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60 Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg Bündner Herrschaft Die sonnenverwöhnten Dörfer und das Städtchen Maienfeld über dem rechten Rheinufer sind für Reisende aus dem Norden die erste Berührung mit dem Kanton der 150 Täler. Die „Bündner Herrschaft“ wird heute vor allem wegen ihrer ausgezeichneten Weine aufgesucht. Ihren Namen trägt die Bündner Herrschaft schon seit dem 16. Jahrhundert, als die Drei Bünde das Gebiet aufkauften. Dabei hatten sie in erster Linie den strategisch wichtigen Rheinübergang im Auge. Dass im Kaufpreis auch die verlockenden Wein- berge enthalten waren, wird die Bündner aber nicht gestört haben. Der Weinbau in der Bündner Herrschaft blickt auf eine über 2000-jährige Tradition zurück. Im Mittelalter wurde hier der sog. Completer angebaut, der seinen Namen dem „Komplet“ verdankt, dem Abendgebet der Churer Domherren. Erschienen die Gottesmänner zum Komplet rechtzeitig, hatten sie Anrecht auf zwei Becher des hervorragenden Weißweins, der in Malans noch immer unter dem Namen Comple- ter gezogen und als Dessert-Wein kredenzt wird. Die Rotweine, die heute den weit- aus größeren Anteil an der Produktion haben, wurden erst im 17. Jahrhundert ein- geführt. Die Inschrift einer Statue des Duc de Rohan in Jenins dankt dem beliebten französischen Gouverneur für die Einführung des Blauburgunders in der Bündner Herrschaft. Wahrscheinlicher aber ist, dass namenlose bündnerische Söldner in Frankreich auf den Geschmack kamen. Im Herbst laden zahlreiche Winzer in ihren „Torkel“ ein. Der Begriff steht ur- sprünglich für die Weinpresse und wurde dann auf den Weinkeller ausgedehnt. Wandgemälde am alten Rathaus von Maienfeld, 1797 Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg

Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg · 61 Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg → Karte S. 65 Auch das Torkeln, die bekannte spezielle Gangart nach zu viel Weingenuss, leitet

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60 Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg

Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg

Bündner Herrschaft Die sonnenverwöhnten Dörfer und das Städtchen Maienfeld über dem

rechten Rheinufer sind für Reisende aus dem Norden die erste Berührung

mit dem Kanton der 150 Täler. Die „Bündner Herrschaft“ wird heute vor

allem wegen ihrer ausgezeichneten Weine aufgesucht.

Ihren Namen trägt die Bündner Herrschaft schon seit dem 16. Jahrhundert, als die Drei Bünde das Gebiet aufkauften. Dabei hatten sie in erster Linie den strategisch wichtigen Rheinübergang im Auge. Dass im Kaufpreis auch die verlockenden Wein-berge enthalten waren, wird die Bündner aber nicht gestört haben.

Der Weinbau in der Bündner Herrschaft blickt auf eine über 2000-jährige Tradition zurück. Im Mittelalter wurde hier der sog. Completer angebaut, der seinen Namen dem „Komplet“ verdankt, dem Abendgebet der Churer Domherren. Erschienen die Gottesmänner zum Komplet rechtzeitig, hatten sie Anrecht auf zwei Becher des hervorragenden Weißweins, der in Malans noch immer unter dem Namen Comple-ter gezogen und als Dessert-Wein kredenzt wird. Die Rotweine, die heute den weit-aus größeren Anteil an der Produktion haben, wurden erst im 17. Jahrhundert ein-geführt. Die Inschrift einer Statue des Duc de Rohan in Jenins dankt dem beliebten französischen Gouverneur für die Einführung des Blauburgunders in der Bündner Herrschaft. Wahrscheinlicher aber ist, dass namenlose bündnerische Söldner in Frankreich auf den Geschmack kamen.

Im Herbst laden zahlreiche Winzer in ihren „Torkel“ ein. Der Begriff steht ur-sprünglich für die Weinpresse und wurde dann auf den Weinkeller ausgedehnt.

Wandgemälde am alten Rathaus von Maienfeld, 1797

Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg

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Auch das Torkeln, die bekannte spezielle Gangart nach zu viel Weingenuss, leitet sich vom Torkel ab.

Fläsch Die nördlichste Gemeinde der Bündner Herrschaft wurde 2010 vom Schweizer Heimatschutz mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet. Die Summe von 20.000 Fran-ken ist nicht hoch, rettet keinen Gemeindehaushalt, doch genießt der Preis ein gro-ßes Renommee in der Schweiz. Die Jury begründete ihre Wahl mit der „innovativen Ortsplanung“: Fläsch hätte es verstanden, durch eine geschickte Planung die cha-rakteristischen Obst- und Weingärten im Ortskern zu erhalten, ohne die bauliche Weiterentwicklung zu verhindern.

Einen Erwähnung wert ist Fläsch auch wegen seiner Kirchturmbewohner. Unter dem Kupferdach des Barockturms lebt die größte schweizerische Mausohrenkolo-nie. Das Mausohr gehört zu den Fledermäusen, exakter zur Familie der Glattnasen-fledermäuse. Mit 40 cm Flügelspannweite ist das Große Mausohr (Myotis myotis) die größte europäische Fledermaus, den zweiten Platz nimmt trotz ihres Namens das Kleine Mausohr (Myotis blythii) ein. Im Fläscher Kirchturm lebt eine Mischko-lonie von Groß und Klein, die rund 1100 Tiere zählt. Dabei handelt es sich fast aus-schließlich um Weibchen, die dicht gedrängt kopfunten im Gebälk hängen. Die Männchen sind in der Regel Einzelgänger und beanspruchen nicht selten einen ganzen Dachstock für sich allein.

Die Fläscher Mausohren können nur von Gruppen, nach Voranmeldung (¢ 078-7617376) und nur abends besucht werden. Damit auch der Individualtourist am Alltag der Tiere teilhaben kann, wurde am Fuß des Kirchturms ein Monitor ange-bracht, über den man dank einer im Turm installierten Infrarotkamera das Leben im Gebälk verfolgen kann, sofern er eingeschaltet ist. Abends ist am meisten los, wenn die Mausohren ihre Wohnung verlassen, um dann im Tiefflug auf Käfer- und Insektenjagd zu gehen. Sollte Funkstille herrschen in der Kolonie, so können Sie per Knopfdruck einen Videof ilm über das Leben des Mausohrs abrufen.

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Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg

62 Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg

Heile Welt im Heidiland

Vom freundlichen Dorfe Maienfeld führt ein Fußweg durch grüne, baumreiche Flu-ren bis zum Fuße der Höhen, die von dieser Seite groß und ernst auf das Tal hernie-derschauen. Hätte Johanna Spyri (1827–1901) mit diesem ersten Satz in ihrem 1880 erschienenen Buch „Heidis Lehr- und Wanderjahre“ nicht verraten, wo das Heidi (mit dem neutralen grammatischen Artikel ist das Mädchen fast schon ge-schlechtsneutral), der Alp-Öhi und der Geißenpeter zu f inden sind, wäre Maien-feld nicht mehr als ein beschauliches Weinstädtchen. So aber gibt es heute im Zent-rum einen Heidi-Shop und außerhalb des Städtchens einen Heidi-Weg, einen Hei-di-Brunnen, ein Heidi-Dorf, eine Heidi-Alp, ein Hotel Heidihof, ein Swiss Heidi Ho-tel – und unglaublich viele Japaner.

Ein Jahr nach ihrem Heidibuch lieferte Johanna Spyri – wohl wegen des Erfolgs – einen zweiten Band nach: „Heidi kann brauchen, was es gelernt hat“. Dem biederen Titel haftet der Geruch des pietistischen Milieus an, in dem die Autorin aufwuchs – die Literatur diente dort vornehmlich der Erbauung, und wenn man selber welche schrieb, dann in erzieherischer Absicht.

Der weltweit anhaltende Erfolg der Heidibücher nährt sich zu einem Großteil aus einem simplen Gegensatz: hier die gesunde Maienfelder Alpenluft, die Freiheit, dort die krank machende Frankfurter Stadtluft, die bedrückende Enge; hier die Ein-fachheit des Bauerntums, dort das Undurchschaubare und Anonyme – Gegensätze, die auf die Industrialisierung im 19. Jahrhundert zurückgehen, ideologisch aber auch im 21. Jahrhundert noch brauchbar sind und in der Schweiz von einigen po-pulistischen Politikern bis heute zumindest unterschwellig bemüht werden.

Und wie kommt es, dass so viele Japaner nach Maienfeld pilgern? Sicher ist ge-schicktes Tourismus-Marketing daran beteiligt, sicher auch der Erfolg, den der ja-panische Regisseur Isao Takahata mit seiner 52-teiligen Heidi-Trickf ilmserie in sei-nem Land verbuchen konnte. Doch ebenso sicher kennt man auch in Japan die Sehnsucht nach einer einfachen, heilen Welt. Zumindest lässt die Frage einer fern-östlichen Besucherin („Do you know the way to Peter's home?“) darauf schließen – sie schaute mich so hoffnungsvoll an, als läge dort oben, in Geißenpeters Hütte, der Schlüssel zur Rettung vor der Enge der Metro in Tokyo.

Das Heidi und der Geißenpeter

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Maienfeld Der Hauptort der Bündner Herrschaft ist ein beschauliches Weinstädtchen.

„Maienfelder Beerliwein“ heißt der fruchtig-vollmundige Blauburgunder,

der hier gekeltert wird.

Heftig Reklame macht der Ort auch mit Heidi, der Unschuld von den Alpen. Das „Heididorf“ – eine eher synthetische Sehenswürdigkeit – erfreut sich besonders bei Japanern großer Beliebtheit.

An die einstige Bedeutung des Orts erinnert ein Gemälde an der Rathausfassade: „Die Übergabe der Rechtsgewalt an den letzten Landvogt“. Das war 1797. Sechs Jahre später wurde die Bündner Herrschaft vom Untertanengebiet zum voll berech-tigten Teil des neuen eidgenössischen Kantons Graubünden. Das Schloss Brandis im Süden des Orts, einst Sitz der Landvögte, war damals schon nicht mehr be-wohnt. Heute residiert in den historischen Gemäuern ein nobles Restaurant.

„Heididorf“: Dem 2001 eröffneten Heidihaus im Heididorf kann man immerhin zu-gute halten, dass eine Alphütte zu Johanna Spyris Zeiten so ausgesehen haben mag – sofern man sich die elektronische Ticket-Schranke wegdenkt. Brotgestelle, Hor-den für Dörrobst. Alp-Öhi steht an der Hobelbank, derweil Heidi und Peter am dürftig erleuchteten Stubentisch sitzen. Die kleine Dokumentation über den Welt-bestseller zeigt auch eine vietnamesische Ausgabe, von der die Schweizerische Bot-schaft 1800 Exemplare an vietnamesische Kinder verschenkte – die jetzt besser wissen, wie es in der schönen heilen Schweiz aussieht.

Vom Heididorf führt der Heidi-Erlebnisweg in 12 Stationen zur Heidialp hoch und wieder herunter (ca. 1½ Std.); praktische Infos zum „Heididorf“ unten. Anfahrt: Erst zum 1,5 km oberhalb des Städtchens gelegenen Hotel Heidihof (ausgeschil-

dert), von dort 10 Min. zu Fuß. Mitte März bis Mitte Nov. 10–17 Uhr. Eintritt 7 CHF, Kinder

3 CHF.

PLZ 7304

Information Infostelle Heidishop, unter-

halb des Orts, an der großen Kreuzung

knapp vor dem Bahnhof. In erster Linie In-

fos rund um das Heidi und Souvenirs, darü-

ber hinaus wenig Kompetenz. Mo–Fr 9–12

und 13.15–17.15, Sa 9–12, So 13–16 Uhr.

Bahnhofstraße 1. ¢ 081-3301912, § 081-

3301913, [email protected], www.

heidiland.com.

Rebberge in der Bündner Herrschaft

Maienfeld

64 Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg

Hin & weg Bahn: Maienfeld liegt an der

Strecke Zürich–Chur, nur die Bummelzüge

halten hier. Der Bahnhof befindet sich am

unteren Ortsrand.

Postauto: Verbindung zu den Weindörfern

Fläsch, Jenins, Malans und nach Bad Ragaz.

Fest Städtlifest, jährlich an einem Wo-

chenende im Sept./Okt. Volksmusik, Stän-

de und offene Torkel.

Übernachten/Essen Alpenrose, im un-

teren Ortsteil an der Einmündung zur Stra-

ße nach Chur. Freundliche, gepflegte Her-

berge mit 4 Zimmern. Restaurant mit Gilde-

Hut und ein paar Tischen zur Straße (So/Mo

Ruhetag). DZ mit Bad 130 CHF inkl. Früh-

stück. Aeuli 7, ¢/§ 081-3021325, www.alpen

rose-maienfeld.ch.

Heidihof, 1,5 km oberhalb des Orts, ausge-

schildert. Großes, modernes Hotel im Grü-

nen. Mit Restaurant. DZ 150–170 CHF inkl.

Frühstück. Bovelweg 16, ¢ 081-3004747,

§ 081-3004749, www.heidihof.ch.

Schlafen im Weinfass: Schlaf-Fass „Ries-

ling-Silvaner“, in Weingut zur Bündte,

knapp oberhalb des Dorfs, neben dem

Weg zum Hotel Heidihof. Statt 8000 Liter

Riesling-Silvaner ein Doppelbett. Die Idee,

ein Weinfass zum Hotelzimmer umzubau-

en, wurde 2014 realisiert und hat im Nach-

barort Jenins mit dem Blauburgunder-Fass

ihr Pendant. Für 2 Pers. 150 CHF, Toilette

und Waschbecken im Gehöft, inkl. Apéro,

eine Flasche Weißwein, zwei große Fla-

schen Mineralwasser und Frühstück mit

hausgemachter Marmelade. Bündte 1,

¢ 079-28000262, www.schlaf-fass.ch.

Schlafen im Stroh: Max & Dorli Just, beim

Hotel Heidihof erst in Richtung Vaduz, dann

rechts hoch, ausgeschildert. Heidigerechte

Unterkunft in der Scheune mit Strohsack-

decken, im Parterre Dusche/WC. Grillplatz

vorhanden. Klingt romantischer als es ist.

Pro Person 28 CHF, inkl. Wolldecken und

reichhaltigem Bauernfrühstück. Geöffnet

Mai–Okt. Bovelgasse 26, ¢/§ 081-3023841,

www.hofjust.ch.

Nur wenige Kilometer nördlich von Maienfeld liegt St. Luzisteig. Hier, schon fast

an der Grenze zum Fürstentum Liech-tenstein, zeigt sich die Schweizer Armee bis an die Zähne bewaffnet: ein Schieß-platz, ein Waffenplatz, eine Ortskamp-fanlage, Kasernen mit kryptischen Kom-binationen aus Zahlen und Buchstaben, herumkurvende Militärfahrzeuge zu-hauf, Bunker und Straßensperren – als gälte es, eine Invasion aus dem benach-barten Fürstentum abzuwehren. Der einzig nennenswerte Zwischenfall verlief allerdings in umgekehrter Richtung: Im März 2007 marschierten 170 bewaffnete Infanteristen der Schweizer Armee in Liechtenstein ein – sie hatten sich ganz einfach im Gelände verirrt.

Da auch in der Schweiz militärisches Gebiet der Öffentlichkeit nicht zugäng-lich ist, bleibt dem Reisenden als Er-

satz allenfalls ein Besuch des nur selten geöffneten Militärmuseums (Juni bis Ok-tober, Sa 13–17 Uhr, Eintritt 7 CHF). Oder er begibt sich gleich im einzigen und empfehlenswerten Restaurant von St. Luzisteig zu Tisch.

Landgasthof St. Luzisteig, vor dem großen

Militärareal. Einfache, aber vorzüglich zube-

reitete Küche. Die Maluns, in der Bratpfan-

ne serviert, sind wie immer etwas trocken,

wogegen die beiliegende große Portion Ap-

felmus hilft. Oder man wählt gleich eine

saftig-frische Forelle aus dem nahen sankt-

gallischen Weißtannental. Februar ge-

Ortsbesichtigung in Maienfeld

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schlossen, Mi Ruhetag. ¢ 081-3027222. Jenins Zwei stattliche Häuser der Bündner Nobilität, das Salis-Haus (heute Pfarrhaus) und das ihm gegenüber liegende Sprecher-Haus, machen den architektonischen Schmuck des Dorfes aus. Ansonsten dreht sich hier alles um den Rebensaft, wie der von Maienfeld kommende Besucher schon ahnt: Am Dorfeingang steht die „Wein-stube zum Alten Torkel”, vielleicht das schönste Weinlokal der Bündner Herrschaft. Etwas weiter – gegenüber dem „Gasthof zur Bündten” – steht steinern Henri Duc de Rohan am Straßenrand, der während des Dreißigjährigen Kriegs (1618–1648) als französischer Gouverneur über die Gegend herrschte. Er soll, was wir bezwei-feln (→ Kapiteleinleitung), den Blauburgunder in die Bündner Herr-schaft eingeführt haben.

Schlafen im Weinfass: Schlaf-Fass „Bur-

gunder“, im Landwirtschaftsbetrieb Eggen-

berger, im Dorfzentrum an der Straße nach

Malans. Die Idee, ein Weinfass zum Schlaf-

Fass umzubauen, wurde in Maienfeld und

Jenins gleichzeitig realisiert. Selbe Preise,

selbe Konditionen (→ Maienfeld). Unterdorf

14. ¢ 079-28000262, www.schlaf-fass.ch.

Weinstube zum Alten Torkel, am Ortsaus-

gang Richtung Maienfeld. Außen unschein-

bar, innen eine wunderschöne, leider sehr

teure Weinstube. Noch schöner sitzt man

im Sommer an der rückwärtigen Haus-

wand, direkt vor den Reben. Spezialität ne-

ben dem hauseigenen Wein ist der

„Tschunken“, ein mindestens ein Jahr in

der Luft getrockneter Beinschinken. ¢ 081-

3023675.

Malans Bis die Eisenbahn kam, war der Ort ein wichtiger Marktflecken am Eingang zum Prättigau. Zwar bekam auch Ma-lans einen Bahnhof, doch der liegt an der Nebenlinie ins Prättigau – der ent-scheidende Umsteigebahnhof wurde 1864 im direkt an der Rheinlinie liegen-den Industrieort Landquart gebaut. So blieb Malans vielleicht die architektoni-sche Kehrseite des industriellen Auf-schwungs erspart, der Ort ist ein schmu-ckes und lebendiges Weindorf geblieben, an dessen Rändern die Weinberge sich unter die Einfamilienhäuschen mischen.

Ganz oben im Ort liegt ein Schlösschen mit englischem Garten versteckt. Der

Malans

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66 Bündner Herrschaft, Chur und Schanfigg

Torbogen zur Zufahrt verrät einen Besitz derer von Salis – ein Zweig des berühmten Bündner Adelsgeschlechts ist hier seit dem 18. Jahrhundert wohnhaft. Kein Zutritt.

Übernachten Krone, Landgasthof im Orts-

zentrum. DZ mit Dusche/WC 150 CHF, mit

Lavabo 100 CHF, Frühstück inklusive. Das

Restaurant führt eine ausgezeichnete Kü-

che (Mitglied der Gilde) und serviert Weine

aus eigenem Anbau. Obere Preisklasse. Di/

Mi geschlossen. Kronengasse 1, 7208 Ma-

lans, ¢ 081-3221455, § 081-3223643, www.

krone-malans.ch.

B & B – Hartmann-Huggler, im Ortszent-

rum, Nähe Post. Nur ein einziges Zimmer

mit Du/WC im Erdgeschoss, klein, aber

nett eingerichtet. Mit separatem Eingang.

Zimmer 30 CHF/Person, Frühstück 10 CHF.

Löwengasse 6, 7208 Malans, ¢ 081-3224065.

Essen & Trinken Weiß Kreuz, Herrschafts-

haus im Ortszentrum, nicht zu übersehen.

Seit der kompletten Renovierung 2010

verbindet eine Glaspasserelle den Haupt-

bau mit der Weinstube (Torkel); die riesige

Dachterrasse wird betischt. Bündner Spe-

zialitäten zu etwas überhöhten Preisen. Mo

Ruhetag. Dorfplatz 1, ¢ 081-3228161. Mein Tipp: Café-Bar-Restaurant Ba-

lans, beim Bahnhof. Ein ganz und gar un-

prätentiöses, empfehlenswertes Lokal. Ne-

ben wenigen klassischen Fleischgerichten

diverse Pasta, Fitnessteller, Sandwichs und

Salate. Im wunderschönen Garten sind Sie

nie allein, am Nebentisch zecht bestimmt

eine hölzerne Figur des Malanser Bildhau-

ers Peter Leisinger. So/Mo Ruhetag. Bahn-

hofstr. 2, ¢ 081-3306003.

Chur Wer Graubündens Hauptstadt von der Autobahn sieht, hat Lust, gleich aufs

Gaspedal zu treten. Graue Wohntürme ragen aus dem Schwemmland des

Rheins in den Churer Himmel. Von derlei Bausünden sollte man sich aber

nicht schrecken lassen – eine schöne Altstadt wartet auf Churs Besucher.

Offensichtlich haben die Behörden noch nicht den richtigen Dreh gefunden, wie sie ihre Stadt an den Mann oder die Frau bringen wollen. „Chur – älteste Stadt der Schweiz“ mag richtig sein oder nicht, lockt aber keinen Hund hinter dem Ofen vor. Mit „Chur – größtes Shopping zwischen Zürich und Mailand“ tut die Stadt, als hät-te sie keine Geschichte und reduziert sich auf ein Konsumparadies. Und der mit Schwung daherkommende jüngste Slogan „keep khur!“ hat so viel Inhalt, dass er gleich beim zweiten Blick wie eine Seifenblase platzt.

Dabei hat Chur etliche Perlen zu bieten: Die fast autofreie Altstadt ist eine Einla-dung an jeden Flaneur. Der Neorenaissancebau des Kunstmuseums ist zwar nicht jedermanns Sache, aber die Sammlung im Inneren zeugt von professioneller Kura-torenschaft, sie ist erstrangig. Auch die Churer Kunstszene kann sich sehen lassen – das „Theater Chur“ (Stadttheater) hat den letzten Staub abgeschüttelt und zeigt eine glückliche Hand im Spielplan, daneben ist die „Klibühni“ und vor allem die le-bendige „werkstatt“ aktiv. Und wo auf der Welt gibt es eine von HR Giger, dem 2014 gestorbenen Schöpfer von Alien, konzipierte Bar? In der Industriezone von Chur.

Stadtgeschichte Vielleicht ist es wirklich so, dass Chur die älteste Stadt der Schweiz ist, vielleicht aber auch nicht. Die Rede von über 12.000 Jahren Siedlungsgeschichte mag stim-men, doch ist Siedlungsgeschichte nicht gleich Stadtgeschichte.

Immerhin ist anzunehmen, dass zu Zeiten der Eroberung Rätiens durch die Römer (15 v. Chr.) Menschen auf Churer Boden gewohnt haben, auch wenn die früheste

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namentliche Erwähnung erst auf einer römischen Straßenkarte gegen Ende des 3. Jahrhunderts nachgewiesen ist. Bald darauf war Curia schon Bischofssitz, die erste urkundliche Erwähnung eines Bischofs in Chur ist im 5. Jahrhundert bezeugt. Politisches Gewicht errangen die Churer Bischöfe erst in der Zeit des Investitur-streits zwischen Papst und Königtum im 11. Jahrhundert. Sie wurden zu Landes-herren, die die politischen Ämter in ihrem Gebiet mit ihnen ergebenen Männern besetzten. Im 13. Jahrhundert wurde Chur mit einer Mauer und Stadttoren befestigt.

Im ausgehenden Mittelalter beginnen die Bürger gegen die bischöfliche Bevormun-dung aufzubegehren. Nach einem Großbrand, der die Stadt 1464 weitgehend zer-stört, erlaubt ihnen Kaiser Friedrich III., sich in Zünften zu organisieren –durch die neue Zunftordnung verliert der Bischof die weltliche Macht an die Bürgerschaft.

Eine weitere Beschränkung der bischöflichen Macht leitete der vom Zürcher Refor-mator Zwingli beeinflusste Johannes Comander ein. 1523 wird er als Pfarrer nach Chur berufen und beginnt gleich die neuen Ideen zu predigen, die sich schnell durchsetzen. In den sog. Bündner Wirren des Dreißigjährigen Kriegs (→ Kapitel Geschichte) quartieren sich in Chur erst spanisch-österreichische Truppen ein, dann französische. Der Bündner Freiheitsheld Jörg Jenatsch mobilisiert mit Erfolg die Bevölkerung erst gegen die einen, dann gegen die anderen – und wird schließ-lich 1639 in Chur ermordet.

Fast zwei Jahrhunderte später wiederholt sich die Geschichte. Während der napo-leonischen Feldzüge 1798/1799 wechseln sich je nach Kriegslage Franzosen und Österreicher in der Besetzung der Stadt ab. 1803 schließlich tritt der unter Napole-on geeinigte Kanton Graubünden der Eidgenossenschaft bei, Chur setzt sich gegen-über den Konkurrenten Davos und Ilanz als Hauptstadt durch. Der urbanen Ent-wicklung steht die mittelalterliche Stadtbefestigung jetzt nur noch im Weg. Sie wird beseitigt, ebenso die Zunftverfassung, die einer neuen Stadtverfassung weicht. Als

Bischofsstadt Chur

Chur