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Das Magazin der Orell Füssli Buchhandlungen Nr. 3/2012 «Es ist riskant, einen Bestseller fortzusetzen» INTERVIEW MIT JAN-PHILIPP SENDKER IHR PERSöNLICHES EXEMPLAR – MIT WETTBEWERB! Im Schaufenster JOANNE K. ROWLING, PAUL AUSTER, STEPHEN KING Wirtschaftsbücher VERSTEHEN, WAS ALLE ANGEHT Spezial: Biografien GESCHICHTEN, DIE DAS LEBEN SCHRIEB

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Das Kundenmagazin von Orell Füssli

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Das Magazin der Orell Füssli Buchhandlungen Nr. 3/2012

« Es ist riskant, einen Bestseller fortzusetzen» INtervIew MIt JaN-PhIlIPP SeNDker

Ihr PerSöNlIcheS exeMPlar –

MIt wettbewerb!

Im Schaufenster Joanne K. Rowling, Paul austeR, stePhen King

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Es muss nicht immer der Präsident seinLiebe Leserin, lieber Leser

Biografien gelten als eines der ältesten Genres der Literatur: Die ersten Lebensbeschreibungen ent-standen in den griechischen Stadtstaaten, zu einer Zeit, als das Individuum in den jungen Demokratien eine immer wichtigere Rolle zu spielen begann.

Die frühen Biografien beschrieben vor allem die Lebensläufe von Berühmtheiten – von Königen oder Philosophen. Auch heute beschäftigen sich die meisten Biografien-Bestseller mit grossen Namen. Philosophen kommen zwar etwas seltener vor, dafür findet man umso mehr Bücher über Filmstars, Fussballgötter oder Politiker.

Anders als in früheren Zeiten gelangen heute aber auch die Lebensgeschichten gewöhnlicher Men-schen auf die Bestsellerlisten – man denke nur an die Erfolgsbücher «Das volle Leben» von Susanna Schwager, denen jetzt übrigens «Das halbe Leben» gefolgt ist. Es sind offenbar nicht nur die Stars, die uns interessieren, sondern auch das, was sich hinter den Türen im Nachbarhaus abspielt.

Bücher bieten uns eben die Möglichkeit, an fremden Leben teilzuhaben – und dadurch unser eigenes Leben noch vielfältiger und aufregender zu machen. Weil Biografien dazu einen besonders wichtigen Beitrag leisten können, widmen wir ihnen in diesem Heft den ganzen Mittelteil. Viel Spass beim Stöbern – in unseren Vorschlägen und in fremden Leben!

Ihr András NémethMitglied der Geschäftsleitung

die nächste ausgabe von books, dem Magazin der orell-Füssli-buchhandlungen, erscheint am 16. november 2012. sie erhalten books kostenlos in jeder Filiale. bestellungen nehmen wir gern entgegen über www.books.ch, [email protected] und telefon 0848 849 848. buchhandlungen von orell Füssli finden sie in basel, bern, Frauenfeld, st.gallen, winterthur und Zürich sowie am Flughafen Zürich.

Preisänderungen vorbehalten. unsere aktuellen Verkaufspreise und eine umfas-sende auswahl an büchern, Filmen und spielen finden sie auf www.books.ch.

Impressum

HerausgeBer: orell Füssli buchhandlungs ag, dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich gesamtHerstellung: Media tune ag, Zürich redaktIOn: die blattmacher gmbh, Zürich gestaltungskOnzept/layOut: strichpunkt gmbh, winterthur COverFOtO: Keystone

alle so gekennzeichneten bücher sind auf www.books.ch auch als ebook erhältlich.

4 Notizen

Seite 10«Es ist riskant, einen Bestseller fortzusetzen»inteRView Mit Jan-PhiliPP sendKeR

14 neuseeland traumhafte seelen-landschaften

18 Im schaufenster I«ein plötzlicher todesfall» von Joanne K. Rowling

19 Im schaufenster II«sunset Park» von Paul auster

20 Bücher zur krise endlich verstehen, was alle angeht

Seite 23Spezial: Biografien

32 kaffeepause die debatte

36 Fantastisch! Fantasy-neuerscheinungen

39 Im schaufenster III «wind» von stephen King

40 kinderwelt Von Kindern und Kaninchen

42 mein Buch

44 kochbücher geächtete genüsse

46 neues von Orell Füssli

48 kreuzworträtsel

49 veranstaltungen

50 kolumne so schreibe ich – sibylle berg

edItOrIal | 3

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Der französische Theaterautor Eugène

Ionesco meinte zum Zustand der Erde:

«Ich predige in einer übervölkerten

Wüste. Weder ich noch andere können

einen Ausweg finden. Ich glaube, es gibt

keinen Ausweg.» Tatsächlich sieht es gar

nicht gut aus auf unserem Planeten: Wir

holzen Urwälder ab, heizen das Klima

auf und vergeuden Ressourcen, obwohl

wir alle wissen, dass wir damit unsere

Lebensgrundlagen zerstören. Gibt es

also keine Hoffnung mehr? Doch, ruft

uns ein Buch aus dem Knesebeck-Verlag

zu – und es präsentiert uns «100 grüne

Lösungen, die unsere Welt retten

könnten». Der unterhaltsame Bildband

belegt, wie erfinderisch der Mensch ist,

wenn es darum geht, sich am eigenen

Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Er forstet die Sahara auf, entwickelt künstliche

CO2-Fresser, nutzt die Wärme von Strassenbelägen, produziert

Neues aus Abfall, begrünt Innenstädte und fliegt mit Treibstoff

aus Kokosöl. Die 100 Lösungen sind alle kurz und verständlich

zusammengefasst. Bahnbrechend Neues erfährt man durch die

Lektüre nicht – aber sie verbreitet immerhin das wohlige Gefühl,

dass Ionesco sich vielleicht doch geirrt haben könnte.

Notizen marius leutenegger

Wenn es einen deutschsprachigen

Nachfolger von Dashiell Hammett

gibt, dann ist das Jakob Arjouni.

Seine Figur Kemal Kayankaya ist

einer dieser lakonischen, abge-

brühten Privatdetektive, die ihren

butterweichen Kern mit einer

rauen Schale schützen, nie um

einen guten Vergleich verlegen

sind und sich am Ende eigentlich

nur mit Kriminellen gut verstehen.

Pikanterweise ist Kayankaya erst

noch ein Türke, der in seinem

Territorium Frankfurt ständig mit

verdecktem Rassismus zu kämp-

fen hat. Im neuen Roman «Bruder

Kemal» bekommt er gleich zwei

Aufträge, die schliesslich ein

einziger Fall werden: Er muss ein

verschwundenes Töchterchen aus

gutem Haus aufstöbern und einen

Autor auf der Buchmesse vor

Angriffen radikaler Muslime

schützen. Natürlich geht wie

immer so ziemlich alles schief, ehe

Kayankaya in Zusammenarbeit

mit Kommissar Zufall das krimi-

nalistische Rätsel lösen kann. Bei

seinem fünften Auftritt im Dioge-

nes-Verlag erweist sich der Detek-

tiv als gelassener als bisher – und

auch der Autor hat offenbar einen

Reifeprozess hinter sich: Früher

wirkte sein cooler Ton manchmal

etwas bemüht, jetzt ist er ihm in

Fleisch und Blut übergegangen.

Wer so genannte

«hardboiled» Krimis

mag, ist mit «Bruder

Kemal» jedenfalls

bestens bedient.

An Kunst, die uns zur Verfügung steht,

herrscht wahrlich kein Mangel. Doch die

Fantasie der Kulturbeflissenen wird auch

von jenen Werken angeregt, die

nicht betrachtet werden kön-

nen – weil sie zum Beispiel ver-

schollen sind, vernichtet wur-

den oder seit langem in

Tresoren ruhen. Die Französin

Céline Delavaux hat die wich-

tigsten Beispiele von «Kunst,

die Sie nie sehen werden» zu

einem schönen Bildband zusammengetra-

gen, der jetzt bei Prestel erschienen ist.

Der Titel des Buchs ist glücklicherweise

unzutreffend: Dank Delavaux kann man

die Kunstwerke sehr wohl sehen, wenn in

manchen Fällen auch nur in Form von Ko-

pien oder Annäherungen.

Welche Schätze verloren gin-

gen – etwa das herrliche Ge-

mälde «Leda und der

Schwan» von Leonardo da

Vinci –, lässt sich auf diese

Weise mehr als erahnen. Man-

che Bild-Biografien lesen sich

wie Krimis, bei anderen bleibt

einem nur das Jammern über mutwillige

Zerstörungen. Ein Buch, das in jede Kunst-

bibliothek gehört!

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geht sie diesem Beruf mit Leidenschaft nach. «Mir gefällt vor allem die Arbeit mit den Kundinnen und Kunden», sagt Désirée Stucki. «Es ist eine tolle Herausforderung, auf die einzelnen Kundenwünsche einzu-gehen. Der Job ist zudem extrem abwechs-

lungsreich.» Und nicht zuletzt lese sie auch selber leidenschaftlich gern. Gegenwärtig betreut Désirée Stucki die Belletristikabtei-lung der Filiale – daher stammt ihr Tipp auch aus diesem Bereich. «Die ‹Panem›-Trilogie von Suzanne Collins war ein Rie-senerfolg, und ich werde oft gefragt, ob es etwas Vergleichbares gibt. Ich empfehle in diesen Fällen ‹Starters› von Lissa Price. Der Roman spielt in einem ähnlichen Um-feld wie ‹Panem›: In einer nicht so fernen Zukunft, in der die USA einen grässlichen Krieg hinter sich haben. Bei ‹Starters› le-ben nach einem biologischen Krieg nur zwei Bevölkerungsgruppen: einerseits die Kinder und die Jugendlichen, die Starters,

Oft ist die letzte Seite eines Buchs jene, die man am wenigsten mag – weil man nicht möchte, dass das Lesevergnügen schon zu Ende ist. Glücklicherweise gibt es Fachleu-te, die einem in solchen Momenten Bücher mit vergleichbaren Qualitäten empfehlen können – Fachleute wie Désirée Stucki von Orell Füssli Frauenfeld. Die 29-Jährige wurde aus Zufall Buchhändlerin. «Ich ging in eine Buchhandlung und fragte an der Kasse, ob man hier auch eine Lehre ma-chen könne – ich wusste kaum etwas über den Beruf, und wäre ich an der Kasse der Papeterie gelandet, hätte ich vielleicht eine ganz andere Lehre gemacht.» So aber wurde sie Buchhändlerin – und seither

Ein Roman-Titel wie «Du sollst eventuell nicht töten» ist ein Versprechen. Simon

Borowiak löst es voll und ganz ein. Der Autor ist ein Garant für abseitige Figuren,

skurrile Wendungen und liebevolle Boshaftigkeiten; das konnte man schon von

ihm sagen, als er noch eine Frau war und unter dem Namen Simone Borowiak

den lustigen Sommerroman «Frau Rettich, die Cerni und ich» veröffentlichte. Im

neuen, bei Knaus erschienenen Buch geht es um den hypochondrischen Ich-

Erzähler Schlomo, der seinem blinden Freund Mendelssohn hilft, eine prächtige

Villa in einem vornehmen Hamburger Quartier zu beziehen. Die Menschen in der

Nachbarschaft erweisen sich entweder als ganz reizend – wie etwa die hyperat-

traktive Marvie – oder als ganz besonders widerlich – wie der an übersteigertem

Selbstbewusstsein leidende ältere Freund von Marvie. Blöderweise stirbt dieser

dicke Kerl auf einer Party, und jetzt haben Schlomo, Marvie und all die anderen

eine Leiche am Hals. Die Geschichte ist allerdings ziemlich egal – bei Borowiak

geht es schliesslich nie um den Plot, sondern vor allem um originelle Charaktere

und nebensächliche Ereignisse.

Leute, die das mögen, mögen auch ...

andererseits die ganz alten Menschen, die Enders. Diese Gruppen waren noch recht-zeitig geimpft worden. Die Alten haben die Macht in ihren Händen, die Jungen leben in Heimen oder auf der Strasse. So auch die Hauptperson Callie. Aus Verzweiflung

beteiligt sie sich an einem halboffiziellen Programm: Die Jungen können in der Body-bank den Alten ihren Körper für eine gewisse Zeit vermie-ten. Alles funktioniert zuerst reibungslos, doch dann wer-den Callie und die alte Frau, die ihren Körper genutzt hat, nicht mehr richtig getrennt. Und Callie erkennt: Diese Frau unternimmt alles, um die Ma-

chenschaften der Bodybank zu stoppen. Das Buch zieht einem ab der ersten Seite den Ärmel rein – genau wie ‹Panem›. Auch der Grundton der beiden Bücher ist ähn-lich, da wie dort müssen Jugendliche in ei-ner feindlichen Umgebung um ihr Überle-ben kämpfen. Und da wie dort geht es um etwas, das schon heute unsere Gesellschaft prägt: Bei ‹Panem› standen die Big-Brother-Shows Pate, bei ‹Starters› geht es um unseren Jugendkult. Im November er-scheint übrigens die Fortsetzung von Lissa Price’ Buch: ‹Enders›.»

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Donna Leon hat in diesem Jahr gleich doppelt Grund zum Feiern: Im Juni er-schien der zwanzigste Krimi mit Commis-sario Brunetti: «Reiches Erbe». Seit Bru-netti 1992 das Licht der Öffentlichkeit erblickte, ist jedes Jahr ein neuer Roman mit ihm erschienen. Der andere Anlass für eine Party ist der runde Geburtstag der Au-torin: Am 28. September wird die US-Ame-rikanerin, die schon lange in Venedig lebt, 70 Jahre alt. Ein wenig ist sie auch eine von uns, denn sie arbeitete einst als Eng-lisch-Lehrerin an amerikanischen Schulen in der Schweiz. Lustiges Detail: Die Bru-netti-Erfolgsromane erscheinen nicht auf Italienisch – denn Donna Leon will, dass die Venezianer ihr unvoreingenommen ge-genübertreten.

Einen runden Geburtstag feiert auch das Haus, das Donna Leons Romane auf Deutsch veröffentlicht: Der Diogenes-Ver-lag wird 60 Jahre alt. Gegründet wurde er 1952 vom 2011 verstorbenen Daniel Keel. In den letzten sechs Jahrzehnten hat der Diogenes-Verlag rund 6000 Titel veröffent-licht – davon ist über ein Drittel noch im-

mer lieferbar – und insgesamt etwa 200 Millionen Bücher verkauft. Das unver-wechselbare Umschlag-Design wurde 1985 eingeführt: Ein schwarzer, an den Ecken abgerundeter Rahmen auf weissem Grund enthält ein Coverbild sowie den Au-torennamen und den Titel in der Schrift Didot. Zu den bekanntesten Autoren des Verlags zählen Friedrich Dürrenmatt, Georges Simenon, Paulo Coelho, Martin Suter und Patrik Süskind, dessen Roman «Das Parfum» das bis heute bestverkaufte Diogenes-Buch ist. Anlässlich des Jubilä-ums erscheint im Oktober eine zwölfbän-dige Jubiläumskassette mit zwölf Erfolgs-büchern – von Autoren wie Martin Walker, Ingrid Noll oder Urs Widmer.

Viele Schriftsteller sind Selbstdarsteller – andere Autoren werden als Fremddarstel-ler berühmt. Der vielleicht wichtigste Ver-treter der zweiten Gruppe ist der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff, der am 1. Oktober 70 Jahre alt wird. «Wall-raffen» meint: Man verwandelt sich in ei-nen Redakteur bei «Bild», in einen Ob-dachlosen oder somalischen Touristen in Deutschland, in einen Iraner in Japan oder in einen vermeintlichen Napalmlieferan-ten der US-Armee – und schreibt an-schliessend seine zuweilen himmelschrei-enden Erlebnisse in Buchform nieder. Das alles frei nach dem Grundsatz: «Man muss sich verkleiden, um die Gesellschaft zu de-maskieren.» Natürlich ist Wallraff auch selber zur Zielscheibe von Enthüllungs-journalisten geworden; diese haben her-ausgefunden, dass er viele seiner sehr er-folgreichen Bücher nicht allein geschrieben hat. Doch das schmälert seine Verdienste nicht: Vor allem «Ganz unten», das Buch über die schlechte Behandlung

JAHRESTAGE

türkischer Gastarbeiter, löste eine bedeu-tende gesellschaftliche Debatte aus. Seine wichtigsten Werke werden jetzt wieder neu aufgelegt – von Kiepenheuer & Witsch etwa die Bild-Reportage «Der Aufma-cher» erstmals in unzensierter Form.

Eher zu den Selbstdarstellern zählt unser nächstes Geburtstagskind: Am 16. Oktober wird einer der wichtigen deutschsprachi-gen Autoren der Gegenwart 85 Jahre alt, nämlich Günter Grass. Er wuchs in Dan-zig auf, kämpfte im Zweiten Weltkrieg – nachdem er sich mit nur 15 Jahren freiwil-lig zur Wehrmacht gemeldet hatte –, wurde Steinmetz und bildender Künstler. Mitte der 1950er-Jahre begann er nebenher zu schreiben; bereits mit seinem ersten Ro-man «Die Blechtrommel» schaffte Grass 1959 den internationalen Durchbruch. Ei-nen ähnlichen Erfolg wie mit diesem Erst-ling erzielte er zwar nie mehr, er veröffent-licht seither aber regelmässig viel beachtete Romane, Gedichtbände und Theaterstücke. 1999 erhielt der streitbare Autor den Literatur-Nobelpreis. In den letzten Jahren sorgten vor allem Enthül-lungen über Grass’ Leben für Wirbel: Es wurde bekannt, dass der notorische Mora-list Mitglied der Waffen-SS war. Und in diesem Jahr provozierte der Schrift-steller mit einem israel-kritischen Gedicht. Im Frühjahr erschien sein jüngstes Werk «Grimms Wörter» als Taschen-buch bei dtv – eine Hul-digung an die Gebrüder Grimm und die deut-sche Sprache.

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Was lesen Sie gerade?Leonard, Sänger, Moderator und Songwriter

Fühlen Sie sich manchmal auch so richtig einsam? Wenn Sie zum Beispiel aus dem Tram steigen wollen – und sie erkennen müssen, dass alle anderen die uralte und sinnvolle Regel «Erst aussteigen lassen» vergessen haben? Die gute Nachricht: Sie sind nicht allein! Auch die beiden Berline-rinnen Elena Senft und Lisa Seelig regen sich offenbar den ganzen Tag über schlecht erzogene Mitmenschen auf – und natürlich auch über alle anderen, die aus

irgendeinem Grund nerven. Die schlimmsten Ärgernisse haben sie im Fischer-Taschenbuch «Sorry, hier sitzt schon meine Tasche» zusammengetragen. Natürlich gehörten Senft & Seelig gleich selber ins Buch – wie nerven doch die Leute, die ständig glauben, andere erziehen zu müssen –, aber sie geben einem trotzdem ein gutes Gefühl. Eben jenes, nicht allein zu sein mit dem Ärger über aufdringliche Spendensammler, gierige Buffet-plünderer und egomane Plaudertaschen.

«Nachdem ich etwa 20 Jahre lang fast aus-schliesslich Bücher von Sidney Sheldon las und dadurch jeden seiner Romane etwa zehnmal gelesen habe, bin ich froh, nun endlich eine neue Autorin gefunden zu ha-ben: Die Bücher von Lesley Pearse spre-chen mich genau so an wie jene von Sidney Sheldon. Sämtliche ihrer Werke liegen bei mir auf dem Nachttisch, und zwar in Form von eBooks in meinem iPad. Überhaupt bin ich von den eBooks total begeistert; durch sie habe ich angefangen, wieder viel mehr zu lesen, weil man bequem durch eine grosse Auswahl stöbern und sich Le-seproben herunterladen kann. Mein abso-lutes Lieblingsbuch von Lesley Pearse ist ‹Durch stürmische Zeiten›. Es erzählt die Geschichte von Mary Broad, die im 18. Jahrhundert wegen eines harmlosen Dieb-stahls zum Tod verurteilt und später be-gnadigt wurde. Der Roman basiert auf ei-ner wahren Begebenheit und gehört zu jenen Büchern, die man nicht mehr aus der Hand legen kann, wenn man mit dem Lesen angefangen hat.»

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wettbewerbS- GewINNerIn der letzten Ausgabe von Books verlos-ten wir unter den Teilnehmenden unseres Kreuzworträtsel-Wettbewerbs drei Büchergutscheine. Gewonnen haben:

1. Preis: Erika Streule, St.Gallen 2. Preis: Maria Zehnder, Bern 3. Preis: Ursula Kutter, Berg SG

Herzliche Gratulation!

Die Gewinnerinnen und Gewinner der Preise 4 bis 10 werden schriftlich benach-richtigt. Das aktuelle Kreuzworträtsel fin-den Sie in dieser Ausgabe auf Seite 48.

Julian Barnes ist ein Au-tor, dem man als Leserin oder Leser vertraut: Er führt uns in interessante Leben und Konstellationen – und wir wissen, dass er uns auf die richtigen Dinge hinweisen wird und dass wir bei ihm auch etwas über das Sein schlechthin erfahren. Denn der Brite ist ein exzellenter Beobachter und vertritt Wertmassstä-be, die man jederzeit teilen kann. Das kommt gut an, und sein letzter Roman «Vom Ende der Geschich-te» verkaufte sich 2011 al-lein im deutschsprachigen Raum 130’000-mal. Nun ist bereits das nächste Buch von Barnes erschie-nen: «Unbefugtes Betre-ten», eine Sammlung von

14 Kurzgeschichten. Beim Lesen denkt man oft das Beste, was man über Kurzgeschich-ten denken kann: Schade, geht das jetzt nicht weiter! Denn es sind nicht die geschilderten Ereignisse, die einen faszinieren, sondern die Figuren. Barnes verleiht ihnen auf wenig Raum viel Charakter – und schafft es auf fast schon zauberhafte Weise, dass man die Er-zählungen aus ihrer Position liest. Gleichgültig, ob es um geschiedene Immobilienmakler, stumme Porträtisten oder halbwegs erfolgreiche Schriftstellerinnen geht.

Als die Zeiten für Schreiben-de noch viel besser waren, publizierten die Zeitungen regelmässig Gedichte zum Ze i tgesche-hen. Einer der erfolgreichs-

ten deutschsprachigen «Gebrauchs-lyriker» war Erich Kästner (1899-1974). Nun hat der Atrium-Verlag 91 seiner «Montagsgedichte» neu aufgelegt. Sie erschienen zwischen 1928 und 1930 in Berliner Zeitun-gen, die meisten davon haben einen Bezug zur damaligen Aktualität. Dank kleiner editorischer Notizen erfährt man, worüber sich Kästner in seinen Gedichten gerade lustig macht, welche Ereignisse ihm zu denken gaben – und dass er ein mu-tiger Kerl war, der sich auch wäh-rend der Krisen der Weimarer Repu-blik gern zwischen Stuhl und Bank setzte. Allein das Vorwort von Mar-cel Reich-Ranicki rechtfertigt die Anschaffung des Buchs, denn es macht klar, warum Kästner ein ganz Grosser war.

liest man nur die klappentexte, könnte man die scheibenwelt-romane von terry pratchett für ziemlich unbedarfte Fantasy-geschichten halten: da geht es um trolle, golems, Hexen und gevatter tod. doch die bunte kulisse der scheibenwelt und das überaus drollige personal dient dem britischen Bestseller-autor nur dazu, höchst irdische spezialitäten auszuleuchten – vom Fussballfieber über die gleichberechti-gung bis zu Integrationsproblemen. dabei per-sifliert er meistens auch noch ein literaturgen-re. die suppe, die der vielschreiber in kurzen abständen anrührt, ist also ziemlich sättigend. mit zunehmendem alter ist pratchett auch ein meister der etwas leiseren töne und des

eher subtilen Wortwitzes geworden – was seinen neuesten, den 39. scheiben-welt-roman «steife prise» zum besonderen vergnügen macht. Wieder einmal geht es um samuel mumm, kommandeur der stadtwache und frisch gekürter Herzog von ankh-morpork. diesmal verschlägt es ihn aufs land, wo er einen Fall von sklaverei aufdecken muss. Besonderen spass bereiten pratchetts Be-merkungen über ehepaare und das landleben. dennoch ist «steife prise» des manhattan-verlags kein idealer einstieg ins scheibenwelt-universum, denn es werden doch gewisse kenntnisse vorausgesetzt. «Wachen! Wachen!» war der erste stadtwachen-roman von terry pratchett, und es ist sicher nicht ver-kehrt, damit zu beginnen.

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... und ausserdemSchade, ist der Sommer schon fast vorbei – denn «Willkommen auf Skios» des Bri-ten Michael Frayn ist nicht weniger als die ideale federleichte Sommerlektüre. Die Verwechslungskomödie ist bei Hanser er-schienen und spielt auf einer griechischen Insel, auf der eine stinkreiche Stiftung zum jährlichen Vortrag eines Top-Referenten einlädt. Doch die Stiftungsassistentin ver-wechselt am Flughafen den ihr nicht be-kannten Dr. Norman Wilfried mit dem gut-aussehenden Taugenichts Oliver Fox, der schon lange ein anderes Leben führen möchte – und die Gelegenheit, zwei Tage lang als grosser Denker bewundert zu werden, gern nutzt. Der erfolgsmüde Dr. Wilfried landet derweil völlig unschuldig im Bett der Geliebten von Oliver Fox, und die geldgierigen Taxifahrer bringen alles noch ein bisschen mehr durcheinander. Die Geschichte ist natürlich völlig unwahr-scheinlich – wer verwechselt im Zeitalter von Google schon prominente Redner mit charmanten Hippies? –, aber wer sich am mangelnden Realismus stört, verdirbt sich selbst einen grossen Lesespass. Reiche Stiftungen, die sich für eine bessere Welt einsetzen und gleichzei-tig schaufelweise Kaviar herankarren, kriegen bei Frayn ebenso ihr Fett weg wie all die Mittdreis-siger, die von kleinen Fluchten träumen, diese aber gern in der Business-Klasse verbringen würden.

«Kinderwelt»: So heissen die Kinderbuchabteilungen in den grösseren Fili-alen von Orell Füssli. An ihrem Eingang steht jeweils ein Maskottchen, das diese verkleinernde Bezeichnung eigentlich nicht verdient – denn der

Plüschbär Theo ist ein riesiger Kerl. «Die Kinder mögen ihn sehr», weiss Martin Fawer, Kommunikationsleiter der Orell-Füssli-Buchhandlungen. «Das zeigt sich immer dann, wenn wir einen Mitarbeiter als Theo ver-kleidet durch die Filialen spazieren lassen.» Zudem beteiligten sich un-zählige Kinder am Wettbewerb, mit dem ein Name für den zunächst ano-nymen Bären gefunden wurde. Weil Theo so beliebt ist, hat sich Orell Füssli jetzt entschieden, ihn im Kleinformat zu produzieren – «so kann jedes Kind einen Theo nach Hause nehmen», sagt Martin Fawer. Der sit-zende Plüschbär aus Super Soft Velboa ist 15 Zentimeter gross und mag es

ganz besonders, wenn er mit den Kindern ein Buch anschauen darf.

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Charlotte liebt ihr Kind abgöttisch und will nur eins: es beschützen. Denn Willow ist krank; beim kleinsten Stoß brechen ihre Knochen. Dass auch ihr Herz brechen kann, scheint Charlotte zu vergessen, als sie vor Gericht das Geld für eine angemessene Behandlung erkämpfen will ...Erschütternd, tief bewegend und sensibel führt dieser Roman mitten ins Herz einer Familie, die durch die Kraft einer bedingungslosen Liebe verbunden ist.

Eine tief bewegende Geschichte über

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Seele, die sich in ihr eingenistet hat – so erklärt ihr das zumindest ein Mönch. Woher haben Sie diese Idee?Die Medizin kennt das Stimmenhören als Anzeichen für Schizophrenie. Damit hat meine Geschichte aber nichts zu tun. Ich denke, man kann das Buch auf zwei Ebe-nen lesen. Wer an Reinkarnation glaubt, wird die Stimme in Julia als Resultat einer schiefgelaufenen Reinkarnation auffassen. Aber man kann die Stimme auch als Julias eigene interpretieren – denn sie ver-stummt ja, nachdem Julia bei sich selber angekommen ist.

Wie war es denn mit dem Herzenhören aus dem ersten Roman? Tin Win hörte die Herzen anderer Menschen schlagen – und konnte sich dadurch ein Bild von ihrem Gemütszustand machen. Ist Ihnen eine solche Fähigkeit schon einmal begegnet? Der Anstoss zu «Das Herzenhören» gab ein Erlebnis mit meinem Sohn: Ich balgte mit ihm herum, dabei nahm er meinen Herzschlag wahr. Nachher wollte er immer wieder mein Herz hören, und manchmal fand er: «Heute klingt dein Herz anders.» Im Kopf eines Romanautors entsteht aus eine solchen Aussage schnell einmal eine Geschichte – und ich fragte mich: Wie wäre es für jemanden, wenn er Herzen hören könnte?

Unter anderem spielt in Ihren Büchern auch Astrologie eine Rolle. Sind Sie das, was man als «esoterisch» bezeichnet?Als ich erstmals nach Burma fuhr, war ich überhaupt nicht abergläubisch. Dort wurde ich aber hinsichtlich der Astrologie bekehrt, denn ich hatte sehr eindrückli-che Begegnungen mit einem Astrologen.

Books: Als ich hörte, es gäbe eine Fortsetzung von «Das Herzenhören», staunte ich: Am Ende Ihres Roman-Erstlings sind die beiden Hauptfiguren tot. Warum setzen Sie die Geschichte mit «Herzenstimmen» jetzt trotzdem fort?Jan-Philipp Sendker: Eine Fortsetzung war nicht geplant – deshalb dauerte es auch zehn Jahre, bis ich sie schrieb. Beim Joggen kam mir einmal die Idee zu einer Geschichte über eine Frau, die eine innere Stimme hört. Doch ich kam damit nicht weiter. Dann schrieb ich die ersten beiden Teile meiner China-Trilogie, und die Idee mit dem Stimmenhören rückte in den Hintergrund – bis ich vor zwei Jahren in einem Teehaus in Kalaw sass, also in jener burmesischen Stadt, in der «Das Herzen-hören» spielt. Auf der Strasse entdeckte ich eine Frau, die aussah wie meine Figur Julia Win, und plötzlich reihte sich alles aneinander. Ich spürte sofort: Das ist die Geschichte, das ist die Figur! In «Das Her-zenhören» machte sich Julia in Burma auf die Suche nach ihrem Vater, jetzt begibt sie sich wegen einer inneren Stimme auf die Suche nach sich selbst.

«Das Herzenhören» und «Herzenstim-men» weisen viele Parallelen auf. Böse Zungen könnten behaupten: Sie wollen einfach den riesigen Erfolg des Erstlings wiederholen. Mit diesem Verdacht muss ich leben. In der New York Times stand einmal: Jeder erfolgreiche Autor, der eine Fortsetzung schreibt, sollte zumindest ein klein wenig ein schlechtes Gewissen haben. Der Ge-danke, dass ich hier einfach ein Erfolgs-rezept wiederholen will, mag naheliegen, aber darum ging es mir wirklich nicht. Es ist ja auch sehr riskant, einen Bestsel-

ler fortzusetzen – denn die Leserinnen und Leser haben dann besonders hohe Erwartungen. Hat ihnen etwas besonders gut gefallen, möchten sie wieder etwas Ähnliches lesen. Ist es zu ähnlich, sind sie enttäuscht und denken: Das ist ja nur eine schlechte Kopie. Ist es aber zu anders, sind sie ebenfalls enttäuscht, weil ihnen das erste Buch doch so gut gefiel. Als «Herzenstimmen» fertig war, durchlebte ich eine Krise, weil ich dachte: Das kann für alle nur mit einer Enttäuschung enden. Da empfahl mir meine Frau, das Buch noch einmal zu lesen. Ich tat es – und jetzt bin ich damit im Reinen.

Ich finde «Herzenstimmen» viel härter als «Das Herzenhören» – was Nu Nu, einer der Hauptfiguren, alles durchma-chen muss, hat mich zwischendurch fast abgestossen. Fürchten Sie nicht, Ihre Leserinnen und Leser zu enttäuschen, die eine zarte Liebesgeschichte wie im ersten Buch erwarten?Na, sehen Sie! Wäre es mir um den Erfolg gegangen, hätte ich sicher eine andere Ge-schichte geschrieben, sozusagen einfach die rote Fassung von «Das Herzenhören». Aber jetzt ist ein anderes Buch entstan-den. Die neue Geschichte ist tatsächlich trauriger und brutaler als die erste, aber ich finde sie dennoch sehr hoffnungsvoll.

Ähnlicher als der Grundton der beiden Bücher ist ihr Aufbau: Es gibt jeweils eine Rahmenhandlung um die Anwäl-tin Julia Win, die von New York nach Burma reist, um dort mehr über eine Liebesgeschichte zu erfahren. Zehn Jahre nach der ersten Reise kehrt Julia wegen der inneren Stimme nach Burma zurück. Diese Stimme stammt von einer

«Es ist riskant, einen Bestseller fortzusetzen» «Das Herzenhören» ist ein Phänomen: Seit Jahren verkauft sich der Roman von Jan-Philipp

Sendker konstant gut. Eine immer grösser werdende Leserschaft hat den einstigen Geheimtipp mit begeisterter Mund-zu-Mund-Propaganda zu einem internationalen Bestseller gemacht. Nun präsentiert Jan-Philipp Sendker die Fortsetzung: «Herzenstimmen». Books sprach mit

dem deutschen Autor über ein Buch, das Hunderttausende mit Spannung erwarten. marius leutenegger erik Brühlmann

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JaN-PhIlIPP SeNDker

Jan-Philipp Sendker kam 1960 in Hamburg zur Welt. Er war von 1990 bis 1995 Amerika- und von 1995 bis 1999 Asien-Korrespondent des Magazins «Stern». Seit 2000 veröffentlicht er regelmässig Bücher, zuerst die China-Reportage «Risse in der grossen Mauer», seither vier Romane. Jan-Philipp Sendker lebt mit seiner Familie in Potsdam.

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guren wirklich so empfinden, wie ich das beschreibe, oder gibt es hier Projektionen meinerseits?

Tatsächlich merkt man auf jeder Seite Ihrer Romane, dass hier einer viel über sein Thema weiss. Das ist kein Wunder, denn Sie waren vier Jahre lang Asien-Korrespondent für den «Stern». Wie verlief Ihre berufliche Laufbahn – und warum sind Sie heute nicht mehr Jour-nalist, sondern Schriftsteller?Ich wollte schon als 13-Jähriger Schrift-steller werden. Als ich 20 war, sagte ich meinem Vater, ich wolle Bücher schreiben. Er fragte: «Worüber denn?» Da merkte ich: Ich muss jetzt zuerst einmal etwas erleben. Deshalb begann ich, als freier Journalist zu arbeiten. Mit 29 wurde ich Amerika-Korrespondent beim «Stern», später kamen die Jahre in Asien dazu. Irgendwann dachte ich: Jetzt musst du aber allmählich mit der Schriftstellerei anfangen.

Und dann kam «Das Herzenhören» ...Zuerst schrieb ich ein Sachbuch, aber ja: Dann kam «Das Herzenhören». Innerhalb der ersten zwei Jahre verkauften sich 6000 Exemplare. Der Verleger war zufrie-den, aber ich hatte einen ganz anderen Erfolg erwartet. Weil man von so wenigen Büchern nicht leben kann, ging ich zurück zum «Stern». Drei Jahre lang arbeitete ich in Berlin und war dabei furchtbar unglücklich. Und dann geschah das Wun-derbare: «Das Herzenhören» verkaufte sich immer besser, und ich konnte beim «Stern» kündigen.

Zurück zu «Herzenstimmen». In Burma trifft Julia wieder ihren viel älteren Halbbruder U Ba, eine sehr plastische und anziehende Figur. Hat sie ein reales Vorbild?Es gibt mehrere Burmesen, die in U Ba hineingeflossen sind. Ein Freund von mir war Buchhändler in Rangun und restau-rierte Bücher genau so, wie es U Ba tut. Und auch mein Freund Tommy in Kalaw

Er wusste derart viele Details über mich, dass ich geradezu schockiert war. Seither bin ich in manchen Dingen sehr aber-gläubisch. Ich bin zwar kein Buddhist und glaube auch nicht an die Reinkarnation, finde aber vieles, was Buddha gelehrt hat, wichtig für mein Denken und Leben.

Welche Rolle spielt Burma in Ihrem Leben?Das ist auch so eine Geschichte, die eso-terisch klingt, aber wahr ist. 1995 zog ich als «Stern»-Korrespondent von New York nach Hongkong. In Asien lernte ich einen Kollegen kennen, der von Burma total begeistert war. Ich wollte das Land selber sehen, und im Mai 1995 reiste ich zum ersten Mal für eine Reportage dorthin. Bei der Abfahrt dachte ich: «Diese Reise wird dein Leben verändern.» Und so war es dann auch. Burma machte einen ganz tie-fen Eindruck auf mich. Ich habe noch nie eine so spirituelle Gesellschaft wie die bur-mesische erlebt – und eine Gesellschaft, in der es trotz widrigster Lebensumstände so viel Gelassenheit und Würde gibt. Burma ist fernab jeglicher Kommerzialität. Das Land war ja lange Zeit fast so isoliert wie Nordkorea. Als ich bei meinem ersten Besuch aufs Land fuhr, fühlte ich mich um Jahrhunderte zurück versetzt – denn es gab keine Autos und keine Werbung, alles wirkte einfach ganz anders als bei uns.

Man spürt in Ihren Büchern stets, dass Sie von Burma begeistert sind. Das Land kommt sympathischer weg als der Wes-ten, seine Bewohner dort sind weniger gestresst und weniger materialistisch als die rationalen Westler. Idealisieren Sie die Verhältnisse?Ich persönlich habe in Burma wahnsin-nig viel gelernt – über mich und über das Leben. Wenn es darum geht, mit dem zu-frieden zu sein, was einem zur Verfügung steht, sind uns die Burmesen schon weit voraus. Für mich ist es aber tatsächlich eine grosse Herausforderung, als Westler über Asien zu schreiben und nicht einfach ein Klischee an das andere zu reihen. Glücklicherweise habe ich viele positive Rückmeldungen erhalten von Leuten, die mir bestätigen, dass ich nichts idealisie-re. Als «Das Herzenhören» auf Englisch vorlag, gab ich das Buch einer burmesi-schen Freundin, und sie fand: «How did he get it so right?» Ich kann das zu einem Teil damit beantworten, dass ich eben sehr viel recherchiere. Als ich «Herzen-stimmen» fertig geschrieben hatte, reiste ich nach Kalaw und ging alles noch einmal durch. Ich wollte wissen: Können die Fi-

oder der erwähnte Astrologe haben eini-ges zu dieser Figur beigesteuert.

Julia erscheint mir hingegen recht zickig, sie ist ziemlich naiv und offenbar auch nicht gerade lernfähig: Zehn Jahre nach den Erfahrungen, die sie in «Das Herzenhören» machte, ist sie wieder in alte Muster zurückgefallen. Mir wurde sie nie richtig sympathisch. Mögen Sie diese Figur?Ja. Ich finde sie auch überhaupt nicht zickig. Sie ist jetzt Mitte dreissig und in einer schwierigen Lebensphase: Sie hat keine Kinder, keinen Mann an ihrer Seite, ist beruflich erfolgreich, aber sie spürt eine gewisse Leere in ihrem Leben. Dass sie nach den intensiven Erfahrungen in «Das Herzenhören» in ihre alten Muster zurückgefallen ist, möchte ich ihr nicht vorwerfen. Wie schwer ist es doch, sich von den Routinen des Alltags zu befreien! Ich bin Julia beim Schreiben von «Her-zenstimmen» jedenfalls sehr nah gekom-men. Den Zugang zu ihr zu finden, war allerdings ein längerer Prozess. Die ersten 60 Seiten des Romans zu schreiben, die in New York spielen und sich um Julias Leben dort drehen, bereitete mir Mühe.

Warum sind eigentlich immer US-Ame-rikaner Ihre Hauptfiguren? Julia Win könnte ja ebenso gut Deutsche sein ...Nein, denn ihr Vater wäre aus Burma nicht nach Deutschland ausgewandert – dass er von seinem Onkel in die USA geschickt wurde, war viel logischer. Und für mich lag nahe, die Familie von Julia in New York anzusiedeln, weil ich acht Jahre lang in dieser Stadt lebte und mich ihr sehr verbunden fühle.

Im Katalog Ihres Verlags steht, die Ver-filmung von «Das Herzenhören» sei in Vorbereitung. Wer dreht den Film – und wann kommt er ins Kino?Das Interesse an der Verfilmung ist gross, und die Option auf die Verfilmung ist verkauft. Gegenwärtig schreibe ich das Drehbuch, aber es wird sicher nicht ein-fach, diese Geschichte zu adaptieren. Alles wird damit stehen und fallen, wie wir die Innenwelten der Hauptfiguren zeigen können.

Von Ihrer China-Trilogie gibt es bis jetzt zwei Bücher. Arbeiten Sie am dritten?Ich habe damit noch nicht angefangen, aber bei diesem Buch kenne ich bereits den Ausgangspunkt. Es geht um den ab-soluten Mangel an Werten, um die Frage: Welche Ethik zählt jetzt? China ist ein

«Ich habe keine Fortsetzung geplant, aber das hatte ich auch nicht nach ‹Das Herzenhören›.»

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das Herzenhören (2004) 288 seitenCHF 12.90HeyneDer Vater der New Yorker Rechtsanwältin Julia Win verschwindet eines Tages

spurlos. Julia reist in sein Herkunftsland Burma, um einem Geheimnis auf die Spur zu kommen: einer grossen Liebe.

das Flüstern der schatten (2007)463 seitenCHF 13.90HeyneDer Amerikaner Paul Lei-bowitz nagt schwer am Tod

seines achtjährigen Buben. Er zieht sich zurück auf eine Insel vor Hongkong. Die Chinesin Christine Wu kämpft darum, ihn ins Leben zurückzuholen. Ein mysteriöser Mordfall zwingt Paul schliesslich, sich seinem Trauma zu stellen.

drachenspiele (2009)447 seitenCHF 15.90HeynePaul hat bei Christine Halt gefunden. Eines Tages erhält sie einen Brief ihres ver-

schollenen Bruders, in dem er sie um Hilfe bittet. Paul begibt sich in die Abgründe der chinesischen Gesellschaft.

Herzenstimmen280 seitenCHF 29.90Blessing

so hartes und brutales Land geworden, und diese Entwicklung möchte ich gern aufzeigen.

Wird es irgendwann auch eine Burma-Trilogie geben? Schreiben Sie auch noch eine Fortsetzung von «Herzenstim-men»? Ich habe keine Fortsetzung geplant, aber das hatte ich auch nicht nach «Das Her-zenhören». Ehrlich gesagt würde ich gern wissen, wie es mit Julia weitergeht – und das kann ich nur herausfinden, wenn ich die Geschichte weiterschreibe. Die Neu-gierde ist jedenfalls da.

Julia Win muss sich am Ende zwischen Burma und der USA entscheiden. Sie haben bei aller Liebe zu Asien Potsdam als Wohnort gewählt. Warum?Ich würde sicher gern noch einmal in Asien leben, aber meine Frau ist froh da-rüber, dass wir uns mit unseren Kindern in Potsdam niedergelassen haben. Dank meinem Beruf kann ich mich aber oft wegträumen, und für meine Recherche-reisen bin ich oft in Asien. Ich kann heute glücklicherweise irgendwie in beiden Welten leben.

alle bücher finden sie auch auf IntervIeW | 13

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Nach Island 2011 ist dieses Jahr erneut ein abgelegener Inselstaat Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Und wie Island besitzt auch Neuseeland eine alte Traditi-on von Sagen und Geschichten. Diese stammen von den Maori, die das «Land der langen weissen Wolke» – in ihrer Spra-che «Aotearoa» – ab dem 13. Jahrhundert von Polynesien aus besiedelten. Die Erzäh-lungen wurden anders als in Island aber

lange nur mündlich weitergegeben. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts begannen christliche Missionare, die oft von der Ent-stehung der Welt und Aotearoa handeln-den Geschichten niederzuschreiben.

unterschiedliche verwurzelungObwohl sich jeder siebte Neuseeländer den Maori zugehörig fühlt, wird die Welt der Moari bis heute aber nur von wenigen

Autorinnen und Autoren thematisiert. Zu dieser kleinen Gruppe gehört Keri Hulme. Sie hat Maori-Vorfahren und wurde 1984 durch ihren Erstlingsroman «Unter dem Tagmond» weltbekannt. Auch die neueren Geschichten und Gedichte ihrer Samm-lung «Steinfisch» sind von der Mythen- und Symbolwelt der Maori durchdrungen: Der Steinfisch ist in der Sprache der Maori ein Fisch aus Jade, der einst das Meer vor

Traumhafte Seelen-Landschaften

Neuseeland wird oft auf traumhaft schöne Landschaften, Kiwis aller Arten und Bungee-Jumping reduziert. Anlässlich der Frankfurter Buchmesse im Oktober kann man auch eine reiche

Literatur entdecken – denn das Land ist Ehrengast. Aus diesem Anlass wurden 76 Bücher neu ins Deutsche übersetzt.

markus ganz

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Neuseeland durchschwamm. Keri Hulme beschreibt in diesen Texten auf eigenwilli-ge Weise, wie Menschen am Rande ihrer Möglichkeiten eine bedrohliche Welt durchstreifen.

Wie Keri Hulme schreiben die allermeis-ten neuseeländischen Autoren auf Eng-lisch; Maori beherrschen nur gerade vier Prozent der Bevölkerung, und dies auch nur mündlich. Die neuseeländische Litera-tur wird aber auch aus anderen Gründen noch immer stark von Grossbritannien ge-prägt. Neuseeland hat sich nur sehr lang-sam von seiner ehemaligen Kolonialmacht gelöst und ein eigenes Nationalbewusst-sein entwickelt – noch heute ist Königin Elisabeth II. offizielles Staatsoberhaupt. Viele Autoren aus Neuseeland wandern zudem nach Grossbritannien aus oder le-ben zeitweise dort, wo viele ihrer Vorfah-ren herkommen. Rund zwei Drittel der Neuseeländer sind europäischer Abstam-mung.

Wenn es etwas gibt, das die neuseeländi-sche Literatur von der europäischen ab-hebt, ist es der Hang zum Traumhaften bei der oft zentralen Schilderung des Innenle-bens. Darauf spielt der Maori-Teil im Mot-to des Gastauftritts an der Buchmesse an: «While you were sleeping / Bevor es bei euch hell wird / He moemoea he ohorere». Das bedeutet ungefähr, plötzlich aus ei-nem Traumzustand aufzuwachen. Solche traumhaften Stimmungen findet man auch in weltweit bekannten neuseeländischen Kinofilmen wie «Das Piano», «Ein Engel an meiner Tafel» oder «Die letzte Kriege-rin». Weniger bekannt ist, dass diese Er-folgsfilme auf Büchern neuseeländischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller ba-sieren. Dies gilt auch für die Erfolgskomö-die «Ladies Night» von Stephen Sinclair und Anthony McCarten, auf welcher auch der Kinokassenschlager «The Full Monty» aufbaut.

starke FrauenAnthony McCarten beschreibt in einem eindrücklichen Vorwort für die beiden Sammlungen «Glück – und andere Meis-tererzählungen» sowie «Sämtliche Er-zählungen» von Katherine Mansfield das tragische Leben und das grossartige Schaffen der bekanntesten Schriftstellerin Neuseelands. Die als Meisterin der Short Story in die Literaturgeschichte eingegan-gene Autorin habe Geschichten geschaffen «so profund wie die letzten Worte einer Sterbenden», meint er. In diesen Samm-lungen wird schnell klar, was die schon

steinfischkerI hulMe272 seitenCHF 23.90s. Fischer

glück – und andere meistererzählungenkatherINe MaNSfIelD 288 seiten CHF 15.90diogenes

sämtliche erzählungenkatherINe MaNSfIelD1000 seiten CHF 67.–diogenes

dem neuen sommer entgegenJaNet fraMe287 seitenCHF 31.90dtv

komm, spiel mit mirPaDDy rIcharDSoN432 seitenCHF 33.90droemer

ganz normale HeldenaNthoNy MccarteN464 seiten CHF 34.90diogenes

die Frau im blauen mantellloyD JoNeS316 seitenCHF 31.90rowohlt

die ForrestseMIly PerkINS400 seitenCHF 32.90Berlin verlag

von Kollegen wie Virginia Woolf, Hermann Hesse und Ernest Hemingway bewunderte Autorin auszeichnete, die im Alter von nur 34 Jahren 1923 starb: Katherine Mans-field charakterisiert ihre Figuren messer-scharf, obwohl in ihren atmosphärischen Erzählungen meist nur sehr wenig ge-schieht.

Ebenfalls weltbekannt ist Janet Frame, nicht zuletzt dank der Verfilmung ihres au-tobiografischen Romans «Ein Engel an meiner Tafel». In «Dem neuen Sommer entgegen» beschreibt sie eine in London lebende Schriftstellerin aus Neuseeland, die von einem wohlmeinenden Kritiker zu einem Wochenende bei sich eingeladen wird. Dies verunsichert die Autorin stark, die sich in dieser fernen Welt und in sich selbst fremd fühlt: «Nichts war einfach, be-kannt, sicher, geglaubt, verbürgt», schreibt Janet Frame in diesem 1963 entstandenen Buch. Es war ihr für eine Veröffentlichung zu persönlich, so dass es erst nach ihrem Tod im Jahr 2004 veröffentlicht werden konnte. Mit seinem offensichtlich autobio-grafischen Charakter erweitert und relati-viert es ihren Klassiker «Ein Engel an mei-ner Tafel».

verschwinden von kindernNeuseeland führte 1893 als erstes Land der Welt das Frauenwahlrecht ein. Viel-leicht erklärt dies, dass die neuseeländi-

NeuSeelaND

mg. Bei uns ist Neuseeland als Land «auf der anderen Seite der Erde» bekannt. Der im südlichen Pazifik liegende Staat besteht aus einer Nord- und einer leicht grösseren Südinsel sowie vielen wesentlich kleineren Inseln. Seine Fläche ist fast sieben Mal so gross wie jene der Schweiz, doch leben darauf mit 4,4 Millionen Einwohnern nur gut halb so viele Menschen – und rund 30 Millionen Schafe. Flora und Fauna sind trotz der vielen Haustiere aussergewöhn-lich geblieben, nicht nur wegen der langen Isolation der Inselgruppe. Neuseeland zeichnet sich auch durch viele unterschied-liche Vegetationszonen aus. Diese erklärt sich durch seine über 1600 Kilometer lange Nord-Süd-Erstreckung sowie die vertikale Ausdehnung bis zum Mount Cook, der 3754 Meter hoch ist.

alle bücher finden sie auch auf neuseeland | 15

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sche Literatur und ihre Themen bis heute stark von Frauen geprägt werden. Etwa von Paddy Richardson, der mit «Komm, spiel mit mir» ein ungewöhnliches Buch gelungen ist. Ein Mädchen verschwindet, spurlos, ertrinkt wohl im See. Die Angehö-rigen fühlen sich schuldig, weil sie nicht gut aufgepasst haben. Die ältere Schwester des Kinds wird aus einem Schuldgefühl heraus gar Psychiaterin – und sie stösst als solche viele Jahre später auf einen ähnli-chen Fall. Überzeugt davon, dass dies kein Zufall sein kann und beide Fälle Verbre-chen waren, nimmt sie die Jagd auf. Paddy Richardson schildert nebenbei auch den Wandel eines idyllisch gelegenen Kaffs in Neuseeland zur touristischen Kleinstadt.

Auch in «Ganz normale Helden» von An-thony McCarten verschwindet ein Kind, das allerdings bereits 18 Jahre alt ist. Trotzdem suchen die Eltern verzweifelt nach ihm. Die einzige Spur führt zu einem Online-Game, das von sechs Millionen Menschen gespielt wird. Der Vater begibt sich in diese ihm völlig fremde virtuelle Welt – und verliert immer mehr den Boden

in der realen Welt. Als Avatar cachiert, be-obachtet er seinen Sohn und beginnt mit ihm zu chatten. Anthony McCarten ist nicht nur ein menschlich berührender Ro-man geglückt. Er packt beiläufig viel über die Absurditäten des Internetzeitalters hi-nein, in dem «offline zu sein als Akt sozia-ler Aggression gilt», wie es einmal im Buch heisst. «Ganz normale Helden» ist die Fortsetzung des Romans «Superhero», dessen Verfilmung in diesem Herbst in die Kinos kommt.

verloren in einer fremden WeltLloyd Jones ist ein wagemutiger Autor, der in seinem neuen Buch teilweise an Hen-ning Mankell erinnert. In «Die Frau im blauen Mantel» führt er in eine Welt, die auch ihm fremd sein dürfte. Feinfühlig er-zählt er die Geschichte einer afrikanischen Frau, die in einem Hotel arbeitet und dann auf beschwerliche Weise «durch die Fes-tung Europa» nach Berlin reist. Sie ist auf der Suche nach ihrem Kind, das ihr der Va-ter – auch er schwarzer Hautfarbe und Tourist mit deutsch-amerikanischen El-tern – arglistig weggenommen hat. Lloyd

Jones moralisiert nicht, schildert nur die verschlungene Geschichte dieser Frau und jene der Menschen, deren Weg sie gekreuzt hat. Dazu gehört auch ein Kommissar, der schliesslich erkennt, dass die Wahrheit vie-le Gesichter hat.

Von einem ganz anderen Kulturschock handelt «Die Forrests» von Emily Per-kins. Die Schriftstellerin erzählt in diesem Roman die Geschichte einer Familie, die von New York nach Auckland zieht. Dies ist zwar mit Abstand die grösste Stadt Neu-seelands, sie wirkt aber in weiten Teilen vergleichsweise verschlafen. Munter und detailreich beschreibt Emily Perkins, wie die verschiedenen Mitglieder diese neue Welt erfahren und langsam in sie eintau-chen.

16 | neuseeland books nr. 3/2012

BILDBAND

SWISS VISIONMit Swiss Vision hat der renommierte Landschaftsfotograf Patrick Loertscher ein wahres Meisterwerk der Extraklasse geschaffen, sozusagen eine Liebeserklärung an seine Heimat, das die besonderen Werte der Schweiz in ihrer ganzen Ursprünglichkeit und Schönheit festhält. Ein aussergewöhnlicher Bildband, der sich an alle Menschen wendet, welche die Schweiz lieben und mit viel Freude die visuelle Schönheit dieses einzigartigen Landes mitten in Europa geniessen oder weiterreichen möchten.

Bildband Swiss Vision von Patrick Loertschermit einem Vorwort von Adolf Ogi

durchgehend deutsch /englischgekürzte Fassung im Anhang: f, i, sp, jap, chin, r208 Seiten, ca. 150 FarbabbildungenGegliedert in 14 Schweizer Regionen30.5 x 24 cm, Leinenband mit SchutzumschlagISBN: 978-3-905987-12-6

L i c h t v i s i o n e n S c h w e i zpatrick loertscher

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Pendo

ISbN 978-3-86612-325-0

Im kentucky der späten 1930er-Jahre

ist es einer weissen frau nicht nur

verboten, mit einem Dunkelhäutigen

eine beziehung einzugehen – es ist

auch höchst gefährlich. trotz war-

nungen und widerständen setzen

sich Isabelle und robert in ihrer liebe

aber über alle konventionen hinweg.

Sie zahlen dafür einen hohen Preis. 70

Jahre später begleitet die dunkelhäuti-

ge friseurin Dorrie ihre Stammkundin

Isabelle durchs halbe land zu einer

beerdigung. auf der reise kommen

die beiden frauen einander nahe. So

nahe, dass Isabelle ihr lang gehütetes

Geheimnis lüftet und ihre verzwei-

felte liebe von damals noch einmal

aufleben lässt. am ende der reise in

die vergangenheit löst sich ein letztes,

bittersüsses rätsel.

JulIe kIbler

zu zweit tut das Herz nur halb so weh

288 Seiten

chf 28.90

kiepenheuer & witsch

ISbN 978-3-462-04482-9

In einer einzigen schlaflosen Nacht

erzählt die Schlafforscherin ellen feld

die Geschichte von dem, was sie ver-

lor, und von denen, die sie liebt. und

von dem, was nicht geweckt werden

darf. während unter ihr die hambur-

ger u-bahnen vibrieren, denkt sie an

ihr heimatdorf Grund zwischen dem

kieswerk und den Spargelfeldern; an

andreas, den sie nur ein Mal geküsst

hat; an ihre grosse tochter orla, die

Gedichte raucht und windharfen

baut; an ihren liebhaber benno, der

einem Deserteur auf der Spur ist und

selbst abtrünnig wird. und sie denkt

an den kleinen renaissance-chor,

den ihr vater ins leben rief, um seine

schlafende frau aus der unterwelt zu

singen.

katharINa haGeNa

vom schlafen und verschwinden

272 Seiten

chf 31.90

rowohlt

ISbN 978-3-498-07382-4

Die meisten leiden ohne Gewinn –

diesen Satz will Martin walser

widerlegen. Mit einem festessen im

Schloss bellevue fängt alles an: ein

Schriftsteller sitzt am tisch einer ihm

unbekannten theologin und kann den

blick nicht von ihr lösen. wenig spä-

ter schreibt er ihr. es kommt zu einem

briefwechsel, der von Mal zu Mal in-

tensiver wird. beide beteuern immer

wieder, dass sie glücklich verheiratet

sind. aber sie gestehen auch, dass sie

dadurch, was sie einander schrei-

ben, aus sich herausgehen können

– und dass sie dabei ihre ehepartner

verraten. Nur weil ihr briefabenteuer

so aussichtslos ist, darf es sein. an

ein persönliches treffen ist nicht zu

denken ...

MartIN walSer

das dreizehnte kapitel

288 Seiten

chf 29.90

S. fischer

ISbN 978-3-10-049019-3

Seit vier Jahren arbeitet Nick, der

junge, erfolgreiche londoner anwalt,

in Moskau. er dachte, er kenne die

Stadt. Doch als er sich in die schöne

russin Mascha verliebt, verändert sich

alles. Nick ist überzeugt: Mascha ist

die frau seines lebens. Doch sie zeigt

ihm, wie dunkel und glitzernd, be-

rauschend und zynisch die welt sein

kann. Schäbige Nachtclubs und ver-

lassene Datschen im eisigen winter,

ein krimineller Drahtseilakt aus armut

und Dekadenz, Sex und betrug. Nick

bemerkt nicht, wie er unaufhaltsam in

eine fatale Selbsttäuschung abgleitet.

alles hat eben seinen Preis. vor allem

die liebe.

Die packende charakterstudie eines

Mannes im freien fall.

a. D. MIller

die eiskalte Jahreszeit der liebe

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Page 18: Books 3/12

Fans, könnte sie ruhig jedes zweite Jahr einen neuen Potter-Roman veröffentlichen.

In der Tat hat Rowling eine Weiter-führung der Saga nicht ausge-schlossen. Vorläufig aber will sie ihren verschmitzten Helden in Ruhe sein Leben als erwachsener Mann geniessen lassen. Es gehört nämlich zu den Besonderheiten der Harry-Potter-Serie, dass die Helden nicht wie in den meisten anderen Kinderbuchserien gleich alt bleiben. Vielmehr sind Harry und seine Kumpanen mit jedem Band älter geworden. So, wie der Teenager Harry unaufhaltsam die Freuden und Leiden des Erwach-senwerdens kennenlernt, sehnte sich auch die Muse von J.K. Row-

ling nach einer neuen Herausforderung. Das Resultat – «Ein plötzlicher Todesfall» – erzählt die Geschichte einer idyllischen Kleinstadt, die durch den Tod eines Ge-meinderatsmitgliedes jäh aus seinem Dorn-röschenschlummer gerissen wird.

Die Streitereien, Neidereien und Gaunerei-en von Politikern haben schon immer und überall ein gefundenes Fressen abgegeben für Autoren, die mit dem Verlauf der Dinge unzufrieden waren. Die Politik in Grossbri-tannien ist besonders gut dazu angetan, reichhaltiges Material für Satiren abzuge-ben. So, wie im Parlament die Mehrheit der Abgeordneten und daher auch die Macht im Land alle paar Jahre zwischen Labour und Tories hin und her geht, wird die Politik auch auf Gemeindeebene weitgehend durch diese Polarität bestimmt; je nach Ge-gend kann einer der Pole manchmal durch die Liberale Partei oder die schottischen Nationalisten ersetzt werden. Diskussionen spitzen sich deswegen rasch zu einem un-differenzierten Schwarz-Weiss-Palaver zu, bis es nur noch darum geht, dem Gegner

Eine Welt ohne Harry Potter? Sie ist kaum mehr vorstellbar. Bloss 15 Jahre sind ver-gangen seit den ersten Abenteuern des schlauen Lehrlings im Zauberinternat Hog-warts. Unvergessliche Figuren wie der Bö-sewicht Lord Voldemort und der weise Schuldirektur Albus Dumbledore sind als Archetypen in unsere Alltagskultur einge-gangen. Vom Reitbesenspiel Quidditch exis-tiert unterdessen eine Version für reale Menschen samt jährlich durchgeführtem «World Cup», «Muggle Quidditch» genannt.

So wie die fiktiven Figuren in die Realität hinüber greifen, hat Harry Potter das Leben seiner Schöpferin J.K. Rowling in den Be-reich des Märchenhaften gerückt. Aus der zu Depressionen neigenden alleinerziehen-den Mutter, die sich zum Schreiben ihres Erstlings in die stillste Ecke eines Cafés ver-kroch, ist eine peinlichst auf die Wahrung ihrer Privatsphäre bedachte Autorin ge-worden. Sie lebt mit Ehemann und drei Kindern in einem gewaltigen Landhaus in Schottland, ihr Vermögen wird auf 600 Mil-lionen Pfund geschätzt. Ginge es nach ihren

eins auszuwischen. Auf diese Weise werden Beschlüsse gefasst, die niemandem etwas nützen – aber den Verantwortlichen helfen, das politische Gesicht zu wahren.

Rowling erzählt die Geschichte einer Klein-stadt, die am politischen Hickhack und an der damit verbundenen Verlogenheit zer-bricht. Der Sprung aus der magischen Welt von Hogwarts in die nur allzu reale engli-sche Provinz ist kühn – aber nicht überra-schend. Rowling hat immer wieder poli-tisch Stellung für die Labour-Partei und de-ren Sozialprogramm bezogen und ist sogar als wichtige Geldgeberin hervorgetreten. Darüber hinaus unterstützt sie aktiv eine Reihe wohltätiger Organisationen im Be-reich des Gesundheitswesens.

Übrigens herrscht in Grossbritannien seit Monaten ein emsiges Rätselraten, welches Städtchen Rowling für ihr fiktives «Pag-ford» Modell gestanden haben könnte. Das schottische Kelso, Richmond in Nordyork-shire und Tewkesbury in Gloucestershire sind die bisherigen Favoriten. Alle hoffen sie sehnlichst darauf, dass der garstige Kleinkrieg des Romanes dereinst in den ei-genen Strassen ausgefochten werde. Denn eine Verfilmung der Geschichte ist prak-tisch unausweichlich – und die für die Dreh-arbeiten auserwählte Stadt wird auf einen lukrativen Strom von Schlachtenbummlern zählen dürfen.

Von Hogwarts in die ProvinzNach fast viereinhalb tausend Seiten hat Joanne K. Rowling der magischen Welt von Harry Potter den Rücken gekehrt. Mit ihrem ersten Roman (nur) für Erwachsene wendet sie sich der absurden Welt der Kleinstadtpolitik zu.

Hanspeter künzler

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18 | Im sCHauFenster books nr. 3/2012

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Gibt es in der engen Familie Krisen, geht manchmal fast vergessen, dass man sich gelegentlich auch nach dem Wohlbefinden der etwas entfernteren Verwandten erkun-digen sollte. Holen wir das also nach – und fragen wir trotz griechischer Malaise, Eu-ro-Dümpelei und dem Schreckgespenst ei-ner Berlusconi-Renaissance: Wie geht es eigentlich den USA?

Einer, der Antworten auf diese Frage hat, ist der New Yorker Paul Auster. Seit er mit seinen experimentellen Kriminalromanen der «New Yorker Trilogie» 1987 den Durchbruch als Schriftsteller schaffte, malt er fast jährlich ein neues literarisches Por-trät der US-amerikanischen Gesellschaft. Inzwischen ist der Ehemann der Schrift-stellerin Siri Hustvedt 65 Jahre alt und ein Mann ohne Illusionen. «Die Dinge laufen nicht, Amerika ist blockiert», stellte er vor zwei Jahren in einem Interview trocken fest.

Was er damit auf menschlicher Ebene meint, zeigt er in seinem neuen Roman auf. «Sunset Park» erzählt die Geschichte von vier gescheiterten Existenzen, die in

Brooklyn ein Haus besetzen, obwohl sie längst über das Al-ter von Hausbesetzern hinaus sind. Wie ihr Land sind auch sie blockiert, und auch bei ih-nen laufen die Dinge nicht – weder hinsichtlich Liebe, noch bezüglich Beruf oder Selbstfindung. Als Vertreter einer verlorenen Generation stecken sie irgendwo fest zwi-schen American Dream und der Bankrotterklärung einer mürben Gesellschaft.

Hauptfigur des Romans ist der charismatische Miles Hel-ler, der auf die 30 zugeht und sich seit Jahren auf der Flucht befindet. Als Teil einer Patch-work-Familie stiess er einst seinen Stiefbruder Bobby vor ein herannahendes Auto. Die

Schuld an Bobbys Tod und am Leid der Fa-milie lastete so schwer auf Miles, dass er untertauchte und New York verliess. In Florida lernt er die Liebe kennen – doch es ist eine verbotene Liebe, und Miles muss erneut flüchten. Schicksalshafterweise bietet ihm Bing Nathan, der einzige ver-bliebene Kontakt aus seinem früheren Le-ben, eine Zuflucht an: ein Zimmer im be-setzten Haus am Sunset Park in Brooklyn. Der müde Miles nimmt das Angebot an. Zusammen mit Bing und zwei angeschla-genen Frauen wohnt er nun an einem Ort, der anscheinend von der Welt vergessen wurde. Hier lässt er sich von der Vergan-genheit einholen; Miles sucht und findet wieder den Kontakt zu seinen Eltern.

Es keimt fast so etwas wie Hoffnung auf. Doch Paul Auster ist der Spezialist für trü-be Zwischenfälle, und darum wird der Keimling in einer eher nebensächlichen Situation zertrampelt. Die einzige Kons-tante bleibt eben die Instabilität – jene der Beziehungen und jene der eigenen Gewiss-heiten. Das alles ist sehr düster und auch eher berechenbar. Die Kritik nahm das Buch denn auch nicht gerade begeistert

auf. Wir Europäer hätten sogar noch einen ganz besonderen Grund, dieses jüngste Werk von Paul Auster nicht sonderlich zu mögen: Der Autor verwendet das von ihm über alles geliebte Baseball-Spiel als Meta-pher fürs Leben, und deshalb beschreibt er manchmal seitenlang Biographien von Spielern, zu denen wir keine Verbindung haben.

Und doch: «Sunset Park» hat starke Mo-mente. Wie sich die Figuren auf Dinge stürzen statt auf Menschen, zeigt eindrück-lich, wie brüchig die Beziehungen im Face-book-Zeitalter geworden sind. Die Charak-tere sind interessant, und man will wissen, was aus ihnen wird – obwohl man stets ahnt, dass das nicht allzu viel sein wird. Schön sind die Beschreibungen von Samu-el Becketts Stück «Glückliche Tage» – Aus-ter hat Beckett persönlich gekannt – sowie die Einblicke in die Welt des Films und des Theaters; beide Welten kennt Auster gut, denn der fleissige Nachfahre ukrainischer Juden schreibt auch Theaterstücke und Filmdrehbücher, zudem hat er sich bereits als Filmregisseur betätigt.

«Sunset Park» enthält all jene Elemente, die einen Roman von Paul Auster ausma-chen: Es geht um Aussenseiter, um Identi-tätsfindung, um das Verhältnis zu den El-tern und um die bösen Zufälle, die unser Leben prägen. Auch wenn der neue Roman sicher nicht Paul Austers bester ist, bleibt er fraglos lesenswert – vor allem dann, wenn man wissen möchte, wie es sich in einer Gesellschaft lebt, die sich allmählich aufzulösen scheint.

Auf der Flucht Paul Austers neuer Roman zeigt eine mürbe Gesellschaft zwischen American Dream und sozialem Bankrott.

marius leutenegger

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alle bücher finden sie auch auf Im sCHauFenster | 19

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Ein kurzer Blick in die Tageszeitungen ge-nügt, um zu wissen: Wir befinden uns in ei-ner Krise. Griechenland lebt von der Hand in den Mund, Spanien, Portugal, Irland und Italien wissen kaum mehr, wie hoch ihre Schuldenberge sind, die Geschäfte der In-dustrie in der Eurozone sind rückläufig und die US-amerikanische Wirtschaft liegt hechelnd am Boden. Es werden Euro-Ret-tungsschirme panikartig aufgespannt und Ad-hoc-Lösungen hitzig diskutiert. Man wird das Gefühl nicht los, dass Politik und Wirtschaft verzweifelt versuchen, einen morschen Kahn mit Klebstreifen zusam-menzuflicken, statt ihn aus dem Wasser zu ziehen und grundsätzlich zu überholen. Aber vielleicht täuscht uns Laien der Ein-druck bloss. Was wissen wir denn schon über die Krise, die Börse, die Irrungen und Wirrungen des Finanzmarkts und über Wirtschaft ganz allgemein? Nichts! Aber wie so oft findet man Hilfe bei Büchern: Sie können Licht in den dunklen Wirtschafts-dschungel bringen.

ein paar grundlagenWer wirtschaftlich ganz und gar unbefleckt ist, tut wohl gut daran, sich erst einmal ein wenig Basiswissen zu verschaffen. Genau dieses bietet «Odysseus und die Wiesel: Eine fröhliche Einführung in die Finanz-märkte». Autor Georg von Wallwitz ist nicht nur Fondsmanager, sondern auch Mathematiker und Philosoph – also einer, der dem Klappentext-Versprechen «Er be-schreibt auf menschenfreundliche Art komplizierte Dinge» gerecht werden sollte. In der Tat gewinnt von Wallwitz seine Lese-rinnen und Leser schon im Vorwort für sich, denn dort hält er fest: «Nicht nur Lai-en, sondern auch die Mehrheit der Teilneh-

mer haben am Börsenspektakel grosse Verständnisschwierigkeiten.» Endlich gibt es jemand zu: Die Finanzmärkte wirklich zu verstehen, ist unendlich schwer! Trotz-dem gibt sich der Autor alle erdenkliche Mühe, einem Laienpublikum die Materie auf eine erfrischend direkte und humorige Weise näherzubringen. So erfährt man, dass wir das Papiergeld dem Engländer John Law zu verdanken haben – einem Spieler, ausgerechnet!; dass sich Aktien-kurse, auch wenn so mancher es behaup-tet, nicht voraussagen lassen; und dass ein Begriff wie «Mikroeffizienz» und «Makro-effizienz» nur «eine hübsche Formulierung für das Nicht-Weiterwissen ist». Welche Rolle spielen bei diesem Rundumschlag die Wiesel aus dem Titel? Bei der Beschrei-bung der Börsenberufe: «Wie das Wiesel wird der Fondsmanager – wie jeder andere Akteur an den Finanzmärkten auch – sich immer wieder auf Dinge einlassen, die ihn im Grunde völlig überfordern.» Doch um es klar zu stellen: von Wallwitz ist in seinem Buch weder böse noch gehässig. Er ist ein-fach schonungslos ehrlich, nennt die Dinge beim Namen und gibt auch zu, dass so manches, was an den Finanzmärkten ge-schieht, einfach nur auf Zufall basiert.

die Wurzel allen ÜbelsBeschäftigt man sich mit der Wirtschaft, wird man früher oder später auf das un-schöne Wort «Schulden» stossen – egal, ob es nun um Staatsschulden, Kreditkarten-schulden oder Kredite geht. Macht jemand, zum Beispiel ein Staat, zu viele Schulden, endet das irgendwann im finanziellen De-saster. Das zeigt gegenwärtig das Beispiel Griechenland. Mit diesem alles beherr-schenden Geldthema befasst sich «Schul-

den. Die ersten 5000 Jahre» von David Graeber. Der amerikanische Ethnologe legt ein monumentales Werk vor. Es be-ginnt fast bei Adam und Eva, nämlich im alten Mesopotamien, und es zeigt auf, dass Geld, Schuld(-en) und Moral zu allen Zeiten untrennbar miteinander verbunden wa-ren. Dass der Krieg nicht nur vieles zer-stört, sondern auch Finanzmärkte aufbaut, ist ebenfalls ein Thema des Buchs: «Mit der Gründung von Zentralbanken wurde die Verschmelzung der Interessen von Kriegs-herren und Geldgebern (...) dauerhaft insti-tutionalisiert. Diese ‹Interessengemein-schaft› schuf schliesslich die Grundlage für den Finanzkapitalismus.» Interessant ist auch Graebers Blick hinter die Kulissen des US-amerikanischen Bankensystems, wo Geld nicht vom Staat gedruckt wird, son-dern von der Federal Reserve – in einem recht komplizierten System, das Dollar-scheine unter dem Strich zu Schuldschei-nen macht. Das Buch trägt vielleicht nicht direkt dazu bei, die missliche Wirtschafts-lage zu verstehen. Doch es ist ein äusserst interessanter, verständlich geschriebener «Rundumschlag» zum Thema Schulden.

menschlich, allzu menschlichDoch zurück zur heutigen Wirtschaft. Was geschieht eigentlich an der Börse, wenn die Kurse in die Höhe schiessen oder abstür-zen? Weshalb können Phänomene wie die Internetblase aus dem Jahr 2000 entste-hen, und weshalb können alle Börsentheo-rien der Welt manche Ereignisse nicht er-klären – geschweige denn voraussagen? Mit diesen Fragen beschäftigen sich nicht nur Forscher auf dem Gebiet der Behavio-ral Finance, sondern auch das Buch «Geld denkt nicht» von Hanno Beck. Für den

Endlich verstehen, was alle angeht

Wer den Wirtschaftsteil seiner Zeitung ungelesen beiseite legt, hat entweder keine Aktien, mag keine Hiobsbotschaften mehr hören – oder fühlt sich von monetären Fachsimpeleien

überfordert. Glücklicherweise gibt es viele Bücher, die einem bei diesem wichtigen Thema den Durchblick eröffnen.

erik Brühlmann

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frisch promovierten Volkswirt war es wie ein Schock, als er vor Jahren in seiner Funktion als Finanzjournalist bei der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» schnell merkte, dass ihn sein Universitätswissen zuweilen im Stich liess – oder vielmehr, dass es zu jeder Entwicklung, egal wie abs-trus, irgendeine Erklärung gab: «Alles geht, und alles ist irgendwie plausibel und nachvollziehbar.» Vieles, was an den Kapi-talmärkten passierte, so sein Schluss, «passte nicht in den Werkzeugkasten der klassischen Ökonomie». Denn diese ver-nachlässige den Faktor Mensch. So unter-suchte Beck den Herdentrieb, die mensch-liche Gier oder auch den Hang, Statistiken falsch zu lesen oder nicht zu hinterfragen. Alles verständlich, alles mit einer Prise Hu-mor und alles mit einem ganz grossen Aha-Effekt.

alles, nur nicht sparenDer amerikanische Wirtschaftsnobelpreis-träger Paul Krugman hat sich ebenfalls mit der Wirtschaftskrise, ihren Ursachen und Folgen beschäftigt. Seine Lösung: «Vergesst die Krise!». Zwar liegt sein Fo-kus vor allem auf der US-amerikanischen Wirtschaft und ihrem Niedergang, doch schafft es Krugman auch, die Krise in der EU schlüssig zu analysieren. Sein Fazit: Den Gürtel jetzt enger zu schnallen und das ganze System kaputt zu sparen, wäre grundfalsch. Das, so Krugman, sollten Ex-perten und Politiker eigentlich wissen – doch zögen sie es vor, die Lehren aus der Vergangenheit zu ignorieren. Schliesslich habe schon der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883-1946) gewusst: «Der Aufschwung, nicht der Abschwung, ist die richtige Zeit für Sparmassnahmen.» Daher müssten die Regierungen, auch wenn es schwer falle, heute in Konjunktur-programme investieren, bis der private Sektor einen neuerlichen Aufschwung tra-gen könne. Diese auf den ersten Blick pro-

vokante These untermauert der Autor mit einem einleuchtenden Beispiel: Zwar kann ein Staat versuchen, weniger Geld auszu-geben, als er einnimmt; wenn dies aber alle Staaten gleichzeitig versuchen, wird das ganze System nur noch mehr darunter lei-den. Denn: Wenn niemand Geld ausgibt, wie soll dann jemand Geld einnehmen kön-nen? Interessant ist auch Krugmans Analy-se, wie der Euro und der gemeinsame eu-ropäische Währungsraum die Wirt- schaftskrise beeinflusst, ja im Grunde so-gar herbeigeführt haben – entgegen der landläufigen Meinung, dass die unverant-wortliche Haushaltsführung einiger EU-Mitgliedstaaten für den Einbruch verant-wortlich sei.

revolution! revolution?Für Loretta Napoleoni ist die momentane Wirtschaftskrise nur ein Symptom dafür, dass ein grundlegender Fehler im System steckt. In «Der Flächenbrand der Empö-rung» stellt sie die mutige These auf, dass «einige europäische Demokratien sämtli-che Symptome eines untergehenden Kai-serreichs zeigen, in dem Finanzbarone und Politiker um ihre Privilegien kämpfen wie mittelalterliche Feldherren». Dabei sei es mehr als deutlich, dass das Volk von den herrschenden Zuständen genug habe und dafür auch gewillt sei, auf die Strassen zu gehen. Napoleoni macht einen «Funken» aus, der den gesamten Mittelmeerraum und seine Anrainerstaaten erfasst hat. Die Demokratie, auf die man in der westlichen Welt so stolz ist, sei «nur noch eine Maske, die in Fetzen hängt». Der Protest käme «auf den Flügeln des Web 2.0» daher – in Form von Videokonferenzen bis hin zu Twitter-Meldungen – und manifestiere sich in der Realität, «um Schritt für Schritt alle politischen Strategien zu unterlaufen, die von Regierungen und internationalen Or-ganisationen vertreten werden». Vielleicht ist das Buch zuweilen etwas gar radikal und manchmal auch der Wunsch Vater der Gedanken. Dennoch ist Napoleoni keine Revolutionärin, die ein politisches Traktat abliefert; ihr Buch bewegt sich auf einer Meta-Ebene, die so nicht oft eingenommen wird und nur schon deswegen interessant ist.

Für kennerWer jetzt noch nicht genug hat, kann sich noch an «Sozialismus des Kapitals» von Christian Marazzi versuchen. Doch Vor-sicht: Dieses Buch richtet sich eher nicht an ein Laienpublikum. Marazzi ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Scuo-la Universitaria della Svizzera Italiana in

Odysseus und die Wiesel: eine fröhliche einführung in die FinanzmärkteGeorG voN wallwItz151 seitenCHF 29.90Berenberg

schulden. die ersten 5000 JahreDavID Graeber536 seitenCHF 38.90klett-Cotta

geld denkt nichthaNNo beck330 seitenCHF 28.90Hanser

vergesst die krise! Warum wir jetzt geld ausgeben müssenPaul kruGMaN270 seitenCHF 35.90Campus

der Flächenbrand der empörungloretta NaPoleoNI200 seitenCHF 31.90riemann

sozialismus des kapitalschrIStIaN MarazzI157 seitenCHF 19.90diaphanes

Vielleicht ist das Buch zuweilen etwas gar radikal und manchmal auch der Wunsch Vater der Gedan-ken.

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die falsche münze unserer träume. Wert, tausch und menschli-ches Handeln DavID Graeber 480 seitenCHF 41.90diaphanes

Graeber versucht das Kernproblem der gegenwärtigen Sozialtheorien zu lösen – mit Hilfe der Theoretiker Karl Marx und Marcel Mauss.

das gesetz der krise. Wie die Banken die politik regieren SuSaNNe SchMIDt240 seitenCHF 32.90droemer

Anhand von sechs Krisenherden zeigt Schmidt die Mechanismen und Verflechtun-gen zwischen Bank- und Politiksystemen. Wer regiert wen? Wer hat den Schwarzen Krisenpeter? Und wer badet es aus, wenn am Ende alles schiefgeht?

Wie wir reich wurden: eine kleine geschichte des kapitalismus raINer haNk, werNer PluMPe (hrSG.) 240 seitenCHF 39.90theiss

Renommierte Autoren und Koryphäen der Wirtschaftsgeschichte schildern in diesem Band mit Kolumnen aus der «Frankfur-ter Allgemeinen Sonntagszeitung» Ideen und Erfindungen, geistige und rechtliche Grundlagen unseres Wirtschaftssystems und die prägende Wirkung innovativer Persönlichkeiten.

Wirtschaft zum glück bettINa DyttrIch, PIt wuhrer (hrSG.)260 seitenCHF 32.90rotpunkt

Eine Sammlung von Artikeln der «WOZ», die konkrete Beispiele für solidarisches Arbeiten sowie eine zukunftsfähige Öko-nomie vorstellen und analysieren.

Lugano und macht keinen Hehl daraus, ein Akademiker zu sein. Mit anderen Worten: Ab und zu einen Blick in den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung zu werfen, reicht kaum aus, um Marazzis Ausführungen in Form von Essays und Interviews wirklich folgen zu können. Auch ein gewisses Verständnis des Marxismus hilft, Zusammenhänge zwi-schen Wissenskapitalismus und Finanziali-sierung oder den Wandel von der physi-schen Fabrik zur globalen «Denkfabrik» nachvollziehen zu können.

die BilanzEs ist wie bei fast jedem Thema: Je mehr Bücher man liest, desto mehr Facetten lernt man kennen. Ein Laie wird auch nach der Lektüre dieser Bücher immer noch ein Laie sein – aber zumindest ein gut infor-mierter. Wie die derzeitige Krise wirklich einzuordnen ist und wie man sie bewältigt, wird wohl erst die Zeit zeigen. Und dann ist es wie so oft Sache der Historiker, die Er-eignisse mit objektiver Distanz aufzuarbei-ten und die Lehren daraus zu ziehen.

Noch Mehr wIrtSchaft

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Offizielle Sondermünze 2012

Globi

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Wer kennt ihn nicht, den blauen Papagei mit der karierten Hose und der schwarzen Baskenmütze? Seit 80 Jahren begeistert Globi mit seinen Abenteuern Gross und Klein. Jetzt gibt’s die Silbermünze zu seinem 80. Geburtstag. Zum Sammeln, Schenken und Freude bereiten. Erhältlich bei Banken, im Münzenhandel und auf www.swissmint.ch.

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bookSSPezIal

Biografien:Geschichten, die

das Leben schriebMenschen interessieren sich vor allem für andere Men-

schen – und weicht deren Leben auch noch von jenem der grossen Mehrheit ab, wird es besonders interessant! Des-

halb sind Biografien so beliebt. Sie befassen sich zwar alle mit dem gleichen Gegenstand – der Zeitspanne von der Wiege bis zur Bahre –, darüber hinaus sind sie aber

so verschieden wie die porträtierten Personen selbst.

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schreiben für die staatsraisonPlutachs Personenporträts gehörten bis ins 19. Jahrhundert zum Bildungskanon und wurden zur Charakterformung eifrig gelesen. Eine andere Absicht verfolgte der 100 Jahre nach Plutarch schreibende Sue-ton. Mit seinen Biografien der zwölf Kaiser von Julius Caesar bis Domitian verfolgte er politische und historiografische Ziele. Die Römische Republik war zum Imperium ge-worden, das politische Denken hatte sich verändert: Das Wohl der Menschen hing nicht mehr so sehr von der Qualität der Ge-setze und Institutionen ab wie in der älte-ren griechischen Staatstheorie, sondern viel stärker von den persönlichen Qualitä-ten und Fähigkeiten des Kaisers.

lebensbeschreibung als massstabBei den Römern interessierten also vor al-lem die Ausnahmefälle, sozusagen die Nonkonformisten. Das änderte sich im Mittelalter grundlegend. Zu dieser Zeit wurden Biografien vor allem jenen Men-schen gewidmet, die zwar herausstachen, aber mit Ihrem Konformismus. Die mittel-alterliche so genannte Hagiografie erzählt vom Leben der Heiligen und ihrem Stre-ben nach christlicher Vollkommenheit. Ihr Leben folgte unumstösslichen Regeln einer christlichen Welt- und Wertordnung und sollte anderen als Richtschnur und Mass dienen.

Eine Erzählung braucht einen Gegenstand, Zeit, Raum und Handlung. Die nächstlie-gende, weil natürlichste Einheit dafür ist wohl das menschliche Leben. Die Spanne von der Geburt bis zum Tod ist universell und definitiv. Trotzdem werden sich Men-schen vor Urzeiten nicht Biografien, son-dern die Geschichten ihrer Sippe erzählt haben.

aus dem schatten des kollektivsBiografien sind wohl nicht die «erste Lite-raturgattung», weil sie das Bewusstsein für Individualität voraussetzen. Gilt die in-dividuelle Existenz nur als Umdrehung im ewigen Kreislauf des Lebens und geht es nur ums Überleben der Gemeinschaft, in-teressiert sich niemand für Biografien. Erst im 4. Jahrhundert vor Christus began-nen sich Individuen von der fixen Ordnung der griechischen Polis zu lösen. Dichter und Gelehrte weckten nun das Interesse der Leser. Platons «Apologie» ist die be-kannteste der frühen Gelehrtenbiografien und enthält viele Informationen über das Leben Sokrates’.

der Charakter zeigt sich im detailRund 500 Jahre später schrieb der Grieche Plutarch seine Biografien bedeutender an-tiker Männer. Er beschrieb das Leben ei-nes Griechen und eines Römers, die durch Charakter oder Wirken miteinander ver-bunden waren, jeweils parallel. Das zeigt, dass es ihm weniger um die Überlieferung historischer Ereignisse als um Charakter-studien ging. Damit gleichen seine Biogra-fien vielen, die wir heute gern lesen. Und auch seine Begründung für seine Aufzeich-nungen können wir immer noch verste-hen: «Oft wirft eine unbedeutende Hand-lung, ein Wort oder ein Scherz ein schärferes Licht auf den Charakter als Schlachten mit zahllosen Gefallenen, Zu-sammenstösse der grössten Heere und Be-lagerungskriege um die grössten Städte», schrieb Plutarch in seiner Alexander-Bio-grafie. Noch heute bemühen sich Biogra-fen, im Anekdotischen den Kern einer Per-sönlichkeit oder das Wesen eines ganzen Lebens zu illustrieren.

Die Geburt des IndividuumsBiografien interessieren uns nur, wenn wir glauben, dass jeder Mensch ein unverwechselbares Indivi-duum ist und mit seinen Handlungen den Lauf der Welt verändern kann. Diese Überzeugung wuchs erst langsam heran – und mit ihr das Interesse an Biografien.

Benjamin gygax

Die Wechselbe- ziehung zwischen Individuen und ihrer Umwelt macht auch heute noch den Reiz von Lebensbeschrei-bungen aus.

auftritt des bürgerlichen HeldenSeit dem Mittelalter erfuhr die Biografie Veränderungen, die den Lauf der Zeit spie-geln: Religiöse Vorbilder verloren an Be-deutung, und im 18. Jahrhundert schrieb Johann Gottfried Herder mit «Denkmal Jo-hann Winkelmanns» erstmals die Biogra-fie eines bürgerlichen Helden. Johann Wolfgang von Goethe arbeitete von 1808 bis kurz vor seinem Tod 1832 an seiner Autobiografie «Dichtung und Wahrheit». Im Vorwort dazu schreibt er über die lite-rarische Gattung der Biografie: «Denn dies scheint die Hauptaufgabe der Biografie zu sein, den Menschen in seinen Zeitverhält-nissen darzustellen, und zu zeigen, inwie-fern ihm das Ganze widerstrebt, inwiefern es ihn begünstigt, wie er sich seine Welt- und Menschenansicht daraus gebildet und wie er sie, wenn er Künstler, Dichter, Schriftsteller ist, wieder nach aussen abge-spiegelt.» Die Wechselbeziehung zwischen Individuen und ihrer Umwelt macht auch heute noch den Reiz von Lebensbeschrei-bungen aus.

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Neuerscheinungen: Bunt wie das LebenWie beginnt man die Lebensbeschreibung eines Menschen? Nahe-liegend, ja geradezu natürlich wäre, sie mit seiner Geburt anzufan-gen. So machte es Goethe: «Am 28. August 1749, mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt.» Oft suchen Biografen aber einen Einstieg, der den Grundton für ein ganzes Leben vorgibt.

Benjamin gygax

die zwei leben der grace kellySo auch der deutsche Journalist Thilo Wy-dra in «Grace». Seine Biografie von Grace Kelly setzt 1982 mit dem letzten Augen-blick in ihrem Leben ein: «Das Letzte, was sie gesehen haben mag: der Blick aus dem Auto auf das Fürstentum Monaco. Auf ihr Fürstentum.» Der frühe Unfalltod von Gra-ce Kelly habe ihre Legende geboren, be-gründet Wydra. Eine Ikone war die Schau-spielerin und Fürstin aber schon zu Lebzeiten. Und dieses Leben schildert der Autor auf fast 400 Seiten ausführlich: Wie Grace Kelly in den Filmen Alfred Hitch-cocks zur Stilikone, aber im Filmgeschäft und in seiner Metropole L.A. nie heimisch wird. Wie sie 1956 Südfrankreich betritt und vom Fürsten, den sie heiraten soll, mit Handschlag begrüsst wird. Leider erkau-fen sich die Leserinnen und Leser der Bio-grafie diese ausführliche Beschreibung mit einer bisweilen wenig attraktiven Sprache: «Die Dualität, die Grace Kellys komplexe Persönlichkeit grundiert, rührt zweifelsoh-ne auch aus den stark ausgeprägten Cha-rakteren ihrer Eltern sowie deren sehr dis-parater nationaler und kulturell-sozialer Provenienz.» Wie verführerisch, kurz und bildhaft hat dagegen Alfred Hitchcock sei-nen Star beschrieben: «Grace ist ein schneebedeckter Berg, und wenn der Schnee schmilzt, entdeckt man darunter einen glühenden Vulkan.» Das Zitat eröff-net den Vorspann von Wydras Biografie.

gracethIlo wyDra304 seitenCHF 36.90aufbau

Wettlauf zum südpol«Im kurzen Polarsommer 1911/12 liefer-ten sich fünf Briten und fünf Norweger eine wilde Jagd zur Unterseite der Erde. Nur die Norweger kehrten zurück. Was ge-schah mit den Briten? Wir müssten es ei-gentlich wissen, denn seither wurden mehr als fünfzig Biografien über den Leiter der Expedition geschrieben. Da aber keine Zeugen überlebten, haben etliche Biogra-fen ohne eigene reale Erfahrung unter-schiedlichste Versionen geliefert, zusätzli-che Wendungen in der Tragödie erfunden und sogar Unwahrheiten wiedergegeben.» Gleich zu beginn schreibt Ranulph Fi-ennes, worum es ihm mit «Scott» geht: Mit seiner Biografie will er «in unvoreinge-nommener Weise darlegen, wie Scott und seine Männer Geschichte schrieben». Wo-bei der Autor keinen Zweifel daran lässt, dass diese unvoreingenommene Sicht zur Ehrenrettung des Briten beiträgt, dem oft Überheblichkeit vorgeworfen wurde. Auch er beginnt mit dem Kältetod der Briten, um dann weit auszuholen und in einem gros-sen Bogen die packende Geschichte des schicksalhaften Wettlaufs zu erzählen.

scott – das leben einer legenderaNulPh fIeNNeS 672 seitenCHF 38.90mare

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Heimbiografi enNeun ehemalige Heimkinder blicken als Erwachsene auf ihre Zeit im Kinderheim zurück. Ihre Lebensgeschichten, verbunden mit den Beiträgen von Fachpersonen aus den Bereichen Heim, Justiz und Wissenschaft, machen deutlich, wo heute die Stärken aber auch die Schwächen bei der Heim platzierung liegen.

Barbara Tänzler

Mit einem Vorwort von Kathrin Hilber

Beiträge von Sergio Devecchi, Karl Diethelm,Christoph Häfeli, Thomas Gabriel und Renate Stohler

144 Seiten, mit 9 Schwarzweiss-Porträts von Silvia LucknerISBN 978-3-905748-12-3

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Heimbiografi en

Auswandererbiografi eGummel, Franz und Konrad machen mit dem «Chuchichäschtli» ihr Glück in Kalifornien: die Geschichte dreier abenteuerlustiger Schwei-zer, die in den 50er-Jahren aus der engen Inner-schweiz ins Land der unbegrenzten Möglich keiten aufbrechen und lebenslang Freunde bleiben.

Annemarie Regez

208 Seiten, mit farbigen Fotos von Esther Michel und historischen BildernISBN 978-3-905748-11-6

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enthüllungen nach 100 JahrenNoch einmal dient Goethe als Vergleich: In «Dichtung und Wahrheit» berichtet er heiter und ausführlich aus seiner Jugend, doch um 1775 endet die Erzählung. Der Dichterfürst wollte keine lebenden Perso-nen verärgern. Einen anderen Weg hat dagegen Mark Twain gewählt: Seine 1909 fertiggestellte Autobiografie sollte für 100 Jahre unter Verschluss bleiben: «Ein Buch, das ein Jahrhundert nicht veröffentlicht werden darf, gewährt dem Autor Freiheiten, die er auf keinem ande-ren Weg erreichen kann. Es ermöglicht ihm, Menschen so zu beschreiben, wie er sie kennt, ohne sich Sorgen machen zu müssen, ihre Gefühle oder die ihrer Söh-ne oder Enkel zu verletzen.» Damit hat er 2012 eine Sensation geschaffen: «Meine geheime Autobiografie» erklomm so-eben die Spitze der amerikanischen Best-sellerliste. Jetzt ist das 800-seitige Ver-mächtnis auf Deutsch im Aufbau-Verlag erschienen. Wie man es von Mark Twain erwartet, ist seine Autobiografie eine bunte Sammlung von Anekdoten aus sei-nem Leben, aus der Politik und Ge-schäftswelt: humorvoll, sprachgewaltig und vielleicht nicht immer bis ins letzte Detail wahr.

meine geheime autobiografieMark twaIN1056 seitenCHF 69.00aufbau

noch ein «glimmer twin»Als vor zwei Jahren Keith Richards Auto-biografie «Life» erschien, hatte dieser zu-gegeben, dass die «Glimmer Twins» – Mick Jagger und er – es mit der Wahrheit auch nicht immer so genau nahmen, wenn es dafür der Legendenbildung diente. Jetzt ist pünktlich zum 50-jähri-gen Jubiläum der Rolling Stones Mick Jaggers Biografie von Philip Norman er-schienen. Sie heisst schlicht und einfach «Mick Jagger». Der Autor erzählt die Biografie ganz konservativ von der Ge-burt bis zur Gegenwart, greift aber in sei-ner Deutung weit aus und vergleicht Mick mit Rudolfo Valentino oder mit Ballett-tänzern: «Bei Jagger geht es eher in die Richtung grosser Balletttänzer wie Nijin-sky oder Nurejew, deren scheinbare And-rogynität von ihren lustvollen Blicken auf die Ballerinen und der Wölbung ihres Hosenbundes Lügen gestraft wurde.»

mick JaggerPhIlIP NorMaNerscheinungstermin 1. Oktober 2012560 seitenCHF 42.90droemer

superstar der Oper1895 trug ein Verlag den Vorschlag an Verdi heran, seine Memoiren zu veröf-fentlichen. Der Komponist lehnte ab: «Nie, nie werde ich meine Lebenserinne-rungen schreiben. Es ist genug, wenn die Welt so lange meine Noten ertragen hat ... Niemals möchte ich sie dazu verdammen, meine Prosa zu lesen.» Und so schrieben halt andere über sein Leben. Eben ist die Biografie «Verdi» von Joachim Campe erschienen. Auf über 260 Seiten breitet der Autor Leben und Werk Verdis aus. Zi-tate aus Originalquellen, ausführliche Anmerkungen, ein Werk- und Personen-register sowie eine Begleit-CD mit Aus-schnitten aus den bekanntesten Opern machen die Biografie zu einem hervorra-genden Werk für alle, die Verdi besser kennenlernen wollen.

verdiJoachIM caMPe216 seiten CHF 46.90primus

politische Bekenntnisse eines geschäftsmanns«In meinen Augen sind Memoiren vor al-lem eine Art Bilanz des eigenen Lebens-weges, und das bedeutet unweigerlich, dass man sein Innerstes, das, was man sein Leben lang in sich trägt, offenlegt – vorausgesetzt, man ist ehrlich mit sich selbst.» 2004 schien dem ehemals reichs-ten Mann Russlands und heute bekann-testen Sträfling Michail Chodorkowski die Zeit dafür noch nicht reif. Jetzt hat er gemeinsam mit der Journalistin Natalija Geworkjan sein politisches Bekenntnis

mit dem Titel «Mein Weg» vorgelegt. Eine Autobiografie sei das Buch nicht: «Auch jetzt ist die Zeit nicht reif dafür. Wann ich zu einer Autobiografie im ei-gentlichen Sinn bereit sein werde, kann ich nicht sagen. Das hängt sowohl mit meiner derzeitigen Situation zusammen als auch damit, dass ich noch nicht Bi-lanz ziehen will – ich hoffe noch auf eine Zukunft!» Dafür rechnet er ab mit der jüngsten russischen Geschichte und ih-ren Akteuren. Sicher ist das kein neutral verfasster Lebensbericht, aber spannend zu lesen ist das Buch auf jeden Fall.

mein Weg – ein politisches BekenntnisMIchaIl choDorkowSkI uND NatalIJa GeworkJaN380 seitenCHF 31.90dva

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der Haken mit dem ankerAuch das ist eine Biografie, wenn auch eine ganz besondere: Sambal Oelek und Andreas Müller stellen unter dem Titel «Albert Anker reloaded» ein Buch zum bekannten Schweizer Maler vor. Damit werden wir gleich zum ersten Mal hin-ters Licht geführt, denn Sambal Oelek ist der Künstlername des Berner Comic-zeichners, Schriftstellers und Architek-ten Andreas Müller. Und das bleibt nicht die einzige Schummelei. Die beiden Auto-ren folgen der Spur von 20 bisher unbe-kannten Gemälden von Albert Anker, die den Genremaler in einem neuen und un-erwarteten Licht zeigen. Diese Bilder sind im Anhang des «Romans und Kata-logs» dann auch zu sehen und heissen «Die Katzentöterin» oder «Der Tätowie-rer». In einem Interview gibt Andreas Müller zu: «Ganz so ernst sollte mein

Buch dann doch nicht genommen wer-den. Es sollte auch mit einem Augen-zwinkern gelesen werden, da ist viel Iro-nie dahinter.» Es sei durchaus beabsichtigt, die Leser etwas durchein-ander zu bringen und ihre Vorstellung von Anker zu erschüttern. «Die Grund-idee zu diesem Band könnte man eine da-daistische nennen; die Bilder sind eine freie Variation auf Anker, ein freies Zi-tat», erklärt der Autor. Spass macht der kunsthistorische Dada-Krimi auf jeden Fall – und vielleicht ist er ja in gewisser Weise doch nicht so weit von der konven-tionellen Biografie entfernt. Denn letzt-lich ist jede Lebensbeschreibung ein Konstrukt, das die Ansicht und Absicht des Schreibenden widerspiegelt. Zugege-ben: In der Regel werden für das Konst-rukt mehr Fakten verwendet als in die-sem Buch.

albert anker reloaded – roman und katalogSaMbal oelek uND aNDreaS Müller210 seitenCHF 54.00rotpunktverlag

alle bücher finden sie auch auf spezIal – biogRaFien | 27

So spannend wie das Leben

René Lüchinger

Walter KielholzSwiss Re und Credit Suisse, der Freisinn und die Kunst

Walter Kielholz – ein Typus Manager, wie es sie nicht mehr viele gibt

Hildegard Schwaninger

Ich wollt, ich wär ein MannDie erfolgreiche Journalistin beschreibt ihr Leben mit Witz und Esprit

Marcel Rohr

Alex FreiKönig des Strafraums

Der schillerndste und erfolg-reichste Schweizer Stürmer der Geschichte

Stefan Hohler

Hans Ulrich LenzlingerFluchthelfer, Abenteurer und Lebemann

Eine wahre Lebensgeschichte, spannender als jeder Roman

232 Seiten, gebunden mit SchutzumschlagISBN 978-3-7272-1141-6

Erscheint im Oktober 2012192 Seiten, mit Bildteil, gebundenISBN 978-3-7272-1350-2

Erscheint im Oktober 2012 ca. 208 Seiten, mit Bildteil, gebundenISBN 978-3-7272-1356-4

Erscheint im Oktober 2012ca. 164 Seiten, Abbildungen, gebundenISBN 978-3-7272-1264-2

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«Es soll Freude machen, sich mit dem Leben anderer zu beschäftigen»Uwe Naumann betreut seit 27 Jahren die Rowohlt-Monografien. Sie sind in einer Gesamtauflage von 21 Millionen Exemplaren erschienen und waren für lange Zeit die einzige leicht zu-gängliche Quelle, wenn man sich für das Leben einer bekann-ten Person interessierte. Ihr Herausgeber weiss, was auch im Internetzeitalter eine lesenswerte Biografie ausmacht.

Benjamin gygax

Books: Generationen von Schülern und Studenten haben sich mit den Mono-grafien aus Ihrem Verlag über Persön-lichkeiten und deren Werk informiert. Heute gibt es Wikipedia. Braucht es diese Bücher noch?Uwe Naumann: Ich finde, sie sind immer noch gleich nötig, weil sie die verläss-lichste und knappste Form sind, sich über Leben und Werk herausragender Persön-lichkeiten zu informieren. Sie werden aber leider nicht mehr gleich nachgefragt, weil die junge Generation oft mit den Infor-mationen im Netz zufrieden ist. Natürlich sind die nützlich, auch ich verwende sie. Aber sie sind nicht gleich zuverlässig und

nicht zu vergleichen mit der erzähleri-schen Eleganz einer schön geschriebenen Monografie.

Sie haben unzählige Monografien herausgegeben. Was macht denn Ihrer Meinung nach die Qualität einer Biogra-fie aus?Die meisten Persönlichkeiten haben ja ein sehr spannendes Leben oder eine interessante Werkbiografie – das Wich-tigste daraus muss vorkommen, das ist klar. Aber die Biografie muss mich auch hineinziehen. Ich lese nicht nur berufs-bedingt Biografien, sondern mit Leiden-schaft; und ich ärgere mich immer, wenn

ich mich durch die Seiten quälen muss. Es soll Freude machen, sich mit dem Leben anderer zu beschäftigen.

Was fasziniert Sie denn immer noch an Biografien?Sie sind ein wunderbarer Spiegel für das eigene Leben. Natürlich beschreiben viele Höhenflüge, und niemand wird sich mit Mozart oder Goethe messen wollen. Aber der Bezug zum eigenen Leben ist durch das Werk immer da. Denn die allermeisten Künstler – auch die grössten – befassen sich ja mit grundlegenden Fragen, die uns alle beschäftigen.

In Ihrer Reihe gibt es grob gesagt drei Gruppen: die Künstler, die Wissenschaft-ler und die Politiker. Entstehen daraus drei verschiedene Typen von Monogra-fien?Bei Künstlern besteht natürlich der Anspruch, die wichtigsten Werke darzu-stellen und zu deuten. Das kann sogar dazu führen, dass in einzelnen Bänden Lebensdarstellung und Werk getrennt sind. Das ist nicht meine Idealvorstellung, aber es kann vorkommen. Bei histori-schen Persönlichkeiten ist dagegen das Essayistische noch wichtiger. Und die Wis-senschaftler sind in unserer Reihe eher ein Sonderfall – sie werden auch etwas weniger gelesen.

Wie wird man eigentlich in den erlauch-ten Kreis der porträtierten Persönlich-keiten aufgenommen?Die Entscheidung trifft im Kern der Herausgeber – das bin ich –, indem ich der Verlagsleitung meine Empfehlungen unterbreite. Wir wählen Personen aus, die bei den Leserinnen und Lesern ein hohes Interesse wecken, weil sie wie Mozart oder Goethe zum Kanon gehören oder weil ein aktueller Anlass wie die Nobelpreisverleihung oder ein Gedenktag anstehen. Es kommen immer wieder neue Personen dazu, aber es gibt natürlich auch solche, für die man sich früher interessier-te, die aber mit der Zeit verblassen. Von den bisher erschienen 660 Monografien sind zurzeit etwa 450 noch verfügbar.

Es fällt auf, dass nur wenige lebende Personen in die Reihe aufgenommen wurden.Es gibt Ausnahmen: Bei den Schriftstel-lern haben wir Frisch und Böll zu Lebzei-ten aufgenommen oder erst kürzlich Toni Morrison. Bei den Politikern gilt das für Willy Brandt oder Helmut Schmidt. Aber grundsätzlich bevorzugen wir Tote.

28 | spezIal – biogRaFien books nr. 3/2012

Page 29: Books 3/12

Weshalb?Ein Lebenswerk soll in klaren Zügen überschaubar sein. Zudem ist bei leben-den Personen der Fall oft etwas kompli-zierter. Wir sind ja auf Fotos angewiesen – und die bekommen Sie nur, wenn Sie in freundlichem Kontakt zu den Porträtierten stehen. Manche Personen oder Nachlass-Stiftungen bestehen dann darauf, das Manuskript zum Lesen zu bekommen. Darauf lassen wir uns hin und wieder zäh-neknirschend ein, aber es kann natürlich nicht sein, dass eine Reihe, die auch für kritische Töne bekannt ist, mit Freundlich-keiten um sich wirft.

Wie ist die Monografien-Reihe eigentlich entstanden?Die Idee hat der Rowohlt-Verlag buchstäb-lich übernommen von der biografischen Reihe «Ecrivains de toujours» der Edi-tions du Seuil aus Frankreich, die in den 1950er-Jahren bekannt war. Unsere Reihe wurde 1958 mit Monografien zu Kleist, Shakespeare, Knut Hamsun und Antoine de Saint-Exupéry eröffnet. Die Grund-idee bestand darin, Text und Bildquellen zusammenzubringen und sich stark auf Selbstzeugnisse abzustützen. Die Reihe trug zu Beginn auch den Untertitel «In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten». Wir haben ihn dann aber weggelassen, weil wir meinen, dass unsere Autoren nicht nur Collagisten von Selbstzeugnissen sind, sondern selbst über grosse darstel-lende Qualität verfügen.

Hat sich seit 1958 etwas verändert?Gut gehende Darstellungen wie jene zu Brecht oder Wagner haben wir ersetzt. Man kann schliesslich nicht einfach den

«Die Informationen im Netz sind nütz-lich – aber sie sind nicht gleich zuver-lässig und nicht zu vergleichen mit der erzählerischen Eleganz einer schön geschriebenen Mo-nografie.»

Wissensstand von 1960 übernehmen. Diese neueren Bände verfügen auch über einen etwas frischeren Darstellungsstil. Vor zwei Jahren haben wir begonnen, so genannte enriched E-Books herauszuge-ben. Als erstes haben wir die Monografien von Einstein, Mozart, Hemingway und Musil mit rund 20 Ton- und Filmdoku-menten angereichert, Gutenberg ist in Vorbereitung. Die Ergebnisse sind faszi-nierend, aber bisher noch kein grosser kommerzieller Erfolg. Vielleicht liegt in diesen elektronischen, angereicherten Formen dennoch ein Stück der Zukunft des Biografienmarkts.

alle bücher finden sie auch auf spezIal – biogRaFien | 29

M E I N E G E H E I M E A U TO B I O G R A P H I E

MARK TWAIN

Foto

: Will

iam

Van

der W

eyde

(190

6)

Erst 100 Jahre nach seinem Tod darf die Autobiographie erscheinen – so verfügte es Mark Twain. Erstmals auf Deutsch: sein letztes, größtes Werk.

J E T Z T I M H A N D E L

1 0 0 J A H R E

U N T E R

V E R S C H L U S S

2 Bände im Schuber1056 Seiten, 69 AbbildungenLeinen, LesebandISBN 978-3-351-03513-6

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Page 30: Books 3/12

208 Seiten

chf 23.90

herder

ISbN 978-3-451-30562-7

Startpunkt timbuktu, ziel Marra-

kesch. Dazwischen eine der gefähr-

lichsten landschaften der erde. Die

authentischen beschreibungen und

reflexionen stellen uns vor die frage,

wie wir entdecken können, was wir

wirklich wollen, und wie wir unsere

Grenzen überwinden, um uns zu

finden. wie wir auf eine ausserge-

wöhnliche reise zu uns selbst gehen

können, auch wenn sie unbequem

und scheinbar endlos ist. andrea vo-

gels eindringliche texte werden wun-

derbar ergänzt durch beatrice keck

– sie setzt sich mit den existenziellen

fragen auseinander, welche sich vogel

auf der schwierigsten wüstentour

der welt stellen.

Das buch enthält 20 eindrückliche

abbildungen.

aNDrea voGel

beatrIce keck

neuland – durch die Wüste zu mir selbst

260 Seiten

chf 29.90

herder

ISbN 978-3-451-30627-3

Der «traumschiff»-kapitän erzählt

aus seinem leben. kaum ein anderer

deutscher Schauspieler ist so lange

im Geschäft. 1958 begann Siegfried

rauch seine karriere auf den the-

aterbühnen Deutschlands. 1970

spielte er mit karl Malden in «Patton

– rebell in uniform». 1971 stand er

in «le Mans» mit Steve McQueen

vor der kamera – woraus sich eine

freundschaft fürs leben entwickelte.

Seit 1999 durchkreuzt er als kapitän

Jakob Paulsen mit dem traumschiff

das Meer. Siegfried rauch erzählt von

begegnungen, von seiner zeit in hol-

lywood und davon, warum er wieder

nach Deutschland zurückkehrte.

Gewürzt ist das buch mit seinen

lieblingsrezepten aus aller welt. Mit

zahlreichen abbildungen.

SIeGfrIeD rauch

käpt’ns dinner

320 Seiten

chf 34.90

S. fischer

ISbN 978-3-10-092107-9

roger willemsen setzt in diesem

buch ein leben gänzlich aus seinen

Momenten zusammen. augenblicke

von stimmungsvoller Intensität stehen

neben bemerkenswerten Situationen,

Dialoge neben Natur- oder kunst-

betrachtungen, Gefahrenmomente

neben augenblicken der liebe. Damit

ist «Momentum» nicht nur ein sehr

persönliches buch der erinnerung,

sondern zugleich eine einzigartige an-

leitung, die entscheidenden augenbli-

cke unseres lebens zu erkennen. was

sie eint, ist allein die Prägnanz, mit der

sie sich im Gedächtnis erhalten haben.

Sind sie das Glück?

roger willemsen feiert mit seinem

neuen buch den augenblick – und

nutzt ihn gleichzeitig, um die erfah-

rung eines lebens zu verdichten.

roGer wIlleMSeN

momentum

1392 Seiten

chf 49.90

S. fischer

ISbN 978-3-10-051510-0

Standardwerk und Sensation: endlich

liegt eine grosse, bahnbrechende,

opulent illustrierte biographie vincent

van Goghs vor. Sie übertrifft alle

bisherigen lebensbeschreibungen und

ermöglicht einen völlig neuen blick auf

das Malergenie. Sie vereint grosse er-

zählerische kraft mit psychologischem

feingefühl, neueste forschungser-

gebnisse mit unbekannten einblicken

in van Goghs leben: seine tiefe ver-

wurzelung in kunst und literatur, sein

kompliziertes liebesleben, den kampf

gegen seine psychische erkrankung

sowie die mysteriösen umstände

seines todes.

Diese imposante, völlig neue und

tief berührende lebensbeschreibung

eines der grössten künstler der Mo-

derne wird lange zeit bestand haben.

ab 9. oktober 2012 im handel.

SteveN NaIfeh uND GreGory

whIte SMIth

van goghsein leben

30 | BuCHtIpps books nr. 3/2012

Page 31: Books 3/12

496 Seiten

chf 33.90

kiepenheuer & witsch

ISbN 978-3-462-04374-7

annas eltern trennen sich, als ihre

Mutter katariina herausfindet, dass

ihr Mann sie betrügt. Sie ist estin,

verleugnet aber ihre herkunft, weil

sie weiss, welch schlechtes ansehen

estinnen in finnland haben. Sie gelten

als russische huren, die es geschafft

haben, durch heirat nach finnland zu

entkommen. aus angst, dass ihrer

tochter die gleiche verachtung zuteil

wird, darf diese die estnische Sprache

nicht lernen und keinem sagen, woher

die Mutter stammt.

SofI okSaNeN

stalins kühe

128 Seiten

chf 22.90

edition Nautilus

ISbN 978-3-89401-760-6

Die autorin erzählt in düsterer

knappheit, frei von larmoyanz und

Schockeffekten, utes Geschichte: In

trostloser armut wächst sie in den

1970er-Jahren in einem Dorf am

Meer auf – geboren mit hasenscharte

und sechs fingern an jeder hand,

unerwünscht, vom Stiefvater miss-

braucht. Das buch erzählt aber auch

von utes widerstand und von der

zarten liebe zum türkischen Mitschü-

ler volkan. Schliesslich rächt sich ute

an ihren Peinigern, den hänselnden

Mitschülern, dem Stiefvater, der still-

schweigend duldenden Mutter.

corinna t. Sievers schildert in

ihrem roman, der auf einer wahren

begebenheit beruht, die traurige

Geschichte eines kurzen lebens und

einer Jugendliebe.

corINNa t. SIeverS

schön ist das leben und gottes Herr-lichkeit in seiner schöpfung

544 Seiten

chf 27.90

krüger

ISbN 978-3-8105-1945-0

Im prächtigen Stadtpalast ihres

Grossvaters, des berühmten

Malers amadeo lax, macht die

junge kunsthistorikerin violeta eine

unheimliche entdeckung. bei den

restaurierungsarbeiten stösst man

auf einen zugemauerten raum, der

etwas furchtbares offenbart. was

ist geschehen mit den frauen ihrer

familie? was flüstern die wände

des familiensitzes? Sie sind zeugen

alter ambitionen, verborgener

leidenschaften, tragischer verwick-

lungen – und eines unaussprechlichen

Geheimnisses.

eine reise durch das aufregendste

Jahrhundert barcelonas, der stolzen

Stadt zwischen Meer und Moderne.

Der bestseller einer der meistgele-

senen autorinnen Spaniens, der mit

diesem roman der internationale

Durchbruch gelang.

care SaNtoS

die geister schweigen

928 Seiten

chf 39.90

ullstein

ISbN 978-3-550-08878-0

In der Maschinenstickerei kronhardt

& Sohn rattern nach dem krieg die

Maschinen, als wäre nichts gewesen.

willem, das einzige kind der firmen-

erbin, wächst unter der strengen

kontrolle von Mutter und Stiefvater

auf. früh geht willem auf Distanz,

sucht seine freiheit auf ausgedehnten

ausflügen in die Natur und in der

begegnung mit unterschiedlichen

Menschen. In bewegenden bildern

und einprägsamer Sprache erzählt

dieser grosse deutsche entwicklungs-

roman über 60 Jahre leben in der

bundesrepublik. kapitel für kapitel

öffnet sich ein kosmos aus ereignis-

sen, erinnerungen und blickwinkeln,

in dessen zentrum die Suche des

Menschen nach sich selbst steht.

ralPh DohrMaNN

kronhardt

alle bücher finden sie auch auf BuCHtIpps | 31

Page 32: Books 3/12

Books: Ernst, du hast für unsere Runde «Die tausend Herbste des Jacob de Zoet» von David Mitchell vorgeschlagen ...Patrizia Melaugh (PM): Ich würde ja gern wissen, wie man den Namen im Titel aus-spricht ... Ernst, das weisst du dank deiner holländischen Wurzeln sicher.Ernst Schipper (ES): Das Z spricht man als S, und ein Oe ist ein U – der Mann heisst also Sut für süss. Der Roman spielt im Japan der Edo-Epoche und beginnt 1799. Japan hat sich völlig abgeschottet von der Aussenwelt, kein Ausländer kann einrei-sen, allein die Niederländische Ostindien-Kompanie darf Handel betreiben. Für die kleine Kolonie der Holländer ist im Hafen von Nagasaki die Insel Dejima aufgeschüt-tet worden; die Holländer dürfen diesen Ort, der mit dem Festland nur durch eine Brücke verbunden ist, nicht verlassen.

Warum wickeln die Japaner ihren Aussenhandel ausgerechnet über die Holländer ab?ES: Zuvor arbeiteten sie mit den Portugie-sen, aber diese versuchten, sie zu missio-nieren. Die protestantischen Holländer ha-ben garantiert, das nicht zu tun. Nun leben die Europäer also auf dieser künstlichen Insel. Die meisten von ihnen sind korrupt bis ins Mark und arbeiten vor allem in die eigene Tasche. Die Kompanie schickt deshalb einen neuen Verwalter und den Buchhalter Jacob de Zoet nach Dejima; sie sollen die Misswirtschaft beseitigen. Das erste Drittel des Romans dreht sich nur darum, wie sich de Zoet überall unbeliebt macht, weil er unbestechlich ist. PM: Er begegnet dann einer Japanerin, einer Hebamme. Beziehungen zwischen den Einheimischen und den Europäern sind absolut verboten, beide werden

ständig überwacht, eine richtige Liebesbe-ziehung kann nicht zustande kommen. Als der Vater der Frau stirbt, wird sie von der Stiefmutter in ein Kloster gesteckt.ES: Nun folgt ein Abenteuer-Teil: de Zoet will seine Geliebte befreien, und ein Freund, ein Japaner, unterstützt ihn dabei. Im Kloster werden obskure Dinge getrieben, darunter eine Form von Kan-nibalismus, die das ewige Leben sichern soll. Ich nehme an, Mitchell will mit diesen Episoden die Auswirkungen des Feudalis-mus aufzeigen.PM: Ja, und was in einer derart abgeschot-teten Gesellschaft alles möglich ist. Die Rettungsaktion geht allerdings schief ... ach, je länger wir erzählen, desto stärker merke ich, dass man dieses Buch eigent-lich gar nicht zusammenfassen kann.ES: Das stimmt. Es ist derart reichhaltig, gleichzeitig Liebes- und Abenteuerroman, es geht um den Kampf der Kulturen ... die Holländer werden als habgierig darge-stellt, die Japaner als hochmütig, und die beiden Gruppen können nicht miteinan-der kommunizieren. Im letzten Drittel wird es dann auch noch politisch: Die Engländer wollen sich den Handelsposten unter den Nagel reissen und entführen deshalb dessen Leiter.

Beruht das Buch denn auf historischen Tatsachen?ES: Ja, es handelt sich hier um einen his-torischen Roman, also um eine erfundene Geschichten, die vor einer Kulisse aus wahren Fakten spielt.PM: Historischer Roman – das klingt ein wenig nach Schinken, aber dieses Buch finde ich wahnsinnig gut geschrieben. Es gibt immer wieder kleine Abschnitte mit winzigen Beschreibungen, die einfach

Die Debatte Was machen eine Buchhändlerin und ein Buchhändler in der Kaffeepause? Sie plaudern über Bücher. Books hat sich im «Starbucks» der Filiale Kramhof zu den Orell-Füssli- Mitarbeitenden Patrizia Melaugh und Ernst Schipper gesetzt.

marius leutenegger erik Brühlmann

die tausend Herbste des Jacob de zoetDavID MItchell720 seitenCHF 31.90rowohlt

aus den FugenalaIN clauDe Sulzer228 seitenCHF 27.90kiepenheuer & Witsch

mayas tagebuchISabel alleNDe447 seitenCHF 36.90suhrkamp

32 | kaFFeepause books nr. 3/2012

Page 33: Books 3/12

umwerfend sind – und die beweisen, dass Mitchell ein wirklich guter Schriftsteller ist. Einmal zum Beispiel beginnt ein Ab-schnitt mit der Bemerkung darüber, wie der Tee in einer blassen Schale abkühlt. Ein holländischer Verwalter fragt sich, wie man dieses Spinatwasser überhaupt trin-ken könne. Mit diesen zwei Sätzen wird so viel ausgedrückt: Man spürt die Eleganz der Japaner – und das Unverständnis mancher Holländer.ES: Ja, das Buch ist sehr lyrisch, und Mit-chell hat einen ganz eigenen Stil.PM: Er ermöglicht einem, ganz und gar in die Geschichte einzutauchen. Man beginnt zu lesen, und schon befindet man sich in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort. ES: Mir ist es genau gleich gegangen: Ich fühlte mich selber vor Ort und roch förm-lich das Meerwasser.

Eure Zusammenfassung klingt aller-dings etwas kompliziert, und die Liste der Hauptfiguren am Ende des Buchs ist lang. Ist es denn schwierig, der Geschichte zu folgen?ES: Nein, denn Mitchell erzählt linear, er springt nicht von einem Handlungsfaden zum anderen. Ich denke, er hat diese Er-zählweise bewusst gewählt, um das Fuder nicht zu überladen. PM: Es ist schon ein dickes Buch mit viel Handlung, aber ich denke auch, dass sich da jeder und jede gut zurechtfindet.

Wem gefällt denn dieser Roman?PM: Vielen – davon bin ich überzeugt. Si-cher allen, die historische Romane mögen, zum Beispiel jene von Hilary Mantel oder Rebecca Gablé.ES: Und man kann das Buch auch allen empfehlen, die eine Affinität zu Japan haben.

Kommen wir zum zweiten Buch: «Aus den Fugen» von Alain Claude Sulzer. Patrizia, du hast vorgeschlagen, darüber zu reden. Worum geht’s?PM: Ein weltberühmter Pianist macht sich fertig für ein Konzert. Parallel dazu wird erzählt, wie sich auch andere darauf vorbereiten: eine Frau, die den Anlass mit ihrer Freundin besuchen will und deren Mann daheim bleibt, der Manager des Pianisten, seine Sekretärin und so weiter. In jedem Kapitel wird erzählt, wie sich jemand bereit macht. Die verschiedenen Stränge steuern auf das Konzert zu – und auf den dramaturgischen Höhepunkt: Der Pianist bricht plötzlich das Konzert ab und läuft aus dem Saal. Er hat genug von sei-

nem Leben als Starmusiker und schmeisst alles hin. ES: Der Abbruch des Konzerts hat viele Folgen: Die Frau kommt zu früh nach Hause und entdeckt, dass ihr Mann untreu ist, für die Sekretärin bricht eine Welt zusammen. Eine andere Frau, die das Konzert mit ihrer zickigen Nichte besucht hat, geht mit ihr noch etwas trinken – und lernt sie da richtig kennen. Alle diese Momentaufnahmen zeigen, wie sehr das Leben von Zufälligkeiten bestimmt wird. Ich finde, das Buch ist hervorragend kom-poniert. Ein solches Konzept könnte einen Text aufblasen, aber Sulzer braucht nur etwas über 200 Seiten. Er bringt die Sache extrem auf den Punkt – auch, indem er vieles nur andeutet und der Fantasie der Leserinnen und Leser überlässt.PM: Mir gefallen solche Bücher, die mit der Gleichzeitigkeit von Ereignissen spielen. Denn es ist ja schon interessant: Während wir hier über Bücher reden, wird anderswo vielleicht jemand fast von einem Auto überfahren. Sulzer stellt diese Gleichzeitigkeit auf sehr kunstvolle Weise dar.

Ist das denn hohe und anspruchsvolle Literatur?PM: Es ist Literatur, die sehr gut unterhält. ES: Diese Unterscheidung von seriöser Literatur und Unterhaltung ist sowieso hinfällig. Man kann auf literarisch hohem Niveau unterhalten – wie auch David Mitchell beweist.

Warum hast du dieses Buch ausgesucht, Patrizia?PM: Weil ich bisher noch nie etwas von Alain Claude Sulzer gelesen habe; er ist Basler, und ich hatte gehört, er sei gut.ES: Vor ein paar Jahren gewann er in Frankreich einen Preis. Ich habe schon frühere Werke von ihm gelesen und fand diese ebenfalls sehr gelungen. Man muss sagen, dass Sulzer bei uns offenbar ver-kannt wird.

Von der nächsten Autorin, deren Buch wir diskutieren, kann man das nicht behaupten: Isabel Allende ist ein Welt-star, seit sie vor 30 Jahren «Das Geis-terhaus» publizierte. Von den drei hier vorgestellten Büchern wird sich «Mayas Tagebuch» wohl am besten verkaufen.ES: Das wird wohl so sein. Die Leute lesen manchmal einfach die falschen Bücher – es gibt so tolle Werke, aber das hier ist wirklich nicht geglückt.

patrizia melaugh, 60, lebt in Schaffhau-sen und arbeitet in der Abteilung Belletris-tik der Filiale Kramhof. Sie mag vor allem Bücher aus dem englischen Sprachraum. Ihre zwei Kinder sind bereits erwachsen.

ernst schipper, 44, lebt in Zofingen und arbeitet in der Abteilung Belletristik der Filiale Westside in Bern. Der gebürtige Niederländer und Bücherfan studierte Germanistik, arbeitete in Zürich im Spieleladen «Rien ne va plus» und wurde anschliessend Buchhändler.

Patrizia Melaugh: «Es gibt immer wieder kleine Abschnitte mit winzigen Beschrei-bungen, die einfach umwerfend sind – und die beweisen, dass Mitchell ein wirklich guter Schriftsteller ist.»

Ernst Schipper: «Er bringt die Sache extrem auf den Punkt – auch, indem er vieles nur andeutet und der Fantasie der Lese-rinnen und Leser überlässt.»

alle bücher finden sie auch auf kaFFeepause | 33

Page 34: Books 3/12

Worum geht es?PM: Der Roman ist in Tagebuchform ver-fasst. Die 19-jährige Maya trifft auf einer chilenischen Insel ein. Ihre Grossmutter hat sie hergeschickt, weil Maya viele Probleme hat. In Rückblicken beschreibt die junge Frau ihr Leben: Sie kommt in den USA zur Welt und wächst dort auf. Die Mutter verschwindet, als Maya noch klein ist, der Vater kümmert sich wenig um das Mädchen, und Maya wird von den Gross-eltern aufgezogen. Als der von ihr geliebte Grossvater stirbt, gerät Maya auf die schiefe Bahn. Bald steckt sie im Drogen-milieu, sie kommt in eine Entzugsklinik, flüchtet von dort nach Las Vegas, gerät an einen Gangster, der sie als Drogendealerin anheuert, sie wird Prostituierte, Alkoho-likerin, schliesslich hat sie auch noch mit Geldfälscherei zu tun – nun, die junge Frau erlebt einfach alles Schlimme, das man sich vorstellen kann. Es wird nichts ausgelassen. Am Ende sind alle hinter Maya her, die Gangsterbosse und die korrupte Polizei. Auf der Insel versucht die Frau dann wieder zu sich selbst zu finden. ES: Ja, das ist ein richtiges Selbstfin-dungsbuch: Maya kommt wieder auf den geraden Weg.

Das sagst du mit einem ironischen Un-terton.ES: Es ist einfach alles absolut unglaub-würdig. Allende packt viel zu viel in ihr Buch hinein.PM: Genau – am Ende will sie daraus auch noch einen Thriller machen.ES: Es ist ein bisschen, als würde man Sightseeing in der Welt der Probleme betreiben: Da hat es noch etwas – und das

gibt es ja auch noch! Dabei bleibt alles komplett an der Oberfläche. PM: Und diese Tour ist dann auch noch in einem eher flapsigen Stil geschrieben. ES: Ich fand den Stil doch eher sehr nett. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal Chris von Rohr zitieren muss – aber «mehr Dreck» hätte diesem Buch wirklich gut getan. Es wirkt alles doppelt unglaub-würdig, weil die Sprache überhaupt nicht passt.PM: Ja, alles wird fast lustig überspielt. Am Schluss eines solchen Buchs müsste ich als Leserin ja etwas erfahren haben – zum Beispiel müsste ich denken: Jetzt verstehe ich, wie jemand derart auf die schiefe Bahn geraten kann. Aber nein, man kann überhaupt nichts aus diesem Buch ziehen. Nur weil man immer mehr Farbe aufträgt, wird ein missratenes Bild eben noch lange nicht besser.

Euer Urteil ist eindeutig, aber Allende ist nun einmal eine Erfolgsautorin. Warum kommt sie denn so gut an?PM: Als ich vor vielen Jahren «Das Geis-terhaus» las, gefiel es mir gut. Warum diese Autorin aber immer noch so viel Erfolg hat, verstehe ich nicht. «Mayas Tagebuch» kam mir manchmal wie ein Jugendbuch vor, aber auch in diesem Bereich gibt es viel Besseres. Alles ist sehr simpel gestrickt, und Allende treibt einfach die Handlung voran. Wenn man dem Buch etwas zugute halten will, kann man sagen: Das Verhältnis, das Maya zum Grossvater hat, ist schön und mit Wärme beschrieben. Und auch die Leute auf der Insel sind schön kauzig. Aber auch da fällt Allende schnell wieder in Klischees – und

baut gleich noch ein wenig häusliche Gewalt ein.

Die obligate Frage: Wem würdet ihr dieses Buch empfehlen?ES: Dieses oberflächliche Geplapper von Maya kann ich nicht empfehlen, tut mir leid. Aber vielleicht waren wir jetzt ein wenig zu negativ. PM: Nein, ich habe das Buch wirklich nicht gern gelesen.ES: Ich auch nicht. Lange war ich gedul-dig, weil ich wusste, dass wir hier darüber sprechen wollen, aber irgendwann riss der Geduldsfaden und ich las nur noch beschleunigt. Man kann dabei nichts Wichtiges verpassen – denn es passiert ja auch nichts Wichtiges.

34 | kaFFeepause books nr. 3/2012

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Page 35: Books 3/12

480 Seiten

chf 32.90

Piper

ISbN 978-3-492-05551-2

Jan hauger besitzt als erzieher

glänzende zeugnisse. Doch es ist kein

zufall, dass er sich im abgelegenen

kinderhort in valla an der schwedi-

schen westküste vorstellt. Der hort

ist durch einen unterirdischen Gang

mit der örtlichen psychiatrischen

klinik verbunden. So sollen selbst die

als gefährlich eingestuften Insassen

durch den kontakt zu ihren kindern

schneller ins leben zurückfinden.

Damit hat Jan kein Problem – aber er

hat auch ein Geheimnis: unter seiner

aufsicht ging ein kind verloren, das

erst nach tagen wieder auftauchte.

warum will er ausgerechnet in valla

arbeiten? und was verbindet ihn mit

dem psychopathischen Mörder Ivan

rössl, der seit Jahren in der klinik

behandelt wird?

JohaN theorIN

so bitterkalt

240 Seiten

chf 33.90

finanzbuch

ISbN 978-3-89879-710-8

es scheint, als habe währungsma-

nager von hartenstein verloren:

Schwer beladene lkws verlassen

in der «Stunde des adlers» den ge-

heimen atombunker der Deutschen

bundesbank. Jahrzehntelang im wald

verborgen, rollt die neue D-Mark

hinaus ins land. aus angst vor dem

zerfall des euro hatten die Deutschen

ihr Gold im Garten vergraben, land

gekauft und Geld in echte waren

getauscht. Nach dem willen der

neuen bundesregierung, geführt von

der «Deutsche Mark Partei», soll

die wiedereinführung der D-Mark

endlich die rettung bringen. für

von hartenstein beginnt ein schier

aussichtsloser kampf um die zukunft

Deutschlands und um sein leben.

Die spannende antwort auf die

frage: was passiert eigentlich, wenn

die D-Mark wieder kommt?

MarkuS a. wIll

die stunde des adlers

304 Seiten

chf 32.90

Droemer

ISbN 978-3-426-19925-1

In einer Nacht im Mai 1948 verliert

der begnadete Geiger Ilja Grenko sei-

ne beiden wertvollsten Schätze: seine

familie und seine Stradivari. viele

Jahrzehnte später wird Sascha, Iljas

enkel, in einer Münchner hotellobby

zeuge, wie seine Schwester vika

kaltblütig erschossen wird. In ihrem

zimmer entdeckt er hinweise über

den verbleib der geliebten Stradivari

seines verstorbenen Grossvaters Ilja.

Sascha macht sich auf die gefährli-

che Suche nach dem Mörder seiner

Schwester. Die Spur führt ihn nach

russland – und zurück zu jener Nacht

im Mai 1948, als sein Grossvater ver-

haftet und zu 20 Jahren arbeitslager

verurteilt wurde.

Der neue roman der Gewinnerin des

Deutschen krimi-Preises 2012.

MechtIlD borrMaNN

der geiger

240 Seiten

chf 29.90

Diogenes

ISbN 978-3-257-06829-0

Der frankfurter Privatdetektiv kayan-

kaya ist zurück: älter, entspannter,

cooler – und sogar in festen händen.

ein abenteuerlustiges upperclass-

Mädchen verschwindet. wahrschein-

lich ist sie mit einem älteren Mann

zusammen, der sich als künstler

ausgibt. ausserdem soll kayankaya

während der frankfurter buchmesse

einen marokkanischen Schriftsteller

vor den angriffen religiöser fanatiker

beschützen. zwei scheinbar einfache

fälle, doch zusammen führen sie zu

Mord, vergewaltigung, entführung.

und kayankaya kommt in den ver-

dacht, ein auftragskiller zu sein. Dabei

will er eigentlich nur eines: mit seiner

langjährigen freundin Deborah ein

ruhiges, entspanntes leben führen.

Jakob arJouNI

Bruder kemal

alle bücher finden sie auch auf BuCHtIpps | 35

Page 36: Books 3/12

«Der Aufbau des ersten Buchs, das ich heute vorstelle, klingt vielleicht ein biss-chen kompliziert – alles ist aber sehr ein-leuchtend und flüssig geschrieben: ‹Split-terwelten› von Michael Peinkofer weist zwei Handlungsstränge auf, die je in einem anderen Universum spielen. Jedes Univer-sum ist in kleinere Welten zersplittert. Das eine Universum wird von den Menschen beherrscht; als Sklaven halten sie sich Zwitterwesen zwischen Mensch und Tier, die so genannten Animalen. Die Macht über dieses Universum liegt in den Händen einer Gilde. Deren Mitglieder können al-lein durch die Kraft ihrer Gedanken Luft-schiffe bewegen; damit verfügen sie über die einzige Verbindung zwischen den Split-terwelten. Kalliope, eine junge Gildeschü-lerin, wird zusammen mit einer erfahre-nen Gildemeisterin auf die Splitterwelt Jordråk geschickt, um dort den Mord an einer anderen Gildemeisterin aufzuklären. Parallel dazu erzählt Bestseller-Autor Mi-chael Peinkofer eine Geschichte, die in ei-nem anderen Universum spielt – dort sind die Animalen und Chimären die Herrscher und die Menschen die Sklaven. Hauptfigu-ren dieses Erzählstrangs sind der Dieb Cory und der Sklave Kieron; die beiden werden gezwungen, in einer extrem verru-fenen Splitterwelt eine geradezu selbst-mörderische Mission durchzuführen. Lan-ge Zeit wechselt Peinkofer zwischen den beiden Welten hin und her; erst ganz am Schluss erkennt man, welchen Zusam-menhang die beiden Erzählstränge haben. Und dann beginnt das Abenteuer erst rich-tig – schliesslich handelt es sich hier ja um

Fantastisch!

Eine junge Mitarbeiterin von Orell Füssli präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps aus dem Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen.

marius leutenegger

«splitterwelten» ist zwar sehr plastisch geschrieben – aber die zeichnungen im Buch helfen, der geschichte noch einfacher folgen zu können.Bild: Iris Compiet, eyeris

36 | FantastIsCH! books nr. 3/2012

Page 37: Books 3/12

der atem des teufelsthoMaS thIeMeyer 460 seitenCHF 28.90loewe

dancing JaxrobIN JarvIS544 seitenCHF 24.90script5

manuela Bigler, 23, arbeitet in der Kinder- und Jugendbuchabteilung von Orell Füssli im Berner Einkaufszentrum Westside. «Das Lesen hat mich von Kind auf begleitet», sagt sie, «deshalb wollte ich auch beruflich mit Büchern zu tun haben.» Am liebsten mag sie Fantasy-Romane. «Bei diesem Genre kann ich am besten abschalten», sagt die Bernerin. «Ich lese nicht so gern Geschichten, die zu nahe an der Realität sind, denn Lesen soll ja auch einen Ausgleich zum Alltag bieten.»

eine Trilogie. Ich persönlich mag solche komplexen Geschichten, die am Ende ein Ganzes ergeben. Mir hat vor allem gefal-len, wie in diesem Buch vollständige Wel-ten erschaffen werden: Alles ist detailreich und plastisch beschrieben, die Charaktere sind gut herausgearbeitet und entwickeln sich im Verlauf der Geschichte. Dank eini-ger toller Zeichnungen kann man sich alles gut vorstellen. Ich würde dieses Buch aber nur älteren Jugendlichen oder Erwachse-nen empfehlen, für Kinder ist alles wohl etwas zu komplex.

Die jüngeren Leserinnen und Leser sind meines Erachtens besser bedient mit ‹Der Atem des Teufels› von Thomas Thiemey-er. Dabei handelt es sich um den vierten Band der ‹Chroniken der Weltensucher›; man muss die früheren Bücher aber nicht kennen, um dieses hier zu verstehen. Tho-mas Thiemeyer präsentiert in jedem Buch eine coole Mischung verschiedener Ein-

flüsse: Er erzählt spannende Abenteuergeschichten im Stil von Indiana Jones, kombiniert sie mit historischen Fakten und fantastischen Elementen. Dies-mal geht es um den katastro-phalen Ausbruch des Kratakau-Vulkans im Jahr 1883. Thiemeyer nutzt dieses tatsäch-liche Ereignis in der Gegend von Java als Ausgangspunkt für eine eigenwillige Geschichte: Die Katastrophe hat die Erd-kruste aufgerissen, und aus den Spalten steigen jetzt regelmäs-sig gehörnte, dämonenhafte Kreaturen empor. Sie entführen Menschen an einen unbekann-ten Ort und versetzen die Bevöl-kerung in Angst und Schrecken. Der Generalgouverneur von Niederländisch-Indien, der über Kratakau herrscht, sucht Hilfe – und findet sie bei Karl-Friedrich von Humboldt, einem älteren Herrn, der sich aus ei-nem Gefühl der Verbundenheit heraus wie der berühmte Na-turforscher Humboldt nennt. Gemeinsam mit seinem Adop-tivsohn Oskar, seiner Nichte und einem Hausmädchen reist unser Humboldt im Luftschiff nach Java und geht der Sache auf den Grund. Die einheimi-sche Bevölkerung entführt al-lerdings die Nichte und opfert sie den Kreaturen – so bleibt Humboldts Team nichts ande-

splitterweltenMIchael PeINkofer 573 seitenCHF 26.90piper

res übrig, als den Teufeln in die Erdspalte zu folgen. Gemeinsam mit Oskar, aus des-sen Sicht die Geschichte hauptsächlich er-zählt wird, entdecken wir dort eine Welt voller fantastischer Kreaturen. Es klingt abgedroschen, aber man will das Buch wirklich nicht mehr aus der Hand legen, wenn man einmal mit Lesen begonnen hat. Alles ist sehr flüssig erzählt, und die Kombination realer Ereignisse und aben-teuerlicher Fantasie ist ausserordentlich attraktiv.

Noch weniger weglegen kann man ‹Dan-cing Jax› von Robin Jarvis – und bezeich-nenderweise geht es in diesem Buch gera-de darum: Um ein Buch, das einen komplett in den Bann schlägt. Dieser erste Teil einer Trilogie gilt zwar als Jugend-buch, ich empfehle es aber eher für Er-wachsene – es handelt sich hier nämlich um eine äusserst gruslige Horror-Fantasy-Geschichte. Eine Gruppe von Gaunern dringt in ein uraltes Haus ein, um es zu plündern. Im Keller findet sie mehrere Kis-ten mit dem gleichen Kinderbuch, eben ‹Dancing Jax›. Die Kisten werden mitge-nommen, und schon bald beginnt Ismus, der Anführer der Truppe, sich mehr als ei-genartig zu benehmen. Er hat offenbar ein Exemplar des Buchs gelesen und verlangt nun, dass die anderen es ihm gleichtun; nur Shiela weigert sich. Sie muss miterle-ben, wie sich alle immer stärker verän-dern, nachdem sie das Buch gelesen ha-ben. Ismus lässt die Bücher auch an die Schülerinnen und Schüler des Dorfs vertei-len; Shiela will die Jugendlichen warnen, doch niemand hört auf sie. Denn wer glaubt schon, dass ein Buch gefährlich sein kann! Doch dann ereignet sich eine schlim-me Katastrophe, bei der 41 Kinder ster-ben. Das ganze Dorf ist erschüttert, aber der Samen ist gesetzt: Immer mehr Leute lesen das Buch, bald scheinen alle davon infiziert ... Unheimlich ist diese Geschichte vor allem, weil die Figuren richtig krass drauf sind, nachdem sie das Kinderbuch gelesen haben. Man weiss überhaupt nicht, worauf die Sache hinausläuft, alles wird immer eigenartiger und unheimli-cher. Am Anfang gefiel mir ‹Dancing Jax› nicht so besonders, ich legte das Buch zwischendurch sogar für ein paar Tage zur Seite, aber dann nahm ich es wieder zur Hand und konnte mich nicht mehr davon lösen. Mir ging es also wie den Fi-guren im Buch – das ist doch wirklich un-heimlich!»

alle bücher finden sie auch auf FantastIsCH! | 37

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tim lenny geor-ge, 17, absolviert im Kramhof in Zü-rich das zweite Jahr seiner Buch-händler-Lehre. Er lebt in einem Dorf ausserhalb von Bern und braucht täglich vier Stun-den, um morgens

zur Arbeit und danach wieder nach Hause zu gelangen. «Den weiten Weg nehme ich aber gern auf mich», sagt er. «Denn die Zeit im Zug kann ich zum Lesen nutzen.» Sein Tipp: «Jake Djones und die Hüter der Zeit» von Damian Dibben. «Jake Djones führt ein ganz gewöhnliches Le-ben, bis er eines Tages von einem Agenten des Geheimbunds der Geschichtshüter um Hilfe gebeten wird. Dieser Bund sorgt da-für, dass der Verlauf der Geschichte nicht verändert wird. Um ihre Aufgabe zu erfül-len, müssen die Mitglieder des Bunds durch die Zeit reisen – und den Bösewicht Prinz Xander Zeldt daran hindern, die Ge-schichte nach seinem Willen zu verändern und der Welt damit für immer seine Herr-schaft aufzuzwingen. Ausgerechnet dieser Prinz Zeldt hält Jakes Eltern gefangen. Im Venedig des 16. Jahrhunderts beginnt ein wildes Rennen gegen den Lauf der Ge-schichte ... ‹Jake Djones und die Hüter der Zeit› sorgte schon vor der Veröffentlichung in England für Furore: Die Übersetzungs-rechte wurden bereits in 22 Länder ver-kauft, die Filmrechte gingen an die renom-mierte Produktionsgesellschaft Working Title. Dibben schreibt bereits den zweiten Teil dieser tollen Abenteuerserie; er wird im antiken Rom spielen. Ich freue mich schon sehr – und alle Fans von Harry Pot-ter und Artemis Fowl dürfen sich mitfreu-en!»

Junge Mitarbeitende von Orell Füssli geben weitere Tipps:

piyasena dürst, 28, ist Buchhänd-ler in der Filiale Bellevue; berufs-begleitend stu-diert er Wirt-schaftsinformatik. Als begeisterter Fantasy-Leser ist er für die Fantasy-Abteilung verant-

wortlich. Unter anderem informiert er sich auf einschlägigen englischsprachigen Fan-Sites über alle Trends und Neuigkeiten; da-durch kann er den Kundinnen und Kunden immer frühzeitig die spannendsten Titel empfehlen. Im Moment verweist er gern auf den ersten Teil der Trilogie «Der Weg in die Dunkelheit» von Erica O’Rourke: «Mo Fitzgerald führt ein gewöhnliches Le-ben. Doch ihre beste Freundin wird er-mordet – und sie selbst wird von mysteriö-sen Schatten gejagt. Plötzlich befindet sich die junge Frau mitten in einem Krieg ge-heimnisvoller magischer Kräfte. Jetzt muss sie sich entscheiden zwischen zwei Welten, zwischen zwei Schicksalen sowie zwischen zwei faszinierenden und gefähr-lichen Männern ... Besonders gefallen hat mir am Auftakt dieser spannenden, zuwei-len düsteren Fantasy-Trilogie die sympa-thische und anfänglich unscheinbare Hauptfigur. Als ihre beste Freundin Verity stirbt, muss sich Mo nicht nur mit deren Tod abfinden, sondern auch lernen, für sich selber einzutreten. Sie wird dabei im-mer rebellischer, während sie versucht, sich von ihrem Onkel Billy – einem Mafia-boss in Chicago – und ihrer kontrollsüchti-gen Mutter abzustehen. Das ist aber gar nicht so einfach, denn der Onkel hat ihr Colin als Leibwächter zur Seite gestellt – und Colin weckt schon bald Gefühle in Mo ...»

rafael marty, 19, steht im dritten Jahr seiner Buch-händlerlehre; ge-genwärtig arbeitet er am Kunden-dienst im Kram-hof. «Ich wollte im Verkauf arbeiten und schaute mir die verschiedenen

Branchen an», erzählt er. «Der Buchhan-del gefiel mir sofort am besten.» Denn zum einen sei das Gespräch mit den Kundinnen und Kunden in dieser Branche besonders intensiv – zum anderen ist Rafael ein be-geisterter Leser, der sich gern mit Büchern umgibt. Er liest allerdings fast nur dicke Fantasy-Romane, «etwas anderes geht praktisch nicht. Warum das so ist, weiss ich auch nicht.» Sein heutiger Tipp: «Die Mechanik des Herzens» von Mathias Malzieu. «‹Love is dangerous for your tiny heart› – diese Warnung sollte der kleine Jack ernst nehmen. Denn die Kuckucksuhr auf seiner Brust, die sein Herz zum Schla-gen bringt, kann durch starke Gefühle zer-stört werden. Doch kaum ist Jack in der Stadt angekommen, verliebt er sich in die zauberhafte Miss Acacia. Die hübsche Sän-gerin ist jedoch schon bald abgereist, um in Andalusien aufzutreten. Die Reise be-ginnt. In feinster Tim-Burton-Manier und mit der Detailverliebtheit eines Song-schreibers erzählt Jack von der Suche nach seiner grossen Liebe. Melancholisch, ironisch und wunderschön geschrieben, ist das Buch genau das Richtige für alle, die schon immer einmal eine etwas andere Liebesgeschichte lesen wollten.»

Jake djones und die Hüter der zeitDaMIaN DIbbeN 352 seitenCHF 27.90penhaligon

der Weg in die dunkelheit I – die erwählte erIca o’rourke 414 seitenCHF 16.90Blanvalet

die mechanik des HerzensMathIaS MalzIeu 187 seitenCHF 19.90carl’s books

38 | FantastIsCH! books nr. 3/2012

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Stephen King ist Millionen von Leserinnen und Lesern in aller Welt vor allem als Meis-ter des manchmal mehr, manchmal weni-ger subtilen Horrors bekannt. Er selber bezeichnet aber den Zyklus um den «Dunklen Turm» als sein Opus Magnum. 2004 erschien mit «Der Turm» der siebte und vermeintlich letzte Teil. Mit «Wind» legt Stephen King jetzt aber noch einmal eine Endzeit-Schippe drauf. Oder vielmehr dazwischen.

ein Buch für zwischendurchEs ist schon lange verbreitet, dass zu er-folgreichen Serien auch noch Prequels er-scheinen – das sind Folgen, die vor der Ori-ginalgeschichte spielen, also das Gegenteil von Fortsetzungen. «Wind» ist aber weder Fortsetzung noch Prequel, sondern ein Ro-man, der zwischen dem vierten und dem fünften Teil der Saga spielt. Sozusagen ein Interquel, oder wie King es nennt: «Der dunkle Turm 4.5». Doch keine Angst: Man muss die Originalserie nicht kennen, um «Wind» zu verstehen; leichter fällt einem das Leseabenteuer mit ein wenig Hinter-grundwissen allerdings schon.

tolkien und sergio leoneAnders als die meisten Roma-ne von King ist der «Turm»-Zyklus nicht in der Realität angesiedelt, sondern in einer endzeitlichen Welt namens Mittwelt. Revolvermänner sind das Gesetz – oder viel-mehr das, was vom Gesetz noch übrig geblieben ist. Ma-gische Wesen sind ebenso all-täglich wie Überreste techno-logischer Gerätschaften. Das klingt wie eine Mischung aus Western, Fantasy und Steam-punk, und genau das ist es auch. Stephen King nennt als hauptsächliche Inspirations-quellen Robert Brownings Ge-dicht «Childe Roland to the Dark Tower Came», «Der Herr der Ringe» und Sergio Leones

Spaghettiwestern. Roland ist denn auch der Name des Hauptprotagonisten, eines ebenso rätselhaften wie ritterlichen Revol-vermanns, der mit einer Gruppe New Yor-ker und dem hundeähnlichen Wesen Oy den sagenumwobenen dunklen Turm sucht und ihn in «Der Turm» auch findet.

ein loch wird gestopftWeshalb, so mag man sich nun fragen, schreibt Stephen King noch einen Roman für einen abgeschlossenen Zyklus? «Ich merkte, dass es in der Erzählung mindes-tens ein Loch gibt», begründet der Meister seine Motivation. «Mit der Zeit entstand in meinem Kopf eine Geschichte. Ich sah ei-nen abgetrennten Kopf auf einem Zaun-pfahl. Ich sah einen Sumpf voller Gefahren und Terror. Ich sah genug, dass ich auch den Rest der Geschichte sehen wollte.»

drei in einsDieser Rest der Geschichte ist «Wind» – und kein Roman im eigentlichen Sinn. Viel-mehr handelt es sich um eine Kurzge-schichte in einer Kurzgeschichte, die in die Rahmenhandlung des dunklen Turms ein-

gebettet ist. Während eines heftigen Sturms verschanzen sich Roland Deschain und seine Gefährten in einem verlassenen Haus. Roland nutzt die untätige Zeit, um eine Geschichte aus seiner Jugend zu er-zählen: Auf der Jagd nach einem grausa-men Mörder, der allem Anschein nach ein Gestaltwandler ist, findet Roland nur einen einzigen Zeugen – einen kleinen Jungen, der nun seines Lebens nicht mehr sicher ist. Er nimmt den Jungen in Schutzhaft. Im Gefängnis erzählt er ihm die zweite Ge-schichte des Buchs: die Erlebnisse des jun-gen Tim, der nichts unversucht lässt, um sich an seinem prügelnden Stiefvater zu rächen und seiner Mutter das Augenlicht wiederzuschenken.

es gibt noch viel zu wissenJe länger eine Serie andauert, desto mehr muss sich ein Schriftsteller die Frage gefal-len lassen: Musste das sein? Bei «Wind» lautet die Antwort: Es musste nicht, aber es darf sein. Denn die Geschichten sind ebenso spannend wie haarsträubend, manchmal brutal und blutig, manchmal schon fast märchenhaft und fantastisch. King zieht alle Register seiner Erzählkunst und wird mit «Wind» keinen Fan des dunklen Turms enttäuschen. Andererseits ist «Wind» aber eben auch nur ein Lücken-füller, der den abgeschlossenen Zyklus na-türlich nicht mehr weiterentwickeln kann. Aber der «Turm»-Zyklus ist halt Stephen Kings Lieblingswerk, und so ist anzuneh-men, dass «Wind» nicht das letzte Inter-quel bleiben wird. Oder wie der Meister es formuliert: «Es gibt so vieles in der Vergan-genheit und Gegenwart von Mittwelt, über das wir bisher noch nichts wissen. ‹Wind› wird zwar niemandes Leben verändern. Aber ich hatte Spass dabei!»

Rückkehr nach MittweltStephen Kings aussergewöhnlicher Zyklus um den «Dunklen Turm» ist eigentlich abgeschlossen. Trotzdem erscheint dieser Tage mit «Wind» noch ein weiterer Teil der Mittwelt-Saga – er schliesst Er-zähllücken.

erik Brühlmann

Wind450 seitenCHF 31.90Heyne

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alle bücher finden sie auch auf Im sCHauFenster | 39

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Eltern wissen aus Erfahrung: Buben und Mädchen lieben Tiere. Auch die Wissen-schaft ist der Tierliebe von Kindern auf vielfältige Weise auf der Spur. Dabei hat sie zum Beispiel herausgefunden, dass Säug-linge bereits mit sechs Monaten Tiere von unbelebten Gegenständen unterscheiden können. Und sie können in diesem Alter auch die Gesichter von Affen auseinander-halten – eine Fähigkeit, über die Erwach-sene nicht mehr verfügen. Spannend fin-den Kinder an Tieren unter anderem, dass sich diese auf nicht vorhersagbare Weise bewegen. Ihre Neugierde liegt vermutlich in der Evolution begründet: Kinder müs-sen herausfinden, ob sich ein Objekt auf sie zubewegen könnte und ob es gefährlich ist. Die Faszination für Tiere hat also auch mit Überlebenstrieb zu tun. Aber natürlich sind Tiere auch in ihrer Vielfalt hochinter-essant – und in vielen Fällen erst noch be-sonders hübsch. Kein Wunder also, kom-men sie in unzähligen Kinder- und Jugendbüchern vor. Nicole Stäuble hat eine Auswahl an Neuerscheinungen mit Tieren zusammengestellt.

«Meinem kleinen Sohn habe ich gerade ‹Der fliegende Jakob› von Philip Waech-ter erzählt, und er war davon hell begeis-tert. Die Geschichte, die sich für Kinder ab drei Jahren eignet: Als Baby flog Jakob ei-nes Tages einfach los, statt zu krabbeln. Jetzt ist er ein grosser Bub, und als die Fa-milie Ferien am Strand machen will, be-schliesst Jakob, selber ans Meer zu fliegen statt ins Flugzeug zu sitzen. Er schliesst sich einem Vogelschwarm an, doch leider wird der kleine Vogel Hubertus unterwegs vom bösen Herr Mörtel eingefangen. Ja-kob findet einen Weg, Hubertus und ande-re Vögel zu befreien; schliesslich kommt er am Badeort an und verbringt mit seinen Eltern herrliche Sommerferien ... Als Kind

wollte ich immer fliegen, und ich verstand überhaupt nicht, warum ich es den Vögeln nicht gleichtun konnte. Ich glaube, es geht vielen Kindern so, und darum gefällt ihnen dieses Buch – zumal es auch witzig und schön gezeichnet ist. Philip Waechter ist ein sehr humorvoller Erzähler, und seine Zeichnungen stecken voller herrlicher De-tails.

Etwas ältere Kinder – solche ab sechs Jah-ren – hören sicher gern die Geschichten von ‹Hieronymus Frosch›. Verfasst und il-lustriert hat sie Andreas Schmachtl, der mit Tilda Apfelkern bereits eine erfolgrei-che Figur erfunden hat. Hieronymus Frosch lebt im schattigsten Teich eines

Gartens und macht Erfindungen, die meis-tens total sinnlos sind und niemals so funk-tionieren, wie sie sollten. Die originellen, aber nie nervenaufreibenden Geschichten sind kurz und mit herzigen Zeichnungen versehen – sie eignen sich daher ideal zum Vorlesen vor dem Schlafengehen.

Wenn Kinder mit etwa neun Jahren selber lesen, wird ihnen ‹Gefährliche Kanin-chen› sicher viel Freude machen. Kirsten John erzählt die Geschichte von Max, ei-nem Einzelkind, das in einem langweiligen Professoren-Haushalt aufwächst. Die El-tern lesen ständig, aber Max hat keinen Bezug zu Büchern. Beim Spielen freundet er sich mit Leonie an, die genau das Ge-genteil von ihm ist: Sie liest gern und hält es in ihrer viel zu lauten Familie mit den fünf Brüdern kaum aus. Die beiden be-schliessen, die Familien zu wechseln – und merken dann, dass es ihnen in der eigenen Familie eben doch am wohlsten ist. Neben-bei retten sie auch noch die Ehe von Max’ Eltern und sorgen dafür, dass Leonies Fa-milie endlich mehr Platz bekommt. Die Ka-ninchen spielen eine witzige Nebenrolle: Wird es brenzlig, tauchen sie als gefährli-che Bestien hinter einem Gebüsch auf – zum Glück aber nur in Max’ Fantasie.

Das nächste Buch, das ich empfehle, eignet sich vor allem für Mädchen ab etwa zehn Jahren: ‹Jungs, die bellen, beissen nicht›. Der Roman von Leslie Margolis ist vor zwei Jahren erschienen und liegt jetzt auch als Taschenbuch vor. Hauptfigur ist Annabelle, die sich überhaupt nicht mit Buben versteht. Doch dann bekommt sie einen Hund sowie ein Erziehungsbuch für Hunde. Bald merkt sie, dass sich die Tipps aus dem Ratgeber auch auf Jungs anwen-den lassen. Das ist natürlich ein bisschen gemein, aber bei Annabelle funktioniert es

Von Kindern und Kaninchen

Kinder lieben Tiere – und darum gibt es für Buben und Mädchen jeden Alters Bücher, in denen Tiere wichtige Rollen spielen. Nicole Stäuble, Buchhändlerin in der Filiale von Orell Füssli in

Frauenfeld, stellt einige Neuerscheinungen mit Hunden, Bären und Tigern vor. marius leutenegger

Nicole Stäuble, 39, ist Buchhändlerin bei Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen zweieinhalbjährigen Sohn. «Ich machte bereits meine Lehre zur Buchhändlerin bei Orell Füssli», erzählt sie. Schon in der Lehre seien Kinder- und Jugendbücher für sie das Grösste gewesen, denn «dieser Bereich ist so vielseitig – und fast so etwas wie eine Buchhandlung in der Buch-handlung!» Ausserdem könne man die Kundinnen und Kunden, die Kinderbücher suchten, richtig beraten: «Die meisten Leute sind dankbar für Empfehlungen, weil sie sich mit den Neuerscheinungen nicht so gut auskennen.»

40 | kInderWelt books nr. 3/2012

Page 41: Books 3/12

Oberes Bild: Jakob – frei wie ein vogel. unteres Bild: Hieronymus Frosch – ein erfindungs-reiches tier und seine Freunde.

der fliegende Jakob PhIlIP waechter36 seitenCHF 18.90Beltz & gelberg

Hieronymus Frosch – darauf hat die Welt gewartetaNDreaS SchMachtl131 seitenCHF 19.90arena

gefährliche kaninchen kIrSteN JohN156 seitenCHF 15.90arena

Jungs, die bellen, beissen nicht leSlIe MarGolIS194 seitenCHF 11.90s. Fischer

seekers 1. die suche beginnt erIN huNter339 seitenCHF 22.90Beltz & gelberg

kuss des tigerscolleeN houck543 seitenCHF 26.90Heyne

wirklich – sie lernt: Mit Augenkontakt, ei-nem im richtigen Moment verschenkten Guetsli und klaren Ansagen bekommt man auch den grössten Angeber in den Griff.

Der Name Erin Hunter steht für eine Gruppe aus vier britischen Autorinnen, de-ren Werke bei älteren Kindern sehr beliebt sind – von ihnen stammt die Erfolgsserie ‹Warrior Cats›. Die zweite Serie des Ge-spanns heisst ‹Seekers› und ist eine Mi-schung aus Fantasy- und Tierbuch. Haupt-figuren sind ein Eisbär, ein Schwarzbär und ein Grizzly. Die drei wachsen an ganz verschiedenen Orten auf, haben aber alle ein ähnliches Schicksal: Sie verlieren unter traurigen Umständen ihre Mütter, sind nun auf sich selber angewiesen und kämp-fen ums nackte Überleben. Am Ende des ersten Bandes kommen die drei zusam-men; im Oktober erscheint bereits der drit-te Band dieser Reihe.

Mein abschliessender Tipp richtet sich an alle Teenager: ‹Kuss des Tigers›. Colleen Houck erzählt in einer Serie eine wunder-schöne Liebesgeschichte, die wohl vor al-lem den Fans der ‹Biss›-Bücher gefallen wird. Die 18-jährige Kelsey bekommt ei-nen Ferienjob in einem Zirkus – und ver-sorgt dort unter anderem den weissen Ti-ger Ren, zu dem sie eine grosse Zuneigung entwickelt. Als Ren nach Indien gebracht werden muss, weil man ihn dort auswil-dern will, wird Kelsey gebeten, ihn zu be-gleiten. Auf der Reise erfährt sie das Ge-heimnis des weissen Tigers: Ren ist ein verhexter Prinz, auf dem ein Fluch lastet. Er kann sich immer nur für wenige Minu-ten in einen Menschen zurückverwandeln. Und natürlich wird alles noch viel kompli-zierter ... Mich hat das Cover dieses Buchs angesprochen, aber auch das ausserge-wöhnliche Thema. Die Geschichte wird sehr farbig erzählt, und man erfährt auch viel über Indien – ein richtiger Ferien-schmöker!».

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Page 42: Books 3/12

Wenn Susann Egli die Filiale von Orell Füssli am Bellevue in Zürich besucht, steht oft nicht nur Belletristik auf ihrem Ein-kaufszettel. Die 44-Jährige ist seit zwei Jahren Geschäftsführerin des Schweizeri-schen Vereins für Epilepsie «Epi-Suisse». «Ich suchte damals einen Job, bei dem sich Gesundheit und Soziales verbinden las-sen», erinnert sie sich. Eine logische Folge ihrer Ausbildung: Die gelernte Kindergärt-nerin machte eine Zweitausbildung als So-zialarbeiterin und ergänzte das Ganze mit verschiedenen Weiterbildungen im Be-reich Management im Gesundheitswesen. «Meine jetzige Position ist sehr vielseitig, und das schätze ich.»

«Mit eBooks kann ich mich nicht anfreunden»

Das Lesevergnügen kommt dafür zuweilen ein bisschen zu kurz. «Ich war gerade in den Ferien und habe drei Bücher gelesen – aber alles in allem komme ich weniger zum Lesen, als ich es mir wünsche», sagt Susann Egli, die oft gute Tipps von den Mit-arbeitenden bei Orell Füssli erhält. «Lesen ist für mich perfekt um abzuschalten, in andere Welten einzutauchen oder um mich zu erholen.» Ihre Lesevorlieben sind viel-seitig, denn Abwechslung schätzt sie nicht nur im Berufsleben. Erst vor Kurzem hat sie zum Beispiel «Drachenspiele» von Jan-Philipp Sendker gelesen – von jenem Autor, der vom cover dieser Ausgabe von «Books» lächelt. Aber auch Krimis stehen auf ihrer Leseliste. Eine Bedingung stellt Susann Egli allerdings an jedes Buch: «Ich muss es in Papierform in der Hand haben! Mit eBooks kann ich mich überhaupt nicht an-freunden.» Seit einigen Jahren sammelt die Erlenbacherin ihre Lieblingsbücher. «Ehrlich gesagt: Diese Bücher leihe ich auch nur sehr ungern aus», sagt sie. Dafür müsse sie sich jetzt wieder überlegen, ob es Zeit für ein neues Regal sei.

Die Arbeit als Geschäftsführerin von «Epi-Suisse» bringt es mit sich, dass sich Su-

sann Egli auch mit Fachliteratur beschäf-tigt. «Wir bieten Beratungen im sozialen Bereich an für Menschen, die von Epilep-sie betroffen sind, und für deren Angehöri-ge.» Die Zahl der Menschen, die in der Schweiz an Epilepsie leiden, ist erstaun-lich hoch: 70’000 sind es offiziell. Rund 15’000 der Betroffenen sind Kinder. An deren Eltern richtet sich der Ratgeber «Epilepsien im Schulalltag». «Das Buch in-formiert nicht nur über die Krankheit an sich, sondern gibt auch speziell Antworten auf Fragen, die sich Eltern und Lehrperso-nen von epilepsiebetroffenen Kindern stel-len.» Es sei ein sehr verständlich geschrie-benes Buch, sagt Susann Egli, und es gebe viele praxisbezogene Tipps. «Wie muss man sich bei einem epileptischen Anfall verhalten? Kann das betroffene Kind am Turn- oder Schwimmunterricht teilneh-men? Worauf ist im Umgang mit dem Kind zu achten?» Es sei wichtig, dass bei unge-wöhnlichem Verhalten eines Kindes die Möglichkeit einer Epilepsie nicht ausser Acht gelassen werde.

Wir möchten von Orell-Füssli-Kundinnen und -Kunden wissen: Welches ist

Ihr liebstes Buch? Heute antwortet Susann Egli aus Erlenbach.

erik Brühlmann

epilepsien im schulalltag. Fragen, antworten, InformationenhaNSrueDI bISchofberGer et. al. 66 seitenCHF 21.90parepi

42 | meIn BuCH books nr. 3/2012

ISBN

978

-3-4

04-16

343-

4

www.luebbe.de

OF_Kepler_208x90.indd 1 14.08.12 10:44

Page 43: Books 3/12

Philippe ist reich, adlig, gebildet, sieht

gut aus – aber er ist vom hals an

abwärts gelähmt. eines tages taucht

Driss in Philippes geordnetem leben

auf. Der junge Schwarze wurde

gerade aus dem Gefängnis entlassen

und bewirbt sich bei Philippe nur

deshalb um eine Stelle als Pfleger, weil

er einen Stempel für seine arbeits-

losenunterstützung braucht. Seine

unbekümmerte, freche art macht

Philippe neugierig. Spontan engagiert

er Driss. Das ist der beginn einer

verrückten freundschaft.

chf 22.90

ab 10 Jahren

eaN 7619965022984

koMöDIe/DraMa

Intouchables – ziemlich beste Freunde

brandon, ein smarter New yorker,

hat es sich in seinem leben augen-

scheinlich komfortabel eingerichtet.

als ablenkung von der täglichen Job-

routine wirft er sich in ein exzessives

Sexleben voll schneller affären und

one-Night-Stands. Dieser rhythmus

droht jedoch einzustürzen, als seine

psychisch labile Schwester Sissy unan-

gekündigt vor seiner tür steht und bei

ihm einzieht. Ihre anwesenheit treibt

brandon nur noch tiefer hinein in

New yorks düsteres Nachtleben ...

chf 27.90

ab 16 Jahren

eaN 7619965023103

DraMa

shame

Die erfolgreiche Pariser Journalistin

anna ( Juliette binoche) recherchiert

für einen artikel über das leben von

Studentinnen, die ihr Geld als escorts

verdienen. Dabei stösst sie nicht nur

auf klare, ungeschminkte und jeder

falschen romantik entzauberte le-

bensentwürfe ihrer Informantinnen –

sie findet in ihnen auch ein verstören-

des echo auf ihre eigene karriere, auf

ihre eigenen bedürfnisse und auf das

satte, verwöhnte, rundum abgesicher-

te leben ihrer familie.

DraMa

elles

chf 24.00

ab 16 Jahren

eaN 7619965023219

bis 1995 erschienen über 40 kasper-

lihörspiele auf Mundart. Dann war

Schluss. Doch jetzt feiert der kasperli

ein comeback. auf der neuen cD

gibt es gleich zwei Geschichten zu hö-

ren: In «D Goldelia isch verschwun-

de» und «s Nünnelprinzässli und de

zaubersand» haut kasperli den bösen

auf den «Näggel», seinen freunden

hilft er aus der Misere. es spielen

David bröckelmann, Nik hartmann,

hannes hug, fabienne hadorn und

Michel Gammenthaler.

chf 19.90

Musikkassette artikel-Nr.: 0041525Pho

eaN 7619949815250

kINDer-cD

kasperli

erscheint am 5. oktober 2012

alle bücher finden sie auch auf dvd | 43

Page 44: Books 3/12

Fett – loblied auf eine verrufene IngredienzJeNNIfer MclaGaN260 seitenCHF 52.–rotpunkt

absinthe – die grüne Fee in der kücheMarGaretha JuNker100 seitenCHF 28.90at

Hello Cupcake!leIla lINDholM128 seitenCHF 28.90at

Fette Irrtümer – ernäh-rungsmythen entlarvtPaolo coloMbaNI173 seitenCHF 26.90Orell Füssli

Wer ein Kochbuch mit dem Titel «Fett» präsentiert, provoziert. Das scheint Jenni-fer McLagan aber nicht zu kümmern. Die Autorin sieht zwar mit ihrem Pagenschnitt und der ovalen Stahlbrille eher brav aus, doch sie scheint eine Art Agent Provoca-teur des Kochbuchs zu sein: Ihr letztes Werk hiess «Odd Bits» und zeigte, wie der «Rest des Tieres» zubereitet werden kann. Ihrem neuen Buch stellt die Köchin aus To-ronto ein fettes Plädoyer für ein «verrufe-nes Nahrungsmittel» voran. Zwar hätten die Herz-Kreislauf-Erkrankungen zuge-nommen, meint sie, doch der vermutete Zusammenhang zwischen tierischen Fet-ten, Cholesterin und Krankheiten sei rein spekulativ. Obwohl Fett auch an den Fron-ten von Ästhetik, Politik und Moral unter Beschuss geraten sei, bleibe unsere Abnei-gung dagegen auf jeden Fall unbegründet. Im Gegenteil zur öffentlichen Meinung sei-en einige Inhaltsstoffe tierischer Fette für unsere Gesundheit sogar sehr wichtig. Viel entscheidender als diese Argumente ist für McLagan aber etwas anderes: «Ich mag, wie Fett sich im Mund anfühlt, und ich lie-be seine unterschiedlichen Geschmacks-noten. Als Köchin und Feinschmeckerin kann ich mir kein Essen ohne Fett vorstel-len.» Und deshalb präsentiert sie uns auf rund 230 Seiten Beilagen, Vor- und Hauptspeisen sowie Desserts aus aller Welt – jedes Rezept voller Butter, Fett, Schmalz oder Speck und nicht ganz leicht, dafür aber geschmackvoll.

zauberhaftWährend Fett erst daran ist, sein schlech-tes Image loszuwerden, ist ein anderes Ge-nussmittel seit einigen Jahren vollständig rehabilitiert: der Absinth, wegen seiner Farbe auch «die grüne Fee» genannt. Das hochprozentige Getränk aus Wermuth, Anis, Fenchel und Gewürzen war im 19. Jahrhundert – nicht zuletzt in Künstler-kreisen – sehr beliebt. Doch dann wurde

das Getränk verboten. Der Inhaltsstoff Thujon aus dem Wermuth ist ein Nerven-gift, und ihm wurde nachgesagt, Wahnvor-stellungen, Depressionen und Blindheit hervorzurufen. In Wahrheit hatte die ge-sundheitsschädigende Wirkung der Bitter-spirituose allerdings ihre Ursache eher in minderwertigem Alkohol. 2005 wurde der Absinth in der Schweiz wie in vielen ande-ren Ländern wieder erlaubt. Margaretha Junker widmet ihm jetzt ein ganzes Koch-buch mit dem Titel «Absinthe – Die grüne Fee in der Küche». Sie zeigt auf 100 Sei-ten, dass sich die vielschichtigen und kräf-tigen Aromen der grünen Fee nicht nur in Getränken gut machen, sondern auch in Suppen, Saucen, süssen und salzigen Ge-richten. Leider erledigt die grüne Fee nach dem Essen nicht auch noch den Abwasch.

zuckersüssWie eine Fee in der Küche wirkt auch Leila Lindholm auf den Fotos ihres neuesten Kochbuchs. Sie zeigen die beliebte schwe-dische TV-Köchin, adrette Kinder, Land-haus-Charme und viel geschmolzene Schokolade. Nun gut, ein Buch mit dem Ti-tel «Hello Cupcake!» muss ja auch süss sein. Im Gegensatz zu Fett und Absinth wird Zucker allerdings vergeblich auf sei-

Geächtete Genüsse

Fett, Zucker und Alkohol: In unserer gesundheitsbewussten Zeit gelten sie als die apokalyptischen Reiter der Ernährung. Drei neue Kochbücher bringen uns die

verrufenen Lebens- und Genussmittel wieder näher. Benjamin gygax

Fett, Zucker und Alkohol gelten als die apokalyptischen Reiter der Ernäh-rungswissenschaft.

44 | kOCHBÜCHer books nr. 3/2012

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ne Rehabilitation warten: Er ist und bleibt ungesund. Neueste Untersu-chungen schreiben ihm sogar eine ähn-liche Suchtwirkung zu wie Nikotin oder Kokain. Doch das soll uns allen den Ge-nuss nicht verderben – ein kleines Des-sert gehört einfach dazu. Lindholm präsentiert 50 Cupcake-Rezepte mit Beeren, Lavendel, Karamell oder Nutel-la, denen man nicht widerstehen kann. Und wer noch nie von einem Whoopie gehört hat, wird auch diese Nascherei kennen und schätzen lernen.

knallhartSollten Sie nach einem üppigen Menu das Bedürfnis verspüren, etwas mehr über die Eigenschaften von Nahrungs-mitteln zu erfahren, sollten Sie als Di-gestif in «Fette Irrtümer – Ernäh-rungsmythen entlarvt» blättern. In diesem Buch fasst Paolo Colombani den Stand der Wissenschaft zu Kaffee, Kohlenhydraten, Fett und Cholesterin nüchtern zusammen. Der Dozent an der ETH und an der Universität Zürich nimmt uns viele Sorgen, nur eine Last kann er uns nicht abnehmen: Bewe-gung ist entscheidend – und wir haben zu wenig davon.

Für Sie probiert: Butterhuhn Rezept aus dem nebenan besprochenen Buch «Fett» Hauptgang für 4 bis 6 Personen

zutaten:

2 Zwiebeln, gehackt6 Knoblauchzehen, halbiert30 g Ingwer, grob gehackt8 Kardamomkapseln, nur die Samen2 frische Lorbeerblätter2 TL Kreuzkümmel, geröstet1 TL schwarze Pfefferkörner2 grüne Chilischoten, entkernt, gehackt1 getrocknete rote Chilischote1 Huhn von 1,4 kg (oder Keulen und Flügel)grobes Meersalz 2–3 EL Ghee 2 Stangen Ceylon-Zimt, je etwa 7 cm400 g Dosentomaten60 ml Rahm (35 % Fett)115 g Butter, gewürfelt2 EL Koriandergrün, gehackt1 Limette

zubereitung:

Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Kardamom, Lorbeerblätter, Kreuzkümmel, Pfeffer und Chilischoten zusammen mit 60 ml Wasser mixen, bis eine dünne Paste entstanden ist. Beiseitestellen.

Das Huhn in 8 Stücke teilen und die Haut entfernen. Die Hühnerteile salzen.

In einer grossen Bratpfanne, die auch ei-nen Deckel hat, 2 EL Ghee bei grosser Hit-ze erwärmen und darin die Hühnerteile portionsweise kräftig anbraten. Heraus-nehmen und beiseite legen. Auf ganz schwache Hitze reduzieren und die Zwie-bel-Gewürz-Paste in die Pfanne geben. Mit einem Holzlöffel den Bratensatz lösen und alles gut vermischen. Zimtstangen, Toma-ten mit Saft, 110 ml Wasser und 1 TL Salz zugeben. Alles zum Kochen bringen, Hitze reduzieren, die Pfanne zudecken und die Sauce unter gelegentlichem Rühren 30 Mi-nuten lang köcheln lassen.

Die Hühnerteile mit dem ausgetretenen Bratensaft in die Sauce geben. Zum Ko-chen bringen, Hitze reduzieren und das Huhn zugedeckt unter gelegentlichem Wenden etwa 30 Minuten köcheln lassen, bis es gar ist.

Die Hühnerteile aus der Sauce nehmen und warmstellen. Die Zimtstangen eben-falls herausnehmen, die Sahne in die Sau-ce geben und diese wieder zum Kochen bringen. Unter Rühren so lange kochen, bis sie eindickt. Von der Platte nehmen und die Butterwürfel unterrühren. Die Hühner-teile wieder in die Pfanne geben und in der Sauce wenden, bis sie gleichmässig davon überzogen sind. Mit Koriandergrün be-streuen, etwas Limettensaft darüber träu-feln und mit Reis servieren.

alle bücher finden sie auch auf kOCHBÜCHer | 45

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ml. In Zürich betreibt Orell Füssli «The Bookshop», eine Buchhandlung exklusiv für die Liebhaber englischsprachiger Lite-ratur. Weil aber nicht alle Kundinnen und Kunden regelmässig in die Limmatstadt kommen, hat Orell Füssli jetzt neu einen Online-Bookshop aufgeschaltet – unter www.english.books.ch. Er bietet ein voll-ständiges Buchsortiment mit über fünf Millionen englischsprachigen Titeln. «The Bookshop online» präsentiert begeisterte Mitarbeiterempfehlungen, Titel Hot off the Press und Great-Price-Angebote. Die Kun-dinnen und Kunden können alle festlichen Specials des Ladens auch online erleben und die handverlesenen Titel per Internet bestellen. Darüber hinaus bietet der engli-sche Online-Shop alle bekannten Vorteile von books.ch: Praktische Führung durchs Sortiment, Lieferung per Post oder in eine beliebige Filiale, aussergewöhnliche Aktio-nen und Leseproben.

www.books.ch – jetzt auch auf Englisch!

Der DESIGNOMAT macht Halt im Krauthammer

ml. Früher hingen an viel frequentierten Plätzen markante Zigarettenautomaten. Mittlerweile sind sie ebenso aus dem Strassenbild verschwunden wie die Rau-cher aus den Restaurants. Doch an ganz besonderen Orten trifft man sie noch im-mer an – denn einige Modelle wurden zu kleinen Kunstkiosken umfunktioniert. Das Konzept heisst DESIGNOMAT: Die Kästen spucken keine Zigaretten mehr aus, son-dern winzige Designartikel, die in einer li-mitierten Auflage von 100 Stück hergestellt

wurden und in einer Zigarettenschachtel Platz finden. Dazu zählt zum Beispiel das Demo-Set «Schall & Rauch», mit dem man mal richtig Dampf ablassen kann. Oder kleine Chili-Umhänger aus Glas. Bis am 18. Oktober steht ein mobiler DEISGNO-MAT auch im Krauthammer, der Kunst- und Architekturbuch-Abteilung der Orell-Füssli-Filiale Kramhof bei der Zürcher Bahnhofstrasse. Genau der richtige Ort für Kunst im Taschen(-buch-)format!

Foto: oliVeR baRtenschlageR / oRt: oeRliKonFoto: oliVeR baRtenschlageR/styling: MaRyaM aFschaR / designaRtiKel: duFtbauM Von sandy ReuteR

46 | Orell FÜsslI books nr. 3/2012

100% Cityguides inkl. App – die Städteführer für die Internetgeneration.

Authentisch, schick und superpraktisch: Die 100% Cityguides sind eine neue Generation Reiseführer. Sie wurden maßgeschneidert für

Städtekurzreisen und stecken voller Insider-Tipps. Ob Sightseeing, Shop-ping-Trip oder kulinarische Entdeckungsreise – mit dem 100% Cityguide erlebt der Reisende Städte, als wäre er mit einem Freund unterwegs, derihm die Stadt zeigt.

Die 100% Cityguides gibt es ab Herbst 2012 bereits für zweiundzwanzig spannende Metropolen: Von Amsterdam über Barcelona und Berlin bishin zu Venedig und Wien. Das Konzept der 100% Cityguides ist dabei so unkompliziert wie bestechend: Auf sechs Spaziergängen in sechs typischen Stadtteilen werden die schönsten Sehenswürdigkeiten, ange-sagtesten Cafés und Bars und die einladendsten Restaurants vorgestellt.

Alle 100% Cityguides wurden von jungen Journalisten verfasst, die in der Stadt leben und sie seit Jahren kennen. Orientierung bieten die beigefüg-ten 100% Stadtteil-Pläne und die herausnehmbare 100% City-Map. Die hochwertigen Fotos und die ansprechende Gestaltung geben schon vorab einen kleinen Vorgeschmack auf die Reiseziele.

Und es gibt noch eine weitere Innovation: Mit der kostenlosen 100% App, die dem Buch über einen Download-Code beigefügt ist, können alle Tipps, Texte, Pläne und Adressen des 100% Cityguides einfach auf das Smartphone herunterladen werden. Die App bietet weitere praktische Funktionen für die Reise: Audio-Sprachführer, U- und S-Bahn-Pläne, in-teraktive Stadtteilpläne, Routenplaner und die Möglichkeit, die angegebe-nen Adressen telefonisch oder online zu kontaktieren. Alle Bilder, Texte und Karten sind komplett offline, es entstehen keine Roaming-Gebühren.Die App funktioniert auf allen iPhones und Android-Smartphones.

Die 100% Cityguides inklusive App bilden so ein einmalig attraktives und preiswertes Komplettpaket für Städtetrips. Weitere Informationen unter www.100travel.de.

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10 Jahre L*-Reihe Donna Leon, Henning Mankell, Leon de Winter – sie und viele andere Stars

der internationalen Literaturszene lasen schon im Zürcher Kaufleuten.

Im Rahmen der L*-Reihe gelingt es immer wieder, grosse Namen in die

Schweiz zu holen.

markus ganz Werner pawlok

Niemand Geringerer als Salman Rushdie löste vor zehn Jahren die Literaturreihe «L*» aus. «Zufälligerweise erhielt ich da-mals die Gelegenheit, eine Lesung mit die-sem grossen Schriftsteller zu veranstal-ten», erinnert sich Reto Bühler. Er war sei-nerzeit freier Organisator von Kulturanläs-sen mit Schwerpunkt Musik. «Kurz darauf wurden mir auch noch Lesungen mit Jona-than Franzen und Jeffrey Eugenides ange-

boten, so dass die Idee aufkam, ein festes Format zu machen.» Das Zürcher Lokal Kaufleuten stellte seinen Saal günstig zur Verfügung, bald ergab sich eine enge Zu-sammenarbeit mit der Kulturredaktion des «Tages-Anzeigers» und Orell Füssli. Seit Anfang dieses Jahres wird «L*» auch noch von der Zürcher Kantonalbank un-terstützt.

DIe NächSteN leSuNGeN

20. Oktober 2012: Julian barnes

17. November 2012: christoph ransmayr

Beginn jeweils 20 Uhr, Kaufleuten Zürich.

Weitere Informationen: www.kaufleutenliteratur.ch/l-reihe

salman rushdie nach seiner lesung im kaufleuten: sämtliche autoren der l*-reihe werden vom Fotografen Werner pawlok auf die gleiche Weise porträtiert – damit ist eine eindrückliche galerie der bekanntesten autorinnen und autoren entstanden.

alle bücher finden sie auch auf Orell FÜsslI | 47

Von Beginn weg war den Beteiligten klar: Man will sich auf die wirklichen Grössen der internationalen Literaturszene kon-zentrieren, die bislang kaum in der Schweiz zu hören waren und die ein neues Buch vorstellen können. «Wichtig ist zu-dem, dass auch die Kulturredaktion des ‹Tages-Anzeigers› vom neuen Buch über-zeugt ist», betont Reto Bühler, der von 2004 bis Ende 2010 Programmleiter Kul-tur im Kaufleuten war und seit Anfang 2011 Gesamtleiter und Intendant des Mu-sikklubs Moods ist. Entsprechend variiert die Anzahl Lesungen zwischen vier und acht Veranstaltungen pro Jahr. Auch fremdsprachige Autoren lesen jeweils aus dem Original vor, schweizerische oder deutsche Schauspieler tragen dann zusätz-liche Buchausschnitte aus der deutschen Übersetzung vor. Zum Konzept gehört auch, dass ein Kulturredaktor des «Tages-Anzeigers» eine Einführung gibt und nach der Lesung mit dem Autor spricht.

Wichtig ist gemäss Reto Bühler auch, dass Orell Füssli auf die Veranstaltungen hin-weist – mit einem Büchertisch in den Filia-len, mit Hinweisen auf der Website oder in «Books». Es handle sich hier um ein klassi-sches Job-sharing, sagt Bühler: «Jeder Ko-operationspartner macht in seinem Ge-biet, was er kann.» Reto Bühler versucht zudem, den Autoren ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. «Be-sonders amerikanische Autoren staunen, dass die Lesungen in einem so grossen und trotzdem meistens ausverkauften Rahmen stattfinden.» Besonders gut in Erinnerung geblieben ist ihm die Lesung von T. C. Boy-le: «Dieser zeigt an seinen Lesungen wah-re Popstar-Qualitäten – und unterschreibt danach noch stundenlang Bücher. Berüh-rend fand ich Ismail Kadare, eine grosse Persönlichkeit. Zu den eindrücklichsten Erlebnissen zählt für mich aber immer noch die Lesung von Salman Rushdie vor zehn Jahren.»

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Lösungswort:

Vorname / Name

Adresse

PLZ / Ort

E-Mail

Bis am 15. Oktober 2012 in einer der Orell-Füssli-Filialen in Zürich, Basel, Bern, Winterthur, Frauenfeld, am Flughafen Zürich oder bei Rösslitor Bücher in St. Gallen abgeben – oder per E-Mail an: [email protected]. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.

Das Literatur-KreuzworträtselUnter den richtigen Lösungen verlosen wir Bücher-Gutscheine: 1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.

48 | WettBeWerB books nr. 3/2012

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septemBer19. Filiale Bellevue, zürich 20.30 h

«Schön ist das Leben und Gottes Herrlichkeit in seiner Schöpfung»buchvernissage mit corinna t. Sievers

21. Filiale kramhof, zürich 20.15 h

«Der Blutsfeind»

lesung von Mitra Devi und Premiere des Do-kumentarfilms «crime – auf Spurensuche mit krimiautorin Mitra Devi» von bea huwiler

24./25.kellerbühne st. gallen, st. georgenstrasse 3 20 h

«Wia gsait!»flurin caviezel hat seine Morgengeschichten aus dem radio in einem buch veröffentlicht – und präsentiert sie jetzt live mit viel Musik. veranstaltet von der kellerbühne in zusam-menarbeit mit rösslitor bücher.

26. Filiale kramhof, zürich 20.15 h

«So wa(h)r es!» buchpräsentation mit adolf ogi

27. the Bookshop, zürich 20.30 h

Book Clubfirst book club meeting at the bookshop. Discuss with us the new book by a.D. Miller

28. rösslitor Bücher, st. gallen 20 h

«Bin gleich zurück»lesung von beat Schlatter

29. Filiale kramhof, zürich 14-17 h

Wendolina zu Besuch in der Kin-derwelt

OktOBer3. Filiale Westside, Bern 14-17 h

Bastle ein Windrad mit Clown Wendolina

3. rösslitor Bücher, st. gallen 20 h

«Gallus-Stadt 2012» buchvorstellung.

3. Filiale kramhof, zürich 18 h

«Scrapbooks 1969-1985»buchvernissage mit dem Schweizer fotografen walter Pfeiffer

11. Filiale Winterthur 17-20 h

Handanalysen mit Monika Hauserlassen Sie sich in zehn Minuten aus der hand lesen und erfahren Sie Neues über sich

24./25./27.kellerbühne st. gallen, st. georgenstrasse 3 20 h

«Der kleine Buddha»buchvorstellung und bühnenprogramm mit li-nard bardill. veranstaltet von der kellerbühne in zusammenarbeit mit rösslitor bücher.

26. Filiale Winterthur 19-21 h

Zürich liest mit Mitra Devi und Petra Ivanov

26. Filiale Bellevue, zürich 20.30 h

Zürich liestPatrick tschan liest aus «Polarrot»

27. Filiale kramhof, zürich 14-17 h

Wendolina zu Besuch in der Kinderwelt

27. Filiale kramhof, zürich 18.30 h

Zürich liest ab 16 h Slampoetin lara Stollab 17 h verleihung der zürcher lyrik-Preises 2012

27. Filiale Bellevue, zürich 18.30 h

Zürich liest helmut kuhn liest aus «Gehwegschäden»

27. the Bookshop, zürich 20 h

Fear The Darkzürich liest. Get infected by Justin cronin‘s «the twelve»

31. Filiale kramhof, zürich 19.30 h

apassion4BOOKS – Kunstbücherolivia bosshard von kIoN im Gespräch mit illustren Gästen

nOvemBer2. Filiale Winterthur 19-21 h

«Bin gleich zurück»lesung und Gespräch mit beat Schlatter und Stephan Pörtner

3. Filiale Winterthur ganzer tag

Jubiläum: 15 Jahre Orell Füssli in Winterthurfeine leckereien für alle kundinnen und kunden; theo der bär verteilt ballone; grosser theo-wettbewerb für alle kinder

5. rösslitor Bücher, st. gallen 19 h

Literaturcafébuchhändlerinnen vom rösslitor servieren ab 20 h literarische leckerbissen; das team vom kafi rössli kümmert sich ab 19 h um das leibliche wohl

7. Filiale Westside, Bern 15-17 h

Malen in der Buchhandlung

8. Filiale Winterthur 17-20 h

Handanalysen mit Monika Hauserlassen Sie sich in zehn Minuten aus der hand lesen und erfahren Sie Neues über sich

12.–17. Filiale Frauenfeld 19 h

«Rondell-Woche»

13. kaufleuten zürich 20 h

«Capital»lesung von John lanchester. veranstaltet durch the bookshop

21. Filiale Bellevue, zürich

Jubiläum: 15 Jahre Orell Füssli am BellevueJubiläumsprogramm bis 1. Dezember 2012

mehr veranstaltungen und Informationen finden sie auf www.books.ch

alle bücher finden sie auch auf veranstaltungen | 49

Veranstaltungen von Orell Füssli

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vielen dank für das leben400 seitenCHF 32.90Hanser

Schweizer Autorinnen und Autoren erzählen in «Books», wie sie schreiben. Heute: Sibylle Berg

Schriftstellerinnen und Schriftsteller wer-den immer wieder nach dem Geheimnis ihrer Kreativität, nach den Regeln der Selbstdiziplinierung befragt – vermutlich deshalb, weil sich keiner vorstellen kann, dass Bücher oder Theaterstücke zu verfas-sen dermassen langweilig sein kann, wie es nach den zaghaften Auskünften der Au-torinnen und Autoren scheint. Da muss doch noch ein Geheimnis sein, etwas Fun-kelndes, Verbotenes, das mit Rauschmit-teln zu tun hat oder mit abgedunkelten Speicherräumen. Ist aber nicht. Da ist nichts.

Die These des Wissenschaftlers Dr. K. An-ders Ericsson lautet: «Menschen benöti-gen 10’000 Übungsstunden, um ausserge-wöhnliche Fähigkeiten zu entwickeln.» Ich brauchte zehn Jahre, ungefähr, um das Schreiben zu lernen. Über das Kopieren und Verwerfen, Lesen und Verzweifeln zu einem Stil zu finden, der mich im Ausdruck meiner Gedanken und Thesen nicht behin-dert. Danach konnte ich es, danach zwei-felte ich nicht mehr. Oder weniger. Jedes fertige Buch ist ein gescheiterter Versuch – aber wenigstens einer auf einem sauberen Niveau. Nach zehn Jahren Übung, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, be-gann ich, mit dem Verfassen von Büchern, Essays und Theaterstücken meinen Le-bensunterhalt zu verdienen.

Ich schreibe meist im Wechsel: alle zwei Jahre ein Buch, danach zwei Theaterstü-cke, dazwischen Aufsätze für Zeitungen, Reiseberichte, Kriegsreportagen – alles, was anfällt, wird erledigt. Ich stehe jeden Morgen gegen sieben Uhr auf, frühstücke und schreibe bis zum Mittag. Dann erledi-ge ich Anfragen, Kolumnen, leichtere Tex-te, am späten Nachmittag geht es weiter

mit dem Buch oder dem Stück. Die Ideen dazu sammle ich vorher über Monate, in denen ich versuche, das, was mich oder die Welt gerade beschäftigt, in eine Theorie oder in eine Überschrift zu pressen. Diese steht dann über dem Text. Bei Büchern und Stücken bin ich mir über die zu erzeu-gende Stimmung klar, über den Anfang und das Ende. Dazwischen führe ich textli-che Untersuchungen durch zur Lage, die ich begreifen will. Die ich aber auch am Ende nie begreife. Die grosse Überschrift über den kleinen Überschriften ist immer: Wie halten Menschen ihr Leben aus? Wie ertragen sie es in möglichst angenehmer Art, um ihren Tod zu wissen und dennoch weiterzumachen?

Erste Sätze sind völlig überbewertet. Ich habe keine Angst vor ihnen, denn man kann schlechte Sätze einfach löschen und durch gute ersetzen. Angst habe ich nur vor dem Danach. Vor der Vermarktung der Arbeit, ohne die es heute nicht mehr geht; ohne die nichts mehr geht. Sie beinhaltet, dass ich missverstanden werde, weil ich nicht klar genug war. Missverstanden – und dann denke ich immer darüber nach, was dieses Wort meint, welchen Grössen-wahn es einschliesst, und mir wird es furchtbar peinlich. Die Überschrift «erfor-schen, wie man das Leben aushält» ver-drängt, dass alles, was man tut, nicht viel bedeutet. Ausser man ist Mediziner, For-scher, Gandhi. Ich weiss, dass das, was ich schreibe, nichts ändert – und dann lande ich schon wieder im Grössenwahn und bin mir peinlich.

All das passiert erst nach der Fertigstel-lung eines Buchs. Während ich am Buch schreibe, ist alles gut. Ich will alles einfach nur gut machen, so gut es gerade geht, und schreibe vom Morgen an und mache mit-tags eine Pause, und das war es auch schon mit dem aufregenden Schriftstelle-rinnenleben. Mehr ist da nicht. Vermutlich geht es jedem, der arbeitet, nicht anders. Man glaubt an sich, man zweifelt an sich, man findet sich lächerlich und das zu

Recht. Das Gute daran ist einzig, dass ich mein Leben zu Hause verbringen kann, ohne einen Vorgesetzten, ohne Kollegen, die vielleicht aus irgendwelchen Gründen schlecht gelaunt sind. Ein unglaublich gu-tes Leben habe ich, auch wenn ich weiss, dass es bald endet.

SIbylle berG

Sibylle Berg, 1962 in Weimar geboren, lebt und arbeitet in Zürich. Sie schreibt Bücher, Theaterstücke und auf spiegel.de eine wöchentliche Kolumne. In diesem Sommer ist ihr neuer Roman erschienen:

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50 | kOlumne books nr. 3/2012

Page 51: Books 3/12

ZÜRICH

KRAMHOFFüsslistrasse 4, 8001 ZürichMO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00

AM BELLEVUETheaterstrasse 8, 8001 ZürichMO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00

THE BOOKSHOPBahnhofstrasse 70, 8001 ZürichMO – FR: 09.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 18.00

FLUGHAFENAirport Center, 8060 Zürich-FlughafenMO – SO: 08.00 – 21.00

ZÜRICH HAUPTBAHNHOFShopville, Halle Landesmuseum, 8001 ZürichMO – FR: 07.00 – 21.00 | SA : 08.00 – 21.00SO: 09.00 – 20.00

BAHNHOF STADELHOFENStadelhoferstrasse 8, 8001 ZürichMO – FR: 08.00 – 20.00 | SA: 09.00 – 19.00SO: 10.00 – 18.00

ORELL FÜSSLI IM FRANZ CARL WEBERBahnhofstrasse 62, 8001 ZürichMO – MI: 09.00 – 18.30 | DO / FR: 09.00 – 20.00 SA: 09.00 – 18.00

WINTERTHUR

MARKTGASSEMarktgasse 3, 8400 WinterthurMO – MI / FR: 09.00 – 18.30 | DO: 09.00 – 21.00SA: 09.00 – 17.00

ROSENBERGEinkaufszentrum RosenbergSchaffhauserstrasse 1528400 WinterthurMO – FR: 08.30 – 20.00 | SA: 08.00 – 18.00

ST.GALLEN

RÖSSLITOR BÜCHERMultergasse 1– 3, 9001 St.GallenMO – MI / FR: 09.00 – 18.30 | DO: 09.00 – 21.00 SA: 09.00 – 17.00

BAHNHOF ST.GALLENPoststrasse 28, 9000 St.GallenMO – FR: 08.00 – 21.00 | SA / SO : 10.00 – 20.00

FRAUENFELD

PASSAGEEinkaufszentrum PassageBahnhofstrasse 70 / 72, 8500 FrauenfeldMO – DO: 08.00 – 19.00 | FR: 08.00 – 20.00 SA: 08.00 – 17.00

BERN

WESTSIDEEinkaufszentrum WestsideGilberte-de-Courgenay-Platz 4, 3027 BernMO – DO: 09.00 – 20.00 | FR: 09.00 – 22.00 SA: 08.00 – 17.00

BASEL

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Telefon: 0848 849 848Fax: 044 455 56 20E-Mail: [email protected]

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