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128 // Bibliotheken in Sachsen nischen Rezepten wird in fast voller Länge würde- voll inszeniert: 15 Meter ergeben die aneinanderge- reihten Glastafeln mit dem einmaligen Stück. Durch geschickte Beleuchtung wird der Eindruck einer Rolle erweckt. Die Besucher sollen die saube- re, rot und schwarz geschriebene Handschrift so sehen können, wie sie Georg Ebers noch kannte, der als Ägyptologe diesen Schatz 1872 nach Leipzig brachte. Kleine Tafeln am Rande geben Hinweise auf einzelne Rezepte. Andere in die Ausstellung aufgenommene einmali- ge Stücke sind die älteste bekannte Weltchronik aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. sowie der erste Mond- Wahrsagekalender, der bisher für die Antike postu- D ie Schätze aus der Papyrus- und Ostraka- sammlung der Universitätsbibliothek Leip- zig sind Gegenstand einer Ausstellung, die sich an die breite Öffentlichkeit wendet. Sie beginnt am 17. Juni, eine Woche vor der Neu-Eröffnung des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig und einer großen Ägyptenschau im Liebighaus Frankfurt am Main; sie endet am 24. September in der „Lan- gen Nacht der Wissenschaften“ in Leipzig. Als zweite große Ausstellung im neuen Ausstel- lungsraum der Bibliotheca Albertina soll die Papy- rus-Schau die Besucher überraschen. Das tut sie zunächst mit einem besonderen Schatz, dem Papy- rus Ebers. Der 3.600 Jahre alte Text mit 800 medizi- Vergraben – Verloren – Gefunden – Erforscht Papyrus-Schätze in der UB Leipzig von REINHOLD SCHOLL AUSSTELLUNG VERGRABEN – VERLOREN – GEFUNDEN – ERFORSCHT Papyrus-Schätze in Leipzig Universitätsbibliothek Leipzig Beethovenstr. 6, 04107 Leipzig 18. Juni bis 26. September 2010 | Täglich 10-18 Uhr www.ub.uni-leipzig.de/papyrusschaetze

BIS 02-2010 endfang 18.06.10 15:15 Seie 128 128 ... · wird man mit einem Sklavenvertrag konfrontiert, es folgen eine Fülle von Zeugnissen der Alltagskultur, etwa das Billet der

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128 // Bibliotheken in Sachsen

nischen Rezepten wird in fast voller Länge würde-voll inszeniert: 15 Meter ergeben die aneinanderge-reihten Glastafeln mit dem einmaligen Stück.Durch geschickte Beleuchtung wird der Eindruckeiner Rolle erweckt. Die Besucher sollen die saube-re, rot und schwarz geschriebene Handschrift sosehen können, wie sie Georg Ebers noch kannte,der als Ägyptologe diesen Schatz 1872 nach Leipzigbrachte. Kleine Tafeln am Rande geben Hinweiseauf einzelne Rezepte.Andere in die Ausstellung aufgenommene einmali-ge Stücke sind die älteste bekannte Weltchronik ausdem 2. Jahrhundert n. Chr. sowie der erste Mond-Wahrsagekalender, der bisher für die Antike postu-

Die Schätze aus der Papyrus- und Ostraka-sammlung der Universitätsbibliothek Leip-zig sind Gegenstand einer Ausstellung, die

sich an die breite Öffentlichkeit wendet. Sie beginntam 17. Juni, eine Woche vor der Neu-Eröffnung desÄgyptischen Museums der Universität Leipzig undeiner großen Ägyptenschau im Liebighaus Frankfurtam Main; sie endet am 24. September in der „Lan-gen Nacht der Wissenschaften“ in Leipzig. Als zweite große Ausstellung im neuen Ausstel-lungsraum der Bibliotheca Albertina soll die Papy-rus-Schau die Besucher überraschen. Das tut siezunächst mit einem besonderen Schatz, dem Papy-rus Ebers. Der 3.600 Jahre alte Text mit 800 medizi-

Vergraben – Verloren –

Gefunden – ErforschtPapyrus-Schätze in der UB Leipzig

von REINHOLD SCHOLL

AUSSTELLUNG

VERGRABEN – VERLOREN – GEFUNDEN – ERFORSCHTPapyrus-Schätze in Leipzig

Universitätsbibliothek LeipzigBeethovenstr. 6, 04107 Leipzig18. Juni bis 26. September 2010 | Täglich 10-18 Uhrwww.ub.uni-leipzig.de/papyrusschaetze

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liert, nun aber in Leipzig gefunden wurde: Ergebniseiner beständigen Arbeit der Entzifferung einer rei-chen Fragmentsammlung.Überraschend vor allem aber ist die Erzählung, dieder Ausstellung zugrunde liegt. Gleich eingangswird man mit einem Sklavenvertrag konfrontiert, esfolgen eine Fülle von Zeugnissen der Alltagskultur,etwa das Billet der Einladung zu einer Hochzeitoder die zweifache Ausfertigung einer amtsärztli-chen Untersuchung des Opfers eines Überfalls. Ver-wundert mag der Mensch des 21. Jahrhundert dieantike Bürokratie zur Kenntnis nehmen, die allesund jeden erfasste und an einer lückenlosen Regi-strierung der Bevölkerung interessiert war, vor allemfreilich für die Zwecke der Besteuerung.Die meisten Objekte stammen aus der Zeit zwi-schen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 8. Jahr-hundert n. Chr., da die Papyri und Ostraka derLeipziger Papyrus- und Ostrakasammlung hierbesonders reich vorhanden sind. Diese Papyri sindgriechisch geschrieben, denn von der EroberungÄgyptens durch Alexander den Großen im Jahr 332v. Chr. bis zur Eroberung des Landes durch die Ara-ber im Jahr 641 n. Chr. war Griechisch die wichtig-ste Verwaltungssprache. Latein wurde auch gespro-chen, wie das Protokoll eines umfänglich erhaltenengerichtlichen Verhörs belegt. Das Verhör selbstwurde auf Griechisch geführt, während die Richterund die Bediensteten des Gerichts untereinanderLatein sprachen.Die Mehrzahl der Vitrinen dokumentiert das antikeLeben in seiner ganzen Vielfalt, nicht nur durchPapyri und Ostraka (beschriebene Tonscherben),sondern auch – in der späteren Phase – auf Perga-ment und Papier. Das geheime Motto der Ausstel-lung lautet: „Von der Wiege bis zur Bahre. Formula-re, Formulare...“ Die Besucher laufen eineWegstrecke entlang Stationen aus dem gewöhnli-chen Leben in Ägypten ab. Es beginnt mit Schuleund Studium, von alphabetischen Schreibversu-chen bis zu rhetorischen Übungen. Liebe, Ehe undScheidung sind folgende Stationen, die mit Doku-menten belegt werden und zeigen, was die Men-schen in der Antike beglückt und bedrückt. Eineeigene Station ist der Sklaverei gewidmet, die mitdem antiken Alltag unaufhebbar verbunden ist.Themen sind hier der juristisch abgesicherte Skla-venkauf und die Sklavenflucht. Gewalt und Verbre-chen fehlen nicht, sie gehörten auch damals zurerfahrbaren Lebenswelt. Religion und Aberglaubenspielen in der antiken Alltagswelt eine sehr wichtigeRolle, wie Liebeszauberrezepte sowie Horoskopeverschiedener Art zeigen. Dass die Menschen ver-suchten, ihr Schicksal vorab zu verstehen und zubeeinflussen, galt damals nicht nur für Anhängerder alten Religionen, sondern auch noch für Chri-sten. Der Tod und die damit verbundenen Aspektewie Testament und Bestattung beschließen den the-matisch geordneten Teil der Ausstellung. Das Endeeines Lebens bedarf nicht weniger als sein Beginnder Organisation und Verwaltung.

Für die Hintergrundinformation der Besucher gibtes eine große Ägyptenkarte, auf der die Fundortealler Exponate verzeichnet sind: So können dieBesucher sich übersichtlich informieren, wo geogra-phisch und chronologisch die Kulturzeugnisse vonder ägyptischen Hochkultur bis zur Spätantike zuverorten sind.Auch die Herstellung des Beschreibstoffes Papyruswird eigens erläutert. Videoaufnahmen aus derRestaurierungswerkstatt ergänzen das optischeAngebot durch bewegte Bilder: Man sieht diemühevolle Restaurierung im Detail.Und schließlich führt der 80 Seiten und viele farbigeAbbildungen umfassende Katalog (der für zehn Eurovor Ort verkauft wird) in die einzelnen Themenberei-che ein, beschreibt die Ausstellungsgegenstände undordnet sie in den historischen Kon-text ein. Er dient zur Vor- und Nach-bereitung des Be suchs der Ausstel-lung, kann aber auch mit Gewinngelesen werden, falls ein Besuch vorOrt nicht möglich sein sollte.

REINHOLD

SCHOLL

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