverän-derten Bedingungen. Dabei haben schul-politische Maßnah men nur eine Aussicht auf Erfolg, wenn möglichst viele Pädago-g*innen auf dem Weg mitgenommen wer-den. Sie sind tagtäglich trotz der hohen Belastung mit sehr viel Einsatz für die Schüler*innen da und streben natürlich gute Lernergebnisse an. Hier wäre es sehr viel besser gewesen, alle Beteiligten der Berliner Schule demokratisch zu beteili-gen. Die Beschäftigten, die Schüler*innen und Eltern haben viele Ideen, was sich an den Rahmenbedingungen ändern ließe.

Ab nächstem Schuljahr soll es eine zu-sätzliche Deutschstunde in den Jahrgän-gen 1 bis 4 geben. Diese soll über angeb-lich freiwerdende Sprachfördermittel ab-gedeckt werden. Diese Ressourcen sind aber für die Sprachförderung von Schü-ler*innen in sogenannten Willkommens-klassen oder additiv zum Regelunterricht gedacht. Anstelle der additiven Sprach-förderung für die Schüler*innen mit Un-terstützungsbedarf gibt es nun im Gieß-kannenprinzip mehr Deutschunterricht für alle, auch für jene Kinder, die im Sprachbereich stark sind. Wir wollen, dass die Sprachfördermittel für den ursprüng-

zu Ganztagsschulen wandeln, inklusiv arbeiten, Profile entwickeln, die Rahmen-lehrpläne in schulinterne Pläne einarbei-ten, Kooperationen organisieren, Budgets verwalten, Honorarverträge abschließen und Zahlungen tätigen, Daten IT-gestützt verarbeiten, und dies zum Teil ohne dass die grundlegende Ausstattung oder nötige Infrastruktur gegeben sind. Für all diese Entwicklungsvorhaben sind kaum bis keine zusätzlichen zeitlichen Ressourcen vor-gesehen. Es soll alles einfach nebenbei stattfinden, neben dem fortschrittlichen, binnendifferenzierten, jahrgangs über grei- fenden Fachunterricht und den anregenden Ganztagsangeboten auf höchstem Ni veau, die natürlich auch erwartet werden.

Manche Stelle bleibt lange unbesetzt. Die hohe Belastung der Kolleg*innen führt zu hohem Krankenstand, der kaum ausgegli-chen werden kann. Es kommt zu häufi-gen Fluktuationen. Verlässliche pädago-gische Beziehungen und Arbeitsabläufe sind zum Teil schwer realisierbar. Es feh-len Räume, die die Bedürfnisse der Kin-der über den ganzen Tag abdecken (Rück-zugsräume, Ruheräume, Projekträume, Frei-räume, Mensen). Wie soll so eine qualitäts-volle Umsetzung der progressiven Kon-zepte möglich sein? Wie können die Ar-beitsbedingungen an den Berliner Schulen so gestaltet werden, dass die Pädagog*in-nen effektiv und mit Rücksicht auf ihre Gesundheit ihre Arbeit ausführen kön-nen, auch in Zeiten des Fachkräfteman-gels? Auf diese Fragen sucht man in Scheeres’ Papier vergeblich nach Antwor-ten. Da ist zwar die Rede von »Stärkung des pädagogischen Personals«. Tatsäch-lich werden aber nur wenige Maßnahmen beschrieben, die das pädagogische Perso-nal tatsächlich unterstützen würden.

39 SymptombekämpfungenDie Maßnahmen von Bildungssenatorin Scheeres für mehr Schulqualität gehen am Ziel vorbei. Gute Schule geht nicht ohne bessere Rahmenbedingungen

von Klaudia Kachelrieß

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lichen Zweck (auch nicht zur Vertretungs-reserve) verwendet werden. Hinzu kommt, dass die Stunde zu Lasten der informel-len Bildung aus dem Bereich der ergän-zenden Betreuung und Erziehung (Ganz-tag) gehen wird. Darauf sind die Schulen überhaupt nicht vorbereitet. Die Schulen müssen ihre Rhythmisierungsmodelle verändern und den Personaleinsatz an-ders planen. Das Ganze ist auch nicht verbindlich geregelt. Veränderungen der Stundentafel müssen eigentlich in der Grundschul-Verordnung vorgenommen werden. Insofern ist völlig unklar, mit welcher Verlässlichkeit diese zusätzliche Deutschstunde auch in Zukunft zur Ver-fügung steht. Wird diese kurzfristige Maß nahme dann in zwei Jahren wieder zurückgenommen? Entscheidet darüber die Kassenlage?

Über Scheeres Ankündigungen zum Kita- Bereich wundern sich die Kita-Fachkräfte, sind doch Sprache und Mathematik als zwei der sieben Bildungsbereiche bereits seit Langem Teil des Berliner Bildungs-programms für die Kitas. Für die qualita-tiv gute Umsetzung bedarf es aber auch hier einer stabilen Personalsituation. Der Personalmangel in den Kitas ist so massiv und die Kolleg*innen sind so überlastet, dass bereits die Umsetzung des aktuellen Bildungsprogramms gefährdet ist. Hier-für müssen konkrete Lösungen gefunden werden.

Lasche Aussagen zu Gesundheitsschutz, IT und Quereinstieg

In dem Papier gibt es keine konkreten Ideen für den Gesundheitsschutz der Be-schäftigten. Von Seminaren zu Stressmana-

nach Ermäßigungsstunden für die Quali-fizierung. Der Quereinstieg in den sozial-pädagogischen Bereich wird in dem Papier überhaupt nicht thematisiert, obwohl er die Schulen auch in hohem Maße betrifft. Un-ter dem Deckmantel der Förderung von multiprofessionellen Teams an den Ganz-tagsschulen werden die bestehenden Re-gelungen immer mehr aufgeweicht, um den Fachkräftemangel zu überbrücken.

Eines steht fest: Ohne die Verbesserun-gen der Rahmenbedingungen der Schulen und der Arbeitsbedingungen für die Ber-liner Pädagog*innen lässt sich die Quali-tät der Schulbildung nicht verbessern. Dies sind wichtige Stellschrauben, um qualifi-ziertes Personal zu halten und neue Fach-kräfte zu gewinnen. Beides ist unverzicht-bar, um langfristig qualitativ gute Bildungs-angebote in den Berliner Schulen bereit-zustellen. Um dies zu realisieren, braucht es JETZT eine gemeinsame Kraftanstren-gung, bei der aber vor allem auch die Be-troffenen eingebunden werden. Die Kin-der und Jugendlichen, die aktuell in Ber-lin in der Schule sind, haben JETZT das Recht auf eine bestmögliche Bildung.

Weitere Forderungen sind in dem GEW­Papier »Gute Schule jetzt! Was nötig ist für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Steigerung der Schul­qualität«, in der Online­Version dieses Artikels, zu fin­den unter: www.gew­berlin.de/bbz. Dort findet ihr auch einen Link zum Maßnahmenpapier der Senats­verwaltung.

gement und Lärmschutz ist die Rede. Die Kolleg*innen in den Schulen brauchen weniger Seminare sondern tatsächliche Entlastung und Lärmschutzvorkehrungen an den Schulen! Wir fordern die Umset-zung von konkreten Maßnahmen zum Lärmschutz und zur Luftqualität, die Ein-richtung von Ruheräumen und Arbeits-plätzen für die Beschäftigten an jeder Schule und ein Gesamtkonzept zu gesund-heitsbewusstem Arbeiten. Bei Schulbau-maßnahmen ist die Information und Be-teiligung der Schulgemeinschaft sicher-zustellen. Es müssen gesundheitsverträg-liche Übergangslösungen gefunden wer-den. Umbaumaßnahmen dürfen nicht zur zusätzlichen Belastung der Schüler*innen und der Beschäftigten führen.

Zusätzliches Personal für IT-Unterstüt-zung und Verwaltungsleitung wird mitt-lerweile zwar eingestellt, aber flächende-ckend für alle Schulen ist dies erst ab 2022 der Fall. Diese beiden Bereiche soll-ten auf Dauer zur grundlegenden Perso-nalausstattung von Schulen gehören. Dies würde eine tatsächliche Verbesserung für IT und Verwaltung bedeuten.

Der Ausbau des QuerBer-Qualifizierungs-programms für quereinsteigende Lehr-kräfte ist sinnvoll, allerdings bleiben die Ankündigungen an dieser Stelle viel zu unkonkret. Wir fordern: Der Vorkurs zum Quereinstieg in die Schulen muss auf vier Wochen verlängert werden und die Anlei-tung durch erfahrene Lehrkräfte muss von 8 auf 12 Wochen erweitert werden. Die An-kündigung eines Konzeptes für die soge-nannten »Seiteneinsteigenden« (Lehr kräfte ohne volle Lehrbefähigung) ist grund-sätzlich positiv. In dem Papier werden aber keine Details beschrieben und es blei-ben viele Fragen offen, unter anderem

Klaudia Kachelrieß, Referentin im Vorstands­

bereich Schule der GEW BERLIN

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Der digitale Wandel ist Teil unseres täglichen Lebens. Wir befinden uns

in einem tiefgreifenden gesellschaftli-chen Transformationsprozess, der unsere Art zu kommunizieren, uns politisch zu engagieren, kulturell zu betätigen, zu ler-nen, zu wirtschaften und zu arbeiten grundsätzlich verändert. Der Einfluss der digitalen Medien in allen Lebensberei-chen wird künftig weiter zunehmen und auch das Lernen und Lehren in der Schule maßgeblich verändern. Die damit einher-gehenden Veränderungen bieten den Schü-ler*innen zahlreiche Chancen, zum Bei-spiel die zeitlich und örtlich unbegrenzten Möglichkeiten zur Beschaffung von Infor-mationen, sie bieten aber auch erhebliche Risiken, wie zum Beispiel das Cybermob-bing. Diese stellen eine umfangreiche Herausforderung für den Bildungsbereich dar. Denn spätestens nach Abschluss der Schule, in der Berufsausbildung oder im Studium wird erwartet, dass Menschen die mit diesem gesellschaftlichen Wandel verbundenen Konsequenzen in Alltag, Beruf und Freizeit beherrschen, einord-nen, bewerten und reflektieren können.

Kinder und Jugendliche wachsen in dieser Zeit eines enorm dynamischen und zugleich rasanten medialen und technologischen Wandels auf, der insbe-sondere bei Kindern und Jugendlichen zu einer medialen Durchdringung sämtli-cher Lebensbereiche führt und unüber-sehbare Spuren im Lebensalltag hinter-lässt. Digitale Medien sind damit zu ei-nem wichtigen Instrument für die Ent-wicklungsaufgaben der Kinder und Ju-gendlichen und zu einem wesentlichen Sozialisationsfaktor geworden. Einen pädagogischen Handlungsbedarf legen die Ergebnisse der KIM- und JIM- Studien des Medienpädagogischen Forschungs-verbunds Südwest (mpfs) der letzten Jah-re nahe, die den Umgang der 6- bis 13-

die Pflicht nehmen. Sie sollten nicht nur die Technik in den Schulen bereitstellen, sondern zugleich eine qualifizierte tech-nische Einweisung vor Ort garantieren und bei kleinen Problemen zeitnah die Kollegen*innen vor Ort unterstützen.

Der Digitalpakt formuliert eindeutig, dass die vom Bund bereitgestellten Gel-der für die technische Infrastruktur an den Schulen länderseitig um pädagogi-sche Konzepte zur Qualifizierung des pädagogischen Personals und um didak-tische Konzepte ergänzt werden müssen. Statt die Frage nach dem Stand der in-haltlichen und strukturellen Vorbereitung der Berliner Bildungsverwaltung auf die-se Anforderung zu stellen, liefert der Ar-tikel stattdessen reine Polemik.

Das Klischee der Smartphone-Zombies

Der Verweis auf die Ergebnisse der Hirn-forschung reiht bekannte Argumente an-einander, ohne die vielfach geäußerte Kritik an diesen – keineswegs unumstrit-tenen – Studien zu erwähnen. Aufgrund der rasanten Entwicklung muss vielmehr von einem gestiegenen Bedarf an qualifi-zierter und aktueller Forschung zum Be-reich Lernen mit und über digitale Medien in vernetzten Strukturen ausgegangen wer-den. Die Behauptung, dass Kinder und Ju-gendliche bei der Umsetzung des Digital-pakts einen Großteil ihrer Zeit vor dem Bildschirm verbringen würden, setzt an klassischen Klischees über Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen an und verkennt die veränderte Bildungs- und Erziehungsaufgabe der Schule in einer digitalisierten Welt. Bei der systematischen Förderung von Medienkompetenz geht es nicht darum, welche Klicks man wo ma-chen muss, um ein Programm geschickt zu bedienen. Das pädagogische Ziel ist

und 12- bis 19-Jährigen mit Medien und Information seit 1998 repräsentativ un-tersuchen.

Wir brauchen auch die IT-Firmen als verantwortliche Partner

Der Digitalpakt der Bundesregierung ist eine überfällige Reaktion der Politik auf die in der Regel veraltete, nicht gewartete oder gar nicht vorhandene technische In-frastruktur in Deutschlands Schulen. Da-mit verbunden ist der Mangel an pädago-gischen Konzepten, wie digitale Medien sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden können. Wir erinnern an die katastropha-len Ergebnisse der internationalen Ver-gleichsstudie »International Computer and Information Literacy Study (ICILS)«. Dort nimmt Deutschland bezogen auf die Häufigkeit der Computernutzung durch Lehrpersonen im Unterricht der achten Jahrgangsstufe im internationalen Ver-gleich den letzten Platz ein.

Der Hinweis vom Kollegen Schiweck, dass sich die großen IT-Firmen bei der Umsetzung des Digitalpakts die Hände reiben werden, ist irreführend, da sich ak-tuell und in der Vergangenheit die Schul-buchverlage bereits kräftig die Hände gerieben haben. Bildungspolitik verstan-den als Investition in die Zukunft kann es ja wohl nicht zum Nulltarif geben. Wir sollten als reiches Land mehr Geld in die Zukunft unserer Kinder investieren und uns dabei zumindest am Mittelwert der Investitionen in Bildungsinstitutionen der OECD-Staaten orientieren. Dabei darf der pädagogische Erfolg der bereitgestellten Investitionen natürlich nicht aus den Augen verloren werden, sondern muss durch wis-senschaftliche Studien begleitet werden.

Darüber hinaus sollten wir auch die IT-Firmen bei dieser großen Aufgabe in

Wir können uns vor der Zukunft nicht verstecken

In der Januar-bbz kritisiert Ralf Schiweck Investitionen in die digitale Bildungsinfrastruktur. Das Geld sei an anderer Stelle sinnvoller ausgegeben. Die AG Medienbildung der GEW BERLIN widerspricht

von Michael Retzlaff und Sebastian Schädler

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ein verantwortungsbewusstes mediales Handeln; es geht auch insbesondere dar-um, sich selbst zu schützen und sich so-zial verantwortlich im Netz zu verhalten. Medienkompetenz ist zugleich auch Lern-kompetenz. Digitale Medien können auch helfen, aktuelle pädagogische Herausfor-derungen wie die Inklusion kompetent zu bewältigen.

Als ein Ergebnis der jahrelangen und sehr umfangreichen Hattie-Studien (Ler-nen sichtbar machen, 2015) bleibt festzu-halten, dass Lernerfolg in der Schule wahr-scheinlicher ist, wenn die außerschuli-schen Erfahrungen der Schüler*innen im Unterricht integriert und zum Lerngegen-stand gemacht werden. Bezogen auf die vielfältigen medialen Erfahrungen der Schüler*innen ist festzustellen, dass die-se bisher mehrheitlich konsequent igno-riert und zum Teil durch absolute Handy-verbote strukturell manifestiert worden sind. Wie auch die Hattie-Studien zeigen, geht es aber nicht darum, monokausal von »digitalen Medien« auf »bessere schuli-sche Leistungen« zu schließen. »For-schungsergebnisse zeigen, dass Medien nicht per se lernförderlich wirken. Sie sind es erst dann, wenn die Eigenschaften des Me diums zum Beispiel auch mit den Lern-voraussetzungen der Schüler*innen oder mit den angestrebten Lernzielen zusam-menpassen. Für konkrete Szenarien gibt es allerdings hinreichende Befunde, dass Medien lernfördernd wirken, fachlich, aber auch in Bezug auf Motivation oder Fähig-keiten des Problemlösens« (Bardo Herzig, Interview in der ZEIT vom 30.1.2019).

Es geht also vielmehr darum, auf der Grundlage pädagogischer Konzepte die me-dialen Erfahrungen aller Beteiligten alters- und sachgerecht im Unterricht zu integrie-ren. Die Umsetzung des Basiscurriculums Medienbildung als verbindliche Quer-schnittsaufgabe im neuen Rahmenlehrplan bietet zum ersten Mal die Chance, die medialen Erfahrungen der Schüler *in nen im Unterricht gezielt zu thematisieren.

Der abschließende Vergleich Schiwecks mit den Gefahren bei der Sexual- und Ver-kehrserziehung ist kontraproduktiv, weil er die Bildungsaufgaben von Schule gegen-einander ausspielt, statt die für eine er-folgreiche Umsetzung notwendigen struk-turellen und inhaltlichen Unterstützungs-leistungen in allen Bereichen einzufor-dern. Dass auch viele GEW-Mitglieder einen dringenden Bedarf in Bezug auf digitale Infrastruktur sehen, zeigt die ak tuelle Studie der GEW zur IT-Ausstattung an Schulen. Dort bemängelten 94 Prozent der befragten Mitglieder die Notwendig-

umfangreichen und verlässlichen Medien-beratungs- und Unterstützungssystems für die Schule notwendige Voraussetzun-gen. Die Schulen dürfen zum Beispiel bei der Erarbeitung eines Medienentwicklungs-plans nicht alleine gelassen werden. Die GEW BERLIN muss sich dieser Zukunfts-aufgabe daher durch intensive Diskussi-onen in allen Gremien stellen. Es ist und bleibt in einer zunehmend digital gepräg-ten Welt eine zentrale Aufgabe von Schu-le, alle Schüler*innen im Umgang mit den medialen Herausforderungen dieser Welt von heute und morgen zu stärken.

Dabei müssen sich alle Pädagogen*in-nen immer wieder die folgende Frage stellen: Wie können wir alle Schüler*in-nen in die Lage versetzen, die Vorteile der digitalen Welt kompetent und verant-wortungsvoll zu nutzen und zugleich ihre Herausforderungen zu bewältigen?

keit der technischen Wartung der Geräte, 90 Prozent die Bereitstellung von Hard-ware für Lehrkräfte und Lernende sowie 89 Prozent ein leistungsfähiges WLAN-Netz.

Lehrkräfte medienpädagogisch qualifizieren

Auf die veränderten Anforderungen an Bil-dung in der digitalen Welt sind die Schu-len in Berlin nur unzureichend vorbereitet. Mehrheitlich gelingt es noch nicht, Schü-ler*innen die dafür notwendigen Kom-petenzen von Beginn der Grundschule an zu vermitteln und digitale Medien zur kreativen Gestaltung von Lehr- und Lern-prozessen zu nutzen. Dieser Umstand überrascht nicht wirklich, denn die Mehr-heit der Lehrer*innen hat in ihrer Ausbil-dung kein medienpädagogisches Hand-werkszeug erlernt. Um dieses Ziel den-noch erreichen zu können, sind parallel zum Digitalpakt sowohl eine große Qua-lifizierungsinitiative für das pädagogische Personal als auch die Bereitstellung eines

Michael Retzlaff und Sebastian Schädler für die AG MedienbildungFO

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Unter den hunderttausenden syrischen Flüchtlingen gibt es viele Lehrkräfte,

die ihre Heimat, ihr Eigentum, ihren Job, ihre Familie, ihre Ersparnisse und ihre Rechte verloren haben und sich nun in Deutschland ein neues Leben aufbauen wollen. Sie bemühen sich darum, in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integ-riert zu werden und wieder ein normales Leben zu führen.

Einer von ihnen bin ich, Brhan. Ich lebe derzeitig in Sachsen und bin Teil eines Netzwerkes von geflüchteten Lehrkräften. Wir arbeiten nach dem Motto: »Wir sind Menschen mit Würde, Willen, Perspektiven und Fähigkeiten und möchten als norma-le Menschen, sowohl im Alltag als auch auf dem Arbeitsmarkt betrachtet wer-den.« Bislang konnten viele von uns ihre Fähigkeiten leider nicht so einbringen, wie sie möchten, da unsere Abschlüsse hier nicht anerkannt werden oder als nicht ausreichend klassifiziert werden.

Anpassung erfordert Nachqualifizierung

Selbstverständlich bestehen Unterschiede zwischen den Bildungssystemen in Syri-en und Deutschland, deswegen ist ein Anpassungsprozess erforderlich. Logi-scherweise setzen die Anpassungspro-zesse zu den 16 unterschiedlichen Bil-dungssystemen in Deutschland ein sehr

deutlich von einer 7-jährigen Lehramts-qualifi ka tion in zwei Fächern einer deut-schen Universität inklusive Referendariat ab. Ein An passungs lehr gang muss die Lücken in einem überschaubaren Zeit-raum schließen. Denn wir sprechen hier von geflüchteten Lehrkräften, die keine 18-jährigen Student*innen mehr sind und den erneuten Aufbau einer Zukunft vor sich haben.

Die GEW-Sachsen hat sich von Anfang an für die Rechte und Chancen der geflüch-teten Lehrkräfte eingesetzt und Druck auf die Bildungspolitik in Sachsen ausge-übt. Nach harten Verhandlungen können geflüchtete Lehrkräfte end lich, wenn auch noch sehr unzureichend, im sächsi-schen Bildungssystem eingesetzt werden. Dies geschieht in der Rolle von Sprach-mittler*innen, welche die Lehrkräfte, die Schüler*innen und ihre Eltern in man-chen Bereichen unterstützen. Leider dür-fen sie nicht ihre Fächer unterrichten. Dennoch sollten wir diesen Erfolg nicht unterschätzen, da wir hier über Sachsen reden. Für die meisten von uns geflüch-teten Lehrkräften ist der Bildungsfödera-lismus immer noch unübersichtlich und es wäre schön, wenn eine Lösung für alle Bundesländer in Frage käme.

hohes Niveau im Deutschen voraus. Inte-gration in den Arbeitsmarkt und regelmä-ßiger Kontakt zu deutschen Muttersprach-ler*innen ist oft förderlicher beim Erwerb der deutschen Sprache als so mancher Kurs in einer Sprachschule.

Nachqualifizierung ist teuer und dauert

Auf dem Weg zur Nachqualifizierung ge-flüchteter Lehrkräfte aus Syrien müssen auch die Kosten und die Dauer berück-sichtigt werden, damit keine Belastung entsteht, die viele Geflüchtete sich nicht leisten können. Das Landesamt für Schu-le und Bildung in Sachsen (LaSuB) hat bis-lang keinen Abschluss geflüchteter Lehr-kräfte voll anerkannt. Das einjährige päda-gogische Diplom-Studium in Erziehungs-wissenschaften nach dem Abschluss ei-nes Faches wird in Sachsen gar nicht an-erkannt. Darüber hinaus stellt das zweite Fach eine weitere, unvorhergesehene Hürde dar, die sich eine syrische Lehr-kraft nie vorgestellt hätte, denn in ande-ren Län dern ist die Ein-Fach-Lehrkraft Normalität.

Der Zugang zum Lehramt in Syrien ist sehr vielfältig und wurde vor etlichen Jah ren reformiert. Geflüchtete Lehrkräfte brin gen also unterschiedliche formale Qualifikationen mit. Welche auch immer sie vor weisen können, so weichen diese

Brhan Al­Zoabi, geflüchteter Lehrer aus Syrien

Wir wollen unseren Traumberuf nicht aufgebenViele geflüchtete Lehrkräfte hoffen nach wie vor auf die Anerkennung ihrer Lehramtsqualifikation und die

Möglichkeit, wieder Schüler*innen unterrichten zu dürfen. Unser Autor ist einer von ihnen

von Brhan Al­Zoabi

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Ein geflüchteter Kollege aus Bayern, wo die Situation noch schlimmer aussieht

als in Sachsen, war neulich in Berlin, um bei der Anerkennungsstelle sein Glück zu versuchen. In Berlin entspräche sein Ein-Fach-Abschluss einem Bachelor. Hier wird das pädagogische einjährige Diplom, das in Sachsen nicht anerkannt wird, auf ein-mal zur Chance. Denn zusammen mit diesem hat man ein Ein-Fach-Diplom und die Möglichkeit zum bezahlten Querein-stieg an der Berliner Schule.

Mein Freund, der mit dem Fach Mathe-matik bereits die mündliche Zusage einer Neuköllner Gemeinschaftsschule hatte und dort dringend gebraucht wird, hat sein Diplom in Syrien erworben, musste es aber vor seiner Flucht im Ministerium zu-rücklassen. Wenn er jetzt Verwandte dort-hin schicken würde, es abzuholen, müssten diese um ihr Leben fürchten. Nun bleibt ihm die Chance auf den Quereinsteigenden- Master (Q-Master), denn in Berlin gibt es die Möglichkeit, das zweite Fach innerhalb von vier Semestern zu studieren. Diese Mög-

beiten. Das ist schade, denn die Schule in Neukölln hätte meinen Freund als Vertre-tungslehrkraft mit einer halben Stelle ein-gestellt und ihn die anderen zwei Tage studieren lassen. Ohne verlässliche Aus-sicht darauf, den Q-Master auch abschlie-ßen zu können, ist ihm das zu unsicher.

Übrigens gibt es auch in Berlin zu we-nige Möglichkeiten, um auf das geforderte Niveau von C2 gebracht zu werden. Das ist in allen Bundesländern das gleiche Problem. Ich habe noch eine Gemeinsam-keit der Bundesländer gefunden: Überall leben geflüchtete Lehrkräfte, die ihren Traum, in Deutschland wieder unterrich-ten zu dürfen noch nicht aufgegeben ha-ben. Lasst sie wieder unterrichten!

lichkeit gibt es an der HU und FU und an der TU für technische Lehramtsfächer. Als Kernproblem gilt hier die Finanzierung. Mein Freund ist über 35 Jahre alt, ohne Chance auf BAföG. Er wird sich den Master also nicht leisten können. Er hat es bei vie-len Stiftungen versucht, aber auch die küm-mern sich vor allem um junge Geflüchtete.

Zu alt für Unterstützung

Es wäre schön, wenn der Q-Master alters-unabhängig gefördert werden könnte und Berlin in die Anpassung von ausländischen Abschlüssen investieren würde, denn auch eine 40-jährige Lehrkraft kann noch 25 Jahre unterrichten. So bleibt der Q-Master nur etwas für junge oder wohlhabende ge-flüchte te Lehrkräfte. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass das Q-Master-Programm wei-tergeführt wird. Da das unklar ist, bleibt den geflüchteten älteren Lehrkräften auch nicht die Möglichkeit, den Master in Teilzeit zu machen und nebenbei zu ar-

Janina Bähre, Lehrerin an einer

Gemeinschafts schule in Neukölln und Mitglied der

bbz­Redaktion

Lasst sie unterrichten!In Berlin bietet der Quereinsteigenden-Master Geflüchteten eine Chance. Der Bedarf ist groß, die

Möglichkeiten aber begrenzt. Ein Problem ist die Finanzierung

von Janina Bähre

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30 HOCHSCHULE � bbz | APRIL�2019

Im Jahr 2015 legten 14 Neuköllner*in-nen ihr Abitur mit Bestnote ab. Die B.Z.

berichtete damals von dem Festakt, bei dem die Musterschüler*innen durch die da-malige Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey ausgezeichnet wurden. In einem so heterogenen, kulturell vielfältigen und oft als Problembezirk verschrienen Stadtteil seien diese jungen Menschen die Zukunft. »Sie sind Aushängeschilder des Be zirks, unsere Botschafter«, so Giffey. Einer der Ausgezeichneten ist Yannic Wendt. Karo-hemd, sanftes Lächeln, strubbelige Gel-Fri-sur. Sein Berufswunsch: »Ich würde gerne zum Geheimdienst, weil ich Analyse und Verschlüsselung spannend finde«.

Drei Jahre später ist Franziska Giffey Familienministerin und Yannic Wendt ist – nein, nicht beim BND –, sondern eben-falls in die Politik gegangen und Mitgrün-der sowie Vorsitzender der »Campus Al-ternative Berlin«. In einem Tweet vom 14. November 2018 gab David Eckert, Vorsit-zender der AfD-Jugendorganisation, der »Jungen Alternative Berlin«, die Gründung der JA-Hochschulgruppe an der Freien Universität bekannt. Eckert hatte bereits vor vier Jahren eine »Campus Alternati-ve« in Düsseldorf gegründet, die schnell aufgrund spektakulärer Aktionen und ih-rer Verbindungen zur Identitären Bewe-gung sowie zu rechten Burschenschaften Aufsehen erregte. Damals formu lierte er sein bildungspolitisches Ziel so: »Ich will, dass vor jeder deutschen Bildungsinstitu-tion eine Deutschlandfahne weht, weil wir wieder Patriotismus in Deutsch land brauchen«. Dagegen gab sich der Berliner Ableger der »Campus Alternative« in sei-nem ersten Internetauftritt auf Facebook zunächst gemäßigt. Man wolle die Bedin-gungen aller Studierender verbessern, für mehr Transparenz im AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) sorgen und für die Freiheit der Wissenschaft eintreten, da diese in »Zeiten zunehmender Denk-

Pressemitteilung bezeichnete die »Campus Alternative« diese Anschuldigungen als »haltlos« und als ein »typisches Beispiel linker Gesinnungsdiktatur«. Dazu entwirft sie ein geradezu episches Narrativ:

»Seit 50 Jahren geht ein Gespenst um an der Freien Universität, das Gespenst des Kommunismus. Doch endlich sind die Schreckensjahre vorüber, denn durch die Gründung der ›Campus Alternative Berlin‹ zieht endlich wieder die Vernunft in unsere Hallen ein. Deshalb, Mut zum eigenen Verstand!«

Das lässt tief in das Weltbild der JA-Hoch-schulgruppe blicken. In typisch neurechter Manier werden die Umbrüche rund um das Jahr 1968 als fatale gesellschaftliche Fehl-entwicklung und als der Beginn der linken Hegemonie in Wissenschaft und Kultur gedeutet. Es folgten 50 »Schreckensjahre« »linker Gesinnungsdiktatur« und der »Ty-ran nei von Postmodernisten«. Die »Cam-

verbote« gefährdet sei. Ein Foto zeigt das Gründungstreffen. Darauf drei Personen mit Laptop, Stift und Schreibblock um ei-nen runden Tisch herum. Neben David Eckert erkennt man auch Yannic Wendt, dasselbe Lächeln wie vor drei Jahren, nur die Haare sind jetzt glattgekämmt.

Sticker für »mehr RECHTE an der Universität«

Deutlicher wird die »Campus Alternative Berlin« auf ihrer Website. Dort stellt sie sich als »konservative Hochschulgruppe« vor, die sich gegen die Ideologisierung der Wissenschaft und die Verschwendung universitärer Gelder wende. Das heißt kon-kret: Gegen Gender Studies, gegen Trans-gender-Toiletten, gegen Hörsaalbesetzun-gen und »gegen die Tyrannei von Postmo-dernisten«. Unter der Überschrift »Rück-kehr zur Vernunft« beklagt die »Campus Alternative« sowohl den »Zwang zur ge-genderten [sic] Sprache« als auch die ihrer Meinung nach unbegründet lange Dauer des Streiks der studentischen Beschäftig-ten in Berlin Anfang letzten Jahres.

Die erste Aktion der »Campus Alternati-ve« außerhalb des Netzes bestand darin, auf dem Gelände der Freien Universität Sticker mit der Aufschrift »Für mehr RECHTE an der Universität« zu verteilen. Unter anderem wurden damit Plakate des »Referats für Internationale Studierende und Studierende of Color« überklebt. Der AStA der FU wertete dies als Angriff auf die studentische Selbstverwaltung und insbesondere auf von Rassismus betrof-fene Studierende und veröffentlichte eine Stellungnahme, in der die politischen An-sichten der »Campus Alternative« als ras-sistisch und transfeindlich verurteilt und alle Hochschulangehörigen dazu aufge-fordert wurden, der JA-Hochschulgruppe an der FU keinen Raum zu geben. In einer

Für Vernunft und gegen Linke

Über die Gründung der rechtsnationalistischen »Campus Alternative Berlin«

von Joshua Schultheis

»Die Gender Studies, ein weltweit etabliertes

Forschungsfeld, werden als ›linke Traumwelt‹

abgetan.«FO

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31APRIL 2019 | bbz  HOCHSCHULE

bedient sie sich einer klassisch liberalen Rhetorik und gibt vor, für Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit einzustehen. Dahin-ter steckt aber eigentlich ein autoritäres und reaktionäres Weltbild, in dem für ab-weichende Meinungen kein Platz ist. Letztlich ist das antidemokratisch und wissenschaftsfeindlich.« Die größere Ge-fahr für die studentische Selbst verwaltung in Berlin sei bisher allerdings die AfD- Fraktion im Abgeordnetenhaus und nicht die ihr nahestehende Hochschulgruppe gewesen. Der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer hatte im Januar 2018 in einer An-frage an den Senat die Namen aller AS-tA-Referent*innen der großen Berliner Universitäten der letzten zehn Jahre so-wie weitere Details und persönliche Da-ten aus diesem Zeitraum erfragt, was vielfach als Einschüchterungsversuch gegenüber linkspolitisch aktiven Studie-renden gewertet wurde. »Dagegen existiert die ›Campus Alternative‹ hauptsächlich im Internet und könnte ohne die Unterstüt-zung der ›Jungen Alternative‹ Aktionen, wie das Stören von Veranstaltungen an der Uni, gar nicht durchführen«, so Fabian B. Es sei nicht zu befürchten, dass es der »Campus Alternative« gelingen könnte, eine relevante Anzahl Studierender von ihren Ideen zu überzeugen. Im Gegenteil sei ihr Auftreten sogar für viele Hoch-schulangehörige der Anlass gewesen, sich verstärkt mit Antifaschismus auseinan-derzusetzen.

Eine Anfrage an die »Campus Alternati-ve« über ihre Gruppenstärke, Art der Or-ganisation und zukünftigen Pläne blieb unbeantwortet. Einiges deutet jedoch da-rauf hin, dass die Gruppe aus nicht mehr als zwei oder drei Personen besteht. Ein-deutig identifiziert ist nur ihr Vorsitzen-der Yannic Wendt. Gut möglich, dass die bisherigen Selbstzeugnisse der »Campus Alternative« allesamt aus seiner Feder stammen. Und so ist zumindest ein Teil seiner Interpretation der Situation richtig: Die Übermacht derjenigen Studierenden, die einem rechtem Weltbild ablehnend gegenüberstehen, ist erdrückend. Ob es dagegen dem ehemaligen Vorzeige-Neu-köllner Wendt und seinen etwaigen Mit-streiter*innen gelingen kann, daran etwas zu ändern, ist zu bezweifeln.

pus Alternative« dagegen sieht sich in der Tradition der gefährdet geglaubten Auf-klärung. Es gelte die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Forschung gegen »Denk-verbote« und eine Ideologisierung von links zu verteidigen. Gegen eine feindlich ge-sinnte Übermacht schickt sich die »Cam-pus Alternative« an, diese Auseinander-setzung nun in der Universität, gleichsam in der Höhle des Löwen, auszutragen.

Wie es die JA-Hochschulgruppe jedoch tatsächlich mit der Wissenschaftlichkeit hält, steht auf einem anderen Blatt. Die Gender Studies, ein weltweit etabliertes Forschungsfeld, werden summarisch als »linke Traumwelt« abgetan und David Eckert, Initiator der »Campus Alternative« Berlin, kommentiert öffentlich einen Be-richt über die Hitzewelle im vergangenen Sommer mit den Worten »Urlaub endlich auch in Deutschland möglich. I love Klima-wandel – gebt mir mehr!«. Relativierungen des menschengemachten Klimawandels, die Diffamierung ganzer Fachbereiche und Fantasien von einer angeblichen Schre-ckensherrschaft der Linken in den Uni-versitäten zeugen von einem verschwö-rungstheoretischen Denken, dessen Beru-fung auf Immanuel Kant und die »Ver-nunft« ausgesprochen schief wirkt.

Zudem fiel die Gruppe um Yannic Wendt in den Monaten seit ihrer Gründung im November 2018 durch den Diebstahl von Transparenten studentischer Cafés, dem

Stören universitärer Veranstaltungen und dem Entfernen missliebiger Plakate auf. Ob das die Mittel der Wahl einer Hoch-schulgruppe sein sollten, die ihrem eige-nen Selbstverständnis nach für mehr »Demokratie« an der Universität und für die Rückkehr einer »vernünftige[n] Hoch-schulpolitik« einsteht, ist fraglich.

Deutlich rechts der AfD

Letztlich kann die »Campus Alternative« nur schlecht verbergen, wessen Geistes Kind sie ist. Die personellen Überschnei-dungen mit der »Jungen Alternative«, Yannic Wendt ist mittlerweile auch Schatz-meister der JA Berlin, erlauben Zweifel an der Selbstdarstellung der »Campus Alter-native« als lediglich »konservativer« Hoch-schulgruppe. Die Junge Alternative steht deutlich rechts ihrer Mutterpartei, der AfD, und unlängst haben neue Recher chen ergeben, dass nicht zuletzt die Berliner JA nach wie vor zahlreiche Querverbin-dungen zu rechtsnationalistischen Bur-schenschaften sowie zur rechtsextremen Identitären Bewegung aufweist. Inhaltlich hat sich die »Campus Alternative« von keiner dieser Organisationen distanziert.

Der FU-AStA-Referent Fabian B., der seit ihrer Gründung die »Campus Alternative« beobachtet, glaubt daher auch, dass diese ein doppeltes Spiel spielt: »Vordergründig

Joshua Schultheis, Mitglied der

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32 INTERNATIONALES � bbz | APRIL�2019

Im Februar 2018 haben wir zum ersten Mal in der bbz über die freie Schule in

Erandique, Honduras berichtet. Die Grün-dung dieser Schule in Privatinitiative eini ger Lehrer*innen und Eltern ist nur verständlich vor dem Hintergrund des 2009 verübten Staatsstreiches gegen den demo kratisch gewählten Präsidenten Ma-nuel Zelaya und die sich in den Folgejah-ren in allen gesellschaftlichen Bereichen verstärkende Diktatur. Bis heute hat sich an den damaligen Verhältnissen kaum et-was geändert, so dass wir gemeinsam mit dem Leitungsteam der Schule und den Eltern einen Prozess angeschoben haben, der zum Ziel hat, für alle Beteiligten eine pädagogische Arbeit zu ermöglichen, in der die Gestaltung eines eigenen Raumes als ein wichtiger Bestandteil des Lernens erkannt wird.

zu erkunden. Während die einen mit ei-nem großen Meterband die Grundrisse ausmaßen, um eine Vorstellung der Di-mensionen zu erlangen, setzten sich an-dere mit Schüler*innen unter die hohen Bäume, um ein Gefühl dafür zu bekom-men, wie Lernen in dieser Umgebung ge-staltet werden könnte. Ich verteilte Papier und Stifte, weil mir morgens spontan die Idee gekommen war, vor Ort die ersten Entwürfe der zukünftigen Schule herstel-len zu lassen. Überall bildeten sich kleine Diskussionsgruppen, man begutachtete die Zeichnungen der anderen. Während wir uns nach dem Essen in der Sonne ausruhten, fotografierten zwei Kolleg*in-nen alle Entwürfe und zeigten sie danach in einer Powerpoint-Präsentation. Auf die-se Weise erhielten wir schon einen ersten Eindruck, wie unterschiedlich die Schü-

Der Bau der Schule war notwendig gewor-den, um für die wachsende Schüler *in-nen zahl von bis zu 100 Schüler*innen und für unsere Paulo Freire Gemeinschaft in Zentralamerika einen Ort der Begeg-nung und Reflexion zu schaffen. Das Bau-land wurde von dem Vater einer Lehrerin gestiftet, sodass wir Anfang Dezember 2017 ein Planungsseminar organisierten, zu dem sich in Erandique 30 Freund*in-nen der Schule aus Zentralamerika und Deutschland trafen, um gemeinsam über die Schule und ihre architektonische Ge-staltung nachzudenken.

Mit Kolleg*innen aus El Salvador, Gua-temala, Honduras und Deutschland und mit Freund*innen, Lehrer*innen und Schü-ler*innen aus dem Dorf versammelten wir uns in Erandique, um gemeinsam das Baugrundstück für die zukünftige Schule

Lernen braucht Licht und LuftWie aus dem Widerstand gegen die Diktatur in Erandique, Honduras ein Raum für

eine pädagogische Alternative wurde

von Ilse Schimpf­Herken

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33APRIL 2019 | bbz  INTERNATIONALES

ler*innen sich den schulischen Raum vor-stellten. Sie hatten alle Fußballplätze, Schaukeln und Schulgärten gemalt, die oftmals viel größer als das Schulgebäude selber waren. Mehrere Lehrer*innen hat-ten Computerräume und Labore gezeich-net und die Kolleg*innen aus Guatemala hatten einen Rundbau entworfen, der die vier Himmelsrichtungen des Maya-Kalen-ders aufgriff. Das Maya-Modell wurde nach einem wochenlangen Prozess schließlich für die zukünftige Schule ausgewählt.

Die Anschauung der unterschiedlichen Vorstellungen und die Freude des ge-meinsamen Austausches schufen eine fruchtbare Atmosphäre, in der mein Vor-trag »Der Raum als Dritter Pädagoge« ei-ne Vertiefung bot. Aus diesem Dialog al-ler Beteiligten möchte ich im Folgenden vier von zwölf Thesen wiedergeben, die die weitere architektonische Planung der Schule beeinflussten. Die Thesen lehnen sich an die von Otto Seydel entwickelten zwölf Thesen für den Schulbau an.

These 1: Lernen braucht Ruhe, Licht und Luft: Im bisherigen, angemieteten Schul-gebäude, einem Wohnhaus einer in die USA migrierten Familie, gab es nur kleine Klassenzimmer, keine Flure für die Grup-penarbeit, geschweige denn eine Öffnung zu der Lernumgebung auf dem Hof, dem Dorf oder den Werkstätten. Das Gebäude liegt eingepfercht von Wohnhäusern in einer kleinen Seitenstraße des Dorfes. Jetzt gibt es die Möglichkeit, in der offe-nen Waldlandschaft eine der Umgebung angepasste Atmosphäre zu gestalten, auf hohe Schulmauern zu verzichten, den Innenraum des Rundbaus für Gruppenar-beit oder den Austausch mit Anderen zu nutzen. Bei Bedarf kann ein kleines Fuß-ballfeld angelegt oder eine Fläche mit Spielgeräten für die Kleinsten eingerich-tet werden. Die Schallbelastung in den kleinen Klassenräumen des bisher ge-nutzten Gebäudes war sehr groß und soll jetzt durch den Einsatz von lokalen Bau-stoffen gemindert werden, wie beispiels-weise Lehmsteinen oder Bambuswänden.

These 2: Lernen benötigt unterschiedliche Perspektiven und aktive Zugänge: In der geplanten Schule sollen die im Freire-An-satz grundlegenden Bedingungen für den dialogischen und körperlichen Ausdruck gewährleistet werden. So soll eine Thea-terbühne im Innenhof des Rundgebäudes und eine außerhalb des Schulgebäudes eingerichtet werden. Außerdem wird es einen Raum mit vielseitiger Nutzung ge-ben. Er beherbergt die Computer und Ge-

meinschaften auseinanderzusetzen, die unter dem Druck der Diktatur zuneh-mend vereinzelt werden. So werden bei-spielsweise viele Stellen nur nach dem Parteibuch vergeben und die wenigen Akademiker*innen werden unter Druck gesetzt, sich öffentlich für die regierende Partei zu äußern, andernfalls droht ihnen die Entlassung.

Nach einem schwierigen Planungspro-zess, in dem man sich wegen eines Hur-rikans und wochenlangen Dauerregens entschied, nicht ausschließlich in Lehm-bauweise zu bauen, sondern Dach und Fenster in einer technisch robusteren Bauweise zu errichten, was hohe Mehr-kosten erzeugt, steht der Bau inzwischen kurz vor seiner Vollendung. Alle Mauern sind fertig, im Februar wurden die Fens-ter eingesetzt und das Dach wurde im März gebaut.

Alle Freund*innen der Paulo Freire Ar-beit möge dieser mutige Schritt der Kol-leg*innen der freien Schule von Eran-dique ansprechen. Mit Ihren/euren Spen-den könnt ihr die Fertigstellung der Schu-le ermöglichen. Die Vorstellung, inmitten einer Diktatur eine freie Schule zu errich-ten, an der eine emanzipatorische Päda-gogik umgesetzt wird, ist in einem Land wie Honduras fast ein Wunder.

räte für den naturkundlichen Unterricht sowie für die Werkstätten der Eltern, die zur Unterstützung des Unterrichts viel-fach einbezogen werden. Die Elternarbeit besteht in der freien Schule nicht nur wie in vielen Bildungseinrichtungen in Latein-amerika in der Zubereitung von Pausen-mahlzeiten, sondern sie beinhaltet bei-spielweise auch den Beitrag des*der Dorf ärzt*in bei der Gestaltung des Biolo-gieunterrichts oder den Unterricht durch indigene Bewohner*innen von Erandique, die ihre Kenntnisse hinsichtlich kulturel-ler Gebräuche, Nahrungsmittelzuberei-tung und Textilverarbeitung weitergeben. Das zukünftige Anlegen eines Schulgar-tens ist im Interesse der Mehrheit der Eltern, die hierdurch die Hoffnung auf gesunde, kostengünstige Nahrung haben.

These 4: Förderung in einer inklusiven Schule geschieht in heterogenen Gruppen: Inklusion war von Anfang an ein Prinzip der pädagogischen Arbeit. Dies betraf nicht nur die Einbeziehung von Schü-ler*innen mit Lernschwierigkeiten, son-dern bezog sich im besonderen auf Kin-der aus sehr armen Familienverhältnis-sen. Diese Kinder erhalten ein Stipendi-

um und ihre Eltern werden in besonderer Weise in die schulischen Aktivitäten ein-bezogen. Viele dieser armen Familien le-ben oftmals abgeschieden vom Dorf, ha-ben ein geringes Selbstwertgefühl und brauchen eine besonders einfühlsame Aufnahme, um ihre Ängste zu überwin-den. Die sogenannte »Kultur des Schwei-gens« (Freire) hat sie seit Generationen geprägt und sie trauen sich sehr wenig zu, obwohl sie häufig ein großes Spezial-wissen in den Gesundheits- und Ökolo-giebereichen haben.

These 11: Der demokratische Staat benö-tigt eine demokratische Schule: Diese He-rausforderung wurde sehr kontrovers diskutiert, weil im heutigen Honduras die Gewalt vorherrscht und Demokratie eine leere Hülse ist. Trotzdem ist das Kollegi-um herausgefordert, mit der Diversität der Bevölkerung umzugehen und sich mit den religiösen und politischen Ge-

Ilse Schimpf­Herken, Institutsdirektorin des

Paolo Freire Instituts

WIR BITTEN UM EINE SPENDE

auf das Konto derPaulo Freire Gesellschaft e.V.

(Kennwort: Erandique)Volksbank Löbau­Zittau

IBAN: DE38 8559 0100 4557 9346 05

Paulo Freire Gesellschaft e. V. Wiclefstr. 17 10551 Berlin

Tel. 030­3 96 47 49 oder Tel. 0152 03 24 89 25

E­Mail: ilse.schimpf­[email protected]

»Im heutigen Honduras ist Demokratie eine leere

Hülse«

FOTO

: GEW

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34 ERWACHSENENBILDUNG  bbz | APRIL 2019

Honorarlehrkraft« ist die Bezeichnung für Lehrende, die auf Honorarbasis

vergütet werden, das heißt, die ohne An-stellung unterrichten. An den allgemein-bildenden Schulen stellen sie die Ausnah-me dar, aber in der Erwachsenenbildung die Mehrheit. Es ist schwer zu sagen, wie viele Lehrkräfte auf Honorarbasis in Deutschland arbeiten. Laut wb-Personal-

monitor der Universität Duisburg-Essen vom Mai 2017 sind nur 14 Prozent der fast 700.000 Beschäftigten in der Weiter-bildung angestellt und rund 70 Prozent sind sogenannte Soloselbstständige. Der wb-Personalmonitor zeigt außerdem, dass 55 Prozent der Beschäftigten als prekär einzustufen sind. Was die Arbeitsbedingun-gen betrifft, gibt es einen Unterschied zwi-schen der beruflichen und der individu-ellen Weiterbildung. Erstere wird von privaten Firmen für das eigene Personal sowie von der Agentur für Arbeit, letztere von öffentlichen sowie privaten Einrich-tungen angeboten. Unter den letzteren spielen die kommunalen Volkshoch- (VHS) sowie Musikschulen eine wichtige Rolle.

Die Honorare der Dozent*innen der Weiterbildung sind generell niedrig, je-doch unterschiedlich je nach Kurstyp und Träger. In den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finan-zierten Integrationskursen werden 35 Euro pro Unterrichtseinheit (UE) bezahlt, aber für Sprachkurse an brandenburgi-schen VHSen sind 18 Euro pro UE keine Seltenheit. Für die Renten- und Kranken-versicherungen müssen die Honorarlehr-kräfte sowohl die Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerbeiträge entrichten. Zudem gab es bis 2018 eine Untergrenze für die

durch regelmäßige Gespräche mit der Se-natsverwaltung, mit den VHS-Direktor*in-nen, mit den bildungspolitischen Sprecher-*innen der Fraktionen im Abgeordneten-haus sowie mit Aktionen auf der Straße erreicht.

Die Gruppe »Freie Dozent*innen«, ist 2015 entstanden, als die Anzahl der Inte-grationskurse dramatisch zunahm. Sie hat im Dezember 2018 einen Brief an das BAMF geschickt unter dem Titel »Förde-rung statt Zwang in Integrationskursen«, der von zahlreichen Gruppen unter schrie- ben wurde. In diesem Brief wird die Poli-tik vom BAMF scharf kritisiert, die durch eine stetige Ausweitung der Kontrollen und Sanktionen bessere Ergebnisse bei den Teilnehmenden erzielen möchte, fak-tisch aber eine für das Lernen äußerst ungünstige Atmosphäre des Zwangs und der Denunziation verursacht.

2019 feiern die Volkshochschulen ihr 100- jähriges Bestehen: Das Daf-Daz-Bünd- nis, eine bundesweite Organisation von Honorarlehrkräften, wird dieses Jubiläum zum Anlass nehmen, um den zuständigen Politiker*innen sowie einer breiten Öf-fent lichkeit klar zu machen, dass »qualita-tiv hochwertige Weiterbildung nicht dau-erhaft auf dem Rücken des eigenen Lehr-personals angeboten werden [kann].«

Festlegung der Krankenkassenbeiträge. Diese wurde vom Gesetzgeber willkürlich und unrealistisch hochgesetzt. Wer zwi-schen 450 und rund 2.100 Euro verdien-te, musste so viel bezahlen, als würde sie oder er 2.100 Euro verdienen, also einen Beitrag um die 400 Euro. Für viele Hono-rarlehrkräfte hat aber das Jahr 2019 mit einer erfreulichen Neuerung angefangen. Endlich wurde die Untergrenze für die Zahlung der Krankenkassenbeiträge auf etwa die Hälfte gesenkt, wie Gewerkschaf-ten, Verbände der Selbstständigen sowie Dozent*innengruppen seit Jahren gefor-dert hatten. Infolge der jahrzehntelangen Unterbezahlung betragen die Rentenaus-sichten nach 35 Jahren Vollzeitarbeit an Berliner VHSen um die 700 Euro. Um von der Arbeit leben zu können, geben viele Lehrkräfte eine hohe Anzahl von UE pro Woche und oft bei mehreren Einrichtun-gen. Letzteres vergrößert den Stress, aber mehrere Standbeine ermöglichen, auf Schwankungen im Kursangebot besser reagieren zu können.

Wie bei allen Beschäftigten, die keinen stabilen Bezug zu einem Arbeitsplatz ha-ben, ist es schwierig, die Honorarlehrkräf-te zu organisieren. Entsprechend niedrig ist der Anteil der Gewerkschaftsmitglie-der, die sich bundesweit zwischen ver.di und GEW aufteilen.

Daher ist es besonders erfreulich, dass von den etwa 650 bis 750 arbeitnehmer-ähnlichen Dozent*innen an den Berliner VHSen circa 230 von Gewerkschaften ver-treten werden. Die arbeitnehmerähnlichen Dozent*innen bei den Berliner Musik-schulen und VHSen haben dank ihres jah-relangen Engagements einige wichtige Verbesserungen erreicht. Sie bekommen vom Land Berlin den Arbeitnehmeranteil der Versicherungsbeiträge und ab dem 4. Krankheitstag erhalten sie 80 Prozent des Honorars.

Von großer Bedeutung ist die Erhöhung der Honorare für alle Dozent*innen auf 31,69 Euro und ab dem 1. August 2019 auf 35 Euro. Die Verbesserungen wurden

Linda Guzzetti, Mitglied der

Bundeskonferenz der Sprachlehrbeauftragten

Wer sind die Honorarlehrkräfte?Ein Bündnis von Dozent*innen strebt zum anstehenden 100-jährigen Bestehen der Volkshochschulen

einen stärkeren Einfluss auf die zuständigen Politiker*innen an

von Linda Guzzetti

»Von 650 bis 750 Dozent*innen werden etwa 230 von Gewerk-

schaften vertreten«

»Die Honorare der Dozent*innen der

Weiterbildung sind generell niedrig«

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35APRIL 2019 | bbz  LESER*INNENFORUM

Von wegen Sicherheit, bbz März 2019

Von wegen Sicherheit? Besser wäre der Artikel von Sebastian Schmidt und

Ryan Plocher mit »Von wegen Sachkunde« überschrieben worden. Es gibt viel gegen das Beamtentum einzuwenden, für den Schul bereich hätte es schon mit der Wie-der vereinigung abgeschafft werden müssen, wer aber aus ideologischen Gründen die materiellen Vorteile des Beamtentums klein redet und dagegen den Angestelltensta-tus idealisiert, wird wenig überzeugen. Sachkunde war beim Verfassen des Artikels offenbar nicht gefragt.

Zu den einzelnen Punkten: »Die persön-liche Freiheit der Be amtinnen ist massiv eingeschränkt«: Die Autoren begründen dies mit der (theoretischen) Möglichkeit, über das Pensionsalter hinaus zum Dienst herangezogen zu werden. Wann das je-mals passiert ist, darüber schweigen die Autoren. Vielleicht während der Zeit der Brüningschen Notver ordnungen Ende der 20er? Ich habe jeden falls nichts sonst ge-funden. Die Möglichkeiten der Einschrän-kung von Teilzeit, Sonderurlaub, Neben-beschäftigung von Beamten sind eben-falls lediglich theoretisch. Beamte sind da nicht schlechter gestellt als Angestellte. Auch Beamte können kündigen und was anderes machen. Sie verlieren zwar dann ihre Pensionsansprüche werden aber vom Dienstherrn in der Rentenversicherung nachversichert (und zwar sowohl mit ih-rem eigenen Beitragsanteil als auch mit dem des Arbeitgebers), haben also grund-sätzlich auch Ren tenansprüche.

»Angestellte zahlen in die Rentenkasse ein und was man zahlt, bleibt«: Naiver geht’s nicht. Das Rentenniveau ist von 59,8 Prozent im Jahr 1970 auf jetzt 48 Prozent gesunken obwohl nicht weniger sondern teilweise mehr eingezahlt wur-de. Den »berühmten« Satz von Norbert Blüm, »die Rente ischt sischer« kann man sich aufs Klo hängen. Sicherheit? Die Rente eines Angestellten ist mit der Zu-satzversorgung fast so hoch wie die Pen-sion der Beamtinnen behaupten die Auto-ren. Tatsächlich beträgt der maximale Pen sionsanspruch aktuell 71,75 Prozent, das maximale Rentenniveau liegt bei 48 Prozent aktuell (s.o.). Bei vorzeitigem Ru-hestand auf Antrag fallen für Beamtinnen maximal 10,8 Prozent an Abschlägen (0,3 Prozent je Monat, 3,6 Prozent je Jahr) an bei vorzeitiger Rente können es bis zu 18

aber politisch argumentieren. Zum Bei-spiel dass Beamtinnen als erster Schritt auch in die sozialen Kassen einzahlen müssen. Ein Aufbauschen der »Nachteile« des Beamtentums und ein Lobpreisen der »Vorteile« eines Lebens als Angestellte hilft niemandem, vor allem wenn die Fak-ten nicht stimmen. Manfred Triebe

In Vielfalt vereint, bbz März 2019

Danke für die Beiträge zu den Rom in der aktuellen bbz. Als Lebenskundelehrer

habe ich immer wieder mit Antiziganismus zu tun gehabt. Das Wort »Zigeuner« hörte ich in meiner Zeit an einer Brennpunkt-schule fast täglich und es wurde natürlich als Schimpfwort gebraucht. Die, die es ge-brauchten, gehörten meist selbst zu einer Minderheit und hatten fast nie Ahnung, wenn ich sie fragte, was denn ein »Zigeu-ner« sei. Ich habe damals immer wieder kurze Erklärungen in den Unterricht ein-gebaut. In meinem Fach ist das ja ohne Probleme möglich. Denn Diversität und Toleranz gehören ja zu den Grundwerten des weltlichen Humanismus. Dies führte dann dazu, dass sich Schüler zur Überra-schung ihrer Mitschüler outeten. Ich habe mich dann in den letzten Jahren sehr mit der Thematik beschäftigt. Sehr hilfreich war dabei das Muzeum romské kultury im Tschechischen Brünn, welches ich mehr-fach besuchte. Auch das neu entstandene Rom Archiv www.romarchive.eu/de finde ich phantastisch. Denn es gilt sich deutlich zu machen, dass die Rom eine sehr interes-sante Minderheit sind, die es in fast allen europäischen Ländern und natürlich auch autochthon in Deutschland gibt. Ihr Bei-trag zur europäischen Kultur – zum Beispiel in der Musik – wird weitgehend nicht wahr-genommen. Ebenso werden die Menschen selbst nicht wahrgenommen, weil sie sich oft nicht outen. Nicht wenige, die ich kenne, sagen, dass sie Griechen, Tür ken, Bulgaren etc. sind. Selbst deutsche Rom habe ich kennengelernt, die auf ihre dunklere Haut-farbe angesprochen sagten, sie hätten eine italienische Oma gehabt. Wer die beste-hende Diskriminierung und die unendli-chen Vorurteile der Mehrheitsbevölkerung kennt, der kann das gut verstehen! In die-sem Sinne bleibt es eine dau erhafte päda-gogische Aufgabe, hier aufzuklären und für Toleranz zu werben. Dr. Olaf Schäfer

Prozent sein. Die Rente summiert sich aus den erworbenen Rentenpunkten und ist ab hängig vom Gesamteinkommen eines Arbeitslebens. Pensionsansprüche richten sich nach der letzten Besoldungsstufe 2 Jahre vor der Pensionierung. Klartext: Nicht nur der prozentuale Pensionsanspruch ist deutlich höher. Auch die Basis von der er berechnet wird ist günstiger. Wer als beamtete Lehrkraft so ab 60 noch mal beför dert wird, z.B. von A 12 nach A 14, erhält Pension nach A 14, auch wenn sie ein Le ben lang in A 12 gearbeitet hat. Die Autoren fragen: »Ist die private Kranken-versicherung besser?«, und sagen »ja«. Das stimmt aber auch nur zum Teil. Bei längerer Krankheit gibt es große Probleme. Nach der Lohnfortzahlung (6 Wochen) fällt man in ein großes Loch. Natürlich ist die PKV auch für Angestellte offen. Man darf aber auch nicht verschweigen, dass man als Angestellter erst ab einem Jah-reseinkommen von 60.750 Euro (2019) in die PKV wechseln kann. TZ-Beschäftigte kommen selten auf diese Summe. Sie können also nicht einfach wech seln. Im Übrigen gibt es Altersgrenzen, das heisst zum Beispiel Männer über 50. Ob man als Rentnerin mit geringem Einkommen dann wieder in die GKV kommt ist auch keine Bank, da sollte man sich vorher sorg fältig beraten lassen. Schaut man sich da zu die Beitragshöhe in den PKV an, kommt man im höheren Alter ins Grübeln. Und im Üb-rigen: auch wer gerne in die Sozialkassen einzahlt ist deshalb noch lange kein soli-darischer Gutmensch. Unkündbarkeit: mal abgesehen von dem Blödsinn, dass Kündigungen von Angestellten bei Wider-spruch des PR vor einer Einigungsstelle beim Arbeitsgericht landen (die gibt es beim Arbeitsgericht gar nicht) ist ein An-gestellter nach 15-jähriger Betriebszuge-hörigkeit praktisch unkündbar. Und dass ein Personalrat immer einer Kündigung widerspricht ist auch keine Bank mehr.

Ar beitskampf: hört sich schön an, ist aber zum Beispiel bei der Arbeitszeit – Hauptbelastungsfaktor für Lehrkräfte – nicht anwendbar weil die Arbeitszeit der Lehrkräfte nicht tariflich geregelt ist, son-dern analog der Arbeitszeit der Beamtin-nen gesetzlich geregelt wird. Auch die anderen Arbeitsbedingungen sind aktuell nicht tariflich geregelt, also aktuell einem Arbeitskampf nicht zugänglich.

Fazit: Das Beamtentum mag anachro-nistisch sein, wer es abschaffen will muss

L E S E R*I N N E N F O R U M

Page 36: Berliner Bildungszeitschrift...im Bildungsbereich geschaffen. 200 soge-nannte Kitahelfer*innen sollen die Fach-kräfte in den Kitas bei der Essensversor-gung, beim Vorlesen oder beim

SERVICE � bbz | APRIL�201936

Mensch und Tier

In »Reise ins Innere der Stadt« setzt Shaun Tan traumähnlich Tieren ein Denkmal. 25 Texte, die der Illustrator jeweils malerisch mit pastösem Pinselstrich festhielt, erzählen von der Großstadt. Jede einzelne Episode fokussiert dabei ein Lebewesen in der Stadt. Der Erzählband enthält Geschichten von unzählbaren Schmetterlingen, die Städter*innen verzaubern, nicht nachzudenken und stattdes­sen nur den Moment zu genießen. Es wird berichtet von Krokodilen, die völlig unbemerkt die achtund­achtzigste Etage eines Bürogebäu­des belegen. Pferde, Wale und Hunde sind in diesem Buch ge­nauso vertreten wie Eulen, Katzen, Schweine und Papageien. Aber auch der Mensch taucht auf. Ste­tig wird er in Beziehung gesetzt, und sein Verhalten und seine Po­sition in Frage gestellt. Shaun Tan schafft erzählerisch in Wort und Bild neue Einblicke in das Leben der Großstadt. Ein Schwein fristet im Hinterzimmer einer Stadtwoh­nung Stück für Stück sein Leben, und wird dabei Scheibe für Schei­be weniger. Das letzte Nashorn ist auf dem Seitenstreifen der

Autobahn anzutreffen, und Haie werden im Anblick der Masse ge­schlachtet. In diesen Szenarien werden nicht nur Stadt neuro ti­ker*innen entlarvt, sondern eine krankende Gesellschaft. Diese missbraucht in ihrer Überheblich­keit als Homo Sapiens ihre Macht anstatt verantwortungsvoll zu handeln. Mit surrealen Inszenie­rungen in Öl eröffnet Shaun Tan den Leser*innen einen kritischen Blick auf das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Dabei nutzt der

B Ü C H E RLesePeter im April

Im April erhält den LesePeter das Bilderbuch »Die Kinder und der Wal« von Daniel Frost, aus dem Englischen übersetzt von Frederik Kugler. Den Erzählungen der Alten gemäß wartet Cuno mit viel Geduld darauf, den Wal zu sehen. Seine kleine Schwester will er nicht da­beihaben, aber erst nachdem die­se sich in das Kajak schlich, ge­schieht das Unfassbare. Einfache und doch sehr beeindruckende Illustrationen zeigen die blaue Welt des Eises und machen die Sehnsucht der Kinder deutlich.

T H E AT E R»Genau wie immer: alles anders?« bei Strahl: Die Bühne überspannt mit einem großen, hellen, aufblas­baren Tuch – eine auch optisch attraktive Spiellandschaft. In ihr tummeln sich fünf jugendliche Darsteller*innen – auf der Suche nach den Verlockungen und Ge­heimnissen der Pubertät in ihren vielfachen Möglichkeiten, Gefah­ren und Geschenken. Ein quirliges Spiel entwickelt sich, informativ und lustvoll unterhaltend. Ab 12 Jahren

In der Schaubühne Horvaths »Ita-lienische Nacht«, geschrieben 1930 (erst im Jahr darauf gab es in Murnau die im Stück beschriebe­nen Ereignisse). Horvath lieferte eine ausführliche Zeugenaussage zu den Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremen und linken Gruppierungen in Murnau. In seinem Stück verbindet er sen­sibel und hellsichtig politische Ereignisse mit persönlichen Le­bensgeschichten. Irritierend frei­lich die Unterzeile »Italienische Nacht von Horvath in einer Fassung von Thomas Ostermeier und Flo­rian Borchmeyer« – dem Drama­turgen; gab es also Textverände­rungen – wenn ja, welche? Hor­vaths Spürsinn, sein sensibles Gefühl für kommende Entwick­lungen ist stark und überzeugend genug – er braucht keine Nachhil­

fe. Realisiert wird das Stück von einem zahlreichen Ensemble und mit einem überwältigenden Büh­nenbild auf der Drehbühne: wir sehen das Gasthaus Lehninger; es ermöglicht eine Fülle unterschied­lichster Spielorte, bietet Raum für mancherlei private Entwicklungen und turbulente Gruppekonfron­tationen. Ab Sek II

FELD – Theater für Kinder und Erwachsene ist das neue Theater am Winterfeldplatz. Die Eröffnung erfolgte zunächst bei freiem Ein­tritt am 15. und 16. Dezember 2018 mit einer bunt­interessanten Mi­schung aus Aufführungen, Work­shops und der »Kiez­Matinee mit der Bürgerinitiative Kiezkultur«; sie gab einen faszinierenden Rück­blick auf die vielfältigen Bemü­hungen der Initiative, ihr Theater gegenüber kommerziellen Inter­essen zu erhalten. Wahrlich ein Lehrstück politischen Engagements und bürgerschaftlicher Hartnä­ckigkeit.

Bei Atze seit 2003 im Repertoire: »Ronja Räubertochter«, eine Insze­nierung von Herman Vinck: in einer opulenten Ausstattung auf der großen Bühne lässt er die ri­valisierenden Räuberfamilien kräf­tig poltern und renommieren. Das junge Paar kümmert sich wenig um die Rivalitäten der Alten, springt geschickt von Räuberburg zu Räu­berburg. Ab 7 Jahren Hans-Wolfgang Nickel

Das Bühnenbild in Horvaths »Italienischer Nacht« in der Schaubühne überzeugte unseren Rezensenten besonders FOTO: DAVID BALTZER

�k »Die Kinder und der Wal«, Daniel Frost, Kleine Gestalten, Berlin 2018. ISBN 978-3-89955-815-9. 32 Seiten, 14 Euro. Ab 3 Jahren

�k Shaun Tan: Reise ins Innere der Stadt. Übersetzt aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Aladin 2018, 288 Seiten, 28 Euro

Page 37: Berliner Bildungszeitschrift...im Bildungsbereich geschaffen. 200 soge-nannte Kitahelfer*innen sollen die Fach-kräfte in den Kitas bei der Essensversor-gung, beim Vorlesen oder beim

APRIL�2019 | bbz  SERVICE 37

Autor und Illustrator die Kraft seiner Bilder: gekonnt setzt er seinen Texten mit einer doppel­seitigen Visualisierung einen Punkt oder lässt Bild und Text sich ab­wechselnd ergänzen.

Farriba Schulz, AG Jugendliteratur und Medien der GEW Berlin

Der Roadtrip eines DDR-Lehrers

Ein junger ostdeutscher Lehrer in den 1980er Jahren sucht seinen Weg in die Freiheit. Er ist fest ent­schlossen, die bulgarisch­türkische Gren ze zu überwinden. Seine Er­fahrungen aus dem Grenzdienst an der Berliner Mauer helfen ihm bei diesem Unternehmen. Immer wieder hadert er mit sich selbst während seiner Reise durch die osteuropäischen Länder, die er mit einem schrottreifen Auto pas­siert. Szenen aus seinem Lehrerall­tag treten ihm dabei vor Augen, welche die durchaus bewahrens­werten Seiten des ostdeutschen Schullebens wie auch dessen Ab­surditäten deutlich bewusstwer­den las sen. Es entsteht ein diffe­renziertes, ambivalentes Bild über das Lehrerstudium, über Bildung und Erziehung in der DDR.

Harald Seifert, ehemals Lehrer in Thüringen zur Zeit

der DDR, Hoch schul lehrer für Pädagogik in Heidelberg und

Ludwigsburg. Er lebt in Weinheim.

�k Grenzenlos, Harald Seifert. Verlag: Books on Demand 2018. Paperback, 364 S., ISBN-13: 9783748170518, 9,99 Euro

M AT E R I A L I E NAnti-Mobbing-App

Drei Schüler*innen des Canisius­Kollegs haben mithilfe des Social­Entrepreneur­Preises des Bundes eine App entwickelt, die gegen Mob­bing helfen soll. »Exclamo« heißt die Anwendung und soll ein Weg für Betroffene sein, anonym ihre Er­fahrungen mit Mobbing und Gewalt mit Vertrauenspersonen zu teilen. Bisher gibt es eine Webseite als Testversion, zum neuen Schuljahr soll die App zum Download für Android und iOS bereitstehen. Interessierte können die Entwick­lung der App noch finanziell un­terstützen: exclamo.org

A K T I V I TÄT E NAusstellung zu Berufsverboten

Vom 8. bis 18. April wird die Aus­stellung »Vergessene Geschichte – Berufsverbote, und Politische Disziplinierung in der Bundesre­publik Deutschland und in West­Berlin«, die bislang in der GEW­Geschäftsstelle zu sehen war, an der Freien Universität in der Rost­ und Silberlaube, Habelschwerdter Allee 45 vor den Hörsälen 1a und ­b gezeigt werden. Dazu wird es am 10. April um 18 Uhr im Semi­narraum L115, Otto von Simson Str. 26, eine von der GEW­Hoch­

A N Z E I G E N

Institut für Gruppendynamik

Supervisionsgruppenfür Lehrerinnen und Lehrer

Andrea Riedel, Lehrerin, Supervisorin (DGG)

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YOGA IN DER SCHULE: DER ATEMFINGER

Hier�kommen�zwei�Atemübungen,�die�be-ruhigend� wirken� und� den� Fokus� auf� das�Hier� und� Jetzt� legen.� Sie� können� gut� am�Schreibtisch�oder� im�Sitz-Kreis�ausgeführt�werden� und� sind� in� jedem�Alter� passend�und�wirksam.�Lege�den�Zeigefinger�auf�die�Oberlippe�unter�deine�Nase.�Lasse�deinen�Atem�ein-�und�ausströmen�über� deinen� Finger.� Warte� ein� paar� Momente,� mindestens� drei�Atemzüge.�Spüre�wie�dein�Atem�deinen�Finger�kitzelt.�Jetzt�lasse�deinen�Zeigefinger�auf�der�anderen�Hand�wandern,�von�der�Handfläche�zur�Daumenspitze,�einatmen;�zur�Handfläche�zurück�zwischen�Daumen�und�Zeigefinger,�ausatmen.�Von�der�Handfläche�zur�Zeigefingerspitze,�einatmen;�Richtung�Handfläche�zwischen�Zei-ge-�und�Mittelfinger,�ausatmen.�Folge�diesem�Muster�bis�du�die�Au-ßenseite�von�jedem�Finger�gestreichelt�hast�und�fünfmal�ein�und�aus�geatmet�hast.�Lass�einen�Moment�Ruhe�nach�der�Übung.�Frage�die�Kinder�jetzt,�wie�sie�sich�fühlen,�im�Vergleich�zu�vor�der�Übung.�� Rachel Brooker, Turiya Berlin, www.turiya.berlin

Page 38: Berliner Bildungszeitschrift...im Bildungsbereich geschaffen. 200 soge-nannte Kitahelfer*innen sollen die Fach-kräfte in den Kitas bei der Essensversor-gung, beim Vorlesen oder beim

SERVICE � bbz | APRIL�201938

A N Z E I G E N

gespannt auf die anderen Sagen aus dem »Alten Berlin«. Die Füh­rung übernimmt Frau Eva­Maria Radoy. Treffpunkt: 10.30 Uhr Ro­tes Rathaus, 4 Euro pro Person, weitere Führungskosten über­nimmt die GEW, Kontakt: Marina Wulff, Tel.: 64 39 70 43

Senior*innen Pankow

Dienstag, 09. April 2019: Märkisches Museum – Führung durch die Aus­stellung »BerlinZeit«, Treff: 10.45 Uhr im Kassenbereich Am Köllni­schen Park 5, 10179 Berlin, 4 Euro, verantwortlich: Kolln. Lange

GEW-Singkreis

17. April um 17 Uhr im GEW­Haus in der Kantine; Kontakt: Claudia Reuter, Tel.: 391 47 87 und Luis von Simons, Tel.: 692 86 39

GEW-Chor

10. und 24. April; 8. Mai um 17 Uhr im GEW­Haus; Kontakt: Monika Rebitzki, Tel.: 471 61 74 und Eva Besler, Tel.: 833 57 27

Stammtisch GEW Ruheständler*innen

24. April um 14.30 Uhr im Café »Ulrichs« schräg gegenüber dem GEW­Haus

S E M I N A R EEine Auswahl aus dem aktuellen Seminar-programm der GEW BERLIN: Das ge-samte Programm mit den Seminarbe-schreibungen findest du online unter www.gew-berlin.de/seminare

On- und Offline-Medienbildung

Nach�diesem�Seminar,�in�dem�sowohl�die�Lebenswelt� von� Kindern� und� Jugend-lichen,�die�Grundprinzipien�der�Digitali-sierung�und�eine�grundlegende�Orientie-rung�an�medienbildnerischen�Vorgaben�und� Rahmenplänen� eine� Rolle� spielen�werden,� können� Sie� nicht� nur� neu� auf�dieses�spannende�Thema�schauen,�son-dern� nehmen� Anregungen� und� auch�kostenfreie�Materialien�mit�nach�Hause.

Leitung: Martin NestlerKosten: keine (Nichtmitglieder 50 €)Zeit: 30.4., 9-16 Uhr

­Methoden zur Vorbereitung jun­ger Menschen auf die Arbeitswelt der Zukunft unterstützen wollen. Die phantasievollen Angebote sollen »vielfältige Zukünfte« ex­perimentell erfahrbar machen. Schüler*innen sollen animiert werden, über die Zukunft und ihre eigenen Wünsche nachzuden­ken. Mehr unter: www.diezukunfts-bauer.com

Neunte Baustelle Inklusion

»Wenn Diskriminierung nicht in den Kummerkasten passt – für eine diskriminierungssensible Be­ schwerdekultur in der Kita« heißt eine Fachtagung der Fachstelle Kinderwelten für Vorurteilsbe­wusste Bildung und Erziehung. Wo und wie können sich Kinder beschweren, wenn sie Diskrimi­nierung erfahren? Dabei werden Erkenntnisse aus dem Modellpro­jekt »Antidiskriminierung als ak­tiver Kinderschutz« einbezogen. Die Tagung findet am 17. Juni, von 10.30 bis 18 Uhr in der Ber­liner Stadtmission, Lehrter Str. 68, 10557 Berlin statt. Mehr Infos unter: situations ansatz.de/fachtagun-gen.html

Sambagruppe der GEW Berlin

Die Sambagruppe sucht eine Tanz­gruppe für einen gemeinsamen Auftritt beim Berlin­Marathon am 29. September, zum Beispiel einen Kurs in Rhythmischer Sportgym­nastik, Grund­ oder Oberschule oder VHS. Kontakt: samba@gew­berlin.de

S E N I O R*I N N E NDie Veranstaltungen der Senior*innen sind offen für alle GEW-Mitglieder und Gäste! Eintrittsgelder müssen selbst getragen werden. Wenn nicht anders angegeben, ist eine Anmeldung nicht erforderlich. Wenn du über die Ange-bote für GEW-Senior*innen auf dem Laufenden sein möchtest, schicke eine Mail an [email protected]

Senior*innen Lichtenberg

• Donnerstag, 25. April 2019: Von der Gerichtslaube zur Heiligengeist­kapelle. Wir unternehmen einen »sagenhaften« Stadtspaziergang und erfahren von einem Gerichts­streit zwischen dem »Roten« Wen­zel und dem Wirt Tübecke. Die Sage erzählt uns, wie im Mittelal­ter Recht gesprochen wurde. Seid

Berufsberatung für Schüler*innen

»Die Zukunftsbauer« sind ein junges Team von Unter neh mer­*innen, die Lehrende bei der Aus­gestaltung von Lehrmaterial und

schulgruppe und dem FU­Asta durchgeführte Eröffnungsveran­staltung mit Zeitzeug*innen und einer szenischen Lesung aus Verhör­Protokollen und Kurzrefe­raten von Martin Kutscha und Dominik Rigoll geben.

Das Nacktschnecken-Game von Kirsten Fuchs

28.3. | 18 Uhr Uraufführung

1.4. | 10 Uhr Schulpremiere

PODEWIL

THE COMMUNICATION ACADEMY BERLINVielfalt als Ressource & Vielfalt als Chance

Fortbildungen 2019• Achtsamkeitsbasierte Kommunikation• Lampenfieber als Herausforderung• Theatermethoden für Sprech- und Stimmtraining• Auftritt – souverän und sicher• Unfaire Argumente parieren• Kompaktseminar: Didaktik und MethodenDr. Karin Iqbal Bhatti / Frank Morawski, M. A. Kalkreuthstr. 10, 10777 Berlin, Tel. 030-23 63 91 77

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Die Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit

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APRIL�2019 | bbz  SERVICE 39

Jugendamt trifft Schule

Jugendamt�und�Schule�haben�spezifische�Auf�gaben.� Für� eine� gelingende� Zusam-menarbeit�ist�die�wechselseitige�Kenntnis�der�gesetzlichen�Grundlagen,�Arbeitsweisen�und�Schwerpunkte�unabdingbar.�Wir�stellen�die�Aufgaben�und�Arbeitsweisen�des�Jugend-amtes�vor�und�entwickeln�Ideen�zur�Koo-peration�zwischen�Schule�und�Jugendamt.

Für: Lehrer*innen, Erzieher*innen, Sozialpädagog*innenLeitung: Heike Schlizio-Jahnke, Irina JahnKosten: keine (Nichtmitglieder 50 €)Zeit: 3.5., 9-16 Uhr

Mein Auftritt als Pädagog*in

Der� Umgang� mit� Schüler*innen� wird�maßgeblich�durch�den�Auftritt�der�Lehr-kraft�bestimmt.�Mit�theaterpädagogischen�Ansätzen�werden�Präsenz,�Artikulation,�Körpersprache�–�der�ganzheitliche�Auftritt�der�Lehrkraft�–�gestärkt.�So�erlernen�Sie�systematisch�Methoden,�die�den�Umgang�insbesondere�mit�»schwierigen«�Schüler-*innen�erleichtern�und�ein�Lernen�und�Arbeiten�auf�Augenhöhe�zum�Ziel�haben.

Leitung: Maryam El-GhusseinKosten: keine (Nichtmitglieder 50 €)Zeit: 7.5., 9-16.30 Uhr

Stimme – Sie haben gut Reden

Dieses� Seminar� bietet� die�Möglichkeit,�Klang�und�Wirkung�der�eigenen�Stimme�wahrnehmen�zu�lernen,�sprechend�Kraft�und�Präsenz�zu�entwickeln�sowie�Wege�zu�finden,�mit�der�eigenen�Sprechweise�den� Verlauf� des� Unterrichts� bzw.� das�Gruppengeschehen�positiv�zu�beeinflus-sen.�Es�werden�praktische�Übungen�ver-mittelt,� die� ihr� eigenständig� im� Alltag�fortführen�und�anwenden�könnt.

Leitung: Margarete SeydKosten: 25 € (Nichtmitglieder 100)Zeit: 8.5., 9-16.30 Uhr

Zeit-/Aufgabenmanagement und der Umgang mit Konflikten

Wissenschaft� ist�mehr� als� Beruf;� es� ist�leicht,�im�Dschungel�der�Aufgabenfelder�den�Überblick�über�das�eigene�Zeitmana-gement�zu�verlieren�und�aus�der�»Work-Life-Balance«�zu�fallen.�Wir�erarbeiten�an-hand�einfacher�Übungen�und�Interven-tionen�gemeinschaftlich�Lösungen,�die�je-de*r�Teilnehmer*in�für�sich�nutzen�kann,�um�die�herausfordernde�In�tegration�von�pri-vaten�und�beruflichen�Aufgaben�und�Tätig-keiten�zu�gestalten.�Im�zweiten�Teil�geht�es�darum,�wie�man�frühzeitig�Konflikte�erkennt�und�vermeidet,�bestehende�Konflikte�löst�und�die�Erfahrungen�für�die�Zukunft�nutz-bar�macht.�Schwerpunkte�könnten�dabei�Teamkonflikte�oder�Konflikte�mit�Mit�ar�bei-ter�*innen�oder�Vorgesetzten�sein.�

Für: wiss. Mitarbeiter*innenLeitung: Wera Schmidt (bluespherecoaching.com)Kosten: keine (Nichtmitglieder 120 €)Zeit: 11.5., 9-16.30 Uhr

Sprachsensibler Fachunterricht

Der�Schlüssel�zum�Verständnis�im�Fach-unterricht�ist�die�Unterrichtssprache.�Es�ist�wichtig,�die�Stolpersteine�zu�entdecken�und�zu�beseitigen.�Wir�geben�Tipps,�wie�man� durch� einfache� sprachliche� Hilfen�das� Textverständnis� fördern,� durch� die�Nutzung�von�Schüler*innenvorstellungen�Begriffe�bilden,�sprachliche�und�inhaltliche�Kompetenzen�im�Unterricht�verknüpfen�und�das�Argumentieren�üben�kann.

Für: Lehrer*innen (v.a. Sek I)Leitung: Marco AlbrechtKosten: keine (Nichtmitglieder 50 €)Zeit: 14.5., 9-16 Uhr

Supervision und Coaching – ist das was für mich?

Coaching�und�Supervision�sind�wichtige�Instrumente,�um�die�Arbeit�professionell�

zu� reflektieren� und� Schwierigkeiten� zu�bearbeiten,�die�in�der�Arbeit�mit�den�Kin-dern/Jugendlichen,�aber�auch�in�der�Zu-sammenarbeit�mit�Kolleg*innen�oder�der�Leitung�liegen�können.�Das�Seminar�sieht�eine�Einführung,�einen�Impulsvortrag�und�interaktive�Übungen�vor.�Es�wird�die�Ge-legenheit� zu� einer� Probe-Supervision�oder�einem�Einzel-Coaching�gegeben.

Für: alle MitgliedergruppenLeitung: Hanna Röder, Anna PetersenKosten: keine (Nichtmitglieder 50 €)Zeit: 17.5., 9-16 Uhr

Mit dem Kind im Dialog

Freinet�hat�praktische�Wege�gefunden,�den�Alltag�im�Dialog�mit�Kindern�zu�ge-stalten,�sie�an�allen�für�sie�wichtigen�An-gelegenheiten� zu�beteiligen,� sie�besser�zu�verstehen�und�sich�auf�ihre�subjektiven�Anliegen,�Absichten�und�Lernwege�ein-zulassen.�Auch�für�das�Leben�in�der�Kita�bietet� die� Freinet-Pädagogik� vielfältige�Impulse,�um�selbstbestimmtes�Lernen�und�Partizipationsmöglichkeiten�zu�befördern,�den�Kindern�das�Wort�zu�geben�und�ein�entdeckendes� Lernen� zu� ermöglichen.�Wer�sich�auf�den�Weg�macht,�den�Alltag�konsequent�vom�Kind�aus�zu�gestalten,�entdeckt�dabei�den�eigenen�Forschergeist�und�hat�selbst�Spaß�am�Lernen.

Für: Erzieher*innen und Leiter*innen aus KitasLeitung: Merete de Kruyf Kosten: keine (Nichtmitglieder 50 €)Zeit: 22.5., 9-16.30 Uhr

»So schaff‘ ich das!« – Zeit- und Selbstmanagement

Berufsanfänger*innen� wie� auch� erfah-rene�Lehrkräfte� fühlen�sich�oft�gehetzt�und�überfordert�angesichts�der�massiven�Arbeitsbelastung.�Hier�ist�gewerkschaft-licher�Widerstand�gefragt,�aber�auch�eine�gute�Selbstorganisation.�In�diesem�Semi-nar�geben�wir�einen�Überblick�über�Ver-

haltensweisen,� die� entlastend� wirken�können.� Eng� orientiert� am� Alltag� von�Lehrkräften�bearbeiten�wir�u.�a.�folgende�Themen:�die�Bedeutung�der�Lebensba-lance,�das�Setzen�von�Prioritäten,�syste-matische� Schreibtischorganisation� und�Ablage,� Selbstmotivation� und� Zeitma-nagementmethoden.

Für: Lehrer*innen, Referendar*innen, Berufs- und Quereinsteiger*innenLeitung: Erdmute Safranski, Gabriele SchenkKosten: 50 € (erm. 15 €, NM 150 €)Zeit: 24.-25.5., 9 bzw. 10-16 Uhr

Anmeldung:�www.gew-berlin.de/seminare�Veranstaltungsort:�GEW�BERLIN,�Ahornstr.�5,�10787�Berlin�(wenn�nicht�anders�angegeben)Kinderbetreuung: Auf� Antrag� gewährt� die�GEW�BERLIN�Mitgliedern�einen�Zuschuss�von�10�Euro�pro�Stunde�zu�den�Betreuungskosten.Barrierefrei:Das�GEW-Haus�ist�leider�noch�nicht�bar-rierefrei.�Bitte�nehmt�Kontakt�zu�uns�auf.

GEW STADTMUSIKANTEN

Wir�sind�die�GEW�Stadtmusikanten!�Im�Frühjahr�2017�haben�wir�uns�mit�Wolf�Bayer�als�unserem�Leiter�gegründet.�Wolf�ist�kurz�nach�der�Gründung�unserer�Gruppe�unerwartet�verstorben.�Wir�haben�trotz�des�herben�Verlustes�nicht�aufgegeben�und�proben�weiter.�Wir�brauchen�jedoch�dringend�Verstärkung,�damit�wir�uns�musikalisch�weiterentwickeln�und�regelmäßiger�auftreten�kön-nen.�Deshalb�suchen�wir�vor�allem�eine�musikalische�Leitung.�Unsere�Instru-mente�sind�zur�Zeit�Klarinette,�Altsaxophon,�Akkordeon�und�E-�Bass.�Weitere�Instrumente�zu�integrieren,�ist�unser�zweiter�großer�Wunsch.�

Wir proben 14-tägig, montags von 17 bis 19.30 Uhr. Wäre das eine Herausforderung für dich? Dann melde dich bei: Agatha Spielvogel, Tel: 792 05 17; Brigitte Dillinger, Tel: 785 77 39 und Gisela Jansen, Tel: 833 81 26

Am�12.�September�2017�starb�WOLF�BAYER.

Seine�Frau�BRITTA�SUTORIUS�starb�am�2.�Februar�2019.

Nach�Wolfs�Tod�entwickelten�sich�rege�Kontakte�zu�Britta.�Sie�freute�sich�darüber,�dass�wir�Wolfs�Musik�spielen.

Auch�sie�werden�wir�vermissen.

Die GEW Stadtmusikanten

Page 40: Berliner Bildungszeitschrift...im Bildungsbereich geschaffen. 200 soge-nannte Kitahelfer*innen sollen die Fach-kräfte in den Kitas bei der Essensversor-gung, beim Vorlesen oder beim

DAS GEW-HAUS IM APRIL UND MAI 2019 VERANSTALTUNGEN

GEW-Haus | Ahornstraße 5 | 10787 Berlin (U-Bhf Nollendorfplatz) Mo, Di, Do 9 bis 16 Uhr; Mi 9 bis 17 Uhr; Fr 9 bis 15 Uhr | Telefonsprechzeiten ab 10 UhrTel. 21 99 93-0 | Fax. 21 99 93-50 | [email protected] | www.gew-berlin.dePersönliche Beratung in der Rechtsschutzstelle nur nach Vereinbarung: Tel. 21 99 93-0

INTERNET UND PRIVATHEITDas Internet und dessen Nutzung ist mit diversen Freiheiten aber auch mit Risiken verbunden. Die Ringvorlesung Internet und Privatheit an der TU Berlin greift wichtige Themen auf und beleuchtet die diversen Themenstränge mit Expert*innen aus Wissenschaft und Politik. Im Sommersemester 2019, ab 15. April, jeweils montags, 16.15 bis 17.45 Uhr im Architekturgebäude am Ernst-Reuter-Platz, Raum A151, Straße des 17. Juni 152.

TAG DER ARBEIT Kommt am 1. Mai zur großen DGB-Demo. 9 Uhr Treffen in der Spandauer Straße, Nähe S-Bahnhof Hackescher Markt. Ab 10 Uhr Demo und ab 12 Uhr Kundgebung auf dem Platz des 18. März. Mit großem Familienfest.

09. April 17.00 Uhr Info-Veranstaltung für Bewerber*innen zum Referendariat

10. April 17.00 Uhr AG Frieden: Anspruch und Realität: EU als Friedensprojekt, Europa ein

Kontinent des Friedens?

10. April 19.00 Uhr LA Migration, Diversity und Antidiskriminierung

12. April 09.00 Uhr Vernetzungstreffen TV Stud

17. April 14.00 Uhr Senior*innen/Junge Alte

18. April Geschäftsstelle geschlossen

25. April 17.30 Uhr LDV-Delegiertentreffen Fachgruppe Kinder-, Jugendhilfe und Sozialarbeit

30. April 17.45 Uhr AG Lehrkräftebildung Ort: HU Berlin, Friedrichstr. 60, Raum 2.10

02. Mai 17.00 Uhr LDV-Delegiertentreffen Abteilung Wissenschaft

02. Mai 18.30 Uhr Abteilung Wissenschaft

07. Mai 19.00 Uhr AG Schwule Lehrer

07. Mai 19.00 Uhr Abteilung Berufsbildende Schulen

8./9. Mai 09.00 Uhr Landesdelegiertenversammlung Ort: Tegeler Seeterrassen, Wilkestraße 1, 13507 Berlin

08. Mai 19.00 Uhr AG Lesben

Die kommenden Europawahlen stehen im Fokus der diesjährigen Mai-Kundgebungen FOTO: DGB