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BLUTBILD Zur Sicherheit lesen, was es Neues gibt! Ausgabe 31 Mai 2017 Inhalt Life & Science Dengue-Fieber Jessica Tiedke & Jonas Schmidt- Chanasit, Hamburg 1 Aus der Wissenschaft: Diagnostik mit Hilfe von zellfreier, zirkulierender DNS aus Blut: Auf dem Weg in die Routine-Diagnostik? Thorsten Voss, Hilden 5 Gut zu wissen: Präanalytik in der Urindiagnostik, Teil 1 Josefine Neuendorf, Walldorf 7 Wie für Sie gemacht Die präanalytische Lösung ... 10 Präanalytisches Fallbeispiel Eine Frage des richtigen Additivs Karin Mosimann, Aarau 11 Das kriegen Sie mit Sicherheit raus Sudoku 12 Dengue-Fieber Das Dengue- oder auch Knochenbrecherfieber ist eine durch Stechmücken übertra- gene Zoonose, die hauptsächlich in den Tropen und Subtropen Asiens und Süd- amerikas verbreitet ist. Sie gehört zu den sich am schnellsten verbreitenden Infek- tionskrankheiten und wird von der WHO mittlerweile als Pandemie eingestuft. Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist dem Risiko einer Infektion mit dem Dengue-Virus ausgesetzt. Eine geeignete Therapie existiert derzeit nicht. Neben Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der Übertragung ist im Dezember 2015 erstmals ein Impfstoff zugelassen worden. Der Erreger und seine Epidemiologie Das Dengue-Virus ist ein behülltes Einzelstrang RNA-Virus und liegt in vier eng verwandten Serotypen (DENV 1 bis DENV 4) vor. Es gehört zu der Familie der Flaviviren, die hauptsächlich von Mücken und Zecken übertragen werden. Zu den Flaviviren zählen unter anderem auch das in unseren Breiten beheimatete FSME- Virus sowie die subtropischen und tropischen Chikungunya- und Zika-Viren. Die vier Serotypen kommen weltweit vor und erzeugen lediglich eine kurzzeitige Kreuzimmunität. Der Ursprung des Dengue-Virus lässt sich nach Westafrika und Südostasien zurück- verfolgen, wo es zwischen Affen und Stechmücken zirkulierte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts, wahrscheinlich verstärkt durch den Sklavenhandel, wurde das Virus auf andere Kontinente verbreitet. Bereits um 1920 kam es zu einem Ausbruch in Griechenland und in den 1940er Jahren wurde das Dengue-Fieber erstmals in Japan beobachtet. Mittlerweile zählt das Dengue-Fieber zu den sich am schnellsten

Blutbild Ausgabe 31 - bd.com · Parameter herangezogen. In den ersten sieben Tagen steigt zunächst die Viruslast im Körper. Der spezifische Nachweis der Viren erfolgt über die

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BLUTBILDZur Sicherheit lesen, was es Neues gibt!

Ausgabe 31

Mai 2017

Inhalt

Life & ScienceDengue-Fieber

Jessica Tiedke & Jonas Schmidt-

Chanasit, Hamburg 1

Aus der Wissenschaft: Diagnostik mit Hilfe von zellfreier,

zirkulierender DNS aus Blut: Auf dem

Weg in die Routine-Diagnostik?

Thorsten Voss, Hilden 5

Gut zu wissen:Präanalytik in der Urindiagnostik,

Teil 1

Josefine Neuendorf, Walldorf 7

Wie für Sie gemachtDie präanalytische Lösung ... 10

Präanalytisches FallbeispielEine Frage des richtigen Additivs

Karin Mosimann, Aarau 11

Das kriegen Sie mit Sicherheit rausSudoku 12

Dengue-Fieber

Das Dengue- oder auch Knochenbrecherfieber ist eine durch Stechmücken übertra-

gene Zoonose, die hauptsächlich in den Tropen und Subtropen Asiens und Süd-

amerikas verbreitet ist. Sie gehört zu den sich am schnellsten verbreitenden Infek-

tionskrankheiten und wird von der WHO mittlerweile als Pandemie eingestuft. Rund

ein Drittel der Weltbevölkerung ist dem Risiko einer Infektion mit dem Dengue-Virus

ausgesetzt. Eine geeignete Therapie existiert derzeit nicht. Neben Maßnahmen zur

Prävention und Kontrolle der Übertragung ist im Dezember 2015 erstmals ein

Impfstoff zugelassen worden.

Der Erreger und seine Epidemiologie

Das Dengue-Virus ist ein behülltes Einzelstrang RNA-Virus und liegt in vier eng

verwandten Serotypen (DENV 1 bis DENV 4) vor. Es gehört zu der Familie der

Flaviviren, die hauptsächlich von Mücken und Zecken übertragen werden. Zu den

Flaviviren zählen unter anderem auch das in unseren Breiten beheimatete FSME-

Virus sowie die subtropischen und tropischen Chikungunya- und Zika-Viren.

Die vier Serotypen kommen weltweit vor und erzeugen lediglich eine kurzzeitige

Kreuzimmunität.

Der Ursprung des Dengue-Virus lässt sich nach Westafrika und Südostasien zurück-

verfolgen, wo es zwischen Affen und Stechmücken zirkulierte. Im Laufe des 19.

Jahrhunderts, wahrscheinlich verstärkt durch den Sklavenhandel, wurde das Virus

auf andere Kontinente verbreitet. Bereits um 1920 kam es zu einem Ausbruch in

Griechenland und in den 1940er Jahren wurde das Dengue-Fieber erstmals in Japan

beobachtet. Mittlerweile zählt das Dengue-Fieber zu den sich am schnellsten

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Life & Science

Fortsetzung ... Dengue-Fieber

ausbreitenden Arbovirosen. Seit den 1930er Jahren haben

sich die Dengue-Fälle weltweit verdreißigfacht und liegen

aktuell bei 390 Millionen pro Jahr. Eine medizinische Ver-

sorgung benötigen hierbei nur rund 25 % der Patienten. Die

Letalität liegt zwischen 2 und 5 %, ist allerdings bei Kindern

deutlich höher einzuschätzen.

Krankheitsbild

Der Krankheitsverlauf kann in das klassische Dengue-Fieber

(DF) und in das schwere/hämorrhagische Dengue-Fieber

(DHS) bzw. Dengue-Schock-Syndrom (DSS) unterschieden

werden. Das klassische Dengue-Fieber zeichnet sich durch

grippeähnliche Symptome aus. Nach dem Insektenstich

beträgt die Inkubationszeit 4 – 10 Tage. Innerhalb dieser Zeit

tritt vor allem hohes Fieber über 40°C auf, welches zweiphasig

verläuft und von Schüttelfrost begleitet werden kann. Weitere

begleitende Symptome sind schwere Kopf- und Gelenkschmer-

zen, Übelkeit bis hin zum Erbrechen sowie das Auftreten eines

Exanthems. Teilweise werden auch Schmerzen hinter den

Augen beschrieben.

In der Regel verläuft die Krankheit bei einer Erstinfektion eher

harmlos und klingt nach 2 – 7 Tagen wieder ab. Da keine

geeignete Therapie verfügbar ist, erfolgt die Behandlung rein

symptomatisch. Auch asymptomatische Verläufe der Krank-

heit werden beobachtet.

Das hämorrhagische Dengue-Fieber wurde erstmals in den

1950er Jahren bei einem großen Ausbruch auf den Philippinen

und in Thailand beobachtet. Es tritt hauptsächlich in Südost-

asien und Lateinamerika auf, wo die Bevölkerung mehreren

Serotypen ausgesetzt ist. Flaviviren induzieren eine lebens-

lange spezifische Immunität. Eine Sekundärinfektion mit

einem heterogenen Serotyp führt zu einer Antikörper vermit-

telten Steigerung der Immunreaktion und es kann zum

hämorrhagischen Verlauf kommen. Kreuzreagierende

Antikörper erkennen und binden die Viruspartikel zwar, das

Immunsystem ist aber nicht in der Lage, diese zu neutralisie-

ren. Dadurch ist es dem Virus möglich, den Körper annähernd

unerkannt zu erobern. Bei Erstinfektionen ist das schwere

Dengue-Fieber bislang nur bei Kindern und alten Personen

beobachtet worden.

Neben den klassischen Symptomen führt es vor allem zu

Hämorrhagien. Bedingt durch den Flüssigkeitsverlust kann es

zur Kreislaufinsuffizienz bis hin zum Organversagen kommen.

30 – 40 % der Fälle verlaufen tödlich, wenn keine intensiv-

medizinische Versorgung erfolgt.

Diagnostik

Bei Patienten, die nach einem Aufenthalt in den Tropen bzw.

Subtropen hohes Fieber gepaart mit einem Hautausschlag

und eines der anderen oben beschriebenen Symptome

aufweisen, sollte der diagnostische Ausschluss des Dengue-

Fiebers erfolgen. Für die Diagnostik werden unterschiedliche

Parameter herangezogen.

In den ersten sieben Tagen steigt zunächst die Viruslast im

Körper. Der spezifische Nachweis der Viren erfolgt über die

Virusisolierung und Anreicherung in Zellkultur oder über den

Nachweis der RNA mittels PCR. Innerhalb der ersten drei

Wochen ist zudem der Nachweis des spezifischen NS1

Antigens möglich. Nach dieser Zeit können dann nur noch die

ab Tag 5 ansteigenden DENV-spezifischen-IgG und -IgM

serologisch nachgewiesen werden. Um eine möglichst hohe

klinische Spezifität zu erlangen, empfiehlt es sich, alle drei

oben erwähnten Parameter im Serum zu testen.

Ist der Nachweis positiv, sollte der Patient bis zur Norma-

lisierung der Laborwerte überwacht werden. Die WHO hat

hierzu ein Stufenschema entwickelt, nach dem über den

Verbleib des Patienten (ambulant, stationär oder intensiv-

medizinisch) entschieden werden kann (siehe Literatur).

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Asiatische

Tigermücke (Aedes

albopictus)

Foto: BNITM

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Die Vektoren

Die Hauptvektoren des Dengue-Fiebers sind zwei Stech-

mückenarten der Gattung Aedes. Die Gelbfiebermücke (Aedes aegyti) galt lange Zeit als einziger Vektor, bis vor rund 30

Jahren die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ebenfalls

als Überträger identifiziert wurde. Beide Arten haben ihr

Hauptverbreitungsgebiet in den Tropen- und Subtropen. Der

durch die Globalisierung stark ansteigende Warenverkehr und

Ferntourismus sowie die durch den Klimawandel bedingte

Vergrößerung der möglichen Habitate sorgen jedoch für eine

rasche Ausbreitung des Vektors und somit des Dengue-Fie-

bers. Während die Asiatische Tigermücke über diese Wege

bereits bis nach Europa und sogar bis nach Süddeutschland

vorgedrungen ist, ist die Gelbfiebermücke bislang nur in den

Schwarzmeerregionen gesichtet worden.

Bekämpfung und Kontrolle

Die WHO führt das Dengue-Fieber mittlerweile auf der Liste

der „vernachlässigten Erkrankungen“, da noch immer keine

Therapie und kein Impfschutz vorhanden ist. Die bislang

einzige Möglichkeit, die Ausbreitung der Krankheit zu kontrol-

lieren, ist die Überwachung und Bekämpfung der Vektoren. In

den Endemiegebieten werden verschiedene Ansätze ange-

wendet. Primär gilt es, mögliche Brutplätze zu eliminieren. Eine

in den sozioökonomisch belasteten Endemieregionen sehr

unübersichtliche Aufgabe, da die Stechmücken jede Art von

Wasseransammlung nutzen, um ihre Eier abzulegen. Gerade in

den Städten ist herumliegender Müll ein großes Problem, aber

auch Wasserspeicher und Regenrinnen stellen eine Gefahr dar,

um nur einige Beispiele zu nennen. In Brasilien ziehen Militär-

trupps durch die Straßen und weisen die Bürger an, zugäng-

liche Brutstätten zu beseitigen. Bei der Bekämpfung der

Mücken werden aber auch altherkömmliche Methoden

eingesetzt, wozu die großflächige Verwendung klassischer

Insektizide zählt. Neuer ist die Verwendung eines „ökolo-

gischen“ Insektizids, welches aus Bakterien gewonnen wird

und spezifisch Stechmückenlarven tötet. Nicht zuletzt werden

nun auch gentechnisch veränderte, unfruchtbare Mücken-

männchen ausgesetzt, um den Nachwuchs zu reduzieren.

Doch eine der wichtigsten Maßnahmen ist und bleibt die

Aufklärung der Bevölkerung über die Krankheit und deren

Prävention. In Schulen, Zeitungen und Fernsehen sowie in

speziellen Spots auf YouTube wird neben der Vermeidung von

Brutplätzen auch die Prävention durch den Einsatz von

Fliegengittern, körperbedeckender Kleidung und Mücken-

schutzmitteln mit dem Wirkstoff DEET beworben.

Therapie und Impfstoffe

Die Forschung an einem geeigneten Impfstoff gegen das

Dengue-Fieber ist äußerst komplex. Das Dengue-Virus liegt in

vier Serotypen vor. Eine lebenslange Immunität besteht

jedoch nur gegen eine Reinfektion mit dem homotypischen

Erreger. Bei einer Infektion mit einem der anderen Serotypen

kann nur von einer kurzweiligen Kreuzimmunität ausgegangen

werden. Darüber hinaus zeigt eine sekundäre heterotypische

Infektion einen meist schwereren Verlauf bis hin zum hämor-

rhagischen Dengue-Fieber, von dem insbesondere Kinder

betroffen sind. Ein geeigneter Impfstoff sollte also tetravalent

sein und einen möglichst langen und über alle Altersklassen

anwendbaren Impfschutz bieten. Eine weitere Heraus-

forderung in der Impfstoffforschung ist das Fehlen eines

geeigneten Tiermodells.

Nach mehr als 20 Jahren intensiver Arbeit wurde im Dezember

2015 erstmals ein Impfstoff gegen das klassische und das

schwere Dengue-Fieber zugelassen. Der Lebendimpfstoff der

Firma Sanofi wurde zunächst in Mexiko und kurze Zeit später

auch in Brasilien und auf den Philippinen zugelassen. Das

rekombinant hergestellte Vakzin Dengvaxia (CYD-TDV) ist

tetravalent und für Personen im Alter zwischen 9 und 45

Jahren in den Endemiegebieten vorgesehen. Somit sind

allerdings Kleinkinder, ältere Personen und Touristen momen-

tan von einer Schutzimpfung ausgeschlossen.

Der Impfstoff wurde in zwei Phase III klinischen Studien an

rund 21.000 Menschen zwischen 9 und 16 Jahren in 5 Ländern

der Endemieregion Südamerikas getestet. Die Ergebnisse sind

vielversprechend. Nach der Gabe von drei Dosen zeigte sich

eine Schutzrate von rund 61 %. Diese variiert zwischen den vier

Serotypen. Die Zahl der nötigen Krankenhausaufenthalte

wurde um 80 % minimiert und 95 % der tödlich ver-

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laufenden Infektionen mit schwerem Dengue-Fieber

konnten verhindert werden.

Experten kritisieren allerdings, dass drei Impfungen in einem

Zeitraum von sechs Monaten für eine Immunisierung nötig

sind, was sich in den meist durch Armut geprägten Ende-

miegebieten als schwierig erweisen könnte. Von großer

Wichtigkeit wäre außerdem, dass der Impfstoff auch für

Kinder geeignet ist.

Seit April 2016 wird CYD-TDV auf Philippinen bereits einge-

setzt und bis Juni 2017 sollen rund eine Million Kinder mit

einem Mindestalter von neun Jahren geimpft werden.

Weltweit wird weiterhin an Vakzinen geforscht, denen

unterschiedliche Strategien zugrunde liegen. Die Möglichkei-

ten reichen von abgeschwächten oder inaktiverten Lebend-

impfstoffen über proteinbasierte Sub-Unit- bis hin zu Plas-

mid-DNA Vakzinen. Einige befinden sich bereits in Phase II

klinischer Studien. Hierzu zählt unter anderem der Impfstoff

TetraVax-DV vom Institut Butantan in Sao Paolo, dem größten

Hersteller von Impfstoffen und Biopharmazeutika Südameri-

kas. Er wird in Zusammenarbeit mit der brasilianischen

Gesundheitsbehörde erforscht. Die abgeschwächte Lebend-

vakzine wird aus Wildtyp-Stämmen gewonnen und durch

gentechnisch eingefügte Mutationen attenuiert.

Eine andere Strategie verfolgen die Firmen Takeda und

Inviragen mit ihrem chimären Lebendimpfstoff DENVax. Er

basiert auf vollständigen attenuierten DENV 2 Partikeln, die

als Vehikel für Membranproteine der anderen Sero-

typen dienen.

Weitere Impfstoffkandidaten befinden sich in einem noch

früheren Entwicklungsstadium und werden momentan in

Phase I Studien geprüft.

TDENV/PIV basiert auf einem durch Formalin inaktivierten

tetravalenten Impstoff, der von der Firma Glaxosmith Kline

herausgebracht wurde.

Die deutsche Firma Merck hingegen setzt mit V180 auf einen

Subunit-Totimpfstoff aus Prä-Membran und Hüllproteinen.

Das Naval Medical Research Center (NMRC) in den USA

arbeitet an einer monovalenten DNA-basierten Vakzine.

D1ME100 ist ein Plasmidvektor, der Hüllproteine jeweils eines

Serotyps enthält und durch den Promotor des humanen

Cytomegalovirus kontrolliert wird.

Die rasante globale Ausbreitung des Dengue-Fiebers und der

starke Anstieg der Inzidenz machen deutlich, dass neben der

Prävention und Vektorkontrolle geeignete Impfstoffe in

Zukunft unabdingbar sind, um eine langfristige und vollstän-

dige Immuniserung aller Altersgruppen in den Endemiegebie-

ten zu gewährleisten.

Literatur:

1. Berner, R. (Hrsg), DGPI Handbuch Infektionen bei Kindern und

Jugendlichen, 6. vollst. überarb. Aufl. Stuttgart, New York: Georg Thieme.

2. Cramer, J.P.; Schmidt-Chanasit, J.; Dengue-Virus und Co.: Sind Stechmücken

übertragene Viren auf dem Vormarsch?; Dtsch Med Wochenschr; 2014;

139:247-250.

3. Doerr, H. W. (Hrsg); Gerlich, W. (Hrsg); Medizinische Virologie; Grundlagen,

Diagnostik, Prävention und Therapie viraler Erkrankungen; 2009;

Thieme Verlag.

4. Hartmut Krauss (Hrsg), Weber, A (Hrsg); Zoonosen. Von Tier zu Mensch

übertragbare Infektionskrankheiten; 1995; Deutscher Aerzte-Verlag.

5. Schwartz, L.M.; Halloran, M.E.; Durbin, A.P.; Longini, I.M.; The dengue

vaccine pipeline: Implications for the future of dengue control; Vaccine,

Volume 33, Issue 29, Pages 3293-3298.

6. Vasilakis, N.; Weaver, S.C.; The history and evolution of human dengue

emergence; 2008; Adv. Virus Res.. 72, 2008, S. 1–76.

7. Villar, L; Dayan, G.H; Arredondo-García, J.L; Rivera, D.M; Cunha, R; Deseda,

C; Reynales H, Costa, M.S; Morales-Ramírez, J.O; Carrasquilla, G; Rey, L.C;

Dietze, R; Luz, K; Rivas, E; Miranda Montoya, M.C; Cortés Supelano, M;

Zambrano, B; Langevin, E; Boaz, M; Tornieporth, N; Saville, M; Noriega, F;

CYD15 Study Group; Efficacy of a tetravalent dengue vaccine in children in

Latin America; N Engl J Med.; 2015; 372(2):113-23.

8. WHO. Dengue- Guidelines for Diagnosis, Treatment, Prevention and

Control; WHO; 2009.

9. World Health Organization (WHO) Dengue global alert. (Website).

Life & Science

Fortsetzung ... Dengue-Fieber

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Prof. Dr. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Bernhard-Nocht-Straße 74 20359 Hamburg

Dr. Jessica Tiedke Presse- und Öffentlichkeitsreferentin Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Bernhard-Nocht-Straße 74 20359 Hamburg

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Aus der Wissenschaft

Diagnostik mit Hilfe von zellfreier, zirkulierender DNS aus Blut: Auf dem Weg in die Routine- Diagnostik?

Zellfreie, zirkulierende DNS oder im Englischen „cell-free

circulating DNA“ (abgekürzt ccfDNA) aus Blutplasma oder

-serum wird zu einer immer wichtigeren Säule der molekularen

Diagnostik. Sie wird als ein Weg gesehen, durch aufwendige

und belastende operative Eingriffe gewonnene Biopsien durch

eine einfache Blutentnahme, also eine nicht-invasive Gewin-

nung der diagnostischen Probe zu ersetzen oder zu ergänzen.

Daher möchte ich zunächst die Hintergründe zu diesem neuen

diagnostischen Werkzeug erläutern und dann auf einige

entscheidende Aspekte für die praktische Anwendung

eingehen.

Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts ist bekannt, dass in

Blutplasma generell freie, d. h. nicht an Zellen gebundene DNS

vorkommt, wenn auch nur in sehr geringer Menge von

wenigen Nanogramm pro Milliliter. Auch die Erkenntnis, dass

bei manchen Krankheiten – insbesondere bei bestimmten

Tumoren – die Menge dieser DNS im Plasma teilweise stark

ansteigt, stammt schon aus den 60er- und 70er-Jahren. Es

dauerte allerdings bis in die 90er-Jahre, bis erste Forscher

erkannten, dass diese DNS als Werkzeug für die molekulare

Diagnostik genutzt werden kann. Bahnbrechend war zum

einen der Nachweis von tumorspezifischen Mutationen in

dieser DNS und zum anderen die Feststellung, dass bei

schwangeren Frauen auch die DNS des Fötus in der zirkulie-

renden DNS zu finden ist1.

Diese fötale DNS ist die Basis für die mittlerweile oft genutzte,

nicht-invasive Pränataldiagnostik, häufig abgekürzt als NIPT

(„non-invasive prenatal testing“). Hierbei ist „nicht-invasiv“ im

Gegensatz zu der bisherigen Standardmethode der Amnio-

zentese (Fruchtwasseruntersuchung) zu verstehen, die ein

nicht zu unterschätzendes Risiko für den Fötus mit sich

bringt2,3. Beim NIPT werden durch ein hochsensibles Verfah-

ren (in den meisten Fällen wird hier eine hochauflösende

Sequenzierungs-Technik, genannt „Next Generation Sequen-

cing“ [NGS], verwendet) die aus dem Plasma gewonnenen

fötalen DNS-Stücke den verschiedenen Chromosomen

zugeordnet. Da die zu erwartende Anzahl dieser Stücke bei der

normalen Chromosomenzahl bekannt ist, kann bei abwei-

chenden Zahlen auf eine entsprechende Anomalie geschlos-

sen werden. So ist eine frühzeitige Erkennung von Trisomien

der Chromosomen 21, 13 und 18 oder auch eines Turner-Syn-

droms – hier liegt bei weiblichen Föten nur eines anstelle von

zwei X-Chromosomen vor – möglich. Im deutschsprachigen

Raum wird diese Art der Diagnostik von mehreren Anbietern

sehr zuverlässig innerhalb von ein bis zwei Wochen durchge-

führt (z. B. PraenaTest®, HarmonyTest® oder Panorama Test®).

Ein weiteres Feld, in dem die Verwendung von zirkulierender

DNS immer wichtiger wird, ist die Diagnose und Therapie-

begleitung von Tumorerkrankungen. Wie oben erwähnt, ist

schon lange bekannt, dass tote und sterbende Tumorzellen

fragmentierte DNS in die Blutbahn abgeben. Dies geschieht

vor allem über zwei Prozesse: zum einen über die Apoptose,

den gerichteten Zelltod, und zum anderen über nekrotische,

also ungerichtete Absterbeprozesse des Tumorgewebes.

Apoptose findet ständig in allen Geweben statt, wohingegen

nekrotische Prozesse vor allem durch entsprechende Thera-

pien mit Chemotherapeutika oder Bestrahlung ausgelöst

werden4. Über die aus dem Plasma isolierte Tumorzell-DNS

und die auf ihr kodierten tumorspezifischen Informationen

können nun verschiedene klinische Aussagen abgeleitet

werden: Im Rahmen von Früherkennungsprogrammen können

Tumoren auch in sehr frühen Stadien nachgewiesen werden,

wodurch sich die Heilungschancen deutlich verbessern. Dies ist

beispielsweise für Darmkrebs mit kommerziellen Tests bereits

möglich (z. B. Epi proColon®). Außerdem kann im Rahmen

einer Therapiebegleitung der Erfolg einer Behandlungsmetho-

de einfacher quantifiziert werden als z. B. über bildgebende

Verfahren. Von großer Bedeutung ist auch, dass eine Rückkehr

der Erkrankung sehr früh festgestellt werden kann (z. B.

Colvera™). Durch die Analyse der in der zirkulierenden Tu-

mor-DNS gefundenen Mutationen kann zudem auch die

Wirksamkeit einiger Medikamente vorab beurteilt werden und

so eine eventuell sinnlose Therapie vermieden werden.

Neben diesen beiden zur Zeit wichtigsten Anwendungen von

zellfreier, zirkulierender DNS gibt es noch weitere Felder, in

denen sich ein Einsatz abzeichnet, zum Beispiel bei

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Aus der Wissenschaft

Fortsetzung... Diagnostik mit Hilfe von zellfreier, zirkulierender DNS aus Blut: Auf dem Weg in die Routine-Diagnostik?

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Organerkrankungen wie Diabetes oder auch bei der

Begleitung von Patienten, die eine Organtransplantation

erhalten haben.

Zellfreie, zirkulierende DNS kann also wie beschrieben ein sehr

hilfreicher Analyt in verschiedensten Bereichen sein. Allerdings

sind hierfür einige technische Rahmenbedingungen entschei-

dend, die insbesondere mit der Entnahme, dem Transport bzw.

der Lagerung der Proben sowie der Aufarbeitung der DNS

verknüpft sind. Diese Arbeitsschritte vor dem eigentlichen Test

werden auch als Präanalytik bezeichnet. Aufgrund der

Wichtigkeit der Präanalytik wurde von der EU ein entspre-

chender technischer Labor-Standard für die auf zellfreier,

zirkulierender DNS basierende Diagnostik definiert5.

Die zellfreie, zirkulierende DNS kommt nur in sehr geringen

Mengen im Plasma vor. Damit diese Ziel-DNS von den sehr

empfindlichen Analyse-Methoden nachgewiesen werden

kann, ist es essenziell, dass sie nicht durch DNS aus den

Blutzellen überlagert oder verdünnt wird. Die Blutzell-DNS

enthält die krankheitsrelevanten Informationen nicht und

macht eine Bestimmung der Chromosomenhäufigkeit schnell

unmöglich. Schon direkt nach der Blutentnahme, z. B. in ein

Standard-Röhrchen mit Blutgerinnungshemmer (EDTA-Röhr-

chen), beginnen die weißen Blutzellen abzusterben und ihre

DNS in das Plasma abzugeben. Dieser Prozess beschleunigt

sich noch, wenn die Blutproben vor der weiteren Verarbeitung

bei Raumtemperatur oder bei höheren Temperaturen gelagert

oder zum Analyselabor transportiert werden müssen. Zudem

beginnen im Laufe der Zeit auch die roten Blutzellen zu

lysieren. Diese enthalten zwar keine DNS, aber durch die

steigende Rotfärbung des Plasmas wird es immer schwieriger,

das Plasma von den Zellen abzutrennen. Zudem schwellen alle

Zellen mit der Zeit deutlich an. So verringert sich die Ausbeute

an Plasma deutlich. Da die Ziel-DNS-Moleküle nur in sehr

geringen Mengen vorliegen, werden für viele Tests große

Mengen an zellfreiem Plasma benötigt.

Um diesen Prozessen entgegenzuwirken, haben verschiedene

Hersteller Blutentnahme-Röhrchen entwickelt, die die Blutzel-

len stabilisieren und so verhindern, dass sie ihre DNS in das

Plasma abgeben. Diese Röhrchen ermöglichen die Lagerung

und den Transport von Blutproben bei Raumtemperatur oder

höheren Temperaturen über mehrere Tage. Dieser Effekt wird

häufig dadurch erreicht, dass in den Röhrchen ein Reagenz

vorgelegt wird, das Biomoleküle miteinander vernetzt; es

kommt zu sogenannten „cross-links“6. Dadurch wird verhindert,

dass die Zellmembranen der Blutzellen platzen und so die DNS

aus den Zellen in das Plasma freigesetzt wird. Da diese

Reagenzien aber auch andere Biomoleküle wie z. B. auch die

Ziel-DNS vernetzen, kommt es bei einigen analytischen Tests

zu Problemen. Diese Nachteile wurden bei der Entwicklung des

neuen PAXgene® Blood ccfDNA Systems vermieden, indem

eine andere Technologie verwendet wurde, die ohne ver-

netzende Reagenzien auskommt und sehr effektiv sowohl

weiße als auch rote Blutzellen stabilisiert (Abb. 1).

Dieses System besteht zum einen aus einem Blutentnahme-

Röhrchen, das - im Gegensatz zu anderen Röhrchen - aus

bruchsicherem Kunststoff besteht und über einen bewährten

Spritzschutz (BD HemogardTM) im Verschluss verfügt, um

Kontaminationen der Umgebung mit Blut zu vermeiden.

Zudem gehört zu dem System ein genau abgestimmtes und

speziell für dieses Röhrchen entwickeltes Verfahren zur

effizienten Aufreinigung der zellfreien, zirkulierenden DNS. Da

dieses Verfahren durch einen Laborautomaten durchgeführt

wird, können menschliche Fehler minimiert und mehr Proben

verarbeitet werden. Durch diesen hohen Grad an Standardisie-

rung wird gewährleistet, dass es nicht zu Verlusten der wert-

vollen Ziel-DNS durch Fehler in der Präanalytik kommt, die die

Testergebnisse negativ beeinflussen könnten.

Zusammenfassend kann klar gesagt werden, dass die Analyse

von zellfreier, zirkulierender DNS, weit über die schon jetzt

vorhandenen Anwendungen in der Diagnostik hinaus, in

Ve

rhä

ltn

is c

cfD

NA

tx

/t0

EDTA PAXgene

66 bp Amplikon

500 bp Amplikon

18S rDNA qPCR Assay

Abb. 1: PAXgene Blood ccfDNA Stabilisierung verhindert die Freisetzung von

genomischer DNA aus weißen Blutzellen in das Plasma. Plasma von sechs Spendern

wurde zu verschiedenen Zeitpunkten von den Blutzellen abgetrennt, die ccfDNA

wurde isoliert und ihre Menge mittels „real-time PCR“ bestimmt (18S rDNA Gen,

66bp/500 bp Amplikon). t = Tage, t0 = Zeitpunkt direkt nach der Blutentnahme tx =

Zeitraum der Lagerung bei Raumtemperatur. EDTA: konventionelles Blutentnahme-

Röhrchen, PAXgene: PAXgene Blood ccfDNA Blutentnahme-Röhrchen.

Page 7: Blutbild Ausgabe 31 - bd.com · Parameter herangezogen. In den ersten sieben Tagen steigt zunächst die Viruslast im Körper. Der spezifische Nachweis der Viren erfolgt über die

Zukunft immer wichtiger werden wird. Für immer neue

Krankheitsgebiete wird hier ein Nutzen in der Wissenschaft

erkannt, und die technischen Voraussetzungen für eine

breitere Anwendung in der Klinik sind bereits vorhanden.

Literatur:1. Lo et al. (1997) Presence of fetal DNA in maternal plasma and serum. The

Lancet 350, 485-487.

2. Papantoniou et al. (2001) Risk factors predisposing to fetal loss following a

second trimester amniocentesis. BJOG 108, 1053–1056.

3. Hochspringen et al. (2002) Zur Komplikationsrate bei invasiven,

intrauterinen Eingriffen an einer pränataldiagnostischen

Schwerpunktabteilung. Ultraschall in Med. 23(2), 119–122.

4. Schwarzenbach et al. (2011) Cell-free nucleic acids as biomarkers in cancer

patients. Nat Rev Canc 11, 426-437.

5. CEN/TS 16835-3:2015, Europäisches Komitee für Normierung (CEN).

6. Dargestellt u. a. in den Patenten WO2013123030A2, US2011111410A1,

US5460797A, US5459073A.

Gut zu wissen

Präanalytik für die Urindiagnostik

Einleitung

Die moderne Urindiagnostik stellt sich als rasch und zuverläs-

sig anwendbare Methode dar. Die gängige chemische

Untersuchung mittels Urinteststreifen (Abb.1) ist für sich allein

nicht hinreichend aussagekräftig und muss durch die mikro-

skopische Urinsediment-Diagnostik (Abb.2) untermauert

werden.

Die Urindiagnostik

selbst ist jedoch im

hohen Maße von einer

richtig durchgeführten

Präanalytik abhängig.

Eine korrekte Befund-

ung der Urinteststreif-

en- und der Urinsedi-

ment-Untersuchung

kann nur erfolgen, wenn

die Urinprobe unter

Einhaltung sämtlicher präanalytischen Aspekte verarbeitet

wurde. Um wichtige diagnostische Fragestellungen wie z. B.

Mikrohämaturien oder entzündliche Harnwegsreaktionen

mittels chemischem und mikroskopischem Nachweisverfahren

eindeutig zu beantworten, bedarf es der konsequenten

Einhaltung vieler präanalytischer Details.

Die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung

laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen enthält genaue

Vorgaben zur Einhaltung der Präanalytik und versteht „unter

Präanalytik alle Arbeitsschritte, die bis zur eigentlichen

Messung durchlaufen werden.“ * Dazu gehören Gewinnung,

Transport, Verwahrung, Beurteilung und Probenvorbereitung

des Untersuchungsmaterials.

*( http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_up-

load/downloads/Rili-BAEK-Laboratoriumsmedizin.pdf)

In den letzten Jahren erfahre ich in meinen Urindiagnos-

tik-Seminaren und Vortragsveranstaltungen, dass die Aus-

führungen zum Thema Präanalytik präzisiert werden

7

Abb. 1 Urinteststreifen

Abb. 2 Urinsediment

Dr. Thorsten Voss Senior Scientist, PreAnalytiX R&DQIAGEN GmbH QIAGEN Strasse 140724 Hilden

Page 8: Blutbild Ausgabe 31 - bd.com · Parameter herangezogen. In den ersten sieben Tagen steigt zunächst die Viruslast im Körper. Der spezifische Nachweis der Viren erfolgt über die

Gut zu wissen

Fortsetzung ... Präanalytik für die Urindiagnostik, Teil 1

müssen und für den Anwender einen hohen Stellenwert

haben. Vielfach wird nicht berücksichtigt, dass die Missach-

tung der Präanalytik wie z.B. Nicht-Mischen der Probe oder

falsche Zentrifugeneinstellung das Analysenergebnis

verfälschen kann. Somit ergeben sich viele Fallstricke und

Diskrepanzen in der Auswertung und Befundung der

Urindiagnostik.

Richtige präanalytische Bearbeitung

der Urinprobe

In Teil I und II dieses Beitrags werden einige wichtige präana-

lytische Aspekte und Details vorgestellt:

Teil I

• Haltbarkeit der Urinprobe

• Mittelstrahlurinprobe

• Urinprobengefäß ohne/mit Deckel

• Mischen der Urinprobe

Teil II

• Zentrifugeneinstellungen, Umdrehungszahl, Zentri-

fugationsdauer

• Dekantieren der zentrifugierten Urinprobe

• Resuspendieren der Urinsedimentprobe

• Nativpräparat-Herstellung und Haltbarkeit

Haltbarkeit der Urinprobe

Für die Urinteststreifen- und Urinsedimentanalyse muss die

Urinprobe innerhalb von 2 Stunden verarbeitet werden.

Wird eine Urinprobe zeitnah – also innerhalb von 2 Stunden –

verarbeitet, so kann davon ausgegangen werden, dass die

zellulären Urinbestandteile, die mittels Urinteststreifen erfasst

werden, auch in der

mikroskopischen Urinsedi-

mentanalyse nachgewiesen

werden können (Abb. 3).

Je älter und alkalischer die

Urinprobe ist, desto stärker

lysieren die zellulären

Bestandteile. Somit kann

die Untersuchung einer

älteren Urinprobe zu

erheblichen Diskrepanzen

zwischen den Resultaten

beider Nachweisverfahren (chemischer Urinteststreifenbefund

und mikroskopischer Sedimentbefund) führen. Beispielsweise

würde in einer älteren Urinprobe das aus den lysierten

Erythrozyten „freigewordene“ Hämoglobin mit dem Blut-Test-

feld chemisch positiv reagieren. Mikroskopisch könnten jedoch

im Urinsediment keine Erythrozyten und damit keine Hämatu-

rie nachgewiesen werden.

Die Verarbeitung einer älteren Urinprobe kann auch für

widersprüchliche Leukozyten-Resultate zwischen chemischen

und mikroskopischen Nachweisverfahren verantwortlich sein.

In älteren und alkalisch reagierenden Urinproben zerfallen

Leukozyten sehr rasch. Die in der Urinprobe vorhandene –

durch Zerfall der Leukozyten freigesetzte – Granulozytenester-

ase reagiert chemisch mit dem Leukozyten-Testfeld, während

mikroskopisch die Leukozyten im Nativpräparat nur noch

schemenhaft oder gar nicht mehr zu erkennen sind (Abb. 4a;

4b). Die älteren Leukozyten (Abb. 4b zum Teil) verändern ihre

charakteristische Morphologie und nehmen ein größeres

Zellvolumen an, der Zellkern erscheint eher rund und das

Zytoplasma kann vakuolisiert sein. Verwechselungen mit

anderen zellulären Bestandteilen wie Epithelien

wären möglich.

Mittelstrahlurinprobe

Für die Urindiagnostik sollte stets eine Mittelstrahlurinprobe

analysiert werden.

Unabhängig davon, ob eine Morgenurinprobe oder eine

Spontanurinprobe untersucht werden soll, gilt: Diese Urinpro-

ben sollten stets durch Anwendung der Mittelstrahltechnik

(Abb.5) gewonnen werden, weil mittels dieser Entnahmetech-

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Abb. 4a frische Urinprobe mit

kleinzelligen Leukozyten

Abb. 4b ältere Urinprobe mit zum Teil

großzelligen und lysierten Leukozyten

Abb. 3 Verarbeitung der Urinprobe

innerhalb 2 Stunden

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nik eine Verunreinigung aus dem äußeren Genitalbereich

vermieden werden kann. Eine Beimengung von Vaginalsekret

kann z. B. ein vermehrtes Vorkommen von Plattenepithelien in

der Urinprobe sowie falsch positive Reaktionen auf dem

Leukozyten-Teststreifenfeld verursachen.

Urinprobengefäß ohne/mit Deckel

Für die Urindiagnostik sollten ausschließlich Urinprobenbecher

mit Deckel verwendet werden.

Ein Urinprobengefäß mit Deckel (Abb.6a) schützt die Urin-

probe vor einer bakteriellen Kontamination und garantiert

Patienten und Laborpersonal einen hygienischen und damit

sicheren Probentransport.

Der etwas höhere, instabile und damit leicht eindrückbare

Plastikbecher ohne Deckel (Abb.6b) ist leider sehr weit

verbreitet. Ein solcher mit Urin gefüllter Plastikbecher (Abb.6c)

kann nicht über Kopf gemischt werden. Ein leichtes Schwenken

des Gefäßes durchmischt die Urinprobe nicht homogen. Auch

das 2-malige Umrühren der Urinprobe mit einem Plastik- oder

Holzspatel ist unzureichend, denn auch dadurch verteilen sich

die Urinsedimentbestandteile nicht gleichmäßig bis zur

Oberfläche der Urinprobe.

Allein schon aus hygienischen Gründen sollte für die Aufbe-

wahrung einer Urinprobe ein Gefäß ohne Deckel nicht zur

Anwendung kommen.

Fazit: Für eine sachgemäße und schnelle Durchmischung der

Probe über Kopf benötigt man ein reguläres Urinprobengefäß

mit Deckel (Abb.6d).

Abb. 6.a.

Urinproben-

gefäß mit Deckel

Abb. 6b

Plastikbecher

ohne Deckel

Abb. 6c

Plastikbecher

- gefüllt - ohne

Deckel

Abb. 6d

Urinproben-

gefäß - gefüllt -

mit Deckel

2.

Mittlere Portion Urin in

den Urinbecher geben.

3.

Den restlichen Urin

wieder in die Toilette

geben.

Kurzanleitung Mittelstrahlurin

1.

Erste Portion Urin in

die Toilette geben.

Kurz anhalten.

Abb. 5 Kurzanleitung Mittelstrahlurin-Technik

Abb. 7 Mischen der Urinprobe für die weitere Verarbeitung

Urinproben, die

länger als 5 Min.

standen, ...

... müssen für die

weitere

Verarbeitung

unbedingt 2–3 x

über Kopf

geschwenkt

werden.

Die gut

durchmischte

Probe kann jetzt

weiter portioniert

bzw. untersucht

werden.

für den weiteren

Probentransport ...

für die Zentri-

fugation ...

für die Urintest-

streifen-

Unter-

suchung

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Wie für Sie gemacht

Die präanalytische Lösung ...

Das BD Vacutainer® Urinentnahmesystem ist ein geschlos-

senes, hygienisches System, das bereits am Ort der Entnahme

eingesetzt werden kann. Es bietet sowohl für den Patienten als

auch für den Anwender viele Vorteile und gewährleistet eine

Probe mit verlässlichen Ergebnissen für die Diagnostik und

die Therapie.

Das BD Vacutainer® Urinentnahmesystem vereinfacht und

standardisiert die oft unhygienische Übertragung des Urins in

ein Röhrchen. Die Urinprobe wird hygienisch direkt vom

Urinbecher oder 24-Stunden-Behälter in das Vakuumröhrchen

transferiert.

Gut zu wissen

Fortsetzung ... Präanalytik für die Urindiagnostik, Teil 1

10

Fazit Teil 1Unter der Voraussetzung, dass die diversen präanaly-

tischen Vorgaben konsequent eingehalten werden,

können durch Anwendung simpler manueller Testver-

fahren wie der Urinteststreifen-Methode und der Sedi-

ment-Mikroskopie problemlos reproduzierbare und somit

sinngebende Resultate erzielt werden. Im Teil II (nächste

Ausgabe Blutbild) werden Zentrifugeneinstellung,

Dekantieren und Resuspendieren der zentrifugierten

Urinprobe, sowie die Nativpräparat-Herstellung erläutert.

Mischen der Urinprobe

Für die weitere Verarbeitung muss die Urinprobe 2 – 3 x

vorschichtig über Kopf geschwenkt werden.

Aus unterschiedlichsten Gründen kann die Urinprobe meistens

nicht unmittelbar weiterverarbeitet werden. Bei einer nicht

zeitnahen Weiterverarbeitung der Probe setzen sich die

Sedimentbestandteile auf dem Gefäßboden ab, und an der

Oberfläche verteilen sich nur noch wenige bzw. keine Urinbe-

standteile. Wird die Urinprobe ohne vorheriges Mischen für die

Urinteststreifenuntersuchung oder für das Portionieren in ein

Zentrifugenröhrchen (Urinvolumen: 10 mL) verwendet, führt

dies typischerweise zu falschen semiquantitativen Auswertun-

gen und folglich nicht korrekten Befundungen (Abb.7)!

Gerade bei Verdacht auf eine Mikrohämaturie sollte die

Urinprobe stets zeitnah und nach einer guten Homo-

genisierung der Probe verarbeitet werden.

Abbildungen, Digitalfotografien, Zeichnungen: © J. Neuendorf 2017

BD Vacutainer® Urinentnahmesystem Befüllen eines Urinröhrchens aus dem

BD Vacutainer® Urinbecher

An

zeig

e

Josefine NeuendorfMTLA / Dozentin für Labordiagnostik

www.neuendorf-labordiagnostik.de

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Eine Heparin-Blutprobe eines männlichen

Patienten Jahrgang 1950 gab im Institut für

Labormedizin im Kantonsspital Aarau AG

Rätsel auf:

Der stark erhöhte Kaliumwert konnte aufgrund

der fehlenden Hämolyse – optisch, wie gemes-

sen (HIL = 1-1-1) – nicht erklärt werden. Auch

sind bei stark hämolytischen Proben selten

Kaliumwerte >10.0 mmol/l zu beobachten.

Weiter gab der Calciumwert <1.0 mmol/l Rätsel

auf. Die Werte in der Hämatologie waren mit

den Vorwerten vergleichbar.

Die telefonische Rücksprache mit der Pflege-

abteilung ergab, dass die Blutentnahme nicht

einfach war. Das Heparin-Röhrchen konnte nur

minimal gefüllt werden. Da die Entnahme des

EDTA-Röhrchens ohne Probleme durchgeführt

werden konnte, wurde die fehlende Menge im Heparin-

Röhrchen durch EDTA-Blut ersetzt. In Blutentnahmeröhrchen

wird das Kaliumsalz von EDTA eingesetzt, meistens K2EDTA in

einer Konzentration von 1,2 mg/ml – so erklärt sich die starke

Erhöhung des Kaliumwertes.

Erneute Blutentnahme:

Natrium 141 mmol/l, Kalium 4.2 mmol/l, Calcium 2.14 mmol/l,

Kreatinin 96 µmol/l, HIL-Index 1-1-1

Das Institut für Labormedizin führt seit Jahren aktiv das

Gespräch mit den Verantwortlichen der Pflege und den

Pflegefachfrauen und Pflegefachmännern der Stationen. Das

oben genannte Beispiel ist eines von vielen, welches dabei

besprochen wird. Es zeigt sich, dass der Dialog zwischen

Pflegenden und biomedizinischen Analytikerinnen und

Analytikern regelmässig erfolgen sollte, da auf beiden Seiten

das Verständnis für die jeweiligen Probleme dadurch verbes-

sert werden kann. Weiter kann somit auch eine Wissenslücke,

welche durch personelle Fluktuationen entsteht, geschlos-

sen werden.

11

IMPRESSUM

Herausgeber:Becton Dickinson GmbH

Preanalytical Systems

Tullastr. 8 –12, 69126 Heidelberg

bd.com/de

Verantwortlicher Redakteur:Steffen König, BD

Wissenschaftlicher Beirat:Initiative DIAPRO

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© 2017 BD. BD, das BD Logo und alle anderen BD Marken sind Eigentum der Becton, Dickinson and

Company. Alle anderen Marken gehören dem jeweiligen Eigentümer.

Präanalytisches Fallbeispiel

Eine Frage des richtigen AdditivsAnalyse Entnahme

aktuell

Entnahme

Vortag

Referenzbereich Einheit

Hämoglobin 118 118 135 - 172 g/l

Hämatokrit 0,360 0,361 0,40 - 0,52 l/l

Natrium 134 140 136-146 mmol/l

Kalium >10,0 4,5 3,6 - 5,0 mmol/l

Calcium < 1,0 2,00 2,15 - 2,55 mmol/l

Kreatinin 101 91 745-115 µmol/l

HIL-Indes 1 - 1 - 1 1 - 1 - 1

Originalröhrchen

Blutentnahme

aktuell

Karin MosimannLabormanagerin / Leiterin Stab

Kantonsspital Aarau AGInstitut für Labormedizin

Tellstrasse 25CH-5001 Aarau

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Das kriegen Sie mit Sicherheit raus

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Einsendeschluss ist der 30. Juni 2017.

Viel Spaß beim Rätseln und viel Erfolg beim Gewinnen!

Nur Angehörige der Heilberufe und sonstiger

Fachkreise dürfen an diesem Preisausschreiben

teilnehmen. Mit der Teilnahme erklären Sie sich

damit einverstanden, dass Ihr Name und

Wohnort im Falle eines Gewinns in der nächsten

Ausgabe des Blutbildes – auch elektronisch –

veröffentlicht wird. Der Rechtsweg ist

ausgeschlossen. Die Gewinner werden

schriftlich benachrichtigt. Mitarbeiter von BD

sind von der Teilnahme ausgeschlossen.

1 8 6 7

5 3 9

9 3

4 3 2 9 1 6

5 2

2 1 3 7 9 8

2 8

8 6 1

9 7 8 4

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