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139 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Mauerwerk 17 (2013), Heft 3 Fachthemen DOI: 10.1002/dama.201300572 Die brandschutztechnische Bewertung von bestehenden Decken- konstruktionen stellt Planer und Ausführende immer wieder vor Herausforderungen. Sofern die heute erforderliche Feuerwider- standsklasse nicht nachgewiesen werden kann, sind brandschutz- technische Ertüchtigungen unumgänglich. Bei der Ertüchtigung von derartigen Deckenkonstruktionen mit Bekleidungen oder Unterdecken ist die Nachweisführung einschließlich des Befesti- gungsmittels schwierig, da diese im Regelfall nicht detailliert in einem bauaufsichtlichen Nachweis enthalten ist. In einer Serie von Brandprüfungen wurden historische Decken- konstruktionen untersucht. Dabei ging es vor allem darum, ein Ge- samtsystem aus einer Brandschutzbekleidung und einer praxis- gerechten Befestigung dieser Bekleidung nachzuweisen. Der Artikel dokumentiert neben den bisherigen Bewertungen solcher Deckenkonstruktionen auch die Besonderheiten des Versuchs- aufbaus für die durchgeführten Brandprüfungen sowie Auswer- tung dieser Versuche. Fire tests on historic floor structures. The assessment in respect of fire resistance of existing floor constructions is a challenge to planners and executioners. If the today’s required fire resistance class cannot be proven, an improvement for the floor system is essential. This is done in most cases by additional claddings or suspended ceilings. The verification of the fixing of those systems is difficult because this is often not in the scope of approvals. A series of fire tests has been performed to investigate the be- havior of historic floor structures under fire exposure. The com- plete system of fire protective cladding and its practice-oriented fixing was subjected to these tests. The present paper explains the former approach to assess the fire behavior of historic floors, characteristics of the test specimens and the evaluation of the tests. 1 Brandschutztechnische Bewertung von Bestandsdecken Bei Sanierungen und Umnutzungen von bestehenden Ge- bäuden werden Planer und Ausführende mit einer Vielzahl von Aufgabenstellungen konfrontiert. Während bei neueren Gebäuden Unterlagen meist vorhanden sind bzw. die wesent- lichen Konstruktionsparameter mit einigermaßen wirtschaft- lichem Aufwand bestimmbar sind, trifft man bei „histori- schen Konstruktionen“ insbesondere aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und 1. Hälfte des 20 Jahrhunderts häufig auf Überraschungen. Ein Grund hierfür mag sein, dass die Gebühren für den Einsatz einer standardisierten Decke gespart werden sollten und so immer neue Deckenkonstruk- tionen entworfen wurden [1]. Gemeinsam ist diesen Deckenkonstruktionen, dass der Feuerwiderstand meist nicht eindeutig bestimmbar ist oder die heute erforderliche Feuerwiderstandsklasse auf der Grundlage der vorliegenden Verwendbarkeitsnachweise oder der technischen Baubestimmungen nicht erreicht wird. Im Rahmen dieses Beitrags soll über Möglichkeiten der brandschutztechnischen Bewertung und über Ertüchti- gungsmöglichkeiten, die im Rahmen einer Brandversuchs- serie ermittelt wurden, berichtet werden. Bei der Bewertung von Bestandsdeckenkonstruktionen wird der Planer im Regelfall auf die Konstruktionsgrund- sätze der DIN 4102-4 [2] zurückgreifen. Hier gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Zum einen kann ver- sucht werden, die Deckenkonstruktion als Stahlsteindecke entsprechend Abschnitt 3.9 der Norm brandschutztechnisch zu bewerten, oder aber als Deckenkonstruktion mit Zwi- schenbauteilen entsprechend Abschnitt 3.10. Wesentlicher Unterschied der Herangehensweise ist die Frage, wie sich die Decke im Brandfall verhalten wird. Bei den Stahlsteindecken nach Abschnitt 3.9 wird unter- stellt, dass eine Bemessung nach DIN 1045 [3] erfolgt ist und Deckenziegel nach DIN 4159 [4] verwendet wurden. Bei Feuerwiderstandsklassen > F 30 dürfen die Abstände der senkrechten Stege der verwendeten Steine maximal 60 mm betragen. Bei größeren Abständen kann die Tabelle 27 von [2] nicht zur Bewertung herangezogen werden und der Nachweis ist über Brandversuche zu führen. Die Einschrän- kung geschieht vor dem Hintergrund, dass die in Tabelle 27 enthaltenen Konstruktionen sich im Brandfall wie Platten- decken verhalten, d. h. die ebene Deckenuntersicht erhal- ten bleibt. So liegen deutlich günstigere Erwärmungsbedin- gungen des Bauteils im Brandfall vor, als z. B. bei einer Rippendeckenkonstruktion, bei der eine mehrseitige Brand- beanspruchung der tragenden Bestandteile unterstellt wird. Um diese günstige Bewertung heranziehen zu können, stellt sich natürlich die Frage, wie bei einer Deckenkon- struktion mit Errichtungsdatum in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein Nachweis nach DIN 1045 gelin- gen soll. Das wird auch noch dadurch erschwert, dass die Ziegel nach DIN 4159 eine Kraftübertragung in der Biege- druckzone ermöglichen müssen. Dieses erfolgt zum einen durch Vorgaben hinsichtlich des Lochbildes (z. B. Vorgabe der Größe des maximalen Einzellochs), sowie durch die Tiefe der Vermörtelung in der Stoßfuge der Steine (teil- Brandprüfungen an historischen Deckenkonstruktionen Burkhard Bermes Thorsten Mittmann

Brandprüfungen an historischen Deckenkonstruktionen

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139 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Mauerwerk 17 (2013), Heft 3

Fachthemen

DOI: 10.1002/dama.201300572

Die brandschutztechnische Bewertung von bestehenden Decken-konstruktionen stellt Planer und Ausführende immer wieder vor Herausforderungen. Sofern die heute erforderliche Feuerwider-standsklasse nicht nachgewiesen werden kann, sind brandschutz-technische Ertüchtigungen unumgänglich. Bei der Ertüchtigung von derartigen Deckenkonstruktionen mit Bekleidungen oder Unterdecken ist die Nachweisführung einschließlich des Befesti-gungsmittels schwierig, da diese im Regelfall nicht detailliert in einem bauaufsichtlichen Nachweis enthalten ist.In einer Serie von Brandprüfungen wurden historische Decken-konstruktionen untersucht. Dabei ging es vor allem darum, ein Ge-samtsystem aus einer Brandschutzbekleidung und einer praxis-gerechten Befestigung dieser Bekleidung nachzuweisen. Der Artikel dokumentiert neben den bisherigen Bewertungen solcher Deckenkonstruktionen auch die Besonderheiten des Versuchs-aufbaus für die durchgeführten Brandprüfungen sowie Auswer-tung dieser Versuche.

Fire tests on historic fl oor structures. The assessment in respect of fi re resistance of existing fl oor constructions is a challenge to planners and executioners. If the today’s required fi re resistance class cannot be proven, an improvement for the fl oor system is essential. This is done in most cases by additional claddings or suspended ceilings. The verifi cation of the fi xing of those systems is diffi cult because this is often not in the scope of approvals.A series of fi re tests has been performed to investigate the be-havior of historic fl oor structures under fi re exposure. The com-plete system of fi re protective cladding and its practice-oriented fi xing was subjected to these tests. The present paper explains the former approach to assess the fi re behavior of historic fl oors, characteristics of the test specimens and the evaluation of the tests.

1 Brandschutztechnische Bewertung von Bestandsdecken

Bei Sanierungen und Umnutzungen von bestehenden Ge-bäuden werden Planer und Ausführende mit einer Vielzahl von Aufgabenstellungen konfrontiert. Während bei neue ren Gebäuden Unterlagen meist vorhanden sind bzw. die wesent-lichen Konstruktionsparameter mit einigermaßen wirt schaft-lichem Aufwand bestimmbar sind, triff t man bei „histori-schen Konstruktionen“ insbesondere aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und 1. Hälfte des 20 Jahrhunderts häufi g auf Überraschungen. Ein Grund hierfür mag sein, dass die Gebühren für den Einsatz einer standardisier ten Decke gespart werden sollten und so immer neue Decken kon struk-tionen entworfen wurden [1].

Gemeinsam ist diesen Deckenkonstruktionen, dass der Feuerwiderstand meist nicht eindeutig bestimmbar ist oder die heute erforderliche Feuerwiderstandsklasse auf der Grundlage der vorliegenden Verwendbarkeitsnachweise oder der technischen Baubestimmungen nicht erreicht wird.

Im Rahmen dieses Beitrags soll über Möglichkeiten der brandschutztechnischen Bewertung und über Ertüchti-gungsmöglichkeiten, die im Rahmen einer Brandversuchs-serie ermittelt wurden, berichtet werden.

Bei der Bewertung von Bestandsdeckenkonstruktionen wird der Planer im Regelfall auf die Konstruktionsgrund-sätze der DIN 4102-4 [2] zurückgreifen. Hier gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Zum einen kann ver-sucht werden, die Deckenkonstruktion als Stahlsteindecke entsprechend Abschnitt 3.9 der Norm brandschutztechnisch zu bewerten, oder aber als Deckenkonstruktion mit Zwi-schenbauteilen entsprechend Abschnitt 3.10.

Wesentlicher Unterschied der Herangehensweise ist die Frage, wie sich die Decke im Brandfall verhalten wird. Bei den Stahlsteindecken nach Abschnitt 3.9 wird unter-stellt, dass eine Bemessung nach DIN 1045 [3] erfolgt ist und Deckenziegel nach DIN 4159 [4] verwendet wurden. Bei Feuerwiderstandsklassen > F 30 dürfen die Abstände der senkrechten Stege der verwendeten Steine maximal 60 mm betragen. Bei größeren Abständen kann die Tabelle 27 von [2] nicht zur Bewertung herangezogen werden und der Nachweis ist über Brandversuche zu führen. Die Einschrän-kung geschieht vor dem Hintergrund, dass die in Tabelle 27 enthaltenen Konstruktionen sich im Brandfall wie Platten-decken verhalten, d. h. die ebene Deckenuntersicht erhal-ten bleibt. So liegen deutlich günstigere Erwärmungsbedin-gungen des Bauteils im Brandfall vor, als z. B. bei einer Rippendeckenkonstruktion, bei der eine mehrseitige Brand-beanspruchung der tragenden Bestandteile unterstellt wird.

Um diese günstige Bewertung heranziehen zu können, stellt sich natürlich die Frage, wie bei einer Deckenkon-struktion mit Errichtungsdatum in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein Nachweis nach DIN 1045 gelin-gen soll. Das wird auch noch dadurch erschwert, dass die Ziegel nach DIN 4159 eine Kraftübertragung in der Biege-druckzone ermöglichen müssen. Dieses erfolgt zum einen durch Vorgaben hinsichtlich des Lochbildes (z. B. Vorgabe der Größe des maximalen Einzellochs), sowie durch die Tiefe der Vermörtelung in der Stoßfuge der Steine (teil-

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kendecke hat, der Logik folgend, die Bezeichnung „Decken-bauart IV“ zugewiesen bekommen.

Prüfungen an Unterdeckenkonstruktionen der Decken-bauart I können bei Einhaltung der Leistungskriterien di-rekt auf der Unterdeckenkonstruktion auch als Basis für eine Klassifi zierung der „Unterdecke allein“ herangezogen werden.

Da die Abhängehöhe a bei den geprüften Konstruk-tionen als Abstand Unterfl ansch/Unterseite Betonrippe zur Oberseite der Unterdeckenkonstruktion defi niert wird, kann eine Direktbefestigung an einer Flachdecke aus den Prüfungen nach DIN 41022 nicht direkt abgeleitet werden, da die Befestigung entweder aus prüftechnischen Gründen an einem Stahlträger erfolgen muss oder, bei Befestigung in der Abdeckung oberhalb der Stahlträger, ein Schutz des Befestigungsmittels durch den vorhandenen unbelüfteten Deckenhohlraum gegeben ist.

Um zu einem bauaufsichtlichen Nachweis für ein Ge-samtsystem zu kommen, bei dem vor allem die Befestigung der Unterdecke praxistauglich nachgewiesen werden sollte, haben die MPA Braunschweig und die Promat GmbH gemeinsam eine Serie von Brandversuchen durch-geführt. Ziel war es, entsprechend geschützte Kunststoff -dübel als Befestigung für eine Unterdeckenkonstruktion im Zusammenspiel mit der vorhandenen Ziegeldecke nachzuweisen.

3 Nachbau historischer Stahlsteindecken

Auslöser für diese Versuchsserie war ein Sanierungsobjekt, bei dem zum einen der konstruktive Aufbau der Decken-konstruktion durch Teilabriss sehr exakt ermittelt werden konnte und zum anderen für die Sanierung Steine neu her-gestellt wurden, so dass sich die Möglichkeit ergab, eine entsprechende Anzahl Steine für einen Normbrandver-such zu erhalten.

Bei der Deckenkonstruktion handelte es sich um eine so genannte „Kleinesche Decke“, die einen Vertreter der Steineisendecke darstellt. Bei dieser handelt es sich um „eine der ältesten, einfachsten und billigsten Decken“ [1]. Dabei wird zwischen Stahlträgern ein horizontales Mauer-werk im Verband errichtet. Rechtwinklig zur Spannrich-tung der Stahlträger wird in den Mörtelfugen eine Beweh-rung entweder aus Flachstahl oder aus Bewehrungseisen eingelegt.

Diese Deckenkonstruktion wurde mit allen notwendi-gen Details nachgebaut und mit verschiedenen Bekleidungs-varianten Brandversuchen unterzogen. Um die in der Praxis auftretenden Abstände der Stahlträger im Brandversuch realistisch nachzubilden, wurde jeweils ein Ausschnitt aus einer Decke nachgebaut, der eine Prüfung mit einem Ab-stand der Stahlträger von 1,5 m erlaubte. Die Ausfachung bildeten speziell hergestellte Ziegelsteine (Langlochziegel), die von ihrem Aufbau her mit den historisch verwendeten Steinen übereinstimmen.

Es wurden verschiedene Stegdicken der Ziegelsteine untersucht, da bekannt ist, dass dieser Parameter entschei-denden Einfl uss auf die Tragfähigkeit des Dübels unter Brandeinwirkung hat. Auf so genannte Anfängersteine, die auch die Unterseite des Stahlfl ansches umschließen, wurde bewusst verzichtet, um den ungünstigen Fall der freiliegen-den Flansche gezielt für die Brandversuche nachzubilden.

oder vollvermörtelt). Dieser Hinweis auf die Druckübertra-gung über den Stein ist wesentlich, da hier auch der Unter-schied zu den Deckenkonstruktionen vorhanden ist, in denen die Ziegel nur Zwischenbauteile darstellen und plan-mäßig nicht zu einer Druckkraftübertragung herangezogen werden können. Bei Letzteren wird unterstellt, dass im Brandfall das Risiko besteht, dass sich die Decke zu einer Rippendecke wandeln wird, mit den bereits genannten brandschutztechnischen Nachteilen für die im Regelfall im Rippenbereich vorhandene Zugbewehrung.

2 Ertüchtigungen von Bestandsdecken

Wenn also keine entsprechende Einstufung der Deckenkon-struktion nach DIN 4102-4 vorgenommen werden kann, ist eine brandschutztechnische Ertüchtigung notwendig. Hierzu sind auf dem Markt eine Vielzahl an Ertüchtigungs-möglichkeiten für bestehende Deckenkonstruktionen vor-handen.

Die gängigsten Varianten bestehen z. B. aus– Unterdeckensystemen (auch als Bekleidung) oder– Putzsystemen (Spritzputz),mit denen Deckenkonstruktionen auf den heute erforderli-chen Feuerwiderstand ertüchtigt werden können. Die Nach-weise werden im Regelfall über allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse oder allgemeine bauaufsichtliche Zulassun-gen geführt. Bei wesentlichen Abweichungen vom Anwen-dungsbereich dieser bauaufsichtlichen Nachweise sind ggf. auch Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) erforderlich.

Bei der Wahl eines Unterdeckensystems zur Sanierung von Ziegeldecken wird man unweigerlich mit dem Problem der Befestigung konfrontiert.

Diese ist in den vorliegenden Nachweisen typischer-weise nur sehr allgemein beschrieben. In den allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen der Unterdeckenkon-struktionen wird auf bauaufsichtlich zugelassene Dübel verwiesen. Die Zulassungen vieler gängiger Dübel berück-sichtigen allerdings entweder nicht den Lastfall Brand oder umfassen nicht die Verwendung in Decken aus Hohlzie-geln. Solche Hohlziegel kamen aber bei historischen De-cken häufi g zum Einsatz. Als Ausweg aus diesem Dilemma arbeitete man in der Praxis oft mit Gutachten, die aber zumeist nicht auf Prüfungen des Gesamtsystems beruhten.

Dies liegt im Wesentlichen daran, dass in Deutschland der Nachweis von Unterdeckensystemen lange Jahre über Prüfungen nach DIN 4102-2 [5] erfolgt ist. Dabei dient die Prüfung zur brandschutztechnischen Verbesserung der Rohdecke sowie, bei entsprechenden Prüfergebnissen, auch als Nachweis der Unterdecke allein ohne Berücksich-tigung einer darüber liegenden Rohdecke.

Um einen größtmöglichen Anwendungsbereich der Prüfergebnisse zu ermöglichen, wurden in DIN 4102-2 vier unterschiedliche Deckentypen als „Referenzdecken“ defi -niert, die als brandschutztechnisch besonders kritisch an-zusehen sind:– Stahlträgerdecke mit Abdeckung aus Porenbeton– Stahlträgerdecke mit Abdeckung aus Stahlbeton– Stahlbeton- oder Spannbetondecke– Holzbalkendecken

In DIN 4102-4 werden die ersten drei Deckenkonstruk-tionen als Deckenbauarten I bis III defi niert. Die Holzbal-

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leitung zu simulieren, wurden zusätzlich Lastverteilungs-platten angeordnet, um so ein „Herausstanzen“ der Ziegel aus der Deckenebene zu verhindern.

Die so bemessenen Decken wurden auf einen Brand-ofen mit den lichten Öff nungsmaßen von 4 m × 3 m aufge-legt. Die befl ammte Länge der tragenden Stahlprofi le betrug dabei 4 m. Wegen der notwendigen Aufl agerungen außer-halb des befl ammten Bereiches betrug die Länge der Mas-sivdecken insgesamt sogar 5 m. Die Decke wurde statisch bestimmt gelagert, um eine maximale Verformung in Feld-mitte zu gewährleisten. Unter den beschriebenen praxisge-rechten Lagerungs- und Belastungsbedingungen wurde der Feuerwiderstand der Decken nach DIN EN 1365-2 [6] ge-prüft (Bilder 2 und 3).

Die so entworfenen Massivdecken wurden in aufwen-diger Handarbeit in der MPA Braunschweig aufgebaut, wo-bei besonderes Augenmerk darauf gelegt wurde, den Decken die notwendige Zeit zur Trocknung zu gewähren. So sollte vermieden werden, dass eine zu hohe Restfeuchte im Mörtel das Brandverhalten evtl. positiv beeinfl usst. Auch wurde der Druckbeton auf der Oberseite der Steinausmauerung auf ein absolutes Minimum reduziert, da der Druckbeton das Brandverhalten – insbesondere den Temperaturdurch-gang – positiv beeinfl ussen würde. Eine möglichst dünne Druckbeton-Schicht stellte somit das höhere Risiko für den Brandversuch dar, gewährleistete aber umgekehrt eine möglichst breite Übertragbarkeit der Versuchsergebnisse für die Praxis.

Weiterhin wurde die Oberseite der Stahlträgerfl an-sche nicht mit Beton überdeckt, um Erkenntnisse über die Wärmeleitung im Stahlträger durch den Deckenquerschnitt zu erhalten.

Geprüft wurden sowohl direkte Bekleidungen (auf Plattenstreifen als Unterkonstruktion) als auch abgehängte Varianten (Bild 1). Dabei kam stets eine Bekleidung aus PROMAXON®-Brandschutzbauplatten, Typ A zur Anwen-dung. Die Plattendicke variierte je nach angestrebter Feuer-widerstandsdauer (60 bzw. 90 Minuten).

Als Dübel wurden Langschaftdübel SXR 10 × 80 T bzw. SXR 10 × 60 FUS der Firma Fischer gewählt. Diese Dübel haben zwar einen Nachweis zur Verwendung in Hohlkam-mersteinen, jedoch nur bei Anwendung in Wänden. Den-noch wurde der Dübel ausgewählt, da er sowohl in den Hohlkammern als auch in Stegen bzw. Fugen gute Befesti-gungsergebnisse erwarten ließ.

Da es sich um einen Kunststoff dübel handelt, musste er allerdings besonders gegen Temperatureinwirkung ge-schützt werden. Je nach Konstruktionsvariante übernahm diese Funktion der Plattenstreifen, der auch zur direkten Be-festigung der Bekleidung diente, bzw. bei der abgehängten Variante ein zusätzlich angeordnetes 100 mm × 100 mm großes Plattenstück.

Die Bemessung der Konstruktion stellte eine weitere Herausforderung dar. Bei der prüftechnischen Nachweis-führung für Unterdeckenkonstruktionen handelt es sich bei den Normprüfungen nach z. B. DIN 4102-2 eigentlich um eine Stahlträgerprüfung, d. h. die Belastung wird ent-sprechend der Tragfähigkeit der Träger bemessen. Im vor-liegenden Fall stellen jedoch die Flächen zwischen den Stahlträgern die maßgebende Bemessungsgröße dar, da hier die Ziegel sowie der Aufbeton die Druckkräfte und die Flachstähle bzw. die Bewehrungseisen die Zugkräfte auf-nehmen müssen. Weiterhin kann das Querkraftversagen im Aufl agerbereich der Deckenfüllung zwischen den Stahl-trägerfl anschen maßgebend werden.

Daher wurde die Bemessung der Deckenkonstruktio-nen durch ein Ingenieurbüro durchgeführt. Die Aufbeton-schicht wurde minimal gewählt, um eine Aussage zum Wärmedurchgang im Brandfall durch die gesamte Decken-konstruktion zu erhalten. Hierdurch verschiebt sich die „Nulllinie“ in den Stein, so dass auch dieses bei der Bemes-sung berücksichtigt werden muss.

Auf Basis der Berechnungen für die Deckenkonstruk-tion, die durch den Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, erfolgte die Lasteinleitung in den Feldern zwischen den Stahlträgern an acht Punkten. Um eine fl ächige Lastein-

Bild 1. Beispiel einer geprüften Deckenkonstruktion mit Unterdecke (Vertikalschnitt)Fig. 1. Example of a tested ceiling with cladding (vertical section)

Bild 2. Untersicht einer der geprüften Stahlsteindecken beim Transport auf den PrüfofenFig. 2. Soffi t of a tested reinforced brick fl oor during transport to the furnace

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geringe und elastische Verformungen auftraten, zeigte die unbekleidete Decke große und irreversible Verformungen. Dieses Ergebnis ähnelte einem Ergebnis einer vergleichba-ren Deckenkonstruktion, das bei Brandversuchen in den Jahren 1935/1936 erzielt wurde [7].

Auch die durch Brandeinwirkung und große Verfor-mungen entstandenen Beschädigungen an den Steinen und am Druckbeton zeigten deutlich, dass die Bekleidung die Rohdecke nicht nur während des Brandes schützt, sondern darüber hinaus auch eine Sanierung nach einem Brandfall wesentlich erleichtert.

5 Zusammenfassung

Die Versuche bestätigten, dass es sich bei den Normbrand-versuchen, z. B. entsprechend DIN 4102-2, um brand-schutztechnische Worst-Case-Prüfungen handelt. Durch die Modifi zierung der Randbedingungen für den praxisbezoge-nen Fall einer Stahlsteindecke mit Langlochziegeln konnte gezeigt werden, dass Reserven in der Ursprungskonstruk-tion vorhandenen sind, die allerdings erst durch eine ange-messene, brandschutztechnische Ertüchtigung abgerufen werden können.

Die aus den Brandprüfungen gewonnenen Ergebnisse ermöglichen die Ausstellung eines Nachweises in Form eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses (abP) für die geprüften Konstruktionen. Somit liegt eine geprüfte, praxis-gerechte Lösung für derartige historische Decken vor, bei der nicht mehr auf Gutachten o. Ä. zurückgegriff en wer-den muss.

Bei der Anwendung des abP ist zu beachten, dass in-nerhalb der vorgegebenen Randbedingungen das Gesamt-system nachgewiesen ist, bestehend aus den speziellen Dübeln, der Bekleidung mit PROMAXON®-Brand schutz-bau platten, Typ A und deren Konstruktionsdetails.

Literatur

[1] Mehmel, U.: Lehrstuhl Bautechnikgeschichte, BTU Cottbus: Typische Altbaukonstruktionen I, Tragwerke in Eisen und Stahl, Decken mit Stahlträgern. Mai 2001.

[2] DIN 4102-4:1994-03: Brandverhalten von Baustoff en und Bauteilen; Zusammenstellung und Anwendung klassifi zierter Baustoff e, Bauteile und Sonderbauteile. Beuth Verlag, Berlin.

[3] DIN 1045:1988-04: Beton und Stahlbeton; Bemessung und Ausführung. Beuth Verlag, Berlin.

[4] DIN 4159:1999-10: Ziegel für Decken und Vergusstafeln, statisch mitwirkend. Beuth Verlag, Berlin.

[5] DIN 4102-2:1977-09: Brandverhalten von Baustoff en und Bauteilen; Bauteile, Begriff e, Anforderungen und Prüfungen. Beuth Verlag, Berlin.

[6] DIN EN 1365-2:2000-02: Feuerwiderstandsprüfungen für tragende Bauteile; Decken und Dächer. Beuth Verlag, Berlin.

[7] Kristen, Th., Herrmann, M., Wedler, B.: Brandversuche mit belasteten Eisenbetonbauteilen und Steineisendecken. Teil 1: Decken. Deutscher Ausschuss für Eisenbeton; Heft 89, 1938, Ernst und Sohn, Berlin.

Autoren dieses Beitrages:Dr. Burkhard Bermes, Promat GmbH, Ratingen, Scheifenkamp 16, 40878 RatingenDipl.-Ing. Thorsten Mittmann,Materialprüfanstalt (MPA) für das Bauwesen, Braunschweig,Beethovenstraße 52, 38106 Braunschweig

4 Dübel nach Versuchsende praktisch unversehrt

Die Ergebnisse der Brandversuche haben die Erwartungen deutlich übertroff en. Alle Versuche der Serie haben die an-gestrebte Feuerwiderstandsdauer erreicht und sogar teil-weise übertroff en.

Mindestens ebenso wichtig war aber die Beurteilung der Probekörper nach den Brandversuchen (Bild 4). Dabei zeigte sich, dass die Dübel zum Großteil unversehrt an Ort und Stelle waren. Es kam also nicht zum befürchteten Ver-sagen der Dübel durch Wegschmelzen in Folge der mögli-chen Temperatureinleitung. Obwohl Temperaturmessstel-len, die zusätzlich zu den Forderungen der Prüfnorm im Deckenhohlraum angeordnet wurden, dort durchaus er-hebliche Temperaturen nachwiesen, haben die getroff enen Maßnahmen zum Schutz der Dübel innerhalb des geprüf-ten Gesamtsystems ihre Wirkung getan. Dies gilt sowohl für Dübel, die in den Hohlkammern der Steine angeordnet waren, als auch für solche in den Stegen bzw. Fugen.

Eine zusätzliche Prüfung an einer Stahlsteindecke un-ter gleichen Randbedingungen ohne jede brandschutztech-nische Bekleidung zeigte schon im Verhalten der Decke den drastischen Unterschied zu den geschützten Varianten. Während bei den Prüfungen mit Bekleidungen nur relativ

Bild 3. Montage der Unterdeckenkonstruktion im PrüfofenFig. 3. Mounting of the cladding inside the furnace

Bild 4. Beurteilung der Dübel nach dem Brandversuch durch Zerstören der SteineFig. 4. Evaluation of the anchor after the fi re test by cracking the bricks