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Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 3710 1 Beschlussempfehlungen und Berichte des Petitionsausschusses zu verschiedenen Eingaben Ausgegeben: 18. 07. 2013 1. 15/2558 Denkmalschutz/ Denkmalpflege MFW 2. 15/2201 Bußgeldverfahren MLR 3. 15/2599 Besoldung/Tarifrecht IM 4. 15/1358 Bausachen MVI 5. 15/2111 Bausachen MVI 6. 15/2632 Berufe im Gesund- heitswesen SM 7. 15/2503 Landeswohnraumför- derungsprogramm MFW 8. 15/2105 Staatsanwaltschaften JM 9. 15/2406 Beamtenversorgung SM 10. 15/2469 Staatsanwaltschaften JM 11. 15/2588 Sozialversicherung SM 12. 15/1319 Bausachen MVI 13. 15/2158 Bausachen MFW 14. 15/2605 Steuersachen MFW 15. 15/1435 Bausachen MVI 16. 15/1859 Lehrer KM 17. 15/2334 Gewässerschutz UM 18. 15/2636 Gnadensachen JM 19. 15/2676 Ausländer- und Asylrecht IM 20. 15/2577 Medienrecht, Rundfunkwesen StM 21. 15/2349 Staatsanwaltschaften JM 22. 15/2526 Steuersachen MFW 23. 15/2552 Öffentliche Sicherheit und Ordnung IM 24. 15/2047 Gewässerschutz UM 25. 15/2261 Brandschutz MVI 26. 15/2338 Straßenwesen MLR Inhaltsverzeichnis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich- net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.

Beschlussempfehlungen und Berichte - Landtag BW...21. 15/2349 Staatsanwaltschaften JM 22. 15/2526 Steuersachen MFW 23. 15/2552 Öffentliche Sicherheit und Ordnung IM 24. 15/2047 Gewässerschutz

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Landtag von Baden-Württemberg

15. Wahlperiode

Drucksache 15 / 3710

1

Beschlussempfehlungen und Berichte

des Petitionsausschusses

zu verschiedenen Eingaben

Ausgegeben: 18. 07. 2013

1. 15/2558 Denkmalschutz/Denkmalpflege MFW

2. 15/2201 Bußgeldverfahren MLR

3. 15/2599 Besoldung/Tarifrecht IM

4. 15/1358 Bausachen MVI

5. 15/2111 Bausachen MVI

6. 15/2632 Berufe im Gesund-heitswesen SM

7. 15/2503 Landeswohnraumför-derungsprogramm MFW

8. 15/2105 Staatsanwaltschaften JM

9. 15/2406 Beamtenversorgung SM

10. 15/2469 Staatsanwaltschaften JM

11. 15/2588 Sozialversicherung SM

12. 15/1319 Bausachen MVI

13. 15/2158 Bausachen MFW

14. 15/2605 Steuersachen MFW

15. 15/1435 Bausachen MVI

16. 15/1859 Lehrer KM

17. 15/2334 Gewässerschutz UM

18. 15/2636 Gnadensachen JM

19. 15/2676 Ausländer- und Asylrecht IM

20. 15/2577 Medienrecht, Rundfunkwesen StM

21. 15/2349 Staatsanwaltschaften JM

22. 15/2526 Steuersachen MFW

23. 15/2552 Öffentliche Sicherheit und Ordnung IM

24. 15/2047 Gewässerschutz UM

25. 15/2261 Brandschutz MVI

26. 15/2338 Straßenwesen MLR

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internetabrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente

Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich-net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.

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Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3710

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1. Petition 15/2558 betr. Erhalt des Freilichtmu-seums Keltischer Fürstensitz Heuneburg

Der Petent begehrt zum keltischen Fürstensitz Heuneburg

– den Erhalt des Freilichtmuseums Heuneburg;

– für Bürger, Vereine und alle Unterstützer die Mög-lichkeit, direkt vor Ort zweckgebundene Veranstal-tungen durchzuführen (Keltenspiele, Highland -games, Mittelaltermärkte, ggf. Konzerte), um dieFinanzierung des Freilichtmuseums Heuneburg zuunterstützen.

Als Begründung führt der Petent u. a. an, sämtlichewertvollen Fundstücke wären in das Landesmuseumnach Stuttgart gebracht worden und der Heuneburgwürde so eine weitere wichtige Einnahmequelle ge-nommen.

Die Prüfung der Petition hat Folgendes ergeben:

Das Freilichtmuseum Heuneburg befindet sich auf ei-nem Grundstück des Landes Baden-Württemberg undwird von der Gemeinde Herbertingen betrieben. DieGemeinde hat die Miet- und Gestattungsverträge mitdem Land zum 31. Oktober 2013 gekündigt.

Die Heuneburg gilt als eine der ältesten und größtenkeltischen Städte nördlich der Alpen. Das Land istsich der historischen Bedeutung und Verantwortungfür diese bedeutende archäologische Fundstelle be-wusst. Das Land wird dafür Sorge tragen, dass dasFreilichtmuseum weiterhin für die Öffentlichkeit zu-gänglich sein wird.

Das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungsprä-sidium Stuttgart (LAD) unterstützt die Gemeinde Her-bertingen seit vielen Jahren, insbesondere in denkmal-fachlichen Fragen, im Zusammenhang mit der Heu-neburg. Zu dieser Unterstützung gehören u. a. Vorträ-ge, Führungen und Ausstellungen des LAD auf derHeuneburg sowie im Heuneburgmuseum Hundersin-gen. In den letzten Jahren wurden vom LAD keineVeranstaltungen auf der Heuneburg untersagt. Groß -veranstaltungen, die insbesondere bei feuchtem Un-tergrund und durch Fahrzeugeinsatz bzw. durch Bo-deneingriffe zur Beschädigung der archäologischenStrukturen führen könnten, würden das Bodendenk-mal in seiner Substanz gefährden und können ausdenkmalfachlichen Gründen ggf. nicht zugelassenwerden.

Alle Funde von der Heuneburg befinden sich auf-grund der geltenden gesetzlichen Regelungen im Lan-deseigentum und werden derzeit an unterschiedlichenOrten aufbewahrt bzw. ausgestellt: im Museum derUniversität Tübingen, im Landesmuseum Württem-berg in Stuttgart, im Archäologischen LandesmuseumKonstanz bzw. Rastatt sowie im Heuneburgmuseumin Herbertingen-Hundersingen. Die zahlreichen inHerbertingen-Hundersingen ausgestellten Funde sindLeihgaben des Landes. Bei den in den letzten Jahrengeborgenen Funden von der Heuneburg handelt essich fast ausschließlich um Keramikscherben undTierknochen, die zwar wissenschaftlichen Wert fürdie Archäologie besitzen, aber als Ausstellungsex -ponate eher nicht geeignet sind. Das Landesmuseum

Württemberg hat in den letzten 30 Jahren keine Neu-funde erhalten und einen großen Teil seiner Altbe-stände als Dauerleihgabe ins Heuneburgmuseum ge-geben.

Die hochwertigen Grabfunde, die Ende des Jahres2010 vom LAD mit großer öffentlicher Beachtung ge-borgen wurden, stammen aus einem nahe der Heu-neburg gelegenen Grabhügelfeld. Eine Erstpräsenta -tion eines Teils der Funde (u. a. der Goldfunde) ausdem sogenannten Fürstinnen-Grab wurde vom LandBaden-Württemberg im Frühjahr 2011 mit erheb -lichem finanziellen und personellen Aufwand imHeuneburgmuseum in Hundersingen organisiert. Diese Ausstellung führte ebenso wie das ebenfallsvom Land veranstaltete „Keltenjahr 2012“ und dieöffent liche Vermittlung der Heuneburgforschung imRahmen der Großen Landesausstellung „Die Welt derKelten“ im Jahr 2012/13 zu einem deutlichen Anstiegder Besucherzahlen der Heuneburgmuseen. Die Fun-de befinden sich derzeit zur weiteren wissenschaft -lichen Bearbeitung beim LAD.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann über die Feststellung hin-aus, dass das Land dafür Sorge tragen wird,dass das Freilichtmuseum weiterhin für dieÖffentlichkeit zugänglich bleibt, nicht abge-holfen werden.

Berichterstatter: Beck

2. Petition 15/2201 betr. Bußgeldverfahren wegenVerstoß gegen das Naturschutzgesetz

I. Gegenstand der Petition

Der Petent begehrt die Einstellung eines Bußgeldver-fahrens wegen widerrechtlichen Befahrens eines Land -schaftsparks.

1. Sachverhalt

Im Rahmen des täglichen Streifen- und Kontrolldiens -tes wurde am 31. August 2012 durch einen Vollzugs-beamten und eine Politesse eine Kontrolle in einemParkgelände vorgenommen. An den Eingängen desLandschaftsparks wird jeweils mit deutlicher Beschil-derung darauf hingewiesen, dass das Befahren desLandschaftsparks nur mit entsprechender Sondernut-zungserlaubnis gestattet ist. Zuwiderhandlungen stel-len eine Ordnungswidrigkeit dar und werden mit Buß-geld geahndet.

Während der Kontrolle am 31. August 2012 wurdeum 10.30 Uhr festgestellt, dass vier Fahrzeuge aufden Stellplätzen vor einer Gaststätte, welche sich aufdem Gelände des Landschaftsparks befinden, geparktwaren. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich keine Per-sonen bei den Fahrzeugen, es war auch keinerlei La-detätigkeit ersichtlich. Eines der geparkten Fahrzeuge

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Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3710

gehört dem Petenten, zwei der Fahrzeuge den beidenPersonen, die sich der Petition angeschlossen haben,eines einem weiteren Malschüler.

Gegen ca. 10.45 Uhr standen die Fahrzeuge noch im-mer unbewegt vor der Gaststätte. Daraufhin wurdendie Fahrzeuge vom Vollzugsbeamten und der Poli -tesse notiert und es wurden Fotos angefertigt.

Nach Beendigung der Aufnahmen kam die Gaststät-teninhaberin aus dem Lokal und erklärte dem Voll-zugsdienst, dass in ihrer Gaststätte eine Ausstellungeiner Malschule vorgesehen sei. Sie habe dem Pe -tenten und seinen Malschülern erlaubt, den Land-schaftspark zu befahren. Die dazugekommenen Fah-rer teilten mit, dass lediglich abgeladen wurde. DerVollzugsdienst wies darauf hin, dass das Befahren desLandschaftsparkes nur mit einer Sondernutzungser-laubnis gestattet sei und diese bei keinem der vierFahrer vorliege.

Mit Schreiben vom 11. September 2012 wurde der Pe-tent im Bußgeldverfahren angehört. Ihm wurde mitge-teilt, dass er als Führer seines Fahrzeugs entgegen dernaturschutzrechtlichen Vorschriften (§ 51 Abs. 2, § 80Abs. 2 Nr. 14 Naturschutzgesetz [NatSchG]) den Land-schaftspark befahren und das Fahrzeug abgestellt habe.Mit Bußgeldbescheid vom 25. September 2012 wurdeder Petent zur Zahlung einer Gesamtforderung (Geld-buße, Gebühr, Auslagen) von 83,50 Euro aufgefordert.

Mit undatiertem Einspruch räumt der Petent ein, dassihm bekannt war, dass das Gelände nicht von Fahr-zeugen befahren werden darf. Er weist aber daraufhin, dass die Pächterin die Durchfahrt erlaubt hätteund dass die Bilder für die Ausstellung nicht vomParkplatz zur Gaststätte (300 bis 500 m) getragenwerden könnten.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 wurde demPetenten mitgeteilt, dass sein Einspruch zwar alszulässig angesehen werde, dies jedoch nicht zurRück nahme des Bußgeldbescheides führen könne.Das Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde daher andie Staatsanwaltschaft abgegeben.

Mit Schreiben vom 5. Januar 2013 hat sich der Petent– auch im Namen seiner drei Malschüler – an den Pe-titionsausschuss gewandt. Er bittet den Petitionsaus-schuss um Unterstützung, damit die Stadt das Buß-geldverfahren einstellt. Er weist darauf hin, dass dieAusstellung das kulturelle Angebot der Stadt aufwer-te. Die Gaststätte veranstalte regelmäßig Konzerteund Ausstellungen. Er verweist außerdem auf Lkws,die die Gaststätte regelmäßig beliefern.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2013 bzw. 21. Januar2013 haben sich zwei der drei Malschüler ausdrück-lich der Petition angeschlossen, einer davon teilte al-lerdings mit, dass die Forderung bereits beglichen sei,das Geld aber auf diesem Wege zurück gefordert wer-den solle. Die zwei Verfahren, bei denen noch keinBußgeld bezahlt wurde, wurden von der Stadt an dieStaatsanwaltschaft abgegeben.

Am 4. Februar 2013 wurde das Bußgeldverfahren ge-gen den Petenten vor dem Amtsgericht verhandeltund eingestellt.

Das Bußgeldverfahren gegen den Malschüler, der sichder Petition angeschlossen und das Bußgeld nochnicht beglichen hat, wurde ebenfalls eingestellt.

2. Rechtliche Würdigung

Bei dem Landschaftspark handelt es sich um einNaherholungsgebiet. Im westlichen Bereich desLandschaftsparks befindet sich ein durch Bebau-ungsplan vom 23. April 1993 als allgemeines Wohn-gebiet klassi fiziertes Wohngebiet. Die genannteGaststätte befindet sich unmittelbar im Anschluss andie Wohnbebauung, außerhalb des Bebauungsplansin östlicher Richtung in rund 25 m Entfernung imLandschaftspark.

Der Bußgeldbescheid der Stadt stützt sich auf § 51Abs. 2 NatSchG, wonach zum Recht des Betretens derfreien Landschaft nicht das unerlaubte Fahren undAbstellen von motorgetriebenen Fahrzeugen zu zäh -len ist. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG werden alsfreie Landschaft alle Flächen außerhalb besiedelterBereiche definiert. Hierbei ist auf den tatsächlichenZustand abzustellen, nicht ausschlaggebend ist diebauplanungrechtliche Einordnung. Flächen, die infunktionalem Zusammenhang mit dem besiedeltenBereich stehen (z. B. innerörtliche Parkanlagen) kön-nen ebenfalls zum besiedelten Bereich gehören. Diegenannte Gaststätte liegt unmittelbar im Anschluss anein Wohngebiet und damit in funktionalem Zusam-menhang zum besiedelten Bereich. Die Gaststättekann demnach nicht als freie Landschaft bezeichnetwerden. Ob es sich bei der unbebauten Fläche desLandschaftsparks um freie Landschaft handelt, kanndahingestellt bleiben, da die Fahrzeuge bei der Gast-stätte abgestellt wurden, hier wurden sie notiert. Nichterhoben wurde, ob mit den Fahrzeugen durch dasParkgelände und damit möglicherweise durch die„freie Landschaft“ gefahren wurde. Die Vorausset-zungen des § 51 Abs. 2 NatSchG sind aufgrund desFehlens der freien Landschaft nicht erfüllt, damit be-ruht der Bescheid auf einer unzutreffenden Rechts-grundlage. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 14 NatSchG han-delt derjenige ordnungswidrig, der die freie Land-schaft vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 51 Abs. 2NatSchG mit einem motorbetriebenen Fahrzeug be-fährt oder es dort abstellt. Bei Erfüllung der Rechts-grundlage wäre im Übrigen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1NatSchG die untere Naturschutzbehörde (das Land-ratsamt) und nicht die Gemeinde für die Verfolgungder Ordnungswidrigkeit zuständig gewesen. Die un-zutreffende Rechtsgrundlage sowie die fehlerhaftesachliche Zuständigkeit führen aber nicht zur Nichtig-keit des Bußgeldbescheids. Er bleibt weiterhin gültigund kann Bestandskraft erlangen, sofern kein Wider-spruch eingelegt wird. Gemäß § 51 Abs. 5 NatSchGbleiben die Regelungen des Straßenverkehrsrechts un-berührt.

Es liegt allerdings ein Verstoß des Petenten gegen § 10 der Polizeiverordnung der Stadt vor.

Der Landschaftspark zählt zu den öffentlichen Grün-und Erholungsanlagen gemäß § 1 Abs. 2 der Polizei-verordnung der Stadt, die auf Grundlage des § 10 Abs. 1

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Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG) erlassenwurde. Nach § 10 der Polizeiverordnung der Stadt istes untersagt, in Grün- und Erholungsanlagen Park -wege zu befahren und Fahrzeuge abzustellen. In derParkordnung für den Landschaftspark wird diesesVerbot konkretisiert. Gemäß § 17 der Polizeiverord-nung kann die Stadt als gemäß § 18 Abs. 3 PolG zu-ständige Ortspolizeibehörde entsprechende Zuwider-handlungen als Ordnungswidrigkeit ahnden.

Das Verfahren des Petenten wurde am 4. Februar2013 vor dem Amtsgericht eingestellt, da eine Ahn-dung nicht geboten war. Nähere Einzelheiten sindnicht bekannt. Aus welchen Gründen das Verfahrengegen den Malschüler, der sich der Petition ange-schlossen hat, eingestellt wurde, ist ebenfalls nicht be-kannt.

Der Bußgeldbescheid des Malschülers, der die Forde-rung bereits bezahlt und keinen Widerspruch einge-legt hat, ist nicht mehr anfechtbar und damit bestands-kräftig.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Bußgeld-bescheid auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage ge-stützt und durch eine unzuständige Behörde ausge-stellt wurde. Rechtmäßig wäre eine Ahndung auf derGrundlage des § 10 der Polizeiverordnung der Stadtgewesen.

Die Stadt wurde auf die unzutreffende Rechtsgrundlageund auf ihre fehlende Zuständigkeit hingewiesen. Es istdavon auszugehen, dass solche Verstöße künftig nichtmehr auf Basis des NatSchG geahndet werden.

Beschlussempfehlung:

Soweit das Verfahren gegen den Petentensowie gegen einen Malschüler, der sich derPetition angeschlossen hat, eingestellt wur-de, wird die Petition für erledigt erklärt. So-weit der Bußgeldbescheid gegen einen wei-teren Malschüler bereits bestandskräftig ist,kann der Petition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Binder

3. Petition 15/2599 betr. Beihilfe

Die Petenten begehren den Verzicht auf eine Rückfor-derung von Beihilfe.

Der Petent ist beihilfeberechtigt. Die zuständige Stellefür die Beihilfezahlungen ist der Kommunale Versor-gungsverband Baden-Württemberg (KVBW).

Die Petentin, seine Ehefrau, hat einen eigenen Bei -hilfeanspruch über das Landesamt für Besoldung undVersorgung Baden-Württemberg (LBV). Sie war bis13. September 2009 ohne Bezüge beurlaubt. NachEnde der Beurlaubung hat der Petent bei der betref-fenden Frage im Beihilfeantrag nicht angegeben, dassseine Ehefrau seit dem 14. September 2009 wieder

einen eigenen Beihilfeanspruch nach beamtenrecht -lichen Vorschriften beim LBV hat. In insgesamt 28 Beihilfeanträgen wurden Aufwendungen seinerEhefrau geltend gemacht, die nach dem Ende der Be-urlaubung entstanden sind. Nach erfolgter Anhörungdes Petenten wurden die betreffenden Beihilfebe-scheide zurückgenommen und der überzahlte Betragin Höhe von 6.165,45 Euro zurückgefordert.

Aufgrund der abgelaufenen Antragsfrist und der inAbzug zu bringenden Kostendämpfungspauschalenhat die Petentin vom LBV lediglich Beihilfe in Höhevon 5.209,52 Euro erhalten. Dieser Betrag wurde zwi-schenzeitlich bereits an den KVBW überwiesen. Deroffene Rückforderungsbetrag beläuft sich auf 955,93Euro.

Mit Schreiben des LBV vom 6. November 2012 wurdedie Petentin über die Bestimmungen des § 17 Abs. 10BVO informiert, wonach eine Beihilfe nur gewährtwird, wenn die Beihilfeberechtigten sie vor Ablaufder beiden Kalenderjahre beantragt haben, die auf dasJahr des Entstehens der Aufwendungen oder, wenn essich nicht um Aufwendungen nach § 9 BVO (Pflege)handelt, der ersten Ausstellung der Rechnung folgen.Des Weiteren wurde sie gebeten, die betreffenden Be-lege mit einem Antrag auf Beihilfe noch im Kalender-jahr 2012 zur Erstattung vorzulegen, damit eine Bei-hilfegewährung zu den Aufwendungen aus den Ka-lenderjahren 2010, 2011 und 2012 geprüft werdenkönne. Die vorgelegten Bescheide des KVBW seienals Nachweise nicht ausreichend. Abschließend wur-de darauf hingewiesen, dass eine Beihilfegewährungzu den Aufwendungen aus dem Jahr 2009 aufgrundder Fristversäumnis nicht möglich sei.

Mit den bestandskräftigen Bescheiden vom 3. Januar2013 erfolgte die Beihilfefestsetzung zu den beimLBV noch im Jahr 2012 geltend gemachten Aufwen-dungen. Die Belege aus dem Jahr 2009 hätten ledig-lich eine Beihilfezahlung von 355,01 Euro ausgelöst.Sie blieben jedoch im Hinblick auf die Ausschluss -frist nach § 17 Abs. 10 BVO unberücksichtigt, da beiFristablauf der Beihilfeanspruch erloschen ist.

Gemäß § 4 Abs. 3 BVO schließt die Beihilfeberech -tigung aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften dieBerücksichtigungsfähigkeit als Angehöriger aus.

Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungs-aktes ist nach § 48 Abs. 2 Landesverwaltungsverfah-rensgesetz (LVwVfG) nicht zulässig, soweit der Be-günstigte auf seinen Bestand vertraut hat und seinVertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen In-teresse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. EinVertrauensschutz scheidet hier aber gemäß § 48 Abs. 2Satz 3 Nr. 2 LVwVfG aus, weil die Beihilfebescheidedurch Angaben erwirkt wurden, die in wesentlicherBeziehung unrichtig oder unvollständig waren.

Das öffentliche Interesse gebietet die Rücknahme, daunrechtmäßige Beihilfezahlungen an Einzelne stetszulasten der Beihilfe-Umlagegemeinschaft und damitzulasten der Allgemeinheit gehen.

Unter Berücksichtigung der im Rahmen der An-hörung geschilderten familiären Situation hat sich der

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KVBW mit einer Rückzahlung in mehreren Teilbeträ-gen grundsätzlich einverstanden erklärt, sodass ein er-heblicher finanzieller Einschnitt damit abgemildertwerden kann. Anhaltspunkte, aus Billigkeitsgründenauf die Rückforderung zu verzichten, liegen nicht vor.Auch wenn die unvollständigen Angaben auf ein Ver-sehen der Petenten zurückzuführen sind, stellen dieAngaben im Beihilfeantrag die Grundlage für die Beihilfegewährung dar. Der Beihilfeberechtigte ver -sichert mit seiner Unterschrift auf dem Beihilfeantragneben der entsprechenden Erklärung, dass alle Anga-ben richtig und vollständig sind. Die Richtigkeit undVollständigkeit der Angaben ist daher vor der Unter-schrift zu prüfen.

Selbst nach einer mehr als 14 Jahre dauernden Beur-laubung musste den Petenten bekannt sein, dass diePetentin als Beamtin im Dienst einen eigenen Bei -hilfeanspruch hat und die Beihilfe zu ihren eigenenAufwendungen – wie vor Beginn der Beurlaubung –beim LBV zu beantragen ist. Selbst wenn diese Rege-lung nicht mehr geläufig war, gehört es zu den Pflich-ten jedes Beamten, sich über die seine Belange betref-fenden Rechtsvorschriften zu informieren. Die Bezü-gezahlung an die Petentin durch das LBV wurde zum14. September 2009 wieder aufgenommen. Auch imHinblick auf die Anlage zur Bezügemitteilung für Ja-nuar 2010, mit der sie vom LBV u. a. über die Kran-kenversicherungspflicht und die beihilferechtlichenFolgerungen informiert wurde, hätte sich ihr der Ge-danke aufdrängen müssen, dass das Landesamt wie-der für ihre Beihilfeangelegenheiten zuständig ist.

Auch die Höhe des noch offenen Betrages gibt keineVeranlassung, aus Billigkeitsgründen auf die Rück-forderung zu verzichten.

Beschlussempfehlung:

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann derPetition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Binder

4. Petition 15/1358 betr. Bebauungsplan

I. Gegenstand der Petition

Die Petition richtet sich gegen einen vorhabenbezo -genen Bebauungsplan. Der vorhabenbezogene Planwerde systematisch dazu missbraucht, die Rechte derAnrainer auszuhebeln. Den Baubehörden und Inves -toren würden alle Möglichkeiten eröffnet, zu bauenwas sie wollen. Entgegen den Interessen der Anrainerund Bewohner würden auf viel zu kleinen Grund-stücken überdimensionierte Wohnklötze gepresst.

Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung habe nicht statt -gefunden. Zwischen der Behörde und dem Investorhätte über das Verfahren und die Bebauung weit -gehend Übereinstimmung bestanden. Das Verfahrensei eine Alibiveranstaltung, um die Vorstellungen der

Bauverwaltung für die komplette Umgestaltung desGebietes durchzusetzen.

Die Petenten fordern, die neuen Bauvorhaben nachden bestehenden rechtsverbindlichen Bebauungsplä-nen zu errichten.

Die Petenten tragen auch vor, dass ihre Einsprüche imBebauungsplanverfahren stereotyp oder falsch beant-wortet wurden. Die Grundflächenzahl sei nicht ausge-wiesen. Anstelle von 30 Wohnungen sollen 36 Woh-nungen zulässig sein. Die Aussage, dass sich die Be-sonnung der bestehenden Wohnungen durch die ge-plante Neubebauung nicht verschlechtere, sei sachlichfalsch. Dem Wunsch nach einer Tageslichtstudie seinicht nachgekommen worden.

Es wird kritisiert, dass die Wohnungsbaudebatte 2011das Bauvorhaben nicht enthalte. Weiter werden An-merkungen zum § 21 des Durchführungsvertrags ge-macht.

Die Petenten bringen ihre Verärgerung wegen des ausihrer Sicht zu geringen Grenzabstands eines Vorha-bens zu ihrem Anwesen zum Ausdruck. Zudem wür-den den mit der Bausache befassten und abstimmen-den Fachbereichsausschuss-Mitglieder bisher keineDarstellung(en) der Größenverhältnisse von Bestandund Neubau vorliegen.

1. Sachverhalt

1.1 Vorhabenbezogener Bebauungsplan

Eine Wohnungsbaugenossenschaft beabsichtigt, alsEigentümerin und Vorhabenträgerin, einige bestehen-den Wohngebäude innerhalb des Plangebiets zu be -seitigen und anschließend neue, zeitgemäße Wohnge-bäude zu errichten.

Der Bebauungsplan wurde in der öffentlichen Sitzungdes Gemeinderats am 27. Juni 2012 beschlossen.

Das Grundstück der Petenten grenzt nordöstlich andas Plangebiet an.

1.2 Vorhaben „Wohnhaus II“

Das zuständige Regierungspräsidium befasste sichaufgrund zahlreicher Anfragen der Petenten mit einerAlternativenprüfung für die Anordnung des Wohn-hauses II auf dem Baugrundstück. Das Grundstückder Petenten grenzt nordöstlich an dieses Baugrund-stück an.

Die vom Regierungspräsidium ins Auge gefasste Al-ternative sah vor, den Gebäudeabstand des geplantenWohnhauses II zum Grundstück der Petenten zu ver-größern.

Die Bauherrschaft zeigte Gesprächsbereitschaft undbeauftragte ihren Planer, die Alternative mit der Ziel-setzung zu prüfen, durch die Lageänderung des Ge-bäudes – Haus II – eine Vergrößerung der Abstands-fläche zu erreichen. Die Untersuchung des Planers ergab, dass durch eine Drehung des Gebäudes um ca. 5 Grad und einer Befreiung von der Festsetzungdes Bebauungsplans hinsichtlich einer geringfügigen

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Überschreitung der festgesetzten Baugrenzen diesesZiel erreicht werden könnte. Die Stadt hat ihre Zu-stimmung zu der geringfügigen Überschreitung derBaugrenzen signalisiert.

Die Bauherrschaft wollte einer Änderung der Planungfür das Gebäude – mit größeren Grenzabständen alsnach den maßgeblichen Rechtsvorschriften erforder-lich – nur zustimmen, wenn auf der Grundlage einerverbindlichen Vereinbarung über einen Einwendungs-verzicht zügig das Bauantragsverfahren in Gang ge-setzt werden könne.

Die geänderte Gebäudeplanung sieht einen Grenz -abstand von ca. 6,00 m zur Grundstücksgrenze derPetenten vor. Der gesetzliche Grenzabstand nach derLandesbauordnung beträgt nach den Berechnungendes Planers ca. 4,50 m.

Dem Entwurf einer entsprechenden Vereinbarungstimmten die Petenten nicht zu, weil sie auf ihr Recht,weitere Einwendungen zu dem geplanten Vorhabenvorzutragen, nicht verzichten wollen und ihre Maxi-malforderung von 7,00 m Grenzabstand des Hauses IIzur Grundstücksgrenze erfüllt sehen wollen.

Zu dem Vorbringen der Petenten im Schreiben vom11. April 2013 wird in diesem Zusammenhang ausge-führt, dass die Petenten bisher wiederholt zum Aus-druck gebracht haben, dass nur ein Grenzabstand von7,00 m zu einem nachbarlichen Frieden führen könne.

Die vom Investor entgegenkommender Weise vorge-schlagene Änderungsplanung, die einen Grenzabstandvon ca. 6,00 m zu der Grenze des Grundstücks der Pe-tenten vorsah, wurde von den Petenten nicht akzep-tiert.

Nach Aussage der Stadt werde demnächst der Bauan-trag für die Wohnbebauung eingereicht und die Ein-haltung des gesetzlichen Grenzabstandes im baurecht-lichen Verfahren überprüft. Die Petenten lassen nun-mehr die Planung durch eine anwaltliche Vertretungüberprüfen.

Das vom Regierungspräsidium gemeinsam mit derStadt und dem Vorhabenträger veranlasste zeit- undkostenaufwändige Verfahren, um einen größerenGrenzabstand zum Grundstück der Petenten zu er -reichen, ist nach der Erklärung der Petenten gegen-standslos. Mit dem geplanten Vorhaben sind die zuprüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften, wieFestsetzungen des Bebauungsplans, Grenzabständenach der Landesbauordnung, einzuhalten.

2. Rechtliche Würdigung

2.1 Vorhabenbezogener Bebauungsplan

Nach § 12 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde durcheinen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zuläs-sigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn ein Vorha-benträger auf der Grundlage eines mit der Gemeindeabgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhabenund der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- undErschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sichzur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist

und zur Tragung der Planungs- und Erschließungs -kos ten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB verpflichtet (Durchführungsver-trag).

Die Stadt hat im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichgewährleisteten Planungshoheit die Möglichkeit, Bau-leitpläne nach der Maßgabe des Baugesetzbuchs auf-zustellen bzw. planerisch tätig zu werden. Hierzu istinsbesondere auf § 1 Abs. 3 BauGB zu verweisen. Da-nach haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzu-stellen, sobald und soweit es für die städtebaulicheEntwicklung und Ordnung erforderlich ist. Nach § 1Abs. 5 BauGB sollen die Bauleitpläne eine nachhal -tige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen,wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderun-gen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Ge-nerationen miteinander in Einklang bringt, und einedem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechteBodennutzung gewährleisten. Die Bauleitpläne sollendazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zuschützen und zu entwickeln, auch in Verantwortungfür den allgemeinen Klimaschutz, sowie die städte-bauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbildbaukulturell zu erhalten und zu entwickeln.

Nach § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB sind bei der Aufstellungder Bauleitpläne insbesondere die Erhaltung, Erneue-rung, Fortentwicklung, Anpassung, der Umbau vor-handener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwick-lung zentraler Versorgungsbereiche und nach § 1 Abs. 6Nr. 7 BauGB die Belange des Umweltschutzes, ein -schließlich des Naturschutzes und der Landschafts-pflege, insbesondere nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 f) die Nut-zung erneuerbarer Energien sowie die sparsame undeffiziente Nutzung von Energie zu berücksichtigen.

Nach § 1 a Abs. 2 BauGB soll mit Grund und Bodensparsam und schonend umgegangen werden; dabeisind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruch -nahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Mög-lichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbeson -dere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nach -verdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwick-lung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf dasnotwendige Maß zu begrenzen.

Zu den von der Stadt und dem Bauträger mit derÜberplanung des Gebiets angestrebten städtebau -lichen Zielen wird in der Begründung zum Bebau-ungsplan u. a. Folgendes ausgeführt (in Auszügenwiedergegeben):

„Anlass und Ziel der Planung

Die […] beabsichtigt als Eigentümerin und Vorha-benträgerin, die bestehenden Gebäude […] inner-halb des Plangebiets abzureißen und anschließendmit Wohngebäuden neu zu bebauen. Die in den1950er-Jahren geschaffenen Wohnungen sind in ei-nem schlechten baulichen Zustand und sind ent-sprechend den heutigen energetischen und techno-logischen Ansprüchen wirtschaftlich nicht moder-nisierbar.

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Gemäß den genossenschaftlichen Zielsetzungen derVorhabenträgerin (Gründung 1948 mit dem Zieldie Wohnungsnot der Nachkriegsjahre zu lindern)wird die Schaffung einer anspruchsvollen, sicherenund sozial verantwortlichen Wohnungsversorgung(Mietwohnungsbau) verfolgt.

Der Geltungsbereich liegt innerhalb der genehmig-ten Bebauungspläne […]. Die darin getroffenenFestsetzungen hinsichtlich der Dichte können miteinem wirtschaftlich vertretbaren Neubauprojektnicht eingehalten werden. Deshalb ist nach Abstim-mung mit der Hauptabteilung Stadtplanung, Um-welt und Baurecht ein vorhabenbezogener Bebau-ungsplan im Sinne von ‚§ 12 Abs. 2 BauGB‘ erfor-derlich.

Kernziel des vorhabenbezogenen Bebauungsplansist die Neugestaltung eines zeitgemäßen Woh-nungsbaus. Der vorhabenbezogene Bebauungsplansoll die planungsrechtliche Sicherung für das Neu-bauvorhaben gewährleisten.

Angaben zum Bestand

Der Geltungsbereich befindet sich am Schnittpunktzwischen dem Altbaugebiet […] und dem Neubau-gebiet […]. Das Plangebiet grenzt südwestlich direkt an einen Wohnpark und nordöstlich an einab Mitte der 1930er-Jahre errichtetes Wohngebiet[…] an. Diese Häuser sind durchgängig 2-ge-schossig mit ausgebauten sehr steilen Dächern(50°). Mit der nordwestlichen Seite grenzt der Gel-tungsbereich an das Grundstück einer ehemaligenKirche, auf welchem 2009 ein 4- bis 5-geschossigesWohngebäude errichtet wurde.

Das Plangebiet steigt nach Südwesten um ca. 1,00 man und stößt dort mit der gesamten hinterenGrund stücksgrenze an die ca. 5,00 m höher gelege-nen Geländekante des Wohnparks […]. DieseGeländekante hat ihren Ursprung in der ehema -ligen militärischen Nutzung des Areals. Die Außen-wände der Tiefgarage des Wohnparks sind trotzleichter Anböschung und Begrünung vom Pla-nungsgebiet als Betonmauer sichtbar.

Die als Stiche angelegten schmalen Straßen […]erschließen das Planungsgebiet über die Wendebe-reiche. Eine Fußwegeanbindung zum Versorgungs-zentrum des Wohnparks ist über einen Weg gege-ben.

In den abzubrechenden 2 geschossigen Gebäudenmit ausgebautem Dachgeschoss des Vorhaben -gebietes befinden sich 42 kleine Wohnungen ohneBalkon, mit nicht zeitgemäßen Grundrissen, altenBädern, einem unzureichenden Schallschutz undveralteter Haustechnik. Die Gebäude sind energe-tisch unzureichend ausgebildet, was mit sehr hohenNebenkosten verbunden ist.

Der räumliche Geltungsbereich umfasst die Grund-stücke […] und weist eine Fläche von ca. 3.463 m²aus.

Geplante Neugestaltung des Geltungsbereichs

Zur Neugestaltung des Plangebiets hat die Vorha-benträgerin ein Gutachterverfahren mit 3 Architek-turbüros durchgeführt.

Zielvorgabe war, die 42 sehr kleinen Wohnungendurch ca. 30 Wohnungen zu ersetzen. Es sollennachhaltige und zeitgemäß zugeschnittene Woh-nungen mit moderner Haustechnik entstehen. Ei-ne damit verbundene Vermietbarkeit und Siche-rung der Wohnqualität sowie eine verbesserteund ökologisch vertretbare Energieeffizienz istnur durch einen Neubau wirtschaftlich möglich.Das Wohnumfeld soll barrierefrei gestaltet wer-den.

[…] Bezüglich des Volumens und der Ausrichtungsowie der Anzahl der Geschosse vermittelt der Ent-wurf, für den sich die Vorhabenträgerin entschie-den hat, am besten zwischen dem Bestand der Ein-zelhausbebauung und der südwestlich angrenzen-den Bebauung des Wohnparks.

Die geplanten Wohngebäude nehmen die Richtungder bestehenden Gebäude auf. Diese Ausrichtunglässt Freiräume entstehen und sichert eine aus -reichende Besonnung und Belichtung des Bestan-des sowie der geplanten Mietwohnungen.

[…]

PlaninhaltZulässige bauliche Nutzungen

Die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung er-folgt gemäß der Baunutzungsverordnung (BauNVO)als allgemeines Wohngebiet (WA). Die zulässigeNutzung innerhalb des Geltungsbereichs umfasstWohngebäude.

Darüber hinausgehende Nutzungen sind nicht zuläs-sig. Weiterhin wird gemäß § 12 Abs. 3 a BauGB fest-gesetzt, dass nur solche Vorhaben zulässig sind, zudenen sich die Vorhabenträgerin im Durchführungs-vertrag verpflichtet.

Bei dem Bauvorhaben handelt es sich um die Nach-verdichtung eines innerstädtischen Grundstückes.Eine intensivere bauliche Nutzung dieses Grund-stückes ist sowohl aus ökologischen als auch auswirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Mit der Aktivie-rung der Flächenressourcen im Innenbereich wer-den noch nicht bebaute Freiflächen im Außenbe-reich geschont.“

Die Festsetzungen des Bebauungsplans berücksichti-gen die o. g. öffentlichen Belange.

Im betroffenen Oberzentrum ist eine Nachverdichtungder Wohnquartiere auf einen Dichtewert von mindes -tens 100 E/ha (Bodenschutzklausel, § 1 a BauGB) alserforderlich anzusehen.

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Zu den einzelnen Vorbringen der Petenten

2.2 „Systematischer Missbrauch des Bebauungs-plans“ und „Bitte um Durchsetzung der bishergültigen Bebauungspläne als Rechtsgrundlagenfür eine Neubebauung“

Mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan kannder Investor nur das von der Stadt als Träger der Pla-nungshoheit festgestellte und entsprechend dem Vor-haben- und Erschließungsplan bezeichnete Vorhaben– Beseitigung von Wohngebäuden und Neubau vonzeitgemäßen Wohngebäuden/Wohnungen – unter Ein -haltung der Auflagen im Durchführungsvertrag ver-wirklichen.

Der Vorhaben- und Erschließungsplan ist nach § 12Abs. 3 S. 1 BauGB Bestandteil des von der Stadt alsTräger der Planungshoheit beschlossenen vorhaben-bezogenen Bebauungsplans.

Nach § 12 Abs. 2 BauGB hat die Gemeinde auf An-trag des Vorhabenträgers über die Einleitung einesBebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßen Er-messen zu entscheiden. Die Stadt hat bei der Ent-scheidung über die Aufstellung des vorhabenbezoge-nen Bebauungsplans die o. g. öffentlichen Belange,insbesondere die Fortentwicklung bestehender Bau -gebiete im Innenbereich unter Berücksichtigung von § 1 a Abs. 2 BauGB angemessen berücksichtigt.

Zu der von den Petenten geforderten Neubebauungder Baugrundstücke im Plangebiet nach den bishergeltenden Bauvorschriften wird auf die Ausführungenin Nr. 2.1 verwiesen.

2.3 „Frühzeitige Bürgerbeteiligung war eine Alibiver-anstaltung“ und „Auslegungsfristen waren zu kurz“

Die frühzeitige Bürgerbeteiligung wurde im Amts-blatt der Stadt am 21. Juli 2011 öffentlich bekanntge-macht. In der öffentlichen Bekanntgabe wurden dasPlanungsziel dargelegt und insbesondere auf die früh-zeitige Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB hin-gewiesen. Die Planunterlagen wurden in der Zeit vom30. Juli bis 12. August 2011 zur Einsicht öffentlichaufgelegt. Für Auskünfte und Erörterungen standennach der öffentlichen Bekanntgabe die Mitarbeiter imBürgerservice zur Verfügung. Ergänzend wurde aufdie Einsichtsmöglichkeiten in die Planunterlagen imInternet hingewiesen.

In der öffentlichen Bekanntgabe wurde darauf hinge-wiesen, dass zu der Planung schriftlich bei der Stadtoder mündlich zur Niederschrift im BürgerserviceBauen Anregungen bzw. Äußerungen vorgebrachtwerden können.

Erst nach Sichtung der Äußerungen bei der frühzeiti-gen Öffentlichkeitsbeteiligung und der Auswertung derVerschattungsstudie hat sich die Stadt in Abstimmungmit dem Vorhabenträger für die Verwirklichung desEntwurfs entschieden, der gegenüber den anderen Ent-würfen die geringste Baudichte aufweist.

Das von der Stadt durchgeführte frühzeitige Bürger-beteiligungsverfahren ist nicht zu beanstanden.

2.4 „Interessen der Vorhabenträgerin zu Lasten derAnwohnerschaft durchgesetzt“

Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung derBauleitpläne die öffentlichen und privaten Belangegegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.Dabei stehen sich die verschiedenen öffentlichen undprivaten Belange als gleichrangig gegenüber.

Die Stadt hat als Träger der Planungshoheit die zu derPlanung vorgebrachten Anregungen bzw. privatenBelange in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB ein-gestellt und hierüber beschlossen. Es ist nicht zu be-anstanden, dass die Stadt insbesondere den unter derNr. 2.1 dargelegten öffentlichen Belangen den Vor-rang eingeräumt und andere zu der Planung vorge-brachte (private) Belange unter Berücksichtigung derfür die Planung maßgeblichen öffentlich-rechtlichenBauvorschriften zurückgestellt hat.

Die maßgeblichen städtebaulichen Belange und bau-rechtlichen Normen, insbesondere Abstandsflächenzu Nachbargrundstücken, sind eingehalten.

Eine Simulation der Gebäudeverschattung auf derGrundlage des Entwurfs zeigt, dass sich die Beson-nung für die bestehende Bebauung nicht verschlech-tert.

Es ist nicht zu erkennen, dass durch die geplantenWohngebäude und deren bestimmungsgemäßer Nut-zung nachbarschützende Vorschriften sowie das Ge-bot der Rücksichtnahme nach § 15 BauNVO verletztwerden.

2.5 „Grundflächenzahl (GRZ) und Geschossflächen-zahl (GFZ)“

Die maximal zulässige Grundflächenzahl ist imTextteil des Bebauungsplans nach § 9 Abs. 1 Nr. 1BauGB i. V. mit §§ 16 bis 21 a Baunutzungsverord-nung (BauNVO) mit 0,4 festgesetzt. Nach derrechtsverbindlichen Festsetzung ist eine Überschrei-tung der festgesetzten Grundflächenzahl gemäß § 19Abs. 4 BauNVO durch die Bebauung mit einem Ga-ragengeschoss und baulichen Anlagen unterhalb derGeländeoberfläche, Wege, Terrassen und Nebenan-lagen bis zu einem Wert von max. 0,6 zulässig.

Bei der Abwägung der Anregungen zum Planentwurfwurde die Geschossflächenzahl erläutert. Unter Be -rücksichtigung der für die Geschossflächenzahl maß-geblichen Rechtsvorschriften wurde für die geplantenVorhaben im Plangebiet eine Geschossflächenzahlvon ca. 0,96 ermittelt.

Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nut-zung nach § 16 BauNVO dürfen, auch wenn eine Ge-schossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dar-gestellt oder festgesetzt ist, die Obergrenzen nach § 17Abs. 1 BauNVO nicht überschritten werden. Nach § 17 Abs. 1 BauNVO darf für das im Bebauungsplanfestgesetzte allgemeine Wohngebiet (WA) die Ge-schossflächenzahl (GFZ) maximal 1,2 betragen. Nach§ 20 Abs. 2 BauNVO gibt die Geschossflächenzahlan, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadrat-meter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Abs. 3

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BauNVO zulässig sind. Für die Ermittlung der zuläs-sigen Grundfläche ist die Fläche des Baugrundstücksmaßgebend, die im Bauland und hinter der im Bebau-ungsplan festgesetzten Straßenbegrenzungslinie liegt.Ist eine Straßenbegrenzungslinie nicht festgesetzt, soist für die Ermittlung der Geschossfläche die Flächedes Baugrundstücks maßgebend, die hinter der tat -sächlichen Straßengrenze liegt oder die im Bebau-ungsplan maßgebend für die Ermittlung der zulässi-gen Grundfläche festgesetzt ist.

Nach § 20 Abs. 3 BauNVO ist die Geschossflächenach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollge-schossen zu ermitteln.

Nach den Berechnungen im Planaufstellungsverfah-ren wird mit den geplanten Vorhaben der Maximal-wert für allgemeine Wohngebiete von 1,2 bei der Ge-schossflächenzahl (GFZ) eingehalten.

Nach § 20 Abs. 4 BauNVO bleiben bei der Ermittlungder Geschossfläche Nebenanlagen im Sinne des § 14BauNVO, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bau -liche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in denAbstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonsti-gen Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassenwerden können, unberücksichtigt.

Die Einhaltung der Obergrenze der im Bebauungsplanfestgesetzten Grundflächenzahl sowie der Geschoss -flächenzahl nach § 17 Abs. 1 BauNVO ist im Bauge-nehmigungsverfahren zu prüfen.

2.6 „Überdimensionierte Wohnklötze auf ein viel zukleines Grundstück gepresst“

Das angestrebte Wohnbauvorhaben nimmt die Rich-tung und Raumkanten der angrenzenden Bebauungauf. Daraus ergibt sich eine wesentliche Verbesserungder Durchlässigkeit gegenüber den jetzt bestehendenquer angeordneten Gebäuden.

Wegen der Umgebungsbebauung wurden die Höhender geplanten Wohngebäude teilweise gestaffelt. Anstelle der vorhandenen 42 Wohnungen werden 30 zeitgemäße Wohnungen neu geschaffen. Anstelleder bisher kleinen Wohnungen soll ein Wohnungsmixaus barrierefreien 2-, 3- und 4-Zimmer-Mietwohnun-gen entsprechend den wohnungsbaupolitischen Zielender Stadt entstehen.

Zu der baulichen Nutzung der Grundstücke wird aufdie Nr. 2.5 verwiesen.

2.7 „Falsche Baukennziffern, falsche Pläne und An-sichten ohne Maße und Höhenangaben, Fantasie-pläne“

Im Bebauungsplan sind neben den üblichen Festset-zungen auch die absoluten Höhen der baulichen Anla-gen über NN (Höhen im neuen System) einschließlichder Ausnahmen festgesetzt. Als Ausnahme könnendie max. zulässigen Gebäudehöhen auf einer Grund-fläche von 10 % auf den jeweiligen Gebäudeteilen biszu 1,50 m überschritten werden. Die Möglichkeit derÜberschreitung gilt nur für technisch bedingte Auf-bauten.

Die Architektenpläne für die Offenlage stellen sowohlrelative Höhen als auch die absoluten NN-Höhen dar.Zur Verdeutlichung der Höhen der geplanten Gebäu-de wurden auch die Höhen der an das Plangebiet an-grenzenden Gebäude nachrichtlich in den Plan über-nommen.

2.8 „Einsprüche nur stereotyp beantwortet“

Die Stadt hat nach den vorgelegten Verfahrensunter-lagen die zur Planung eingegangenen Anregungen ineiner Vorlage für den Gemeinderat umfassend darge-stellt und in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGBeingestellt.

2.9 „Anzahl der Mietwohnungen“

Im Plangebiet sollen 30 Wohnungen errichtet wer-den. Im Einzelnen wird hierzu auf die Nr. 2.6 ver-wiesen.

Die von den Petenten genannte Anzahl von 36 Woh-nungen ist weder in der Begründung zum vorhaben-bezogenen Bebauungsplan noch im Vorhaben- undErschließungsplan genannt.

Das zulässige Garagengeschoss enthält lediglich Kel-ler- und Technikräume sowie einen Gemeinschafts-raum.

2.10 „Besonnung“

Das Neubauvorhaben hält die gesetzlichen Abstands-flächen gegenüber der Grundstücksgrenze der Peten-ten ein. Zusätzlich wurde eine Verschattungsstudie er-stellt.

Nach der DIN 5034, Teil 1 (Tageslicht in Innenräu-men) gilt eine Wohnung als „ausreichend besonnt“,wenn die mögliche Besonnungsdauer auf Brüstungs-höhe der Aufenthaltsräume der Wohnung am 17. Ja-nuar zumindest eine Stunde beträgt.

Die Studie belegt, dass eine ausreichende Beson-nung gewährleistet ist. Für die Abwägung im Be-bauungsplanaufstellungsverfahren nach § 1 Abs. 7BauGB wurden neben dem 17. Januar der 21. Juni,21. September und der 21. Dezember in der Studiebetrachtet. Danach werden hinsichtlich der Beson-nung nachbarschützende Belange und das Gebot derRücksichtnahme durch das geplante Vorhaben nichtverletzt.

2.11 „Zu geringer Grenzabstand“

Hierzu ist auf die Festsetzungen der überbaubarenFläche im Bebauungsplan und die rechtlichen Vor-gaben in der Landesbauordnung zu verweisen. DieEinhaltung der nach dem geltenden öffentlichenBaurecht – Landesbauordnung – erforderlichen Ab-standsflächen ist im Baugenehmigungsverfahren zuprüfen.

Auf die Ausführungen in Nr. 1.2 wird besonders hin-gewiesen.

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2.12 „Keine Darstellung der Größenverhältnisse vonBestand und Neubau“

Hierzu wird auf die Ausführungen in der Nrn. 2.6 und2.7 verwiesen.

2.13 „Durchführungsvertrag“

Der zitierte Paragraph ist Standard bei derartigen Ver-trägen.

2.14 „Wohnungsbaudebatte“

Das Bauvorhaben hat keinen Einfluss auf die Woh-nungsbaudebatte. Es handelt sich um einen sog. Woh-nungs-Ersatzbedarf. Im Einzelnen wird auf die Nr. 2.6hingewiesen. Ein Überangebot entsteht nicht. Diekleinen 42 Wohnungen werden durch 30 zeitgemäßzugeschnittene, barrierefreie Wohnungen ersetzt.

Das von der Stadt nach § 12 BauGB durchgeführteVerfahren ist nicht zu beanstanden. Die im Rahmen desBebauungsplanverfahrens zur Planung vorgebrachtenAnregungen wurden in die Abwägung nach § 1 Abs. 7BauGB eingestellt und hierüber beschlossen.

Die Petenten werden zur Wahrnehmung ihrer Rechteauf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.Die Petenten werden auf den Rechtswegverwiesen.

Berichterstatterin: Böhlen

5. Petition 15/2111 betr. Bebauung eines Spielplatzes

I. Gegenstand der Petition

Der Petent wendet sich gegen die Baugenehmigungdes Landratsamtes vom 25. Oktober 2012 zum Baueines Einfamilienhauses auf dem Gelände eines ehe-maligen Spielplatzes.

Der Petent, der das Nachbargrundstück bewohnt, be-fürchtet, durch den Neubau auf seinen nach Südenausgerichteten Balkonen der Sonne, des Lichts undder Sicht beraubt zu werden.

Außerdem sei dem Petenten von dem damaligen Bür-germeister der betroffenen Gemeinde im Jahr 1973versichert worden, dass das in Rede stehende Grund-stück nicht bebaut werden darf, weil dieses im Be -bauungsplan als Spielpatz ausgewiesen sei. In Ge-sprächen im Jahr 1998 mit dem neuen Bürgermeisterder Gemeinde habe der Petent sich bereit erklärt, dasbetroffene Grundstück zu erwerben und der Gemein-de weiterhin als Spielpatz zur Verfügung zu stellen.

Unmittelbar nach Veröffentlichung der Verkaufsab-sicht für das Grundstück durch die Gemeinde habe

der Sohn des Petenten sein Angebot dafür abgegeben.Das Grundstück sei aber trotz Zusicherung der Zah-lung eines höheren Preises an weitere Interessentenverkauft worden. Dies sei mit dem Gleichheitssatznicht zu vereinbaren.

Der Petent trägt weiter vor, dass er über den Bebau-ungsplan, der zur Aufhebung der Festsetzung desSpielplatzes führte, trotz Zusicherung des Bürger -meis ters im Jahr 1998 nicht frühzeitig informiert wor-den sei. Außerdem seien diesbezügliche Veröffent -lichungen im Gemeindeanzeiger unverständlich ge-wesen.

Auch hätten die Erwerber des Grundstücks unter Hin-weis auf das Abraten der Gemeindeverwaltung dieAngebote des Petenten zum Abkauf des Grundstücksbzw. zur Versetzung des Neubaus um drei Meter un-ter Übernahme der Kosten ausgeschlagen.

Insgesamt entstehe damit der Eindruck, dass dem Pe-tenten gezielt Schaden an Gesundheit und Wert seinesHauses zugefügt werden solle.

1. Sachverhalt

Südlich an das Grundstück des Petenten grenzt das hierfragliche Grundstück an, das bisher unbebaut war. Bei-de Grundstücke befinden sich im bebauten Innenbe-reich der Gemeinde. Die angrenzenden Grund stückesind mit zweigeschossigen Wohngebäuden bebaut.

Der rechtswirksame Bebauungsplan vom 17. April1967 in der Fassung vom 18. Dezember 1969, der fürdas fragliche Grundstück, die Festsetzung eines Spiel-platzes vorsah, wurde am 28. Mai 1999 aufgehoben.Begründet wurde die Aufhebung damit, dass die bis-herigen Festsetzungen für viele Grundstückseigentü-mer zu eng und daher eine Vielzahl von Befreiungs-verfahren zu verzeichnen waren.

Nach der Verfahrensdokumentation zur Aufhebungund Änderung des Bebauungsplans erfolgte der Be-schluss des Gemeinderats über die Aufhebung desBebauungsplans am 20. Januar 1999. Danach schlosssich die Veröffentlichung des Beschlusses und dieBekanntmachung der Auslegung am 4. Februar 1999an. Nach öffentlicher Auslegung im Zeitraum vom15. Februar 1999 bis 19. März 1999, der Beteiligungder Träger öffentlicher Belange und nach einer nocherfolgten Änderung des Satzungsbeschlusses trat dieAufhebung und Änderung des Bebauungsplans am28. Mai 1999 in Kraft.

Zur Aufhebung der Festsetzung des Spielplatzes trägtdie Gemeinde ergänzend vor:

Die Spielplatznutzung wurde nach und nach aufgege-ben, weil es im dortigen Bereich kaum mehr kleineKinder gab und die Gemeinde am Dorfplatz einenneuen großen Spielplatz gebaut hatte. Schon seit Jah-ren waren deshalb auf dem Grundstück, alle Spiel-geräte abgebaut worden.

Im Jahr 2010 wurde die Gemeinde in das Pilotprojekt„Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“ desUm weltministeriums Baden-Württemberg aufgenom-men. In diesem Zusammenhang wurden die Innenent-

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wicklungspotenziale der Gemeinde erhoben und dabeiauch der ehemalige Spielplatz für eine Nutzung ak -tiviert. Die Schließung dieser innerörtlichen Grün-fläche reduziert den Flächenverbrauch im Außenbe-reich und trägt damit zur gewünschten Innenentwick-lung in der Gemeinde bei.

Infolge dessen wurde das fragliche Grundstück, alsBauplatz von der Gemeinde an ortsansässige Eheleu-te, die zwei Kinder haben, verkauft.

Der Ehemann hat am 15. August 2012 einen Antragauf Baugenehmigung eines zweigeschossigen Ein -familienhauses mit Garage auf dem Grundstück, beimLandratsamt eingereicht. Mit Schreiben vom 5. Ok -tober 2012 hat der Petent im Zuge der Angrenzerbe-nachrichtigung dagegen Einwendungen erhoben undu. a. vorgetragen, dass das Bauvorhaben mit einerHöhe von 9,20 m sicht- und lichtverdeckend direktvor seinen Balkonen entstehe. Weitere Einwendungenhabe es nicht gegeben.

Das Landratsamt hat mit Bescheid vom 25. Oktober2012 die Baugenehmigung erteilt und mit Schreibenvom 25. Oktober 2012 die Einwendungen des Peten-ten abgewiesen. Die Baufreigabe wurde ebenfalls am25. Oktober 2012 erteilt.

Mit Schreiben vom 27. November 2012 hat der PetentWiderspruch gegen die Baugenehmigung eingelegtund im Wesentlichen mit den gleichen Argumentenwie im Zuge der Angrenzerbenachrichtigung begrün-det. Das Landratsamt konnte dem Widerspruch nichtabhelfen und hat diesen mit Schreiben vom 10. Januar2013 dem zuständigen Regierungspräsidium zur Ent-scheidung vorgelegt. Über den Widerspruch ist nochnicht entschieden.

Der vom Petenten am 30. November 2012 eingereichteAntrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkungwurde vom Landratsamt am 10. Januar 2013 abgelehnt.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2013 hat der Petentbeim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Anordnungder aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nach§ 80 a Absatz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)i. V. m. § 80 Absatz 5 VwGO eingereicht.

Derzeit erfolgt die Bauausführung.

2. Rechtliche Würdigung

a) Bebauungsplanverfahren

Nach dem vorliegenden Sachverhalt sind keine Ver-stöße gegen Regelungen des Baugesetzbuchs (BauGB)bezüglich des Verfahrens zur Änderung und Aufhe-bung des Bebauungsplan erkennbar. Entgegen demVorbringen des Petenten konnten über den Kartenaus-schnitt in den Bekanntmachungen der Gemeinde dievon der Bebauungsplanaufhebung erfassten Grund-stücke genau erkannt werden.

b) Baugenehmigung

Die Baugenehmigung ist zu Recht ergangen, da demBauvorhaben nach dem vorliegenden Sachverhalt we-

der bauplanungsrechtliche noch bauordnungsrecht -liche Gründe entgegenstehen.

Das geplante Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nach§ 34 des Baugesetzbuchs (BauGB) zu beurteilen, dader für das Grundstück ursprünglich rechtswirksameBebauungsplan aufgehoben wurde.

Nach § 34 Absatz 1 BauGB ist innerhalb der im Zu-sammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zuläs-sig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichenNutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche,die überbaut werden soll, in die Eigenart der näherenUmgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.

Das geplante Vorhaben fügt sich ein, da es den Rah-men der in der für die bauplanungsrechtliche Beurtei-lung maßgeblichen näheren Umgebung vorhandenenBebauung einhält und im Hinblick auf die betroffenenBelange der unmittelbaren Nachbarschaft nicht gegendas Gebot der Rücksichtnahme verstößt.

Bei dem geplanten Vorhaben handelt es sich um einzweigeschossiges Einfamilienhaus mit einer Garage.Die Fläche des Baugrundstücks beträgt 396 m², dieGrundfläche der baulichen Anlage samt Garage170,80 m² und die Geschossfläche 168,40 m². Nachder für die Baugenehmigung eingereichten Bauzeich-nung beträgt die Höhe des Gebäudes 9,20 m. Bei denunmittelbaren Nachbargrundstücken handelt es sichebenfalls um zweigeschossige Wohngebäude wie beiden angrenzenden Wohnhäusern. Das geplante Vor-haben fügt sich damit in die nähere Umgebung ein,Verstöße gegen das Rücksichtnahmegebot sind nichterkennbar.

Auch die nach § 5 der Landesbauordnung (LBO) ge-forderte Tiefe der Abstandsfläche zum Grundstück desPetenten ist eingehalten. So beträgt die Tiefe der Ab-standsfläche zum Grundstück des Petenten ca. 3,89 mund überschreitet damit die nach § 5 Absatz 7 LBOgeforderte Mindesttiefe von 2,50 m (0,4 von derWandhöhe). Durch die Einhaltung bzw. Überschrei-tung der erforderlichen Abstandsfläche ist den bau-ordnungsrechtlich definierten Belangen von Beson-nung, Belichtung und Belüftung des Grundstücks desPetenten Rechnung getragen.

c) Verkauf des Grundstücks

Nach § 92 Absatz 1 der Gemeindeordnung darf dieGemeinde Grundstücke, die sie zur Erfüllung ihrerAufgaben nicht braucht, veräußern. Nachdem derSpielplatz aufgegeben wurde, konnte das Grundstückals Bauplatz verkauft werden. Hierbei handelt es sichum eine Angelegenheit der kommunalen Selbstver-waltung, bei der die Gemeinde auf dem Gebiet desPrivatrechts handelt. Gibt es – wie im vorliegendenFall – mehrere Kaufinteressenten, muss sich die Ge-meinde zwangsläufig für einen entscheiden.

Bei den Erwerbern des Grundstücks handelt es sichum eine ortsansässige Familie mit zwei Kindern. DieEntscheidung, an diese Familie zu verkaufen, wurdevom dafür zuständigen Gemeinderat getroffen. An-haltspunkte für einen Verstoß gegen Rechtsvorschrif-ten sind nicht erkennbar.

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Der Umstand, dass der Petent bereits vor Jahren Inte -resse an einem Erwerb des Grundstückes geäußerthat, war dem Gemeinderat bekannt und wurde in dieEntscheidungsfindung mit einbezogen. Auf eine ver-bindliche Zusage der Gemeinde zum Verkauf an ihnkann sich der Petent aber offenbar nicht berufen.

Im weiteren Verfahren steht es dem Petenten frei, dieRechtmäßigkeit der Baugenehmigung – nach Durch-führung des Widerspruchverfahrens – gerichtlich über -prüfen zu lassen.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatterin: Böhlen

6. Petition 15/2632 betr. Anerkennung der Ausbil-dung zur Krankenschwester

Die Petentin möchte, dass ihr Berufsabschluss alsKrankenschwester anerkannt wird und sie den TitelGesundheits- und Krankenpflegerin führen darf.

Der Petition liegt folgender Sachverhalt zugrunde.

Die Petentin absolvierte von 1989 bis 1992 eine Aus-bildung als Krankenschwester mit Fachrichtung Sto-matologische Assistenz in Berlin. Die praktische Aus-bildungszeit absolvierte sie im dritten Ausbildungs-jahr in einer privaten Zahnarztpraxis. Dies geht aus einer beglaubigten Zeugniskopie hervor, die der jetzi-ge Arbeitgeber der Petentin dem Regierungspräsidi-um übermittelte. In der Zeit vom 15. September 2010bis 28. Februar 2013 war die Petentin in einem Nie-renzentrum, Bereich Dialyse und Apherese als Dia -lyseschwester in Teilzeit tätig. Zurzeit arbeitet sie alspflegerische Hilfskraft an einem Klinikum. Dieses batdas Regierungspräsidium um Prüfung, ob es die Pe-tentin als Gesundheits- und Krankenpflegerin be-schäftigen kann und reichte dafür eine beglaubigteKopie des o. g. Zeugnisses und des Zeugnisses überdie bestandene praktische Prüfung ein. Das Regie-rungspräsidium antwortete dem Arbeitgeber, dass diePetentin nicht als Gesundheits- und Krankenpflegerinbeschäftigt werden kann. Es fehle der Nachweis übereine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflege-rin. Die erbrachten Nachweise über eine Ausbildungals Krankenschwester in der Fachrichtung stomatolo-gische Assistenz reichten dafür nicht aus. Der Peti -tionsausschuss erhielt von der Petentin mit Schreibenvom 31. Mai 2013 ein Dokument der Akademie derGesundheit Berlin/Brandenburg e. V. vom 22. April2013 mit dem Hinweis, dass sie hiermit ihren Stun-dennachweis nachreiche. In dem Dokument wird be-stätigt, dass die Petentin vom 1. September 1989 bis31. August 1992 im Land Berlin eine Ausbildung inder Fachrichtung Krankenpflege absolviert habe undmit dem Examen zur Krankenschwester abgeschlos-sen habe. Nachfolgend sind in diesem Schreiben dieInhalte des theoretischen und praktischen Unterrichtes

mit entsprechenden Stundenanteilen der dreijährigenAusbildung der Krankenpflege gemäß der Ausbil-dungs- und Prüfungsordnung für die Berufe in derKrankenpflege vom 16. Oktober 1985 aufgelistet.

In ihrem Petitionsschreiben gibt die Petentin an, dasssie ihre Ausbildung als Krankenschwester 1989 an einer Medizinischen Fachschule in Berlin begonnenhabe und diese Ausbildung dort im August 1992 mitdem Staatsexamen für Krankenpflege mit der zusätz-lichen Fachrichtung Stomatologische Assistenz abge-schlossen habe. Bei ihrem jetzigen Arbeitgeber dürfesie nur Hilfsarbeiten ausführen, weil ihm das Zeugnisüber die zusätzliche Fachrichtung Krankenschwesterfür stomatologische Assistenz nicht ausreiche. Sie ge-lange aber nicht an eine Bestätigung der Ausbildungals Krankenschwester, weil ihre Ausbildungsstätte inder DDR mehrfach umgezogen sei und dort niemandmehr erreichbar sei. Beim Landesamt für Gesundheitund Soziales habe sie ebenfalls keine Bestätigung er-halten können, da die Unterlagen nicht mehr existier-ten. Die Petentin stellt beim Petitionsausschuss denAntrag auf Anerkennung als Krankenschwester.

Die Ausbildung zur Krankenschwester kann nicht an-erkannt werden. Es kann der Petentin auch keine Er-laubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesund-heits- und Krankenpflegerin“ erteilt werden.

Mit dem Einigungsvertrag wurde die in der ehema -ligen DDR begonnene Ausbildung in der Kranken -pflege der Ausbildung nach dem Krankenpflegegesetzgleichgestellt. Gemäß § 23 Absatz 3 Krankenpflege-gesetz (KrPflG) wird eine vor Inkrafttreten dieses Ge-setzes begonnene Ausbildung als „Krankenschwes -ter“ oder „Krankenpfleger“ nach den bisher geltendenVorschriften abgeschlossen. Nach Abschluss der Aus-bildung in der Krankenpflege erhält die Antrag stellen-de Person, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1Nr. 2 und 3 vorliegen, eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1Nr. 1 oder 2 KrPflG. Hat jemand nach der Wende dieAusbildung zur Krankenschwester nach weitergelten-dem DDR-Recht erfolgreich abgeschlossen, brauchter nur noch einen Antrag zum Führen der Berufsbe-zeichnung zu stellen.

Der Antrag der Petentin auf Anerkennung kann nichtin einen Antrag auf Führen der Berufsbezeichnungals Gesundheits- und Krankenpflegerin umgedeutetwerden. Die Petentin stellt in ihrer Petitionsschriftbeim Petitionsausschuss einen „Antrag auf Anerken-nung als Krankenschwester“. Die Petentin hatte zu-vor bei keiner Behörde einen diesbezüglichen Antraggestellt. Bisher wandte sich nur ihr Arbeitgeber andas Regierungspräsidium mit der Bitte zu prüfen, obdas Klinikum sie als Gesundheits- und Krankenpfle-gerin einsetzen könne. Gemäß § 20 Absatz 1 KrPflGtrifft die zuständige Behörde des Landes, in dem dieAntragstellerin oder der Antragsteller die Prüfungabgelegt hat, die Entscheidung, ob die Erlaubnis zumFühren der Berufsbezeichnung „Gesundheits- undKrankenpflegerin“ erteilt werden kann. Das ge-schieht in der Regel kurz nach bestandener Prüfung.Die Petentin müsste daher bereits kurz nach ihrerPrüfung im Jahre 1992 eine Erlaubnis zum Führender Berufsbezeichnung von der Berliner Prüfbehör-

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de, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, be-kommen haben.

Die Petentin könnte einen zweiten Antrag auf Führender Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Kranken-pflegerin“ stellen. Aus der Petitionsschrift geht her-vor, dass die Petentin die Abschlussurkunde über dieAusbildung als Krankenschwester nicht mehr hat.Ginge man davon aus, dass die Petentin 1992 die Er-laubnis zum Führen der Berufsbezeichnung bekom-men habe, dies nun aber nicht mehr nachweisen kön-ne, so könnte sie einen erneuten Antrag auf Führender Berufsbezeichnung stellen. Damit müsste sie sichmit einem entsprechenden Antrag wieder an das Lan-desamt für Gesundheit und Soziales Berlin wenden.

Gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 KrPflG bedarf der Erlaub-nis, wer eine Berufsbezeichnung als „Gesundheits-und Krankenpflegerin“ oder „Gesundheits- und Kran-kenpfleger“ führen will. § 2 Absatz 1 KrPflG regeltdie Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung. Da-nach ist eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 KrPflG aufAntrag zu erteilen, wenn die Antragstellerin oder derAntragsteller

1. die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Ausbil-dungszeit abgeleistet und die staatliche Prüfung be-standen hat,

2. sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat,aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübungdes Berufs ergibt,

3. nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübungdes Berufs ungeeignet ist und

4. über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erfor-derlichen Kenntnisse der deutschen Sprache ver-fügt.

Problematisch im Falle der Petentin ist die Vorausset-zung von § 2 Absatz 1 Nr. 1 KrPflG. Der Nachweis,dass die vorgeschriebene Ausbildungszeit abgeleistetist und sie die staatliche Prüfung bestanden hat, wirddurch das Abschlusszeugnis bzw. einen Ausbildungs-nachweis erbracht. Aus der vorliegenden Zeugnis -kopie aus Berlin geht hervor, dass die Petentin vom 1. September 1989 bis zum 31. August 1992 in derFachrichtung Stomatologische Assistenz als Kranken-schwester ausgebildet wurde. Die dort benotetenFächer betreffen nur den Bereich StomatologischeAssistenz, d. h. die Zahnarzthelferausbildung. Der Be-ruf der „Krankenschwester“ war ein anderer Fach-schulberuf als der Beruf „Stomatologische Schwes -ter“. Das Zeugnis über die Ausbildung als Kranken-schwester in der Fachrichtung Stomatologische Assis -tenz ist für den Nachweis gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 1KrPflG nicht ausreichend.

Die Petentin legte dem Petitionsausschuss nachträg-lich ein weiteres Dokument der Akademie der Ge-sundheit Berlin/Brandenburg e. V. vor. Darin wird be-stätigt, dass die Petentin ihre damalige Ausbildung inder Fachrichtung Krankenpflege vom 1. September1989 bis 31. August 1992 absolvierte und mit demExamen zur Krankenschwester abschloss. Bei diesemDokument handelt es sich nicht um einen Ausbil-dungsnachweis. Diesen kann die Akademie der Ge-

sundheit Berlin/Brandenburg nicht ausstellen, weil sienicht Rechtsnachfolgerin der betreffenden Medizini-schen Fachschule ist. Die Akademie der GesundheitBerlin/Brandenburg e. V. gibt es erst seit 2010. Imdem von dem Akademieleiter unterschriebenen Doku-ment werden die Inhalte des theoretischen und prak -tischen Unterrichtes der dreijährigen Ausbildung inder Krankenpflege laut Ausbildungs- und Prüfungs-verordnung für die Berufe in der Krankenpflege vom16. Oktober 1985 wiedergegeben. Dadurch wird derAnschein erweckt, dass die Petentin die gesamtenFächer der dreijährigen Ausbildung gemäß o. g. Aus-bildungs- und Prüfungsordnung absolviert habe. DiePetentin kann ihre Ausbildung aber nicht nach dieserVerordnung erhalten haben, denn es handelt sich hier-bei um eine Verordnung der Bundesrepublik Deutsch-land. Die Petentin gibt selbst an, ihre Ausbildung ander Medizinischen Fachschule, die sich in der ehema-ligen DDR befand, erhalten zu haben. Zudem stimmtauch das dort angegebene Geburtsdatum nicht mitihrem tatsächlichen Geburtsdatum überein. Mit die-sem Dokument kann die Petentin daher den Ausbil-dungsnachweis nicht erbringen.

Das Klinikum hat ein weiteres Dokument beim Re-gierungspräsidium eingereicht. Es handelt sich um einZeugnis über die praktische Ausbildung. Daraus gehthervor, dass die Petentin ihre praktische Ausbildungim dritten Ausbildungsjahr in einer privaten Zahnarzt-praxis absolvierte. Dieses Zeugnis bestätigt nur dieAusbildung in der Fachrichtung stomatologische As-sistenz. Es stellt sich aber auch die Frage, wie die Pe-tentin im selben Zeitraum von September 1989 bisEnde August 1992 zeitgleich zwei Ausbildungen ab-solvieren konnte, zum einen die Ausbildung zur Kran-kenschwester, zum anderen die Ausbildung zur sto-matologischen Schwester.

Die Petentin sollte sich an die Charité Gesundheits -akademie Berlin, die die Altakten der betreffenden Me-dizinischen Fachschule verwaltet, wenden, um an ihrenAusbildungsnachweis zu gelangen. Anschließendkönnte sie bei der zuständigen Behörde, dem Landes-amt für Gesundheit und Soziales Berlin, einen Antragauf Erlaubniserteilung zum Führen der Berufsbezeich-nung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ stellen.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann über den oben gegebenenHinweis hinaus nicht abgeholfen werden.

Berichterstatterin: Böhlen

7. Petition 15/2503 betr. Förderdarlehen nach demLandeswohnraumförderungsprogramm, Vor fäl lig -keitsentschädigung

1. Gegenstand der Petition:

Die Petenten begehren eine Verminderung der vonder L-Bank geltend gemachten Vorfälligkeitsentschä-

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digung wegen vorzeitiger Rückzahlung von Förder-darlehen nach dem Landeswohnraumförderungspro-gramm.

2. Die Prüfung der Petition hat Folgendes ergeben:

a) Sachverhalt

Die Petenten haben im Januar 2008 einen Antrag aufFörderung des Neubaus eines eigen genutzten Einfa-milienhauses aus dem Landeswohnraumförderungs-programm gestellt.

Am 28. Februar 2008 wurden den Petenten von der L-Bank ein Kapitalmarktdarlehen mit 15-jähriger Zins-verbilligung und Zinsfestschreibung bis 28. Februar2023 sowie ein Optionsdarlehen mit Zinsfestschrei-bung bis zum 28. Februar 2018 zugesagt. Das geför-derte Objekt wurde von den Petenten am 29. Mai2009 bezogen. Die Schlussauszahlung des Darlehenserfolgte am 22. Oktober 2009.

Mit Schreiben vom 25. November 2012 haben die Pe-tenten die L-Bank darüber informiert, dass ihre zumdamaligen Zeitpunkt fünfeinhalb Jahre alte Tochter an einer schweren Form expressiver Sprachstörung(Dyspraxie) leidet. Patholinguisten haben den Elternden Besuch einer Regelschule bei gleichzeitiger inten-siver sonderpädagogischer Betreuung durch speziellausgebildete Pädagogen empfohlen. Um eine optima-le Betreuung ihrer Tochter zu gewährleisten habensich die Petenten entschlossen, in ein anderes Bundes-land umzuziehen. In diesem Zusammenhang solle dasgeförderte Wohnhaus veräußert werden.

Die L-Bank hat die Petenten mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 unterrichtet, dass aufgrund dervertraglichen Regelung während der vereinbartenZins bindungsfrist eine Rückzahlung nur im Aus -nahmefall möglich ist und die Darlehensnehmer derBank denjenigen Schaden (Vorfälligkeitsentschädi-gung) ersetzen müssen, der der Bank durch die vor-zeitige Rückzahlung entsteht. Dabei sei die Bank imGrundsatz im wirtschaftlichen Ergebnis so zu stel-len, als seien die Darlehen planmäßig verzinst undgetilgt worden.

Vorbehaltlich der Vorlage weiterer Unterlagen durchdie Petenten ergab sich bei einer Sondertilgung zum28. März 2013 nach vorläufiger Berechnung eineVorfälligkeitsentschädigung (Stand 13. März 2013) inHöhe von insgesamt 11.892,07 Euro.

Die L-Bank hat den Petenten mit Schreiben vom 13. März 2013 mitgeteilt, dass nach Vorlage nochausstehender Unterlagen unter Würdigung aller Um-stände eine abschließende Entscheidung über die end-gültige Höhe der Vorfälligkeitsentscheidung getroffenwerden solle.

b) Rechtliche Würdigung

Rechtliche Grundlage für die Erhebung der Vorfällig-keitsentscheidung sind § 490 Absatz 2 BGB (außeror-dentliches Kündigungsrecht) in Verbindung mit § 489BGB (ordentliches Kündigungsrecht des Darlehens-

nehmers) sowie im Darlehensvertrag insbesondere dieNummer 27 der Allgemeinen Bestimmungen (AGB).

Die Darlehensnehmer können einen Darlehensvertragmit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise ge -mäß § 489 Absatz 1 Nummer 1 BGB unter Einhaltungeiner Kündigungsfrist von einem Monat frühestensfür den Ablauf des Tages kündigen, an dem die Soll-zinsbindung endet. Sofern die Zinsbindung länger alszehn Jahre besteht, kann das Darlehen gemäß § 489Absatz 1 Nummer 2 BGB nach Ablauf von zehn Jah-ren nach dem vollständigen Empfang des Darlehensunter Einhaltung der Kündigungsfrist von sechs Mo-naten gekündigt werden.

Daraus ergibt sich für das Optionsdarlehen mit 10-jähriger Zinsbindungsfrist eine frühestmögliche Kündi-gung zum 28. Februar 2018, für das Kapitalmarktdar -lehen eine frühestmögliche Kündigung zum 22. April2020.

Gemäß § 490 Absatz 2 BGB besteht für den Dar -lehensnehmer ein außerordentliches Kündigungs-recht, wenn seine berechtigten Interessen dies ge -bieten. Als berechtigtes Interesse ist die Veräußerungdes mit Grundpfandrechten beliehenen Objektes an-zusehen. Die Kündigung ist mit einer Frist gemäß § 488 Absatz 3 Satz 2 BGB, d. h. von drei Monaten,möglich. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensge-ber dabei denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesemaus der vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfällig-keitsentschädigung). Wird das Schreiben der Petentenvom 25. November 2012 als derartige Kündigung ge-wertet, ist die zwischenzeitlich zum 3. April 2013 er-folgte vorzeitige Rückzahlung zulässig.

Grundsätzlich macht die L-Bank die ihr entstehendenwirtschaftlichen Nachteile gegenüber den Vertrags-partnern geltend. Die Berechnung der Vorfälligkeit-sentschädigung orientiert sich an den dafür geltendenrechtlichen Rahmenbedingungen, die sich aus derRechtsprechung ergeben.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Vorfälligkeitsent-schädigungen auch in anderen Vergleichsfällen erho-ben werden müssen und Ausnahmen davon, im Hin-blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, nur inganz besonders gelagerten Fällen gemacht werdenkönnen. In solchen Fällen kann die L-Bank im Rah-men ihres Förderauftrags für junge Familien gegen -über den Darlehensnehmern in begrenztem Umfangteilweise auf die ihr zustehende Entschädigung derwirtschaftlichen Nachteile verzichten.

Den Darlehensnehmern wurde in den Schreiben derL-Bank vom 25. November sowie 19. Dezember2012 und vom 13. März 2013 in Aussicht gestellt,dass über einen teilweisen Verzicht auf die Erhe-bung einer Vorfälligkeitsentschädigung entschiedenwerden könne, wenn entsprechende Nachweise vor-gelegt werden, die das Vorliegen einer besonderenHärte begründen.

Aus den von den Petenten vorgelegten Unterlagen er-gibt sich, dass der erzielte Verkaufserlös einige tau-send Euro unter den für das Objekt angewandten An-schaffungs- und Herstellungskosten liegt. Insoweit

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entsteht den Petenten aus der Veräußerung der geför-derten Immobilie kein wirtschaftlicher Vorteil.

Die Aufgabe des geförderten Wohneigentums in Ba-den-Württemberg ist daher für die Petenten mit erheb-lichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. UnterBerücksichtigung der Erkrankung der Tochter, dienach den Darlegungen ursächlich für den Umzug ist,kann besondere Härte als gegeben angesehen werden.

Um diesen besonderen Umständen des EinzelfallsRechnung zu tragen, ist die L-Bank bereit, auf einenTeilbetrag der ermittelten Vorfälligkeitsentschädi-gung in Höhe von 3.000 Euro zu verzichten. Der an-gebotene Verzicht entspricht in der Höhe dem ver-gleichbarer Härtefälle.

3. Weiteres Anliegen:

Die Petenten begehren darüber hinaus auch eine Ver-minderung der von ihrer Hausbank geltend gemachtenVorfälligkeitsentschädigung für ein abgelöstes Baufi-nanzierungsdarlehen.

Die Petenten haben zusätzlich zu der Förderung desNeubaus eines eigen genutzten Einfamilienhauses ausdem Landeswohnraumförderungsprogramm ein wei-teres Baufinanzierungsdarlehen bei ihrer Hausbankaufgenommen und nach dem Verkauf des Hausesebenfalls abgelöst.

Nach dem Vortrag der Petenten hat die Hausbank eineVorfälligkeitsentschädigung erhoben. Auf die schrift-liche Bitte der Petenten, die Höhe der geltend ge-machten Vorfälligkeitsentschädigung zu überdenken,haben sie seitens der Hausbank keine Rückmeldungerhalten.

Grundsätzlich macht die Hausbank mit Erhebung einer Vorfälligkeitsentschädigung den entstehendenwirtschaftlichen Nachteil gegenüber den Vertrags-partnern geltend. Die Beurteilung der Höhe entziehtsich allerdings einer Beurteilung durch den Petitions-ausschuss, da es sich bei der Abwicklung dieses Kre-ditvertrags um ein rein zivilrechtliches Rechtsgeschäftzwischen den Petenten und ihrer Hausbank handelt.

Bei der Beurteilung der Gesamtumstände des Förder-falls hatte die L-Bank darüber Kenntnis, dass dieHausbank als weiterer Kreditgeber ebenfalls eineVorfälligkeitsentschädigung erheben würde.

Beschlussempfehlung:

Die Petition wird, soweit ein Verzicht der L-Bank auf 3.000,00 Euro der errechnetenVorfälligkeitsentschädigung in Aussicht ge-stellt werden kann, für erledigt erklärt. Dar-über hinaus kann der Petition nicht abgehol-fen werden.

Berichterstatter: Grimm

8. Petition 15/2105 betr. Beschwerde über dieStaatsanwaltschaft

Soweit der Petent mit seiner Eingabe vom 22. Dezem-ber 2012 die Feststellung begehrt hat, ein Urteil desLandesarbeitsgerichts sei rechtswidrig, kann diesemAnliegen nicht nachgegangen werden, da eine solcheFeststellung einen rechtswidrigen Eingriff in die Ge-richtsbarkeit bedeuteten würde.

Für die vom Petenten darüber hinaus erstrebte Wei-sung gegenüber der Staatsanwaltschaft, drei Richterdes Bundesverfassungsgerichts wegen Rechtsbeu-gung anzuklagen, besteht keinerlei Veranlassung.

Der Petent erstattete am 7. November 2012 Strafanzei-ge gegen drei Richter des Bundesverfassungsgerichtsmit dem Vorwurf der gemeinschaftlichen Rechtsbeu-gung. Diese hätten mit Kammerentscheidung vom 16. Februar 2012 ein gegen sie gerichtetes Ableh-nungsgesuch als rechtsmissbräuchlich gewertet und un-ter Verstoß gegen § 19 Absatz 1 des Bundesverfas-sungsgerichtsgesetzes selbst als unzulässig verworfen.

Die Staatsanwaltschaft hat dieser Strafanzeige mitVerfügung vom 12. November 2012 gemäß § 152 Ab-satz 2 der Strafprozessordnung keine Folge gegeben,da sie keinen Anfangsverdacht einer Straftat der dreiangezeigten Verfassungsrichter gesehen hat.

Diese Entscheidung wird der Sach- und Rechtslagegerecht, zumal es der ständigen Rechtsprechung nichtnur des Bundesverfassungsgerichts entspricht, dassrechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche in der ur-sprünglichen Besetzung des Gerichts als unzulässigverworfen werden können. (NJW-RR 2012, 1271)

Es besteht daher kein Grund, Maßnahmen der Dienst -aufsicht gegenüber der Staatsanwaltschaft zu ergreifen.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Gruber

9. Petition 15/2406 betr. Anpassung der Versor-gungsbezüge und Kostendämpfungspauschale

I. Gegenstand der Petition

Der Petent begehrt insbesondere, dass bei der Höheder Kostendämpfungspauschale nicht an die Besol-dungsgruppe angeknüpft wird, sondern an seine auf-grund des Versorgungsausgleichs gekürzte Pension.

Sein Anliegen hatte der Petent zunächst dem Staatsmi-nisterium vorgetragen. Da die Antwort für ihn nichtzufriedenstellend ausfiel, wandte er sich an den Peti -tionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg.

II. Sachverhalt

Der Petent war Beamter bei der Deutschen Renten-versicherung Baden-Württemberg (DRV) und erhält

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von dort seit dem Jahre 1998 Versorgungsbezüge ausder Besoldungsgruppe A 13. Da für den Petenten einVersorgungsausgleich durchgeführt wurde, erhält ernach eigenen Angaben eine um monatlich 1.000 Eurogekürzte Pension.

Die DRV ist ein landesunmittelbarer Sozialversiche-rungsträger in der Rechtsform einer Körperschaft desöffentlichen Rechts, welcher der Aufsicht des Ministeri-ums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen undSenioren untersteht. Das Landesbeamtenversorgungsge-setz Baden-Württemberg (vgl. § 1 LBeamtVGBW) so-wie die Beihilfeverordnung (vgl. § 1 BVO in Verbin-dung mit § 1 des Landesbeamtengesetzes) gelten daherunmittelbar für Versorgungsempfänger der DRV.

III. Rechtliche Würdigung

1. Zum Versorgungsausgleich

Mit dem Versorgungsausgleich wird der vom Gleich-berechtigungsgrundsatz abgeleitete Grundgedankever wirklicht, dass die Arbeitsleistungen von Mannund Frau gleichwertige Beiträge zum Familienunter-halt darstellen und infolgedessen auch die Versor-gungsanwartschaften das Ergebnis der gemeinsamengleichwertigen Leistungen beider Ehegatten sind.Wie in einer intakten Ehe, in der der Ehegatte imRahmen der ehelichen Unterhaltsgemeinschaft amGesamtergebnis der erwirtschafteten Versorgungs -leis tungen partizipiert, wird dies bei einer Scheidungdurch die Durchführung des Versorgungsausgleichserreicht. Anders ausgedrückt, auch in einer Ehe kannkeineswegs davon ausgegangen werden, dass einEhemann, der höhere Versorgungsanwartschaften er-reicht hat, diese im Alter allein für sich zur Verfü-gung hat.

Gemäß §§ 1 und 2 Versorgungsausgleichsgesetz(VersAusglG) werden beim Versorgungsausgleichdie in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechtenauf bestehende Versorgungsanwartschaften und An-sprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere ausder gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Re-gelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgungoder der berufsständischen Versorgung, aus der be-trieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Al-ters- und Invaliditätsvorsorge jeweils zur Hälfte zwi-schen den geschiedenen Ehegatten aufgeteilt.

Es handelt sich hierbei um Regelungen eines Bundes-gesetzes, die insbesondere hinsichtlich der Möglich-keit einer internen Teilung von Anrechten aus einemöffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisum die Regelungen in § 13 LBeamtVGBW ergänztwerden.

Da § 13 LBeamtVGBW keine interne Teilung vor-sieht, ist in den Fällen, in denen zu Lasten eines Be-amten ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist,zugunsten des früheren Ehegatten ein entsprechenderAusgleich bei einem Träger der gesetzlichen Renten-versicherung zu begründen (§ 16 VersAusglG). Diedaraus resultierenden Aufwendungen für den Trägerder Rentenversicherung werden diesem von dem zu-ständigen Träger der Versorgungslast erstattet (§ 225

Absatz 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch). ImGegenzug werden die Versorgungsbezüge des Beam-ten und gegebenenfalls der Hinterbliebenen ent -sprechend gekürzt.

2. Zur Kostendämpfungspauschale

Der Petent vertritt die Auffassung, dass sich seineKos tendämpfungspauschale nicht nach seiner Besol-dungsgruppe, sondern nach seinen tatsächlichen – umden Versorgungsausgleich gekürzten – Bezügen ori-entieren müsste.

a) Konstruktion der Kostendämpfungspauschale

Bei der Kostendämpfungspauschale nach § 15 Absatz 1der Beihilfeverordnung (BVO) wird die auszuzahlen-de Beihilfe für jedes Kalenderjahr um einen pauscha-len Betrag gekürzt. Der pauschale Betrag orientiertsich hierbei an einer Stufe. Die Zuordnung zu einerStufe erfolgt anhand der Besoldungsgruppe aus wel-cher der Beamte seine Bezüge erhält. Die Stufe wirddann noch nach Status (Aktive/Versorgungsempfän-ger) unterschieden.

b) Entwicklung der Kostendämpfungspauschale

Durch Artikel 2 der Sechsten Verordnung des Finanz-ministeriums zur Änderung der Beihilfeverordnungvom 16. Februar 1982 ist erstmals „zur Erzielung vonEinsparungen“ ein Selbstbehalt in Form eines betrags-mäßig gestaffelten Abzugsbetrags (100/160/220 DMjährlich) in die Beihilfeverordnung (BVO) eingeführtworden. Die Regelung war auch von der Recht -sprechung als mit höherrangigem Recht vereinbar er-klärt worden (Beschluss VGH Baden-Württembergvom 27. Januar 1983, ZBR 1983, 188; Urteil VGHBaden-Württemberg vom 27. Februar 1986 – 4 S1450/84). In den folgenden Änderungsverordnungenwurde die Kostendämpfungspauschale mehrfach an-gepasst.

Mit der Neufassung der BVO im Jahr 1995 und demGesetz über einen Nachtrag zum Staatshaushaltsplanvom 13. Dezember 1995 wurde als Kostendämp-fungspauschale ein einheitlicher Betrag von 150 DMfestgelegt, der im Zuge der Währungsumstellungdann in 76,69 Euro umgerechnet wurde. Grundlagefür die Kostendämpfungspauschale war, dass Ein -sparungen in Höhe von jährlich 10 Mio. DM erzieltwerden sollten. Hiergegen geführte Musterprozesseführten zu keinem Erfolg der Kläger, vielmehr hat derVGH Baden-Württemberg die Rechtsgültigkeit derVorschrift bestätigt (Beschlüsse des VGH Baden-Württemberg vom 7. und 28. Juli 1997 – 4 S 1333/97-und – 4 S 1790/97 – sowie Beschluss vom 24. Januar1992 – 4 S 142/92 – und das grundlegende Urteil vom9. Mai 1995 – 4 S 667/93 – sowie darauffolgenderBeschluss vom 20. März 1998 – 4 S 462/98). In dennachfolgenden Änderungen der BVO wurde die Kos -tendämpfungspauschale mehrfach angepasst.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Be-schluss vom 9. März 2000 – 2 BvL 8 – 15/99 (DVBl.S. 1117) festgestellt, dass die Kostendämpfungspau-

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schale mit dem Grundgesetz in Einklang steht. In die-sem Verfahren hatte sich das BVerfG mit einer nachBesoldungsgruppen gestaffelten Kostendämpfungs-pauschale im Land Nordrhein-Westfalen befasst undeinen Verstoß gegen Verfassungsrecht verneint. DasBVerfG nannte u. a. den „Aspekt der sozialen Gerech-tigkeit auch im Rahmen der Beihilfegewährung, die inder beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht wurzelt undauf einen angemessenen Ausgleich von krankheitsbe-dingten Mehrbelastungen unter Berücksichtigung derjeweils zumutbaren Eigenbelastung des Beamten ge-richtet ist, ein grundsätzlich legitimes Bemessungskri-terium“.

Eine grundlegende Reform der Kostendämpfungspau-schale erfolgte durch Artikel 10 des Haushaltsstruk-turgesetzes 2004 vom 17. Februar 2004, als die Beträ-ge wieder nach Besoldungsgruppen gestaffelt wurden.Bei der Kostendämpfungspauschale nach § 15 Absatz 1BVO wird die auszuzahlende Beihilfe um einen pau-schalen Betrag gekürzt, der sich an einer Stufe orien-tiert. Die Zuordnung zu einer Stufe erfolgt anhand derBesoldungsgruppe, aus welcher der Beamte seine Be-züge bezieht. Die Stufe wird dann noch nach Status(Aktive/Versorgungsempfänger) unterschieden. Alsweitere Maßnahme wurde erstmals ein Eigenbetragzur Gewährung von Beihilfe zu Wahlleistungen imKrankenhaus von monatlich 13 Euro eingeführt.

Laut der Gesetzesbegründung sollte durch diese Maß-nahmen eine Einsparung von jährlich 41 Mio. Euroerzielt werden. Damit sollte in Baden-Württembergein vergleichbares Einsparvolumen im Beihilferechtwie bei den Reformmaßnahmen in der gesetzlichenKrankenversicherung aufgrund des GKV-Modernisie-rungsgesetzes (GMG) erfolgen.

Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2012 wurden ent -sprechend den gestiegenen Beihilfeausgaben der Ei-genbetrag zur Gewährung von Beihilfe zu Wahlleis -tungen im Krankenhaus auf monatlich 22 Euro und dieKos tendämpfungspauschale erhöht. Mit dem Haus -halts begleitgesetz 2013/14 erfolgte bei der Kosten-dämpfungspauschale eine weitere Differenzierung dersozialen Staffelung mit nunmehr zehn statt bisher fünfStufen. Zugleich wurde die Kostendämpfungspauscha-le dergestalt reformiert, dass zum einen eine stärkereSpreizung der Stufen vorgenommen wurde und zumanderen die pauschalen Beträge neu festgesetzt wur-den. Die neuen pauschalen Beträge sorgen für einegleichmäßige Belastung aller Besoldungsgruppen an-hand der pauschalen Bruttojahresbezüge. Die Kosten-dämpfungspauschale des Petenten erhöhte sich zum 1. Januar 2013 von 125 Euro auf 140 Euro jährlich.

c) Forderung nach individueller Berücksichtigung derBezüge

Der Auffassung des Petenten, dass eine ausgewoge -nere Belastung durch die Maßgeblichkeit der tatsäch-lichen individuellen Bezüge – im Gegensatz zu derZuordnung nach Besoldungsgruppen – zu erreichensei, ist grundsätzlich zuzustimmen. Eine Umsetzungdieser Auffassung würde allerdings dem Grundge-danken des Systems der Kostendämpfungspauschale:

wenig verwaltungsaufwändig, weitgehend technischumsetzbar und für den Beihilfeberechtigten leichtnachvollziehbar, zuwider laufen. Dies zeigt sich wiefolgt:

Die Ermittlung der individuellen Bruttojahresbezügekann durch das Landesamt für Besoldung und Versor-gung frühestens Anfang Februar des Folgejahres vor-genommen werden, da nur die jeweiligen Besol-dungsmerkmale, nicht jedoch die sich hieraus erge-benden Beträge im Programm hinterlegt sind. Selbstbei einer – aufwändigen – programmtechnischen An-passung dahingehend, dass die monatlichen Beträgedirekt hinterlegt und auf das Jahr hochgerechnet wer-den um dann bei der Ermittlung der Kostendämp-fungspauschale zugrunde gelegt zu werden, ergäbensich unter anderem folgende Probleme:

Eine auf das Jahr bezogene Hochrechnung anhand derzu Beginn des Jahres vorliegenden individuellen Be-soldungsmerkmale bzw. der individuellen Brutto -monatsbezüge im Januar stellt nur eine Schätzung dar,bei welcher konkrete besoldungsrelevante Änderun-gen im Laufe des Jahres (Änderung Teilzeitfaktor,Beurlaubung, Beförderung, etc.) zunächst keineBerücksichtigung finden können, sodass nach Ablaufdes jeweiligen Jahres eine Korrektur der Kostendämp-fungspauschale zu erfolgen hätte. Es müsste somit fürjeden einzelnen Beihilfeberechtigten zunächst einevorläufige Pauschale ermittelt und diese im Folgejahrüberprüft und ggf. angepasst werden, einschließlichaller sich hieraus ergebenden Konsequenzen (bei-spielsweise Änderung und Neufestsetzung der Bei-hilfebescheide, Nachforderung der Differenz zwi-schen geschätzter und tatsächlicher Pauschale, etc.).Der für diesen Verfahrensablauf notwendige Verwal-tungsaufwand stünde in keinem angemessenen Ver-hältnis mehr zu den in der Regel vergleichsweise ge-ringen finanziellen Auswirkungen für die Beihilfebe-rechtigten und würde den Sinn und Zweck der Kos -tendämpfungspauschale generell in Frage stellen.

Darüber hinaus ist eine solche Maßnahme auch des-halb kritisch zu betrachten, da beispielsweise beiWegfall der Beihilfeberechtigung ggf. überhaupt kei-ne Korrektur der zunächst nur auf einer Schätzung be-ruhenden Kostendämpfungspauschale mehr möglichwäre.

Die Vorzüge des vorhandenen Kostendämpfungspau-schalensystems, namentlich die sehr hohe Verwal-tungseffizienz, die geringe Fehleranfälligkeit sowieder Umstand, dass die Pauschale für die Beihilfebe-rechtigten durch feststehende Beträge in Abhängigkeitvon der Besoldungsgruppe klar und einfach ersichtlichund damit in ihrer finanziellen Auswirkung kalkulier-bar ist, würden durch eine Maßgeblichkeit der indivi-duellen Bruttojahresbezüge aufgegeben werden.

Der Dienstherr hat mit der Beihilferegelung seinePflicht erfüllt, dem Beamten für sich und seine An-gehörigen neben der Alimentation, in der ein Anteilfür eine zumutbare Eigenvorsorge enthalten ist, aus-reichend Krankenfürsorge zu gewähren. Die gesetz -liche Fürsorgepflicht nach § 78 LBG gebietet jedochnicht, die Beamten und Versorgungsempfänger in Ge-

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burts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen von Auf-wendungen völlig freizustellen. Aufgrund des somitergänzenden Charakters der Beihilfe sind auch Härtenund Nachteile hinzunehmen, die sich aus den pau-schalierenden und typisierenden Beihilfevorschriftenergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten.

d) Bedeutung der Praxisgebühr im Rahmen der Kos -tendämpfungspauschale

In dem als Anlage zu seinem Petitionsschreiben bei-gefügten Schreiben an das Staatsministerium bezogsich der Petent auf die Streichung der Praxisgebühr inder gesetzlichen Krankenversicherung.

Die sogenannte Praxisgebühr in der gesetzlichenKrankenversicherung wurde mit Artikel 1 Nummer 2des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebe-darfs in stationären Vorsorge- und Rehabilitationsein-richtungen vom 20. Dezember 2012 mit Wirkung zum1. Januar 2013 abgeschafft. Mit der Praxisgebührwurden bis dahin die gesetzlich Krankenversichertenan ihren Krankheitskosten beteiligt.

Die Praxisgebühr wurde im Rahmen des GKV-Mo-dernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November2003 für gesetzlich Krankenversicherte eingeführt.Mit dem GMG wurden noch eine Reihe weiterer Zu-zahlungen eingeführt bzw. modifiziert, beispielsweiseZuzahlungen für Arznei- und Verbandmittel, Hilfs-mittel, Heilmittel und häusliche Krankenpflege, beiAufenthalt im Krankenhaus oder einer Reha-Klinik.Eine Zuzahlungsbefreiung tritt ein, wenn die Zuzah-lungen die Belastungsgrenze von zwei Prozent (bzw.ein Prozent bei chronisch Kranken) der Bruttoeinnah-men des Versicherten erreichen.

Die mit dem GMG eingeführten bzw. modifiziertenZuzahlungen wurden weitestgehend in das Bundes-beihilferecht übernommen.

Einige Bundesländer, darunter Baden-Württemberg,hatten sich gegen die Übernahme der verwaltungsauf-wändigen und sozial unausgewogenen Einzelmaß -nahmen ausgesprochen. In Baden-Württemberg wur-de die bereits bestehende Kostendämpfungspauschaledahingehend neu konzipiert, dass die genannten Zu-zahlungen anteilig in pauschaler Form integriert wur-den und anstelle eines einheitlichen Betrages nunmehrnach Besoldungsgruppen und Status (Aktive/Versor-gungsempfänger) gestaffelte Beträge gelten.

Es besteht aus mehreren Gründen kein Gebot, die Abschaffung der Praxisgebühr durch Minderung derKos tendämpfungspauschale nachzuzeichnen.

Bei der Kostendämpfungspauschale, und im Übrigender Beihilfe insgesamt, handelt es sich um ein kom-plett anderes System als das der Zuzahlungen in dergesetzlichen Krankenversicherung. Das System derZuzahlungen orientiert sich an den vom Versichertenverursachten Aufwendungen, wohingegen sich dieKostendämpfungspauschale an der Leistungsfähigkeitin den jeweiligen Besoldungsgruppen und dem Status(Aktive/Versorgungsempfänger) orientiert und dem-gemäß sozial gestaffelt ist. Diesem Anspruch ent -sprechend wurde insbesondere aus fiskalischen Grün-

den die Kostendämpfungspauschale mit dem Haus-haltsbegleitgesetz 2013/14 angepasst. Dies führtezwar bei den meisten Besoldungsgruppen zu einer Er-höhung, bei den unteren Besoldungsgruppen aberauch zu Absenkungen.

Der Gedanke der Leistungsfähigkeit findet sich beiden Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenver -sicherung nur insoweit, als eine absolute Obergrenzealler Zuzahlungen in Höhe von zwei Prozent des Ein-kommens (bzw. ein Prozent bei chronisch Kranken)eingezogen ist.

Die Zuzahlungsregelungen in der gesetzlichen Kran-kenversicherung und im Bundesbeihilferecht sind so-zialpolitisch wenig befriedigend, da die finanzielleBelastung mit der Zahl der Familienmitglieder steigenkann; dies ist dem baden-württembergischen Beihilfe-recht fremd. Die baden-württembergische Kosten-dämpfungspauschale umfasst (anteilig) die Vielzahlder bundesrechtlichen Zuzahlungen in pauschalerForm, fällt jedoch für jeden Beihilfeberechtigten un-abhängig von der Anzahl der Familienmitglieder nureinmal an und ist damit familien- und kinderfreund-lich. Zudem stellt die Praxisgebühr nur einen einzigenTatbestand unter einer Vielzahl der von der Kosten-dämpfungspauschale (anteilig) abgedeckten Zuzah-lungsregelungen dar.

Der sozial gestaffelte, die Leistungsfähigkeit in den un-terschiedlichen Besoldungsgruppen pauschal be rück -sichtigende Abzug der Kostendämpfungspauschalestellt den in haushaltspolitischer Hinsicht als erforder-lich und geboten und im Hinblick auf die finanziellenFolgen für die Beihilfeberechtigten als zumutbar er-kannten Eigenbeitrag der Beamtinnen und Beamten,Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfän-ger zu ihren Gesundheitsaufwendungen dar.

Somit besteht auch kein Widerspruch zwischen derAbschaffung der Praxisgebühr einerseits und der An-passung der Kostendämpfungspauschale mit demHaushaltsbegleitgesetz 2013/14 andererseits. Zwarwar das GMG der Auslöser für eine Modifikation derKostendämpfungspauschale, jedoch ist diese eine ei-genständige, von der Vielzahl der Zuzahlungsregelun-gen in der gesetzlichen Krankenversicherung unab-hängige Maßnahme der Eigenbeteiligung.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Gruber

10. Petition 15/2469 betr. Anhörung eines Kindesvor Gericht, staatsanwaltschaftliche Ermittlun-gen

1. Sachverhalt

Am 26. Januar 2012 stellte die Petentin bei der Krimi-nalpolizei Strafanzeige gegen ihren damaligen ge-

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trennt lebenden Ehemann wegen sexuellen Miss -brauchs der gemeinsamen, damals 5-jährigen Tochter.Die Petentin wurde daraufhin von der Kriminalpolizeimehrmals zu den Vorwürfen vernommen. Die Polizeilegte sodann die bis dahin angefallenen Ermittlungs-akten am 7. März 2012 der Staatsanwaltschaft vor, diedas Verfahren mit Verfügung vom 29. März 2012 aneine andere Staatsanwaltschaft abgab, da die ange-zeigten Taten in der vormals gemeinsamen Familien-wohnung stattgefunden haben sollen.

Zur Vorbereitung einer möglichst zeitnahen richter -lichen Videovernehmung des Kindes beauftragte dieStaatsanwaltschaft mit Schreiben vom 11. April 2012die Kriminalpolizei die Aussagebereitschaft des Kin-des abzuklären. Am 10. Mai 2012 teilte die polizei -liche Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft schrift-lich mit, dass das Kind nicht zu einer Aussage bereitsei. Daraufhin veranlasste die Staatsanwaltschaft am6. Juni 2012 die polizeiliche Vernehmung des Be-schuldigten, die am 3. Juli 2012 stattfand und in der ersämtliche Vorwürfe in Abrede stellte.

Noch vor Durchführung dieser Vernehmung erschiendie Petentin am 14. Juni 2012 erneut bei der Kriminal-polizei und teilte mit, dass ihre Tochter sich ihr gegen -über immer mehr öffne. Die Petentin wurde daher am18. Juni 2012 erneut polizeilich vernommen und über-gab dabei neben zahlreichen anderen Dokumentenauch Aufnahmen von zwischen ihr und ihrer Tochtergeführten Gesprächen, die ihrer Meinung nach dieMiss brauchsvorwürfe untermauerten. Am 20. Juni 2012erklärte das Kind bei einer polizeilichen Befragung,dass es nun bereit sei, eine Aussage zu machen.

Um eine richterliche Vernehmung des Kindes zurAufklärung des Sachverhalts vornehmen zu können,beantragte die Staatsanwaltschaft am 23. Juli 2012beim Amtsgericht – Familiengericht – die Bestellungeines Ergänzungspflegers. Eine solche Bestellung warnotwendig, da das Kind gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 derStrafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrechtgegenüber seinem Vater zusteht. Über die Ausübungdieses Rechts konnte das Kind angesichts seines Al-ters aber nicht selbst entscheiden. Auch die gemein-sam sorgeberechtigten Eltern sind nach § 52 Abs. 2 S. 2 der Strafprozessordnung wegen der Beschuldig-tenstellung des Vaters von einer Entscheidung überdas Zeugnisverweigerungsrecht ausgeschlossen. Am15. August 2012 bestellte das Amtsgericht das Ju -gend amt zum Ergänzungspfleger des Kindes, das am30. August 2012 die Zustimmung zu einer richter -lichen Videovernehmung erteilte.

Im September 2012 beantragte die Staatsanwaltschaftbeim Amtsgericht, dem anwaltlich nicht vertretenenBeschuldigten wegen der Schwere des Tatvorwurfseinen Pflichtverteidiger zu bestellen. Dieser solltedem Beschuldigten bereits im Zeitpunkt der für denweiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens äußerstwichtigen richterlichen Vernehmung des Kindes zurVerfügung stehen. Das Amtsgericht ordnete dem Be-schuldigten am 6. November 2012 einen Verteidigerbei. Am 23. November 2012 beantragte die Staatsan-waltschaft sodann beim Amtsgericht die richterlicheVideovernehmung des Kindes.

Im Dezember 2012 teilte das Oberlandesgericht derStaatsanwaltschaft mit, dass dort zwischen der Petentinund dem Beschuldigten ein streitiges Umgangsverfah-ren anhängig sei, welches die verfahrensgegenständ -lichen Missbrauchsvorwürfe zum Gegenstand habe.Das Amtsgericht habe insoweit am 11. Mai 2012 be-schlossen, dass dem Beschuldigten Umgang mit seinerTochter zu gewähren sei, wogegen die Petentin Be-schwerde eingelegt habe. Seitens des Oberlandesge-richts sei die Erstellung eines Glaubhaftigkeitsgutach-tens bezüglich der Angaben des Kindes in Auftrag ge-geben worden, wobei mit einer zeitnahen Übersendungdes Gutachtens gerechnet werde. Da die Verwertungdes Ergebnisses eines zeitnah erstatteten Glaubhaftig-keitsgutachtens eine weitere Vernehmung des Kindesentbehrlich gemacht hätte, bat die Staatsanwaltschaftdas Amtsgericht mit der Vernehmung bis zum Eingangdes Sachverständigengutachtens zuzuwarten.

Nachdem am 6. März 2013 das Gutachten noch im-mer nicht fertiggestellt war, wurde auf erneuten An-trag der Staatsanwaltschaft seitens des Amtsgerichtsmit Verfügung vom 14. März 2013 Termin zur Video-vernehmung bestimmt und die Vernehmung am 17. April 2013 vorgenommen. Bei dieser war auch diePetentin anwesend. Das durch das Oberlandesgerichtin Auftrag gegebene Glaubhaftigkeitsgutachten liegtder Staatsanwaltschaft seit 30. April 2013 vor.

2. Petitionsvorbringen

Die Petentin beschwert sich in ihrer Petition vom 7. März 2013 darüber, dass ihre Tochter bislang nichtim Rahmen einer richterlichen Videovernehmung ver-nommen worden sei. In einem ihre Petition ergänzen-den Schreiben vom 24. April 2013 rügt die Petentindarüber hinaus die ihrer Meinung nach insgesamt zulange Dauer der Ermittlungen sowie die nicht aus -reichende Beschäftigung der beteiligten Stellen unddes gerichtlich bestellten Gutachters mit ihrem Kindund den von ihr geäußerten Vorwürfen.

3. Bewertung

Die Petition ist erledigt, soweit die Petentin die nichterfolgte richterliche Videovernehmung ihrer Tochterrügt. Diese ist am 17. April 2013 erfolgt, ohne dassdas Kind dort Aussagen zu den der Strafanzeige zu-grunde liegenden Vorwürfen getroffen hätte.

Im Übrigen ist die Sachbehandlung der Staatsanwalt-schaft im Hinblick auf die Dauer des Ermittlungsver-fahrens bis zur tatsächlich erfolgten Vernehmung desKindes nicht zu beanstanden.

Das Kind erklärte selbst erstmals am 20. Juni 2012seine Aussagebereitschaft im Ermittlungsverfahren,die es noch im Mai 2012 abgelehnt hatte.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Kind weder ge-genüber Mitarbeitern des Jugendamts, des Kinder-schutzbundes, noch bei Gesprächen bei einem der Pe-tentin durch das Jugendamt empfohlenen Verein ge-gen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen instrafrechtlich relevante Vorwürfe gegen den Beschul-digten erhoben.

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Das Mitte August 2012 zum Ergänzungspfleger be-stellte Jugendamt erteilte Ende August 2012 seine Zu-stimmung zur Videovernehmung. Eine weitere Be-treuung der Petentin oder des Kindes war mit der Be-stellung zum Ergänzungspfleger nicht verbunden.Erst nach der rechtlich ebenfalls gebotenen Beiord-nung eines Pflichtverteidigers für den BeschuldigtenMitte November 2012 konnte sodann die Staatsan-waltschaft die richterliche Videovernehmung bean -tragen. Anschließend erfolgte eine ausschließlich amKindeswohl orientierte Zurückstellung der Verneh-mung – Vermeidung einer weiteren Viktimisierung undTraumatisierung des Opfers durch eine gegebenenfallsnicht mehr notwendige belastende Vernehmung – imHinblick auf das vom Oberlandesgericht im familien-gerichtlichen Verfahren beauftragte Glaub haftigkeits -gutachten. Der Gutachter hatte bereits am 2. Oktober2012 das Kind ausführlich befragt, ohne dass das Kindauf entsprechende Fragen den angeblichen sexuellenMissbrauch durch den Beschuldigten angesprochenhätte.

Nachdem jedoch Anfang März 2013 noch nicht ab-sehbar war, bis wann das Gutachten erstellt werdenwürde, wurde die Vornahme der richterlichen Video-vernehmung zur Sicherung der Qualität der Aussagedes nach Ansicht der Petentin geschädigten Kindesnunmehr angeordnet und am 17. April 2013 in Anwe-senheit und ohne Beanstandungen der Petentin vorge-nommen.

Das am 23. April 2013 erstellte psychologische Gut-achten des Sachverständigen, dem bei der Abfassungauch die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft, ins-besondere die von der Petentin aufgenommenen Ge-spräche mit ihrer Tochter, vorlag, kommt im Übrigenzum Ergebnis, dass die entscheidenden Aussagen desKindes gegenüber der Petentin nicht erlebnisbegrün-det und damit nicht glaubhaft seien. Sie beruhten lautGutachter auf suggestiven Einwirkungen seitens einerum ihre Tochter zutiefst besorgten Mutter.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Gruber

11. Petition 15/2588 betr. Rente wegen verminder-ter Erwerbsfähigkeit

Der im Jahr 1959 geborene Petent begehrt die Ge-währung einer Rente wegen Erwerbsminderung. ZurVerdeutlichung seines Anliegens gibt er unter an dereman, dass bei ihm ein Grad der Behinderung von 50 vor-liegt.

Nach Auskunft der Deutschen RentenversicherungBaden-Württemberg wurde der Antrag des Petentenvom 27. August 2010 auf Gewährung einer Rente we-gen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 26. Okto-ber 2010 abgelehnt und der hiergegen eingelegte Wi-

derspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar2011 zurückgewiesen. Den Entscheidungen lag dabeidie Einschätzung des Sozialmedizinischen Dienstesder Deutschen Rentenversicherung Baden-Württem-berg zugrunde, nach der der Petent noch in der Lagewar, leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemei-nen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualita -tiver Einschränkungen mindestens sechs Stunden täg-lich zu verrichten. Dies galt auch für die zuletzt aus-geübte Tätigkeit als Anlagenführer.

Während des anschließenden Klageverfahrens wurdedem Petenten eine medizinische Rehabilitationsmaß-nahme bewilligt. Der Entlassungsbericht vom 11. Mai2011 bestätigte im Wesentlichen das früher festge-stellte Leistungsvermögen. Allerdings wurde empfoh-len, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu prü-fen. Diese Empfehlung wurde von dem Petenten an-genommen und führte am 25. Juli 2011 zu einer Kla-gerücknahme (nicht Vergleich).

Der Petent nahm daraufhin vom 13. Februar 2012 bis31. Dezember 2012 an einer Trainingsmaßnahme imBereich Modulare Vermittlung (MOVE) teil. DieTrainingsmaßnahmen wurden jedoch durch Krank-heitszeiten unterbrochen. Im Abschlussbericht des be-ruflichen Trainingszentrums wurde diesbezüglich be-merkt, dass die erheblichen körperlichen Einschrän-kungen des Petenten eine Erwerbstätigkeit auf demallgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zulassen wür-den. Selbst leichte Arbeiten, wie Bürotätigkeiten, sei-en dauerhaft nicht mehr tragfähig, sodass auch einekaufmännische Weiterqualifizierung nicht sinnvoll er-scheine. Nach Auffassung der MOVE-Kursleitungwürde der Petent die Voraussetzungen für eine Rentewegen Erwerbsminderung erfüllen.

Eine abschließende Entscheidung konnte jedoch vonder Deutschen Rentenversicherung Baden-Württem-berg ohne kompetente sozialmedizinische Stellung -nahme nicht getroffen werden, sodass der Sozialme -dizinische Dienst des Rentenversicherungsträgers be-auftragt wurde, den Petenten zu untersuchen. Da sichdabei herausstellte, dass der Petent nach Bayern ver-zogen war, wurde im Wege der Amtshilfe die Deut-sche Rentenversicherung Bayern Süd gebeten, eineUntersuchung zu veranlassen.

In seinem Gutachten vom 9. April 2013 kam der be-gutachtende Mediziner unter Beiziehung weiterer ak-tueller ärztlicher Unterlagen zu dem Ergebnis, dassdas Leistungsvermögen des Petenten durch mehrereGesundheitsstörungen dauerhaft eingeschränkt ist.Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Anlagenführerskann nicht mehr verrichtet werden. Auf dem allge-meinen Arbeitsmarkt sind jedoch noch leichte Tätig-keiten ohne Akkordarbeit und Nachtschicht, ohneEinwirkung reizender Gase, Dämpfe und Stäube, ohne Zwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten undohne ständiges Stehen und Sitzen mindestens sechsStunden täglich zumutbar.

Um aber einen abschließenden Überblick über dasLeistungsvermögen des Petenten und damit über ver-schiedene Einsatzmöglichkeiten zu erhalten, wurdedem Petenten von der Deutschen Rentenversicherung

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Baden-Württemberg mit Schreiben vom 7. Mai 2013wohnortnah eine zweiwöchige Rehabilitationsmaß-nahme „Erweiterte Abklärung der beruflichen Eig-nung und Arbeitserprobung“ angeboten. Dieses An-gebot hat jedoch der Petent in einem Telefonat am 13. Mai 2013 abgelehnt.

Aufsichtsrechtlich ist dieser Sachverhalt wie folgt zubewerten:

Nach § 43 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetz-buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichender Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teil-weiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teil-weise bzw. voll erwerbsgemindert sind und die ver -sicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teil-weise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegenKrankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeitaußerstande sind, unter den üblichen Bedingungendes allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechsStunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsge-mindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oderBehinderung auf nicht absehbare Zeit außerstandesind, unter den üblichen Bedingungen des allgemei-nen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglicherwerbstätig zu sein. Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI istnicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Be-dingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindes -tens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; da-bei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berück-sichtigen.

Nach den Feststellungen des Ärztlichen Dienstes derDeutschen Rentenversicherung Bayern Süd kann derPetent leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeits-marktes unter Berücksichtigung qualitativer Ein-schränkungen noch mindestens sechs Stunden täglichverrichten. Eine teilweise oder volle Erwerbsminde-rung ist daher nicht gegeben. In diesem Zusammen-hang wird auch darauf hingewiesen, dass die Aner-kennung einer Schwerbehinderteneigenschaft keineSchlüsse auf das Vorliegen einer Erwerbsminderungim Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung zulässtund somit zu keinem anderen Ergebnis führt. Maß-geblich hierfür ist, dass der Grad der Behinderung nurdas Ausmaß der Beeinträchtigung der gesundheit -lichen Unversehrtheit angibt und nichts darüber aus-sagt, wie sich diese auf die Leistungsfähigkeit derVersicherten in ihrem Erwerbsleben auswirkt. Durchdas Vorliegen einer Schwerbehinderteneigenschaftkann somit ein Anspruch auf eine Rente wegen Er-werbsminderung nach § 43 SGB VI nicht begründetwerden.

Nachdem der Petent vor dem 2. Januar 1961 geborenist, könnte jedoch ein Anspruch auf eine Rente wegenteilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeitnach der Sonderregelung des § 240 SGB VI bestehen.Danach ist berufsunfähig, wessen Erwerbsfähigkeitwegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zurErwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelischgesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung undgleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf we-niger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis derTätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit vonVersicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkei-

ten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechenund ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und desUmfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Be-rufs und der besonderen Anforderung ihrer bisherigenBerufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsun-fähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindes -tens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist diejeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Maßgeblich ist somit der qualitative Wert der bisheri-gen Tätigkeit. Hiervon ausgehend ist der Kreis derTätigkeiten zu ermitteln, auf den zumutbar verwiesenwerden kann. Der bisherige Beruf des Petenten ist diezuletzt ausgeübte Beschäftigung als Anlagenführer.Diese Tätigkeit ist dem Leitberuf des Facharbeiterszuzuordnen. Nach den medizinischen Feststellungenkann der Petent diese Arbeit mit den vorhandenenLeistungseinschränkungen nicht mehr mindestenssechs Stunden täglich verrichten. Dies bedeutet je-doch nicht automatisch, dass Berufsunfähigkeit undsomit ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Er-werbsminderung besteht. Nachdem im ärztlichen Gut-achten der Deutschen Rentenversicherung BayernSüd festgestellt wurde, dass dem Petenten noch leich-te Tätigkeiten ohne Akkordarbeit und Nachtschicht,ohne Einwirkung reizender Gase, Dämpfe und Stäu-be, ohne Zwangshaltungen, ohne Überkopfarbeitenund ohne ständiges Stehen und Sitzen sechs Stundenund mehr zumutbar sind, kann er entsprechend derständigen Rechtsprechung des LandessozialgerichtsBaden-Württemberg gesundheitlich und sozial auf dieBerufe eines Registrators oder Mitarbeiters einerPoststelle verwiesen werden, sodass auch Berufsun-fähigkeit nicht vorliegt.

Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass die Verfah-rensweise der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg im Einklang mit den gesetzlichen Be-stimmungen steht und aufsichtsrechtlich nicht zu be-anstanden ist. Für Maßnahmen im Wege der Rechts-aufsicht besteht keine Veranlassung.

Im Hinblick auf die Verrentung wegen verminderterErwerbsfähigkeit ist es nach Auffassung des Bericht-erstatters ratsam, an der Rehabilitationsmaßnahme„Erweiterte Abklärung der beruflichen Eignung undArbeitserprobung“ teilzunehmen. Sollte die Maß -nahme nicht den gewünschten Erfolg haben, steht esdem Petenten offen, seinen Anspruch auf Verrentungvor dem Sozialgericht einzuklagen. Bei Gerichtsver-fahren liegt es im Ermessen der Richter, ein Zweitgut-achten zum Gesundheitszustand und Arbeitsvermö-gen des Petenten einzuholen. Eine den Gutachternvergleichbare medizinische Fachkompetenz maßt sichder Petitionsausschuss nicht an.“

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Gruber

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12. Petition 15/1319 betr. Baurechtliche Fachauf-sicht

I. Gegenstand der Petition

Der Petent bestreitet, Bauherr eines in den Neunziger-jahren errichteten Wohnhauses mit Garagen zu sein.Der Petent ist der Meinung, die Landesbank sei Bau-herr dieses Bauvorhabens. Der Petent ist weiter der An-sicht, die Bauakte mit der Bauverzeichnis-Nr. 341/92(Bauakte 341/92) für dieses Bauvorhaben sei von derunteren Baurechtsbehörde nicht richtig geführt, son-dern manipuliert worden.

Dieses Vorbringen liegt dem Petitionsschreiben zu-grunde, geht aus ihm aber nicht deutlich hervor.

In seinem Petitionsschreiben beschwert sich der Pe-tent darüber, dass sein Schreiben vom 19. April 2012an das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur(Ministerium) noch nicht beantwortet sei. Durch seinPetitionsschreiben erhoffe er sich eine zügige undsachgerechte Beantwortung seiner Fragen.

In seinem Schreiben vom 19. April 2012 wiederumhat der Petent Bezug auf das Schreiben des Ministe -riums vom 26. März 2012 genommen. Darin wurdedem Petenten mitgeteilt, dass eine bestandskräftigeBaugenehmigung vorliegt, er Bauherr des Bauvor -habens ist und dass keine Anhaltspunkte gefundenwurden, die darauf hindeuten, dass die Bauakte341/92 unrichtig geführt worden ist. Dieses Schrei-ben habe nicht die von ihm – so der Petent – er-wünschte Klärung gebracht. Der Petent listet in sei-nem Schreiben vom 19. April 2012 Schriftstücke aufund will wissen, ob diese Bestandteile der Bauakte341/92 und somit im Schreiben des Ministeriumsvom 26. März 2012 berücksichtigt worden sind.Hierzu sollte ent weder „Ja“ oder „Nein“ angekreuztwerden.

Zur Untermauerung seiner Ansicht, die Landesbanksei Bauherr des Bauvorhabens, führt der Petent an,sein Bauantrag vom 18. Dezember 1992 sei nie bear-beitet worden, da mit diesem nicht nur ein Neubausondern auch eine Abbruchmaßnahme beantragt wur-de. Der Petent verweist auf einen Ungültigkeitsver-merk der unteren Baurechtsbehörde auf dem Bauan-trag. Außerdem sei in der Bauakte keine ordnungs-gemäße Bauleitererklärung enthalten. Laut Bauaktesei nur eine statische Prüfung für ein Zweifamilien-haus vorgenommen worden. Eine Teilbaugenehmi-gung sei nur für die Errichtung eines Zweifamilien-hauses erteilt worden. Die Baugenehmigung vom 9. November 1993 wurde jedoch für die Errichtungeines Dreifamilienhauses erteilt. Die Baugenehmi-gung vom 9. November 1993 sei rechtsungültig, daihr keine statischen Prüfunterlagen beigefügt waren.Den Rohbauabnahmeschein für das Bauvorhaben ha-be die untere Baurechtsbehörde der Landesbank zuge-sandt. Die untere Baurechtsbehörde habe ihm – demPetenten – wegen statischer Mängel die Nutzungser-laubnis für das Gebäude entzogen und überziehe ihnmit Bußgeldern.

1. Sachverhalt

Am 18. Dezember 1992 beantragte der Petent (nochunter seinem damaligen Familiennamen) bei der Stadtals zuständiger unterer Baurechtsbehörde den Ab-bruch eines Wohn- und Scheuergebäudes sowie denNeubau eines Wohnhauses mit Garagen auf den Flur-stücken Nr. 49 und 51. Die Flst.-Nr. 49 und 51 lageninnerhalb des Gebietes „Ortskern II“, das als förm -liches Sanierungsgebiet gem. § 142 BauGB ausgewie-sen war. Im Zuge der Sanierungsmaßnahme war vor-gesehen, die auf den beiden Grundstücken Flst.-Nr. 49und 51 vorhandenen Gebäude abzubrechen und durchNeubauten in zwei verschiedenen Abschnitten zu er-setzen. Am 26. April 1993 wurde ein notarieller Kauf-und Bauträgervertrag zwischen dem Petenten und derLandesbank geschlossen, wonach die Landesbank aufeinem Teil des Grundstücks des Petenten, dem Flst.-Nr. 49, nach dessen Verkauf an die Landesbank dorteine Bankfiliale errichtet. Die Landesbank verpflichte-te sich im Gegenzug, auf dem dem Petenten verblei-benden Grundstücksteil, dem Flst.-Nr. 51, zugunstendes Petenten das von diesem beantragte Bauvorhaben(Neubau eines Wohnhauses mit Garagen) zu errichten.Um die Umsatzsteuerpflicht für die Durchführung desGebäudeabbruchs zu vermeiden, was rechtlich offen-bar unbedenklich war, erwarb die Gemeinde mit no -tariellem Kaufvertrag vom 26. April 1993 für die Zeit-dauer der Abbrucharbeiten die Grundstücke Flst.-Nr. 49 und 51 und führte die Abbrucharbeiten durch.

Am 8. September 1993 erteilte die Stadt als untereBaurechtsbehörde dem Petenten eine Teilbaugeneh-migung für die Ausführung von Erd- und Entwässe-rungsarbeiten. Mit Schreiben vom 7. September 1993beauftragte die Stadt ein Ingenieurbüro mit der bau-technischen Prüfung des Bauvorhabens. Ersteller derbautechnischen Nachweise war ein Ingenieurbüro fürBaustatik. Mit Prüfbericht Nr. 1 vom 27. Oktober1993 bestätigte der Prüfingenieur, dass eine Teil-baufreigabe für das Wohngebäude bis UnterkanteDecke über dem Untergeschoss und für die Tiefgara-genfundamente möglich ist. Mit Bescheid vom 9. No-vember 1993 wurde dem Petenten die Baugenehmi-gung für den Neubau eines Wohnhauses mit Garagenerteilt. Am 18. November 1993 hat der Petent denEmpfang der Baugenehmigung und des mit Genehmi-gungsvermerk vom 9. November 1993 versehenenPlanhefts mit seiner Unterschrift bestätigt. Bestandteilder Baugenehmigung vom 9. November 1993 war u. a. auch die Teilbaufreigabe für das Wohngebäudebis Unterkante Decke über dem Untergeschoss. Eben-falls am 18. November 1993 unterschrieb der Petenteine Bauleitererklärung. Mit Prüfbericht Nr. 2 vom19. November 1993 an die Stadt bestätigte der Prüf -ingenieur, dass eine weitere Teilbaufreigabe für dasWohngebäude (ohne Garagen) bis einschließlich derDachkonstruktion erfolgen kann. Mit Schreiben derStadt vom 23. November 1993 wurde dem Petentendie weitere Teilbaufreigabe entsprechend dem Prüfbe-richt Nr. 2 des Prüfingenieurs erteilt. Mit Schreibenvom 25. Februar 1994 teilte die Stadt dem Petentenmit, sie habe der Landesbank den Rohbauabnahme-schein zugesandt. Am 11. August 1995 erfolgte die

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Schlussabnahme durch die untere Baurechtsbehörde.Am 14. August 1995 stellte die Stadt in einem Bauab-nahmebericht fest, dass das Bauvorhaben nahezu fer-tiggestellt ist, aber die bautechnische Prüfung der Ga-rage nicht abgeschlossen und die endgültige Baufrei-gabe noch nicht erteilt worden ist. In diesem Zusam-menhang hatte die Stadt Beanstandungen am Bauvor-haben und stellte fest, dass teilweise von der Bauge-nehmigung abgewichen wurde. Mit Schreiben vom14. August 1995 forderte die untere Baurechtsbehördeden Petenten auf, die bei der Bauabnahme festgestell-ten Beanstandungen zu beheben.

Der abschließende Prüfbericht Nr. 3 des Prüfinge-nieurs datiert vom 7. September 1995. Mit Schreibenvom 21. September 1995 teilte die Stadt dem Petentenmit, dass die bautechnische Prüfung abgeschlossen istund die Baufreigabe erteilt wird. Mit Schreiben vom26. März 1996 an den Petenten wiederholte die Stadtihre Forderung, die bei der Bauabnahme festgestelltenBeanstandungen zu beseitigen. Am 15. Mai 1998übersandte die Stadt der Landesbank den Schluss -abnahmeschein, führte darin aber die immer noch be-stehenden Beanstandungen auf, die noch zu beseiti-gen waren. Der Schlussabnahmeschein wurde derLandesbank auf deren Bitte hin übersandt, damit dieseals Bauträger die restlichen Sanierungsmittel bei demdamaligen Sanierungs- und Entwicklungsträger nachdem Baugesetzbuch abrufen konnte. Erst nach An -drohung und Festsetzung von Zwangsgeldern gegen -über dem Petenten wurden die Beanstandungen be -seitigt. Dies erstreckte sich bis ins Jahr 1999.

Im Jahr 2008 sprach der Petent mehrfach bei derStadt vor und verwies auf zwei Sachverständigengut-achten, die im Rahmen eines Zivilgerichtsverfah-rens, die der Petent gegen die Landesbank führte, er-stellt worden waren. In diesen Gutachten wurden sta-tische Mängel am Gebäude festgestellt. Die Gutach-ter stellten jedoch ausdrücklich fest, dass die Mängelzu beheben und nicht so schwerwiegend sind, dassdas Gebäude abgebrochen werden müsste. Der Pe-tent verlangte ein Einschreiten der unteren Bau-rechtsbehörde. Mit Bescheid vom 13. März 2008 er-ließ die Stadt gegenüber dem Petenten eine baurecht-liche Anordnung mit dem Inhalt, die statischen Män-gel an seinem Wohngebäude beheben zu lassen. Dadas Gebäude leer stand, untersagte die Baurechts-behörde gleichzeitig vorsorglich die weitere Nutzungdes Gebäudes.

Nach Informationen der unteren Baurechtsbehördehat die Landesbank dem Petenten angeboten, die Be-seitigung der statischen Mängel vorzunehmen. DerPetent lasse dies bisher jedoch nicht zu.

Am 17. Oktober 2011 erließ die Stadt einen Zwangs-geldfestsetzungsbescheid in Höhe von 500,– EUR ge-genüber dem Petenten. Das Zwangsgeld wurde wegender noch nicht erfolgten Behebung statischer Mängelfestgesetzt. Gegen den Bescheid hat der Rechtsvertre-ter des Petenten Widerspruch eingelegt. Der Wider-spruch liegt dem Regierungspräsidium vor, wurdeaber noch nicht beschieden. Ein Bußgeldverfahren ge-gen den Petenten ist derzeit nicht anhängig.

Mit Schreiben vom 9. August 2011 hat sich der Petentan Herrn Ministerpräsident Kretschmann gewandtund beanstandet, die Bauakte 341/92 der unteren Bau-rechtsbehörde sei nicht richtig geführt worden undweise schwere Mängel auf. Das Schreiben wurde da-mals an das Ministerium für Verkehr und Infrastruk-tur weitergeleitet. Weitere Schreiben des Petenten andas Ministerium folgten.

Das Ministerium antwortete dem Petenten mit Schrei-ben vom 26. März 2012. In seinem Schreiben vom 19.April 2012 ignoriert der Petent die Ausführungen desMinisteriums.

Der Petent hat sich zeitgleich mit seinem Petitions-schreiben auch an die Landtagsfraktionen von CDUund FDP gewandt. Die Landtagsfraktionen baten hier-zu das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur umStellungnahme. Das Ministerium hat den Landtags-fraktionen unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom26. März 2012 an den Petenten geantwortet und mit-geteilt, dass eine Petition eingelegt wurde.

2. Rechtliche Würdigung

Vorbemerkung

Die vom Petenten in seinem Schreiben vom 19. April2012 aufgeführten Schriftstücke sind zum Teil Doku-mente aus der Bauakte 341/92. Einige der aufgeliste-ten Schriftstücke entstammen aber offensichtlich an-deren Akten.

So ist es – entgegen der Meinung des Petenten – rich-tig, dass sich der notariell beurkundete privatrecht -liche Kauf- und Bauträgervertrag vom 26. April 1993zwischen dem Petenten und der Landesbank nicht inder Bauakte 341/92 befindet. Nach den Bestimmun-gen der Landesbauordnung für Baden-Württemberg(LBO) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn demVorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriftenentgegenstehen. Besteht ein Rechtsanspruch auf Ertei-lung der Baugenehmigung, wird diese gem. § 58 Ab-satz 3 der LBO unbeschadet privater Rechte Dritter er-teilt. Auf privatrechtliche Vereinbarungen kommt es imBaugenehmigungsverfahren daher regelmäßig nicht an.

Auch der Sanierungsvertrag zwischen der Gemeindeund der Landesbank als Bauträger gehört nicht in dieBauakte 341/92. Der Sanierungsvertrag ist für die Be-urteilung des baurechtlichen Verfahrens nicht rele-vant.

BaugenehmigungAm 18. Dezember 1992 hatte der Petent einen Antragauf Baugenehmigung bei der Stadt gestellt. Das Bau-vorhaben wurde darin wie folgt bezeichnet: Abbruchdes Wohnhauses und des Scheuergebäudes sowieNeubau eines Wohnhauses mit Garagen. Der Petenthat den Antrag als Bauherr mit seinem damaligen Fa-miliennamen unterschrieben. Der Bauantrag befindetsich in der Bauakte 341/92.

Nachdem die Gemeinde den Abbruch des Wohn- undScheuergebäudes als Bauherr durchführte, wurden dieAbbrucharbeiten aus dem Bauantrag des Petenten her-

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ausgenommen. Am 8. September 1993 erteilte dieStadt als zuständige Baurechtsbehörde dem Petenteneine Teilbaugenehmigung für die Ausführung vonErd- und Entwässerungsarbeiten und bezeichnete dasBauvorhaben mit „Neubau eines Zweifamilienhausesmit Garagen, Flst.-Nr. 51“. Die Teilbaugenehmigungwar an den Petenten als Bauherrn adressiert und istihm zugestellt worden.

Mit Bescheid vom 9. November 1993 wurde dem Pe-tenten als Bauherrn die Baugenehmigung für den„Neubau eines Dreifamilienhauses mit Garagen imUG und EG, eines oberirdischen Stellplatzes und eines Holzplatzes, Flst.-Nr. 51“ erteilt. Bezug genom-men wurde in der Baugenehmigung vom 9. Novem-ber 1993 zwar auf einen Bauantrag vom 1. Oktober1992. Ausweislich der Akten wurden zu diesem Zeit-punkt aber nur Bauvorlagen mit Bauzeichnungen vomSeptember 1992 eingereicht, die nicht unterschriebenwaren. Der Bauantrag wurde vom Petenten nach ei-nem Hinweis der Stadt dann am 18. Dezember 1992nachgereicht. Teilbaugenehmigung und Baugenehmi-gung können daher eindeutig diesem Bauantrag zuge-ordnet werden. Bestandteil der Baugenehmigung vom9. November 1993 waren die mit Genehmigungsver-merk der Stadt vom 9. November 1993 versehenenBauvorlagen (Planheft) mit Bauzeichnungen vom De-zember 1992, die der Petent am 2. April 1993 aner-kannt und unterschrieben hat.

Im Unterschied zu den Bauzeichnungen vom Septem-ber 1992, die im Untergeschoss des Gebäudes nurKellerräume auswiesen, war in den der Baugenehmi-gung vom 9. November 1993 zugrunde liegendenBauzeichnungen im Untergeschoss nun eine Klein-wohnung geplant. Daher war das Bauvorhaben ur-sprünglich als „Zweifamilienhaus“ und später dannals „Dreifamilienhaus“ bezeichnet worden. In derTeilbaugenehmigung wurde das Bauvorhaben fälsch-licherweise noch als „Zweifamilienhaus“ bezeichnet.

Die Baugenehmigung vom 9. November 1993 ist be-standskräftig geworden. Es liegt somit kein Schwarz-bau vor, wie der Petent meint.

BauherrschaftNach der Rechtslage ergibt sich bei genehmigungs-pflichtigen Vorhaben die Person des Bauherrn ausdem Bauantrag, der vom Bauherrn zu unterschreibenist. Diese Unterschrift ist maßgebend; als Bauherrmuss sich derjenige behandeln lassen, der sich ge-genüber der Baurechtsbehörde durch Einreichen einesBauantrags als solcher ausgibt. Ausweislich der Bau-akte 341/92 hat der Petent den Bauantrag vom 18. De-zember 1992 gestellt und eigenhändig mit seinemfrüheren Familiennamen unterschrieben. Einen Un -gültigkeitsvermerk auf diesem Bauantrag gibt es inden Akten nicht. Am 18. November 1993 hat der Pe-tent als Bauherr den Empfang der Baugenehmigungvom 9. November 1993 mit seiner Unterschrift be-stätigt. Am selben Tag hat er als Bauherr die Baulei-ter-Erklärung unterschrieben. Alle diese Unterlagenbefinden sich in der Bauakte 341/92 der Stadt undsind Belege dafür, dass der Petent die Bauherrschaftinnehatte. Im Übrigen hat der Petent, obwohl er

während des Baugenehmigungsverfahrens von derStadt immer als Bauherr angeschrieben worden war,dem während der Bauphase nicht widersprochen. Dader unteren Baurechtsbehörde auch nie ein Bauherrn-wechsel mitgeteilt wurde, wie dies die LBO vorsieht,konnte und musste die Behörde weiter von der Bau-herrschaft des Petenten ausgehen. Nach § 42 Abs. 6LBO hat – wenn der Bauherr wechselt – der neueBauherr dies der Baurechtsbehörde unverzüglich mit-zuteilen. Eine solche Mitteilung ist bei der unterenBaurechtsbehörde zu keinem Zeitpunkt eingegangen.

In der Bauakte 341/92 befindet sich der vom Petentenerwähnte handschriftliche Vermerk „Bauherr wech-selt nochmals“ vom 21. September 1992. Auch darausschließt der Petent, er sei nicht Bauherr des Bauvorha-bens. Warum dieser handschriftliche Vermerk gefer-tigt wurde, kann nicht mehr nachvollzogen werden.Dies ist auch nicht von Bedeutung, nachdem der Pe-tent zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich am 18. De-zember 1992, einen Bauantrag gestellt, sich darin alsBauherr bezeichnet und eigenhändig mit seinem da-maligen Familiennamen unterschrieben hat.

Bautechnische Nachweise und bautechnische Prüfung

Nach § 2 Abs. 1 der Verfahrensverordnung zur Lan-desbauordnung (LBOVVO) sind im Baugenehmi-gungsverfahren dem Bauantrag unter anderem diebautechnischen Nachweise, zu denen der Standsicher-heitsnachweis gehört, beizufügen. Die bautechnischenNachweise können bis zum Baubeginn nachgereichtwerden. Sie müssen nicht bereits zum Zeitpunkt derErteilung der Baugenehmigung vorliegen. Mit Schrei-ben vom 7. September 1993 beauftragte die Stadt ei-nen Prüfingenieur mit der bautechnischen Prüfung.Im Auftrag an den Prüfingenieur wurde das Bauvor-haben des Petenten – wie auch in der Teilbaugeneh-migung – versehentlich noch als „Zweifamilienhaus“bezeichnet. Vom Prüfingenieur ist die Bezeichnung„Zweifamilienhaus“ dann ebenfalls versehentlichüber nommen worden, und zwar durchgehend bis zumletzten Prüfbericht. Grundlage der bautechnischenPrüfung waren jedoch das Planheft mit den Bauzeich-nungen vom Dezember 1992 und die Statikunterla-gen, die die Kleinwohnung im Untergeschoss enthiel-ten. Die bautechnische Prüfung konnte vom Prüfinge-nieur erst im September 1995 abgeschlossen werden.Daraufhin wurde dem Petenten von der Stadt mitSchreiben vom 21. September 1995 die endgültigeBaufreigabe erteilt. Zu diesem Zeitpunkt war dasBauvorhaben nahezu fertiggestellt, was nach der Lan-desbauordnung unzulässig ist. Für die Einhaltung derdiesbezüglichen bauordnungsrechtlichen Vorschriftenwar jedoch seinerzeit der Petent als Bauherr nebendem Bauleiter verantwortlich. Ob und inwiefern dieForderungen des Statikers nicht beachtet wurden,kann nachträglich nicht mehr festgestellt werden.

Bauabnahme

Bestandteil der Baugenehmigung vom 9. November1993 war, dass eine Rohbau- und Schlussabnahmestattfindet. Die Rohbauabnahme erfolgte am 24. Feb -ruar 1994. Den Rohbauabnahmeschein übersandte die

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untere Baurechtsbehörde der Landesbank als Bau -träger. Dem Petenten wurde am 25. Februar 1994schriftlich mitgeteilt, dass der Rohbauabnahmescheinder Landesbank zugesandt wurde. Am 11. August1995 erfolgte aufgrund der weit fortgeschrittenenBauausführung die Schlussabnahme. Der Schlussab-nahmeschein mit Beanstandungen wurde von der un-teren Baurechtsbehörde am 15. Mai 1998 ebenfallsder Landesbank übersandt. Die rechtsförmliche Mit-teilung der Rohbau- und Schlussabnahme hätte jedochgegenüber dem Bauherrn ergehen müssen. Das Regie-rungspräsidium als höhere Baurechtsbehörde hat die-sen Verfahrensmangel bei der Stadt zu einem frühe-ren Zeitpunkt bereits beanstandet.

Aus dem Adressaten der Bauabnahmescheine kannaber nicht auf dessen Bauherrschaft geschlossen wer-den, wie der Petent meint. Im Übrigen bestätigt ein er-teilter Abnahmeschein lediglich, dass die Baurechts-behörde die bauliche Anlage besichtigt hat, nicht je-doch, dass die bauliche Anlage in allen ihren Teilenim Einklang mit der Baugenehmigung und den ein-schlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht.Er enthält somit keine Garantie der Mängelfreiheit.Durch die Schlussabnahme wird ein unbemerkt ge-bliebener oder verschleierter Verstoß gegen die Bau-genehmigung oder das sonstige öffentliche Baurechtnicht geheilt.

NutzungsuntersagungWerden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-recht-lichen Vorschriften genutzt, so kann diese Nutzunguntersagt werden. Dies ist in § 65 Satz 2 LBO gere-gelt. Eine Nutzungsuntersagung kommt u. a. in Be-tracht, wenn berechtigte Zweifel an der Standsicher-heit des Gebäudes bestehen. Den beiden Sachverstän-digengutachten, die im Rahmen eines Zivilgerichts-verfahrens, die der Petent gegen die Landesbank führ-te, erstellt wurden, ist zu entnehmen, dass statischeMängel am Gebäude bestehen. Bei der Bauabnahmedurch die Stadt waren die in den Gutachten dargestell-ten statischen Mängel nicht ersichtlich.

Nach § 47 Abs. 1 LBO haben die Baurechtsbehördendarauf zu achten, dass die baurechtlichen Vorschriftensowie die anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriftenüber die Errichtung und den Abbruch von Anlagenund Einrichtungen im Sinne LBO eingehalten wer-den. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben haben dieBaurechtsbehörden diejenigen Maßnahmen zu treffen,die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich sind.Gem. § 13 Abs. 1 LBO müssen bauliche Anlagen so-wohl im Ganzen als auch in ihren einzelnen Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Das in Rede stehende Gebäude war nach den Bewertungen in denbeiden Sachverständigengutachten nur bedingt stand-sicher bzw. nutzbar. Mit Bescheid vom 13. März 2008an den Petenten hat die untere Baurechtsbehörde da-her die Beseitigung der statischen Mängel angeordnetund gleichzeitig vorsorglich die Nutzung des Gebäu-des untersagt.

Nach Informationen der unteren Baurechtsbehördewären die in den beiden Gutachten vorgeschlagenenArbeiten zur Mängelbeseitigung von der Landesbank

bereits seit Jahren ausgeführt, wenn der Petent die un-terbreiteten Angebote zur Entschädigung annehmenwürde.

Aktenauskunft Der Petent und sein Rechtsvertreter hatten am 2. März2009 bei der Stadt Einsicht in die Bauakte 341/92 ge-nommen. Die zusätzliche Übersendung zahlreicherKopien aus der Bauakte an den Petenten und dessenRechtsvertreter lehnte die Stadt jedoch ab. DerRechtsvertreter des Petenten erhob daraufhin am 1. Juli 2009 Untätigkeitsklage beim Verwaltungsge-richt und beantragte die Übermittlung zahlreicher Ko-pien aus der Bauakte 341/92, hilfsweise die Übersen-dung der gesamten Bauakte. Das Verfahren wurde am21. Oktober 2009 eingestellt, nachdem dem Rechts-vertreter des Petenten die Bauakte zur Einsichtnahmeübersandt worden war. Der Petent konnte demnachwiederholt Einsicht in die gesamte Bauakte nehmen.

Der Gemeinderat hat die Angelegenheit ebenfalls er-neut überprüft.

Beschlussempfehlung:

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann derPetition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Lucha

13. Petition 15/2158 betr. Gestattungsvertrag

I. Gegenstand der Petition

Der Petent begehrt, den „Gestattungsvertrag im Rah-men des Projekts Stuttgart 21 für den Bereich Rosen-steinpark“ nicht zu unterschreiben. Er begründet diesmit noch offenen Fragen beim Großprojekt Stuttgart 21.

II. Sach- und Rechtslage

Das Land Baden-Württemberg und die DB-Netz AGhaben am 21. Februar 2013 eine Gestattungsvereinba-rung zur bauzeitlichen Inanspruchnahme von Liegen-schaften des Landes im Rosensteinpark geschlossen.Die Vereinbarung betrifft Maßnahmen für die Bau-feldfreimachung.

Das Land Baden-Württemberg hatte sich bereitsdurch vertragliche Regelungen aus dem Jahr 2003verpflichtet, der DB-Netz AG nach Maßgabe noch zutreffender Einzelvereinbarungen den Zugriff auf dieim Planfeststellungsabschnitt 1.5 benannten Grund-stücke zu gestatten. Das Land war und ist an be -stehende Vereinbarungen gebunden und hat sich ver-tragsgerecht zu verhalten.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Marwein

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14. Petition 15/2605 betr. Einkommensteuer 2011

1. Gegenstand der Petition

Mit ihrer Petition begehren die Petenten die nachträg-liche Berücksichtigung einer Steuerermäßigung fürAufwendungen für haushaltsnahe Handwerkerleistun-gen nach § 35 a Einkommensteuergesetz (EStG) imJahr 2011. Der Petition liegt folgender Sachverhaltzugrunde:

2. Sachverhalt

Die Petenten sind zusammenveranlagte Ehegatten.Der Petent ist Pensionär, die Petentin ist Rentnerin.Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Petenten betrugim Jahr 2011 41.714 €.

Im Mantelbogen ihrer Einkommensteuererklärung fürdas Jahr 2011 beantragten die Petenten die Steuerer-mäßigung für Aufwendungen für haushaltsnahe Hand -werkerleistungen (Spülkastenreparatur, Rohrreinigungund Baumkürzung) i. H. v. insgesamt 1.453 €. DieseAufwendungen wurden im Einkommensteuerbescheid2011 vom 4. Oktober 2012 wie beantragt berücksich-tigt und führten zu einer Steuerermäßigung nach § 35 aAbs. 3 EStG i. H. v. 291 €.

Mit Telefax vom 19. November 2012 legten die Pe-tenten Einspruch gegen den Einkommensteuerbe-scheid 2011 vom 4. Oktober 2012 ein und beantragtendie Berücksichtigung weiterer Handwerkerleistungen(Lohnkosten) für eine Dachreparatur in Höhe von10.174,50 €. Sie baten, in Anbetracht des erheblichenDifferenzbetrages, der relativ geringfügigen Über-schreitung der Einspruchsfrist und ihres vorgerücktenAlters, Gnade vor Recht ergehen zu lassen und denSteuerbescheid zu ihren Gunsten zu ändern. Im Hin-blick auf die Überschreitung der Einspruchsfrist batdas zuständige Finanzamt die Petenten, Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorzutra-gen. Die Petenten machten daraufhin mit Schreibenvom 29. November 2012 eine nicht näher bezeichneteErkrankung des Petenten geltend. Im Rahmen einesTelefongesprächs am 7. Januar 2013 wurde dem Pe-tenten vom Finanzamt mitgeteilt, dass für eine weitereÜberprüfung ein ärztliches Attest über die Erkran-kung erforderlich sei. Gleichzeitig wurde der Petentdarauf hingewiesen, dass eine Erkrankung nur dannals Hinderungsgrund relevant sei, wenn sie dazu ge-führt hätte, dass beide Ehepartner nicht in der Lagegewesen wären, Einspruch einzulegen.

Die Petenten wandten sich daraufhin in dieser Ange -legenheit an einen Bundestagsabgeordneten. Dieser hatdas Finanzamt mit Schreiben vom 5. Februar 2013 ge-beten zu prüfen, ob eine rechtliche Möglichkeit besteht,von der Fristversäumnis der Petenten abzusehen. DasFinanzamt hat zu der Eingabe mit Schreiben vom 15. Februar 2013 Stellung genommen und hierin dieSach- und Rechtslage, entsprechend den Ausführungendes Bearbeiters im Telefonat mit dem Petenten am 7. Januar 2013, erläutert. In der Stellungnahme vom 15. Februar 2013 wurde weiter darauf hingewiesen, dieSteuerermäßigung für die Aufwendungen für die

Dachreparatur könnte, falls Wiedereinsetzungsgründenicht noch nachgewiesen werden, auch nicht außerhalbeines Rechtsbehelfsverfahrens, im Rahmen der gesetz-lichen Korrekturvorschriften berücksichtigt werden.

Da weder auf die telefonische Bitte vom 7. Januar2013, noch auf das Schreiben an den Bundestagsabge-ordneten vom 15. Februar 2013 ein Schreiben der Pe-tenten erfolgte, verwarf das Finanzamt den Einspruchmit Einspruchsentscheidung vom 21. März 2013 alsunzulässig. Gegen diese Entscheidung haben die Pe-tenten keine Klage zum Finanzgericht erhoben.

Mit ihrer Petition tragen die Petenten vor, die Anwen-dung der Steuergesetze führe in ihrem Fall zu einer un-gebührlichen Härte und bitten den Petitionsausschussum eine für sie befriedigende Lösung. Das vom Fi-nanzamt verlangte Attest könnten sie nicht vorlegen.Die zusätzlich zu erwartende Steuererstattung i. H. v.909 € sei für sie als Rentnerin und Pensionär viel Geld.Eine nur einmonatige Einspruchsfrist sei angesichts einer 4-jährigen Festsetzungsfrist unverhältnismäßigkurz und eine Ungerechtigkeit des Staates gegenüberseinen Bürgern. Außerdem sei die Bezeichnung „Haus-haltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, Dienstleistungenund Handwerkerleistungen“ etwas missverständlich. Essei durchaus nicht zweifelsfrei klar, dass eine Dachre-paratur als „haushaltsnah“ einzustufen sei. Dies seiauch der Grund dafür gewesen, dass sie die Lohnkostender Dachsanierung nicht gleich bei Abgabe der Steuer -erklärung geltend gemacht hätten.

3. Rechtliche Würdigung

Das Finanzamt hat den Einspruch der Petenten vom19. November 2012 zutreffend als unzulässig verwor-fen. Keine der gesetzlichen Korrekturvorschriften,aufgrund derer die Änderung eines Verwaltungsaktesnach Eintritt der formellen Bestandskraft zulässig ist,ist vorliegend erfüllt. Die Rechtsbehelfsfrist als solchebegegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.Dem Begehren der Petenten kann auch nicht durch ei-nen Erlass der Einkommensteuer 2011 gem. § 227 AOentsprochen werden.

3.1 Steuerermäßigung gem. § 35 a Abs. 3 Einkom-mensteuergesetz (EStG) für haushaltsnahe Hand-werkerleistungen

Unstreitig sind die Aufwendungen für die Dach -reparatur i. H. v. 10.174,50 € gem. § 35 a Abs. 3 EStGbegünstigt. Da die Petenten aufgrund anderer Auf-wendungen im Einkommensteuerbescheid 2011 be-reits eine Steuerermäßigung i. H. v. 251 € erhalten ha-ben, und die Steuerermäßigung auf einen Höchstbe-trag von 1200 € begrenzt ist, haben die Petenten fürdie Aufwendungen für die Dachreparatur materiell-rechtlich einen Anspruch auf eine weitere Steuerer-mäßigung i. H. v. 909 €.

3.2 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid2011 vom 4. Oktober 2012

Die Petenten haben gegen den Einkommensteuerbe-scheid vom 4. Oktober 2012 verspätet Einspruch ein-

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gelegt. Der Einkommensteuerbescheid gilt gem. § 122Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 108 Abs. 3 der Abgabenordnung(AO) am 8. Oktober 2012, einem Montag, als bekanntgegeben. Die einmonatige (vgl. § 355 Abs. 1 AO) Ein-spruchsfrist endete mit Ablauf des 8. November 2012.Unstreitig wahrte das Schreiben der Petenten vom 19. November 2012 diese Frist nicht.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung inden vorigen Stand gem. § 110 Abgabenordnung (AO)wegen unverschuldeter Fristversäumnis liegen nichtvor. Wie die Petenten selbst in der Petitionsschriftvom 11. April 2013 vortragen, waren sie nicht beidean der Einspruchseinlegung gehindert. Das Finanzamthat daher den Einspruch gegen den Einkommensteu-erbescheid 2011 zutreffend mit Einspruchsentschei-dung vom 21. März 2013 als unzulässig verworfen.

3.3 Änderung des Einkommensteuerbescheids 2011vom 4. Oktober 2012 nach den Korrekturvor-schriften der AO

Mit Ablauf der Einspruchsfrist wird ein Verwaltungs-akt – wenn nicht form- und fristgerecht Einsprucheingelegt wurde – formell bestandskräftig. Nach Ein-tritt der formellen Bestandskraft ist die Änderung desVerwaltungsaktes nur noch möglich, wenn diese auf-grund einer Änderungsvorschrift der Abgabenord-nung oder eines Einzelsteuergesetzes ausdrücklich zu-gelassen ist.

Die Petenten machen nachträglich eine Steuerver -güns tigung geltend. Da der Bedienstete bei der Bear-beitung der Steuererklärung diesen Sachverhalt nichtkannte, handelt es sich um eine sogenannte neue Tat-sache im Sinne von § 173 AO. Eine Änderung einesVerwaltungsaktes zugunsten des Steuerpflichtigen istgem. § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO möglich, wenn denSteuerpflichtigen am nachträglichen Bekanntwerdender neuen Tatsachen kein grobes Verschulden trifft.

Die Petenten tragen in ihrer Petition zur Begründung,dass sie nicht grob schuldhaft gehandelt hätten, vor,die Bezeichnung „haushaltsnahe Beschäftigungsver-hältnisse, Dienstleistungen und Handwerkerleistun-gen“ sei nicht eindeutig, weswegen sie die Aufwen-dungen nicht bereits in der Steuererklärung geltendgemacht hätten.

Bei steuerlichen Laien stellt die Unkenntnis oderFehl interpretation steuerrechtlicher Vorschriften zwargrundsätzlich kein grobes Verschulden dar. Ein gro-bes Verschulden wird jedoch auch bei steuerlichenLaien angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger aus-drückliche Hinweise in ihm zugegangenen Vor-drucken, Merkblättern oder sonstigen Mitteilungendes Finanzamts nicht beachtet, eine im Steuerer-klärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen be-stimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtetoder sich aufdrängenden Zweifelsfragen nicht nach-geht (BFH-Urteil vom 22. Mai 1992, BStBl. 1993 IIS. 80).

Im Mantelbogen zur Einkommensteuererklärung wer-den in Zeile 77 „Handwerkerleistungen für Renovie-rungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnah-

men“ abgefragt. Die Anleitung zur Einkommensteue-rerklärung 2011 erläutert auf Seite 7 zusätzlich:

„Handwerkerleistungen sind z. B.– Reparatur, Streichen, Lackieren von Fenstern und

Türen,– Reparatur oder Austausch von Bodenbelägen,– Modernisierung des Badezimmers oder der Ein-

bauküche“

Zwar ist eine Dachreparatur in den Erläuterungennicht ausdrücklich genannt. Doch ist festzustellen,dass die amtlichen Erläuterungen für die Petenten soweit verständlich waren, dass sie Aufwendungen füreine Spülkastenreparatur, eine Rohrreinigung und ei-ne Baumkürzung in der Steuererklärung geltend ge-macht hatten. Auch für einen Laien liegt es nach denamtlichen Erläuterungen näher, in einer Dachrepara-tur eine haushaltsnahe Handwerkerleistung zu sehenals in einer Baumkürzung. Wenn die Petenten alsosogar Aufwendungen für die Baumkürzung geltendgemacht hatten, so mussten ihnen hinsichtlich dersteuerlichen Behandlung der Dachreparatur zumin-dest Zweifel aufkommen, denen sie z. B. durch eineRückfrage beim Finanzamt hätten nachgehen müs-sen.

Daher ist den Petenten ein grobes Verschulden amnachträglichen Bekanntwerden der Aufwendungenfür die Dachreparatur vorzuwerfen. Eine Änderungdes Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu-gunsten der Petenten ist deswegen nicht möglich.

3.4 Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegtenRechtsbehelfsfrist von einem Monat

Der Vorwurf der Petenten, eine einmonatige Ein-spruchsfrist sei eine Ungerechtigkeit des Staates ge-genüber seinen Bürgern, da sich der Staat eine 4-jähri-ge Festsetzungsverjährungsfrist für Steuerbescheideeinräume, ist unbegründet. Innerhalb der 4-jährigenFestsetzungsverjährungsfrist gem. § 169 Abs. 2 S. 1Nr. 2 AO können Verwaltungsakte, sofern die Vo -raussetzungen für eine Änderung nach der AO odernach den Einzelsteuergesetzen vorliegen, sowohl zu-gunsten als auch zuungunsten geändert werden undberechtigt daher nicht einseitig den Staat zu Änderun-gen zu Lasten des Steuerpflichtigen.

Die Einspruchsfrist von einem Monat nach § 355 AObegegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.Der Gesetzgeber ist im Hinblick auf das Bedürfnisnach Rechtssicherheit befugt, Rechtsmittelfristen zubestimmen. Solche Fristen dürfen nicht unangemes-sen kurz sein, damit das Recht, den Rechtsweg zu be-schreiten, nicht ausgehöhlt wird. Die Einspruchsfristvon einem Monat ist lt. BFH-Urteil vom 23. Novem-ber 2006, BStBl. II 2007, 436 angemessen. Dies giltinsbesondere vor dem Hintergrund, dass es zur Frist-wahrung ausreicht, wenn der Bürger schriftlich zumAusdruck bringt, dass er mit dem angefochtenen Ver-waltungsakt nicht einverstanden ist. Die genaue Be-zeichnung des Verwaltungsakts oder eine Begrün-

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dung des Einspruchs sind nicht erforderlich (vgl. § 357 Abs. 3 AO).

3.5 Billigkeitsgründe

Dem Antrag der Petenten, aus Billigkeitsgründen zueinem für sie günstigen Ergebnis zu kommen, kannnicht entsprochen werden. Dies wäre nur möglich,wenn die Voraussetzungen für einen Erlass der Ein-kommensteuer 2011 in Höhe der Steuerermäßigungnach § 35 a Abs. 3 EStG von 909 € gem. § 227 AOvorliegen würden.

Nach § 227 AO können die Finanzbehörden An-sprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oderzum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lagedes einzelnen Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeitkann in der Sache selbst oder in der Person der Steuer-pflichtigen begründet sein (BFH-Urteil vom 17. Sep-tember 1987 III R 22/83, BStBl. II 1988, 324). Billig-keitsmaßnahmen aus persönlichen Gründen setzen Er-lassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit voraus. Erlass -bedürftigkeit besteht nur, wenn im Fall der Versagungdes Billigkeitserlasses die wirtschaftliche Exis tenz des Steuerpflichtigen gefährdet ist (BFH-Urteil vom29. April 1981 IV R 23/78, BStBl. II 1981, 726). EinErlass aus persönlichen Billigkeitsgründen kommtvorliegend nicht in Betracht. Von einer Gefährdungder wirtschaftlichen Existenz der Petenten durch dieVersagung der zusätzlichen Steuerermäßigung kannaufgrund der Höhe der Einkünfte der Petenten nichtausgegangen werden.

Sachliche Billigkeitsgründe liegen ebenfalls nicht vor.Sachliche Billigkeitsgründe sind dann gegeben, wennnach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen desGesetzgebers angenommen werden kann, dass er dieim Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte ersie geregelt – im Sinne der beabsichtigten Billigkeits-maßnahme entschieden hätte oder wenn angenommenwerden kann, dass die Einziehung den Wertungen desGesetzgebers widerspricht. Die Funktion des Billig-keitserlasses aus sachlichen Gründen ist es nicht, feh-lerhafte Steuerfestsetzungen zu korrigieren (BFH, Be-schluss vom 24. April 1992, IX B 71/91, juris). Dafür,dass die Steuerfestsetzung im vorliegenden Fall nichtdem Willen des Gesetzgebers entspricht, ist kein An-haltspunkt ersichtlich. Einer Korrektur einer bestands-kräftigen Steuerfestsetzung dient das Erlassverfahrennicht (FG Hamburg, Urteil vom 18. Januar 2005, IV 134/04). Selbst die Korrektur einer offensichtlichfehlerhaften Steuerfestsetzung ist im Billigkeitsver-fahren aus verfahrensrechtlichen Gründen unzulässig,wenn es dem Steuerpflichtigen möglich und zumutbarwar, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zurWehr zu setzen (FG Hamburg, Urteil vom 4. März1999, VI 324/97). Wie bereits unter Nr. 3.2 ausge-führt, war es den Petenten nicht unmöglich oder unzu-mutbar, fristgerecht gegen den Einkommensteuerbe-scheid 2011 vom 4. Oktober 2012 Einspruch einzule-gen.

Die Voraussetzungen für einen Erlass der Einkom-mensteuer 2011 in Höhe der Steuerermäßigung gem.§ 35 a Abs. 3 EStG von 909 € liegen somit nicht vor.

Beschlussempfehlung:

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann derPetition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Nelius

15. Petition 15/1435 betr. Wohnbebauung, Umle-gung, Baugenehmigungsverfahren u. a.

I. Gegenstand der Petition:

Die Petenten wehren sich dagegen, dass die Gemein-de mit allen Mitteln eine Wohnbebauung in dem Be-reich gegenüber ihrem Biolandhof durchsetzen wolle. Die Gemeinde würde mit ihrem Vorgehen – Verwei-gerung des Einvernehmens, Kündigung von Pachtver-trägen, Verweigerung einer Sondernutzungserlaubnis– den Biolandhof unter Druck setzen. Die Vorgehens-weise der Gemeinde würde die Zukunft des Bioland-hofs stark beeinträchtigen.

II. Die Prüfung der Petition ergab Folgendes:

1. Sachverhalt

Biolandhof

Der Biolandhof wird derzeit von den beiden Söhnender Petenten geleitet. Die Familie bewirtschaftet imHaupterwerb ca. 23 ha Fläche. Im landwirtschaft -lichen Betrieb werden Saisonarbeitskräfte beschäftigt.Im gewerblichen Betriebsteil sind fest angestellte Mit-arbeiter beschäftigt.

Beide Betriebsteile werden von der gemeinsamenHofstelle aus betrieben. Die Hofstelle hat eine Grund-fläche von ca. 3000 m², davon sind ca. 40 % überbaut.Es befinden sich insgesamt sieben Gebäude mit unter-schiedlich großen Kühlzellen, Getreidelager, Trock-nungseinrichtungen usw. auf dem Grundstück.

Der Betrieb wird derzeit nachts durch Lieferverkehrzwischen 0:00 Uhr und 5:00 Uhr zweimal angefahren.Hierdurch ergaben sich bisher mit der Nachbarschaftkeine Probleme.

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Ver -braucherschutz hat mitgeteilt, dass durch das Heran-rücken einer Wohnbebauung der Betrieb nicht nurdurch Flächenverlust gefährdet wäre, sondern auchdurch parkende Fahrzeuge und Behinderungen in derStraße. Die Familie habe im betroffenen Gebiet auchAckerfläche erworben, nicht um dort auf Bauflächezu spekulieren, sondern als Schutz- und Erhaltungs-funktion für den landwirtschaftlichen Betrieb.

Im Einzelnen wird zu den in der Petition vorgebrach-ten Punkten ausgeführt:

1.1 Baugenehmigung für ein Zweifamilienwohnge-bäude

Die Gemeinde hat zunächst für die Errichtung desZweifamilienwohngebäudes des Petenten das Einver-

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nehmen für die Erteilung einer Befreiung wegen derAbweichung von der festgesetzten Erdgeschossfußbo-denhöhe um 0,55 m nach § 36 Baugesetzbuch (BauGB)versagt.

Aus Sicht der Gemeinde diente die Versagung desEinvernehmens für die Überschreitung der Erdge-schossfußbodenhöhe der Einhaltung der festgesetztenBauvorschrift. Derartige Überschreitungen habe es imbetreffenden Baugebiet noch nicht gegeben.

Daraufhin hat die untere Baurechtsbehörde mit derEntscheidung vom 18. September 2009 die Bauge-nehmigung ausschließlich wegen des versagten Ein-vernehmens nach § 36 BauGB abgelehnt. Den hier -gegen von den Petenten eingelegten Widerspruch hatdas Regierungspräsidium am 2. November 2011 zu -rückgewiesen.

Im Rahmen eines Vergleichs vor dem Verwaltungsge-richt hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass derBauherr einen Anspruch auf Erteilung der Befreiungvon der festgesetzten Erdgeschossfußbodenhöhe ha-be. Nachdem die Gemeinde dem gerichtlichen Ver-gleich zugestimmt hat, wurde die Baugenehmigungfür das Vorhaben am 7. Januar 2011 erteilt.

1.2 Kündigung der Pachtverträge

Die Gemeinde hat dem Petenten Pachtflächen mit ca. 5,5 ha gekündigt. Die Gemeinde hat mitgeteilt,dass Teilkündigungen eines Landpachtvertrags zuläs-sig seien, wenn die Kündigung einzelne Pachtgegen-stände betreffe, die ohne wesentliche Nachteile fürden Pächter aus dem Gesamtpachtverhältnis heraus-gelöst werden könnten. Vorliegend sei kein wesent -licher Nachteil für den Pächter ersichtlich, zumal diejeweiligen Teilkündigungen verschiedene Gebiete be-träfen und die Flächen nicht zusammenhingen. DieGemeinde handle rein privatwirtschaftlich, es obliegeihrer Entscheidungshoheit, ob und mit wem Pachtver-träge abgeschlossen und gekündigt würden. Ein An-spruch auf Abschluss eines solchen Pachtvertragesbestehe nicht.

Nach Mitteilung des Ministeriums für LändlichenRaum und Verbraucherschutz wurden 5,5 ha Flächevon der Gemeinde gekündigt. Bei einem Verlust vonrund einem Viertel der Gesamtfläche sei eine Exis -tenzgefährdung nicht auszuschließen, zumal dies auchden Verlust von Gewächshausflächen bedeuten würde,die regelmäßig überdurchschnittlich zum Betriebsein-kommen beitragen.

Es handle sich hier um für den ökologischen Landbauanerkannte landwirtschaftliche Flächen, die vor derAnerkennung als Biobetrieb über einen Zeitraum vonfünf Jahren umgestellt werden müssen und daher aufdem freien Pachtmarkt nicht ohne weiteres ersetztwerden können. Die Familie verliere mit den Flächenöstlich der Straße ihre Hauptbewirtschaftungsflächen.In der Flurbilanz seien diese als Vorrangflur I (derlandwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten) eingestuft.

Als Träger des öffentlichen Belangs Landwirtschaft seies Aufgabe der unteren Landwirtschaftsbehörde, sichfür den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen als Lebens-

grundlage der Bevölkerung einzusetzen und stehe da-mit im Einklang mit dem Ziel von Bund und Land, denFlächenverbrauch zu reduzieren. Laut dem Landesent-wicklungsplan (LEP) 2002 sei die Flächen inanspruch -nahme auf das unvermeidliche Maß zu beschränken. Erenthalte hierzu die Ziele 3.1.2 (Konzentration der Sied-lungstätigkeit), 3.19 (Ausrichtung am Bestand, Vor-rang der Innenentwicklung), 5.1.1 (Sicherung aus -reichender Freiräume) und 5.3.2 (Erhaltung gut ge -eigneter Böden für die Land- und Forstwirtschaft, Be-schränkung der Eingriffe auf das Unvermeidbare).

In Anbetracht der Vorgaben des Landesentwicklungs-plans sollte die Gemeinde eine dezidierte Bedarfser-mittlung sowie die Prüfung alternativer, landwirtschaft-lich weniger wertvoller Standorte im Bauleitplanver-fahren anstellen. Auf die Nr. 2.5 wird hingewiesen.

1.3 Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernut-zungserlaubnis

Die Gemeinde hat dem Petenten bisher die Verlegungeiner unterirdischen Stromleitung auf dem Gemeinde-grundstück versagt. Der Petent sieht sich nach Kün -digung des Grundstücks Flst.-Nr. 1218 zum 31. De-zember 2011 gezwungen, eine unterirdische Strom -leitung unter einer im Eigentum der Gemeinde be-findlichen Straße zu verlegen. Nachdem ein erstes Er-suchen im Mai 2012 um Zustimmung zur Verlegungeiner Stromleitung vom Gemeinderat negativ beschie-den wurde, wurde Anfang Juli 2012 ein ausdrück -licher Antrag auf Erteilung einer straßenrecht lichenSondernutzungserlaubnis mit der Bitte um förmlicheBescheidung eingereicht.

Der Petent hat mittlerweile einen Stromanschluss vomörtlichen Stromanbieter in sein Grundstück verlegenlassen.

1.4 Ausschreibung einer Pachtfläche im Mitteilungs-blatt der Gemeinde

Aufgrund des zum 31. Dezember 2011 beendetenPachtverhältnisses wurde von der Gemeinde ein neuerPächter für das Grundstück Flst.-Nr. 1218 gesucht.Der Petent und bisherige Pächter hat sich wiederumum die Pachtfläche beworben.

1.5 Planung einer Wohnbebauung, Umlegung

Hierzu wird mit der Petition vorgebracht, dass dievon der Gemeinde angestrebte Wohnbebauung denBetrieb unter Druck setze. Bisherige Gespräche seienaus der Sicht der Petenten unbefriedigend verlaufen.Das letzte Angebot der Gemeinde würde eine fehlen-de Verhandlungsbereitschaft von Seiten der Gemein-de signalisieren. Des Weiteren sei in diesem Zugezwar eine „Friedenspflicht“ in einem Bebauungsplan-verfahren von der Gemeinde gefordert worden, einBebauungsplan oder ein Entwurf sei nach Kenntnisdes Petenten jedoch noch nicht erstellt. Die Gemein-de hat auf fernmündliche Anfrage am 8. Oktober mit-geteilt, dass noch kein Beschluss über die Aufstel-lung eines Bebauungsplans nach § 2 BauGB gefasstwurde.

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Hierzu hat die Gemeinde mitgeteilt:

„Die Gemeinde hat ausdrücklich betont, eine frei-willige Umlegung durchführen zu wollen und damitdie Bereitschaft auch zu Verhandlungen deutlichsignalisiert. Die Verhandlungen führten nicht zumErfolg. Die Forderungen des Petenten waren fürdie Gemeinde nicht akzeptabel, das Angebot derGemeinde war offensichtlich für den Petenten nichtannehmbar.Bereits im Jahr 2004 forderte die Familie […] fürdas geplante Wohngebiet zahlreiche Sonderrege-lungen für die Bebauung ihrer Grundstücke, z. B.zwei Vollgeschosse, Gebietscharakter Dorfgebiet,einheitliche Baugrenze im nördlichen Bereich derBauplätze, Firstrichtung in beide Richtungen sowieMaß der baulichen Nutzung Grundflächenzahl(GRZ) 0,4 und Geschossflächenzahl (GFZ) 0,8 u. a.Dem Ansinnen kam die Gemeinde im Verlauf derVerhandlungen vollständig entgegen. Auch beimErwerbspreis kam die Gemeinde der Familie bis andie Grenze des Vertretbaren entgegen. Hinsichtlichder Nutzung als landwirtschaftliche Fläche ließsich die Gemeinde sogar weitgehend auf die Kauf-preisvorstellung der Familie ein. Die Gemeindekann dem Petenten schon aus Gründen der Gleich-behandlung nicht weiter entgegenkommen.Hierzu ist des Weiteren anzumerken, dass bei einem amtlichen Umlegungsverfahren die Gemein-de einen größeren Spielraum hat, um die Durch-führung des Vorhabens zu erzwingen, als bei einemfreiwilligen Umlegungsverfahren. Im Ergebniskommt dem betroffenen Eigentümer im Rahmen desletzteren Verfahrens eine stärkere Verhandlungs-position zu. Nicht zuletzt überlässt hierbei die Ge-meinde diesen Eigentümern ein nicht unbedeuten-des Mitspracherecht bei der Durchführung desVerfahrens, welches das Risiko in sich trägt, dassauch einzelne Eigentümer ein solches Verfahrendurch ihre Teilnahme sowohl vorantreiben alsauch verzögern können.“

2. Rechtliche Würdigung

2.1 Baugenehmigung für ein Zweifamilienwohnge-bäude

Die Gemeinde hat das erforderliche Einvernehmennach § 36 Abs. 1 BauGB für die Abweichung von derfestgesetzten Erdgeschossfußbodenhöhe versagt. Dieuntere Baurechtsbehörde sowie das Regierungspräsi-dium im Widerspruchsverfahren waren seinerzeit andas Votum bzw. den Beschluss der Gemeinde gebun-den. Deshalb war die Baugenehmigung zu ver sagen.

Die Möglichkeit zur Ersetzung eines rechtswidrigversagten gemeindlichen Einvernehmens durch dieBaurechtsbehörde wurde erst mit Inkrafttreten derÄnderung der Landesbauordnung (LBO) am 1. März2010 geschaffen. Insoweit sind das Baugenehmi-gungs- und Widerspruchsverfahren nicht zu bean-standen. Die von den Petenten gerügte Verfahrens-dauer hat sich durch die verwaltungsrechtlichen Ver-fahren ergeben.

2.2 Kündigung der Pachtverträge

Entscheidungen über zivilrechtliche Fragen der Ver-pachtung gemeindeeigener Grundstücke fallen in denBereich der kommunalen Selbstverwaltung bzw. derweisungsfreien Aufgaben. In weisungsfreien Ange -legenheiten beschränkt sich die Aufsicht darauf, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sicherzustellen(§ 118 Abs. 1 Gemeindeordnung). Ein Einschreitender Rechtsaufsicht muss darüber hinaus im öffent -lichen Interesse erforderlich sein.

Im vorliegenden Fall ist unabhängig von der zivil-rechtlichen Einschätzung, ob die Petenten von der Ge-meinde nach den Vorschriften für Landpachtverträge(§§ 585 ff. BGB) ggf. eine Fortsetzung der Pachtver-hältnisse verlangen können, ein für das Einschreitender Rechtsaufsicht erforderliches öffentliches Inte -resse nicht erkennbar.

Damit kommt ein Einschreiten gegen die Kündigungder Landpachtverträge im Wege der Rechtsaufsichtnicht in Betracht.

In zivilrechtlichen Streitigkeiten ist auf die zur Verfü-gung stehenden Rechtsmittel zu verweisen. Über dasweitere Vorgehen hat der Petent zu befinden.

2.3 Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernut-zungserlaubnis

Die Einordnung als Sondernutzung ist insoweit nichtnachvollziehbar, als ein unterirdisch geführtes Strom-kabel nicht geeignet sein dürfte, den Gemeinge-brauch, also die Benutzung der Straße im Rahmen desWidmungszwecks zu Verkehrszwecken unter Beach-tung der Regelungen der Straßenverkehrs-Ordnung,zu beeinträchtigen.

Die vom Petenten vorgetragenen Gesichtspunkte unddie von der Gemeinde vorgelegten Unterlagen lassenden Schluss zu, dass es sich um eine sonstige Nutzungnach § 21 Straßengesetz handelt, sodass zwischen Ge-meinde und Petent über den Abschluss eines zivil-rechtlichen Vertrages, dessen Inhalt wesentlich vonder Bindung der Gemeindeverwaltung an Grundrechtegeprägt ist, verhandelt werden müsste. Im Einzelnen:

Die Gemeinde als Eigentümer eines Straßengrund-stücks ist allerdings in der Entscheidung über die Ge-stattung von Nutzungen grundsätzlich nicht völligfrei, da sie insoweit bei der Bereitstellung und Ver-waltung öffentlicher Straßen im Rahmen der Daseins-vorsorge tätig ist. Die öffentliche Hand übt damit beiAbschluss bürgerlich-rechtlicher Geschäfte in diesemBereich öffentliche Verwaltung aus. Sie ist auch indiesem mit Mitteln des bürgerlichen Rechts wahrge-nommenen Verwaltungsbereich den besonderen Be-urteilungsnormen der Verwaltung unterworfen.

Wie im gesamten öffentlichen Verwaltungshandelnist auch bei einem nach bürgerlichem Recht zu beur-teilenden Sondergebrauch eines Straßengrundstückszunächst der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beach-ten. Durch die Zusammenarbeit mit den Verbändender Versorgungswirtschaft, die zu gemeinsam getra-genen Muster-Verträgen geführt hat, ist eine Selbst-

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bindung in der Verwaltung eingetreten, die dieGleich behandlung aller sich entsprechender Sachver-halte zur Folge hat. Üblicherweise erteilt die Straßen-bauverwaltung im konkreten Einzelfall das Benut-zungsrecht, wenn durch die beabsichtigte Benutzungdie Sicherheit des Verkehrs nicht und die Leichtigkeitdes Verkehrs allenfalls kurzfristig und geringfügig be-einträchtigt werden sowie überwiegende straßenbau -liche oder sonstige überwiegende Belange nicht ent-gegenstehen.

Das Recht des Straßeneigentümers, andere von derBenutzung auszuschließen, findet daher nicht nur inder durch den Gemeingebrauch gekennzeichneten öffentlichen Zweckbestimmung des Straßengrund-stücks, sondern auch in den Grundrechten, insbeson-dere im Gleichheitsgrundsatz, seine Grenzen. DieStraßenverwaltung kann daher auch im fiskalischenBereich der Wahrnehmung des Rechts aus denStraßen nicht willkürlich, d. h. ohne sachlich rechtfer-tigenden Grund, dem einen versagen, was sie dem an-deren unter gleichen Verhältnissen gewährt.

Eine weitere Bindung der öffentlichen Hand bei derGewährung oder Verweigerung von Nutzungen kannsich in der Regel aus der Tatsache ergeben, dass siein gewissen Bereichen ein faktisches Monopol be-sitzt. Soweit Versorgungsleitungen nicht ohne Kreu-zung in der Verfügungsgewalt der in öffentlicherHand befindlichen Straßen verlegt werden können,ist eine durch sachliche Gründe nicht zu rechtfer -tigende Ausnutzung des Monopols nach § 826 BGBunzulässig.

Aus der Grundrechtsbindung und dem Verbot desMonopol-Missbrauchs kann sich daher ein Kontrahie-rungszwang ergeben, der nicht nur auf den Abschlussdes Nutzungsvertrags als solchen, sondern auch aufangemessene Bedingungen gerichtet ist.

2.4 Ausschreibung einer Pachtfläche der Gemeinde

Die von der Gemeinde durchgeführte Ausschreibungist nicht zu beanstanden. Über die Vergabe der Pacht-fläche und den Abschluss des privatrechtlichen Pacht-vertrags hat die Gemeinde noch zu entscheiden.

2.5 Planung einer Wohnbebauung, Umlegung

Bauleitplanverfahren

Ein Bebauungsplanverfahren nach dem Baugesetz-buch ist noch nicht eingeleitet.

Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bau-leitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für diestädtebauliche Ordnung erforderlich ist. Auf die Auf-stellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Sat-zungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kannauch nicht durch Vertrag begründet werden.

Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen hat die Ge-meinde als Träger der Planungshoheit neben den Be-langen in § 1 Abs. 6 Nrn. 1 bis 7 BauGB die Belangeder Land- und Forstwirtschaft nach § 1 Abs. 6 Nr. 8 b)besonders zu berücksichtigen. Es wird darauf hinge-

wiesen, dass nach der allgemeinen Rechtsauffassungzu den Belangen der Landwirtschaft auch betriebs -bezogene Belange gehören und den Belangen derlandwirtschaftlichen Betriebe im Verhältnis zu heran-rückender Wohnbebauung besondere Bedeutung zu-kommt. Grundsätzlich sind der Bestand und die Ent-wicklungsmöglichkeiten eines landwirtschaftlichenAnwesens abwägungsbeachtlich.

Bei der Bauleitplanung ist auch § 1 a Abs. 2 S. 1BauGB zu berücksichtigen. Danach soll mit Grundund Boden sparsam umgegangen werden; dabei sindzur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahmevon Flächen für bauliche Nutzungen die Möglich -keiten der Entwicklung der Gemeinde insbesonderedurch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachver-dichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwick-lung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf dasnotwendige Maß zu begrenzen. Nach § 1 a Abs. 2 S. 2BauGB sollen landwirtschaftlich, als Wald oder fürWohnzwecke genutzte Flächen nur im notwendigenUmfang umgenutzt werden. Nach § 1 a Abs. 2 S. 3BauGB sind die Grundsätze nach § 1 a Sätze 1 und 2BauGB nach § 1 Abs. 7 BauGB in der Abwägung zuberücksichtigen.

Nach § 3 Abs. 1 BauGB ist die Öffentlichkeit mög-lichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele undZwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidendeLösungen, die für die Neugestaltung oder Entwick-lung eines Gebiets kommen, und die voraussicht -lichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unter-richten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörte-rung zu geben.

Nach § 1 Abs. 2 BauGB sind die Entwürfe der Bau-leitpläne mit der Begründung und den nach Einschät-zung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegen-den umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauereines Monats öffentlich auszulegen. Ort und Dauerder Auslegung sowie Angaben dazu, welche Artenumweltbezogener Informationen verfügbar sind, sindmindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zumachen; dabei ist darauf hinzuweisen, dass Stellung -nahmen während der Auslegungsfrist abgegeben wer-den können, dass nicht fristgerecht abgegebene Stel-lungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bau-leitplan unberücksichtigt bleiben können und, beiAuf stellung eines Bebauungsplans, dass ein Antragnach § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung unzulässigist, soweit mit ihm Einwendungen geltend gemachtwerden, die vom Antragsteller im Rahmen der Ausle-gung nicht oder verspätet geltend gemacht wurden,aber hätten geltend gemacht werden können.

Die Gemeinde hat in dem noch ausstehenden Bauleit-planverfahren die Belange des Biolandbetriebs in dieAbwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen. Nach§ 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleit-pläne die öffentlichen und privaten Belange gegenein-ander und untereinander gerecht abzuwägen. Dabei ste-hen sich die verschiedenen privaten und öffent lichenBelange grundsätzlich als gleichwertig gegen über.

Der Petent hat im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteili-gung nach § 3 BauGB die Möglichkeit, seine Belange

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deutlich zu vertreten. Die Gemeinde muss die Be -lange des Petenten in die Abwägung nach § 1 Abs. 7BauGB einbeziehen. Soweit sich der Petent im Ergeb-nis des Bebauungsplanverfahrens in seinen Rechtenbeeinträchtigt sieht, steht ihm grundsätzlich der Wegder Normenkontrolle offen.

Nach § 47 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)kann über die Gültigkeit von Satzungen, die nach denVorschriften des Baugesetzbuchs erlassen wurden,beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einNormenkontrollverfahren angestrengt werden. Nach § 47 Abs. 2 VwGO kann den Antrag jede natürlicheoder juristische Person, die geltend macht, durch dieRechtsvorschrift oder deren Anwendung verletzt zusein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, inner-halb von einem Jahr nach Bekanntmachung der Be-bauungsplansatzung stellen.

Umlegung

Die Gemeinde hat darüber zu befinden, ob sie alsUmlegungsstelle für die Grundstücke im Umlegungs-gebiet eine freiwillige Umlegung oder eine gesetz -liche Umlegung nach § 45 ff BauGB durchführt. Siehat sich für eine freiwillige Umlegung entschieden.Die Vorgehensweise der Gemeinde, für den Plan -bereich eine freiwillige Umlegung durchzuführen, istdaher nicht zu beanstanden.

Im Übrigen ist zum bisherigen Umlegungsverfahrenauf die Ausführungen in Nr. 1.5 zu verweisen. Danachsind keine Anhaltspunkte für eine nicht sachgerechteBehandlung der Vorbringen des Petenten im Umle-gungsverfahren zu erkennen.

3. Ergebnis

Was die Sondernutzung der Straße und die Erteilungder Baugenehmigung für den Petenten angeht, kanndie Petition für erledigt erklärt werden.

Hinsichtlich der Kündigung der Pachtverträge und derNeuvergabe der Pachtflächen kann der Petition nichtabgeholfen werden. Der Petent sollte bei der Vergabeder Pachtflächen im Hinblick auf die geplante Umle-gung und zur Sicherung des Betriebs angemessenberücksichtigt werden.

Was die Planung der Wohnbebauung angeht, kann derPetition nicht abgeholfen werden. Die in Frage stehen-den betrieblichen und städtebaulichen Belange solltenzwischen dem Petenten und der Gemeinde erörtert unddabei eine einvernehmliche Lösung angestrebt werden.

Beschlussempfehlung:

Die Petition wird mit den in Ziffer 3 gege-benen Hinweisen für erledigt erklärt. Darü-ber hinaus kann der Petition nicht abgehol-fen werden.

Berichterstatter: Pröfrock

16. Petition 15/1859 betr. Angelegenheit einer Leh-rerin

Die Petentin begehrt die Anerkennung als Lehrerinüber den Weg einer Erfüllerstatusprüfung. Weiterhinbegehrt sie eine Aufstockung ihres Deputats und eineHöhergruppierung.

Zur Frage der Anerkennung über das Ableisten desVorbereitungsdienstes:

Die Petentin wurde im Jahr 1994 auf der Grundlageihrer Qualifikation als Diplom-Musiklehrerin als wissenschaftliche Lehrkraft für das Unterrichten derFächer Musik und Rhythmik (MU und RHY) an be-ruflichen Schulen eingestellt. Für diese Kombinationgibt es in Baden-Württemberg kein Lehramtsstudium;auch gab es zu jener Zeit hierfür noch keinen Vorbe-reitungsdienst. Die Unterrichtsversorgung wurde mitHochschulabsolventen mit gleicher oder ähnlicherVorbildung, wie die Petentin sie mitbringt, sicherge-stellt. Im Einzelfall konnten diese sog. Nicht-Erfüller(Lehrkräfte ohne vorgeschriebene Laufbahnbefähi-gung bzw. Zweiter Staatsprüfung) unter bestimmtenVoraussetzungen durch Beschluss des Landesperso-nalausschusses (LPA) die Laufbahnbefähigung zu -erkannt bekommen. Im Falle der Petentin wurde einsolches Verfahren nicht durchgeführt.

Mit Einrichtung des Vorbereitungsdienstes für dieFächerverbindung MU/RHY am Staatlichen Seminarfür Didaktik und Lehrerbildung (berufliche Schulen)Weingarten war auch für die Petentin die Möglichkeitgegeben, auf regulärem Weg die Laufbahnbefähigungzu erwerben. Im Oktober 2008 wurde ihr Studienab-schluss als Grundlage für die Zulassung zum Vorbe-reitungsdienst anerkannt; den Vorbereitungsdienst imJanuar 2009 hat sie jedoch nicht angetreten, weil derStandort Weingarten aus persönlichen Gründen für sienicht in Frage kam.

In der Folge hat sich die Petentin nicht für die Zulas-sung zum Vorbereitungsdienst beworben. Dies wohlin der irrigen Annahme, dass ihre Bewerbung aus demJahr 2008 unbegrenzt weiter Gültigkeit hat. Von die-ser Annahme ist sie auch nicht abgerückt, obwohl siejeweils vom Regierungspräsidium auf die Sach- undRechtslage hingewiesen worden ist.

Wegen einer besonderen Bewerberlage musste im Ja-nuar 2011 neben Weingarten auch am Staatlichen Se-minar (BS) Karlsruhe ein Kurs für MU/RHY eröffnetwerden. Das Fehlen einer fristgerechten Bewerbungder Petentin hat dazu geführt, dass sie am Vertei-lungsverfahren nicht teilnehmen konnte. Ihr wurdedie außerordentliche Möglichkeit einer nachträglichenBewerbung eingeräumt. Der Ortswunsch Karlsruhejedoch konnte nicht erfüllt werden. Die dortigen Plät-ze waren im Hauptzulassungsverfahren bereits verge-ben. Die Petentin hat den Vorbereitungsdienst im Ja-nuar 2011 nicht angetreten.

Mangels Bedarf wurde der Seiteneinstieg für dieFachrichtung Musik/Rhythmik bereits für den Vor -bereitungsdienst Januar 2013 geschlossen. Erst bei einem entsprechenden Bedarf, der jährlich neu ge-

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prüft wird, kann der Vorbereitungsdienst wieder ge -öffnet werden und erst dann ergeben sich für die Pe-tentin wieder Möglichkeiten, über das Ableisten desVorbereitungsdienstes zu einer Anerkennung ihrerLehrbefähigung zu kommen.

Zur Frage der Anerkennung über eine Erfüllerstatus -prüfung:

Im Herbst 2010 hat das Regierungspräsidium nachAbsprache mit dem Kultusministerium der Petentinangeboten, die Laufbahnbefähigung auf vereinfach-tem Weg über Lehrprobe, Dienstliche Beurteilungund Kolloquium zu erwerben – quasi in analoger An-wendung der LPA-Verfahren.

Das Regierungspräsidium hatte eine Erfüllerstatus -prüfung auf Wunsch der Lehrerin angesetzt. Im Vor-feld des Prüfungstermins wurde bei der damaligenSchulleitung eine Dienstliche Beurteilung erbeten.Diese konnte die Schulleiterin wegen längerer Erkran-kung der Petentin nicht erstellen. Daraufhin wurde derTermin abgesagt. Zu dem vom Regierungspräsidiumangesetzten Überprüfungstermin erschien die Petentinwegen Krankheit nicht. Sie hat sich vielmehr zumnächst möglichen Termin für den Eintritt in den Vor-bereitungsdienst beworben, diesen aber nicht angetre-ten, da der Ausbildungsort ihren regionalen Wün-schen nicht entsprochen hat.

Das Regierungspräsidium wird in Absprache mit demKultusministerium der Petentin, wie von ihr ge-wünscht, aber erneut eine Erfüllerstatusprüfung, diespätestens bis Ende des Schuljahres 2014/2015 abge-legt werden muss, auf dem zuvor beschriebenen We-ge über eine Lehrprobe, eine Dienstliche Beurteilungund ein Kolloquium anbieten.

Zur Frage der Aufstockung des Deputats:

Die Petentin wurde mit Wirkung vom 19. August1994 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernom-men. Der Unterrichtsumfang betrug seinerzeit 12 Un-terrichtsstunden. Sie hatte an der Staatlichen Hoch-schule für Musik Stuttgart die Fächer Musik und Rhythmik studiert und wurde entsprechend in einerberuflichen Schule eingesetzt.

In der Folgezeit stellte die Petentin mehrfach Anträgeauf Änderung ihrer Arbeitszeit, denen seitens derSchulverwaltung entsprochen wurde. Maßgeblich istfür den aktuellen Stand des Deputats der Antrag vom22. Mai 2007. Hier beantragte sie einen Stundenum-fang von 8 Stunden. Zur Begründung wurden die Be-treuung ihrer Tochter und sonstige Gründe angegeben.Bei letzteren handelte es sich um die Erstellung einerDissertation. Auf dem von ihr ausgefüllten Antragsfor-mular ist ein Befristungswunsch nicht eingetragen. Inder Folgezeit beantragte die Petentin mehrfach wiedereine Erhöhung des Stundenumfangs. Dem konnte dieSchulverwaltung jedoch nicht stattgeben, da die in Be-tracht kommenden Schulen keinen Bedarf gemeldethatten. Zur Frage des Rechts auf Aufstockung führtedie Petentin einen Prozess vor dem Arbeitsgericht. DasUrteil lautete auf Klageabweisung.

Diese Bedarfssituation hatte unter anderem zur Folge,dass die Petentin für das Schuljahr 2011/2012 an eineandere berufliche Schule abgeordnet wurde. Hierge-gen strengte sie erneut eine Klage an. Das Arbeits -gericht hat in diesem Verfahren die Maßnahme derSchulverwaltung nicht etwa als rechtswidrig beurteilt.Vielmehr wurde der Prozess durch Vergleich beendet.Die Schulverwaltung erklärte sich bereit, die Petentinin 2012/2013 wieder an ihrer Stammschule einzuset-zen. Die in der Vergangenheit erfolgten sonstigen Ab-ordnungen waren nicht Gegenstand eines Rechtsstreitsund über sie konnte daher auch kein Urteil ergehen.

Auf den Rat der Schulverwaltung hin hat die Petentinim Schuljahr 2011/2012 Online-Versetzungsanträge fürdas Schuljahr 2012/2013 in verschiedene andere Regio-nen gestellt. Es ist weder feststellbar noch nachvollzieh-bar, dass sie – wie behauptet – aus dem Sys tem gefallensein soll. Vielmehr ist es so, dass die gewünschten Re-gionen keine Aufnahmebereitschaft erklärt haben.

Zur Frage der Höhergruppierung:

Die Petentin ist derzeit als sog. Nichterfüllerin in Ent-geltgruppe 13 des TV-L eingruppiert. Sie hatte an derStaatlichen Hochschule für Musik Stuttgart die FächerMusik und Rhythmik studiert, aber im Anschluss keinen Vorbereitungsdienst absolviert. Sie ist nachZiff. 3.5.1 der Eingruppierungsrichtlinien des Ministe-riums für Finanzen und Wirtschaft (ERL) eingruppiert,d. h. sie hat ein mindestens achtsemestriges Studiuman einer wissenschaftlichen Hochschule mit Ab -schluss examen abgeschlossen und hat dadurch dieFähigkeit zum Unterrichten in mindestens zweiFächern erlangt. Zudem unterrichtet sie in der Tätig-keit von Studienräten entsprechend ihrer Eingruppie-rung mindestens in einem ihrem Studium entsprechen-den Fach. Da die Petentin bereits vor Inkrafttreten desTV-L eingestellt wurde, galt für sie grundsätzlich auchnoch der in der alten Ziff. 3.5.1 der ERL vorgesehene15-jährige Bewährungsaufstieg. Allerdings enthielt diealte Fassung der Ziff. 3.5.1 der ERL noch eine Ein-schränkung dahingehend, dass eine Höhergruppierungauch nach Ablauf der 15 Jahre noch nicht erfolgenkonnte, wenn die vergleichbare verbeamtete Lehrkraft(Studienrat) eine noch längere Zeit für ihre Beförde-rung (zum Oberstudienrat) warten musste. Nach Mit-teilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurde diePetentin dem Beförderungsjahrgang 1997 zugeordnet.Dieser Jahrgang konnte im Kalenderjahr 2012 jedochnur bei einer Dienstlichen Beurteilung mit der Note1,5 und besser befördert werden. Diese Vorgabe er-füllte die Petentin nicht. Eine Höhergruppierung bzw.Neuberechnung ihres Vergleichsentgelts nach Maß -gabe der Besitzstandsregelungen im TV-L war daherbisher nicht möglich.

Beschlussempfehlung:

Soweit der Petentin das Ablegen einer Er-füllerstatusprüfung angeboten wird, wird diePetition für erledigt erklärt. Im Übrigenkann der Petition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Salomon

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Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3710

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17. Petition 15/2334 betr. Verunreinigung vonGrund stücken durch abfließendes Niederschlag-wasser

Gegenstand der Petition:

Der Petent, vertreten durch seinen Sohn, wendet sichgegen die Beeinträchtigung der Grundstücke Flur-stücke Nr. 11847, 11807/1, 11814 und 11809 durchabfließendes Niederschlagswasser eines Industrie-parks, die aus seiner Sicht auf die nicht ordnungs-gemäße Unterhaltung des K. Berggrabens (im weite-ren Verlauf bis zur Einbindung in den G.-Bach als L.-Berggraben bezeichnet) zurückzuführen ist.

Insbesondere beschwert sich der Petent über das inak-tive Verhalten der Stadt in dieser Angelegenheit, dieSchreiben zunächst nicht beantwortet habe; fernerstellt er eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mitder Ausweisung des Industriegebiets, der Nieder-schlagswasserbeseitigung sowie bezüglich zweier Ge-stattungsverträge zwischen ihm und der Stadt, die esder Stadt erlauben, verschiedene Grundstücke des Pe-tenten zu nutzen.

1. Sachverhalt

Der Industriepark wurde im Jahre 1990 gegründet.Dazu wurde ein entsprechender Bebauungsplan auf-gestellt. Eigentümer und Betreiber des Industrieparkswar zunächst die Stadt. Im Jahr 1993 erfolgte die ersteErweiterung.

Im Jahr 1994 wurde ein interkommunaler Zweckver-band von zwei Städten gegründet, der nunmehr denIndustriepark betreibt. Im Jahr 1999 erfolgte die zwei-te Erweiterung.

Über den K.-Berggraben (im weiteren Verlauf als L.-Berggraben bezeichnet), werden aus dem Industrie-park aufgrund der erteilten wasserrechtlichen Erlaub-nis folgende Abwässer in den G.-Bach eingeleitet:

– Das Entlastungswasser aus dem Regenüberlauf-becken RÜB 3 mit einer Bemessungswassermengevon 1403 l/s;

– aus dem Regenrückhaltebecken RRB 2 Nieder-schlagswasser und Entlastungswasser aus dem Re-genüberlauf RÜ 2, gedrosselt auf einen maximalenAbfluss von 211 l/s und nach Vollfüllung desRückhalteraums bei Bemessung auf ein fünfjähr -liches Regenereignis in unbestimmter Menge überden Notüberlauf.

Bei dem K.-Berggraben handelt es sich um eine geo-grafisch schwierige Situation. Im oberen Bereich istder Graben eine steile „Klinge“, die kaum zugänglichund schwierig zu pflegen ist. Im unteren Bereich istder Ablauf verrohrt und führt dann als offener Grabenentlang eines Radwegs weiter, kreuzt den Radwegverrohrt und führt dann wieder als offener Grabendurch eine Bahnunterführung bis in den G.-Bach. DerGraben besteht seit Menschengedenken. Die Bahnun-terführung wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts hergestellt.

Die Anlagen zur abwassertechnischen Erschließungdes Industrieparks wurden entsprechend dem Standder Technik geplant und ausgeführt. Bei der Bemes-sung der Abwasseranlagen wurde die vollständige Be-bauung des Industrieparks berücksichtigt. Im Rahmender jeweiligen Wasserrechtsverfahren ist die aus -reichende hydraulische Leistungsfähigkeit des K.-Berg- bzw. L.-Berggrabens für den Bestand und dieErweiterung des Industrieparks nachgewiesen wor-den. Extreme Abflussereignisse, die über das Bemes-sungsregenereignis hinausgehen, werden grundsätz-lich nicht berücksichtigt.

Wasserrechtliche Erlaubnisse und die Genehmigun-gen ergehen unbeschadet der Rechte Dritter. Soweitalso zur Ausführung von Maßnahmen Grundstückeprivater Dritter benötigt werden, sind vor Baubeginndie Zustimmungen der Eigentümer durch den Antrag-steller einzuholen. Erhält der Antragsteller die Zu-stimmungen nicht, kann er die wasserrechtliche Er-laubnis oder Genehmigung nicht ausnutzen.

Mit Gestattungsvertrag vom 1. Juni 1990 zwischendem Petenten und der Stadt wurde die zivilrechtlicheErlaubnis erteilt, dass Niederschlagswasser des Indus -trieparks durch einen Entlastungskanal über das Flur-stück-Nr. 11847 des Petenten zum Anschluss an dieSammelkläranlage abzuleiten.

Soweit der Bevollmächtigte des Petenten vorträgt,dass bereits im Vorfeld der Baumaßnahmen zur Ein-richtung des Entlastungskanals mehrfach Grund-stücksbegehungen durch die Behördenvertreter ohneseinen Vater durchgeführt worden seien, kann diesheute nach über 20 Jahren nicht mehr nachvollzogenwerden. Auch soweit der Petent vorträgt, dass überden Abschluss des Gestattungsvertrages vor Beginnder Baumaßnahmen mit ihm keine Gespräche geführtworden seien, erscheint dies unwahrscheinlich, da einVertrag dieses Umfangs und dieser Detailliertheit ohne Vertragsverhandlungen kaum abgeschlossenwerden kann. Außerdem kann nicht mehr nachvollzo-gen werden, wann genau mit den Baumaßnahmen be-gonnen wurde.

Die vom Petenten angesprochenen Gräben sind alsGewässer zweiter Ordnung einzustufen, deren Unter-haltung nach § 49 Abs. 2 des Wassergesetzes für Ba-den-Württemberg (WG) den Gemeinden obliegt. Beieinem Ortstermin des Landratsamtes am 18. März2013 wurde festgestellt, dass durch Abschwemmun-gen im Bereich des Flurstücks Nr.: 11847 am rechtenUfer der angrenzende Steilhang „angerissen“ wurde.Weitere Uferabschwemmungen sind aus der Sicht derWasserbehörde nicht auszuschließen. Außerdem istdie im Zuge des Straßenbaus eingebrachte Befesti-gung (Einleitung von Straßenoberflächenwasser) be-schädigt, teilweise abgeschwächt und teilweise auchals Abflusshindernis im Gewässerbett verblieben.

Die Schäden, die der Petent vorträgt, sind bei Starkre-genereignissen (Unwetter) aufgetreten. Genannt wer-den Starkregenereignisse aus dem Jahre 2005 sowievom 3. Juli 2009, 6. Juli 2009 und 13. Juli 2011.

Die Aufdimensionierung der Verdolung im Bereichder Flurstücke-Nr. 11809 und 11817 wurde ent -

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sprechend der Entscheidung des Landratsamtes vom28. September 2011 durchgeführt. Das Landratsamthat die Maßnahmen im Juni 2012 dokumentiert. DieSanierung des Grabens im Bereich des GrundstücksFlurstück-Nr. 11809 wurde im Dezember 2012 undim Januar 2013 durchgeführt.

Im Jahre 2012 wurde zur Pufferung und gedrosseltenAbleitung von Oberflächenwasser aus dem Industrie-park ein großes Regenwasser-Rückhaltebecken (RBB 2)gebaut. Daraus folgt, dass künftig nur noch geringeWassermengen abgeleitet werden. Dem Bevollmäch-tigten des Petenten sind mit Schreiben vom 2. No-vember 2010 die Planunterlagen mit dem Angebot derStadt übergeben worden, sich die Maßnahmen erläu-tern zu lassen. Bisher hat der Bevollmächtigte des Pe-tenten davon keinen Gebrauch gemacht.

Die Sanierungsmaßnahmen auf dem Grundstück Flur-stück-Nr. 11847 des Petenten sind bisher nicht durch-geführt worden, da der Petent diese sowie das Betre-ten des Grundstücks von seiner ausdrücklichen Zu-stimmung abhängig gemacht hat. Weil diese Zustim-mung nicht vorliegt, hat die Stadt bisher mit der Sa-nierung nicht begonnen.

Der gültige Bebauungsplan war ein projektbezogenesVorhaben. In dem Bebauungsplan wurde auch dasGrundstück Flurstück-Nr. 11786 der Bevollmächtig-ten des Petenten aufgenommen. Die in der Presse wie-dergegebene Aussage des Bürgermeisters der Stadt,die Eigentumsverhältnisse seien geklärt, beruhen aufden Angaben eines Kaufinteressenten. Dieser war of-fensichtlich der Meinung, mit dem Petenten einig ge-worden zu sein. Dass es Kontakt zu einem Kaufinter-essenten gab, bestätigt der Petent. Er ist aber der Mei-nung, dass es sich nur um eine lose Anfrage des Inte -ressenten handelte.

Soweit der Petent rügt, dass die im Zuge der Er-schließung des Bebauungsplans entfernten Grenz -steine bei seinen Grundstücken erst später gesetztwurden als bei dem Grundstück eines anderen Grund-stückseigentümers, ist festzuhalten, dass die Grenz-steine für das Grundstück Flurstück-Nr. 11813, das ei-nem anderen Eigentümer gehört, am 10. August 2010gesetzt wurden. Die Aufträge für die Grenzsteinset-zung für die Grundstücke des Petenten und einGrundstück des Bruders des Bevollmächtigten des Pe-tenten wurden seitens der Stadt am 17. August 2010erteilt. Der Petent ist der Meinung, dass die Auftrags-erteilung erst erfolgt sei, als er sich mit Schreibenvom 13. August 2010 an den Bürgermeister der Stadtgewandt und auf mangelnde Bürgernähe hingewiesenhabe.

Nach den vertraglichen Regelungen im Gestattungs-vertrag vom 1. Juni 1990 ist es den Beauftragten derStadt und des Wasserwirtschaftsamtes erlaubt, dasGrundstück jederzeit zu betreten. Der Petent meintnun, dass Beauftragte im Sinne des Vertrages nur Mit-arbeiter der Stadt sein dürfen, nicht aber Mitarbeitervon Firmen, die im Auftrag der Stadt Arbeiten aufdem Grundstück vornehmen.

2. Rechtliche Würdigung

Der Industriepark der Stadt besteht seit 1990. Er ist ab-wassertechnisch korrekt erschlossen. Für die jeweili-gen Erschließungsmaßnahmen sind die notwendigenwasserrechtlichen Gestattungen vom Landratsamt er-teilt worden. Mit Entscheidung des Landratsamtes vom7. Februar 1991 ist der für den Bau und den Betriebdes Abwasserverbindungskanals vom Gewerbegebietzur Ortskanalisation der Stadt einschließlich der Re-genwasserbehandlungsanlage und der ab wassertech -nischen Erschließung des Gewerbegebiets erforder -liche Planfeststellungsbeschluss erlassen worden.

Gleichzeitig ist die baurechtliche Genehmigung zur Er-richtung des Regenüberlaufbeckens – RÜB 3 – erteiltworden. Ferner ist auch die wasserrechtliche Erlaubniserteilt worden, das Niederschlagswasser nach Vollfül-lung des Regenüberlaufbeckens – RÜB 3 −, über 18 l/sanfallendes Mischwasser über dem Beckenüberlauf – BÜ 3 –, durch eine Rohrleitung DN (Diameter nomi-nal) 700 bzw. DN 800 und einen vorhandenen Wasser-graben auf dem Grundstück Flurstück-Nr. 783 auf derGemarkung der Stadt in den G.-Bach einzuleiten. Diesewasserrechtliche Erlaubnis war bis zum 31. Dezember2011 befristet. Die weitere Einleitung ist allerdingsvom Landratsamt bis zum 31. Dezember 2014 im Hin-blick auf die von der Stadt erstellte Schmutzfrachtbe-rechnung für sämtliche Regenwasserbehandlungsanla-gen im Einzug ihrer Sammelkläranlage geduldet wor-den. Diese kurzfristige Duldung ist im Hinblick auf dievon der Stadt vorzulegenden Planunterlagen nicht zubeanstanden. Die Stadt ist aufgefordert worden, nachVorliegen der Daten der Schmutzfrachtberechnungneue Unterlagen bis zum 1. Juni 2013 vorzulegen. Dasvon der Stadt beauftragte Planungsbüro hat die Unter-lagen bereits mit dem Landratsamt abgestimmt.

Die Anlagen zur abwassertechnischen Erschließungdes Industrieparks sind entsprechend dem Stand derTechnik geplant und ausgeführt worden. Bei der Be-messung der Anlagen wurde die vollständige Bebau-ung des Industriegebiets berücksichtigt. Im Rahmender Wasserrechtsverfahren ist die hydraulische Leis -tungsfähigkeit des K.-Berg- bzw. L.-Berggrabensnachgewiesen worden. Die Verfahrensweise und derBemessungsumfang sowohl des Überlauf- als auchdes Rückhaltebeckens sind nicht zu beanstanden.

Der K.-Berggraben bzw. der L.-Berggraben sind Ge-wässer zweiter Ordnung. Die Gewässerunterhaltungobliegt damit nach § 49 Wassergesetz für Baden-Württemberg (WG) der Gemeinde. Die Gewässerun-terhaltung umfasst nach § 39 des Wasserhaushaltsge-setzes (WHG) insbesondere auch die Erhaltung desGewässerbetts, auch zur Sicherung eines ordnungs-gemäßen Wasserabflusses. Bei Verletzung der Unter-haltungspflicht steht betroffenen Eigentümern einAmtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Ver -bindung mit Artikel 34 GG zu. Bei einem Ortsterminder unteren Wasserbehörde des Landratsamtes am 18. März 2013 konnte festgestellt werden, dass durchAbschwemmungen im Bereich des Grundstücks Flur-stück-Nr. 11847 am rechten Ufer der angrenzendeSteilhang „angerissen“ wurde.

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Weitere Uferabschwemmungen sind nicht auszu -schließen. Die Stadt hat gegenüber der unteren Was-serbehörde, aber auch gegenüber dem Petenten erklärt,dass sie den an den Grundstücken des Petenten ent-standenen Schaden ersetzen wird, wenn dieser zeitnahund belegbar geltend gemacht wird. Bisher hat der Pe-tent den Schaden aber nicht geltend gemacht.

Mit der wasserrechtlichen Entscheidung des Landrats -amtes vom 28. September 2011 ist auch die Aufdi-mensonierung der Verdolung im Bereich der Flur-stücke Nr. 11809/11817 durchgeführt worden. Die Sa-nierung des Grabens im Bereich des Flurstücks 11809wurde ebenfalls im Dezember 2012/Januar 2013durch geführt. Diese Schäden sind damit beseitigt wor-den. Die Stadt ist insoweit ihrer Unterhaltungspflichtentsprechend § 39 WHG nachgekommen.

Zu den Fragen des Petenten:

In Bezug auf die Zuständigkeit für die Sanierung bzw.Instandhaltung des K.-Berggrabens ist der Bevoll-mächtigte des Petenten mit Schreiben vom 6. Februar2013 von der Stadt entsprechend unterrichtet worden.Dieses Schreiben hat sich mit dem Petitionsschreibengekreuzt. Das Schreiben des Petenten an den Landtagdatiert vom 5. Februar 2013 und ist am 7. Februar2013 im Landtag eingegangen.

Der Petent beklagt sich, dass das Scheiben des Bau-ernverbandes vom 23. Januar 2009 sowie sein Schrei-ben vom 14. Juli 2009 von der Stadt nicht beantwortetworden seien. Es ist zutreffend, dass die Schreibennicht beantwortet worden sind. Sie sind allerdings mitdem Petenten selbst im Rathaus der Stadt erörtertworden.

Am 1. Juni 1990 hat der Petent mit der Stadt einenGestattungsvertrag abgeschlossen sowie der Stadt dieBewilligung einer beschränkten persönlichen Dienst-barkeit der Stadt eingeräumt, damit diese für den An-schluss des Industrieparks an die Sammelkläranlageeinen Entlastungskanal über Grundstücke des Peten-ten einrichten konnte. Die Unterschrift des Petentenunter den Gestattungsvertrag ist am 1. Juni 1990 vordem Ratsschreiber der Stadt geleistet worden. Ein solcher Vertrag mit detaillierten Regelungen zu Betre-tungsrechten sowie zu den Entschädigungsleistungender Stadt kann nicht abgeschlossen werden, ohne dasszuvor entsprechende Vertragsverhandlungen vorge-nommen worden sind. Es ist unwahrscheinlich, dassder Petent am 1. Juni 1990 gleichsam auf das Rathausder Stadt „bestellt“ worden ist, um den fertigen Ver-trag zu unterschreiben.

Soweit es um die vom Petenten gerügte Betretung derGrundstücke vor Vertragsabschluss geht, kann diesnach über 20 Jahren nicht mehr aufgeklärt werden.Wenn der Petent vorträgt, dass Bedienstete des ehe-maligen Wasserwirtschaftsamtes bei Begehungenmehrfach darauf hingewiesen hätten, dass der Grund-stückseigentümer über die besprochenen Maßnahmenzu unterrichten sei, kann dies ebenfalls nicht mehraufgeklärt werden. Die Bediensteten des ehemaligenWasserwirtschaftsamtes sind inzwischen längst imRuhezustand und können nicht mehr erreicht werden.

Es ist selbstverständlich üblich und entspricht auchden Vorgaben unserer Rechtsordnung, dass vor derBetretung von Grundstücken der Grundstückseigentü-mer unterrichtet ist.

Soweit der Petent rügt, dass seitens der Stadt Bauauf-träge an Baufirmen erteilt worden seien, obwohl nochgar keine Genehmigung dafür vorgelegen hätte undauch der Grundstückseigentümer gar nicht unterrich-tet worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass die Ver-gabe von Aufträgen vor Genehmigungserteilung undvor Zustimmung des Eigentümers grundsätzlich mög-lich ist. In diesem Fall trägt der Auftraggeber aller-dings das Risiko, dass die Genehmigung nicht erteiltwird oder der Eigentümer nicht einwilligt. Wasser-rechtliche Genehmigungen werden im Übrigen unbe-schadet privater Rechte erteilt. In Bezug auf das neuegeplante Regenüberlaufbecken ist darauf hinzuwei-sen, dass die Stadt als Betreiberin für Schäden zu haf-ten hat, die durch den Betrieb entstehen. Der Petenthat, sofern Schäden entstehen sollten, diese gegenüberder Stadt geltend zu machen.

Hinsichtlich des Gestattungsvertrags vom 29. April2004, der der Stadt die Befugnis einräumte, eineWasserleitung samt Steuerkabel durch das Flur-stück-Nr. 11923 des Petenten zu legen gilt das obenGesagte zum Gestattungsvertrag vom 1. Juni 1990entsprechend.

Was den Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplanangeht, ist darauf hinzuweisen, dass die Aussage desBürgermeisters in der Gemeinderatssichtung, die Eigentumsverhältnisse seien als geklärt zu betrachten,auf die Information eines potenziellen Erwerberszurückzuführen ist. Wenn die Eigentumsverhältnissenoch nicht geklärt gewesen wären, hätte dies aller-dings keine Auswirkungen auf das Verfahren zurAufstellung des Bebauungsplans gehabt.

In Bezug auf die Grenzsteinsetzung ist festzuhalten,dass es keinen sachlichen Grund dafür gibt, weshalbsich der Auftrag für das Einsetzen der neuen Grenz-steine auf den Flurstücken des Petenten verzögerte.Dies kann nur auf den normalen Verwaltungsablaufzurückgeführt werden.

Der Petent hat seinem Sohn Vollmacht in allenGrundstücksfragen gegenüber der Stadt erteilt. Bei ei-ner Ortsbesichtigung auf dem Flurstück-Nr. 11847wurde der Petent von dem Mitarbeiter einer von derStadt beauftragten Firma darauf angesprochen, dass inGrundstücksangelegenheiten doch der Sohn und nichter selbst zuständig sei. Ob diese Äußerung so gefallenist, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden.Sollte sie so gefallen sein, müsste sie als unklug be-zeichnet werden. Auch wenn der Grundstückseigentü-mer einem Anderen Vollmacht erteilt hat, heißt diesnicht, dass er sich zu den sein Grundstück betreffen-den Vorgängen nicht mehr äußern darf. Soweit sichder Petent darüber beklagt, dass der Gestattungsver-trag vom 1. Juni 1990 nur Beauftragten der Stadt er-laube, das Grundstück zu betreten, ist festzuhalten,dass Beauftragte im Sinne des Vertrages nicht nur Be-dienstete der Stadt selbst sondern auch solche von derStadt beauftragte Baufirmen sind. Diese haben nach

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dem Vertrag ebenso das Recht, das Grundstück zu be-treten. Ein Verstoß gegen den Gestattungsvertrag istnicht zu erkennen.

Soweit der Bevollmächtigte des Petenten sich darüberbeklagt, dass trotz seiner Bevollmächtigung die Stadteine Nachbarbeteiligung im Rahmen eines Baugeneh-migungsverfahrens an den Petenten geschickt habe,ist es zwar ein Verstoß gegen die Bevollmächtigung.Es handelte sich jedoch um eine freiwillige Angren-zerbenachrichtigung, die routinemäßig anhand der imBaugesuch vorhandenen Flurstücksnummer vorge-nommen wurde. Die Stadt wird die Bevollmächtigungin Zukunft beachten.

Ergebnis:

Soweit der Petent vorträgt, dass durch die Nieder-schlagswasserbeseitigung Schäden an seinem Grund-stück eingetreten sind, hat sich die Petition erledigt,da die Stadt erklärt hat, entstandene Schäden zu be-gleichen. Der Petent ist aufgefordert, diese zeitnahund belegbar bei der Stadt geltend zu machen. Soweitder Petent Schäden geltend macht, die vor über 20 Jahren entstanden sind, kann der Petition nicht ab-geholfen werden.

In Bezug auf die Gewässerunterhaltung ist die Stadtauf ihre Verpflichtung nach § 49 WG hingewiesenworden. Die Stadt ist ferner ausdrücklich auf die Be-stimmungen des § 41 WHG hingewiesen worden. Da-nach haben die Anlieger und Hinterlieger die zur Un-terhaltung des Gewässers erforderlichen Arbeiten undMaßnahmen am Gewässerbett und auf den Ufergrund-stücken zu dulden. Den duldungspflichtigen Personensind die beabsichtigten Maßnahmen allerdings recht -zeitig anzuzeigen. Die Stadt ist aufgefordert worden,dem Bevollmächtigten des Petenten die beabsichtigtenMaßnahmen umgehend anzuzeigen und dann schnellst -möglich die notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen indie Wege zu leiten. Die ausdrückliche Einwilligung desPetenten ist dafür nicht erforderlich. Auch insofern hatsich die Petition erledigt.

Beschlussempfehlung:

Die Petition wird, soweit ihr abgeholfenwurde, für erledigt erklärt. Im Übrigen kannder Petition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Salomon

18. Petition 15/2636 betr. Gnadensache

Die Petentin begehrt die Aussetzung der weiterenVollstreckung einer Gesamtfreiheitsstrafe von einemJahr zur Bewährung im Wege der Gnade.

I. Sachverhalt

Mit Urteil vom 18. Februar 2010 sprach das zustän -dige Amtsgericht die Petentin wegen 17 Fällen des

Betruges schuldig und verhängte gegen sie – unterEinbeziehung eines bereits am 2. November 2009 we-gen Betruges in 20 Fällen ergangenen Strafbefehls –eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, derenVollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die Be-währungszeit setzte das Amtsgericht auf drei Jahrefest und unterstellte die Petentin der Aufsicht und Lei-tung eines Bewährungshelfers. Daneben gab es ihrauf, 80 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten undin Absprache mit der Bewährungshilfe nach bestenKräften den durch ihre Straftaten entstandenen Scha-den wiedergutzumachen sowie ihre Schulden zu regu-lieren.

Dem Urteil und dem einbezogenen Strafbefehl lag intatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass die Petentin imZeitraum vom 10. September bis zum 9. Dezember2008 in insgesamt 37 Fällen in ein- und demselbenSupermarkt unter Verwendung einer EC-Karte (Last-schriftverfahren) Waren des täglichen Bedarfs einge-kauft hat, ohne dass auf ihrem Konto ausreichendeGeldmittel vorhanden waren. Da mangels Konto -deckung die Lastschriften zurückgegeben wurden,entstand dem geschädigten Supermarkt ein Schadenin Höhe von insgesamt € 1.968,39.

Der Verlauf der Bewährung sowie die Zusammenar-beit mit dem der Petentin beigeordneten Bewährungs-helfer gestaltete sich von Anfang an schwierig.

So brauchte sie zunächst zur Ableistung der ihr auf -gegeben Arbeitsstunden mehrere Anläufe und meh -rere Einsatzstellen. Zudem erschien sie mehrmals zumit ihrem Bewährungshelfer ausgemachten Terminennicht. Auf Anregung ihres Bewährungshelfers kam esso am 26. Oktober 2011 zu einem ersten gerichtlichenAnhörungstermin, bei dem die Petentin nachdrücklichzu einer verlässlichen Zusammenarbeit mit ihrem Be-währungshelfer aufgefordert wurde.

In der Folge trat dennoch keine Verbesserung ein. Er-neut hielt die Petentin Termine bei ihrem Bewäh -rungshelfer nicht ein und nahm auch dessen Angebote,sich im Hinblick auf die Bewährungsauflagen gemein-sam mit ihr um eine mögliche Regulierung ihrer Schul-den und die Wiedergutmachung des durch ihre Strafta-ten entstandenen Schadens zu kümmern, nicht an.

Daraufhin fand am 18. April 2012 eine erneute rich-terliche Anhörung statt, bei der die Petentin ihr Fehl-verhalten einräumte. Dies nahm der Richter zum An-lass, sie zur Beachtung der Bewährungsauflagen zuermahnen.

Da die Petentin im Rahmen der zweiten Anhörung an-gegeben hatte, zur Zahlung einer monatlichen Rate inHöhe von € 10,00 zur Schadenswiedergutmachungbereit und in der Lage zu sein, änderte das zuständigeAmtsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2012 die imursprünglichen Bewährungsbeschluss enthaltene Auf-lage zur Schadenswiedergutmachung nach bestenKräften dergestalt ab, dass hierzu monatlich € 10,00zu zahlen und dies alle drei Monate dem Bewährungs-helfer nachzuweisen sei.

Die Zusammenarbeit der Petentin mit ihrem Be-währungshelfer besserte sich jedoch auch in Zukunft

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nicht. Erneut nahm sie Termine ohne Entschuldigungnicht wahr und stellte schließlich den Kontakt zuihrem Bewährungshelfer ganz ein. Auch erbrachte siekeinerlei Nachweise über die von ihr monatlich alsSchadenswiedergutmachung zu zahlenden € 10,00.Daraufhin kam es am 29. November 2012 zu einer er-neuten richterlichen Anhörung der Petentin. Hierbeiräumte die Petentin ein, einige Termine bei ihrem Be-währungshelfer versäumt und zwei Raten nicht be-zahlt zu haben, da sie kein Geld zur Verfügung gehabthätte. Weiter gab sie an, dass sie seit Anfang Novem-ber 2011 eine Teilzeitbeschäftigung ausüben würde.Erneut wurde die Petentin vom Gericht nachdrücklichdarauf hingewiesen, dass Bewährungsauflagen einzu-halten seien. Insbesondere wurde sie konkret dazuaufgefordert, die ausstehenden zwei Raten umgehendzu bezahlen und die Zahlung gegenüber dem Bewäh -rungshelfer nachzuweisen.

Jedoch kam die Petentin auch dieser Aufforderungnicht nach. Auch auf die schriftliche Aufforderungdes Gerichts, hierzu Stellung zu nehmen, erfolgte kei-ne Reaktion. Daraufhin widerrief das Amtsgericht mitBeschluss vom 15. Februar 2013 die der Petentin ge-währte Strafaussetzung zur Bewährung.

Nachdem der Widerrufsbeschluss Rechtskraft erlangthatte, lud die zuständige staatsanwaltschaftlicheZweig stelle die Petentin auf den 2. April 2013 zumStrafantritt in die Justizvollzugsanstalt Da sich die Pe-tentin nicht zum Strafantritt stellte, erließ die staatsan-waltschaftliche Zweigstelle am 4. April 2013 einenVorführbefehl. Dieser wurde am 22. April 2013 durchPolizeibeamte vollstreckt und die Petentin in die betref-fende Justizvollzugsanstalt verbracht. Der Ver teidigerder Petentin hatte zwar zuvor bereits am 12. April 2013bei der staatsanwaltschaftlichen Zweig stelle in P. einGnadengesuch eingereicht. Von einer vorläufigen Ein-stellung der Vollstreckung hatte die staatsanwaltschaft-liche Zweigstelle jedoch abgesehen, da sie keine erheb-lichen Gnadengründe zu erkennen vermochte.

Das zuständige Amtsgericht, das sowohl die zu voll-streckende Strafe als auch den Widerruf der ursprüng-lich gewährten Strafaussetzung zur Bewährung ausge-sprochen hat, hat sich gegen die Gewährung einesGnadenerweises ausgesprochen.

Die Petentin ist neben den bereits erwähnten zweiStraferkenntnissen noch weiter vorbestraft. In ihremAuszug aus dem Bundeszentralregister finden sichdrei weitere einschlägige Verurteilungen wegen Be-trugs aus den Jahren 2004, 2006 und 2008. Damalsreagierten die Gerichte noch mit Geldstrafen auf ihreStraftaten.

II. Rechtliche Würdigung

Die anwaltlich vertretene Petentin begehrt die (er -neute) Aussetzung der weiteren Vollstreckung derGesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährungim Wege der Gnade.

Zur Begründung bringt ihr Rechtsanwalt in erster Linie vor, die Inhaftierung der Petentin gefährde dieLebensgrundlage ihrer vierköpfigen Familie. Die 30-

jährige Petentin sei verheiratet und habe zwei Kinderim Alter von 10 und 14 Jahren, um die sie sich küm-mern müsse. Zudem gefährde die Inhaftierung ihre imMärz 2013 aufgenommene Arbeitstätigkeit und damitauch den Lebensunterhalt der Familie, da zu besorgensei, dass der Ehemann seine Anstellung verliere. Hinzukomme, dass die Petentin nunmehr – da sie arbeite –auch in der Lage sei, Schadenswiedergutmachung zuleisten. Hierzu sei sie auch grundsätzlich bereit. Zubeachten sei auch, dass der Widerruf der Bewährungnicht hätte erfolgen dürfen, da die der Petentin ge-machte Auflage zur Schadenswiedergutmachung zuunbestimmt gewesen sei. Seine Mandantin habe ins-besondere – und dies gelte auch für die Konkretisie-rung durch den Beschluss des zuständigen Amtsge-richts vom 31. Mai 2012 – nicht gewusst, an wen kon-kret sie ihre Zahlungen im Rahmen der Schadenswie-dergutmachung zu leisten habe. Die Filiale der durchihre Straftaten geschädigten Supermarktkette existierenämlich schon seit zwei Jahren nicht mehr. Schluss -endlich sei auch zu beachten, dass der Ehemann derPetentin schwer an Lungenkrebs erkrankt sei und nurnoch eine Lebenserwartung von ungefähr vier Jahrenhabe. Auch die Petentin selbst sei schon einmal anKrebs erkrankt gewesen.

Die von der Petentin begehrte Aussetzung der wei -teren Vollstreckung der einjährigen Gesamtfreiheits-strafe zur Bewährung kann ihr im Wege der Gnadenicht gewährt werden.

Voraussetzung der Gewährung eines Gnadenerweisesist nach § 3 der baden-württembergischen Gnadenord-nung das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände,die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ent-weder noch nicht vorgelegen haben oder dem Gerichtnicht bekannt gewesen sind.

Die angespannte familiäre Situation, insbesondereauch das Vorhandensein zweier minderjähriger Kin-der, war dem zuständigen Amtsgericht bekannt, als esdie der Petentin gewährte Strafaussetzung zur Be-währung widerrief. Diese Umstände sind daher nicht„neu“ und somit auch nicht geeignet, den begehrtenGnadenerweis zu begründen, zumal die Kinder durchden Ehemann und (Stief-)Vater betreut werden kön-nen. Hinzu kommt, dass die 10-jährige Tochter sich ineiner Hortbetreuung befindet und der älteste Sohn be-reits 14 Jahre alt ist.

Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass derPetentin in der Bewährungszeit ein sehr aktiver Be-währungshelfer zur Seite stand, dessen zahlreicheHilfsangebote sie schlicht nicht wahrgenommen undzu den Terminen sie oft auch unentschuldigt nicht er-schienen ist. Schlussendlich hat sie sogar den Kontaktzu ihrem Bewährungshelfer abgebrochen. Dies alles,obschon sie vom bewährungsüberwachenden Gerichtmehrmals – auch im Rahmen von mündlichen An-hörungen – auf ihr Fehlverhalten hingewiesen undnachdrücklich zu einem verbesserten Bewährungsver-halten aufgefordert worden war.

Ein Gnadenerweis lässt sich insbesondere auch nichtdamit begründen, dass sie nunmehr bereit sei, Scha-denswiedergutmachung zu leisten und dass dies bis-

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her deshalb unterblieben sei, da sie nicht gewusst ha-be, an wen sie zu leisten gehabt hätte. Auch diesbe-züglich hätte sie die Hilfe ihres Bewährungshelfers inAnspruch nehmen können, der ihr mehrfach Unter-stützung bei der Regulierung ihrer Schulden angebo-ten hatte. Zudem kann in der ihr schlussendlich aufer-legten monatlichen Ratenzahlung von € 10,00 auchangesichts der finanziellen Situation der Familie keineunverhältnismäßige Belastung gesehen werden, zumalsich die Petentin aufgrund des der Familie nach ihrenAngaben zur Verfügung stehenden Nettoeinkommensvon € 2.000,– monatlich hierzu auch ausdrücklich be-reit erklärt hatte.

Auf möglicherweise vorhandene gesundheitliche Ein-schränkungen der Petentin kann im Rahmen der Voll-zugsform sowie der Vollzugsgestaltung ausreichendRücksicht genommen werden, zumal gesundheitlicheEinschränkungen einen Gnadenerweis grundsätzlichohnehin nicht zu rechtfertigen vermögen.

Nach alledem kann der begehrte Gnadenerweis nichtgewährt und der Petition daher nicht abgeholfen wer-den. Angemerkt sei abschließend jedoch, dass bei derPetentin als Erstverbüßerin zu gegebener Zeit vonAmts wegen die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2StGB gerichtlich zu prüfen sein werden, wonach eineAussetzung der weiteren Strafvollstreckung zur Be-währung nach Verbüßung der Hälfte der Strafe mög-lich ist.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Salomon

19. Petition 15/2676 betr. Aufenthaltstitel

I. Sachverhalt:

Die Petenten begehren ein dauerhaftes Aufenthalts-recht im Bundesgebiet.

Bei den Petenten handelt es sich um 25 und 21 Jahrealtes Ehepaar und deren 5- und 2-jährige Kinder. Siesind serbische Staatsangehörige und Volkszugehörigeder Roma.

Die Petentin wurde 1991 als Tochter von Asylbewer-bern im Bundesgebiet geboren. Im Januar 1994 reistedie Familie freiwillig aus.

Im Juni 1998 reiste die Petentin mit einem französi-schen Besuchsvisum erneut in das Bundesgebiet ein.Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubniswurde abgelehnt.

Im Oktober 2000 stellte sie einen Antrag auf Durch-führung eines weiteren Asylverfahrens. Das Bundes-amt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge(heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge –Bundesamt) lehnte den Antrag mit Bescheid von Feb -ruar 2002 ab und forderte sie unter Androhung der

Abschiebung nach Jugoslawien zur Ausreise auf. EinAntrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung(VwGO) wurde mit Beschluss vom März 2002 abge-lehnt, die Klage wurde im April 2002 zurückgenom-men. Daraufhin trat im April 2002 die Bestandskraftein. Die Familie reiste im Mai 2002 freiwillig aus.

Die Petentin reiste im August 2010 erneut in das Bun-desgebiet ein und stellte wieder einen Antrag aufDurchführung eines weiteren Asylverfahrens. Siewurde von dem Petenten und ihren Kindern begleitet.Diese stellten im September 2010 einen Asylerstan-trag. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Peten-ten und der beiden Kinder mit Bescheid von Oktober2010 als offensichtlich unbegründet ab und fordertediese unter Androhung der Abschiebung nach Serbienzur Ausreise auf. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGOwurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vomNovember 2010 abgelehnt. Im Dezember 2010 wurdedas Asylverfahren der Petentin nach Rücknahme desAntrags eingestellt. Die Bestandskraft trat im Januar2011 ein. Die Familie reiste im März 2011 freiwilligaus. Im Mai 2011 wurde die noch offene Klage desPetenten und der beiden Kinder abgewiesen. Die Be-standskraft trat im August 2011 ein.

Die Petenten reisten im August 2011 erneut in dasBundesgebiet ein und stellten abermals Anträge aufDurchführung weiterer Asylverfahren. Das Bundes-amt lehnte diese mit Bescheiden vom September 2011ab. Die Bestandskraft trat noch im September 2011ein. Im April 2012 erfolgte eine erneute freiwilligeAusreise.

Zuletzt reisten die Petenten im August 2012 in dasBundesgebiet ein und stellten Anträge auf Durch-führung weiterer Asylverfahren. Das Bundesamtlehnte diese mit Bescheiden vom November 2012 ab.Bezüglich des Petenten und der Kinder erlangte dieserim November 2012 Bestandskraft. Die Petentin hatteKlage gegen ihren Bescheid erhoben, welche mit Ur-teil des Verwaltungsgerichts vom März 2013 abge-wiesen wurde. Ein Antrag auf Zulassung der Beru-fung wurde gestellt, über den bislang noch nicht ent-schieden wurde.

Gegen den Petenten wurde im März 2012 eine Geld-strafe in Höhe von 12 Tagessätzen wegen Erschlei-chens von Leistungen in drei Fällen verhängt.

Die Petenten standen stets im öffentlichen Leistungs-bezug. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass derLebensunterhalt der Petenten zukünftig durch eigeneErwerbstätigkeit gesichert wird.

Der Sohn leidet laut einem ärztlichen Attest an einerasthmatischen Bronchitis und einem nephrotischenSyndrom.

II. Die Überprüfung ergab Folgendes:

Die Petenten haben keinen Anspruch auf Erteilung ei-nes Aufenthaltstitels.

Soweit sich die Petenten auf politische Verfolgungbzw. auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten imSinne des § 60 Abs. 1 bzw. Abs. 2 bis 7 AufenthG be-

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rufen, ist die Petition der Zuständigkeit des Landesentzogen.

Die Entscheidung über das Vorliegen politischer Ver-folgung – auch im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG –ist beim Bundesamt konzentriert. Nach dem Asylver-fahrensgesetz entscheidet das Bundesamt auch überdas Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60Abs. 2 bis 7 AufenthG und erlässt die Abschiebungs-androhung. Die Entscheidungen des Bundesamts bin-den die Ausländerbehörden des Landes. Das Land hatinsofern keine Prüfungs- und Entscheidungskompe-tenz.

Die Petenten haben das Bundesgebiet wieder zu ver-lassen, nachdem sie keine Anerkennung als Asylbe-rechtigte gefunden haben. Die Ausreisepflicht der Pe-tenten ist vollziehbar. Die Zulässigkeit der Abschie-bung ist rechtskräftig festgestellt; Abschiebungsver-bote oder sonstige Abschiebungshindernisse bestehennicht. Es besteht eine unmittelbare gesetzliche Pflichtder Ausländer, die zur Durchführung eines Asylver-fahrens in das Bundesgebiet eingereist sind und derenAsylantrag abgelehnt wurde, die BundesrepublikDeutschland wieder zu verlassen.

Die Petenten können auch kein asylunabhängigesBleiberecht erhalten.

Als Rechtsgrundlage für den weiteren Verbleib derPetenten im Bundesgebiet kommt auch nicht § 25Abs. 5 AufenthG in Betracht, denn ein dauerhaftesund unverschuldetes rechtliches oder tatsächlichesAusreisehindernis ist nicht ersichtlich. Art. 6 GG undArt. 8 EMRK stehen einer Rückkehr der Petentennach Serbien nicht entgegen.

Die Petenten haben im Bundesgebiet keine durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten familiärenBindungen.

Aber auch der Aspekt des nach Art. 8 Abs. 1 EMRKgeschützten Privatlebens steht einer Ausreise der Pe-tenten nicht entgegen. Ein Privatleben im Sinne desArt. 8 EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrifteröffnet und eine Verwurzelung im Sinne der Recht-sprechung des Europäischen Gerichtshofs für Men-schenrechte begründet, kommt grundsätzlich nur aufder Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestanddes Aufenthaltsrechts in Betracht. Der Aufenthalt derPetenten ist seit dem Abschluss des Asylverfahrensrechtswidrig. Da ihnen ausschließlich asylverfahrens-rechtliche Aufenthaltsgestattungen und Duldungen er-teilt worden sind, wurde ihnen zu keiner Zeit ein Auf-enthaltsrecht eingeräumt, das ein berechtigtes Ver-trauen, in Deutschland bleiben zu dürfen, hätte be-gründen können.

Doch selbst wenn zugunsten der Petenten unterstelltwürde, dass die Beendigung des Aufenthalts in ihreRechte aus Art. 8 EMRK eingreifen würde, wäre derEingriff gerechtfertigt. Die zuständige Behörde hat,sofern ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRKvorliegt, die gegenläufigen Interessen des betroffenenEinzelnen und der gesamten Gesellschaft in ein aus-gewogenes Verhältnis zu bringen. Hinsichtlich der

Petenten überwiegt eindeutig das öffentliche Interessean einer Aufenthaltsbeendigung, da weder eine Ver-wurzelung im Bundesgebiet noch eine Entwurzelungvon ihrem Herkunftsland vorliegt.

Zwar wurde die Petentin im Bundesgebiet geborenund hat hier während ihres zweiten Aufenthalts zeit-weise die Schule besucht. Der insgesamt circa 10-jäh -rige Aufenthalt wurde aber immer wieder durch frei-willige Ausreisen unterbrochen. Die Petentin hat indieser Zeit keine persönlichen, gesellschaftlichen oderwirtschaftlichen Beziehungen im Bundesgebiet ent-wickelt, die im Sinne des Schutzes des Privatlebensnach Art. 8 EMRK das öffentliche Interesse an einergeordneten Regelung von Einreise und Aufenthalt imBundesgebiet überwiegen würden. Eine wirtschaft -liche Integration im Sinne einer eigenständigen Siche-rung des Lebensunterhalts hat nicht stattgefunden.Die Petentin bezieht öffentliche Leistungen. Sonstigenennenswerte Integrationsleistungen sind nicht er-kennbar. Das Gleiche gilt für den Petenten und diebeiden Kinder, die sich – mit Unterbrechungen – nurcirca zwei Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben.Die Familie ist nicht im Bundesgebiet verwurzelt.

Auch eine Entwurzelung von ihrem Herkunftslandliegt nicht vor. Eine Reintegration ist den Petenten ge-rade im Hinblick auf die regelmäßigen Aufenthalte imHeimatland möglich und zumutbar. Es ist davon aus-zugehen, dass sie dessen Sprache sprechen und auchmit den dortigen Verhältnissen vertraut sind. Die Pe-tentin hat den überwiegenden Teil ihrer Kindheit undJugend im Heimatland verbracht, der Petent reisteerstmals im Alter von knapp 23 Jahren in das Bundes-gebiet ein und hat damit seine Prägung im Heimatlanderfahren. Einer Reintegration des Elternpaares dürfteinsofern nichts entgegenstehen. Die Kinder teilengrundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ih-rer Eltern. Sie sind erst zwei und fünf Jahre alt. Ihnenwird es aufgrund ihres Alters mit Hilfe ihrer Elternmöglich sein, sich vollständig in die Lebensverhält-nisse des Herkunftslandes zu integrieren.

Die Krankheit des Sohnes stellt kein tatsächlichesAusreisehindernis dar. Eine Reise- und Transportun -fähigkeit lässt sich daraus nicht herleiten, wie bereitsdie beiden freiwilligen Ausreisen in den Jahren 2011und 2012 beweisen. Das Bundesamt hat in seinem Be-scheid im Übrigen ausgeführt, dass die Erkrankungdes Sohnes in seinem Heimatland behandelbar sei.

Nachdem sonstige Ausreisehindernisse nicht ersicht-lich sind, scheidet die Erteilung einer Aufenthaltser-laubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG aus.

Sonstige Rechtsgrundlagen, nach denen den Petentenein Aufenthaltstitel erteilt werden könnte, sind nichtersichtlich.

Beschlussempfehlung:

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann derPetition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Salomon

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20. Petition 15/2577 betr. Rundfunkbeitrag

I. Gegenstand der Petition:

Der Petent wendet sich gegen die seit 1. Januar 2013geltende Neuordnung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er macht geltend, dass er kei-nen Fernseher besitze, aber dennoch verpflichtet sei,den vollen Rundfunkbeitrag in Form einer Zwangsab-gabe zu entrichten. Da diese Abgabe alle Haushaltetreffe, komme ihr ein steuerähnlicher Habitus zu, wasnicht in der Gesetzgebungskompetenz der Länder lie-ge. Die Argumentation, dass allein die Möglichkeit,entsprechende Programme zu empfangen, ausreiche,sei Nonsens. Der Petent plädiert daher für einen Aus-stieg des Landes Baden-Württemberg aus dem Rund-funkstaatsvertrag.

Ferner trägt der Petent vor, dass am 2. Januar 2013von seinem Konto die Rundfunkbeiträge für die Mo-nate Januar, Februar und März 2013 abgebucht wor-den seien. Dies stehe in Widerspruch zur gesetzlichenRegelung des § 7 Abs. 3 Rundfunkbeitragsstaatsver-trag (RBStV), nach der der monatlich geschuldeteRundfunkbeitrag in der Mitte eines Dreimonatszeit-raums für jeweils drei Monate zu leisten sei.

II. Die Überprüfung ergab Folgendes:

Der Wechsel vom geräteabhängigen Gebührenmodellzu einem wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag zurFinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks be -ruht im Wesentlichen auf den folgenden Erwägungen:

Das in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes veran-kerte Grundrecht der Rundfunkfreiheit verlangt vomGesetzgeber die Ausgestaltung einer Rundfunkord-nung, in der die Vielfalt der bestehenden Meinungenmöglichst breit und vollständig Ausdruck findet. InUmsetzung dieses Auftrags wurde in Deutschland einduales Rundfunksystem geschaffen, das sich durchein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem undprivatem Rundfunk auszeichnet. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist darin der Auftrag zugewie-sen, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Rund-funkprogrammen und damit in besonderem Maße dieMeinungsvielfalt im Rundfunk sicherzustellen. Zielder Grundversorgung ist es, alle Bürgerinnen undBürger am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu las-sen und ihnen die Möglichkeit zur Meinungsbildungzu allen wichtigen gesellschaftlichen Themen zu ge-ben.

Die zur Erfüllung ihres derart ausgestalteten Funk -tionsauftrages erforderliche Finanzierung ist den öf-fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von Verfas-sungs wegen garantiert. Die Rundfunkgebühr stelltsich in diesem Zusammenhang als gesamtgesell-schaftlicher Beitrag zur Finanzierung der vom Grund-recht der Rundfunkfreiheit vorausgesetzten Rund -funk ordnung dar. Schon die bis Ende 2012 erhobeneRundfunkgebühr war nicht als Entgelt für die tatsäch-liche Nutzung der Rundfunkprogramme – also die In-anspruchnahme von Leistungen – des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufzufassen. Voraussetzung

der Gebührenpflicht war vielmehr im Grundsatz le-diglich die Möglichkeit, die vielfältigen Angebote deröffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu nutzen.

Das bis 2012 geltende Recht ging davon aus, dass diese Möglichkeit besteht, wenn ein entsprechendesRundfunkempfangsgerät bereitgehalten wird, undknüpfte daran die Gebührenpflicht an. Dies war je-doch nicht mehr zeitgemäß, denn die bisherige Diffe-renzierung nach der Art des Empfangsgeräts ent-stammt der analogen Welt, in der die Hörfunk- undFernsehnutzung tatsächlich noch anhand des Gerätszuverlässig unterschieden werden konnte.

Die sogenannte Konvergenz der Medien, also das Zu-sammenwachsen bisher getrennter Einzelmedien imZuge der Digitalisierung, hat demgegenüber den bis-herigen Gerätebezug der Rundfunkgebühr zunehmendin Frage gestellt, da mit immer mehr Geräten sowohlHörfunk- als auch Fernsehprogramme empfangenwerden können, ohne dass diese Nutzungsmöglichkeit– z. B. bei Smartphones – im Vordergrund steht. Fürdie Gebührenzahler war daher nur schwer nachvoll-ziehbar, dass derartige Geräte gleichwohl der Ge-bührenpflicht unterliegen. Hinzu kommt die zuneh-mende Mobilität von Rundfunkempfangsgeräten wiebeispielsweise Laptops und Handys, die deren zuver-lässige Zuordnung zu einer bestimmten Person odereinem Betrieb als Gebührenschuldner erschwert.

Darüber hinaus verlor die bisherige Gebühr für denöffentlich-rechtlichen Rundfunk seit geraumer Zeiterheblich an Akzeptanz in der Bevölkerung. DieserAkzeptanzverlust war auch auf die hohe Kontrollbe-dürftigkeit des bisherigen Systems zurückzuführen,das die Prüfung voraussetzte, ob und gegebenenfallswelche Rundfunkempfangsgeräte in einer Wohnungoder in einem Betrieb bereit gehalten wurden.

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs derLänder haben sich deshalb darauf geeinigt, das Finan-zierungssystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunkszu reformieren. Ziel der Neuordnung ist in erster Li-nie, das Finanzierungssystem auf eine zukunftsfähigeRechtsgrundlage zu stellen und insbesondere die Kon-trollintensität durch die Gebührenbeauftragten derLandesrundfunkanstalten zu reduzieren. Im Mittel-punkt steht dabei die Abkehr vom Gerätebezug mitder Unterscheidung zwischen Radios und Fernseh-geräten sowie sonstigen neuartigen Rundfunkemp-fangsgeräten. Der neue Rundfunkbeitrag soll demge-genüber in seiner Grundsystematik pro Wohnung undBetriebsstätte erhoben werden.

Damit wird jetzt nicht mehr an das Bereithalten eineskonkret vorhandenen Rundfunkempfangsgerätes an-geknüpft. Stattdessen nimmt der Gesetzgeber an, dasstypischerweise im Bereich der Wohnung und der Be-triebsstätte die Möglichkeit besteht, die Angebote deröffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu nutzen.Ob und auf welche Weise diese Möglichkeit in An-spruch genommen wird, ist aufgrund des Charaktersdes Rundfunkbeitrags als solidarischer Beitrag zur Fi-nanzierung der Rundfunkordnung für die Beitrags-pflicht nicht maßgebend. Die Belastung des Einzelnenrechtfertigt sich vielmehr aus dem bestehenden Rund-

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funkangebot, also dem individualnützigen Vorteil, je-derzeit über eine stetige, individuell erschließbareQuelle der Information verfügen zu können.

Wie ein Gutachten des ehemaligen Richters am Bun-desverfassungsgericht Prof. Dr. Paul Kirchhof be-stätigt hat, ist eine solche gesetzliche Typisierungauch verfassungsrechtlich zulässig, zumal die ge -samte Gesellschaft von den Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den demokratischen Dis-kurs profitiert, und zwar auch unabhängig von derNutzung eines Programms durch den Einzelnen.

Die Ansicht des Petenten, beim Rundfunkbeitrag han-dele es sich um eine Steuer, ist nicht zutreffend. EineSteuer ist die Gemeinlast, die der Staat allen Leis -tungsfähigen auferlegt, um die Staatsaufgaben (denStaatshaushalt) zu finanzieren. Die Steuererträge dür-fen daher grundsätzlich nicht außerhalb des Staats-haushalts verwendet werden, weshalb eine Finan -zierung des staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rund-funks durch eine Steuer nicht zulässig wäre. EineSteuer ist jedoch dadurch gekennzeichnet, dass derSteuerpflichtige für seine Zahlung keine Gegenleis -tung empfängt. Demgegenüber gleichen die soge-nannten Entgeltabgaben (Gebühren und Beiträge) ei-nen finanziellen Aufwand aus, der dem Abgaben-schuldner einen Vorteil bringt. Während die Gebührdas öffentlich-rechtliche Entgelt für eine Leistung ist,die der Gebührenschuldner empfangen hat, entgilt derBeitrag ein Leistungsangebot, das der Beitragspflich-tige nutzen kann. So liegt es beim Rundfunkbeitrag:Er stellt das Entgelt für die typischerweise in einerWohnung oder Betriebsstätte bestehende Möglichkeitdar, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfan-gen – unabhängig davon, ob dieses Angebot im kon-kreten Fall tatsächlich genutzt wird.

Auch wenn dies im Einzelfall zu einer Erhöhung derBeitragslast führt, ist die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Wege einer pauschalenVeranlagung nach Wohnung und Betriebsstätte docherheblich einfacher und transparenter als das bisherigeModell. Die notwendige Kontrollintensität wurdedeutlich reduziert. Die bisher niedrigere Veranlagungsogenannter „Nicht- oder Nur-Radio-Hörer“ wie desPetenten beizubehalten, würde demgegenüber bedeu-ten, weiterhin nach der Art des jeweiligen Empfangs-geräts zu differenzieren. Es müsste mithin weiterhinkontrolliert werden, wer welche Geräte in seinerWohnung bereithält. Ein wesentlicher Vorteil desneuen Modells, nämlich der Abbau der Kontrollinten-sität, würde dadurch entfallen.

Zudem konnten und können gerade die mit hohen Kos -ten verbundenen Radioangebote (Hörspiele, Kultursen-dungen, Konzertübertragungen) nicht annähernd alleinaus den niedrigeren Radiogebühren finanziert werden,sondern mussten bereits bisher über die deutlich höhereFernsehgebühr subventioniert werden. Auch deshalberscheint es gerechtfertigt, künftig alle gleichermaßenzur „Gesamtveranstaltung Rundfunk“ unabhängig vonder Ausspiel- und Nutzungsform heranzuziehen.

Im Übrigen haben die Länder bei Abschluss des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vereinbart, das

neue Modell der Rundfunkfinanzierung im weiterenVerlauf zeitnah zu evaluieren und dabei insbesondereauch die finanziellen Auswirkungen des Modellwech-sels auf ihre Ausgewogenheit hin zu prüfen.

Zum Vorbringen des Petenten, die Rundfunkbeiträgefür die Monate Januar, Februar und März 2013 seienentgegen § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV bereits am 2. Ja -nuar 2013 im Voraus abgebucht worden, wurde derSWR um Stellungnahme gebeten. Der SWR hat mit-geteilt, dass der Petent seine Rundfunkgebührenschon seit Jahren vierteljährlich im Voraus bezahlthabe. Dieser Zahlungsrhythmus sei bei der Umstel-lung auf den Rundfunkbeitrag übernommen worden.

Auch wenn § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV ebenso wie dieVorgängervorschrift des § 4 Abs. 3 Rundfunkge-bührenstaatsvertrag die Fälligkeit der Rundfunk-beiträge auf die Mitte eines beliebigen Dreimonats-zeitraums (der sich in der Regel daraus ergibt, mitwelchem Monat die Beitragspflicht begonnen hat)festlegt, können Beitragsschuldner andere Termine er-bitten. Das Anmeldeformular des Beitragsservicesieht und sah auch in der Vergangenheit insoweit ne-ben der gesetzlichen Zahlungsweise in der Mitte einesDreimonatszeitraums die Möglichkeit der Vorauszah-lung vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich vor.Nach den Angaben des SWR hat der Petent die vier-teljährliche Vorauszahlung gewählt. Dass dieser Zah-lungs- bzw. Abbuchungsrhythmus vom SWR auchnach Umstellung auf den Rundfunkbeitrag beibehal-ten wurde, ist nicht zu beanstanden. Die von denRundfunkteilnehmern erteilten Abbuchungsermächti-gungen und Angaben zur gewünschten Zahlungswei-se gelten fort, zumal diese Angaben jederzeit geändertwerden können.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Schoch

21. Petition 15/2349 betr. Beschwerde über dieStaatsanwaltschaft

Gegenstand der Petition:

Der Petent unterhielt zwischen März 1992 und Ende1996 eine Beziehung zu einer Frau, die ihm nachihren eigenen Angaben „sexuell verfallen“ war. NachBeendigung dieser Beziehung zeigte diese den Peten-ten wegen diverser, zu ihrem Nachteil begangenerStraftaten an.

In der Folge verurteilte das Schöffengericht am Amts-gericht am 30. April 1998 den sich damals in Unter -suchungshaft befindlichen Petenten zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten, deren Voll-streckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Das Urteil wurde am 8. Mai 1998 rechtskräftig. NachAblauf der 3-jährigen Bewährungszeit wurde die ge-

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gen den Petenten verhängte Freiheitsstrafe am 2. Ok-tober 2001 erlassen.

Am 27. April 2000 und am 1. August 2005 stellte derPetent Wiederaufnahmeanträge, die vom zuständigenAmtsgericht am 10. Mai 2001 bzw. am 31. Juli 2007jeweils als unzulässig verworfen wurden. Die dage-gen gerichteten Beschwerden des Petenten zum zu-ständigen Landgericht blieben erfolglos.

Seit der damaligen Verurteilung und dem Scheiternseiner Wiederaufnahmeanträge geht der Petent straf-rechtlich gegen seine frühere Lebenspartnerin, weiterean dem damaligen Strafverfahren beteiligte Personensowie die mit den Verfahren befassten Angehörigender Justiz vor. Hierzu wandte er sich mit einer Viel-zahl von Eingaben und Strafanzeigen u. a. an dieStaatsanwaltschaft, die Generalstaatsanwaltschaft,den Generalbundesanwalt, den Bundesgerichtshof,das Bundesverfassungsgericht und den EuropäischenGerichtshof für Menschenrechte. Da er sich oftmalsmit der Bearbeitung dieser Eingaben und Strafanzei-gen nicht einverstanden zeigte, erstattete er sodannhäufig Strafanzeige gegen die jeweils mit dem Vor-gang befassten Mitarbeiter der Justiz. Vor diesemHintergrund wurde dem Petenten mit Schreiben derGeneralstaatsanwaltschaft vom 14. April 2009 mitge-teilt, dass Schreiben, mit denen lediglich die bereitsvielfach erhobenen und geprüften Vorwürfe erneutvorgebracht werden, in Zukunft nicht mehr beantwor-tet werden können. Gleichzeitig wurde die Staatsan-waltschaft gebeten, entsprechend zu verfahren.

Im November 2006 erstattete der Petent in mehrerenSchreiben u. a. Strafanzeige wegen Rechtsbeugung u. a.gegen diverse Angehörige der Staatsanwaltschaft, diemit der Bearbeitung früherer Strafanzeigen des Peten-ten befasst waren. Mit Verfügung der Staatsanwalt-schaft vom 22. Dezember 2006 wurde dieser Anzeigekein Folge gegeben (§ 152 Abs. 2 StPO). Die dagegengerichtete Beschwerde wies die Generalstaatsanwalt-schaft mit Bescheid vom 15. März 2007 zurück.

Am 2. Februar 2009 erstattete der Petent u. a. Strafan-zeige gegen seine frühere Lebenspartnerin, die Rich-ter, die ihn im Jahr 1998 zu einer Freiheitstrafe verur-teilt hatten bzw. die mit seinen Wiederaufnahmeanträ-gen befasst waren, die damalige Dezernentin derStaatsanwaltschaft, die Anklage gegen ihn erhobenhatte, sowie gegen weitere in die Sache involviertePersonen. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom23. Februar 2009 wurde der Anzeige wegen Urkunden-fälschung u. a. keine Folge gegeben (§ 152 Abs. 2 StPO). Die dagegen gerichtete Beschwerde wies dieGeneralstaatsanwaltschaft mit Bescheid vom 14. April2009 zurück. Einen Antrag des Petenten auf gericht -liche Entscheidung verwarf das Oberlandesgericht mitBeschluss vom 8. Juni 2009 als unzulässig.

Am 9. Januar 2010 erstattete der Petent beim General-bundesanwalt erneut Strafanzeige wegen Rechtsbeu-gung gegen den Richter und die Staatsanwältin, diemit dem Strafverfahren im Jahr 1998 befasst waren.Der Generalbundesanwalt leitete den Vorgang zu -ständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft weiter.Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 3. Februar

2010 wurde der Anzeige keine Folge gegeben (§ 152Abs. 2 StPO). Die dagegen gerichtete Beschwerde desPetenten vom 4. Juli 2010 wies die Generalstaatsan-waltschaft mit Bescheid vom 16. Juli 2010 zurück.

Da die bundeseinheitlich geregelten Aufbewahrungs-fristen hinsichtlich weiterer, bei der Staatsanwalt-schaft aufgrund der Eingaben und Strafanzeigen desPetenten anhängig gewordener Anzeigevorgänge be-reits abgelaufen sind, sind die entsprechenden Aktenzwischenzeitlich nicht mehr vorhanden. Eine weiter-gehende Darstellung dieser Verfahren ist daher nichtmöglich.

Ergänzend wird angeführt, dass das Amtsgericht ge-gen den Petenten durch Urteil vom 8. Juli 2010 eineGeldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verhängte.Der Petent beauftragte Anfang September 2008 einenRechtsanwalt unter Vortäuschung seiner Zahlungs-fähigkeit mit der Prüfung der Aussichten eines Wie-deraufnahmeantrags gegen das Urteil vom 30. April1998 und bezahlte anschließend das Anwaltshonorarnicht.

Im Rahmen des anschließenden Strafvollstreckungs-verfahrens brachte der Petent eine Vielzahl von Ein-wendungen gegen das Urteil vor und lehnte – unter an-derem unter Hinweis auf von ihm erhobene Verfas-sungsbeschwerden – die Bezahlung der Geldstrafe ab.Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Juli2011 wurde die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafeangeordnet und der Petent bis spätestens 15. August2011 zum Haftantritt geladen. Die ihm eingeräumteMöglichkeit, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstra-fe durch Leistung gemeinnütziger Arbeit abzuwenden,nahm er unter Hinweis auf eine angeblich ausstehendeEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts nichtwahr. Da der Petent in der Folge vorbrachte, schwerherzkrank zu sein, wurde das zuständige Gesundheits -amt am 29. Februar 2012 mit der Prüfung seiner Haft-fähigkeit beauftragt. Am 6. März 2012 bezahlte derPetent schließlich die Geldstrafe.

Der Petent ist ersichtlich der Auffassung, er sei imJahre 1998 zu Unrecht vom Amtsgericht zu einerFreiheitsstrafe verurteilt worden. Er beanstandet dieSachbehandlung der oben aufgeführten Verfahrendurch die Staatsanwaltschaft und bezichtigt hierbeiStaatsanwälte und Richter am Amts- und Landgerichtbzw. beim Bundesverfassungsgericht der Strafvereite-lung und Rechtsbeugung.

Soweit sich der Petent primär gegen die Richtigkeitder gerichtlichen Feststellungen in dem gegen ihn er-gangenen Urteil des Amtsgerichts vom 30. April 1998wendet, ist dem Petitionsausschuss bereits im Hinblickauf den verfassungsrechtlich garantierten Grund satzder richterlichen Unabhängigkeit eine Überprüfungdieses Vorbringens verwehrt.

Im Übrigen sehen der Petitionsausschuss und das Jus -tizministerium in Übereinstimmung mit der General-staatsanwaltschaft auch keine Anhaltspunkte für einefehlerhafte Sachbehandlung der oben näher darge-stellten Vorgänge durch die Staatsanwaltschaft. Denweitgehend unsubstantiierten und pauschalen Anzei-gevorbringen des Petenten waren keine konkreten

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tatsächlichen Anhaltspunkte für ein strafrechtlich re-levantes Verhalten der zur Anzeige gebrachten Perso-nen zu entnehmen. Vielmehr erschöpften sich die mitden verschiedenen Strafanzeigen vorgebrachten Sach-verhalte weitgehend in bloßen Vermutungen und Be-hauptungen. Zutreffend sah die Staatsanwaltschaft da-her in den jeweiligen Einzelfällen keinen Anlass, einErmittlungsverfahren einzuleiten.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Tschenk

22. Petition 15/2526 betr. Steuersache

1. Gegenstand der Petition

Der Petent beanstandet, dass nach seinem für Oktober2013 geplanten Wegzug zusammen mit seiner Frauauf die Philippinen eine Zusammenveranlagung mitseiner Frau sowie eine steuerliche Geltendmachungder für seine Frau aufgewendeten Krankenversiche-rungsbeiträge nicht mehr möglich sein werde.

Die Prüfung der Petition hat Folgendes ergeben:

2. Sachverhalt

Der Petent ist in zweiter Ehe verheiratet. Die Ehefraubesitzt die philippinische Staatsangehörigkeit. Der Pe-tent ist derzeit als Beamter des Landes beschäftigt.Seine Pensionierung erfolgt voraussichtlich im Juli2013. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig, weitere Ein-künfte beziehen der Petent und seine Ehefrau dahernicht. Steuerlich wird der Petent bisher zusammen mitseiner Frau bei dem für seinen Wohnort zuständigenFinanzamt geführt. Es erfolgt jedes Jahr eine Zusam-menveranlagung. Dabei werden auch die vom Peten-ten erklärten Beiträge zu seiner Kranken- und Pflege-versicherung antragsgemäß als Sonderausgaben be -rücksichtigt. Beiträge für eine Krankenversicherungder Ehefrau wurden bisher steuerlich nicht gesondertgeltend gemacht. Auch wurde in den bisherigenSteuererklärungen für die Unterstützungszahlungenan die Mutter des Petenten kein Abzug als außerge-wöhnliche Belastungen beantragt.

Nach eigener Auskunft beabsichtigt der Petent im Oktober 2013 im Anschluss an seine Pensionierungseinen Wohnsitz in Deutschland dauerhaft aufzuge-ben und zusammen mit seiner Frau auf die Philippi-nen auszuwandern. Aus diesem Grund erkundigte ersich telefonisch bei dem Finanzamt, das künftig fürdie Besteuerung des Petenten zuständig sein wird,welche steuerlichen Konsequenzen mit der Auswan-derung auf ihn zukommen würden. Er erhielt hierbeidie Aussage, dass er künftig nicht mehr in Steuer -klasse III, sondern in Steuerklasse I einzustufen und

eine Zusammenveranlagung mit seiner Frau nach demWegzug auf die Philippinen nicht mehr möglich sei.

Der Petent empfindet dies als Benachteiligung undlegte per E-Mail vom 16. März 2013 beim Landtagvon Baden-Württemberg Petition ein mit der Bitte umAufklärung und Unterstützung. Der Petent beruft sichhierin auf die seiner Ehefrau gegenüber bestehendeUnterhaltspflicht nach zivilrechtlichen Vorschriften.

3. Stellungnahme

Der Petition kann nicht abgeholfen werden. Die Aus-kunft des künftig für die Besteuerung des Petenten zu-ständigen Finanzamts entspricht der Rechtslage.

3.1 Wechsel der Zuständigkeit

Zum Zeitpunkt der Auswanderung geben der Petentund seine Ehefrau ihren Wohnsitz im Inland auf. Dieörtliche Zuständigkeit für die Bearbeitung der Steuer -erklärungen des Petenten wechselt gemäß § 19 Abs. 1Satz 3 Abgabenordnung (AO) auf das Finanzamt, indessen Bezirk sich die öffentliche Kasse befindet, diedie Pension des Petenten bezahlt.

3.2 Steuerklasse III und Zusammenveranlagung

Gemäß § 38 b Satz 2 Nr. 3 a Einkommensteuergesetz(EStG) kann die Steuerklasse III nur von Arbeitneh-mern in Anspruch genommen werden, die verheiratetsind und nicht dauernd getrennt leben, wenn der an -dere Ehegatte keinen Arbeitslohn bezieht oder dieSteuerklasse V gewählt hat. Beide Ehegatten müssenunbeschränkt steuerpflichtig sein. Die Grundvoraus-setzungen für die Gewährung der Steuerklasse III sinddamit identisch mit den Voraussetzungen für die Zu-sammenveranlagung nach § 26 EStG.

Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1Satz 1 EStG sind natürliche Personen, die ihrenWohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inlandhaben. Diese Voraussetzung entfällt mit der dauerhaf-ten Verlegung des Wohnsitzes des Petenten und sei-ner Ehefrau auf die Philippinen. Die erweiterte un -beschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG fürdeutsche Staatsangehörige, die im Inland über keinenWohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügen,aber zu einer inländischen juristischen Person des öf-fentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehenund hierfür Arbeitslohn aus einer inländischen öffent-lichen Kasse beziehen, greift vorliegend nicht. Zwarsteht der Petent zu einer inländischen Person des öf-fentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis und be-zieht hierfür Arbeitslohn aus einer inländischen Kas-se. Von der Vorschrift des § 1 Abs. 2 EStG werden je-doch nur aktive Dienstverhältnisse umfasst. Der Pe-tent beabsichtigt jedoch, seinen Wohnsitz erst nachder Pensionierung – also nach dem Ausscheiden ausdem aktiven Dienstverhältnis – auf die Philippinen zuverlegen. Der Petent und seine Ehefrau sind nachihrem Wegzug aus Deutschland folglich nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG unbeschränkt ein-kommensteuerpflichtig.

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Allerdings bezieht der Petent mit seiner Pension in-ländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 b EStGund ist mit diesen Einkünften nach § 1 Abs. 4 EStGim Inland beschränkt steuerpflichtig. Soweit der Pe-tent nach seinem Wegzug nur die der deutschen Ein-kommensteuer unterliegende Beamtenpension be-zieht und keine (nennenswerten) anderen Einkünftehat, kann er nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als un-beschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Voraus-setzung hierfür ist, dass die der deutschen Einkom-mensteuer unterliegenden Einkünfte des Petentenmindestens 90 % seiner gesamten Einkünfte betra-gen. Das scheint hier der Fall zu sein. Die Prüfungder unbeschränkten Steuerpflicht auf Antrag nach § 1Abs. 3 EStG ist jedoch personenbezogen und nichtehegattenübergreifend vorzunehmen. Mangels eige-ner inländischer Einkünfte erfüllt die Ehefrau des Pe-tenten die Voraussetzungen für einen Antrag nach § 1Abs. 3 EStG nicht.

Im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht auf An-trag nach § 1 Abs. 3 EStG ist eine Zusammenveranla-gung aber nur möglich, wenn der nicht unbeschränktsteuerpflichtige Ehegatte seinen Wohnsitz oder ge-wöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitglieds-staat der Europäischen Union oder des EuropäischenWirtschaftsraums hat (§ 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG – zumEuropäischen Wirtschaftsraum gehören neben denMitgliedsstaaten der EU die Länder Island, Norwegenund Liechtenstein). Da die Ehefrau des Petenten ihrenWohnsitz außerhalb der EU oder des EWR begründenwird, kommt eine Zusammenveranlagung daher auchbei einem Antrag auf unbeschränkte Steuerpflichtnach § 1 Abs. 3 EStG nicht in Betracht. Damit ist auchdie Gewährung der Steuerklasse III nicht mehr mög-lich und der Petent ist nach dem Wegzug auf die Phi-lippinen zwingend in die Steuerklasse I einzuordnen(§ 38 b Satz 2 Nr. 1 b EStG).

3.3 Unterhaltsaufwendungen und Krankenversiche-rungsbeiträge für die jetzige Ehefrau

Da eine Zusammenveranlagung des Petenten mit sei-ner Frau nach Verlegung des Wohnsitzes auf die Phi-lippinen nicht mehr möglich ist, kommt die Berück-sichtung der vom Petenten vorgetragenen Unterhalts-aufwendungen für dessen Ehefrau nach § 33 a Abs. 1EStG in Betracht. Danach können auf Antrag Unter-haltsaufwendungen an einen gesetzlich unterhalts -berechtigten Angehörigen grundsätzlich bis zu einemHöchstbetrag von 8.004 Euro im Kalenderjahr alsaußergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.Der Antrag ist im Rahmen der Steuererklärung durchdie Abgabe der ausgefüllten Anlage Unterhalt zu stel-len. Unterhaltszahlungen an eine im Ausland lebendePerson sind jedoch nach § 33 a Abs. 1 Satz 6 EStG nurzu berücksichtigen, soweit sie nach den Verhältnissendes Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.Deshalb ist der Höchstbetrag bei Unterhaltszahlungenan im Ausland lebende Personen entsprechend zu kür-zen. Lebt die unterstützte Person auf den Philippinen,ist der Höchstbetrag daher anhand einer bundesein-heitlich geltenden und vom Bundesfinanzhof bestätig-ten sogenannten Ländergruppeneinteilung zur Be -

rücksichtigung ausländischer Verhältnisse nur mit ¼ aus 8.004 Euro = 2.001 Euro anzusetzen.

Ein steuermindernder Abzug der Unterhaltszahlungenals außergewöhnliche Belastungen ist jedoch nur mög -lich, wenn der Petent einen Antrag auf unbeschränkteSteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG stellt (§ 50 Abs. 1Satz 3 EStG).

Hat der Petent für seine Ehefrau Kranken- und Pflege-versicherungsbeiträge aufgewendet, kann er hierfürden Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3EStG geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Pe-tent selbst Versicherungsnehmer der Krankenver -sicherung seiner Ehefrau ist. Der Sonderausgabenab-zug für diese Krankenversicherungsbeiträge ist dabeiunabhängig davon möglich, ob der Petent nach sei-nem Wegzug die unbeschränkte Steuerpflicht auf An-trag nach § 1 Abs. 3 EStG wählt oder nach § 1 Abs. 4EStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 50 Abs. 1Satz 4 EStG als beschränkt Steuerpflichtiger veranlagtwird.

Ist der Petent nicht Versicherungsnehmer, ist ein Son-derausgabenabzug für die Krankenversicherungs-beiträge seiner Ehefrau nicht möglich. Die vom Pe-tenten getragenen Beiträge führen dann aber nach § 33 a Abs. 1 Satz 2 EStG zu einer Erhöhung desHöchstbetrags für die Unterhaltszahlungen an dieEhefrau des Petenten. Hierfür ist jedoch zwingend einAntrag nach § 1 Abs. 3 EStG erforderlich (§ 50 Abs. 1Satz 3 EStG).

3.4 Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehefrauund die Mutter des Petenten

Soweit der Petent nach seinem Wegzug die unbe-schränkte Steuerpflicht auf Antrag nach § 1 Abs. 3EStG wählt, ist die Wegverlegung des Wohnsitzes fürdie steuerliche Beurteilung der Unterhaltszahlungenan die geschiedene Ehefrau sowie für die Unterhalts-zahlungen an die Mutter des Petenten ohne Belang.Diese sind bei Vorliegen der Voraussetzungen sowohlvor als auch nach der Wohnsitzverlegung als außerge-wöhnliche Belastungen nach § 33 a Abs. 1 EStG höch-stens mit 8.004 Euro (Höchstbetrag) abziehbar. Fürdie nach § 33 a Abs. 1 EStG abziehbaren Unterhalts-aufwendungen kann auf Antrag auch ein entsprechen-der Freibetrag bereits beim Lohnsteuerabzug berück-sichtigt werden.

Entscheidet sich der Petent allerdings gegen den An-trag auf unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3EStG und wird damit als beschränkt Steuerpflichtigerzur Einkommensteuer veranlagt, ist der Abzug vonaußergewöhnlichen Belastungen nach § 50 Abs. 1Satz 3 EStG gesetzlich ausgeschlossen. Denn grund -sätzlich ist es Aufgabe des jeweiligen Wohnsitzstaa-tes, die mit den persönlichen Verhältnissen des Steu-erpflichtigen zusammenhängenden Aufwendungensteuerlich zu berücksichtigen.

4. Ergebnis

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann der Pe-tition nicht abgeholfen werden. Aufgrund der Tat -

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sache, dass der künftige Wohnsitz der Petenten außer-halb der EU bzw. des EWR liegen wird, ist eine Zu-sammenveranlagung selbst bei einem Antrag des Pe-tenten auf Behandlung als unbeschränkt Steuerpflich-tiger nach § 1 Abs. 3 EStG nicht möglich. Aus diesemGrund kann nach dem Wegzug des Petenten die Steu-erklasse III nicht mehr gewährt werden. Die Aus-kunft, die das Finanzamt dem Petenten auf seine An-frage erteilt hat, ist daher zutreffend.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Tschenk

23. Petition 15/2552 betr. Stelle gegen polizeilichesFehlverhalten

Gegenstand der Petition:

Die Petentin regt die Einrichtung einer Stelle gegenpolizeiliches Fehlverhalten an, da diesbezüglicheDienstaufsichtsbeschwerden oder Strafanzeigen in derRegel eingestellt bzw. „unter den Teppich gekehrt“würden.

1. Sachverhalt

Die Petentin trägt vor, sie verstehe unter polizei -lichem Fehlverhalten, dass übereifrige Polizeibeamtedes Öfteren den Begriff der Verhältnismäßigkeit derMittel vorsätzlich missachten würden, indem siewehrlose Personen auf den Boden werfen, auf sieknien, einen Rippenbruch verursachen, schubsen odermit den Polizeihandschuhen an das Auge schlagen.Des Weiteren führt sie rassistische Äußerungen an so-wie „andere gemeine Schikanen“, die nicht näher er-läutert werden.

Der Petition liegt ein Vorfall vom 1. Mai 2012 zu-grunde, bei dem die Petentin von einer Streifenwa-genbesatzung auf der Straße angetroffen wurde. Siestreckte den vorbeifahrenden Polizeibeamten ohneAnlass den linken Arm entgegen und zeigte ihnen denMittelfinger. Die Polizeibeamten setzten mit demStreifenwagen zurück, worauf sie nochmals von derPetentin durch das Zeigen des Mittelfingers der rech-ten Hand beleidigt wurden. Die nunmehr Beschul -digte wurde kontrolliert, wollte sich aber während derÜberprüfung ihrer Personalien vom Tatort entfernen.Die beteiligte Polizeibeamtin versperrte ihr zunächstden Weg. Als die Petentin dann in die andere Rich-tung davonlaufen wollte, wurde sie am Handgelenkfestgehalten. Auf vorheriges, mehrfaches Zuredenreagierte sie nicht. Die Petentin wehrte sich gegen dasFesthalten, indem sie ihren Arm vom Griff der Poli-zeibeamtin losriss. In dem folgenden Gerangel war esunumgänglich, die sich heftig wehrende Petentin zumAnlegen der Handschließen zuvor auf dem Boden ab-zulegen. Dagegen wehrte sie sich wiederum durch

Drehen und Winden des gesamten Körpers sowiedurch Wegziehen der Gliedmaßen.

Die Anzeigenaufnahme erfolgte im Anschluss an dieFestnahme auf dem Polizeirevier. Die leicht alkoholi-sierte Petentin verweigerte jegliche Mitwirkung anden durchzuführenden Maßnahmen. Sie klagte zu kei-ner Zeit über eine Verletzung.

Aufgrund des Strafantrags der beteiligten Polizei -beamten sowie ihres Dienstvorgesetzten wurde derStaatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen die Peten-tin wegen Widerstands gegen Polizeivollzugsbeamteund Beleidigung vorgelegt. Das zuständige Amtsge-richt erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft einenStrafbefehl in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro.

Die Petentin hat zu dem Vorfall weder eine Dienst -aufsichtsbeschwerde beim zuständigen Polizeipräsi -dium eingereicht noch eine Anzeige gegen die ein-schreitenden Polizeibeamten erstattet.

2. Rechtliche Würdigung

Dem geschilderten Sachverhalt zufolge hat die Petentindie Ursachen für das Einschreiten der Polizeibeamtenselbst gesetzt. Auch im Verlauf der polizei lichen Maß-nahmen war es dem Verhalten der Petentin geschuldet,dass die Polizeibeamten unmittelbaren Zwang anwen-den mussten. Ihr Verhalten ist zudem vom Amtsgerichtin Form eines Strafbefehls geahndet worden.

Anhaltspunkte für ein unkorrektes oder strafrechtlichrelevantes Verhalten der Polizeibeamten sind nicht er-kennbar.

Darüber hinaus wird die allgemeine Behauptung derPetentin, Dienstaufsichtsbeschwerden und Strafanzei-gen würden „unter den Teppich gekehrt“, als unbe-gründet zurückgewiesen. Beschwerden werden in je-dem Einzelfall objektiv geprüft, bei begründeten Be-schwerden entsprechende dienstrechtliche Konse-quenzen gezogen. Strafanzeigen werden immer derzuständigen Staatsanwaltschaft zur weiteren Entschei-dung vorgelegt.

Beschlussempfehlung:

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslagekann der Petition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Tschenk

24. Petition 15/2047 betr. Hochwasserschutzkon-zept

1. Gegenstand der Petition

Der Petent begehrt eine inhaltliche Korrektur und denöffentlichen Widerruf der aus seiner Sicht falschenfachtechnischen Stellungnahme der unteren Verwal-tungsbehörde zu einem von ihm für die Stadt ausgear-beiteten Hochwasserschutzkonzept.

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2. Sachverhalt

Das Gewässer II. Ordnung fließt innerhalb der Orts -lage durch mehrere Verdolungen. Bereits im Zusam-menhang mit der Erarbeitung eines innerörtlichen Be-bauungsplans in der Talaue des Gewässers wurde vonder Wasserwirtschaftsverwaltung auf die Hochwas-sergefährdung des Plangebietes durch eine zu kleinbemessene Verdolung hingewiesen. Wegen deren be-schränkter Leistungsfähigkeit besteht für die Vorstadtderzeit nur ein ca. 15-jährlicher Hochwasserschutz.Konzeptionen aus den achtziger Jahren sahen die Er-richtung eines zentralen Beckens HRB-1 vor der Orts-lage mit einem Volumen von 350.000 m³ vor. Wegendes starken Eingriffs dieses Beckens ins Landschafts-bild hat der Planungs- und Umweltausschuss derStadt bereits Anfang 1985 gefordert, nach dezentralenAlternativlösungen zu suchen.

Im Jahr 2003 führte ein Ingenieurbüro im Auftrag derStadt eine detaillierte Untersuchung zur Hochwasser -situation und zu Schutzmöglichkeiten durch. Dabeiwurde überprüft, ob durch den Bau mehrerer dezentra-ler Becken auf den Bau eines zentralen Beckens ver-zichtet werden kann. Aus den insgesamt 14 mög lichenBeckenstandorten wurden die sechs „geeignetsten“Standorte ausgewählt. Insbesondere wurde auch ge-prüft, ob ein dezentrales Hochwasserschutzkonzept mitgeringeren Eingriffen in Natur und Landschaft einen hinreichenden Hochwasserschutz gewährleistenkann. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dasssowohl unter ökologischen Gesichtspunkten als auchunter Kosten-Nutzen-Aspekten nur ein zentrales Hoch-wasserrückhaltebecken oberhalb eines Hofes empfoh-len werden kann. Durch eine wasserstandsabhängigeAbgabestrategie soll eine erhebliche Reduzierung desbenötigen Volumens auf 240.000 m³ und der Eingriffeerreicht werden. Die Kostenschätzung für das Hoch-wasserrückhaltebecken betrug 2,1 Mio. €, zuzüglichca. 100.000 € für Maßnahmen zur Verbesserung derLeistungsfähigkeit einer der Verdolungsstrecken.

Die Stadt vergab in der Folge weitere Aufträge zurPlanung des Beckens. Entsprechend den zwischen -zeitlich ergangenen Empfehlungen der LUBW zurBerücksichtigung des absehbaren Klimawandels wur-de das Rückhaltevolumen in der Objektplanung ver-größert. Auf der Grundlage des ebenfalls zwischen -zeitig vorliegenden hydrogeologischen Gutachtenswurde deutlich, dass das Hochwasserrückhaltebeckenzur Erreichung der erforderlichen Standsicherheit miteiner tief reichenden Abdichtung zwischen anstehen-dem Gelände und dem erst tief anstehenden dichtenUntergrund versehen werden muss. Beide Maßnah-men führten zu einer deutlichen Steigerung der vor-aussichtlichen Kosten für das Hochwasserrückhalte-becken auf ca. 4,8 Mio. €.

Parallel zu den Planungen wandten sich Bürger gegendie beabsichtigte Hochwasserschutzmaßnahme. DieStadt vergab daraufhin einen Auftrag zur Entwicklungeines alternativen Hochwasserschutzkonzeptes an denPetenten. Der Petent war dem Landratsamt bishernicht als Planer von Hochwasserschutzeinrichtungenbekannt.

Auf Bitte der Stadt hat der Leiter des Amtes für Was-serwirtschaft und Bodenschutz im Landratsamt (WBA)an einem Gespräch über das vom Petenten erarbeiteteHochwasserschutzkonzept am 9. August 2010 bei derStadt teilgenommen. Der Leiter des WBA wies, wieauch in der vom Petenten vorgelegten Aktennotizdeutlich wird, auf einige Probleme der Planung hin.Im Nachgang zu dieser Besprechung wurde demLandratsamt eine ergänzte Fertigung mit Ausferti-gungsdatum 30. Juni 2010/13. August 2010 zur Prü-fung übergeben.

Die Prüfung des vorgelegten Hochwasserschutzkon-zeptes erfolgte innerhalb des Landratsamtes durch diejeweils zuständigen Ämter und Fachbehörden. Eswurde die Konzeption der Planung des zuvor beauf-tragten Ingenieurbüros vergleichend gegenüber ge-stellt. Aussagen zur Schwere von Eingriffen wurdenvom Kreisökologen und vom Bodenschutzsachver-ständigen bearbeitet. Die Bearbeitung der wasserwirt-schaftlichen Sachverhalte und die Zusammenführungund Schlusszeichnung erfolgte durch den Leiter desWBA. Die Ergebnisse der Prüfung wurden der Stadtmit Datum vom 13. September 2010 u. a. mit nachfol-gendem Hinweis schriftlich übermittelt: „Nach einervorläufigen Prüfung weist das Konzept […] eine Reihe von Defiziten auf…“. Diese Defizite wurdenim Weiteren fachlich dargestellt und begründet. Eswurde vom Landratsamt angeboten, die Ausführun-gen zu erläutern und zu diskutieren.

Mit Anschreiben der Stadt vom 6. Oktober 2010 wurde dem Landratsamt eine Erwiderung des Petentenzur Stellungnahme des Landratsamtes übermittelt. DerPetent wies alle fachlichen Bedenken des Landratsam-tes als unbegründet zurück. Seitens des Landratsamteswurde in mehreren Telefonaten dem Petenten mitge-teilt, dass keine Veranlassung bestehe, die vom Land-ratsamt getroffenen Aussagen zu modifizieren.

Am 21. November 2010 wurde in einem Ortstermindes Landratsamtes mit maßgeblichen Vertretern derStadtverwaltung die örtliche Situation in Augenscheingenommen und das weitere Vorgehen besprochen.Zwischen der Stadtverwaltung und Landratsamt be-stand Einigkeit, dass die Hochwasserschutzplanungvon einem in diesem Bereich erfahrenen Planungs-büro geleistet werden müsse.

Am 19. April 2011 hat der Leiter des WBA in einernicht öffentlichen Sitzung des Planungsausschussesder Stadt ausführlich zu der Konzeption des Petentenund zu Fragen aus dem Kreis der anwesenden Mit-glieder der Stadtverwaltung Stellung genommen.

Am 17. August 2011 hat das Landratsamt den Peten-ten in einem umfassenden Antwortschreiben noch -mals auf wesentliche Defizite des Konzeptes hin -gewiesen und auf die Entscheidungskompetenz derStadt verwiesen.

Der Erste Landesbeamte des Landratsamtes hat mitSchreiben vom 19. März 2012 den Petenten erneut dar-auf hingewiesen, dass die Entscheidung über das ange-strebte Vorgehen bei der Stadt liegt und dass mangelsneuer Erkenntnisse eine ergänzende Stellung nahmenicht angezeigt wäre.

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Wie oben ausgeführt, ist das Landratsamt mehrfach inBesprechungen und in schriftlichen Äußerungen aufdie Eingaben des Petenten eingegangen und hat aus-führliche, fachliche Erläuterungen abgegeben. Zwi-schen 2011 und 2012 wurden vom Petenten mehrfach,u. a. mit Schreiben vom 29. Juni 2011, 15. August2011, 23. August 2011, 8. März 2012 und 17. April2012, ergänzende Stellungnahmen des Landratsamtesangefordert. Erst nachdem eine Annäherung der in-haltlichen Positionen nicht erreicht werden konnteund dies nach den bisherigen Erfahrungen auch imweiteren Verlauf nicht zu erwarten war, wurde von-seiten des Landratsamtes eine weitere inhaltliche Dis-kussion mit dem Petenten für nicht zweckdienlich an-gesehen. Dies wurde dem Petenten wiederholt mitge-teilt, die Stadt und das Regierungspräsidium erhieltenMehrfertigungen der Schreiben.

Die Stadt als Träger der Unterhaltungslast entschei-det, wie bezüglich des Hochwasserschutzes in dembetroffenen Gebiet weiter vorgegangen werden soll.Der Gemeinderat hat auf Beschlussantrag der Stadt-verwaltung im Juli 2012 darüber entschieden, dassaufgrund des höheren Schadenspotenzials durch ein100-jährliches Hochwasserereignis an einem weiterenGewässer der Hochwasserschutz in dem in Rede stehenden Bereich zurückgestellt wird.

Mit Schreiben vom 17. September 2012 verlangte derPetent vom Landratsamt erneut eine Korrektur der„von Ihnen falsch dargestellten Sachverhalte bis zum2. Oktober 2012“. Sollte diese Frist nicht eingehaltenwerden, drohte der Petent an, „rechtliche Unterlas-sungsansprüche geltend zu machen.“ Das Landrats -amt sah nach rechtlicher Prüfung keine Veranlassung,auf dieses Ultimatum zu reagieren.

3. Rechtliche Würdigung

Grundsätzlich gilt, dass sich im hier gegebenen Pla-nungsstadium noch keine naturschutzfachlichen bzw.-rechtlichen Hinweise und Verfestigungen von Be-wertungen ergeben können. Das Landratsamt hat da-her bislang keine vergleichenden naturschutzfach -lichen und naturschutzrechtlichen Analysen und Be-wertungen der diskutierten unterschiedlichen Hoch-wasserschutzkonzepte vorgenommen. Dies wäre ineinem Zulassungsverfahren bzw. einem vorgeschalte-ten Scopingverfahren vorzunehmen und würde dasVorliegen entsprechend konkreter Planungen voraus-setzen. Abhängig von den jeweiligen Planüberlegun-gen kommen kleinere oder auch größere Flächeninan-spruchnahmen im Landschaftsschutzgebiet vor.

Die Aussage des Petenten, dass ein Hochwasserrück-haltebecken, bemessen für ein HQ100-Ereignis mit Kli-mafaktor, im Landschaftsschutzgebiet nicht zugelassenwerden könne, ist unzutreffend. Ein solches Beckenstellt zwar einen Eingriff in das Landschaftsbild dar, fürden Hochwasserschutz sprechen jedoch gewichtigeAspekte des Wohls der Allgemeinheit. Die Zulassungs-fähigkeit wäre im Zulassungsverfahren zu klären und istkeinesfalls von vorneherein auszuschließen.

Die Aussagen des Petenten, wonach die Eingriffe indas Schutzgut Boden nicht erheblich wären, da „alle

beanspruchten Flächen wieder zur selbstständigen Re-generation freigegeben werden und uneingeschränktentwicklungsfähig sind“ sind so nicht nachvollzieh-bar. Der Petent geht offenbar davon aus, dass insbe-sondere die für die Umsetzung seines Konzepts in er-heblichem Umfang notwendigen Abgrabungen keinenerheblichen Eingriff in das Schutzgut Boden darstel-len würden. Dieser Einschätzung kann nicht gefolgtwerden, da Abgrabungen, also die vollständige Ent-fernung von Bodenmaterial, die Leistungsfähigkeitvon Böden hinsichtlich ihrer Erfüllung der Boden-funktionen erheblich verringert.

Die Hochwasserschutzplanung des zunächst beauf-tragten Ingenieurbüros ist für einen 100-jährlichenHochwasserschutzgrad inklusive Klimafaktor ausge-legt. Die Wirtschaftlichkeit wurde nachgewiesen.Auch unter der Voraussetzung der technischen Rea -lisierbarkeit und Genehmigungsfähigkeit des Kon -zeptes des Petenten ist davon auszugehen, dass mitdiesem lediglich ein Hochwasserschutzgrad deutlichkleiner als HQ 50 erzielbar wäre.

Zum Hochwasserschutz an dem weiteren Gewässerhat das Regierungspräsidium 2010 eine Machbar -keits untersuchung vorgelegt. Diese schlägt vor, dievorhandenen Hochwasserschutzanlagen (Wälle, Mau-ern etc.) in den Siedlungsbereichen so weit zu er-höhen, dass ein Schutz gegen HQ 100 unter Berück-sichtigung der anzunehmenden Klimaveränderung ge-geben wäre. Nach diesen Untersuchungen bewirkendie vorgeschlagenen Hochwasserschutzmaßnahmenkeine signifikante Erhöhung der Wasserspiegellagen,sodass durch diese auch keine Verschlechterung derAbflussverhältnisse in dem betroffenen Gewässer zubesorgen ist. Das Vorbringen des Petenten ist auchdiesbezüglich unzutreffend.

Planungsträgerin ist die Stadt. Diese entscheidet auchüber Art und Umfang der in ein Zulassungsverfahreneinzubringenden Maßnahmen. Sie erarbeitet hierzuLösungen, welche anhand der rechtlichen Vorgaben,insbesondere des Wasserrechts, des Naturschutz- unddes Bodenschutzrechtes nach entsprechender Antrag-stellung durch die zuständige Behörde im Rahmen ge-regelter Zulassungsverfahren beurteilt werden müs-sen. Um den Antragstellern unnötige Planungsauf-wendungen zu ersparen, ist es in der Regel sinnvoll,bereits im Konzeptstadium Planungen zwischen denMaßnahmenträgern und den Behörden abzustimmen.

Im vorliegenden Fall hat das Landratsamt mit erheb -lichem Aufwand die grafisch ansprechend aufberei -tete Ausarbeitung des Petenten den Gegebenheitendes Standortes, den Anforderungen der Regeln derTechnik und den Vorgaben des Naturschutz- und desBodenschutzrechts gegenübergestellt und daraus einedifferenzierte und fachlich abgesicherte Stellungnah-me erarbeitet und der zuständigen Stadt zugeleitet.Die Stadt hat zu keinem der dargestellten PunkteZweifel an der Einschätzung des Landratsamtes vor-gebracht.

Das Landratsamt hat im Übrigen keine Entscheidungin einem vom Petenten angestrengten förmlichen Ver-fahren getroffen, sondern lediglich im Vorantragssta-

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dium eine fachtechnische Bewertung innerhalb einerDiskussion unterschiedlicher Planungsüberlegungenbzw. Planungskonzepte abgegeben. Das Landratsamthat sich zu keiner Zeit öffentlich zu den Planungendes Petenten geäußert und damit keinerlei Rufschädi-gung verursacht.

Beschlussempfehlung:

Der Petition kann nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Zimmermann

25. Petition 15/2261 betr. Brandschutz in Alten-und Pflegeheimen

I. Gegenstand der Petition

Dem Petenten geht es um gesetzliche Regelungenzum Brandschutz in Alten- und Pflegeheimen.

II. Sachverhalt

Der Petent befürchtet, dass die Betreiber von Alten-und Pflegeheimen auf Kosten der Sicherheit ihrerHeime an Brandschutzeinrichtungen sparen. Er be-gehrt, ein Gesetz zu erlassen, das den Brandschutz inAlten- und Pflegeheimen durch Richtlinien zwingendregelt, insbesondere vorsieht:

1. Rauchmelder oder Hitzemelder in jedem bewohn-ten Heimzimmer und in den Gemeinschaftsräumenals „Mindestbrandschutz“,

2. eine automatische Brandmeldeanlage, die mit derFeuerwehr-Leitstelle verbunden ist und im Notfalldirekt Alarm auslöst,

3. eine Sprinkleranlage im Rahmen des Brandschutz-konzepts.

III. Rechtliche Würdigung

Nach § 3 der Landesbauordnung (LBO) sind baulicheAnlagen sowie Grundstücke, andere Anlagen undEinrichtungen im Sinne des § 1 LBO so anzuordnenund zu errichten, dass die öffentliche Sicherheit oderOrdnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder dienatürlichen Lebensgrundlagen nicht bedroht werdenund dass sie ihrem Zweck entsprechend ohne Miss-stände nutzbar sind. Die der Wahrung dieser Belangedienenden allgemein anerkannten Regeln der Techniksind zu beachten. Zum Brandschutz werden dieSchutzziele des Gesetzgebers durch § 15 LBO kon-kretisiert. Danach sind bauliche Anlagen so anzuord-nen und zu errichten, dass der Entstehung eines Bran-des und der Ausbreitung von Feuer und Rauch im In-teresse der Abwendung von Gefahren für Leben undGesundheit von Menschen und Tieren vorgebeugtwird und bei einem Brand wirksame Löscharbeitenund die Rettung von Menschen und Tieren möglichsind.

Für Sonderbauten können besondere Anforderungengestellt werden, soweit die allgemeinen Vorschriftender LBO (§§ 4 bis 37 LBO) nicht ausreichen (§ 38LBO). Hierzu zählen nach § 38 Abs. 2 Nr. 6 LBO auchEinrichtungen zur Betreuung, Unterbringung oderPflege von Kindern, behinderten oder alten Men-schen. Bei diesen Einrichtungen sind namentlich Ge-sichtspunkte des Brandschutzes, insbesondere der An-ordnung und Ausbildung der Rettungswege, stärkerzu beachten. Besondere Anforderungen können unteranderem auch die Bauart und Anordnung der für denBrandschutz wesentlichen Bauteile und die Verwen-dung von Baustoffen (§ 38 Abs. 1 Nr. 4), den orga -nisatorischen Brandschutz sowie Brandschutzanlagen,-einrichtungen und -vorkehrungen umfassen (§ 38Abs. 1 Nrn. 16 und 17 LBO).

Bei Neubauten werden die im Einzelnen erforder -lichen Brandschutzmaßnahmen in der Regel auf derGrundlage eines Brandschutzgutachtens in der Bauge-nehmigung festgelegt.

Das maßgebende Anforderungs- und Schutzniveaunach § 38 LBO ergibt sich seit April 2007 auch fürVorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Alten-und Pflegeheime, insbesondere die Pflegebereiche inAlten- und Kinderheimen, aus den „Hinweisen überden baulichen Brandschutz in Krankenhäusern undbaulichen Anlagen entsprechender Zweckbestim-mung“, die als Planungshilfe dienen. Dort werden fürNeubauten und grundlegend veränderte Gebäudeteilegeeignete Alarmierungsanlagen, die zugleich das Per-sonal alarmieren, und flächendeckende Brandmelde-anlagen gefordert. Ein interner Alarm mit erweitertemÜberwachungsbereich, der dem diensthabenden Per-sonal Feuer und Rauch meldet, kann sicherstellen,dass möglichst frühzeitig Sofortmaßnahmen ergriffenwerden.

Sprinkleranlagen sind dagegen selbsttätige Feuer-löschanlagen mit über die Räume verteilten Sprüh -düsen für das Löschmittel Wasser; sie sollen Brändeerkennen, melden und bekämpfen und dienen damitder Bekämpfung von Entstehungsbränden. Sie sindweder dazu bestimmt noch geeignet, einen voll ent-wickelten Brand zu löschen. Der Einbau von Sprink-leranlagen ist meistens nur zur Kompensation vonübergroßen Brandabschnitten oder löschtechnischprob lematischen Brandlasten (zum Beispiel Hoch -regallager) erforderlich.

Für bestandsgeschützte ältere Gebäude mit einem ge-ringeren Schutzniveau kann auf der Grundlage von § 76 Abs. 1 LBO verlangt werden, dass diese den neuen Vorschriften angepasst werden, wenn Lebenoder Gesundheit bedroht sind. Auch auf der Grund -lage des § 58 Abs. 6 LBO können nach Erteilung derBaugenehmigung Anforderungen gestellt werden, umGefahren für Leben und Gesundheit oder bei der Ge-nehmigung nicht voraussehbare Gefahren abzuwen-den. Diese Maßnahmen werden ggf. von den jeweilszuständigen unteren Baurechtsbehörden im Rahmender im mindestens 5-jährigen Abstand durchzuführen-den Brandverhütungsschau (vgl. Nr. 2.2 der Verwal-tungsvorschrift Brandverhütungsschau) ergriffen.

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Die LBO enthält damit die Rechtsgrundlagen, um fürNeubauten und erforderlichenfalls auch für die vor In-krafttreten der „Hinweise über den baulichen Brand-schutz in Krankenhäusern und baulichen Anlagen ent-sprechender Zweckbestimmung“ genehmigten Ein-richtungen eine Ausstattung entsprechend dem Schutz -niveau der „Hinweise“ zu fordern. Die Umstände imEinzelfall, insbesondere die vorhandenen Brand-schutzeinrichtungen, sind dabei maßgeblich und müs-sen dabei berücksichtigt werden.

Mittlerweile ist ein Gesetzentwurf zur Änderung derLandesbauordnung in den Landtag eingebracht, dereine allgemeine gesetzliche Pflicht zur Ausstattungvon neuen und bestehenden Aufenthaltsräumen, indenen bestimmungsgemäß Personen schlafen, sowiederen innerhalb der Nutzungseinheit befindlichenRettungswege mit Rauchwarnmeldern zum Gegen-stand hat (Drucksache 15/3251). Das Ergebnis desGesetzgebungsverfahrens bleibt abzuwarten.

Beschlussempfehlung:

Die Petition wird im Hinblick auf den einge-brachten Gesetzentwurf und dem seit April2007 geltenden Anforderungs- und Schutz-niveau nach § 38 LBO für Alten- und Pfle-geheime für erledigt erklärt. Darüber hinauskann der Petition nicht abgeholfen werden.

Berichterstatter: Zimmermann

26. Petition 15/2338 betr. Straßenwesen

I. Gegenstand der Petition:

Die Petition hat das Ziel, öffentliche Feld- und Wald-wege für die Benutzung durch Pedelecs und Elek-troroller mit einer Maximalgeschwindigkeit bis 45 km/h freizugeben.

II. Die Prüfung ergab Folgendes:

1. Sachverhalt

Der Petent führt aus, dass ein Pedelec bzw. ein Elek-troroller für ihn eine sinnvolle Alternative zur Nut-zung eines Pkw darstellen würde. Die Nutzungsmög-lichkeit dieser Fortbewegungsmittel sei jedoch einge-schränkt. Aufgrund der niedrigen Maximalgeschwin-digkeit seien Pedelecs bzw. Elektroroller aus Sicher-heitsgründen auf Landstraßen kaum nutzbar. Im Um-feld des Petenten gäbe es gute alternative Strecken.Diese seien allerdings oft nur für den landwirtschaft -lichen Verkehr freigegeben.

Der Petent bittet daher darum, Straßen, die bislang fürmotorisierte Zweiräder gesperrt sind, für Pedelecs undElektroroller mit einer Maximalgeschwindigkeit bis45 km/h freizugeben. Die Elektrofahrzeuge hätten ge-genüber den Verbrennungsmotoren den Vorteil, dasssie nahezu lautlos im Betrieb seien. Durch eine ent-

sprechende Regelung könnten hinreichend Anreizegeschaffen werden, auf den Pkw oftmals zu verzich-ten. Hierdurch würden die Landstraßen entlastet wer-den. Ebenso würde der Verbrauch fossiler Kraftstoffereduziert werden.

2. Rechtliche Würdigung

2.1. Erläuterung der genannten Fortbewegungsmittel

Bei den vom Petenten genannten „Pedelecs“ handeltes sich um ein durch Muskelkraft des Fahrers ange-triebenes Fahrrad, das beim Treten der Pedale batte-riegespeiste Unterstützung erhält. Ohne Tretkurbelbe-wegung bleibt der Motor wirkungslos.

Pedelecs werden mit Fahrrädern gleichgesetzt, sofernihr Motor seine maximal verfügbare Leistung von0,25 kW bei Erreichen einer Fahrgeschwindigkeit von25 km/h auf Null reduziert und dann keine Tretkraft-unterstützung mehr leistet. Die Fahrer müssen/dürfenin diesem Fall die für Fahrräder vorgeschriebenenoder freigegebenen Verkehrsflächen benutzen. Ge -mäß Waldgesetz und Naturschutzgesetz dürfen sie da-mit auch dafür geeignete Feld- und Waldwege nutzen.

Darüber hinaus gibt es Pedelecs mit einer größerenMotorkraft oder einer höheren Fahrgeschwindigkeit(sogenannte schnelle Pedelecs/S-Klasse). Diese ge -hören nicht mehr zu den Fahrrädern, sondern zu denKleinkrafträdern. Sie sind hinsichtlich der Nutzungvon landwirtschaftlichen Wegen und Waldwegen wieE-Bikes zu behandeln.

E-Bikes unterscheiden sich von den Pedelecs da-durch, dass der Motor über einen Drehgriff im Lenk-rad, unabhängig vom Treten, gesteuert wird. E-Bikeswerden nicht den Fahrrädern gleichgestellt. Daherdürfen mit ihnen Radwege nicht benutzt werden.Vielmehr müssen, abhängig von ihrer jeweiligenLeis tung, die für Mofas oder Kleinkrafträder freigege-benen oder vorgeschriebenen Verkehrsflächen befah-ren werden.

Die vom Petenten genannten Elektroroller werden zuden Kraftfahrzeugen gezählt. Je nach Bauart, Be-triebsform und Leistung können diese Fahrzeuge al-ternativ den Fahrzeugkategorien „Fm/H 25“, Leicht-mofa oder Kleinkraftrad zugeordnet werden.

2.2 Nutzung öffentlicher Feld- und Waldwege

Auf Basis des Waldgesetzes sowie des Naturschutz-gesetzes existiert unabhängig vom Straßenrecht einallgemeines Nutzungsrecht für Fahrräder auf geeigne-ten Feld- und Waldwegen. Dieses Nutzungsrecht er-streckt sich nicht auf schnelle Pedelecs, E-Bikes undElektroroller.

Die Zulässigkeit dieser schnellen Elektrofahrzeugehängt straßenrechtlich von deren Widmung ab.Grund sätzlich besteht die mit der Widmung einer be-stimmten Straße festgelegte öffentliche Zweckbestim-mung in der Benutzung der Straße durch die Allge-meinheit, jedenfalls zum Zweck der Fortbewegung injeder erlaubten Form. Die zulässigen Benutzungsar-

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Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3710

ten, die Benutzungszwecke und die Benutzerkreise vonöffentlichen Straßen können jedoch gemäß § 5 Absatz 3Straßengesetz (StrG) durch Widmung beschränkt wer-den. Beispielsweise kann die zulässige Benutzungsartauf Fußgänger und Fahrräder beschränkt werden oderes kann als (alleiniger) Benutzungszweck die Bewirt-schaftung von Feld- und Waldgrundstücken vorge -sehen werden. In letzterem Fall handelt es sich um ei-nen beschränkt öffentlichen Weg im Sinne des § 3 Ab-satz 2 Nummer 4 Buchstabe a StrG.

Für die Widmung von Gemeindestraßen sind gemäß § 5 Absatz 2 Nummer 2, § 50 Absatz 3 Nummer 3StrG die Gemeinden zuständig. Eine (nachträgliche)Erweiterung der Widmung nach § 5 Absatz 5 StrG da-hingehend, dass auch das Befahren mit schnellen Pe-delecs, E-Bikes und Elektrorollern zugelassen wird,müsste daher von der jeweils zuständigen Gemeindeveranlasst werden.

Neben der Möglichkeit, die bestehende Widmung zuerweitern, könnten die Gemeinden eine Erweiterungder Nutzungsart auch durch den Erlass einer Satzunggemäß § 16 Absatz 7 StrG erreichen, in der bestimmtwird, dass das Befahren der Straßen mit den genann-ten Elektrofahrzeugen als Sondernutzung keiner Er-laubnis bedarf. Der Verzicht auf das Erlaubniserfor-dernis hebt die Gebührenpflicht (§ 19 StrG) nicht auf,sodass für das Befahren mit den Elektrofahrzeugenvon der Gemeinde eine Gebühr erhoben werdenkönnte.

Beide Möglichkeiten liegen im Ermessen der jeweilszuständigen Gemeinde. Bei der Entscheidung über diezulässigen Benutzungsarten wird auch die den Ge-meinden für ihre Straßen obliegende Verkehrssiche-rungspflicht (§ 59 StrG) eine Rolle spielen. Der Um-fang dieser Pflicht wird durch die Verkehrsbedeutungder Straße, insbesondere auch die Art und Häufigkeitihrer Benutzung, sowie ihrer Gefährlichkeit bestimmt.

Bei einer Freigabe von Feld- und Waldwegen fürschnelle Pedelecs, E-Bikes und Elektroroller würdesich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht er-weitern.

Entsprechend den Richtlinien für den ländlichen We-gebau sind ländliche Wege auf eine Höchstgeschwin-digkeit von 40 km/h ausgerichtet. Bei höheren Ge-schwindigkeiten besteht u. a. die Gefahr der Schädi-gung der Wege insofern, als dass durch den Abroll-vorgang Teile aus dem Korngefüge der Fahrbahn her-ausgelöst werden.

III. Ergebnis:

Bei der geschilderten Sach- und Rechtslage kann demAnliegen des Petenten insoweit Rechnung getragenwerden, als das Anliegen und die rechtliche Würdi-gung dem Städte- und dem Gemeindetag zur Kenntnisgegeben werden.

Eine Änderung der Rechtslage wird nicht als sinnvollangesehen, da das Interesse der Förderung der Elek-tromobilität im Widerspruch zur Funktion der Wegestehen würde und aufgrund der höheren Geschwindig-keiten das sichere Miteinander von Wanderern, Rad-

fahrern und land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeu-gen beeinträchtigt werden könnte.

Beschlussempfehlung:

Soweit das Anliegen des Petenten und dierechtliche Würdigung dem Städte- und demGemeindetag zur Kenntnis gegeben werden,wird die Petition für erledigt erklärt. ImÜbrigen kann der Petition nicht abgeholfenwerden.

Berichterstatter: Zimmermann

10. 07. 2013 Die Vorsitzende:

Böhlen