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82 Zeitechrift fiir anorgankche und sllgemeine Chemie. Band 250. 1942 Bordure und Oxyverbindungen. I Uber die Komplexbildung von Borsaure mif Salicylsaure in wafjriger Losung Von HARALD SCHKFER Mit 2Abbildungen im Text Die Beobachtung, dal3 die Borsaure in waBriger Losung mit ge- eigneten Oxyverbindungen unter Bildung neuer Verbindungen reagiert, hat eine auflerordentlich grol3e Anzahl weiterer Veroffentlichungen zur Folge gehabtl). Die entstehenden Verbindungen entsprechen, wie P. H. HERMAKS~) fand, dem Typ >c-0 I \B-OH (Monodiolverbindungen) oder dem Typ r7-0\d0-7<] H (Didiolverbindungen). >c-o/ >c-o/ \o-c< Enthalt die organische Komponente eine grol3ere Anzahl reaktions- fiihiger Oxygruppen, dann ergeben sich weitere Reaktionsmoglich- keiten, wobei sich die entstehenden Verbindungen auf die obigen Grundtypen zuruckfuhren lassen. Sieht man von den Arbeiten, die die mal3analytische Bestimmung der Borsaure behandeln, ab, so lassen sich zwei Arbeitsrichtungen er- kennen, die allerdings nicht scharf gegeneinander abzugrenzen sind : 1. Untersuchungen, in denen man aus der Beobachtung einer ein- tretenden oder ausbleibenden Verbindungsbildung mit Borsaure Riickschlusse auf die Konstitution der Oxyverbindungen zieht3) und l) Als erster hat wohl BIOT [Mbm. Acad. France 16 (1837) 2291 eine solche Reaktion beobachtet. Er stelltc fest, daB die optische Aktivitiit der Weinsaure und dcr dpfclsiiure durch Zusatz von Borsiiure crhoht wird. *) P. H. HERSIAXS, Z. anorg. allg. Chem. 142 (1925), 83. 3, Zum Nachveis einer Verbindungsbildung wcrden meist Leitfiihigkeits- messungen herangezogen. Diese Studien wurden von G. MAGXANIXI begonncn (Z. phys. Chem. 6 (1890), 58; 11 (1893), 2811 und vor allem von J. B~ESEKEN uud seincn Schulern im groBen Umfang weitergefuhrt.

Borsäure und Oxyverbindungen. I. Über die Komplexbildung von Borsäure mit Salicylsäure in wäßriger Lösung

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82 Zeitechrift fiir anorgankche und sllgemeine Chemie. Band 250. 1942

Bordure und Oxyverbindungen. I

Uber die Komplexbildung von Borsaure mif Salicylsaure in wafjriger Losung

Von HARALD SCHKFER

Mit 2Abbildungen im Text

Die Beobachtung, dal3 die Borsaure in waBriger Losung mit ge- eigneten Oxyverbindungen unter Bildung neuer Verbindungen reagiert, hat eine auflerordentlich grol3e Anzahl weiterer Veroffentlichungen zur Folge gehabtl). Die entstehenden Verbindungen entsprechen, wie P. H. HERMAKS~) fand, dem Typ

>c-0 I \B-OH (Monodiolverbindungen)

oder dem Typ r7-0\d0-7<] H (Didiolverbindungen).

>c-o/

>c-o/ \o-c< Enthalt die organische Komponente eine grol3ere Anzahl reaktions- fiihiger Oxygruppen, dann ergeben sich weitere Reaktionsmoglich- keiten, wobei sich die entstehenden Verbindungen auf die obigen Grundtypen zuruckfuhren lassen.

Sieht man von den Arbeiten, die die mal3analytische Bestimmung der Borsaure behandeln, ab, so lassen sich zwei Arbeitsrichtungen er- kennen, die allerdings nicht scharf gegeneinander abzugrenzen sind :

1. Untersuchungen, in denen man aus der Beobachtung einer ein- tretenden oder ausbleibenden Verbindungsbildung mit Borsaure Riickschlusse auf die Konstitution der Oxyverbindungen zieht3) und

l ) Als erster hat wohl BIOT [Mbm. Acad. France 16 (1837) 2291 eine solche Reaktion beobachtet. Er stelltc fest, daB die optische Aktivitiit der Weinsaure und dcr dpfclsiiure durch Zusatz von Borsiiure crhoht wird.

*) P. H. HERSIAXS, Z. anorg. allg. Chem. 142 (1925), 83. 3, Zum Nachveis einer Verbindungsbildung wcrden meist Leitfiihigkeits-

messungen herangezogen. Diese Studien wurden von G. MAGXANIXI begonncn (Z. phys. Chem. 6 (1890), 58; 11 (1893), 2811 und vor allem von J. B~ESEKEN uud seincn Schulern im groBen Umfang weitergefuhrt.

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H. Schsfer. Komplexbildung von Borsiture mit Salicylsliure 83

2. Arbeiten, die mit Kilfe physikalischer Messungenl) etwas uber die in einer wiiBrigen Auflosung von Borsiiure und Oxyverbindung vorliegenden Komplexverbindungen auszusagen versuchen. Von dieser zweiten Gruppe soll hier die Rede sein.

Die meisten der neu entstehenden Borverbindungen haben nur geringe Komplexfestigkeiten. Deshalb und weil meist mehrere Ver- bindungstypen nebeneinander in der Losung vorliegen, fiihrten solche Untersuchungen oft nicht zu eindeutigen, ja zum TeiI sogar zu einander widersprechenden Ergebnissen. Diese Unsicherheit wird dadurch erhoht, daB man fiir Borsiiure und eine bestimmte Oxyverbindung - auch wenn die physikalischen Untersuchungen mehrere Arten von Komplexverbindungen aneeigten - auf p r ii p a r a t i v em Wege nie- maIs alle die zu erwartenden Verbindungslypen aus der waBrigen Losung isolieren konnte2) 8). Die priiparative Bestatigung der ver- schiedenen in Losung nebentinander vorliegenden Arten von Borsaure- komplexverbindungen fehlt also noch.

Zu diesem Thema soll die vorliegende Arbeit einen Beitrag liefern.

l ) Unter anderem wurden gemessen: Leitflihigkeit, Drehung, Rotations- dispersion, Lichtbrechung und Oberfliiohenspannung. Endlich liegen auch dilato- metrische und kryoskopische Messungen, BestimmunFen der Wasserstoffionen- konzentration und der Liislichkeitsbeeinflussung sowie Untersuchungen des Ramanspektrums vor .

2) tfber die idierten Verbindungen dieser Art vergleiche vor allem die zu- sammenfassende Darstellung von P. H. HERBUNS, Z. anorg. allg. Chem. 142 (1925), 83.

3) Als Hinweis fur die Isolierbarkeit der beiden fur ein einfaches Diol m erwartenden Sfmren - der Mono- und der Didiolborsiure - darf man die folgen- den Beobachtungen betrachten:

P. H. HERMANS [Z. anorg. allg. Chem. 142 (19.25), 83, insbesondere S. 92, IIO] hat von der cis-CycIoheptandiolbors&ure eine geringe Menge des Anilinsalzes dargestellt, von dem er vermutet, daB es dem bisher fur dieses Diol unbekannten Didioltyp angeh6rt (der Monodioltyp ist davon bekannt). ,,Die Vermutung be- ruht nur auf einer (nicht sehr genauen) Bestimmung des Borgehaltes." Die Substanz war jedoch zersetzt, ehe eine exakte Analyse durchgefiihrt werden konnte. Die erneute Darstellung der Substanz gelang P. H. HERMANS nicht.

Ferner hat C. J. MAAN [Recueil Trav. chim. Pays-BaB 48 (1929), 3321 vom l-Phenylcyolopentan-cis-l,2-diol die Mono- sowie die DidiolborsLure beschrieben. Soweit man den knappen Angaben MAANa entnehmen kann, wurde dabei die Didiol- borsaure durch Extraktion einer wiiJ3rigen Losung mit Chloroform und Kristalli- satibn aus Chloroform gewonnen. Die Forderung, da5 beide Typen von Bor- verbindungen unmittelbar aus wiil3riger Losung gewonnen werden sollen, ist also nicht erfiillt.

6*

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Im folgenden werden in dem vcrhaltnismailSig einfachcn System einer waBrigen Auflosung von Borsaure, Salicylsaure und Salicylat, in dem nur swei Typen von Komplexverbindungen zu erwarten waren,

0 namlich Monosalicylboration C €1 /' L B O - (das noch Wasser an-

4\c00/ gela,gert haben kann) und DisaIicylboration

zunachst durch Gleichgewichtsuntersuchungen die Existenzbedingun- gen fur beide Verbindungstypen festgestellt. Diese Arbeit behandelt also die Gleichgewichte

(1) OH

c ~ H , < ~ ~ ~ - +H,BO, 2 ' :~~~<,"a.o- + 2 H,O UIld

In der daran anschliefienden Mitteilungl) wird dann gezeigt werden, da13 auf Grund dieser Versuche aulSer den bckannten Disalicylboraten auch Salze der Monosalicylbors5ure isoliwbar sind.

1. Das Gleichgewicht Salicylat + Borsaure t- Monosalicylborat

Die Existenz von Monosalicylboraten in wiiBriger Liisung hat I. $1. KOLTHOFF~) nachgewiesen. E r schloIj die Bildung einer neuen Verbindung aus der erhohten Liislichkeit der Borsaure bei Zusatz von Natriumsalicylst im Vergleich zur Borsaureloslichkeit in Wasser. Auf Grund der Tatsache, dalS Silbersalicylat bei Borsaurezusatz eine erhohte Loslichkeit zeigt (verwendet wurden 0,l und 0,5 m-Borsaure- lBsungen), lionnte I. M. KOLTHOFF ,,Komple~zerfalIskonstanten"~) ab- leiten und dadurch das Vorliegen von Monosalicylborat bestatigen*). -

I) Vgl. die folgende Abhandlung. 2, I. M. KOLTHOFF, Recueil Trav. chim. Pays-Bas 45 (1926), 607. 3, Der von KOLTHOFF gebrauchte Ausdruclr ,,Komplexzerfallskonstanten"

wird hier beibehalten, obwohl es zweifelhaft ist, ob die Monodiolverbindungen ale echte Komplexe aufzufassen sind.

4, I. M. KOLTHOFF hat ferncr aus der Loslichkeit von SaIicyIsaure in Bor- baurelosungen Komplexzerfallskonstanten fiir die &lonosalicylborsiture berechnet. Da er aber dabei die Bildung der Disalicylborsaure nicht beriicksichtigte, deren Konzentration in solchcn sauren Losungen bedeutend ist (vgl. spiiter Abb. 2), erubrigt es sich, hier auf diese Versuche niiher einzugeben.

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H. Sc hiifer. Komplexbildung von Borsiiure mit Salicylsiiure 85

Bei den e igenen Versuchen zur Ermittlung der Gleichgewichts- konstanten fur die Monosalicylboratbildung wurde an Stelle der von KOLTHOFF benutzten Borsaurelosung eine Losung von ,,Natrium- monosalicylborat", d. h. eine Natriumsalicylatlosung, die eine aqui- molare Menge Borsaure enthielt, verwendet. I n einer solchen Losung besteht bereits ein Gleichgewicht im Rinne der Reaktionsgleichung (1). Die Loslichkeit des fiir diese Versuche vcrwendeten Cadmiumsal i -

cy l a t's Cd( C6H4<gfo) .2H,01) mu13 in einer ,,Natriummonosalicyl-

boratlosung" daher kleiner sein als in Wasser. Aus dieser verminderten Loslichkeit des Cadmiumsalicylats wurde die Gleichgewichtskonstante fiir die Monosalicylboratbildung berechnet. Wesentlich ist, daB auf diesem Wege nur die reine Monosalicylboratbildung ohne Storung durch die Entstehung yon Disalicylborat gemessen wird. Disalicyl- boratbildung findet nur in saurer Losung statt, nicht merklich aber in neutraler oder alkalischer Losung. Das folgt schon daraus, dal3 ,,Natriummonosalicylboratlosungen" neutral reagieren (pn etwa 6,5). Disalicylboratbildung wurde aber alkalische Reaktion zur Folge haben :

2

Die Abhangigkeit der Komplexbildung vom Sauregrad der Losung wird spater (S. 93) noch eingehender behandelt werden.

Die Ausfuhrung der Versuche

Die Loslichkeitsbestimmungen wurden bei 22 f 0,2* C vor- genommen. Durcli Kontrollanalysen wurde in jedem Falle die vollige Sattigung der Ldsungen mit. Cadmiumsalicylat bestiitigt. Die Be- stimmung des Cadmiums erfolgte dabei als Anthranilat2). Die Los- lichkeit von Cadmiumsalicylat in Wasser betragt 0,0316 Mol/Liter.

Das Los l i chke i t sp roduk t L ist 1 ,262~10-~. Nit Hilfe der Anfangskonzentration an ,,Natriummonosalicyl-

borat", des Loslichkeitsprodukts L des Cadmiumsalicylats und der durch Analyse ermittelten Cadmiumkonzentration [Cd++] gewinnt man die zur Berechnung der Gleichgewichtskonstanten erforderlichen Konzentrationen wie folgt :

1) ijber Darstellung und Analyse des Cadmiumsalicylats vgl. die folgende

2) Vgl. H. u. W. BILTZ, Ausfuhrung quantitativer Analysen, 2. ,4ufl., S. 102 Abhandlung.

(1937).

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Anfangskonzentration der vorgelegten k6H4<:&-] A = { ,,NatriummonosalicylboratlBsung" + 2[Cd*]

Mit Hilfe dieser Komentrationen gewinnt man, wenn in der Reaktion (1) (vgl. S. 84) [HaO] als konstant angesehen und mit in die Konstante hineingenommen wird

Die auf diese Weise gewonnenen E r g e bn i s s e sind in der Tabelle 1 zusammengestellt .

Tabelle 1 Bildungskonsta,nte des ~lonosalicylboration8

Konzentration der vorgelegten Losung [cd*]~ von Na-monosalicylborat inMol/Liter in Mol/Liter

0,050 2,655 0 , l O 2,097 23

Die Ubereinstimmung der fur K , ermittelten Werte ist befriedi- gend und beweist, da13 die Bildung von Monosalicylborat in der an- genommenen Weise vor sich geht. Der Wert fiir Kl = 23 steht in guter Ubereinstimmung mit der von I. M. KOLTHOFF~) aus der Los- lichkeit von Silbersalicylat in Borsaurelosungen ermittelten Zerfalls- lionstanten

Index E = Konzentration nach Einstellung des Gleichgewichts. Index A ,= Konzentration bei volliger Aufspaltung der Verbindung.

a) I. M. KOLTHOFF, Recucil Trav. chim. Pays-Bas 46 (1926), 607.

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H. Schiifer. Komplexbildung von Borshure mit SdicylSTinre 87

KOLTHOFF fand fur K die Werte 5,l und 4,2-10-2. Die reziproken Werte der Zerfallskonstanten, also die Werte fiir die Bildungskonstante, betragen demnach 19,6 und 23,8.

Aus den spiiter zu besprechenden Loslichkeitsbestimmungen von Salicylsaure in Borsaurelosungen folgt fur Kl ein Wert gleicher GroBe.

2. Das Gleichgewicht Monosalicylborat + Salicylsaure 47 Disalicylborat

Die Bildung von Mono- und Didiolbarsauren ist als Esterbildung anzusehen. Allerdings verlauft diese Reaktion im Gegensatz zu ,,nor- malen" Veresterungen in den meisten FalIen unmeBbar schnell. Dieses von den ,,gewohnlichen" Estern abweichende Verhalten der Borsaure- verbindungen hat manche Autoren veranlaBt, iiberhaupt an deren Esternatur zu zweifeln. So ziehen W. D. BANCROFT und H. L. DAVIS~) Aktivitatseinflusse zur Erklarung der Erhohung des Sauregrades einer Borsaurelosung durch Oxyverbindungen heran und lehnen eine Ester- bildung ab mit der Begrundung: ,,die Bildung der in Frage kommenden Saureester ist vie1 zu schwierig, um in verdiinnter Losung bei Bimmer- temperatur ohne Katalysator oder Dehydratationsreagens zustande zu kommen." COOPS~) nimmt zwar die Bildung von Verbindungen zwischen Borsaure und Oxyverbindungen an, glaubt aber, daB die in Losung entstehenden Borsaureverbindungen, die die typische Er- hohung des Sauregrades verursachen, Additionsverbindungen der organischen Substanz an Borsaure seien, also ohne Wasseraustritt entstehen. Im Hinblick auf die Arbeit von COOPS hat P. H. HER- M A N ~ ~ ) darauf hingewiesen, daB die Bildung und Verseifung von Estern der Borsaure auBerordentlich schnell erfoIgt , so daB Bedenken gegen eine Formulierung als Ester nicht als gerechtfertigt erscheinen.

Nach den Arbeiten von J. B ~ E S E K E N sowie der genannten Ver- offentlichung von P. H. HERMANS kann wohl kein Zweifel mehr daruber bcstehen, daB es sich bei den Borsaure-Polyoxyverbindungen tatsachlich um esterartige Verbindungen handelt. Ein neuer Beweis hierfur ist das Verhalten der Disalicylborsaure. Diese besitzt namlich eine mefibare Bildungsgeschwindigkeit, so daB sich ihre Entstehung auch in verdunnter wabriger Losung messend verfolgen 1aBt. Die Disalicylborsaure schlagt demnach insofern eine Briicke zwischen den bekannten Borsliure-Diolkomplexen und den ,.gewohn-

l) W. D. BANCROET u. H. L. DAVIS, J. physic. Chem. 34 (1930), 2479. z, Vgl. bei P. H. HERMANS, Z. anorg. allg. Chem. 142 (1925), 92. 3, P. H. HERMANS, Z. nnorg. allg. Chern. 143 (1925), 83.

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lichen" Estern, ale sie ihrer Konstitution nach zweifellos mit den ubrigen Didiolborsauren zu vergleichen ist, trotzdem aber, wie die ,,gewohnlichen" Ester eine zeitlich mefibare Bildungsgeschwindigkeit besitzt. Die verhaltnismaRig geringe Geschwindigkeit bei der Ein- stellung des Gleichgewichts (2) (S. 84) ermoglicht die maBanalytische Bestimmung von Disalicylborsaure neben Rlonosalicylborsaure und Salicylsaure. Aus der Reaktionsgleichung

erkennt man, daB mjt zunehmender Dikomplexbildung die titrier- bare, freie Saure abnimmt. Man kann die irn Gleichgewicht vor-

liegende Summe der Sauren (Salicylsaure- Monosalicylborsiiure, Disalicylborsaure) bei 200 auf pH = 6 (Bromkresolpurpur als Indikator) scharf titrieren, ohne daB da- bei eine merkliche Aufspaltung der Di- salicylborsaure eintritt. Titriert man da, nach weiter in der Siedehitze, dann wird die Disalicylborsiiure vollstandig zerlegtl). Man findet also einen Gesamtlaugenver- brauch, der dcr vorliegenden gesamten Salicylsaure entspricht. Aus der Diffcrenz beider Titrationen (bei 20° und bei loo0) ergibt sich die Menge der Disalicylborsaure. Die Anwendbarkeit tlieser Titrationcn zur ' Bestimmung von Disalicylborsiiure und -7 P 5

crm JQU? Abh. 1. Ti t r a t i o n skurven Gesamtsalicylsaure ist durch eine Reihevon

1 = Salicylslure Modellversuchen sichergestellt worden, die 2 = SalicylEiure + Bors&um hier der Kiirze halber nioht nkher beschrie-

ben werden sollen. Die Abb. 1 zeigt den Verlauf der potentiometrischen Titrierkurve einer Salicylsaurelosung ohne Borsaure sowie mit Bor- saurezusatz nach Einstellung des Gleichgewichts. Die Versehiebung

l) 0. DIMROTH, [Lieb. Ann. 446( 1926), 97,1201 erwarmt bei der Analyse seiner Salicylsiiure-Borsiiuiureverbindungen deren walrige Losung nach Zugabe eines fiberschusses von Bariumhydroxyd 1/2 Stunde auf dem Wasserbade. Er erwahnt dabei, da13 dadurch das Salz ciner komplexen Borsalicylsaure zerlegt wird, geht aber nicht naher darauf ein. Offenbar handelt es sich auch in diesem Falle urn eine Auf- spaltung von Disalicylborat im Sinne der obenstehenden Gleichung.

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H. SchLfer. Komplexbildung von Borsiiure mit Salicylshre 89

des Potentialsprunges entspricht der vorliegenden Menge von Disalicyl- borsaure. Diese mal3analytische Bestimmbarkeit der Disalicylbor- saure wurde zur Ermittlung der Komplexkonstanten K, heran- gezogen. Aus dcr fiir die Entstehung von Disalicylborat mal3gebenden Gleichung (2) (S. 84) ergibt sich, wenn das Wasser rnit in die Kon- stante hineinaenommen wird :

Ausfuhrung der Versuche Die Vorbereitung der Versuche erfolgte so, daJ3 eingewogene

Mengen reinster Salicylsaure in 100 em3 einer 0,050 m-,,Natrium- monosalicylboratlosung" auf gelos t wurden. Zur Eins tellung des Gleichgewichts (2) (8. 84) blieben die Proben einen Tag bei 22O lo C stehen. Danach erfolgte die Bestimmung der freien Saure durch Titra- tion auf PH = 6 (Indikator: Bromkresolpurpur). Die zur Bcrechnung von K , nutwendigen GroBen ergeben sich unter Benutzung der irn ersten Abschnitt ermittelten Gleichgevrichtskonstanten fiir die Mono- salicylboratbildung Kl = 23 wie folgtl) :

[H,BO3la = 5,OO a

[ C6HH"<z:oH]d) folgt aus der eingewogenen Salicylsaure , m ,

l) Zur Vereinfachung dicser ltechnungen werden gewisse Vernachliiissigungen gemacht. Die dadurch entstehenden FehIer sind zweifellos nur klein. So wird die Dissoziation der Salicylsaure, die ja in Anbetracht der hohen Salicylatkonzen- tration nur gering ist, vernachlassigt. Ferner werden die liomplexen Sauren als stsrker als Salicylsaure angesehen, eine Annahme, fur die eine Reihe von Griinden sprechen und die auch durch die Versuche des Abschnittes 3 bestgtigt wird.

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C,H,(COO)BO- = x, so folgt x %us der Beziehung * 1.

In der folgenden Tabelle 2 sind die auf diesem Wege erhaltenen Ergebnisse zusammengestellt.

Tabelle 2 Bildungskonstante des Disalicylborations

p6H4GgOH] a in Mol/Liter * 1Oa

1,820 1,305 0,913 0,462 1,000 1)

0,642 0,426 0,282 0,135

1 134 136 134 1 132

0,867 I 121

Die befriedigende Obereinstimmung der fur K2 berechneten Werte beweist die Gultigkeit der Reaktionsgleichung (2) (S. 84). Sie be- statigt gleichzeitig erneut die Richtigkeit der Gleichgewichtslionstan- ten K , = 23.

In der letzten Zeile cler Tabelle 2 ist ein Versuch mit Zinkdisali- c ;y 1 b o r a t 2 )

eingetragen. Von diesem Salz wurde eine 5,00.10-3 molare Losung hergesteIlt. Nach Einstellung des Gleichgewichts erfolgte Titration und Berechnung in bekannter Weise. In diesem FalIe geschah die Gleichgewichtseinstellung durch Aufspaltung der Dikomplexverbin- clung, wahrend bei den vorhergehenden Versuchen der Aufbau aus den Bestandteilen stattfand. Die geringe Abweichung des auf diesern Wege ermittelten Wertes fur K 2 ist wohl auf die gemachten Vernachlassi- gungen zuriickzufuhren.

I ) Versuch mit Zinkdisalicylborat. Hier ist

[ C6H4<to-]A = [H,BO,]A = 1,0.10-2 molar.

2, Dargestellt naoh A. FOELSING (FRIEDLANDEE X, 1109), vgl. dam auch P. H. HERMANS, Z. anorg. a&. Chem. 148 (1925), 83, 109.

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Bus Loslichkeitsbestimmungen von Salicylsaure in Borsaure- losungen kann fur K , ein Wert von ahnlicher GroBe berechnet werden, wie im folgenden Abschnitt gezeigt werden soll.

3. Die Gleichgewichtslage in Auflosungen von Bordure und Salicylsaure

Siittigt ma.n Borsaurelosung mit Salicylsaure, bestimmt dann die Wasserstoffionenkonzentration der Losung und titriert schliel3- lich die freie Saure bei 20° C sowie die Gesamtsiiure bei looo C, so kann man aus diesen Ergebnissen sowohl die Gleichgewichtskon- stante Kl fur die Bildung von Monosalicylborat wie auch die Komplex- konstante I<, f i i r die Bildung von Disalicylborat ableiten. Allerdings mu13 dabei die vereinfachende Annahmc gemacht werden, daS die Monosalicylborslure ebenso wie die Disalicylborsaure in diesen ver- dunnten Losungen pralitisch vollstiindig dissoziiert ist. Diese Annahme diirfte erlaubt sein, wie die annahernde Ubereinstimmung der so erhaltenen Ergebnisse mit den auf anderen Wegen ermittelten K-Werten zeigt.

Die Borsaurelosungen wurden bei 22,0 f 0,20 C mit Salicylsaure als Bodcnkorper bis zur Sattigung geschuttelt. Bei dieser Temperatur ist pine gesattigte wa13rige Losung von Salicylsaure 1,388-10-, molar und zeigt eine Wasserstoffionenkonzentrationl) [H+] = 3,02. molar. Dsraus folgt das Loslichkeitsprodukt L = [H+I2= 9,12.10-6 und die konstante Sattigungskonzentration der undissoziierten Sali- cylsaure

~ 6 H 4 < ~ ~ o H ] = 1,388. 10W2 - 0,302. = 1,086. molar.

Die zur Berechnung der Konstanten erforderlichen GsoGen ergebon sich wie folgt:

[H3BO3IA = Borsaureanfangskonzentration, [H+] = potentiometrisch gemessen, [ GesamtsalicylsSiure] = bekannt aus Titration bei looo.

1) Die pa-Messung geschah mit einer Chinhydronelektrode auf etwa & 0,04px- Einheiten genau. Kleine Fehler im PA haben einen bedeutenden EinfluB. Die auf dieser Grundlage ermittelten Ergebnisse haben daher nur eincn mehr orientierenden Charakter.

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I

[H+] [:i$:t- H / o ~ B / o b 6 H ~ ] .103 i n . y , i / ~ in &fol/~.103 i[. H in %OO /O>BO-]BIK1 ;\Jo1/~.103 K , 4 \ ~ ~ ~ ' 'OOC'

~

[H,BO& 'nMol/L. 102 in Mol/L

- _ _ .________

1,68 1,Ol

10,17 I 7,24 1 2,337 4,26 I 1 5,OU 5,75 1,951 2,69

2,034 j 4,46 1 1,655 1 1,32 I

p6H4(C.z>BG:>C6H4-]E bekannt aus Versuch

(Differenz: Titration bei l ooo C - Titration bei 20° C),

OH 1 [ C6H4<oo)BO-]E 0 = [Gesamtsalicylsaure] - [ C6H,(Coo-

- [(: 6 H 4\(-lOOH], /OH - [c,H4&B&c6H4r,-] E '

Man erkennt, daB sowohl die Zahlen far K, wie auch fur Ii, im Hinblick auf die gemachten Vernachlassigungen mit den auf anderem Wege ermittelten Werten der Tabelle 1 und 2 befriedigend uberein- stimmenl).

Fur die Bildung von Disalicylborat in einer Auflosung von Salicylsaure und Borsaure gilt die Reaktionsgleichung :

l) Aus den durch die obigen Loslichkeitsversuche gewonncnen GroJ3en konnen &uoh, wenn K , und K z bekannt sind, Dissoziationskonstanten fiir Monosali- cylbors&ure und Disalicylborsiiure berechnet werden. Da aber die &€Ur erforder- liche sehr groDe Genauigkeit bei der Messting der Wasserstoffionenkonzentration bei meinen Versuchen nicht erreicht murde, sol1 auf die Ableitung von Disso- ziationskonstanten verzichtet werden.

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H. SchSfer. Bomplexbildung von BorsBure mit Salicylsiiure 93

Daraus folgt bei Vernachlassigung des Wassers die Gleichgewichts- konstante fur den Gesamtvorgang :

= 23.133 = 31 * lo2

4. Mono- und Disalicylboratbildung in Abhangigkeit vom Sauregrad der Losung

Aus den Gleichungen (1) und (2) (S. 84) erkennt man, da13 die Bildung von Monosalicylborat die Gcgenwart von Salicylat erfordert, da13 fiir die Entstehung von Disalicylborat aber aul3er Salicylat auch freie Salicylsaure notwendig ist. Daraus ist schon zu erkennen, dal3 die Entstehung von Mono- und Disalicylborat vom pa-Wert ab- hangen muB.

Der EinfluW der Wasserstoffionenkonzentration IaDt sich an- schaulich darstellen, wenn man folgenden Gedankenvcrsuch durch- fuhrt:

Eine waI3rige Losung von Salicylsaure und Borsaure lal3t man, ohne zunachst die KomplexbiIdung zu beachten, verschicdene PH- Werte annehmen. Zu jedem pE-Wert gehort dann ein durch die Disso- ziationskonstante bestimmtes Verhaltnis von Salicylsaure/SaIicylat und von BorsSure/Borat. Dabci ist es unmesentlich, dalJ infolge Komplex- bildung auch Monosalicylborat- und Disalicylborationen anwesend sind. Man halt nun, unabhangig von der Bildung von Mono- und Disalicylborat, die Summe der nach Einstellung der Gleichgewichte (1) und (2) vorliegenden Konzentrationen der nichtkomplexen Kompo- nenten Salicylsaure + Salicylat und Borsaure + Borat lconstant. Je nach Wasserstoffionenkonzentration, d. h. je nach Verhaltnis von [Salicylsaure]/[Salicylat] und von [Borsaurt?]/[Boratf aerden ganz ver- schiedene Konzentrationen von Mono- und Disalicylborat im Gleich- gewicht vorliegen. Diese Rechnung wurde durchgefuhrt mit der Fest- setzung, da13 die Summe [Salicylslure] + [Salicylat] ebenso wie die Summe [Borsaure] + [Borat] nach Einstellung des Gleichgewichts

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700-& ?36<&>~3jj erkennt, daB Disalicylborat-

Bereich urn PA = 3 moglich ist. Blonosalicylborate sind dagegen in einem groi3en Ge- biet ( p ~ - 3-9) bestgndigl). -

Fur die Darstellung von h 4 &>A? Monosalicylboraten sind diese ,------ Ergebnisse wichtig, weil aus

\ ihnen folgt, dal3 nur im sauren I \ I \ Gebiet eine Storung durch

1 I I \ Disalicylboratbildung zu er-

I warten ist und daB man bei I I 1 I I I I Darstellung von Monosalicyl-

boraten am besten in der Nahe I 1 I

des Neutralpunktes srbeitet. \ \

r bildung nur in einem schmalen

I \

1 I -

l) Man kann diese Rechnung ebenso fur andere Konzentrationen durch- fiihren. Dabei verschiebt sich nur die Hijhe der beiden Maxima, nicht aber ihre Lage zur pH-Skala, und nur auf diese kommt es hier an.

Im abgebildeten Beispiel ist ein Teil der Kurven (auf der ,,sauren Seite") wegen der gcringen L6slichkeit der Salicylslure nur in solchen Losungen realisier- bar, die an Salicylsiiure iibersattigt sind.

2) Man wird sogar annehmen diirfen, da8 selbst der Ersatz von Bor durch gewisse andere Zentralatome das hier fur Bor und Salicyh&ure gewonnene Bild in qualitativer Hinsicht nicht wesentlich veriindert.

Page 14: Borsäure und Oxyverbindungen. I. Über die Komplexbildung von Borsäure mit Salicylsäure in wäßriger Lösung

H. Schiifer. Komplexbildung von BorsiLure mit SalicylsLure 95

2. Fur die Bildung yon Monosalicylborat

und Disalicylborat

wurden Gleichgewichtskonstanten ermittelt, mit deren Hilfe die Ab- hangigkeit der Mono- und Disalicylboratbildung von der Wasserstoff- ionenkonzentration berechnet werdcn kann.

&ma, Chemisches Institut der Universitat.

Bci der Redaktion eingegangen am 0.Mai 1942.