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Kompass 02/15 Wärmemarkt: What is next?

bne-Kompass 02/2015: Wärmemarkt - What ist next?

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Innovationen auf dem Wärmemarkt. Mit Beiträgen von u.a. bne, Thermondo, tado, EnBW, Econgas, Ispex, GP JOULE,

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Kompass 02/15Wärmemarkt: What is next?

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Liebe Leserinnen und Leser,

„We will electrify the heating sector“, verkündete kürzlich recht eupho-risch Marie Donnelly, Direktorin in der Generaldirektion Energie der EU-Kommission, in einem Vor-trag zu den Zielen der europäi-schen Energieunion. Hierzulande klingt das Ganze etwas nüchter-ner und technischer. Da ist, wie etwa im Weißbuch zum künf ti-gen Strommarktdesign, von der Kopplung der Sektoren Strom und Wärme die Rede. Hinter bei-den Aussagen steckt ein und dieselbe Entwicklung: Die Ener-giewende hat den Wärmemarkt erreicht und wird ihn verändern.

Wird aber auch Zeit, wird so mancher Beobachter denken; schließlich entsteht ein Großteil des Energiebedarfes und damit auch der Emission im Wärmemarkt. Nach wie vor dominieren hier fossile Energieträger. Im Zuge des immer grüner werdenden Strommixes erfreuen sich nun lange verpönte Elektroheizungen einer wachsen-den Beliebtheit. Moderne Wärme-pumpen, Heizstäbe, Elektroden-heizkessel, als Stand-Alone-Lösung oder als Hybridheizung – das An-gebot der Hersteller wächst stetig. Im Blickpunkt stehen vernetzte Lösungen, die etwa Photovoltaik, Speicher und Wärmepumpen intelligent kombinieren und über IT steuern.

Mit dem vorliegenden Kompass wollen wir Ihnen einen Einblick in den Wärmemarkt der Zukunft geben. Wo sind Inno-

vationen zu erwarten? Welche Infrastruktur ist notwendig? Wo hakt es etwa an den Rahmenbe-dingungen? Ein wichtiger Punkt ist hier die im Vergleich zu anderen Energieträgern nach wie vor hohe Belastung des Strompreises durch Steuern, Umlagen und Abgaben.

Die elektrischen Wärme-anwendungen helfen nicht nur, das Emissionsaufkommen im Wärme-sektor zu senken, sie stellen zudem eine notwendige Flexibilitätsquelle dar. Mit ihrer Hilfe lassen sich die stetig wachsenden Mengen an fluktuierenden erneuerbaren Ener-gien ins System integrieren. Mit dem Potenzial von Wärmestroman-lagen für die Flexibilisierung und der optimalen Steuerung beschäftigt sich der Energieversorger EnBW in einem Modellprojekt und berich-tet in diesem Heft von den gesam-melten Erfahrungen

Dass die Digitalisierung auch vor dem Wärmemarkt nicht Halt macht, zeigen junge Unter-nehmen wie tado oder Thermondo. Die einen bieten intelligente Ther-mostate, die sich per App steuern lassen und können damit auf einen schnell wachsenden Markt hoffen. Die anderen empfehlen und ver-mitteln über eine umfangreiche Online-Datenbank die jeweils indi-viduell beste Heizlösung für den Verbraucher.

Welche Rolle wird Gas, der dominierende Energieträger im Wär-memarkt, in der Zukunft überneh-men? Klar ist, Erdgas wird weiter

gebraucht, als Brückentechnologie und als Absicherung, wie EconGas in einem Beitrag beschreibt. Die Gasinfrastruktur könnte dabei in Zukunft eine neue Funktion über-nehmen: die eines Stromspeichers. Möglich macht dies die Power-to-Gas-Technologie, also die Produk-tion von Wasserstoff oder Methan mittels regenerativer Energien. Grü-ner Wasserstoff kann als Treibstoff für Brennstoffzellenheizungen oder auch für garantiert emissionsfreie Wasserstofffahrzeuge dienen.

Sie sehen, viele spannende und innovative Technologien und Geschäftsmodelle sind derzeit im Entstehen. Einmal mehr werden sie befeuert von der Energiewende, der digitalen Vernetzung und der Dezentralisierung. Bill Gates sagte einmal: „Wir überschätzen immer den Wechsel, der in den nächsten zwei Jahren geschehen wird und unterschätzen den Wechsel, der in den nächsten 10 Jahren passie-ren wird.“

Als Verband, der wie kein anderer für Markt, Wettbewerb und Innovation steht, freuen wir uns auf den Wechsel auf den Energie-märkten und werden ihn kons-truktiv gestalten.

Ihr Robert Busch bne-Geschäftsführer

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Inhaltsverzeichnis

1 Editorial 4 Wärmemarkt: Wohin geht die Reise?

6 Wärmemarkt: Herausforderungen und Perspektiven Ein Gastbeitrag von Philipp A. Pausder, Thermondo

8 „Die Heizung mit dem Internet verbinden“ Interview mit Christian Deilmann, tado 10 Chancen der Energiewende nutzen Ein Gastbeitrag von Holger Wiechmann, EnBW

14 Was Industriekunden bei Strom und Gas beachten müssen Ein Gastbeitrag von Stefan Arnold, Ispex

16 Brücke für Erneuerbare Ein Gastbeitrag von Heimo Hinterer, EconGas Deutschland

20 Multitalent Wasserstoff – Mehr als nur Strom Ein Gastbeitrag von Ove Petersen, GP JOULE

24 „Ungenutzte Energiequellen anzapfen“ Interview mit Stadtforscher Eckhart Hertzsch

28 Impressum

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Die steigenden Mengen des wetter-bedingt schwankenden Ökostroms erhöhen den Aufwand und die Kosten für die Stabilisierung des Stromnetzes, zumal es nach wie vor an Transportleitungen fehlt. Zeiten, in denen mehr Strom pro-duziert als verbraucht wird und damit Überschüsse anfallen, wer-den sich häufen. Die Frage, wie sich die fluktuierenden Strommengen aus Wind und Sonne effizient inte-grieren lassen, wird mit deren weiteren Ausbau immer wichtiger.

Sektorkopplung vorantreibenDie Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch bietet einen Lösungs-ansatz und ist daher integraler Bestandteil des geplanten neuen Strommarktdesigns. Verschiedene Optionen wie Lastmanagement (inklusive Speicher), Elektromobili-tät oder aber Wärmeanwendungen werden benötigt, um Lastspitzen oder Erzeugungsüberschüsse aus Solar- und Windenergie zu glätten.

Der Vernetzung der Märkte für Strom, Gas und Fernwärme im Wärmemarkt kommt eine zuneh-mend wichtige Rolle zu. „Die Sektor-kopplung wird das künftige Strom-versorgungssystem prägen“, heißt es dazu im Weißbuch des Bundes-wirtschaftsministeriums (BMWi). Die Nachfrage nach erneuerbarem

Strom jenseits des Stromsektors schaffe neue effiziente Anwendun-gen, die Strom in Wärme und Mobilität umwandeln.

Neben der Integration der erneuerbaren Energien ist die Sektorkopplung auch aus Klima-schutzgründen notwendig. Das Klimaziel der Bundesregierung, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken, wird sich nur erreichen lassen, wenn der Anteil der CO2-Emissionen im Wärmemarkt sinkt. Etwa 90 Pro-zent der dezentralen Wärmeerzeu-gung stammen aus fossilen Ener-gieträgern, vor allem Heizöl und Erdgas. Kohle, Erdgas und Öl sind überdies die Hauptenergieträger bei der zentralen Wärmebereit - s tellung durch Fernwärme.

Emissionen senkenMit einem Brennstoffwechsel zum im Vergleich zu Kohle und Öl emis-sionsärmeren Erdgas ließe sich der CO2-Ausstoß erheblich reduzieren. Durch den grüner werdenden Strom-mix leisten Power-to-Heat-Anwen-dungen und hybride Systeme zu-nehmend ihren Beitrag – mit elektri- schen Wärmepumpen oder Heiz-stäben für private Haushalte, Elek-trodenkesseln oder Großwärmepum-pen für industrielle Anwendungen.

Die neuen Stromverbraucher müssen ihren Beitrag zur Flexibi-lisierung leisten und sollen sich dabei an den Marktpreisen orien-tieren, Strom also insbesondere dann beziehen, wenn die Nach-frage relativ niedrig oder das Ange-bot sehr groß ist. Die Steuerung erfolgt automatisiert über entspre-chende IT-Lösungen. Der gere-gelte Einsatz von Wärmepumpen in Wohngebäuden kann dabei den lokalen Stromnetzausbau be-darf begrenzen.

Höherer Marktnutzen für ErneuerbareFür die erneuerbaren Energien bringt das breitere Anwendungs-spektrum dabei einen Gewinn an Marktwert. Dies zeigt die aktu elle Leitstudie Strommarkt – „Analyse ausgewählter Einflussfaktoren auf den Marktwert Erneuerbarer Ener-gien“ des BMWi. Die Kopplung des Stromsystems mit dem Wärme-sektor durch Power-to-Heat bringe vor allem unter der Annahme eines begrenzten Netzausbaus Vorteile, weil sie die Flexibilität des Systems erhöht, so die Autoren.

Enorme Potenziale zur CO2-Einsparung liegen zudem in den Sektoren Gewerbe, Handel und In-dustrie, wo ein ganzjähriger Wär-mebedarf besteht, der sich z. B. über

Ein Großteil des Endenergieverbrauchs und der Emissionen gehen auf das Konto der Wärmeerzeugung. Die Energiewende sorgt für Veränderungen. Der bne gibt einen Überblick über Entwicklungen und nötige Anpassungen.

Wärmemarkt: Wohin geht die Reise?

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Elektrodenkessel oder Großwärme-pumpen decken lässt. Schnell regel-bare Wärme-Anwendungen lassen sich zudem für die Bereitstellung von Regelenergie nutzen und bieten so Chancen auf zusätzliche Erlöse.

Im Fokus steht ebenso die Power-to-Gas-Technologie. Sie eröffnet neue Möglichkeiten zur Nutzung der Speicherkapazi-täten des Gasnetzes und aus Gas-speichern. Die Technologie hat den Vorteil, dass sie die Stromversor-gung – bei 80 Prozent Erneuerba-ren im Strommix – auch über drei Wochen Grauwetter im Win-ter absichern kann.

Ein Mehr an strombasier-ten Anwendungen im Wärmemarkt erhöht allerdings den Strombe-darf insgesamt. Die im EEG definier-ten Mengenziele sind darauf noch nicht ausgelegt.

Strompreisbelastung als HemmnisDer Weg zu einer stärkeren Kopp-lung von Strom- und Wärmesektor

ist vorgezeichnet, die Rahmen-bedingungen noch nicht. Ein Hin-dernis ist die im Vergleich zu ande-ren Energieträgern stärkere Belas - tung des Strompreises vor allem mit Umlagen, etwa für den Ausbau der Erneuerbaren. Sinnvolle Modelle, wie ein Fonds für die Finanzierung der EEG-Kosten, stehen dabei seit langem in der Diskussion.

Ein weiteres Hemmnis für die Flexibilisierung und damit auch für die Kopplung der Sektoren ist die bestehende Netzentgeltsystema-tik im Strommarkt. Ein Großver-braucher, der seinen Strombezug aus dem Netz bei günstigen Spot-marktpreisen erhöht, um etwa Groß-wärmepumpen einzusetzen, läuft aktuell Gefahr, höhere Netzentgelte zu zahlen. Diese Netzentgeltsys-tematik muss angepasst werden.

Gasnetzentgeltstruktur entschlackenGleiches gilt für die irrwitzig kom-plexen Gasnetzentgeltstrukturen mit Sigmoidfunktionen und/oder

Staffel- und Zonenpreisen für Arbeit und/oder Leistung der Gas-verteilnetzbetreiber. Sie erschweren die Angebotskalkulation und Prü-fung der Netznutzungsabrechnung und machen es praktisch unmög-lich, verschiedene Lastverläufe bei der Nutzung von Erdgas etwa zur Wärmeerzeugung zu berechnen.

Eine Entschlackung der Gasnetzentgeltstruktur ist daher dringend notwendig. Eine Anglei-chung der Netzzugangsbedingun-gen und Verträge zwischen dem Strom- und Gasmarkt sowie die weitere Zusammenlegung der Gasmarktgebiete wären ebenfalls wichtige erste Schritte.

Text: Anne Köhler, Arndt Börkey, Karsten Wiedemann

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Ein Gastbeitrag von Philipp A. Pausder, Thermondo

Wenn wir über die Zukunft der Wärmewende diskutieren wollen, müssen wir das Thema aus ver-schiedenen Blickwinkeln betrach-ten. Denn zu dem Themenkomplex zählen Aspekte wie Innovation, Digitalisierung und Handwerk – und der wichtigste Aspekt: Kunden-orientiertheit. Geschäftsmodelle

stehen und fallen mit dem Kunden. Ist der Markt nicht in der Lage, zu-friedenstellende Kundenlösungen anzubieten, wird er nur bedingt be-stehen können. Die angesproche-nen Aspekte sind keine für sich alleinstehenden Bereiche. Sie hän-gen unmittelbar zusammen, wenn die Wärmewende im Segment der

Ein- und Zweifamilienhäuser gelingen soll.

Innovation und Effizienz sind fest in der deutschen Kultur verankert. Am Beispiel des Strom-marktes sehen wir das ganz deut-lich. Hier wird seit Jahren an intel-ligenten Lösungen gearbeitet, wie man am Beispiel von Start-ups er-

Wärmemarkt: Herausforderungen und Perspektiven

Der Wärmemarkt muss aus dem Schatten der Stromwende heraustreten und deutlich machen, welche Potenziale darin stecken. Das gelingt jedoch nur mit gezielten Maßnahmen und intensiver Zusammenarbeit.

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sehen kann, die in den Inkubatoren der großen Akteure des Energie-marktes heranreifen. Beim Wärme-markt besteht noch enormer Nach-holbedarf – sowohl auf der Seite der großen Akteure als auch auf der Seite der Konsumenten.

Studien zeigen, dass Kon-sumenten nicht bewusst ist, wie in-effizient eine veraltete Heizanlage arbeitet. Die Heizung ist kein emo-tionales Produkt für Hausbesitzer. Solange sie funktioniert, ist die Mo-tivation, sich mit dem Thema aus-einanderzusetzen, nur gering. Hier müssen sowohl die Politik als auch die Wirtschaft und das Handwerk wirksame Impulse setzen. Das Thema Wärmewende muss nicht nur stärker in der Öffentlichkeit präsent sein, sondern auch emotio-nalisiert werden – ähnlich wie es beim Thema Strom bereits seit Jahr-zehnten der Fall ist.

Aufklärung greift zu kurzInzwischen werden ausreichend finanzielle Anreize geboten, um den Hausbesitzern Modernisierungs-maßnahmen schmackhaft zu machen. Dennoch wird nur jeder zwölfte Heizungstausch von der KfW gefördert; dabei stehen viel mehr Mittel zur Verfügung. Woran liegt das? Die Aufklärung greift zu kurz. Zum einen werden Haus-besitzer nicht ausreichend über die Fördermöglichkeiten infor-miert, zum anderen ist die Palette an Möglichkeiten unüberschau-bar für den Laien. Um das Kunden-erlebnis zu verbessern, bietet es sich in diesem Fall an, die Förder-mittelberatung stärker in den Ser-vice der Energieversorger und des Handwerks einzubinden. Der letzte Meter zum Hausbesitzer ist das Handwerk. Dieses ist in Deutsch-land stark fragmentiert und in seiner Leistungserbringung sehr heterogen. Das Handwerk ver-spürt nur sehr begrenzt den Drang,

sich mit komplexeren Themen wie Förderung oder innovativer Hardware wie Smart-Home- Lösungen oder Hybrid-Heizun-gen auseinanderzusetzen.

Mittlerweile setzt die Wirt-schaft, inklusive der Energie-versorger, auf Innovationen, die momentan vor allem in den Start-ups entstehen. Energieversor-gungsunternehmen sind noch in der Findungsphase und haben erst jüngst erkannt, wie wichtig diese Zusammenarbeit ist. Die Frage stellt sich immer noch: Wer-den diese großen Tanker es noch schaffen, sich in den per Definition kleinteiligen Wärmemarkt einzu-arbeiten? Wir stellen in unserer Zu-sammenarbeit mit Stadtwerken und Versorgern immer wieder fest, dass die Umsetzungsgeschwindig-keit noch nicht ausreichend für eine derart dynamische Welt ist. Dies gilt natürlich nicht gleicher-maßen für alle Energieversorgungs-unternehmen. Aber grundsätzlich wird sich noch zu gerne und zu lange auf der Erkenntnisebene aufge-halten. Es fehlt an der Umsetzung.

Handwerk muss aktive Rolle wahrnehmenZu guter Letzt muss das Handwerk seine ihm zustehende aktive Rolle bei der Wärmewende einnehmen. Zwar ist die Sanierung eines Bade-zimmers ein lukratives Geschäft für den Sanitär-Heizung-Klima-Hand-werker, jedoch zahlt dieser Vorgang nicht in die Wärmewende ein. Zwar sind Energieversorger und Anlagen-hersteller zweifelsfrei die Energie-spezialisten und treiben die Wärme-wende im Rahmen ihrer Möglich- keiten voran. Sie verfügen jedoch kaum über einen direkten Zugang zum Hausbesitzer – hier ist der Handwerker gefragt. Er muss in die beratende Position des Energie-experten treten und den Hausbe-sitzer über seine Optionen und

Optimierungspotenziale aufklä-ren. Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem und das Denken in Chan-cen sollten im Handwerk dringend Einzug halten.

Bislang scheut sich das Hand-werk, digitale Werkzeuge einzuset-zen. Auch Webpräsenzen sind rar. Gleichzeitig erleben wir gerade den Trend, dass der Kunde verstärkt online unterwegs ist. Die Hausbe-sitzer informieren sich im Internet über Sanierungsmaßnahmen, ver-gleichen Preise und kaufen auch letztendlich online das präferierte Produkt. Auch hier wären Impulse seitens der Wirtschaft denkbar, um das Handwerk stärker in die Wärmewende einzubeziehen. Es bieten sich beispielsweise Koope-rationen zwischen dem Handwerk und den Anlagenherstellern an, um neue Technologien in die Ein- und Zweifamilienhäuser zu bringen. Denn häufig raten Heizungsinstal-lateure ihren Kunden vom Kauf innovativer Produkte ab, aus Angst, bei technischen Schwierigkeiten belangt zu werden. Auch Koopera-tionen zwischen den Energiever-sorgern und dem Handwerk sind eine Möglichkeit, um den Aus-tausch von veralteten Heizanlagen zu fördern.

Ob die Wärmewende ein Er-folg wird, hängt nicht zuletzt vom Kunden ab. Daher gilt es, ihn genau kennenzulernen und seine Bedürf-nisse zu verstehen, um ihm annehm-bare Lösungen anzubieten.

Phillip A. Pausder ist Mitgründer und Geschäftsführer des Heizungsportals Thermondo GmbH.

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Herr Deilmann, was sind die wesent-lichen Vorteile von intelligenten Thermostaten wie sie tado° anbie-tet? Lassen Ihre Produkte sich mit anderen Smart Home-Anwen-dungen vernetzen?Intelligente Thermostate helfen uns beim Energiesparen und tun dem Geldbeutel gut. Wir bei tado° glauben, dass man komfortabel

leben und trotzdem verantwortungs-voll handeln kann. Unser smartes Thermostat verbindet alte und neue Heizungen gleichermaßen mit dem Internet und macht sie intelligent, d. h. mit tado° passt sich die Hei-zung oder Klimaanlage automatisch dem Tagesablauf der Bewohner an, ohne dass diese sich darum kümmern müssen.

Das Ganze funktioniert mithilfe unserer tado°-App. Diese erkennt, wenn der letzte Bewohner das Haus verlässt und regelt die Hei-zung herunter. Sobald sich der erste nähert, wird wieder aufge-heizt, damit es angenehm warm ist, bevor man ankommt. Zudem werden Wettervorhersagen und individuelle Gebäudeeigenschaf-

„ Die Heizung mit dem Internet verbinden“

Der Markt für intelligente Thermostate steht vor einem Boom. tado°-Gründer Christian Deilmann spricht im Interview über Vernetzung, Installateure und Kooperation mit Energieversorgern.

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ten bei der Regelung berücksich-tigt. tado° hilft also nicht nur beim Energie- und Geldsparen, son-dern erhöht auch den Wohnkom-fort zu Hause.

Wie funktioniert das?Wir bei tado° setzen auf das Inter-net als Standard. tado° setzt auf End-to-end-IP-Kommunikation. Die einzelnen tado°-Hardware-Komponenten kommunizieren per Funk und mittels des für Mesh-Netzwerktopologien ausgelegten Protokolls „6LoWPAN“. Dabei nutzt tado° den IPv6-Adressraum. Der Kunde genießt somit eine lückenlose IP-Verbindung vom Handy bis zur Heizung. Die Ar-chitektur erlaubt problemloses Hinzufügen weiterer Komponen-ten für zukünftige Anwendungs-szenarien im Internet-of-Things. Die IETF (internet engineering task force) muss weiterhin die Stan-dards im Internet setzen. Auf Appli-kationsseite müssen kreative und sinnvolle Verbindungen zwischen Produkten entstehen – für ein ein-maliges Kundenerlebnis.

Zur IFA in Berlin haben wir erst unsere beiden IFTTT-Kanäle freigeschaltet; damit können unsere Nutzer andere Geräte über den Internetdienst IFTTT (IF This Then That) mit tado° verknüpfen. Außer-dem werden wir alle unsere Produk-te HomeKit-fähig machen.

Eine aktuelle Studie von Frost and Sullivan kommt zu dem Ergebnis, dass die Nachfrage nach intelligen-ten Thermostaten in Europa in den kommenden Jahren deutlich stei-gen wird. Wie ist Ihre Einschät-zung? Wodurch wird die Nachfrage angetrieben? Der Begriff „intelligente Thermos-tate“ ist schon seit einiger Zeit in

den Medien zu finden. Auch wir denken, dass die Anfrage in den nächsten Jahren deutlich anstei-gen wird. Einerseits erkennen die Leute den Nutzen dieser Geräte, andererseits steigt auch mit der Zeit die Akzeptanz für Neues und es gibt auch immer mehr Vor-Ort-Geschäfte und Installateure, die intelligente Thermostate verkaufen und die Kunden beraten und da-durch auch Vertrauen in die neuen Produkte aufbauen.

In der öffentlichen Diskussion um digitale Anwendungen stehen Smart Meter im Vordergrund. Spielt der geplante Rollout für tado° eine Rolle?Aktuell nicht. Für uns steht im Vordergrund, dass die Energie zu Hause sinnvoll genutzt wird.

Ein Wort zum Vertrieb: Installa-teure verkaufen oft lieber eine neue Heizung, statt auf andere Effi-zienz-Lösungen wie etwa Digital-Thermostate hinzuweisen. Wie durchbrechen Sie diese Barriere?Wir haben für Installateure ein spezielles Fachpartnerprogramm eingerichtet. Dort erhalten Instal-lateure alles, was sie über die Kate-gorie intelligente Thermostate wissen müssen. Neben Infomate-rial versorgen wir unsere Fach-partner mit Werbematerial und günstigen Fachpartner-Einkaufs-preisen. Zudem vermitteln wir unseren Fachpartnern zusätzliche Installationsaufträge von Kun-den, die tado° online bestellen und gerne professionell mon- tiert haben möchten. Durch unse-ren Service tado° Care, der das Heizsystem auf Mängel überprüft, kommen den Fachpartnern bei Bedarf auch hier zusätzliche Auf-träge zu.

Außerdem funktioniert tado° ja nicht nur mit alten, sondern auch mit neuen, modernen Heizungen. Mit der neuen Erp-Direktive der EU, wird das Energielabel, das man bereits von Waschmaschinen oder Kühlschränken kennt, auch bei Heizsystemen Pflicht. Ein großer Vorteil von intelligenten Thermos-taten und im Speziellen von tado° ist, dass durch den Einsatz solcher Thermostate das gesamte Energie-label des Heizsystems verbessert werden kann. Das gibt dem Installa-teur natürlich wiederum ein besse-res Verkaufsargument beim Kunden.

Die erwähnte Untersuchung von Frost and Sullivan empfiehlt Smart-Thermostat-Anbietern die Koope-ration mit Energievertrieben, um einen besseren Kundenzugang zu bekommen. Wie gehen Sie vor?Auch wir bei tado° haben bereits Kooperationen mit Energieversor-gern, wie beispielsweise Entega in Deutschland, Verbund in Öster-reich oder SSE in Großbritannien.

Interview: Karsten Wiedemann

Christian Deilmann ist Gründer und Geschäftsführer des Thermostat- Anbieters tado aus München.

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Nur mit der gezielten Beeinflus-sung der Nachfrage lassen sich die stark zunehmenden Einspeise-mengen aus Wind und Photovoltaik (PV) effizient in das Energiesystem integrieren. Das hierfür erforderli-che Flexibilitätsmanagement muss kurzfristig reaktionsfähig sein. Dies führt einerseits zu steigenden An-forderungen an die Energiebeschaf-fung und die sich anschließenden Prozesse (Bilanzierung, Abrech-nung). Andererseits muss im Rah-men eines verstärkten Lastmanage-ments gewährleistet werden, dass die Netzstabilität nicht gefährdet beziehungsweise bestenfalls noch gestärkt wird. Der Modellversuch „Flexibler Wärmestrom“ zeigt exem-plarisch am Beispiel von Wärme-stromanlagen, wie ein Flexibilitäts-management mit einer Netzeng- passvermeidung auf den unteren Spannungsebenen aussehen kann.

Ein Freigabequotensystem als Weiterentwicklung des § 14a-AnsatzesDerzeit gibt es im Verteilnetz be-reits eine Vielzahl von unterbrech-baren Verbrauchseinrichtungen (UVE) beziehungsweise Anlagen nach § 14a Energiewirtschaftsge-

setz (EnWG), die seit langem netz-dienlich betrieben werden. Dabei handelt es sich weitgehend um Elek trospeicherheizungen und Wärmepumpen. Gesteuert wer-den diese Anlagen meist über Funk-/ Ton-Rundsteuerempfänger. Die Beladung erfolgt nach einer stati-schen und vorab festgelegten Sys-tematik. Dieser „statische Ansatz“ kann den gestiegenen Anforde-rungen nach Flexibilisierung nicht gerecht werden und sollte daher abgelöst werden.

Im Rahmen des Modellver-suchs wurde ein neuartiges Freiga-bequotensystem entwickelt, das einerseits zuverlässig unerwünsch-te Netzengpasssituationen vermei-det, aber andererseits ein Maximum an vertrieblich geprägtem Flexi-bilitätsmanagement zulässt. Die Netzbetreiber legen dabei für den gesamten unterlagerten Bereich eines Umspanners Hoch-/Mittel-spannung Freigabequoten fest. Diese besagen, wie viel Prozent der Nennleistung der lokal installier-ten steuerbaren Verbraucher gleich-zeitig Strom aus dem Netz bezie-hen dürfen. Diese Prozentzahl gilt diskriminierungsfrei für alle im jeweiligen Netzgebiet aktiven Lie-

feranten in diesem „§ 14a-Segment“. Die Restriktionen sind zudem bei Bedarf für jede Netzebene indivi-duell zu bestimmen, d. h. unter-schiedliche Freigabequoten auf der Ebene eines Mittelspannungs-stromkreises, einer Ortsnetzstation oder eines Niederspannungsstrom-kreises. Das Konzept dient dazu, lokale Überlastungen zu vermei-den, gleichzeitig aber so viel Flexi-bilität wie möglich im Verteilnetz zuzulassen.

Netzbetreiber legt Freigabequote festBeispiel: Der Netzbetreiber legt für den Bereich eines Umspanners Hoch-/Mittelspannung eine Frei-gabequote von 0,5 fest. Dann dür-fen alle Lieferanten im Bereich dieses Umspanners 50 Prozent der von ihnen unter Vertrag genom-menen UVE-Leistung zuschalten. Dies kann bedeuten, dass im Be-reich einer Netzstation alle und im Bereich einer anderen Netzstation keine einzige UVE zugeschaltet wer-den. Damit es dabei zu keinen lokalen Überlastungen kommt, legt der Netzbetreiber ggf. zusätzliche Rahmenbedingungen fest. So kann z. B. für eine Ortsnetzstation gelten,

Ein Gastbeitrag von Holger Wiechmann, EnBW

Wie sich Wärmestromanlagen sinnvoll und ohne Gefahr für die Netzstabilität für das Flexibilitätsmanagement nutzen lassen. Bericht aus einem Modellversuch.

Chancen der Energiewende nutzen

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dass hier gleichzeitig nur 80 Pro-zent der im Versorgungsbereich der Ortsnetzstation installierten unter-brechbaren Leistung zugeschaltet sein dürfen, für einen Niederspan-nungsstromkreis nur 60 Prozent, für

einen anderen aber 100 Prozent der an diesem Stromkreis angeschlos-senen unterbrechbaren Leistung.

Die Ermittlung der neuen Freigabequoten erfolgte zunächst im Modellversuch auf Basis der

heutigen Freigabe- und Sperrzei-ten, mithilfe von Netzsimulationen und durch Messungen vor Ort. Die Quoten werden dabei zeitlich so aufgelöst (96 Viertel-Stunden-werte für einen Tag), dass Schwan-

Quelle: EnBW AG

Abbildung 2 Bisherige und optimierte Betriebsführung

10

028. Jan. 29. Jan. 30. Jan.6 Uhr 6 Uhr 6 Uhr12 Uhr 12 Uhr 12 Uhr18 Uhr 18 Uhr 18 Uhr

50

40

30

20

Leistung in %

Warmwasser

Bisherige Betriebsführung Optimierte Betriebsführung Bisherige Betriebsführung

Heizung

Quelle: EnBW AG

Abbildung 1 Exemplarische Anwendung der Freigabequoten

Lastverlauf bei – 15 °C Freiabgabequote

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01 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

Uhr

70

60

50

40

30

20

Angaben in %

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kungen des Verbrauchs beziehungs-weise der Erzeugung (saisonal sowie über einen Tag) berücksichtigt wer-den. Im Endausbau ist denkbar, dass der Netzbetreiber täglich für den Folgetag angepasste Werte veröffent-licht. Dieser sozusagen vom Netz-betreiber mit den Quoten vorgege-bene Opportunitätenraum kann anschließend von den Lieferanten genutzt werden, um die Energie-logistik zu optimieren.

Abbildung 1 zeigt für ein Orts-netz im Modellversuch exempla-risch den Vergleich zwischen dem Verhalten realer Anlagen in ihren bisherigen Freigabe- und Sperrzeiten (orange), sowie der im Rahmen der neuen Quoten ermittelten, mög-lichen Freigabemengen (blau). Es wird deutlich, dass im bisherigen System sehr viel Flexibilität im Verteilnetz nicht genutzt wird (vgl. blaue Fläche). Indem der Strom-verbrauch in diese Zeiten verscho-ben wird, werden Beschaffungs-vorteile innerhalb der heute gültigen Netzrestriktionen gehoben. Netz-ausbau, ausgelöst durch Flexibili-täten auf Verbraucherseite, kann auf diese Weise vermieden werden.

Umsetzung des Flexibilitäts-managements im ModellversuchDer Modellversuch fokussiert auf die Potenziale kleinerer Verbraucher in Privathaushalten, Kleingewerbe und kommunalen Liegenschaften. Die ausgewählten Gemeinden zeichnen sich durch eine Kombi-nation aus hoher und steigender Anzahl an Wind- und PV-Anlagen

in Verbindung mit einer hohen Dichte von Wärme strom anlagen aus. Es wurden insgesamt 150 Kunden für die Teilnahme an dem Versuch gewonnen, seit Herbst 2014 sind die Kundenanlagen um-gerüstet. Hierzu gehört sowohl der Austausch des aktuellen Funk-/Tonrundsteuerempfängers durch eine Steuerbox als auch der Aus-tausch des bestehenden durch einen elektronischen Zähler.

Kern der Ansteuerung sind flexible Freigabezeiten für die Wär-mestromanlagen. Anhand der er-fassten Leistungsdaten und zusätz-lichen Wetterdaten lassen sich die Energiebedarfe der einzelnen Haus-halte bestimmen. In Abbildung 2 sind die gezielt eingesetzten, opti-mierten Freigabequoten im Ver-hältnis zu den statischen Freigabe-zeiten des Verteilnetzbetreibers (VNB) anhand einer beispielhaften realen Anlage dargestellt. Auch eine kurzfristige Veränderung der Fahrpläne während des Beliefe-rungszeitraumes wurde realisiert. Durch Aggregation und Optimie-rung der Anlagen unter Berücksich-tigung der Marktpreise und der netzseitigen Restriktionen entsteht ein kollektiver Fahrplan für alle Anlagen, der passgenau für das Kol-lektiv beschafft werden kann.

FazitDer Modellversuch zeigt, wie das Zusammenspiel von Smart Market und Smart Grid aussehen könnte. Mit der Umsetzung des Freigabe-quotenprinzips im Modellversuch

ist es gelungen, ein effizientes System zur Bewirtschaftung bezie-hungsweise verlässlichen Ver-meidung von potentiellen Netz-eng pässen für die Nieder- und Mittelspannungsebene aufzubauen. Die Freigabequoten lassen dabei auf der Marktseite ein Größtmaß an Freiheiten für vertriebliche Aktivitäten zu. Das Prinzip lässt sich diskriminierungsfrei auch für mehrere Lieferanten in einem Netzgebiet aufbauen und gibt eine Ausgestaltungsmöglichkeit der gel-ben Netzampelphase wieder. Für die Implementierung smarter Pro-dukte bei Kleinkunden sind noch grundsätzliche Anpassungen im Ordnungsrahmen, insbesondere neue Bilanzierungsverfahren mit Ablösung der SLP-Profile, sowie intelligente Messsysteme zwingend erforderlich.

Weitere Info: www.enbw.com/flexiblerwaermestrom/

Dr. Holger Wiech-mann ist Senior Manager Produkt-management B2C Non-Commodity bei der EnBW AG in Stuttgart.

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Im Zuge der Energiewende ist die Zahl der Veränderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen für den Ener-giemarkt beträchtlich angestiegen. Zugleich fallen seit geraumer Zeit sowohl die Strom- als auch die Gas-preise, von wenigen Schwankun-gen abgesehen, kontinuierlich. Das geänderte Markt umfeld zwingt gerade Industrieunternehmen zu einem veränderten Umgang mit dem Thema Energie.

Der Einkauf von Energie ent-wickelt sich vordergründig zuneh-mend positiv. Unternehmen kaufen derzeit Strom und Gas zum Teil zu Dumping-Preisen. In Online-Auktionen wurden zuletzt teil-weise unter drei Cent je Kilowatt-stunde für Strom und unter zwei Cent je Kilowattstunde für Gas als feste Preise für mehrere Liefer-jahre in der Vollversorgung erzielt.

Erst bei genauerer Betrach-tung zeigen sich die tatsächlichen Herausforderungen: Für welche Unternehmen ist der klassische und getrennte Einkauf von Strom und Gas zu Fixpreisen für den gesamten Bedarf noch sinnvoll? Welche neu-en gesetzlichen Rahmenbedingun-gen muss ein Unternehmen im Zusammenhang mit dem Einkauf und dem Verbrauch von Strom

und Gas beachten? Wer sollte im oder für das Unternehmen mit dem Thema Energie betraut werden?

Sourcing: Höhere Bedeutung der BeschaffungsstrategieDie gesunkenen Börsenpreise be-scheren den Unternehmen zuneh-mend günstige Preise für Strom und Gas. Noch immer ist zu beob-achten, dass Versorger in ihrem Stammgebiet die Gunst der Stunde nutzen. Mit dem Hinweis auf die in Medienberichten noch immer verbreiteten Nachrichten von stei-genden Energiekosten bieten sie ih-ren Industriekunden eine Vertrags-verlängerung zu gleichbleibenden Konditionen an oder geben nur ge-ringe Preisvorteile weiter. Unterneh-men, die hier aufgrund mangeln-der Marktübersicht voreilig abschlie- ßen, vergeben oftmals erhebliche Einsparpotenziale beim Einkauf.

Andere Energieanbieter nutzen die Preiskurve, um Unterneh-men die Vorzüge von Tranchen-modellen oder kurzfristig struktu-rierte Beschaffungsmodelle mit vertikalen Tranchen zu offerieren. Auch eine Mischung aus Standard-produkten und einem hohen Spot-anteil wird angeboten. Für deren Vorteile werden auf Basis der Preis-

entwicklung der Vergangenheit gerne Modellrechnungen vorgelegt, die die Vorteile der angepriesenen Produkte bestätigen.

Mit wahrer Qualität werden mittel- und langfristig aber nur die-jenigen Anbieter überzeugen, die ihre Kunden in solchen Modellen auch tatsächlich betreuen und bei der Entscheidung über den Einkauf der einzelnen Tranchen oder Stan-dardprodukte nicht alleine lassen. Da dieser Betreuungsaufwand je-doch mit Kosten verbunden ist, ist immer wieder zu beobachten, dass gerade hier die Kunden auf sich ge-stellt bleiben und trotz gut ange-legter Modelle unzufrieden sind. Tat-sächlich sind diese Modelle bei immer kleineren Verbrauchsmen-gen sinnvoll, wenn die Modelle richtig umgesetzt werden. Ein Blick auf den im Vergleich zum deut-schen Markt weiter entwickelten britischen Markt zeigt, dass unab-hängige Berater hier künftig eine immer bedeutendere Rolle ein-nehmen werden.

Nur von den Energiepreisen ausgehend, beschäftigen sich Unternehmen heute weniger mit den Themen Energiekosten und Energieeffizienz als noch vor eini-ger Zeit. Damit rücken auch The-

Ein Gastbeitrag von Stefan Arnold, Ispex

Neue Rahmenbedingungen führen in Unternehmen zu geändertem Umgang mit dem Thema Energie. Ein Überblick.

Was Industriekunden bei Strom und Gas beachten müssen

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men wie kostenmotivierte Eigener-zeugung über Photovoltaik oder Kraft-Wärme-Kopplung etwas mehr aus dem Fokus.

Compliance: Erweiterte gesetz liche Vorgaben zum Thema EnergieDass sich Unternehmen dennoch vermehrt mit dem Bezug und Ver-brauch von Strom und Gas aus-einandersetzen, liegt an den vom Gesetzgeber aufgestellten Vorga-ben im Energiebereich. Sie werden mittlerweile immer häufiger unter dem Stichwort Compliance im Un-ternehmen diskutiert. Darunter fallen nicht nur Compliance-Vor-gaben für den transparenten und korruptionssicheren Einkauf, son-dern auch zur Dokumentation und Transparenz im Energiebereich insgesamt.

Jüngstes Beispiel ist die ver-pflichtende Einführung von Energie-managementsystemen zur Erlan-gung von Vorteilen beim Spitzen- ausgleich und der EEG-Umlage sowie der neuen Verpflichtung zur

Durchführung von Energieaudits für Nicht-KMU. Hier ist nicht aus-zuschließen, dass in Kürze vor einem europarechtlichen Hinter-grund jede Vorteilsgewährung generell von Energieaudits oder Energiemanagementsystemen abhängig gemacht wird. So rückt der Umgang mit Strom und Gas in den Fokus der Unternehmens-führung. Hoheitlich geforderte Effizienzgewinne könnten so nach der Hebung einfacher Potenziale einen positiven Impuls auch für den Wärmemarkt über Kraft-Wärme-Kopplung geben.

Responsibility: Innerbetriebliche Zuständigkeit und VerantwortungDie Verbindung der Fragen des Energieverbrauchs mit der betrieb-lichen Compliance stellt oft die bisherigen Zuständigkeiten für das Thema Energie infrage. Die gestie-gene Transparenz beim Einsatz von Strom und Gas setzt sich in der Transformation zur Industrie 4.0 fort. Der Produktionsprozess wird

zunehmend mit Informationen zum Energieeinsatz verknüpft und opti-miert. Damit rückt eine weitere Per-sonengruppe in den Kreis der potenziell Verantwortlichen. Es wird aber deutlich, dass die Ver-antwortlichkeit nicht notwendiger-weise beim Einkauf oder der Tech-nik liegen muss. In jedem Fall wird das Thema Strom und Gas zuneh-mend bereichsübergreifend zu be-handeln sein. Es werden Dienstleis-tungsprodukte erforderlich, die über die reine Lieferung von Strom und Gas zu Festpreisen hinausgehen.

Dr. Stefan Arnold ist Vorstandsvorsitzen-der des Energiedienst-leisters Ispex AG aus Bayreuth. Das Unternehmen bietet Energieberatungen sowie Energiema-nagement-Lösungen.

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Das Ziel der Energiewende in Deutschland ist, bis zum Jahr 2050 Energie hauptsächlich aus erneu-erbaren Energien zu beziehen. Das ist unbestritten ein gesellschafts- und umweltpolitisch wichtiges und ambitioniertes Ziel. Aber was, wenn Wind, Wasser und Sonne gerade Pause machen und es zu Engpässen kommt? Dann springt Erdgas ein. Erdgas ist zwar ein fossiler Brenn-stoff, aber feinstaubfrei und es emittiert kaum Kohlendioxid (CO2). Erdgas ist als Brennstoff vielfältig einsetzbar, kommt als Treibstoff in Fahrzeugen zum Einsatz, lässt sich speichern und kann flexibel gesteuert werden.

Der richtige Mix ist entscheidendDer richtige Energiemix ist ent-scheidend. Und da geht kein Weg an Erdgas vorbei. Das ist die Posi-tion von EconGas. EconGas – euro-päischer Erdgaslieferant mit öster-reichischen Wurzeln – ist mit Niederlassungen in Regensburg, Linz, Wien, Budapest, Mailand und Zagreb vertreten.

Unbestritten ist, dass ein Um-denken in der Energiebeschaffung

notwendig ist. EconGas steht dem aufgeschlossen gegenüber. Das zeigt auch das Engagement der Econ-Gas-Eigentümer in alternativer Ener-gieproduktion und als Betreiber von Windparks und Solaranlagen.

Die Energiewende auf Basis von Wind- und Solarkraft ist zur wirtschaftlichen Realität geworden. Das zeigt schon der Anstieg erneu-

erbarer Energien (gesamt) von 16,6 Prozent (2010) auf 25,8 Prozent (2014) in der Bruttostromerzeu-gung Deutschlands (Quelle: AG Energiebilanzen).

Erneuerbare, nachhaltige Energie steht jedoch vor einer gro-ßen Herausforderung: der Speiche-rung. Die österreichische OMV – Mehrheitseigentümer der EconGas – hat Österreichs erste Wind2Hydro-gen Anlage im August 2015 eröffnet.

Das Pilotprojekt zielt darauf ab, Strom aus Windenergie in Wasser-stoff umzuwandeln, zu speichern, ins Erdgasnetz einzuspeisen oder als hochreinen Wasserstoff für die Mobilität zu nutzen.

Dennoch – Erdgas als Brückenenergie wird mittel- bis langfristig aus dem Energiemix nicht wegzudenken sein. Diese

Einschätzung teilt auch die IEA (International Energy Agency). Sie prognostiziert eine Erhöhung des weltweiten Erdgasverbrauchs von 2012 bis 2035 von bis zu 45 Prozent.

Verflüssigtes Erdgas — umweltfreundlicher TreibstoffDie Umweltbelastungen durch Ver-kehr sind ungebrochen hoch. Im vergangenen Jahrzehnt wurde viel in die Forschung für alternative

Ein Gastbeitrag von Heimo Hinterer, EconGas Deutschland

Wenn Wind und Sonne eine Pause machen, springt Erdgas als emissionsarmer Energieträger ein. Dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen.

Brücke für Erneuerbare

Erdgas als Brückenenergie wird mittel- bis langfristig aus dem Energiemix nicht wegzudenken sein. Die IEA prognostiziert eine Erhöhung des weltweiten Verbrauchs bis 2035 von bis zu 45 Prozent.

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Treibstoffe investiert: Von wasser-stoff-, erdgas-, biogas- und bio-dieselbetriebenen Fahrzeugen bis hin zu Elektrofahrzeugen etc. reicht die Liste. Noch wenig be-kannt ist der Einsatz von LNG (Liquefied Natural Gas).

LNG ist verflüssigtes Erdgas und kann auf dem Seeweg trans-portiert werden. Der große Vorteil: Man ist weder auf Pipelines noch auf Erdgaslieferungen aus Krisen-regionen angewiesen und einen

großen Schritt in der Diversifizie-rung der Erdgasbeschaffung und somit der Liefersicherheit näher gekommen. Am Standort Gate in Rotterdam verfügt EconGas über Re-gasifizierungskapazitäten und baut ihr LNG-Business sukzessive aus.

Als Alternative zu Diesel kommt LNG vermehrt im Schwer-lastverkehr und in der schwer-ölverbrennenden Schifffahrt zum Einsatz und leistet somit einen weiteren – wenn auch noch klei-nen – Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen.

Wärmepumpen – attraktive Alternative für Deutschlands Industrie?Wärmepumpen leisten einen wich-tigen Beitrag zur Energiewende. Sie werden auch in der Industrie eingesetzt – stoßen aber da an ihre Grenzen. Grund dafür ist eine limitierte Vorlauftemperatur von 100 Grad Celsius. Viele Branchen benötigen allerdings Temperatu-ren bis zu 125 Grad Celcius und mehr. An Wärmepumpen mit

solch hohen Vorlauftemperaturen wird derzeit noch geforscht.

Ein weiteres Hindernis stel-len die im Vergleich zu brennstoff-basierten Wärmeerzeugern hohen Investitionskosten dar.

Die Wärmepumpe ist somit grundsätzlich für den Einsatz in der Industrie bereit. Sie erweist sich insbesondere dann als wirt-schaft liche Option, wenn in der Referenzanlage die Wärme durch hochprei sige Energieträger wie Heizöl oder die direkte Nutzung von Strom generiert wird. Für

eine wirtschaftliche Substitution vergleichsweise günstiger Ener-gieträger wie Erdgas muss die Wär-mepumpe jedoch eine hohe Ar-beitszahl erreichen, was derzeit noch nicht der Fall ist.

Gesetzliche Rahmenbedingungen und Förderpolitik entscheidendEntscheidend für das Gelingen einer nachhaltigen Energiewende werden aber auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die För-derpolitik sein.

Rainer Seele, CEO der Econ-Gas-Mutter OMV, fand sehr klare Worte in Richtung europäische Ener-giepolitik: „Der Traum einer klima-freundlichen Energiewende ist zu einem Albtraum geworden“, sagte Seele im Rahmen einer Pressekon-ferenz in Wien. „Emissionsarme Gaskraftwerke werden abgeschaltet und umweltschädliche Kohlekraft-werke dagegen als Reservekapazitä-ten aktiviert und subventioniert. Das ist verkehrte Welt. Das ist dop-pelbödige Politik, das ist energie- und klimapolitischer Irrsinn.“ Die ursprünglich ambitionierte Klima-politik der EU scheint in diesem Bereich zu versagen, was nicht nur für den Erdgasmarkt problema-tisch ist – nach wie vor stehen Gas-kraftwerke am Ende der Strom Merit Order – sondern auch mas-

Wärmepumpen leisten einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Sie werden auch in der Industrieeingesetzt – stoßen aber da an ihre Grenzen.

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Heimo Hinterer ist Geschäftsführer von EconGas Deutsch-land. Das Unter-nehmen beliefert Business-Kunden und ist im Erdgas-handel an inter-nationalen Handels-plätzen aktiv.

sive Auswirkungen auf den CO2-Ausstoss hat. Es bleibt abzuwarten, ob diverse Maßnahmen einzelner Länder – Großbritannien etwa geht hier einen Sonderweg – in Zukunft greifen werden und den Gaskraft-werksmarkt wieder beleben können.

Anstatt der Förderung von alternativer Stromerzeugung sollte eher in die Richtung der Absen-kung des CO2-Anteiles gegangen werden. Es sollte zukünftig nicht mehr die Erzeugung subventio-niert werden, sondern es sollte Vorgaben geben, wie der CO2-Aus-stoß pro erzeugter Megawattstun-de (MWh) schrittweise abgesenkt wird. Der Markt sollte dann ent-scheiden, wie das erfolgen soll. Die Betreiber von Braunkohleanlagen hätten dann die Notwendigkeit, sich Erzeuger zu suchen, die keine CO2-Emissionen haben; diese müssen dann den Preis für den so erzeugten Strom verhandeln. Das würde zu einer Senkung des CO2-Ausstoßes führen und nicht wie zuletzt zu einer Erhöhung.

Die rechtlichen Bedingungen stellen mit dem Energieeffizienz-gesetz noch immer Unsicherheit bei EconGas-Kunden dar – etwa beim Fehlen klarer Vorgaben für die Bewertung und Anrech-nung von Ef fizienzmaßnahmen und der Dokumentation. Service und persönliche Betreuung wird bei EconGas groß geschrieben. Selbstverständlich werden Econ-Gas-Kunden auch in diesen Be-langen unterstützt, z. B. in der Um-setzung von Effizienzmaßnah- men durch eine eigene Enginee-ring-Abteilung.

Ohne berechenbare Energieversor-gung keine Zukunft der IndustrieBundeskanzlerin Angela Merkel betonte im April, es sei wichtig, die Rahmenbedingungen so zu gestal-ten, dass die Energiekosten bezahl-bar blieben und die Energieerzeu-gung zukunftsweisend sei. „Ohne berechenbare Energieversorgung keine Zukunft der Industrie“, sagte die Kanzlerin.

Dem pflichtet auch EconGas bei. Berechenbar sowohl auf Kos-ten- aber auch auf Lieferseite. Denn Engpässe in der Energie-versorgung können zu katas-trophalen Auswirkungen in der Produktion führen. Ohne Brücken-energie, die Engpässe bei alter-nativen Energielieferanten kom-pensiert, wird es kurz- bis mittel- fristig nicht gehen. Und Erdgas ist als Brückenenergie prädestiniert.

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Strommarkt 2.0, Netzausbau, Fle-xibilisierung – bisher ging es bei der Energiewende vor allem um eins: um Strom. Das ist wichtig und sinnvoll, denn der Wandel weg von fossilen Energieträgern hin zur klima- und umweltfreundlichen Energieerzeugung leistet einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele.

Der Ausbau der erneuer-baren Stromerzeugung muss fort-gesetzt werden und darf nicht weiter durch politische Eingriffe gebremst und erschwert werden. Gleichzeitig dürfen entscheidende Bereiche dabei jedoch nicht ver-nachlässigt werden, wenn es gelin-gen soll, die Dekarbonisierung vor-anzutreiben und die Energiewende zu einem wirklichen Erfolg zu machen: Der Wärmemarkt hat mit 40 Prozent den größten Anteil am Energieverbrauch in Deutschland und bietet damit großes Potenzial, CO

2-Emissionen zu reduzieren. Glei-

ches gilt auch für den Verkehrs-sektor, der 2014 einen Anteil von 16 Prozent an den Treibhausgas-emissionen hatte.

Grüner Wasserstoff für Industrie und MobilitätsmarktInnovative Speichertechnologien wie Power-to-Gas können hier eine zentrale Lösungsmöglichkeit bie-ten. Denn sie gleichen nicht nur die Schwankungen im Stromnetz aus, die durch das zunehmende Einspei-sen volatiler Energien entstehen. Sie sorgen darüber hinaus für eine zusätzliche Nachfrage am Strom-markt und gleichen damit auch die Überschüsse aus. Dadurch kann der Ausbau an er neuerbaren Ener-gien weiterhin sichergestellt wer-den und neue Wasserstoffmärkte wie Mobilität, Wärme oder Indus-trie für die erneuerbaren Energien zugänglich gemacht werden.

Wie kann das funktionieren? Allein in Deutschland liegt der Be-darf an Wasserstoff bei rund 20 Mil-liarden Kubikmetern (m3) pro Jahr. Ein Teil der heutigen Wasserstoff-produktion fällt als Nebenprodukt in der chemischen Industrie an. Wenn er im industriellen Maßstab gezielt erzeugt wird, geschieht das jedoch hauptsächlich durch Refor-mierung von Erdgas. Das ist nicht

nur teuer und macht uns abhängig von Importen aus Staaten wie Russ-land. Es gefährdet auch das Errei-chen unserer Klimaschutzziele. Sonne und Wind hingegen sind gra-tis, klima- und umweltfreundlich. Sind die Investitionskosten für einen Windpark oder eine PV-Freiflächen-anlage erst einmal abgeschrieben, lässt sich aus ihnen kostengünstig Energie für eine Vielzahl von Anwen-dungen gewinnen. Die Grenzkos-ten liegen fast bei null. Dies wird zukünftig gerade für noch betriebs-bereite Anlagen, deren Förderzeit-raum über das Erneuerbare-Ener-gien-Gesetz (EEG) von 20 Jahren ab- gelaufen ist, zu einem Sprungbrett zu einem attraktiven Business Case.

Schlüsseltechnologie PEM-Elek trolyseEin Beispiel für eine solche Power-to-Gas-Technologie ist das Konzept der PEM-Elektrolyse. Dabei wer-den Überschüsse an erneuerbarer Energie mithilfe der PEM-Elektro-lyse in Wasserstoff verwandelt und so speicherbar und weiterverwert-bar gemacht. Der Vorteil: Die Elek-

Mit Power-to-Gas lassen sich Schwankungen im Stromnetz ausgleichen und neue Märkte mit sauberer Energie beliefern. Das Konzept des Stromlückenfüllers beweist dies bereits heute.

Ein Gastbeitrag von Ove Petersen, GP JOULE

Multitalent Wasserstoff — mehr als nur Strom

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trolyse-Stacks, die es dafür braucht, sind klein und kompakt und somit überall einsetzbar. Zudem sind sie schnell und flexibel – ideale Vor-aussetzungen, um auf die zunehmen-den Wetterschwankungen und die damit verbundene Volatilität im Stromnetz zu reagieren. Die Tech-nologie ist außerdem extrem gut skalierbar und lässt sich zu immer geringeren Kosten industriell fer-tigen. Ähnlich wie bei den PV- Modulen sind auch hier Kosten-degressionen von 20 Prozent pro Jahr und mehr realistisch.

Power-to-Gas in SerienreifeGP JOULE und sein Tochterunter-nehmen H-TEC SYSTEMS haben diese PEM-Elektrolyse-Stacks be-reits zur Serienreife gebracht und setzen sie z. B. im „Stromlückenfül-ler“ ein – einer Power-to-Gas-Anlage am Firmenstandort Reußenköge (Schleswig-Holstein). Im Norden fal-len schon heute große Überschüsse an erneuerbarer Energie an. Bisher gingen diese verloren, weil bei ho-her Netzauslastung die Windräder abgeregelt wurden. Die Kosten dafür tragen die Verbraucher über die EEG-Umlage und die Netzent-gelte – auch für Strom, der gar nicht erzeugt wird. Technologien wie der „Stromlückenfüller“ fangen diese Überschüsse auf und speichern sie als Wasserstoff zwischen. Bei Be-darf wird der Wasserstoff zusammen mit Biogas in einem BHKW wieder umgewandelt und ins Stromnetz eingespeist werden. Er kann aber

auch in der Industrie oder zum An-trieb von Wasserstofffahrzeugen eingesetzt werden. So lassen sich in Zukunft auch Benzin, Diesel oder Autogas durch methanisierten Wasserstoff aus erneuerbaren Ener-gien ersetzen. Der „Stromlückenfül-ler“ hat einen weiteren Vorteil: Bei der Umwandlung in Wasserstoff fällt Wärme an. Diese kann über Nah-wärmenetze, die ohnehin die Wär-me aus dem BKHW aufnehmen, zum Heizen genutzt werden – dem Betreiber wird eine weitere Erlös-quelle eröffnet.

Günstig, klimafreundlich und effizient: Wasserstoff aus Sonne und Wind Entscheidender Vorteil ist, dass für Technologien wie den „Strom-lückenfüller“ bestehende Infra-struktur genutzt werden kann. Die Förderung von Biogasanlagen durch EEG und EEWG (Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz) haben den Ausbau des Nahwärmenetzes begünstigt. Volkswirtschaftlich betrachtet ist es daher sinnvoll, diese Infrastruktur nun auch für weitere Anwendungen zu nutzen. Gleich-zeitig fördert der Ausbau dezentraler Speichertechnologie auch die regio-nale Wertschöpfung. Deutschland hat einen Verbrauch von rund 85 Milliarden m³ Gas pro Jahr – 90 Pro-zent davon werden importiert. Setzt man jedoch kostengünstige PV- und Windenergie verstärkt im Wärmemarkt ein, hilft das nicht nur dem Klimaschutz sondern

stärkt auch die heimische Wirt-schaft und fördert die effiziente Nutzung von regenerativer Ener-gie. Betreiber von Windparks und PV-Anlagen beziehungsweise von BHKWs können durch die Anbin-dung einer PEM-Elektrolyse Was-serstoff flexibel und nachfrageorien-tiert erzeugen und einsetzen, z. B. als Treibstoff, stofflich in der Indus-trie oder zur Rückverstromung und darüber hinaus über die Wärme-nutzung und -vermarktung – auf diese Weise kann der Gesamt-Busi-ness Case optimiert werden. PEM-Elektrolyseure können zudem auch Erlöse durch positive und negative Regelleistung und weitere System-dienstleistungen im Strommarkt erzielen.

Bisher ist die Energiewende eine reine Stromwende. Doch um unsere Klimaschutzziele zu errei-chen, müssen wir die Dekarbonisie-rung mit Hilfe von intelligenten Technologien in alle Märkte tragen. Wasserstoff ebnet dafür den Weg.

Mit Power-to-Gas kann der Ausbau der Er neuerbaren weiterhin sichergestellt und neue Wasserstoffmärkte wie Mobilität, Wärme oder Industrie für die erneuerbaren Energien zugänglich gemacht werden.

Ove Petersen ist Gründer und Ge-schäftsführer der GP JOULE GmbH mit Sitz in Reußenköge.

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„ Ungenutzte Energiequellen anzapfen“

Herr Hertzsch, wie können wir uns die Stadt der Zukunft, die Smart City vorstellen?Vereinfacht gesagt: Ein gut funktio-nierendes Dorf als ein Kernbestand-teil und dies aneinandergesetzt. Also eine dezentrale Struktur, mit dem Ziel, sich aus dem Umkreis zu versorgen.

Sie haben sich in verschiedenen Projekten mit bestehenden Städten beschäftigt. Wie lässt sich fest-stellen, ob eine Stadt auf dem Weg zu einer Smart City ist?Voraussetzung ist, dass man ver-steht, wie eine Stadt funktioniert, welche sozialen, ökologischen oder

baulichen Bedingungen eine Stadt prägen und welche Akteursprozesse es gibt. Eine enge Austauschbezie-hung zwischen den Einwohnerin-nen und Einwohnern ist sehr wichtig, damit die Transformationsprozesse nicht an den Menschen vorbei-geplant werden. Die Stadt der Zu-kunft ist, wenn Sie so wollen, eine Mischung aus Top-down- und Bottom-up-Struk turen. Auch sollte man sich anschauen, welche Tech-nologien vorhanden sind, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen aussehen und wie unterschiedliche Bereiche ineinandergreifen. Die Identifikation und Nutzung von Schnittstellen ist entscheidend.

Vernetztes Denken ist also ein Schlüssel?Ja. Natürlich gibt es auch einzelne Technologien, die einen positiven Beitrag für die Stadtentwicklung leis-ten könnten. Ein kleines Beispiel wäre eine vernetzte Mülltonne, die automatisch meldet, wenn sie voll ist, so dass die Müllabfuhr die Routen optimal planen kann. Die größten Ef-fizienzgewinne kommen aber nicht aus den einzelnen Segmenten, son-dern aus übergeordneten Bereichen, wenn beispielsweise die Energie ei-nes Gebäudes übergeht in die Mobi -li tät, oder wenn industrielle Infra-struktur eingebunden wird in die Versorgungsstruktur für Wärme.

Immer mehr Menschen weltweit leben in Städten. Wie lassen sich Zentren zukunftsfest entwickeln? Im Interview spricht Stadtforscher Eckhart Hertzsch über Smart Cities, intelligente Wärmeversorgung und modulare Infrastruktur.

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„ Wir wissen heute nicht genau, wieviele Menschen künftig mit Solaranlagen Strom und Wärme selbst erzeugen und damit ihren Bedarf an Energie aus dem Netz senken, aber wir müssen diese Entwicklung einplanen.“

Wie kann man sich diese Kopplung vorstellen?Nehmen Sie ein Kaufhaus als Bei-spiel. Mir hat mal ein Geschäftsfüh-rer einer Filiale erzählt, er müsse schon ab einer Außentemperatur von sechs Grad anfangen, das Ge-bäude zu kühlen, also einer Tempe-ratur, bei der die meisten Haus-halte noch heizen. Das bedeutet, es entsteht eine Abwärmequelle, die sich etwa für benachbarte Wohn-gebäude nutzen ließe. Der Betrei-ber des Kaufhauses hätte dann sogar noch ein Produkt, das er ver- markten könnte. Mit anderen Wor-ten: Es gibt in den Städten viele ungenutzte, dezentrale Energie-quellen, die sich anzapfen lassen.

Am Reißbrett lassen sich Städte in idealtypischer Weise entwerfen; in der Realität ist man aber mit gewachsenen Strukturen konfron-tiert. Wie lassen sich diese zu-kunftsfest weiterentwickeln?In der Tat erhöht das die Komple-xität. Alles was Sie in einer Stadt ver-ändern, ist wie eine Operation am offenen Herzen. Die Stadt muss ja

weiter funktionieren. Neue Quar-tiere in der Stadt sind daher als Piloten wichtig, um etwa Techno-logien zu erproben.

Die Infrastruktur zum Beispiel für Wärme ist sehr langlebig, Inves-titionsentscheidungen haben also Auswirkungen für viele Jahre …Deswegen empfiehlt es sich, mög-lichst modular vorzugehen. Man sollte Strukturen so aufbauen, dass sie sich bei Bedarf reduzieren las-sen. Wir wissen heute nicht genau, wieviele Menschen künftig mit So-laranlagen Strom und Wärme selbst erzeugen und damit ihren Bedarf an Energie aus dem Netz senken, aber wir müssen diese Entwick-lung einplanen.

Welchen Einfluss hat der Klima-wandel auf die Energieversorgung in den Städten?Kühlung wird definitiv ein Thema. In Städten sorgen Gebäude, die Wärme abstrahlen, ja noch einmal für einen zusätzlichen Tempera-turanstieg im Vergleich zum Um-land. Die Kühllast steigt dabei

exponentiell zum Temperaturan-stieg. Eine Stadt braucht also eine Energieinfrastruktur, die diese Last bewältigen kann. Sie braucht auch Gebäude, die das Tages- licht nutzen und über natürliche Be- und Entlüftung verfügen.

Interview: Karsten Wiedemann

Dr. Eckhart Hertzsch ist studierter Archi-tekt und beschäftigt sich in verschiedenen Funktionen und Pro-jekten auf nationaler und internationaler Ebene mit dem Thema Zukunft von Städten.

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Impressum

Herausgeber:Bundesverband Neue Energiewirtschaft e. V. (bne)Hackescher Markt 410178 Berlin

Fon: + 49 30 400548-0Fax: + 49 30 [email protected]/bne_news

Steuer-Nr.: 27/620/55384 Vereinsregister-Nr.: 23212 B AG Charlottenburg

V. i. S. d. P.: Robert Busch

Redaktion: Karsten Wiedemann

Mitarbeit: Arndt Börkey, Anne Köhler, Cornelia Nix

Gastautoren dieser Ausgabe: Dr. Stefan Arnold, Heimo Hinterer, Philipp A. Pausder, Ove Petersen, Dr. Holger Wiechmann

Gestaltung: BÜRO WEISS

Druckerei: Neue Druckhaus Dresden GmbH

Redaktionsschluss: 28. September 2015

Bildnachweise: Cover und Innenteil Jan Pauls, U2 Nicole Graether/nicolegraether.de, S. 7 Thermondo/Max Threfall, S. 9 tado, S. 13 privat, S. 15 Ispex AG, S. 19 EconGas Deutschland, S. 22 GP JOULE GmbH, S. 26 privat

Auflage:2.500

Hinweis: Gastbeiträge ent- sprechen nicht zwangsläufig der Meinung des bne.

Nachdruck – auch auszugs- weise – nur mit Genehmigung des Herausgebers.

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Der bne ist die schlagkräftige Interessenvertretung für die wettbewerbliche neue Energiewirtschaft. Im Unterschied zu Anbietern mit verbundenem Netz sind unsere Mitglieder frei von Monopolinteressen: Sie kämpfen für fairen Wettbewerb, Vielfalt und Fairness im Energiemarkt. 2014 haben bne-Mitglieds unternehmen in Deutschland über sieben Millionen Kunden zuverlässig mit Strom, Gas oder energienahen Dienstleistungen beliefert.

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