40
Begleitmaterial Biedermann und die Brandstifter Ein Lehrstück ohne Lehre Tragikomödie von Max Frisch ab 9. Klasse © Ronny Ristok Theater&Philharmonie Thüringen www.tpthueringen.de

BGM Biedermann und die Brandstifter - tpthueringen.de · WAS IST EIN BIEDERMANN? ... Liebes Publikum, liebe LehrerInnen, liebe SchülerInnen, ... Was tun, wenn’s brennt? Eigentlich

Embed Size (px)

Citation preview

Begleitmaterial

Biedermann und die Brandstifter Ein Lehrstück ohne Lehre

Tragikomödie von Max Frisch

ab 9. Klasse

© Ronny Ristok

Theater&Philharmonie Thüringen

www.tpthueringen.de

„Wennmannichtstut,glaubtman,

dassmanfürallesdieVerantwortungträgt.“

(Jean-PaulSartre)

InhaltsverzeichnisINHALTSVERZEICHNIS...............................................................................................................3

VORWORT......................................................................................................................................4

REGIETEAM,DARSTELLER,BÜRGERCHOR...........................................................................6 DarstellerinnenundDarsteller..........................................................................................................................................................6

VORSTELLUNGEN........................................................................................................................6

DASSTÜCK.....................................................................................................................................7 MAXFRISCHINSTICHWORTEN...............................................................................................................................................8 VOMTAGEBUCHEINTRAGZUMBÜHNENSTÜCK...............................................................................................................11 BIEDERMANNUNDDIEBRANDSTIFTERALSPARABEL..................................................................................................12 THEATERTHEORETISCHEHINTERGRUNDINFORMATIONEN.........................................................................................13 Parabel.........................................................................................................................................................................................................13 AbsurdesTheater....................................................................................................................................................................................13 Lehrstück.....................................................................................................................................................................................................14

WASISTEINBIEDERMANN?.................................................................................................................................................15 VOMBIEDERMANNZUMMITLÄUFER.................................................................................................................................16

LESARTEN...................................................................................................................................17 SELBSTKOMMENTARVONMAXFRISCH.............................................................................................................................17 BEZUGZUMKOMMUNISMUS.................................................................................................................................................18 BEZUGZUMNATIONALSOZIALISMUS..................................................................................................................................18 WEITEREINTERPRETATIONEN............................................................................................................................................19

DERCHORALSVERTRETERDERPOLIS.............................................................................20

SINDWIRNICHTALLEEINWENIGBIEDERMANN?.........................................................21 DIEKONZERNEKÖNNENDIEMARKTMACHTAUSNUTZEN............................................................................................22 LOBBYISMUSVONUNTERNEHMENBEEINFLUSSTPOLITISCHEENTSCHEIDUNGEN................................................23 PRIVATISIERUNGVONWASSER–EINSPIELAUFDEMRÜCKENDERÄRMSTEN......................................................25 WasserwirdzueinemMilliardengeschäft.................................................................................................................................25

VERMÖGENSVERTEILUNG:DIESCHEREÖFFNETSICHIMMERWEITER.....................................................................26 Oxfam-Zahlen............................................................................................................................................................................................26 UnzufriedenheitüberallaufderWelt...........................................................................................................................................27 „SteueroasensindjakeinWetterphänomen“...........................................................................................................................27

POLITISCHERAKTIVISMUS....................................................................................................28 LobbyControl.............................................................................................................................................................................................28 Anonymous.................................................................................................................................................................................................28 Occupy...........................................................................................................................................................................................................28

DIEVERANTWORTUNGDESINDIVIDUUMS.......................................................................................................................29 GeistigeBrandstiftung..........................................................................................................................................................................29 VuralÖgerimInterviewmitderSüddeutschenZeitung:...................................................................................................29 „GeistigeBrandstiftunghatHochkonjunktur“.........................................................................................................................30 GeistigeBrandstiftungistkeineMeinungsäußerung...........................................................................................................30 VerantwortungimUmgangmitdenneuenMedien..............................................................................................................31

WERISTK.I.Z.?........................................................................................................................................................................32 K.I.Z.Liedtext„BoomBoomBoom“...............................................................................................................................................33 InterviewmitderGruppeK.I.Z.........................................................................................................................................................34

THEATERMACHTSCHULE.....................................................................................................37

IMPRESSUM................................................................................................................................38

QUELLENVERZEICHNIS...........................................................................................................39

4

Vorwort

LiebesPublikum,liebeLehrerInnen,liebeSchülerInnen,

wirfreuenunsIhnenindiesemBegleitmaterialdieSchauspielproduktion„Biedermannund die Brandstifter“ nahe bringen zu dürfen. ObschonMax Frisch im Untertitel klarsagt, dass es sich nicht um ein Lehrstück handele, hat es seit der Uraufführung desStoffes 1958 zahlreiche Interpretationen gegeben, die die Brandstifter und derenMotivationsehrunterschiedlichbetrachteten.

Doch gleichwelchen politischenAnstrich sich dieseAuslegungen geben, das Stück istdennoch oder gerade deswegen ein Lehrstück ohne Lehre. Zumindest wenn wir MaxFrisch richtig verstehen. Denn egal ob die Brandstiftung, politisch, religiös oder nochanders motiviert ist, so hat sie für das Gemeinwohl oder sogar für den BrandstifterselbstüberhauptkeinenerkennbarenSinn.WennwirallerdingseinendemokratischenGrundgedanken bei der Auslegung des Stückes zugrunde legen, wird die Figur desBiedermannesindiesemKontextrelevanter.

Denn diesen Archetypen des bequemen Mitläufers, hat es im Laufe der Zeit immerwieder gegeben. Und er birgt in sich die wirkliche Gefahr. So könnte man auchargumentieren, dass die Brandstifter im Stück eigentlich aus dem Verhalten desBiedermannserwachsen,siealsoTeilvonihmsind.WenneineGesellschaftbeginntzudegenerieren,sozeigtesunsdieGeschichte, istsiedemUnterganggeweihtoderdochzumindest starkbedroht. Sichaktiv, intelligentundbasierendaufmoralisch-ethischenWerten inbestehendeVerhältnisseeinzumischen,oderMissverhältnissenentgegenzuwirken,istalsoAufgabejedesineinerDemokratielebendenIndividuums,wennesdennüberlebenmöchte.

Die Lesart der Regisseurin Angelika Zacek, was die Brandstifter angeht, folgt zweiAspekten: Zum einen gibt die moderne westliche Gesellschaft immer mehrVerantwortung an Großkonzerne ab. Dies betrifft eigentlich alle Lebensbereiche, vomLebensmittelüberdieGeldwirtschaftbishinzumWohnungsmarkt,liegtdieMachtüberViele in der Hand vonWenigen. Andererseits ist diese Machtverschiebung auch demUmstandgeschuldet,dassesnatürlich leichter ist, eine Pizzaaufzutauen, als selbst zukochen und billiger bei H&M einzukaufen, als selbst zu nähen. Womit wir beimBiedermann wären. Aber angesichts der wachsenden Ungleichheit innerhalb derWeltgesellschaft,kannmandieGefahrbeidenensehen,dieimmermehrGeldunddamitMachtanhäufen.SiesteheninderKritik,dasiemithilfevonLobby-ArbeitdiePolitikinihremInteressebeeinflussenwollen.

5

VieleMenschenbefürchtenzurecht,dassdiesesInteressevorallemdereigeneProfitistund nicht das Wohl der Allgemeinheit – dass beispielsweise eine soziale, gerechteVerteilungvonRessourcenundGüternsowieeinschonender,nachhaltigerUmgangmitderUmweltwäre.

IndieserMaterialmappefindenSiedeshalbnebenTextenzuInhalt,AutorundFigurendesStückseinigeFaktenüberdieVerteilungvonMacht indermodernenGesellschaft,aberauchBeispielepolitischenProtestes.

Wir wünschen Ihnen und Euch viel Vergnügen beim Anschauen der Vorstellung undhoffen,dassdasbeigefügteMaterialdazuanregt,dieDenkanstößedesStücksweiterzuverfolgen.

HerzlicheGrüße

DasTeamderTheaterpädagogikvonTheater&PhilharmonieThüringen

6

Regieteam,Darsteller,Bürgerchor

Inszenierung: AngelikaZacek

Ausstattung: PeterLehmann

Dramaturgie: SveaHaugwitz

Regieassistenz,Inspizienz: KarenSeidel

Choreinstudierung: ChristianeMüller,ManuelStruffolino

DarstellerinnenundDarstellerBiedermann – BrunoBeeke

Schmitz – ThorstenDara

Eisenring – MaximilianPopp

Babette – InesBuchmann

Anna – MechthildScrobanita

Polizist/Dr.phil./Chorführer – ManuelStruffolino

Chor – LenaArnold,VeronikaArnold,ThomasErdinger,ChristianFranke,KatrinFranke,AndreasKowalcyk,JuliaPfeuffer,SylviaSchwenke-Pfeifer

Vorstellungen

So.25.Februar2018/18:00 – HeizhausAltenburg

Sa.03.März2018/19:30 – HeizhausAltenburg

Sa.17.März2018/19:30 – HeizhausAltenburg

Di.10.April2018/10:00 – HeizhausAltenburg

Mi.11.April2018/10:00 – HeizhausAltenburg

Sa.28.April2018/19:30 – HeizhausAltenburg

7

DasStückWastun,wenn’sbrennt?Eigentlichistesklar:löschenoderdenBrandverhüten,solangeesnochmöglich ist.Dieses„LehrstückohneLehre“,wieesMaxFrischgenannthat, isteineParabel,wobeidieBrandstiftunghierdafürsteht,dassGefahr imVerzug ist.Dasssich Biedermann in Gefahr befindet, wird von ihm konsequent verleugnet. DieBeweggründe für die Blindheit des Biedermanns sind vielgestaltig: Bequemlichkeit,mangelndeZivilcourageoderganzeinfach:Feigheit.1

Zur Handlung: Gottlieb Biedermann ist Haarölfabrikant. Er lebt zusammenmit seinerFrauBabette,diebeidenbeschäftigendasHausmädchenAnna.

Den Erfolg seiner Firma führt er auf seine kaufmännische Leistung zurück, an dieQualität seines Produktes glaubt er nicht. Als sein Mitarbeiter Knechtling um eineGewinnbeteiligungbittet,daerdasProdukterfundenhabe,kündigterihn.AllesBittenKnechtlings nützt nichts, auchderHinweis auf seine kranke FrauunddieVersorgungderKinderlässtBiedermannkalt.

Doch als einesTages ein obdachloserRingervor der Tür steht undumEinlass bittet,ergreiftBiedermannplötzlicheinAnflugvonMenschlichkeit.Er reichtdemManndenkleinenFinger,derRingernimmtdieganzeHand:ErverlangtzuBrotundWeinButter,Käse,FleischundSenf,ziehtaufdemDachbodeneinundbringtnichtnurÖlfässerundZündschnüremit,sondernnochweitereGäste.DassessichumdieBrandstifterhandelt,die seit einiger Zeit Teile der Stadt zu Schutt und Asche machen, ist nicht mehr zuübersehen. Nicht nur der Feuerwehrchor warnt, auch Babette und Anna sind nichtbegeistert von demBesuch.DochBiedermann ignoriert die Gefahr und versucht, sichmit seinen ungebetenen Gästen anzufreunden. Inzwischen erreicht ihn die NachrichtvonKnechtlingsSelbstmord.SchließlichistesBiedermannselbst,derdenBrandstifterndieStreichhölzerreicht,dieseinHausentzünden.

8

MaxFrischinStichwortenMaxFrisch ist einSchweizerSchriftsteller,dermitWerkenwie „Andorra“und „HomoFaber“ weltbekannt wird. Nach einer Tätigkeit als Architekt hat Frisch 1954 seinenliterarischenDurchbruchmitdemRoman„Stiller“.FrischistvongrößterBedeutungfürdiedeutschsprachigeLiteraturdes20.Jahrhunderts,beziehtauchpolitischStellungundveröffentlichtzahlreichezeitkritischeArtikel.

1911 15.Mai:Max Frischwird als drittesKind

des Architekten Bruno Frisch und seinerFrau Karolina Bettina Frisch(Geburtsname: Wildermuth) inZürich/Schweizgeboren.[...]

1930-32 Studium der Germanistik an derUniversität Zürich. Nach dem Tod desVaters muss Frisch aus finanziellenGründen das Studium vorzeitigabbrechen. Er beginnt als freierMitarbeiter für die „Neue Zürcher Zeitung“ zuarbeiten.

1934 Der erste Roman entsteht unter dem Titel „Jürg Reinhart. Eine sommerlicheSchicksalsfahrt“.ThemaistvorallemFrischsersteAuslandsreise imJahrzuvor.NachseinenerstenschriftstellerischenVersuchenkommenFrischSelbstzweifel.Erentschließtsich,mitdemSchreibenaufzuhören,undverbrenntallebisdahinentstandenenManuskripte.

1936-41StudiumderArchitektur[...],dasseralsDiplomarchitektabschließt.

1940 Veröffentlichung von „Blätter aus dem Brotsack. Tagebuch eines Kanoniers“ indem er seine Erfahrungen im Militärdienst während des Kriegsbeginnsverarbeitet.

1942 FrischgewinntdenerstenPreisineinemstädtischenWettbewerbumeinegroßeFreibadanlageinZürich.KurzdarauferöffneterseineigenesArchitekturbüroinZürich. Heiratmit der Architektin Gertrud Constanze vonMeyenburg. Die Ehe,ausderdreiKinderhervorgehen,wird1959nachlängererTrennunggeschieden.

1946-51 Frisch verfasst Dramen, die die aktuelle Nachkriegszeit teils direktthematisieren,teilsverfremden:„Nunsingensiewieder“(1946),„DieChinesischeMauer“(1947),„GrafÖderland“(1951).

1947und48DieBegegnungmitBertoltBrechtinZürichdokumentiertFrischinseinem„Tagebuch 1946-1949“ und später in seinen „Erinnerungen an Brecht“ (1968).Bekanntschaft mit Friedrich Dürrenmatt (1921-1990) und Peter Suhrkamp,seinemspäterenVerleger.

9

1951 DurcheinRockefellerStipendiumwirdFrischeineinjährigerAufenthalt indenUSAermöglicht.

1954Mit der Veröffentlichung des Romans „Stiller“ gelingt Frisch der literarischeDurchbruch. IndiesemRoman,wieauch inspäterenWerkenwie„HomoFaber“(1957) und „Mein Name sei Gantenbein“ (1964), thematisiert Frisch dieIdentitäts-ProblematiksowiedieschwierigeAkzeptanzdeseigenenIchs.

1955 Auflösung des Architekturbüros, Frisch lebt ab jetzt als freier Schriftsteller inZürich.

1958Auszeichnungmit demGeorg-Büchner-Preis.Mit derUraufführung desDramas„Herr Biedermann und die Brandstifter“ im Züricher Schauspielhaus erringtFrischseinenerstenBühnenerfolg.

1958-63EngeBeziehungzuIngeborgBachmann

1960-65FrischlebtinRom.

1961 UraufführungderParabel „Andorra“ imZüricherSchauspielhaus,mitderFrischderersteinternationaleTheatererfolggelingt.[...]

1962-1987 Verleihung der Ehrendoktorwürde der Philipps-Universität Marburg(1962), desBard College/USA (1980), der CityUniversity ofNewYork (1982),der Universität Birmingham (1984) und der Technischen Universität Berlin(1987).

1965 VerleihungdesLiteraturpreisesderStadtJerusalem.FrischlebtzeitweiseinBerlin,ZürichundNewYork.1968HeiratmitderStudentinMarianneOellers.DieEhewird1979geschieden.

1971/1974 MitdenEssays„WilhelmTellfürdieSchule“(1971)und„Dienstbüchlein“(1974) stellt Frisch zwei wesentliche Mythen schweizerischenSelbstverständnisses in Frage und löst damit heftige Diskussionen aus. In dem„Dienstbüchlein“berichtetFrischüber seineErfahrungenalsSoldat imZweitenWeltkrieg.

1975 DieautobiographischeErzählung„Montauk“,indererdieBeziehungzuIngeborgBachmannthematisiert,wirdFrischspersönlichstesBuch.

1976 FrischsgesammelteWerkeerscheinen in sechsBänden.AuszeichnungmitdemFriedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels für seine„Beharrlichkeit beim Bekämpfen von Machtmissbrauch und ideologischerDemagogie“.

1978MitderUraufführungdesStückes„Triptychon“setztdiePhaseseinesSpätwerkesein. Einrichtung des Max-Frisch-Archivs an der ETH Zürich, der Frisch seinenNachlassvermacht.

10

1979 Veröffentlichung der Erzählung „DerMensch erscheint imHolozän“, in dem erAlterundEinsamkeitthematisiert.

1982 Verleihung der Ehrendoktorwürde der City University New York.VeröffentlichungderErzählung„Blaubart“.

1985 AnlässlichderSolothurnerLiteraturtageundseines75.GeburtstageshältFrischdieresignativeRede„AmEndederAufklärungstehtdasgoldeneKalb“,indererseinem jahrzehntelangenEinsatz fürpolitischeundsozialeVeränderungeneinewachsendeSkepsisentgegensetzt.

1989 Veröffentlichung der Streitschrift „Schweiz ohne Armee? Ein Palaver“.Die Streitschrift erscheint noch vor dem Festakt zum 50. Jahrestag derMobilmachung und vor der Volksbefragung zur Abschaffung der Armee in derSchweiz.Uraufführung des Bühnendialogs „Jonas und sein Veteran“ in Zürich, der sichwiederummitderAbschaffungderSchweizerArmeebeschäftigt.

1989/90 Frisch gibt sein Einverständnis fürdie Verfilmung von „HomoFaber“ durchVolkerSchlöndorff(geb.1939).DerKinostartist1991.

19914.April:MaxFrischstirbtnacheinemlangenKrebsleideninZürich.2

11

VomTagebucheintragzumBühnenstückDieGeschichtevonBiedermannunddieBrandstifter

Anfang des Jahres 1948 schreibt MaxFrischinseinTagebucheineBurleske3.Ersteht dabei unter dem Eindruck derdamaligen Ereignisse in derTschechoslowakei, wo sich der Konfliktzwischen Kommunisten undNichtkommunisten zuspitzt. Die Burleskeerzählt in einer Mischung ausSelbstgespräch und Leseranrede, wie derErzähler von Brandstiftern heimgesuchtwird. Er lässt sie herein, da ihnen einUnrecht geschehen ist, von dem erfürchtet, dass es an ihm gerächt werdenkönnte.Im Herbst 1949 beauftragt Radio ZürichMax Frisch, ein Hörspiel zu schreiben.Frisch hat keine Idee, braucht jedoch dasihm angebotene Geld. Der Auftraggeberfragtihn,obernichtetwasBrauchbaresinseinen Tagebüchern habe und Frischreaktiviert seine Burleske. Anfang desJahres1950gibtereinenEntwurfab,denBericht eines Überlebenden einerFeuerkatastrophe. Der Überlebendespricht zum Hörer, führt Dialoge mitBiedermann, schildert den Verlauf derEreignisse und lässt Szenen vorspielen.Die Verschränkung von Selbstgesprächund Leseranrede aus der Burleske wirdaufgelöst. Es taucht erstmals eineGruppevonMahnernauf,diesichspäterzumChorentwickelt. Der Entwurf wird zunächstnichtrealisiert.1955 sprechen Max Frisch und FriedrichDürrenmatt bei einem Spaziergang überdas Potenzial des Biedermann-Stoffes.Dürrenmatt improvisiert dabei ein StückzurNebenfigurKnechtling.

Im Sommer 1952 erhält Max Frisch einneues Angebot vom BayerischenRundfunk. Das Hörspiel „HerrBiedermann und die Brandstifter“entsteht. Frisch schickt es sowohl an denBayerischen Rundfunk als auch an RadioZürich.Am26.März1953gehtdasStückim Bayerischen Rundfunk auf Sendung,drei Monate später strahlt auch RadioZürich das Hörspiel aus. Im Unterschiedzum Entwurf ist nun der zunächstnamenlose Ort konkretisiert und heißt inAnknüpfung an Gottfried Keller„Seldwyla“. Der Überlebende wird zum„Verfasser“. Es findet eine weitereObjektivierung und EntemotionalisierungderDarstellungstatt.

4Im Jahr 1957 fragt das SchauspielhausZürich ein Stück bei Max Frisch an. Sieschlagen vor, aus dem Hörspiel eineBühnenfassung zu machen. Wiederumkommt also der Vorschlag vomAuftraggeber, sich des Stoffesanzunehmen.DieUraufführung findet am29.März1958statt.DadasStückalsnichtlanggenugfüreinenTheaterabend angesehen wird, wird beiderPremierederEinakter„DiegroßeWutdes Philipp Hotz“ angeschlossen. DieVerbindungzwischendenbeidenStückenist aber nur mitMühe erkennbar, sodassFrisch sich entschließt, eigens einNachspiel zu schreiben. Gegen den Ratseines Verlegers veröffentlicht er dieses,distanziert sich jedoch später wieder.

12

BiedermannunddieBrandstifteralsParabel„EineParabelerhältihreBedeutungerstdurchdieKonfrontationmitdenbrennendstenProblemenderGegenwartandemOrt,wosiegespieltwird[…].“–MaxFrisch.

Obwohl Biedermannund dieBrandstifter nicht in der epischenKurzformder Parabelgeschriebenist,sohatesdochparabelhafteZüge.DieimStückvorhandenenElementelassensichausderBildebene(demText,demErzählten)aufdieGedankenebene(z.B.aktuelleThemen)übertragen.

Welche Elemente gibt es auf der Bildebene? Wie können sie auf die Gedankenebeneübertragen werden? Was haben das Textelement und die Übertragung gemeinsam(tertiumcomparationis)?

WieüberträgtRegisseurinAngelikaZacekdieElementederBildebene?(Wersind ihreBrandstifter?,WeristderBiedermann?,…)Warum?

13

TheatertheoretischeHintergrundinformationenDie Einordnung von „Biedermann und die Brandstifter“ in denliteraturwissenschaftlichen Kontext ist recht komplex. Je nach Inszenierung wird derFokusunterschiedlichgesetzt.DasSujetdesStückesallerdingsverlangteine,wieauchimmer geartete, Überhöhung, zumal der Bürgerchor, ein Verweis auf die griechischeTragödieist.FürdieÜbersichthiereinigeLiteraturgattungen,dieeineRollespielen:

ParabelDie Parabel ist eine Gleichniserzählung und wird häufig zur didaktischen Literaturbeziehungsweise zur sogenannten Lehrdichtung gezählt. Im Unterschied zu derverwandten KleinformderFabel, in der die Bedeutung des Erzählten formelhaft undexplizit zugespitztwird,werden inderParabelBegebenheitendermenschlichenWelterzählt,derenBedeutungderLeserdurchAnalogieschlussermittelnmuss.EbensowieinderFabelumfasstdieseBedeutungofteinbestimmtesSozialverhalten.[...]

[Die Parabel] tritt nur selten als isolierte epische Form auf, dagegen findet man siehäufig als gleichnishafte Episode in eine epische, dramatische oder pragmatischeGroßform eingebettet. [...] Mit dem wichtigsten Strukturmerkmal des Vergleichs vonzweiunterschiedlichenGegenstandsbereichenistdieParabelbesondersdazugeeignet,den Rezipienten zu aktivieren und auf eine künstlerische Weise verschiedeneErkenntnisprozessezubefördern.[...]5

AbsurdesTheaterDas Absurde Theater entwickelte sich im Nachkriegsfrankreich als Reaktion auf einesinnentleerte Welt, in welcher der „zur Freiheit verurteilte“ Mensch selbständigerSchöpferseinesGeschicksistundsichdenSinnseinerExistenzselbstgebenmuss.Ausdem Bewusstsein der damit verbundenen Verantwortung entsteht Angst undVereinsamung.[...]ZudenführendenDramatikernzählenderEngländerSamuelBeckett,derRumäneEugèneIonescosowiederFranzoseJeanGenet.

Das Theater des Absurden strebt nach einer radikalen Abwertung der Sprache, nacheiner Dichtung, die unmittelbar aus auf der Bühne sichtbar und gegenständlichgewordenenBildernhervorgehensoll.DieSprache spieltdabei zwar immernocheinewichtigeRolle,aberdas,wasaufderBühnegeschieht,sagtmehrausalsdieWorte,dievon den Figuren gesprochen werden. Oft widersprich sogar das Geschehene derSprache. Die Akteure reden aneinander vorbei, ihre Worte werden nicht verstandenoder gehen ins Leere.Die Zerstörung der Sprache alsMittel der Verständigung ist imabsurdenTheateroffensichtlich.6

14

LehrstückinderLiteraturursprünglicheineSonderformdesepischenTheatersnachB.Brecht,diemitbewussteinfacherMusikunterlegtwurde.DasLehrstücksollteerzieherischwirkenundzurAuseinandersetzungmitdemangesprochenenProblemanregen.DieSpielweisedes Lehrtheaters ist verfremdend und typisierend. Der Zuschauer soll dasGeschehenmitdemVerstandundnichtmitdemGefühlerfassen.[...]DienationalsozialistischeZeitunterdrückte das Lehrstückwegen seinergesellschaftskritischen Inhalte.Nach dem2.WeltkriegwurdeesvoralleminderDDRwiedergepflegt.7

© Ronny Ristok

15

WasisteinBiedermann?Auszug aus: Der Mensch, eine moralischeWochenschrift. Siebenter Theil. Halle, beyJohann Justinus Gebauer, 1754. Das 268.Stück,S.66f.„DasWort Biedermann ist noch bekanter, alsdas Beywort der Biederbe, oder Bederbe.Beydes komt her von dem Wörtlein derb,welches gebräuchlich ist in der Redensart,einem derb die Wahrheit sagen, oder diederbeWahrheit, eine derbeOhrfeige; so sagtman auch von der Leinewand, daß sie derbsey. Daraus läßt sich leicht die Bedeutungschliessen, es wird nemlich etwas tüchtigesund dauerhaftes angezeiget. Bederben heißt,starkbearbeiten,[…]DarausistdasWort,derbiederbe Mann, oder der Biedermannentstanden,dasist,einMann,dertüchtigseineSachenverrichtet,derfürdenRißstehet,undauf den man sich in gefährlichen undwichtigen und mühseligen Dingen verlassenkan,derdasseineredlichthutundausrichtet.EinMann,denmanbederbenkan,dasist,denmanmitgutemNutzenundEhrengebrauchenkan.DasGegentheileinesBiedermannsisteinSchalk. Die eigentliche Bedeutung des WortsSchalk ist noch bey den Landleuten üblich,welche den Kohl, der nicht derb wird, keineKöpfesetzetundsichnichtschliesset,sondernnur flatternd wächst, Schalk nennen.Biedermann zeiget also einen redlichen,treuen,ehrbaren,aufrichtigen,tüchtigenMannan, […] Ein Biedermann thut recht, nicht ausFurcht der Strafe, sondern aus Liebe zurTugend.WerspieltzumGewinnen,deristkeinBiedermann.“8

Dudenonline:Biedermann,derWortart:Substantiv,maskulinHäufigkeit:▮▮▯▯▯RechtschreibungWorttrennung:Bie|der|mannBedeutungsübersicht1. (veraltend oder spöttisch) biederer,

ehrenwerter,rechtschaffenerMann2. aufbeschränkte,kleinbürgerlicheWeise

biedererMensch;SpießerSynonymezuBiedermann(abwertend) Kleinbürger, Spießbürger;(bildungssprachlich abwertend) Philister;(umgangssprachlich abwertend) Spießer;(veraltendabwertend)PfahlbürgerAusspracheBetonung:BiedermannGrammatikderBiedermann<Plural:Biedermänner>Bedeutungen,BeispieleundWendungen1. biederer (1), ehrenwerter,

rechtschaffenerMannGebrauchveraltendoderspöttischBeispieleinwackererBiedermann

2. aufbeschränkte,kleinbürgerlicheWeisebiedererMensch;Spießer9

Beschreibt die Unterschiede zwischendem Biedermann des 18. JahrhundertsunddemheutigenBiedermann.VergleichtmitderFigurdesGottliebBiedermann.

Durch die Parabelhaftigkeit des Stückes, bietet es eine Plattform dafür, „wie es gemeint seinkönnte“.WersinddieBrandstifter?Wofürstehensiebeispielhaft?WeristderBiedermann?ImLaufederZeit,indenendasStückaufgeführtwurde,warendieBrandstiftermalKommunisten,malNationalsozialistenundBiedermann,maleinMitläufer,malAdliger,malbequemerBürger.Wir stellen Ihnen auf den folgenden Seiten einige Interpretationsansätze vor, die mit IhrenSchülern diskutiert werden können. Auch lassen wir Frisch selbst zu Worte kommen. DasWichtigsteistallerdings,dassMaxFrischinnahezuallseinenWerken,dieVerantwortungdesIndividuums für seineHandlungen, oder,wiebeiBiedermann, für seineUntätigkeit, in seinenSpielartendurchexerzierthat.Daszeigtsichvorallemam„HomoFaber“,derglaubtseinLebenimGriffzuhabenundsichmitdembevorstehendenTodunddemUmstandauseinandersetzenmuss,seineeigeneTochteraufdemGewissenzuhaben.

16

VomBiedermannzumMitläuferDasDramaisteinParadebeispielfürdiepolitischeDummheitdesBürgers.Biedermannist zu bequem und zu ängstlich, um gegen dieMächtigeren anzutreten, weil er großeAngst vor den möglichen Konsequenzen hat. Aus diesem Grund hat Max Frisch demBuch auchdenUntertitelLehrstückohne Lehre gegeben. AmAnfangwillBiedermanndem Hausierer Schmitz kein Asyl gewähren, doch erliegt er einer Kombination aussubtiler Gewaltandrohung und Schmeicheleien, mit denen der arbeitsloseSchwergewichtsringer Schmitz Biedermanns Egoismus, sein Misstrauen und seinschlechtesGewissengekonntfürsichbenutzt.AlsdieserdannersteinmalAsylhat,gibter auch ganz offen zu,was er vorhat, und ererklärt Biedermannpräzise seinenPlan.Doch in scheinbar naivem Idealismus, hinter dem sich Biedermanns Angst verbirgt,deuteteralleVorbereitungenzurBrandstiftungalsScherzeoderMutprobenundduldetsie.Was nicht sein darf, daswird auch nicht sein, denn ihmwürde das nie passieren,dassjemand,denersoaufopferndaufgenommenhat,inseinemHauseFeuerlegenwird.Er hat die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen und will das Schreckliche nichtwahrhaben.Max Frisch bringt damit etwas auf die Bühne, das erst zuBeginn des 21.JahrhundertsindieöffentlicheDiskussionkommt:DieIdentifikationderOpfermitdenTätern,durchdiesiefürsichÜberlebensmöglichkeitenkalkulieren.

Frisch selbst äußerte sich zu seinem Protagonisten: „Wenn siemich fragen, ich findediesenGottliebkeinenBösewicht,wennauchalsZeitgenossengefährlich.UmeingutesGewissenzuhaben–unddasbrauchter,umRuhezuhaben–,belügtersichhalt. […]GottliebmöchtealsguterMenscherscheinen.Erglaubtsogar,daßerdassei:indemersichselbernichtaufdieSchlichekommt.“BiedermannisteindurchschnittlicherBürger,imStückauchJedermanngenannt,dessenDilemmaesist,dassergutseinmöchte,ohnedabei irgendetwas zu verändern. Max Frisch nennt sein Drama Ein Lehrstück ohneLehre.ErdecktinihmMissständeaufundweistaufdieNotwendigkeiteinerÄnderunghin,zeigtabernichtselbsteinekonkreteLösungauf.ErüberlässtdiesedenLesernundfordertsiesomitzumNachdenkenauf.10

17

LesartenSelbstkommentarvonMaxFrisch11„20JahrenachderUraufführungaufderselbenBühne:–dasfeuergefährlicheBenzinaufdemDachboden,daßunserGottliebBiedermannzwarriechtunddas ihnängstigtunddas er als Haarwasser deklariert, hat sich inzwischen vermehrt: es reicht für einenWeltbrand.WassolldanochzumLachensein?Auchfürchte ich,derbraveChorredetnochimmervergeblich:

„DerdieVerwandlungscheutMehralsdasUnheil,waskannertunwiderdasUnheil?“

Herr Biedermann meint nach wie vor, es genüge ein bißchen guter Wille.Herrgottnochmal,einbißchenIdealismus,einbißchenusw.,damitwiralleunsereRuheundunserenFriedenhaben,dieArmenunddieReichen.UndSchmitz,derschmatzendeRinger, hat immer noch recht, wenn ermeint: Diemeisten Leute heutzutage glaubennichtanGott,sondernandieFeuerwehr!…IchhabedasStücknichtverändert.

Wenn Sie mich fragen, ich finde diesen Gottlieb keinen Bösewicht, wenn auch alsZeitgenossengefährlich.UmeingutesGewissenzuhaben–unddasbrauchter,umRuhezu haben – belügt er sich halt. Ohne es zu merken. Seine Gattin merkt es, dasDienstmädchenmerktes,undderChortut,wassich füreinenantikenChorgehört:Erwachtundwarnt.

„Bürger–wohin?“

GottliebmöchtealsguterMenscherscheinen,erglaubtsogar,daßerdassei:indemersichselbernichtaufdieSchlichekommt.WarumläßterdiesenSchmitzanseinenTisch?UmsichalsgütigerMenschvorzukommenamFeierabend,nachdemerimGeschäftsichziemlichgemeinverhaltenhat.DieFalle,dieersichselbststellt, istseinePhraseologie.ManmußihnnurbeimWortnehmen–unddieKomödieistda.

Wer denn eigentlich mit den beiden Brandstiftern gemeint sei, die Frage ist mir inzwanzigJahrenmindestensvontausendSchülerngestelltworden.GottliebBiedermannist ein Bourgeois, das ist offenbar. Aber zu welcher Partei gehören die beidenBrandstifter? – kein Satz, den sie sagen, weist daraufhin, daß sie die Gesellschaftverändern wollen. Keine Revolutionäre also, keine Weltverbesserer. Wenn sie Brandstiften, soauspurerLust.EsgibtPyromanen. IhreTätigkeit ist apolitisch… Ichmeine:die beiden gehören in die Familie der Dämonen. Sie sind geboren aus GottliebBiedermann selbst: aus seiner Angst, die sich ergibt aus seiner Unwahrhaftigkeit.Natürlich gilt das nicht nur für den Bourgeois: aus der permanenten DiskrepanzzwischenPhraseologie(welcherauch immer)undRealitätwächstdasUnheil langsam,aber sicher. Warum unaufhaltsam? Da ist immer ein kleiner Spalt, wo die Dämonen,

18

wenn Gottlieb redet, ihren Fuß hineinstellen können, grinsend: Der geht lieberzugrunde,alsdaßerseinekleinenfeigenFalschheitenauchnursichselberzugibt.

Schlimmistallerdings,daßauchdieNachbarnvonGottliebBiedermannvoraussichtlichzugrundegehen:dahörtdieKomödieauf.

BezugzumKommunismusVonFrischselbstalsReaktionaufdiekommunistischeMachtergreifunginPragimJahr1948 geschrieben,wurdeBiedermannund dieBrandstifter vielfach als eineWarnungvor dem Kommunismus verstanden. So befand Eduard Stäuble: „Der Umsturz vollzogsich in der Tschechoslowakei genau nach diesemMuster: Eine ahnungslose, biedere,vertrauensselige bürgerliche Gesellschaft nahm die bolschewistischen Brandstifter inihr Haus auf und mußte es sich schließlich machtlos gefallen lassen, daß ihr dieEindringlinge das Staatsgebäude über dem Kopf anzündeten.“ Und auch FriedrichTorberg urteilte: „Ob er’swollte oder nicht:Max Frisch hat hier die klassische Satiregegen den Kommunismus, gegen seine Infiltrationstechnik und seine bürgerlichenHandlangergeschrieben.Erhatsogar[…]Selbstkritikgeübt:indemerzumSchluß,alsesschon brennt, noch rasch einen Intellektuellen auftreten läßt, einen ernüchtertenWeltverbesserer, dessen Protestkundgebung bereits imTosen desBrandes untergeht.ErhatdereigenenBiederkeit–dennwaswäreseinebisherigeKonzessionsbereitschaftandresgewesen?–Adieugesagtundistwütendgeworden.“12

BezugzumNationalsozialismusDas nachgelegte Nachspiel des Stückes legte hingegen den parabolischen Bezug zurMachtergreifungderNationalsozialisteninDeutschlandunterAdolfHitlernahe.SosahHellmuthKarasek„eineParabel,inderdieMachtergreifungHitlerstreffendeingefangenist.DieErfahrung,daßHitlerausseinenwahrenAbsichteninMeinKampfnieeinenHehlgemachthat,isthierszenischfaßbargeworden.DerTerrorkannsichunverblümtgeben,sobald er den Bürgermitverstrickt hat, ihn zumMitschuldigen machte. Er kann sichdaraufverlassen,daßdasOpfernichtglaubenwird,wasesahnt.DieFeigheitverschließtnochvorderWahrheitAugenundOhren.“In diesem Sinn kann in Biedermann ein Beispiel für die Gutgläubigkeit, dieBequemlichkeit, die Feigheit sowie mangelnde Weitsicht vieler Deutscher gesehenwerden, die aktiv oder passiv den Nationalsozialismus unterstützten. Ähnlich denBrandstiftern proklamierte auch Hitler früh seine politischen Ziele, unter anderem inseinemWerkMeinKampf.ObwohldieRadikalitätdesNationalsozialismusunddievonihmausgehendeGefahrvielenBürgernundPolitikernderWeimarerRepublikbewusstwar,wehrtesicheingroßerTeilvonihnen–wieGottliebBiedermannimDrama–nichtgegen die drohende Gewalt. Biedermann hilft Eisenring sogar, die Zündschnur zuvermessen, und trägt so aktiv zu seinem eigenen Unglück bei. Er bestätigt somit dasZitat:„ScherzistdiedrittbesteTarnung.Diezweitbeste:Sentimentalität.Aberdiebesteund sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Die glaubtniemand.“13

19

WeitereInterpretationenAndereStimmenwandten sichgegenzuengeInterpretationendesStückesals Spiegelvon Kommunismus und Nationalsozialismus. Klaus Müller-Salget urteilte: „Beides istvom Stück her unsinnig. […] Weder den Nationalsozialisten noch den Kommunistenhätte Frisch als Handlungsmotiv ‚pure Lust‘ unterstellt […]. Die Abgrenzung derBrandstifter gegen den Ideologen [Dr. phil.] verbietet eine Zuordnung der beiden zueiner bestimmten politischen Partei oder Gruppe.“ Friedrich Luft sah die ParabelBiedermannunddieBrandstiftervielfachanwendbar,gleichermaßenfürdieAtombombewiefürpolitischenExtremismus:„MankanndieMoraldiesesLehrstücksohneLehreaufdie jüngste Vergangenheit anlegen. […] Oder man kann (und soll wohl) an dieBrandstifter denken, diemit dem neuen großen Feuer,mit der Teufelsbombe kokeln.Wirduldenes.WirsehenesmitanundfindenvieleGründe,eszutun.AberdieLunteistgelegt. Wehe! Oder man kann an die demokratische Duldsamkeit denken, mit derextreme Brandstifter biedermännisch von uns ausgehalten werden, ganz rechts undganzlinks.[…]AusGründenderöffentlichenGemütlichkeitschiebenwirdieRegungeneinerbesserenEinsichteinfachweg:Istjaallesnichtsoschlimm…“

MaxFrischselbsterklärte1978,20JahrenachderUraufführungdesStückes:„WerdenneigentlichmitdenbeidenBrandstifterngemeintsei,dieFrageistmirinzwanzigJahrenmindestens von tausend Schülern gestellt worden. Gottlieb Biedermann ist einBourgeois,das istoffenbar.AberzuwelcherParteigehörendiebeidenBrandstifter?–kein Satz, den sie sagen,weist darauf hin, dass sie die Gesellschaft verändernwollen.KeineRevolutionalso,keineWeltverbesserer.WennsieBrandstiften,soauspurerLust.EsgibtPyromanen.IhreTätigkeitistapolitisch.[…]Ichmeine,diebeidengehörenindieFamilie der Dämonen. Sie sind geboren aus Gottlieb Biedermann selbst: aus seinerAngst,diesichergibtausseinerUnwahrhaftigkeit.“14

20

DerChoralsVertreterderPolisDer Chor ist ein zentrales Bauelement der antiken, insbesondere der klassischengriechischenDramen,derKomödienwiederTragödien.ErdürftezudemdenUrsprungderDramatikinderreligiösenPraxisderGriechenmarkieren.DochauchinderNeuzeitgibt es verschiedeneVersuche undModi, denChoroder doch zumindestmusikalisch-gesangliche und/oder tänzerische Elemente (wieder) in die Dramatik zu integrieren,etwaindenverschiedenenGattungendesMusiktheaters.

Die Stellung bestimmter Chorauftritte in den griechischen Tragödien und (wenigerstark) indenKomödien istrelativ fix,sodaßdieChorauftrittedieDramenhandlungengliedern.SotretenetwadieChörederTragödienwiederKomödienimmererstnachdererstenSzeneauf,sodaßihrErscheinenbewußtnachvollziehbarist.[...]

Besonders indenklassischenTragödienundKomödiendes5. Jahrhundertsv.Chr. istder jeweilige dramatische Chormehr oderminder deutlich als komplexe Figur in denHandlungszusammenhang integriert und agiert als Gruppenfigur, die zumeist die(gesellschaftliche) Öffentlichkeit – und damit wiederum das Theaterpublikum –repräsentiert. Als solche Figur ist der Chor jederzeit bereit und in der Lage, dasGeschehen (bzw. die anderen Figuren) zu beeinflussen, indem er es bewertet undkommentiert.

Später verselbständigt sich diese Kommentar-Funktion: Der Chor tritt aus demeigentlichenDramengeschehenherausundträgt'nurnoch'(mehroderminder)aufdasBühnengeschehenbezogenegliederndeEinlagenvor.[...]15

MaxFrischassoziiertedenantikenChorimmermitder„bravenFeuerwehr[…],dieauchnichtsmachenkann,bevor’sbrennt,unddannistesja–inderTragödieundheute–zuspät“.16In Biedermann und die Brandstifter besteht der Chor dementsprechend ausFeuerwehrmännern.

In Angelika Zaceks Inszenierung wird der Chor durch Bürgerinnen und BürgerAltenburgsverkörpert,dieimmerwiederalsZuschauerimPublikumPlatznehmen.

21

SindwirnichtalleeinwenigBiedermann?WieobenimVorwortangemerkt,findenSieimFolgendeneinigeInformationenüberdieEinflüsse von Großkonzernen auf die Gesellschaft und die Gefahren, die eine solcheMachtkonzentration in sich birgt. Es wäre allerdings zu einfach, nur Schuldige zubenennen, denn das käme Stammtischparolen gleich. Die Lesart der folgendenInformationenmuss,wennwirdasStückundvorallemunsselbsternstnehmen,immersein,wiediesemMissstandentgegengewirktwerdenkann.Oderanders:sindwirbereit,unsere Bequemlichkeit aufzugeben, und damit dieMachtverhältnisse zu ändern, odernicht?Wennnicht,habenwirdanndasRechtunszubeschweren?DieseFragestellungistgeradefüreinjugendlichesPublikumrelevant.DamithabenSiealsLehrerIneingutesArgumentationsfundament,ummitIhrenSchülerInneninsGesprächzukommen.

Geld bedeutet Macht. Durch Fusionen und globales Expandieren ist es in vielenindustriellenBereichenwenigenFirmengelungen,einengroßenMarktanteilzusichern.Dies bedeutet nicht nur viel Profit, sondern auch einen großen Einfluss auf Preise,Warenangebot und politische Entscheidungen. Ein Beispiel ist dieLebensmittelindustrie.CarlaNeuhausberichteteam10.01.2017imTagesspiegel.

[…] Vier Großkonzerne teilen den Handel mit Lebensmitteln inzwischen hierzulandeunter sichauf. ZusammendominierenAldi,Edeka,ReweunddieSchwarz-GruppemitdenLidl-undKaufland-Läden85ProzentdesMarktes.DabeisagtBarbaraUnmüßigvonder Heinrich-Böll-Stiftung: „Das ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Über die gesamteWertschöpfungskette der Lebensmittel hinweg sei dieMarktmacht derGroßkonzernezuletzt stark gestiegen: vomHersteller der Landmaschinenüber die Produzenten vonSaatgut,dieLebensmittelindustriebishinzumHandel.

Der Grund: In all diesen Bereichen hat es zuletzt Fusionen gegeben. Und zwar nichtwenige. Allein in den letzten zwei Jahren fanden fünf der zwölf kapitalintensivstenÜbernahmenbörsennotierterFirmenimAgrar-undErnährungsbereichstatt.[…]

22

Kritisch [wird] diese Entwicklung [gesehen], weil die Konzerne ihre Marktmachtausnutzenkönnen:zumBeispielindemsiedenLandwirten,denensieWeizenoderMaisabkaufen,ihrePreisediktieren.Dazukommt,dassdieKonzernelängstnichtnurindereigenen Branche wachsen: Statt mit den Rohstoffen zu handeln, verarbeiten sie sieverstärktauchselbstweiter:etwaindemsieOrangensaftoderSchokoladeproduzieren,statt die Früchte oder Bohnen einfach zu verkaufen.NochgrößeralsbeidenRohstoffhändlern istdieMarktmachtbeidenHerstellernvonSaatgutundPestiziden.[…][Problematisch ist auch, dass der]Einfluss [der Konzerne] auf diePolitiksteigt.„Je größer ein internationalagierendes Unternehmen, destoweitreichender ist seineLobbymacht und damit seinEinfluss auf die Gesetzgebung“,heißtesimKonzernatlas.[…]

KarikaturvonKostasKoufogiorgos17

DieKonzernekönnendieMarktmachtausnutzenDasProblemiststetsdasselbe:jegrößerdieMarktmacht,destogrößerdieGefahr,dassdie Konzerne sie ausnutzen. Das gilt auch für den Handel. „Die Supermarktkettenbestimmen wesentlich, wer wie Lebensmittel produziert und welche LebensmittelKonsumenten im Regal vorfinden“, sagt Marita Wiggerthale von derNichtregierungsorganisation Oxfam. „Je höher der Marktanteil der Supermarktkette,desto größer ihre Macht, Lieferanten die Preise und die Konditionen zu diktieren.“GeradeinDeutschlandmitdersehrhohenMarktkonzentrationbeidenSupermarktketten sei das der Fall. Der Bundesverband des DeutschenLebensmittelhandels wehrt sich gegen diese Kritik. „Wer die Marktstellung desLebensmitteleinzelhandels kritisiert, vernachlässigt die zur Verfügung stehendenVermarktungsalternativen“,sagteeinVerbandssprecher.DeutlichmachteerdasanderMilch.DenSupermarktkettenwirdoftvorgeworfen,denMolkereiendieniedrigenPreiseaufzudrücken.DabeiwürdegeradeeinmalelfProzentderinDeutschlandproduziertenKonsummilchüberdenEinzelhandelverkauft.VorallemderExporthabeeine„immergrößereBedeutung“,sagtederSprecher.18

23

LobbyismusvonUnternehmenbeeinflusstpolitischeEntscheidungen„Unter Lobbying versteht man eine Form der informellen, interessengeleitetenKontaktpflegezupolitischenEntscheidungsträger/-innenderExekutiveundLegislativemitdemZielderpolitischenEinflussnahme.“19–BundeszentralefürpolitischeBildung

ImkeDierßen kritisiert dieArt undWeise, auf die Lobbyismus betriebenwird. Sie istpolitischeGeschäftsführerinvonLobbyControl,einemVerein,dersichfürTransparenz,eine demokratischeKontrolle und klare Schranken der Einflussnahme auf Politik undÖffentlichkeit in Deutschland und Europa einsetzt. In einem Gastbeitrag auf SpiegelOnlinevom01.10.2017schreibtsieunteranderemFolgendes.

„In Brüssel und Berlin arbeiten tausende Lobbyisten daran, Gesetze im Sinne ihrerAuftraggeber zu beeinflussen. Finanzkräftige und mächtige Akteure sind dabei imVorteil. Sie können Stiftungen gründen, Universitäten sponsern, Studien in Auftraggeben, teure Werbekampagnen starten und natürlich auch gut ausgebildetes undbestensvernetztesLobby-Personaleinkaufen.“

„Problematisch sind aber auch Interessenkonflikte, denen nicht Einhalt gebotenwird.Wenn ein Abgeordneter im Bundestag an zentraler Stelle über ein Rüstungsprojektmitentscheidet, zugleich aber im Aufsichtsrat einer Firma sitzt, die direkt von derAuftragsvergabe profitiert, wirft das berechtigte Fragen auf. Die Verknüpfung einerpolitischenEntscheidungmitprivatenfinanziellenInteressenkannineinemsolchenFallnichtausgeschlossenwerdenunddarfdeshalbnichtunterdenTischfallen.“

„Es gehört inzwischen zum Glück zum internationalen Standard, den Umgang mitInteressenkonflikten in staatlichen Institutionen nicht dem Zufall und politischemGutdünken zu überlassen, sondern sinnvoll zu regeln. In Deutschland ist dies nichtzufriedenstellend gelungen. Es ist dabei zu einfach, beim Umgang mitInteressenkonfliktennurvondemGegensatzpaarkäuflichoderunkäuflichauszugehen.Ob jemand aufgrund einer vergüteten Nebentätigkeit oder eines Jobangebots einebestimmte Entscheidung fällt oder nicht, ist dabei sogar unerheblich. Allein derAnschein kann das Vertrauen in die Politik ins Wanken bringen. Wenn privateInteressen imSpielsind,solltedeshalbnichteinfachnuraufdiepersönlicheIntegritätdesPolitikersgesetztwerden.“

„Richtig ist, dass die große Mehrheit (rund Dreiviertel) der Bundestagsabgeordnetenkeinen bezahlten Nebentätigkeiten nachgeht. Die allermeisten üben ihr Mandattatsächlich mit vollem Einsatz und großem Engagement aus. Und nicht jedeNebentätigkeit ist problematisch. Doch kann das im Umkehrschluss heißen, dassStillschweigen gewahrt werden sollte über diejenigen, die aufgrund ihrerNebentätigkeiten in Interessenkonflikte geraten und den politischen Unwillen,Interessenkonfliktestrengzuregulieren?[…]DasEuropäischeParlamenthatimletztenDezember beschlossen, dass Abgeordnete keinen Lobbynebentätigkeiten nachgehendürfen.AuchdemBundestagstündeeinesolcheEntscheidunggutzuGesicht.“

24

„Es gibt keine systematische Käuflichkeit deutscher Politiker. Doch finanzielleVerflechtungen und die Finanzkraft von Lobbyakteuren können auch einen Einflusshaben,ohnedassdirektvonKorruptionoder"gekauftenEntscheidungen"zusprechenwäre. SokaufenEinzelpersonenoderUnternehmen inden seltenstenFällenmit einerParteispendeeinekonkretepolitischeEntscheidung.Daswäreübrigensauch strafbar.DennochverfolgensiemitihrerZuwendungeinenZweck-zumBeispiel,derPartei,dieihreInteressenambestenvertritt,einenVorteilzuverschaffen.“

„Geld ist ein Machtfaktor. Dass ein Zusammenhang zwischen Reichtum und Einflussbesteht,hatvorKurzemaucheinewissenschaftlicheStudiedesMax-Planck-InstitutsfürGesellschaftsforschung inKölnaufgezeigt,derzufolgeEntscheidungendesBundestageshäufigmitdenEinstellungenderoberenEinkommensschichtenübereinstimmen.Dassdas Kanzleramt den Verweis auf dieses Forschungsergebnis aus dem Armuts- undReichtumsberichtstreichenlassenwollte,gehörtnichtzudenpolitischenSternstundenderzuEndegehendenLegislaturperiode.“

„StattdieseZusammenhängekleinzureden,solltediePolitikdiesenäherergründenunddazu beitragen, dass die bestehenden Machtungleichgewichte nicht zu einseitigerEinflussnahme führen. Ein Anfang wäre die Schaffung vonmehr Lobbykontrolle undTransparenz. In diesen Feldern hinkt Deutschland im internationalen Vergleich weithinterher.DassdieEindämmungdesLobbyismus immernochnichtganzobenaufderpolitischen Tagesordnung steht, ist Ausdruck mangelnden politischen Willens. DiesverstärktdasMisstrauengegenüberderPolitik-undnicht,wievonPolkbehauptet,dasBemühen von Akteuren wie LobbyControl, diese Missstände immer wieder zuthematisieren.“20

25

PrivatisierungvonWasser–einSpielaufdemRückenderÄrmstenWasser ist ein lebenswichtigesNatur-Gut. Der Zugang zuWasser ist einMenschenrecht.EinigeGroßkonzerneversuchentrotzdem,ProfitdurchdenHandelmitWasserzuerlangenund ignorieren die Schäden, die sie anrichten. FOCUS-Online-RedakteurinTatjana GrasslberichtetinihremArtikel„DasdreckigeGeschäftmitdemWasser:WievielistunsWasserwert?“vom22.03.2017überdieHerkunftundVermarktungvonMineral-undTafelwasser.WasserwirdzueinemMilliardengeschäftSo ist der Verkauf von Wasser zu einemMilliardengeschäft geworden. Konzerne wie Nestlé,Danone und Coca-Cola setzen damit Milliarden um.Allein die Wassersparte von Nestlé erreichte 2016einenUmsatzvonrundsiebenMilliardenEuro.

DieGewinnungvonWasserdurchGroßkonzernestehtregelmäßig in der Kritik. Während deutscheVerbraucher die Auswahl aus hunderten Sorten vonWasserhaben, trocknen inAfrikaundSüdamerikadieüberlebenswichtigen Brunnen aus. Vor allem Nestléwird vonUmweltschützern vorgeworfen, der KonzernbetreibeeindreckigesGeschäftmitWasser.DasUnternehmenhatweltweitWasserrechtegekauft und pumpt dabei auch Grundwasser in Dritte-Welt-Ländern ab, um es lokal zuverkaufen. Dadurch sinkt der Grundwasserspiegel in den betroffenen Ländern, Brunnentrocknenaus.DieEinheimischenleiden,Nestléverdient.

DerNestlé-ChefPeterBrabeck-LetmatheverteidigtdieStrategie immerwieder. IneinemInterviewsollersogarklarerklärthaben,dassWasserkeinoffenesGutundderZugangzuWasser kein Menschenrecht sei. Wasser habe einen Marktwert, zitiert ihn der ‚Stern‘.Nestlé tutdieAussagenalsMissverständnisab.NachAngabendesKonzernsunterstützemandasMenschenrechtaufWasser.JederMenschaufderWelthabedasRechtaufZugangzusauberem,gesundheitlichunbedenklichemTrinkwasser,erklärtNestlé.“21

26

Vermögensverteilung:DieSchereöffnetsichimmerweiterDie Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das bleibt nicht ohnegesellschaftlicheFolgen.StephaniePieper,ARD-KorrespondentininLondon,berichteteimJanuar2017.

Wer die Top Ten auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt studiert, derentdeckt dort Männer wie Microsoft-Gründer Bill Gates oder den Facebook-Chef MarkZuckerberg. Die ersten acht Männer in diesem Ranking verfügen zusammen über einVermögenvon426MilliardenUS-Dollar.Das istmehr,alsdiegesamteärmereHälftederWeltbevölkerungbesitzt-dassindmehralsdreieinhalbMilliardenMenschen.Das istdieQuintessenzdesjüngstenOxfam-Berichts,sagtKampagnenleiterMaxLawson.„DiesozialeUngleichheitwächst,dieScherezwischenArmundReichöffnetsichjedesJahrweiterundhatjetzteinneuesExtremerreicht.Wasneuist:Jetztsehenalle,welchepolitischenFolgendashat.“

Oxfam-ZahlenOxfam greift für seinenBericht zur weltweitenVermögensverteilung aufzwei Datensätze zu: dieForbes-ListederreichstenMenschen der Welt undden VermögensberichtderBankCredit Suisse, indem geschätzt wird, wieviel Vermögen die ärmsteHälftederWeltbesitzt.Bereits im vergangenenJahr gab es Kritik an derMethodikvonOxfam.AuchindiesemJahrlautetderVorwurf,OxfamverzerredieRealität:So bewerte Credit Suisse einen deutschen Rentner ohne Eigenkapital, der gerade einenkleinenKreditaufgenommenhabe,alsärmeralseinenBauerninAfrika.Oxfamargumentiert,ihreVeröffentlichungseikeineWissenschaftundgebediesauchnichtvor. Die Zahlen seien Schätzungen. Entscheidend sei, dass die extreme Ungleichheit desVermögensrealsei.DaraufwolledieOrganisationhinweisen.

27

UnzufriedenheitüberallaufderWeltAls Beleg führt Lawson den Aufstieg und Erfolg populistischer Bewegungen an, dieEntscheidung der in den Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern auch in denIndustriestaaten.„DasstimmtfürdieUSAundGroßbritanniengenausowiefürIndonesien,Südafrika oder die ärmsten Länder. Überall auf der Welt hat sich die Ungleichheitvergrößert in den letzten Jahrzehnten. Das verursacht soziale Probleme, verhindert dieAusradierungderArmutundzerfrisstunsereGesellschaften.“

Sowohl vermögende Menschen als auch Konzerne müssten ihren fairen Teil dazubeitragen, etwaBildung,Gesundheitsversorgung und sozialeAbsicherung zu finanzieren.Die britische Nothilfe- und Entwicklungsorganisation plädiert dafür, „neoliberaleGlaubenssätze“aufzugebenundinsbesondereinderSteuerpolitikdasGemeinwohlwiederindenMittelpunkt zu rücken. „UnserWirtschaftsmodell istkaputt,weil esdieganzobenbelohnt und daran scheitert, die Früchte des Wachstums gerechter zu verteilen. MehrdiesesWohlstandsmüsstefürSchulenausgegebenwerdenundwenigerfürSuperjachten.“

„SteueroasensindjakeinWetterphänomen“Lawsonfordert,dieSteuervermeidungvonWohlhabendenundinternationalenKonzernenzu bekämpfen, indem ein globaler Mindeststeuersatz für Konzerne eingeführt wird undindem etwa Apple, Google und Co transparentmachenmüssen, wo siewelche Gewinneerzielen,umsieauchdortzubesteuern.AuchdenSteuerparadiesenwillOxfamdenGarausmachen.„Esistdurchausmöglich,dasProblemderSteueroasenzulösen.DiesindjakeinWetterphänomen,sondernwurdenvonMenschengeschaffen.Mankannsiealsoschließen,undmankannsieregulieren.FrüherwaresfürReicheundKonzerneauchnichtmöglich,ihrGeldaufdieseWeisezuverstecken.“

InDeutschlandbesitzenlautOxfam36MilliardärezusammensovielwiedieärmereHälftederBundesbürger.DerReportmitdemTitel „EineWirtschaft fürdie99Prozent“beruhtaufDaten,diedieSchweizerBankCredit Suisse zusammengetragenhat.HoffnungmachtLawson das Beispiel Namibia. Das Land im Süden Afrikas habe es geschafft, durch einestärkere Besteuerung von Vermögenden und Investitionen und die Bildung die sozialeUngleichheitzuverringern.22

28

PolitischerAktivismusLobbyControl schreibt über sich:„LobbyControl ist ein gemeinnützigerVerein, der über Machtstrukturen undEinflussstrategien in Deutschland undderEUaufklärenwill.Wirsetzenunseinfür Transparenz, eine demokratischeKontrolle und klare Schranken derEinflussnahme auf Politik undÖffentlichkeit.“23

„Whistleblower sind Menschen dieillegales Handeln, Missstände oderGefahren fürMensch undUmwelt nichtlänger schweigendhinnehmen, sondernaufdecken.Sie tundies intern innerhalb

ihres Betriebes, ihrerDienststelle oderOrganisation oderauch externgegenüber denzuständigenBehörden, Dritten

oderauchderPresse.“24

Ein berühmtes Beispiel für einenWhistleblower ist Edward Snowden. Erhat Spionage- und Abhörpraktiken vonUSA und Großbritannien enthüllt. IhmdrohteineHaftstrafewegenunerlaubterWeitergabe von geheimenInformationenundSpionage.Er lebt imExil.25

WelchepolitischenAktivistenkenntihrnoch?WaskannmaninDeutschlandundglobalgegensozialeUngerechtigkeittun?AnonymousUnter dem Namen „Anonymous“ tretenweltweit Aktivisten auf. Ihr Zeichen istdie Guy-Fawkes-Maske. Zu Beginnhandelte es sich meist umInternetaktionen, mittlerweile habensich diese auch auf die reale Weltausgeweitet. Aktionsmittel sind häufigDemonstrationen und Hackerangriffe,diesichfürFreiheiteinsetzenundgegenbestimme kapitalistische oderkriegerischeOrganisationenrichten.26

OccupyDie Occupy-Bewegung schwappte 2011von der Wall Street nach Deutschlandund protestierte gegen sozialeUngleichheit,SpekulationenvonBankenund wirtschaftliche Einflussnahme aufdie Politik. In vielen Städten gab esDemonstrationenmitBelagerungen.DieAktivisten zelteten auf Wiesen undPlätzeninderUmgebungvonBanken.27

29

DieVerantwortungdesIndividuumsWieweiter oben beschrieben, lässt sich „Biedermannund dieBrandstifter“ in die einoderandereRichtunginterpretieren.TrotzallemstelltsichgeradeinderheutigenZeit,tatsächlichdieFrageinwieweitdasIndividuum,wieFrischesverlangt,Verantwortungträgt für Missstände in der heutigen Zeit. Oder anders gefragt: wieviel Biedermannsteckt in der vielerorts angemahnten Politikverdrossenheit, der Untätigkeit desEinzelnen in Bezug auf den Turbokapitalismus, der nur noch die Gier Einzelnerbefriedigt. Wie wohlfeil sind die gegenseitigen Schuldzuweisungen vom Bürger zurPolitik,vonderWirtschaftgegendieBürgerundwiederzurück?

GeistigeBrandstiftung„Unter Brandstiftung versteht man das vorsätzliche oder fahrlässige und unerlaubteInbrandsetzeneinesnichtdazubestimmtenSachgutes.“

Agitator·Aufhetzer·Aufrührer·Aufwiegler·(geistiger)Brandstifter(fig.)·Brunnenvergifter(fig.)·Demagoge·Einpeitscher·Hassprediger·Hetzer·Provokateur(franz.)·Scharfmacher·Seelenvergifter(fig.)·Volksaufwiegler·Volksverführer·

Volksverhetzer

Einer so bezeichneten Person/Personengruppe oder entsprechend einerAussage/Verhaltensweise wird dadurch unterstellt, dass sie einen sozialen oderpolitischen„Brand“lege.

VuralÖgerimInterviewmitderSüddeutschenZeitung:„(…) Ich finde es populistisch. Diese Art geistiger Brandstiftung ist sehr gefährlich,schürt Fremdenangst und grenzt an Volksverhetzung. Migration ist ein Prozess. MankannnichtüberNachtMenschenausanderenLändernsointegrieren,dasssielebenwiedie Einheimischen. Unsere Aufgabe sollte sein, Menschen aus anderen Ländern unddamitauchausderTürkeizuGleichwertigkeitundSelbständigkeitzuverhelfen.Esgehtdarum, Lösungen beizutragen, nicht um eine schiefe Bestandsaufnahme mitScheinargumenten, falschenAnnahmenund irrigenSchlussfolgerungenundwillkürlichkonstruierten Zusammenhängen. Diese Art der Argumentation ist kontraproduktiv.Damiterreichtmannichts.“28

30

„GeistigeBrandstiftunghatHochkonjunktur“EinArtikelzurWahlinFrankreich2017:

„Die alte Krankheit Europa: Nationalismus, Ausgrenzen von Minderheiten, dasgefährlicheSpieldergeistigenBrandstiftunghatHochkonjunktur.Der IslamwirdzumFeindbild stilisiert, der Fremde an sich zur Gefahr. Der Judenhass ist immer nochpräsent. Die Flüchtlingskrisemachteuns deutlich: Statt Solidarität herrscht Egoismus.Grenzen scheinen wieder das Wundermittel der Politik zu werden. Bei dieserGelegenheitmachtsichGroßbritannienausdemStaubundhofftweiterhin,dieRosinenausderEUpickenzukönnen,ohnedafürdieProblememitlösenzumüssen.“29

GeistigeBrandstiftungistkeineMeinungsäußerungWestdeutscheZeitungam16.08.2017:

„(…)WiediemeistenHass-undHetzpredigerwillSteinbachdaraufhinaus, ja lediglichihre "Meinung" gesagt zu haben. InnenministerReul hat die Verbreiter der Fälschunggestern als das bezeichnet, was sie wirklich sind: "geistige Brandstifter", die dreistStimmunggegenAusländermachten.WennReulesernstmeint,sollteernichtnurdenStaatsschutzermittelnlassen,sondernsichmitseinenLänder-Kollegendafüreinsetzen,dass geistige Brandstiftung künftig wie jede andere schwere Brandstiftung mit einerFreiheitsstrafevonnichtuntereinemJahrbestraftwird.Dennandersalsmiterheblicherund empfindlicher Strafandrohung ist den Fälschungsverbreitern vom SchlageSteinbachs,zudersichindiesemFallauchAfD-AnhängerundRechts-IntellektuellewieMatthias Matussek (früher Spiegel-Journalist) gesellten, offenbar nicht beizubringen,was der Unterschied zwischen einerMeinungsäußerung und einer Straftat ist. All dieSteinbachs und Matusseks sollten als Angeklagte vor deutschen Gerichten in allerÖffentlichkeit die Gelegenheit erhalten, sich endlich für ihre Brandstifterei zuverantworten.ImJahr2016hatdieZahlderpolitischmotiviertenStraftatenmit41549FällenzumviertenMalinFolgeeinenneuenHöchststanderreicht.EsistZeit,dassderRechtsstaat sich gegen die verteidigt, die seine Zerstörung im Sinn haben, und trotzeinesdeutschenPassesnichtintegrationsfähigsind.“30

31

VerantwortungimUmgangmitdenneuenMedienEinKommentarvonMurielRiedel,FSJlerin(FreiwilligendienstleistendeinderTheaterFABRIK)

Ich bin derMeinung, dassmehr geistigeBrandstiftung durch die SozialenNetzwerke,unseren ständigenAufenthalt im Internet, stattfindet, alswirdenken.Unabhängigvonden Fake-Informationen, die durch das Internet verbreitet werden, wirken sich dieständige Kommunikation über soziale Netzwerke und die ständigeInformationsüberflutung durch das Internet vielleicht verheerender auf uns undbesondersdieKinderdieserGesellschaftaus,alswirunsbewusstmachen(wollen).Undichmusssagen, ichhabemanchmal,nachdemichwiederstundenlangamSmartphonehing oder Serien geschaut habe, oder im Gegenteil – nachdem ich mein Smartphonebeiseitegelegt,unddraußeninderNaturwar,Angst.IchhabeAngstummichundAngstdavor, was ich ausmirmache. Davor, was ichmir verwehre undwie ich selbstmeinLebeneinschränke.DieZeit,diewirimInternetverbringen,dievielenStunden,diewir,BesitzereinesSmartphonesdamitverbringen,NachrichtenaufWhatsAppzulesenundzubeantworten,BlogsimNetzanzugucken,undwahrscheinlichfälltIhnenvielmehrein,waswirtäglich,nurzumZeitvertreib,imNetztun.EsistverloreneZeit.DasallesistZeit,andiewirunsspäternichterinnernwerden,weilwirindieserZeitnichtserlebthaben,was es wert ist, festgehalten zu werden. Ich merke gar nicht mehr, wieselbstverständlichichzumeinemSmartphonegreife,umallemeinesozialenNetzwerkeabzugrasen,wennichnurdenHauchvonLangweileverspüre.

JedesMal,wennwirdastun,werdenwirmitInformationenüberflutet.Allesaufeinmal.ImNetzwerdenwirpraktischvonihnenbombardiert.Sosehr,alsdasswirschnellvomeinen zum anderen Switchen, um alles mitzunehmen. Und dann wundern wir uns,weshalbdiekleinenKinderdieserGesellschaftsichteilweisenichtmehr füreigentlichspannendeExperimenteinderSchuleoderanderekreativeDingeinteressieren.SichmiteinerSachezubeschäftigenundsichdaraufzukonzentrierenhabensievielleicht,durchdenBesitzeinesSmartphones(ja,schoninderGrundschule),verlernt.Esisteinfacher,einVideoaufYouTubeanzuschauen,alseinBuchzulesen.UndwirgreifengernezudeneinfacherenMitteln.

UndfürmichistdasSchlimme,dassichnichtsehe,dassdieserTrendabnimmt.Sogutwie jeder benutzt ein Smartphone und besonders die Jugend, die „digital Natives“,verbringt fast jede freieMinute imInternet.WiewirddieZukunftaussehen?KanneinKind noch frei von diesen Einflüssen aufwachsen? Ist es noch möglich, sichausschließlich durch einfache sinnliche Erfahrungen im Hier und Jetzt ein erfülltesLebenzuerschaffen?

Eslohntsich,darübernachzudenken,dasSmartphonederVergangenheitangehörenzulassenunddievieleFreizeit,diemandannhat,mitschönenErlebnissenzufüllen.

32

WeristK.I.Z.?K.I.Z. ist nicht nur kommerziell erfolgreich. Ihre abgedrehten Texte voller Ironie undSystemkritikstichelnbewusstundeckenan.ObnunLiederüberHitler,diemitHenningMay vonAnnenMayKantereit eingespielte Single "Hurra Die Welt Geht Unter" oderAuftritte als Militärdiktatoren – die Provokationskunst der Kannibalen In Zivil kenntkeineGrenzen."KannibalenInZivil" istübrigensnichtderoffizielleNamederGruppe.Wahlweisesteheer für"Kriegsverbrecher InZwangsjacken","Künstler ImZuchthaus","Kriegsverbrecher InZentralasien"oderauch jedex-beliebigeandereDeutung-außer"KlosterschülerImZölibat"31

33

K.I.Z.Liedtext„BoomBoomBoom“32

TutmirleidwennichdenUntertanenstolzjetztverletzeDochwasquatschtihrda,esgibtnichtgenugAusbeutungsplätzeIhrwolltKapitalismusmitHerz?Fickmich,abernichtimEtapHotelSondernrichtigschönmitEssengehenUndamnächstenMorgennochTaxigeldVorderGlotze,saueraufdiescheißSozialschmarotzerAnstattaufdenChef,dermitdemGeldauseurerArbeitSeinerTochternoch'nenLamborghinikauftAlter,dannverdientihr'sauchDochichversteh,ihrregteuchlieberüberBrangelinaaufFür'sGewissenzehnEurospendenDannkommendiehoffentlichnichtüberdieGrenzenUndholensichalleszurück,vielleichtlieberDochdieWaffenlieferungcanceln,fleißigwieihrseidHabtihrdochdieSterbeurkundeschonvomAmtgeholtDerKnopfleuchtetinampelrotTareksagihnen,washabenwirimAngebot

SollichdichWillstdudasWiewär'smitOderlieberIchhabein'rotenKnopfMiteinemTotenkopfWennichihndrückeDanngehtalleshochamBlock

BoomBoomBoomBoomIchbringeuchalleumBringeuchalleum,bringeuchalleumBoomBoomBoomBoom

IchbringeuchalleumBringeuchalleum,bringeuchalleumBoomBoomBoomBoom

MeineVorfahrenhabenWildschweinegejagtJetztleb'ichmitBarbaren,dietunwasdieBildzeitungihn'sagtIhrPartypatriotenSeidnurwenigerkonsequentalsdieseHakenkreuz-IdiotenDiegeh'nhaltnochselbereinpaarAusländertötenAnstattjemand'zubezahl'n,umsievomSchlauchbootzutretenDieWeltzuGastbeiFreundenundsoDuunddeinBosshamnixgemeinsambisaufdasDeutschlandtrikotIchhabnochniesotreueSklavengesehenDiebereitsindfürmehrArbeitaufdieStraßezugehenUndPromistretenfürdieTruppeninAfghanistanaufWosindbloßdieTerroristen,wennmansiegrademalbraucht?

SollichdichWillstdudasWiewärsmitOderlieberIchhabein'rotenKnopfMiteinemTotenkopfWennichihndrücke,danngehtalleshochamBlock

BoomBoomBoomBoomIchbringeuchalleumBringeuchalleum,bringeuchalleumBoomBoomBoomBoomIchbringeuchalleumBringeuchalleum,bringeuchalleumBoomBoomBoomBoom

DerLynchmobistkrankvorNeidAufdasfünf-Sterne-HotelimAsylantenheimDerLynchmobhatkeinenCentimPortemonnaieEgalobMerkelnunein'MinirockoderKopftuchträgtIhrkönntimWahllokalankreuzen,werdenPuffbesitztEsbleibenimmerdiegleichenFreier,denenihrein'lutschenmüsstDenktihrdieFlüchtlingesindinPartybootegestiegenMitdemgroßenTraumimParkmitDrogenzudealen?KeineNazisihrseidbraveDeutscheDiesichnichtinfizierenlassenmitderAffenseucheK.I.Z.SelbstmordattentäterIchsprengeeureDemoundesregnetHackepeter

BoomBoomBoomBoomIchbringeuchalleumBringeuchalleum,bringeuchalleumBoomBoomBoomBoomIchbringeuchalleumBringeuchalleum,bringeuchalleumBoomBoomBoomBoom

IchbringeuchalleumBringeuchalleum,bringeuchalleumBoomBoomBoomBoomIchbringeuchalleumBringeuchalleum,bringeuchalleumBoomBoomBoomBoom

Boomboomboomboom

34

InterviewmitderGruppeK.I.Z.33

TheEuropean:K.I.Z.,GesellschaftskritikwarjaschonimmerTeileurerMusik.IneurererstenSinglevomneuenAlbum[HurradieWeltgehtunter]istdasaberschon…Tarek:(unterbricht)…unmissverständlich.Ja,dasisteinFakt.Istdas’neFrageoder’neFeststellung?Nico:Sodirektwiebei„BoomBoomBoom“istdassonstvielleichtnochinzwei,dreianderenSongsaufdemAlbum.WirhattenschonimmerSongs,wowirziemlichdeutlichübereinThemagerappthabenundjetztisteseinbisschenmehrgeworden.

TheEuropean:Warum?Nico:Weilwirunsvorgenommenhatten,keinenStandard-Battle-Rap-Songzumachen,so:„Ichbinmegacool–dubistmegakacke“.

TheEuropean:ImVideozu„BoomBoomBoom“wirdsehrexplizitGewaltgezeigt.DieZeitung„DieWelt“schreibtvon„ÄsthetikwiebeimIslamischenStaat“.Alleparallel:UndKu-Klux-Klan!Nico:BesteMischung,Alter.Tarek:„WiekönnenwirdenKapitalismuskritisierenundnichtalsPenneraufderStraßeleben?“

TheEuropean:EineZeilevomAlbumstandfürmichstellvertretendfüreurenWandel:„Alleanderensindglücklichundsatt,wirbringendenHass.“Seidihrpolitischergeworden?Tarek:Ichdenkenicht,nein.Wirwarenschonimmerpolitischinteressiert.Maxim:Schonmit17,18habenNicoundichin’nerpolitischenTheater-GruppezwischendenStückengerappt.WirwarenaufjedenFallschonimmerineinempolitischenUmfeld.Soum2000herumhabenwirsehrplumpepolitischeSongsgemacht.UndselbstineinemBeleidigungssongkannesjapolitischeStatementsgeben.EsistalsokeineplötzlicheKehrtwende.

TheEuropean:DasganzeAlbumistgeprägtvonKapitalismuskritik.InderVorbereitunghabeicheinVideovoneuchangeschaut,daliefvorherDiamanten-Werbung…Nico:DannkannstduaberauchnichtaufunseremYouTube-Kanalgewesensein,weilwirdennichtmonetarisierthaben.Tarek:Doch,ichhab’dasgesterngesehenundhab’michauchvollgewundert.Nico:Wirklich?Okay,dannhabenwirdasmonetarisiert:Jackpot!(lacht)Tarek:Ichkauf’mireinneuesAuto!

35

TheEuropean:MeineSchwierigkeitist,dassihrFundamentalkritikübt,abergleichzeitigTeilderMaschinerieseid.Maxim:Wassprichtdenndagegen,Geldzuverdienen?DaseheichkeinenWiderspruchzuunsererMusik.Tarek:Dumeinst,wiekönnenwirdenKapitalismuskritisierenunddabeinichtalsPenneraufderStraßeleben?

TheEuropean:Nein,vieleeurerKritikpunktekannichgrundsätzlichnachvollziehen,aberihrgehtoftdreiSchrittezuweit.WenndannzumBeispieldiegesamteArbeiterklassealsselbstausbeuterischbeschriebenwird:„TutmirleidwennichdenUntertanenstolzjetztverletze.Dochwasquatschtihrda,esgibtnichtgenugAusbeutungsplätze.“Maxim:DasbetrifftjanichtdiegesamteArbeiterschaft.DerWeselskyistjanichtdamitgemeint.

TheEuropean:WasfüreineGesellschaftwolltihr?DasobigeZitatendetmiteinemsarkastischen„IhrwolltKapitalismusmitHerz?“.Wasschwebteuchvor,KommunismusmitHirn?Maxim:Dasgehtauchgarnichtanders.WennNicorappt:„IhrwolltKapitalismusmitHerz?“,dannmachtersichdarüberlustig,dassdasirgendwiemöglichwäre.DastecktjadieAussagemitdrin:WennduKapitalismuswillst,dannmusstduauchArbeitslosigkeitakzeptieren,dannmusstduauchObdachlosigkeitakzeptieren.DannmusstduauchHungerakzeptieren…Nico:UndFlüchtlinge.Maxim:UndKonzerne,diedabeihelfen,inAfrikadenBodenkaputtzumachenunddieLeutebisindieWüsteundinsWassertreibenunddaertrinkenlassen.Wenn,dannmusstdudasganzePaketnehmen.AlsobeiderironischenFrage„IhrwolltKapitalismusmitHerz?“stecktjaschoneinekonkreteAussagedahinter.Dakannmanjanichtdanachnochfragen,waswirwollen.Daistjaeigentlichklar:Dassollweg!

TheEuropean:Aberwassolldenndannkommen?UmChurchillzuparaphrasieren:„KapitalismusistdasschlechtesteallerWirtschaftssysteme–abgesehenvonalldenanderenFormen,dievonZeitzuZeitausprobiertwordensind.“Maxim:ChurchillkenntjaauchnichtsanderesalsKapitalismus.Tarek:DieKritikistjanichtfalsch,nurweileskeinenSechs-Punkte-PlanfüreinebessereWeltinNicosPartgibt.AusderKritikergebensichGedanken,wiemandasallesbesserhandhabenkönnte.Maxim:DasistderPunkt:Mankannnichtsagen,dassmanzwareinerKritikzustimmt,aberkeineLösungparathat.GenaudasjedochimpliziertdeineAussage„Jaja,ihrhabtalleschöneureKritik,aberesgehteinfachnichtbesser.“Dasaberbei„esgehtjanichtbesser“auchnocheinStaatdabeiist,derdasgewaltsamverteidigt,schiebterdamitganzelegantbeiseite.AusderKritikergibtsichalsodurchausetwas.

36

TheEuropean:Wasdenn?Maxim:DassmandieaktuellenZuständenichthabenwill.DeineFrageerübrigtsichalso,dennausKritikergibtsichderLösungsweg.Wennjemandsagt:„DieAusländersinddasProblem.WegendenenhabeichkeineArbeit“,dannwillerdieAusländerabschiebenundstelltsicheinenrassischgereinigtenStaatvor.Wennjemandmeint,„diebösenBanken“sinddasProblem,dannstelltersichvor,dassdieBankenverstaatlichtwerden.AusKritikergibtsichimmer,wasderjenigewill.

TheEuropean:UmesaufdenPunktzubringen:IhrwollteinanderesSystem.Maxim:Könntemandenken,ja.Tarek:Kannmanmachen.Maxim:WirhabendasAlbumauchnichtdahingehenddurchgehört,obwirdarin„DasKapital1-3“vonMarxperfektdargelegthaben.BeidenZeilensollteeseherdarumgehen,obmandieKritikteilt…Nico:…oderobmandieKritiküberhauptübendarf,auchwennmannichtdirekteinenLösungsvorschlaghat.(verächtlich)WiedamalsbeiderAgenda2010.Maxim:DaswarwirklichmaleinLösungsvorschlag!(allelachen)

37

TheatermachtSchuleDieses Angebot richtet sich an Pädagogen und Erzieher. Die Theaterpädagogen derTheater&PhilharmonieThüringenstehen IhnenmitRatundTat für IhrenUnterrichtzurVerfügung.

Wirbietenan:PatenklassenSiebegleitenmitIhrerKlasseeinStück,nehmenanProbenteilundkönnenSchauspielerund das Regieteam kennen lernen. So lassen Sie Ihre Schüler an dem künstlerischenProzesseinesTheaterstückesaktivteilhaben.

SpielerischeVor-undNachbereitungEngagierteTheaterpädagogenbereiten IhreSchülerpersönlichaufdenTheaterbesuchvor.ImRahmenderVorundNachbereitungenwerdenanHandvonthemenbezogenenÜbungen die Jugendlichen auf die Inszenierung vorbereitet und zur Thematikhingeführt.

BegleitmaterialienzumDownloadenZu ausgewählten Inszenierungen gibt es Begleitmaterialien, die Sie für IhrenTheaterbesuchmitIhrenSchülernzurVorbereitungbzw.Nachbereitungnutzenkönnen.Diese Materialien bieten sowohl Hintergrundinformationen zur Inszenierung und zurThematikalsauchpraktischeAnregungenfürIhrenUnterricht.DieseMaterialienhaltenSie inderHand,SiekönnensieaberauchaufderWebsitedesTheatersherunterladenoderIhrenKollegenzurVerfügungstellen.

38

ImpressumTheaterFABRIKvonTPTTheaterundPhilharmonieThüringenGmbHTheaterplatz107548GeraTelefon:0365-8279-290Telefax:0365-8279-299info@theaterfabrik-gera.dewww.tpthueringen.deGeneralintendantundkünstlerischerGeschäftsführer,Operndirektor:KayKuntzeKaufmännischerGeschäftsführer:VolkerArnoldRegistergericht:AmtsgerichtJenaRegisternummer:205040Redaktion:PeterPrzetak,AnnaBorcherding,MurielRiedel,PatricePhilippKlohnTitelbild:RonnyRistok

AnsprechpartnerBeiFragenundfürInformationen:Gera:PeterPrzetak(LeiterderTheaterFABRIK)E-Mail:[email protected]:AnnaBorcherdingE-Mail:[email protected]önherrE-Mail:[email protected]ürBuchungen:MarcoSchmidt(Jugendreferent) Telefon:(0365)8279102E-Mail:[email protected]

Quellenverzeichnis

1 https://www.getabstract.com/de/zusammenfassung/klassiker/biedermann-und-die-brandstifter/4856, Zugriff: 20.02.18 2 Text: Chmura, Nadine / Haunhorst, Regina / Zündorf, Irmgard: Biografie Max Frisch, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/max-frisch.html, letzter Zugriff: 20.02.18. Bilder: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/c/c6/Max_Frisch.jpg; http://schloendorff.deutsches-filminstitut.de/medien/2014/03/HomoFaber_Szenenfotos_Davis_24_5_4_01_003.jpg 3 Burleske: derbe Komödie (Theater), grob komischer Roman (Literatur), heiteres Instrumentalstück (Musik) 4 Bilder: https://www.buchfreund.de/covers/13168/12868.jpg https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ac/Biedermann_und_die_Brandstifter_1958.jpg 5 http://www.einladung-zur-literaturwissenschaft.de/index.php?option=com_content&view=article&id=237:5-5-parabel&catid=40:kapitel-5, Zugriff: 20.02.18 6 http://www.theater-info.de/absurdes_theater.html, Zugriff: 20.02.18 7 http://www.wissen.de/lexikon/lehrstueck, Zugriff: 20.02.18 8 http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10041335_00071.html, Zugriff: 01.02.18, 15:34. 9 https://www.duden.de/rechtschreibung/Biedermann, Zugriff: 02.02.18, 17:09. 10 Text: http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/609669#cite_note-jetzt-4, Zugriff: 20.02.18 11 In: Walter Schmitz (Hg.): Materialien zu Max Frisch ‚Biedermann und die Brandstifter‘, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, S. 74f. 12 http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/609669#Bezug_zum_Kommunismus, Zugriff: 20.02.18 13 http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/609669#Bezug_zum_Nationalsozialismus, Zugriff: 20.02.18 14 http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/609669#Weitere_Interpretationen, Zugriff: 20.02.18. 15 Text: https://www.fernuni-hagen.de/EUROL/termini/welcome.html?page=/EUROL/termini/8210.htm, Zugriff: 20.02.18 16 Klaus Müller-Salget, S. 52. 17 http://www.koufogiorgos.de/images/191212_lobby_big.jpg 18 http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/agrar-und-lebensmittelindustrie-grosskonzerne-bestimmen-was-wir-essen/19234768.html, (Zugriff: 30.01.18, 14:57) 19 https://www.bpb.de/dialog/netzdebatte/211905/glossar?p=6, 30.01.18, 15:47 20 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/lobbyismus-in-deutschland-geld-macht-macht-a-1170410.html, Zugriff: 31.01.18, 15:22. 21 Text: https://www.focus.de/finanzen/news/marketing-und-ausbeute-das-dreckige-geschaeft-mit-dem-wasser-wie-viel-ist-uns-wasser-wert_id_6820659.html (Zugriff: 30.01.18, 14:42) Bild: http://braunschweig-spiegel.de/images/stories/2015/09/Uwe/Privatisierung%20Wasser.PNG 22 Text: https://www.tagesschau.de/ausland/oxfam-115.html Bild: https://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/sendungsbild-230707~_v-videowebl.jpg 23 Text: https://www.lobbycontrol.de/initiative/, Zugriff: 31.01.18, 17:40. Bild: https://www.fuereinebesserewelt.info/wp-content/uploads/2008/10/lobbycontrol_logo.gif 24 Text: https://www.whistleblower-net.de/whistleblowing/, Zugriff: 31.01.18, 17:22. 25 Bild: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/60/Edward_Snowden-2.jpg 26 Bilder: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a6/Anonymous_emblem.svg/316px-Anonymous_emblem.svg.png; https://pbs.twimg.com/profile_images/824716853989744640/8Fcd0bji.jpg 27 Bild: https://www.swr.de/-/id=11129724/property=gallery/pubVersion=2/width=648/1h3bvui/index.jpg 28 Text: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/integration-vural-oeger-diese-geistige-brandstiftung-ist-sehr-gefaehrlich-1.1011050, Zugriff: 20.02.18. 29 http://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/europaeische-union-geistige-brandstiftung-hat-hochkonjunktur-a-1276197 , Zugriff: 20.02.18 30 http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/westdeutsche-zeitung-geistige-brandstiftung-ist-keine-meinungsaeusserung-kommentar-von-ulli-tueckmantel-5639228 , Zugriff: 20.02.18 31 http://www.laut.de/K.I.Z. , Zugriff: 23.02.2018 32https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwihp4_vn7zZAhXLuxQKHQX0Bv0QFggyMAI&url=https%3A%2F%2Fgenius.com%2FKiz-boom-boom-boom-lyrics&usg=AOvVaw0bg5cKuxE3JIr6fK-l4Mml 33 http://www.theeuropean.de/k-i-z/10314-hiphop-und-die-kritik-am-bestehenden , Zugriff: 23.02.2018

„WenndiewirklicheBrandstifterwären,dumeinst,

diehättenkeineStreichhölzer?…Babettchen,Babettchen!“

BiedermannausBiedermannunddieBrandstifter